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German Pages 192 Year 1976
BERNHARD·MICHAEL KAPSA
Das Verhot der reformatio in peius im Zivilproze.li
Schriften zum Prozessrecht
Band 46
Das Verbot der reformatio in peius im Zivilprozeß
Von
Dr. Bemhard-Michael Kapsa
DUNCKER &
HUMBLOT I
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kapsa, Bernhard-Micbael Das Verbot der reformatio in peius im Zivilprozess. - 1. Aufl. - Berlin: Duncker und Humblot, 1976. (Schriften zum Prozessrecht; Bd. 46) ISBN 3-428-03642-5
Alle Rechte vorbehalten @) 1976 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03642 5
Vorwort Die Arbeit hat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation vorgelegen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. H. F. Gaul, danke ich herzlich für seine vielfältige Förderung und sein stets waches Interesse am Fortschritt meiner Untersuchungen. Gleichfalls zu großem Dank verpflichtet bin ich dem Zweitreferenten, Herrn Prof. Dr. H. Fenn, sowie der Universität Bonn für ihre Unterstützung beim Druck dieser Schrift. Das Manuskript wurde im Oktober 1975 abgeschlossen. Spätere Veröffentlichungen, insbesondere die während des Druckes erschienene Arbeit von Nikolaos Klamaris: Das Rechtsmittel der Anschlußberufung, Tübinger juristische Studien, Bd. 57 - mit Besprechung von Fenn, FamRZ 1976, 259 ff. - konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden. Bonn, Mai 1976 B. Kapsa
Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt
Begriffliche Abgrenzung § 1 Der Begriff einer "reformatio in peius" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
I. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
II. Die Begriffsbestimmung . . .. . .. . . . .. .. .. .. . . . . . .. . . . .. .. .. .. . . 20 1. Die bisherigen umfassenden Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Die Umschreibung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. . 21 2. Abschnitt
Die dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius § 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots im gesamten
Verfahrensrecht
. . . . . . . . . . •. . . . . . .. . . . . . •. . . •. •.. . •. •. . . . . . . . . . . . .
23
I. Die Auffassungen zum Zivilprozeßrecht, zum Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zum Verwaltungsprozeßrecht . . . . . . 23 II. Die Begründung des Verbots der reformatio in peius im Strafprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gegenwärtige Kluft zu den übrigen Verfahrensrechten . . 2. Die Obereinstimmung in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anfänge des Verbots im Zivilprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entwicklung des strafprozessualen Verbots der reformatio in peius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Folgen für die Verbotsursache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Art und Wirkung der möglichen Grundlagen
24 24 25 25 28 33 33
I. Die dogmatischen Ansatzpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
II. Die auslösenden Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der eingeschränkte Devolutiveffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bindung an die Beschwerdegründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 35
§ 4 Die außerprozessualen ·· Ursachen . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
I. Bestimmungen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . a) Die Herstellung "materieller" Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . b) Das Interesse an Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Gewaltenteilung . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . 2. Die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 36 36 37 38 39
II. Der Grundsatz der Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .
40
8
Inhaltsverzeichnis
§ 5 Die "relative Rechtskraft" des angefochtenen Urteils . . . . . . . . . . . . . . . .
41
§ 6 Die Verfügungsmacht der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . .
43
I. Die Verhandlungsmaxime................................ . . . ... 44 II. Die Dispositionsmaxime . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . 1. Die abstrakten Verfügungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verfügungsbefugnis über das materielle Recht . . . . . . b) Prozessuale Dispositionsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die konkreten Dispositionen der Parteien • . • • . . . . . . . . . . . . . . a) Der "Verzicht" des Rechtsmittelbeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Anträge des Rechtsmittelklägers . . . . . . . . . . . . • . . . . . . .
45 46 46 47 48 48 50
§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
I. Das "Wesen" des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausnahmslosigkeit des Wesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Rechtsschutzziel des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Schutzbedürfnis des Rechtsmittelklägers . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Bewertung des Rechtsmittels als Klage . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 60 61 62
II. Die Regelung des Gesetzes im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . 65
3. Abschnitt Die gesetzlidle Anerkennung des Verbots der reformatio in peius § 8 Formen einer gesetzlichen Anerkennung des Verbots . . . . . . . . . . . . . .
68
I. Die Ordnung des Rechtsmittelverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrückliche Vorschriften .. . .. . .. .. . .. . . .. . . . .. . .. . .. .. . . 2. Die Bindung an die Rechtsmittelanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Prüfung der Beschwerdepunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Grundsätze der Tatsachenbeschaffung . . . . . . . . . • . . . . . . . . a) Die Zulässigkelt neuen Vorbringens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Möglichkeit einer Anschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Befugnisse des Rechtsmittelklägers hinsichtlich der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . 7. Das Interesse am Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 69 70 71 71 72 72
11. Die entsprechende An,wendung sonstiger gesetzlicher Regelungen 1. Die Bestimmungen anderer Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsbehelfe desselben Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Analogie zu den Vorschriften anderer Verfahrensordnungen ..... .... ................................ . ...... 2. Die Gestaltung des erstinstanzliehen Verfahrens . . . . . . . . . . . . a) Die Kompetenz zur Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bindung an die Sachanträge .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .
76 76 77
74 74
77 77 78 78
Inhaltsverzeichnis
9
§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
A. Das Zivilprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
I. Die Zivilprozeßordnung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 79 a) Berufung und Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Die Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Der Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Der Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Der Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl . . . . . . . . . . . . 83 b) Der Widerspruch gegen einen Arrestbefehl oder gegen die Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruchs . . . . . . . . 83 Die Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Die Erinnerung nach dem Rechtspflegergesetz . . . . . . . . . . . . 84 b) Die Erinnerung der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Die Wiederaufnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 85 Die Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . 86
1. Die Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. 3.
4.
5. 6. 7.
li. Die Verfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz und dem Patentgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Arbeitsgerichtsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Urteilsverfahren . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Beschlußverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Patentgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 87 87 87 87
B. Die strafprozessualen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
I. Die Strafprozeßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsmittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens . .
88 88 2. Die Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Der Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
li. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Einspruch . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsbeschwerde und die Wiederaufnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90 90 91 91
III. Die Disziplinarordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das förmliche Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das nicht förmliche Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beschwerde an den Dienstvorgesetzten . . . . . . . . . . . . . .
91 91 92 92 92
C. Die Verfahren der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Die Verwaltungsgerichtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
10
Inhaltsverzeichnis 1. Die Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Das erstinstanzliehe Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Regelung des § 113 Abs. 2 VwGO .. . .. .. .. . .. .. .. .. . .. .
93 93 94
II. Das Sozialgerichtsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
III. Die Finanzgerichtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
D. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
1. Die Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 98
E. Die verwaltungsbehördlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
I. Der Widerspruch nach der VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestimmungen über das Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) ......... .. .......•............. . ................... 3. Der Zweck des Vorverfahrens ........ .. ................ . ... 4. Die Analogie zu den Rechtsmittelvorschriften . . . . . . . . . . . . . .
98 98 101 103 104
II. Das Vorverfahren nach dem SGG .............................. 105 III. Die Rechtsbehelfe der Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Der Einspruch .................... . ....................... 106 2. Die Beschwerde .................................... .... .... 106 4. Abschnitt
Der Umfang des Verbots der reformatio in peius § 10 Die Grundsätze für
die Bestimmung des Verbotsumfangs . . . . . . . . . . 108
I. Die Fassung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorschriften der Strafprozeßordnung .............. . · · · · · a) Das Verbot der "Strafschärfung" .... .......... ... .... . . · b) Das "Benachteiligungsverbot" ............................ c) Die im Strafprozeßrecht entwickelten Grundsätze . . . . . . . . 2. Die Antragsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108 108 108 109 109 110
II. Der Zweck des Verbots . .................................... . .. 116 § 11
Die Voraussetzungen eines Besitzstandes . . ... ............. ... . . ... 117 I. Die Sicherheit des Vorteils ......... .. ......................... 117 1. Die Rechtskraft ............. . .... ... . . ...... . .............. 117
2. 3. 4. 5.
Die innerprozessuale Bindungswirkung ................ . · . . Die Vollstreckungswirkung ........ .. ....... ... . . ...... . ... Tatbestands- und Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Urteilsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 119 119 119
11. Die positive Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Die Prozeßabweisung und die Abweisung als z. Zt. unbegründet ......... . ..... ... ... . ........ ... . .. .................... 120
Inhaltsverzeichnis 2. Die Chance eines neuen Verfahrens im übrigen
11
123
§ 12 Die Grenzen des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
I. Die mangelnde Reichweite des Besitzstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz .. ... ... . ......... 2. Der bloße Anschein eines Besitzstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die eingeschränkte Bindungswirkung bei Inzidentfragen . . . .
124 124 125 125
li. Die anderweitig gegebenen Möglichkeiten zur Aufhebung eines
Besitzstands . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Von der Rechtsmitteleinlegung unabhängige Befugnisse des Rechtsmittelgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Einschreiten von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entscheidung auf ein Rechtsmittel des Gegners .. . ...
126
2. Die Kompetenzen anderer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Recht zur nachträglichen Abänderung von Amts wegen b) Das Erfordernis eines Parteiantrags . ............ . ...... 3. Die Unerheblichkeit sonstiger Verfahrensvorschriften . .....
127 127 128 129 129 130 131
III. Die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung .. . ........... ... ..... 1. Der Ausgleich des Nachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Schranke des Streitgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bewertung ungleichartiger Vor- und Nachteile 2. Die Wiederherstellung des aufgehobenen Besitzstandes . . . . . . a) Die Aufhebung und Zurückverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verweisung des Rechtsstreits ........ . .... .. .. . . .. ... c) Die Erhebung einer neuen Klage .... . ........... ..... ...
132 132 133 134 134 134 138 141
VI. Zusammenfassung ....................... . ................. . . . 143 § 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall ........... . ........ ... . ..
A. Sachurteile der Vorinstanz I . Der Tenor des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilweises Obsiegen des Rechtsmittelklägers . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Grundsatz ... . ......... . ......................... .. . b) Die nachträgliche Einfügung eines Vorbehalts .... . .. ..... 2. Die Zug-um-Zug-Verurteilung ...... . .... . . .. ... .... ... . .. 3. Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ......... ..... 4. Der Vorgriff bei einem unzulässigen Teil- oder Vorbehaltsurteil .. .. .. . ...... . . . ................ . .. ....... ...... . ... . . 5. Die Abweisung als zur Zeit unbegründet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die uneingeschränkte Sachabweisung ... . .............. ... . 7. Die eventuelle Klagenhäufung .......... .. . . ... .. . . ......... a) Das Erkennen nach dem Hauptantrag .. .. ...... . .. ..... b) Die Abweisung des Hauptantrags ohne Eingehen auf den Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 143 143 143 143 144 145 145 145 146 147 147 147 148
12
Inhaltsverzeichnis c) Das Stattgeben auf Grund des HUfsantrags unter Abweisung des Hauptantrags ........ .. . .. .............•... . . .. 8. Das Scheidungsurteil . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . .. a) Die Scheidung auf Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Scheidung auf die Widerklage unter Abweisung der Klage ............................ .. ............. .. ..... c) Die Abweisung von Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entscheidungsgründe . .. . . . . . .. . . .. . . . . . .. . . . .. . . . . .. . .. . . . 1. Die Änderung von Rechnungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Feststellung des Vorsatzes bei einer unerlaubten Handlung ............................ ..... .............•... . ... 3. Die Entscheidung über eine Aufrechnung des Beklagten . . . . a) Die Verneinung der Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Klagabweisung infolge der Aufrechnung ............ 4. Die Scheidungsgründe . .. .. .. . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . . a) Der Ehebruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die übrigen Scheidungsgründe ..... .. .. .... ............. 5. Der im Grundurteil festgestellte Klagegrund
B. Die Anfechtung verfahrensrechtlicher Entscheidungen
148 151 151 153 153 153 154 155 156 156 157 158 158 159 160 161
I. Die Prozeßabweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Die Entscheidung auf ein Rechtsmittel des Klägers . . . . . . . . . . 161 2. Der Besitzstand des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Die Aufhebung und Zurückverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Das Verweisungsurteil ........................................ 163 C. Die prozessualen Nebenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I . Die Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Meinungsstand . . .. .. ... .... . ................... . . . . . . . 2. Die fehlende Antragsbindung (§ 308 Abs. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . 3. Die fiskalischen Interessen .. . . . . .. . .. . . .. .. . . .. . . . . . . .. .. . 4. Die Entwicklung im gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Frage nach einem Besitzstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 164 165 165 166 167
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ........ 168 Ergebnisse
169
Llteraturveneichnls
171
Abkürzungen a.A. abl. AcP a.F. AGO AllgDtstRZ
AN AN InAV AO AP
AR-Blattei ArbGG ArchCrimR BAG Bay; bay BayBgm BayBZ BayObLG BayObLGSt BayObLGZ BayVBl BayVerfGH BayVGH BayZRpfl BDH BDO BetrVG BFH BGB BGBl BGH BGHSt BGHZ
anderer Ansicht ablehnend Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung; alte Folge Preußische Allgemeine Gerichtsordnung v. 6. 7.1793 Allgemeine Deutsche Strafrechtzeitung, hrsg. von Holtzendorff Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts dasselbe; Invaliditäts- und Altersversicherung Reichsabgabenordnung v. 13. 12. 1919 Arbeitsrechtliche Praxis; Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Arbeitsrecht-Blattei, verl. v. Forke! Arbeitsgerichtsgesetz v. 3. 9.1953 Archiv des Criminalrechts Bundesarbeitsgericht Bayern; bayerisch Der Bayerische Bürgermeister Bayerische Beamtenzeitung Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band- a. F . -und Jahrgang- n. F.) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Bundesdisziplinarhof Bundesdisziplinarordnung i. d. F. vom 20. 7. 1967 Betriebsverfassungsgesetz vom 11. 10. 1952 Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
14 Breithaupt BSG BStBl BT Buchholz BVerfG BVerwG DAVorm DDR DFG Dig. DiszH DJ DJT DJZ DNotZ DONW DOV DOK DRZ DStR DStZ DVBl E EFG EheG EuM FamRZ FG FGO FR GA GebrMG GruchB GRUR GS
Abkürzungen Sammlung von Entscheidungen des Reichsversicherungsamts, hrsg. von Breithaupt Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Bundestag Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, hrsg. von K. Buchholz Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Der Amtsvormund; Rundbrief des Dt. Instituts für Vormundschaftswesen Deutsche Demokratische Republik Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit Digesten Disziplinarhof Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Disziplinarordnung von Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 20.1. 1970 Die Offentliehe Verwaltung Die Ortskrankenkasse Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Steuer-Rundschau Deutsche Steuer-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungen; Amtliche Sammlung der Entscheidungen des betr. Gerichts Entscheidungen der Finanzgerichte Ehegesetz vom 20. 2. 1946 Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamts Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Finanzgerichtsordnung v. 6. 10. 1965 Finanz-Rundschau Goltdammer's Archiv; Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, begr. v. Goltdammer Gebrauchsmustergesetz i. d. F. vom 2. 1. 1968 Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr. v. Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal
Abkürzungen HausrVO Hess HessRspr HöfeO HRR HWStR JA JFG JLitBl JMinBl JR JurVjschr JuS JW JZ KG KgfEG
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Hausratsverordnung (6. Durchführungsverordnung zum EheG) v. 21. 10. 1944 Hessen; hessisch Hessische Rechtsprechung Höfeordnung für die Britische Zone v. 24. 4. 1947 Höchstrichterliche Rechtsprechung Handwörterbuch für Steuerrecht (s. Literaturverzeichnis) Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, begr. v. Ring Juristisches Literaturblatt Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Vierteljahresschrift, Wien Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Gesetz über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz) i. d. F. v. 2.9.1971
KGJ KostRspr LAG LG LM LS
LSG LVO LwVG LZ MDR
Mitt N
NdsRpfl n.F. NJ NJW
Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Kostenrechtsprechung (s. Tschigale, Kostenrechtsprechung) Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichsgesetz) i. d. F. v. 1. 10. 1969
Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier, Möhring u. a. Leitsatz Landessozialgericht Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen v. 2. 12. 1947 (Brit. Zone) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen v. 21.7.1953 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Nachschlagewerk des Reichsgerichts (zur ZPO); Bibliothek des Bundesgerichtshofs, Karlsruhe Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung; neue Folge Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift
16 NW ODstOG OLG OLGE
OLGZ OVG PatG PrGS PrOTr PrOVG PrOVGSt PrVwBl PucheltsZ RAO RdL
Recht REHG
RFH RG RGBl RGSt RGZ RhPf RJA
ROHG Rpfleger RStPO RVA RVersorgG RVerwG RWG RzW
SAE SchlHA SchwJZ SeuffA SGb SGG
Abkürzungen Nordrhein-Westfalen Oberdienstordnungsgericht Oberlandesgericht Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. v. Mugdan und Falkmann Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Patentgesetz i. d. F. v. 2. 1. 1968 Gesetz-Sammlung für die Kgl Preußischen Staaten; Preußische Gesetzsammlung Preußisches Königliches (Geheimes) Ober-Tribunal Preußisches Oberverwaltungsgericht Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen Preußisches Verwaltungsblatt Zeitschrift für französisches Zivilrecht, begr. v. Puchelt Reichsabgabenordnung v. 13. 12. 1919 Recht der Landwirtschaft Das Recht, begr. v. Soergel Reichserbhofgericht Reichsfinanzhof Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz; rheinland-pfälzisch Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengest. im Reichsjustizamt Reichsoberhandelsgericht Der deutsche Rechtspfleger Reichsstrafprozeßordnung v. 1. 2. 1877 Reichsversicherungsamt Reichsversorgungsgericht Reichsverwaltungsgericht Reichswirtschaftsgericht Rechtssprechung zum Wiedergutmachungsrecht Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schweizerische Juristen-Zeitung Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz i. d. F. v. 23. 8. 1958
Abkürzungen StJ StPO StriethorstA SUG VersR VGG VGH VwA VwGO WarnR WZG ZBlFG ZDStrVerf ZPO ZSEG ZStW zust. ZZP ZZRuP
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Stein I Jonas (s. Literaturverzeichnis) Strafprozeßordnung i. d. F. vom 7. 1.1975 Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des Königlichen Ober-Tribunals gelangt sind, hrsg. und redigiert v. Striethorst Gesetz über die Untersuchung von Seeunfällen v. 28. 9. 1935 Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit; (süddeutsches: Bayern v. 25. 9. 1946, Hessen v. 31. 10. 1946, Württemberg-Baden v. 16.10. 1946; in Rheinland-Pfalz v. 14. 4. 1950) Verwaltungsgerichtshof Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1. 1960 Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtl. Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts abgedruCktist,hrsg. v. Warneyer Warenzeichengesetz i. d. F. v. 2. 1. 1968 Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit, Notariat und Zwangsversteigerung Zeitschrift für deutsches Strafverfahren, hrsg. v. Jagemann (n. F.)
Zivilprozeßordnung i. d. F. v. 12. 9. 1950 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen i. d. F. vom 1. 10. 1969 Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend Zeitschrift für (deutschen) Zivilprozeß, begr. v. Busch Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß, hrsg. v. Linde, Marezoll und Schulte
1. Abschnitt
Begriffliche Abgrenzung § 1 Der Begriff einer "reformatio in peius" I. Der Sachverhalt
1. Der Ausdruck "reformatio in peius" beschreibt seiner Wortbedeutung nach eine gleichsam paradoxe Situation: eine "Reform", die statt der erwünschten Wendung zum Besseren die bestehenden mißlichen Zustände nur noch weiter verschlimmert und dergestalt das Gegenteil des von ihrem Urheber Gewollten bewirkt. Vom Wortinhalt her fehlt also ein ausschließlicher oder auch nur unmittelbarer Bezug dieses Begriffs zum Verfahrensrecht, und so überrascht es nicht, wenn die Wendung "reformatio in peius" auch außerhalb des Prozeßrechtes, etwa zur Beschreibung der durch ein Reformgesetz entstandenen oder zu erwartenden (ungünstigen) Wirkungen1, gebraucht wird.
2. In aller Regel meint man mit "reformatio in peius" jedoch einen spezifisch prozessualen Sachverhalt, ein - zumeist als "Verbot der reforinatio in peius" 2 bezeichnetes- Institut des Verfahrensrechts, das im Bereich des Rechtsmittelverfahrens eine ähnlich ungewollte Umkehrung von Ziel und Wirkung erfaßt: Indem die Rechtsmittelentscheidung gegebenenfalls die in dem angefochtenen Urteil dem Rechtsmittelkläger auferlegten Nachteile nicht nur nicht beseitigt, sondern im Gegenteil sogar noch vergrößert, schlägt die von jenem in der Erwartung einer Verbesserung veranlaßte "Reform" letztlich zu seinen Ungunsten aus. 1 Vgl. z. B. zufällig herausgegriffen - Demelius S. 102; Habscheid NJW 1970, 1672; hierzu auch Lohsing JurVjschr. 39, 93 Fn. 1. 2 Zur Herkunft dieses Begriffs s. unten § 2 Fn. 20. Gleichbedeutend werden u. a. die Ausdrücke "Schlechterstellungsverbot" (so etwa H. J. Bruns JZ 1954, 730) "Verschlechterungsverbot" (Grethlein S. 23) oder "Verbot der Schlechterstellung" (Jesch DÖV 1955, 391; Lindgen BayBZ 1965, 65; Seibert MDR 1954, 340) sowie "Verböserungsverbot" (z. B. Bellstedt NJW 1967, 860; Ziemer in HWStR II S. 1167) und "Abänderungsverbot" (v. Gerkan ZZP 75, 214) gebraucht, die sprachlich ebensowenig befriedigen (vgl. Schultzenstein VwA 18, 381 hinsichtlich des Wortes "Verböserungsverbot"). Weiterhin findet sich auch die Wendung "reformatio in durius" teils in synonymer (so Haehnel S. 1; Lauckner S. 1; Lohsing JurVjschr. 39, 93 Fn. 1; Schultzenstein ZZP 31, 3), teils - im Strafprozeßrecht - in auf die Strafschärfung beschränkter Bedeutung (z. B. E. Fischer S. 5; W. Schmidt JR 1950, 193).
20
§ 1 Der Begriff einer "reformatio in peius"
Legt also - nach einem immer wieder herangezogenen und nur geringfügig variierten Beispiel3 - der Kläger, der mit seiner Zahlungsklage über 1200,- DM in erster Instanz lediglich in Höhe von 600,- DM ein obsiegendes Urteil erreicht hat, wegen der Abweisung des Restbetrags Berufung ein, so enthielte die vollständige Abweisung seiner Klage wegen Nichtbestehens des Klaganspruchs eine "reformatio in peius". Umgekehrt würde bei der Berufung des Beklagten dessen Verurteilung zur Zahlung eines höheren Betrags als 600,- DM gleichfalls eine "reformatio in peius" bedeuten. Entsprechendes gilt mutatis mutandis für die auf andere Rechtsbehelfe der Zivilprozeßordnung wie auch aller anderen Verfahrensgesetze ergehenden Entscheidungen. D. Die Begriffsbestimmung
1. Die bisherigen umfassenden Definitionen
Daß die genannten Umstände - keine Nachteilszufügung im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung gegenüber dem Rechtsmittelkläger- Wesensmerkmale des Verbots der reformatio in peius bilden, entspricht der seit jeher fast allgemeinen Meinung4 ; nahezu ebenso einhellig ist das Schrifttum freilich der Auffassung, hierin erschöpfe sich der Begrüf einer "reformatio in peius" nicht, und der BegrUfsbestimmung seien noch weitere Merkmale hinzuzufügen. Über Art und Inhalt dieser Kriterien besteht indessen vielfach keine Übereinstimmung mehr. In der neueren Zivilprozeßrechtslehre wird verschiedentlich die frühere Überlegungen im wesentlichen zusammenfassende Definition Riccis zugrunde gelegt. Riccis sieht als "reformatio in peius" an: "jede von einer neu urteilenden Instanz8 vorgenommene, von Amts wegen a Soweit ersichtlich, wird dieses Beispiel zum ersten Mal im Jahre 1791 von
Mehlen S. 25 f., 32 verwendet, später auch von Arnotd in AcP 28, 93; Sartorius in AcP 31, 86; in der neueren Literatur u. a. von Fenn S. 63 Fn. 82; Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; Magen S. 1 f.; Pohte SAE 1956, 242; Ricci S. 22 und R. Schmidt S. 795. ' Vgl. statt aller Fenn S. 56 f. und schon Mittermaier AcP 7, 86; Sartorius AcP 31, 84 f.; a. A. wohl nur RGZ 12, 408, 409. Das Reichsgericht faßt hier
aber zu Unrecht jedes Überschreiten der Anträge des Berufungsklägers auch zu Ungunsten des Berufungsbeklagten und damit eine reformatio in metius gegenüber dem Berufungskläger - als "reformatio in peius" auf. 6 Ricci S. 2 f.; ihm folgen z. B. Fenn S. 56 und grundsätzlich auch Lieb S. 1, 3 ff. Zur Trennung eines technischen und untechnischen (weiteren) Begriffs der reformatio in peius vgl. Sartorius AcP 31, 83 f. und ebenfalls Ricci 8.2. e Ricci S. 3; ebenso FennS. 56; Lohsing JurVjschr. 39, 94; KleinfeUer GS 38, 580.
II. Die Begriffsbestimmung
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erfolgte' . . . und die Hauptsache8 betreffende Änderung9 einer Entscheidungto zum Nachteil desjenigen, der gegen diese Rechtsmitteilt eingelegt hat". Infolgedessen soll bei der dem Rechtsmittelkläger ungünstigen Änderung einer Nebenentscheidung12, insbesondere der Entscheidung über die Kosten13, aber auch beim Fehlen unverzichtbarer Verfahrensvoraussetzungen14 begrifflich eine reformatio in peius ausgeschlossen sein. Hingegen nennen andere etwa an Stelle der neu urteilenden Instanz ein höheres Gerichtt6 , beschränken den Begriff der reformatio in peius auf die Änderung von Urteilente oder lassen statt eines Rechtsmittels bereits einen förmlichen Rechtsbehelf genügent7• 2. Die Umschreibung des Problems
Einzig v. Linde hat sich schon im Jahre 185Qt8 ohne Erfolg gegen eine derartige Überbetonung des Begrifflichen gewehrt und mit Recht eingewendet, es dürfe sich hieran weder eine theoretische noch eine praktische Folge knüpfen; die Sache, nicht der Name sei für das Prozeßrecht von Wichtigkeit. In der Tat wird bei diesen Definitionen der Begriff einer reformatio in peius mit vielfältigen Fragen ihrer Zulässigkeit etwa hinsichtlich der Nebenentscheidungen und fehlender Prozeßvor7 D. h. nicht auf Grund eines (Anschluß-)Rechtsmittels des Gegners: Ricci S. 2, 3; Arnold AcP 28, 87; Fenn S. 56 f.; Freitag Diss. S. 15 f.; ders. VwA 56, 318; Lieb S. 12 f.; Lohsing JurVjschr. 39, 95; Sartorius AcP 31, 85; Schultzenstein ZZP 31, 3 f.; vgl. auch Brandner S. 10 ff.; a. A.: v. Linde AcP 33, 156 f., 159, 164. s Ricci S. 2; Fenn S. 56 f.; Freitag Diss. S. 10; ders. VwA 56, 317; Lieb S. 11; Sartorius AcP 31, 85. 0 Ricci S. 3; Bernoulli S . 1; Fenn S . 56; Kleinteller GS 38, 580; Lohsing JurVjschr. 39, 94; Mittermaier AcP 7, 86; anders H. Seutfert S. 11 f. (um auch die Aufhebung eines Urteils zu erfassen): jede "Einrichtung" eines Urteils, welche unmittelbar oder in ihren Folgen für den Beschwerdeführer nachteiliger sei als das angefochtene Erkenntnis. 10 Ricci S. 3; Fenn S. 56; E. Fischer S. 5; Freitag Diss. S. 10; Lauckner S. 19 ff.; Lohsing JurVjschr. 39, 94; ReimerS. 9; Schultzenstein ZZP 31, 3. 11 Ricci S. 3; Bernoulli S. 1; Mittermaier AcP 7, 86; Sartorius AcP 31, 85; Schuttzenstein ZZP 31, 3; wohl auch FennS. 56, 57. 12 Ricci S. 2; FennS. 57; Sartorius AcP 31, 85. 13 Ricci S. 2; Fenn S. 57; Sartorius AcP 31, 85; Schultzenstein ZZP 31, 4; a . A.: Brandner S. 85 f. für die verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfe. 14 Vgl. insbesondere FennS. 57; ähnlich schon Sartorius AcP 31, 85: nur bei vom Verzicht der Parteien abhängigen Punkten. 15 Bernoulli S. 1; Haehnei S. 16; v. Lilienthai in Rechtslexikon S. 315; Mittermaier AcP 7, 86; Sartorius AcP 31, 84; Schuttzenstein ZZP 31, 3. 18 Bernoulli S. 1; Haas S . 21, 24; v. Lilienthai S. 315; KleinfeZZer GS 38, 582; Mittermaier AcP 7, 86; H . Seuffert S.11, 12. 17 Freitag Diss. S. 10; Lieb S. 8 ff.; Schroeder- Printzen SGb 1966, 392; vgl. auch KleinfeZZer GS 38, 580. 18 In AcP 33, 154.
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§ 1 Der Begriff einer "reformatio in peius"
aussetzungen - belastet, und daß die Befürchtung, eine solche ins einzelne gehende begriffliche Abgrenzung könne zu - unzulässigen praktischen Folgerungen benutzt werden, auch heute noch nicht ganz unbegründet ist, zeigt sich etwa bei Fenn. Fenn betont zunächst, daß schon vom Begriff her bei unverzichtbaren Verfahrensvoraussetzungen eine reformatio in peius nicht vorliege, während dies im allgemeinen als Ausnahme vom Verbot angesehen werde, und leitet daraus anschließend die Zulässigkeit einer Prozeßabweisung nach teilweisem Obsiegen her19. Allerdings geht auch v. Linde zu weit, wenn er deswegen ein Bedürfnis für eine Begriffsbestimmung nun überhaupt leugnet20• Ohne sie wäre kaum genügende Klarheit über den Gegenstand der Untersuchung zu gewinnen, und der Gefahr einer petitio principii21 wird bereits durch eine lediglich die Problemlage umschreibende Definition begegnet. Hierfür reichen aber die anfangs22 genannten Merkmale aus. Die Besonderheit der reformatio in peius besteht in dem Widerspruch zwischen dem Ziel des Anfechtenden und seinem Erfolg; mithin kann allein in der Entscheidung zu seinem Nachteil eine reformatio in peius liegen. Sollte der Begriff auch Entscheidungen zu Ungunsten des Rechtsmittelbeklagten erfassen, hätte er keinerlei Aussagewert mehr28• Alle übrigen Fragen zum Verbot der reformatio in peius sind indessen einer näheren Untersuchung vorzubehalten. Demzufolge liegt eine reformatio in peius in dem hier verstandenen Sinn grundsätzlich in jeder Abänderung oder auch Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung zum Nachteil desjenigen, der hiergegen einen Rechtsbehelf eingelegt hat.
u FennS. 57 mit Fn. 53; vgl. zu diesem Problem unten§ 12 II 3 und§ 13 AI1b. zo In AcP 33, 154.
z1 Vor dieser Gefahr warnt auch Lieb S. 7. Freilich erliegt er ihr selbst, wenn er etwa ohne weiteres Begründung - insoweit im engsten Anschluß an Freitag Diss. S. 13; ders. VwA 56, 317 -den Begriff der reformatio in peius auf Sachentscheidungen des Rechtsmittelgerichts beschränkt (S. 11) und deswegen eine reformatio in peius nicht bei nichtigen Urteilen gelten lassen will sowie später wegen Fehlens dieser "Grundvoraussetzung" die Anwendbarkeit des Verbots auf eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts verneint (S. 15). 12 Oben I 2. 23 LiebS. 7.
2. Abschnitt
Die dogmatische Grundlage des Verhots der reformatio in peius § 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots im gesamten Verfahrensrecht I. Die Auffassungen zum Zivilprozeßrecht, zum Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zum Verwaltungsprozeßrecht
Über die grundsätzliche Unzulässigkeit einer derartigen "reformatio in peius" in den Rechtsmittelverfahren des Zivilprozesses besteht seit langem Einigkeit~; nichtsdestoweniger scheint die Frage nach der dogmatischen Ursache des Verbots der reformatio in peius noch immer nicht völlig geklärt zu sein. Die heute durchaus herrschende Meinung beruft sich sowohl für den Zivilprozeß als auch weitgehend für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit im wesentlichen auf die Dispositionsmaxime2 , während die früher stärker vertretenen, heute teilweise aufgegebenen Mindermeinungen vor allem die Verhandlungsmaxime3, die sog. relative Rechtskraft' oder auch das Wesen des Rechtsmittels1 als Geltungsgrund des Verbots der reformatio in peius anführen. Bei allen diesen Auffassungen geht man offenbar aber als selbstverständlich davon aus, daß die Ursache eines Verbots der reformatio in peius in den genannten Verfahrensarten dieselbe sein müsse6, und in der Tat stellt sich die Frage, ob die angefochtene Entscheidung auch zum Nachteil des An1 Vgl. nur Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 Ab, C, § 559 Anm. 1 A; Rosenberg I Schwab § 141 li 2 (S. 765), § 147 II 1 (S. 799); zur Begründungs. unten
§9AI1. Einschränkend neuestens Gilles S. 67 Fn. 138 und S. 95 mit Fn. 266: Als besonderes Rechtsmittelproblem werde das Verbot der reformatio in peius nur dann akut, wenn man die Vor- und Nachteile einer Entscheidung auch an Hand ihrer Gründe messe, im übrigen könne es schon wegen der Natur des Rechtsmittels als Anfechtungsmittel grundsätzlich nicht zu einer Verschlechterung kommen. Vgl. dazu unten § 7 I 4. 1 Vgl. unten § 6 II. a Unten§ 6 I. ' S. unten § 5. ' Hierzu unten § 7 I. 8 Vgl. etwa Fenn S. 64 und S. 209 für den Zivilprozeß und das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; ausdrücklich für eine einheitliche Begründung des Verbots- in der Auseinandersetzung mit dem Hinweis Naumanns auf Art. 19 Abs. 4 GG (hierzu unten § 4 I 2) - Lieb S. 22.
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§ 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots
fechtenden geändert werden darf, überall in derselben Art und Weise. Angesichts dieser übereinstimmenden Problematik liegt der Schluß auf eine einheitliche dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius - ungeachtet der im einzelnen bestehenden Besonderheiten - nahe und könnte nur daran scheitern, daß eben diese Eigenarten zwingend eine andere Beurteilung verlangten. U. Die Begründung des Verbots der reformatio in pelus im Strafprozeßrecht
1. Die gegenwärtige Kluft zu den übrigen Verfahrensrechten
Merkwürdigerweise wird in diese Überlegungen jedoch in neuerer Zeit das Strafverfahrensrecht kaum mehr einbezogen. Im Strafprozeß gilt das Verbot der reformatio in peius für die Berufung und die Revision des Angeklagten sowie für die Wiederaufnahme des Verfahrens zu seinen Gunsten kraft der ausdrücklichen Vorschriften der StPO (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2). Diese ausdrückliche gesetzliche Anordnung allein wäre freilich kaum ein Hindernis, hinter jenen Bestimmungen noch eine tiefere dogmatische Grundlage des Verbots zu suchen und als solche möglicherweise einen der oben genannten Gründe anzusehen, und dies ist auch jahrzehntelang von der Strafprozeßrechtswissenschaft diskutiert worden7 • Erst neuerdings verzichtet sie ganz überwiegend auf eine solche weitergehende Begründung und rechtfertigt die Geltung des Verbots der reformatio in peius im Strafprozeß lediglich rechtspolitisch mit seinem Zweck, den Angeklagten nicht aus Furcht vor härterer Strafe vom Gebrauch des ihm zustehenden Rechtsmittels abzuschrecken8, folgert mithin die Geltung des Verbots einzig aus seiner positiven gesetzlichen Anordnung9 • Jene Trennung des Strafverfahrensrechts von den übrigen Verfahrensrechten wird außerhalb des Strafprozeßrechts offenbar hingenom7 Siehe insbesondere die Monographien von E. Fischer S. 54 ff.; Gerber S. 70 ff.; Keber S. 81 ff.; Lauckner S. 86 ff.; Reimer S. 44 ff., 79 ff.; Sprengel S. 40 ff.; Thode S. 46 ff.; vgl. weiterhin unten zur relativen Rechtskraft § 5 Fn. 5, zur Dispositionsbefugnis des Angeklagten § 6 Fn. 14 a. E. und zur gesetzlichen Anlage des Rechtsmittels unten § 3 II 2. s Vgl. Beling S. 341; ders. :rw 1925, 2785 f.; 1928, 2724; Bruns JZ 1954, 733; Dallinger § 331 Anm. 1; Frisch :r,fl)R 1973, 718 f.; Ganske S. 6; Grünwald S. 200f.; Henkel§ 96 V 1; Jonas JW 1929, 2776; KerniRoxin §52 B VI 1; Kleinknecht § 331 Anm. 1; Komar S. GOf.; Kretschmann S. 6; Lauckner S. 91; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 a; Müller I Sax § 358 Anm. 5; W. Müller S. 80; Eb. Schmidt Lehrkornm. § 331 Rdnr. 2; Seibert MDR 1954 S. 340; Sprengel S. 57; Wolf S. 5; Zipf S. 201; auch DiszH RhPf in OVG Koblenz E 10, 326, 331 (zum Disziplinarrecht); anders etwa noch (relative Rechtskraft): BGHSt 11, 319, 322; BGH GA 1970, 84, 85; NJW 1973, 107, 108; dazu unten § 5. ' So auch ausdrücklich etwa GerberS. 77, 79; ähnlichE. FischerS. 77.
II. Die Begründung des Verbots im Strafprozeßrecht
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men10, zumindest findet sich nicht das Bestreben, die sonst befürwortete dogmatische Ursache des Verbots als auch für den Strafprozeß verbindlich hinzustellen. Lediglich umgekehrt überträgt Fenn11 die im Strafverfahren herrschende rechtspolitische Erklärung des Verbots der reformatio in peius auf den Zivilprozeß, ohne weiter auf die mit ihr verbundene und wesentlich abweichende Vorstellung über die Verbotsursache im Strafprozeß einzugehen. Die durch diese unterschiedlichen Auffassungen geschaffene Diskrepanz zwischen beiden Verfahrensrechten läßt sich aber für die herrschende Meinung im Zivilprozeß, die Fenn selbst vertritt12, durch diese Hervorhebung einer gleichgearteten rechtspolitischen Zielsetzung des Verbots im Zivil- und Strafprozeß auch nicht teilweise überbrücken. Denn wenn es richtig ist, daß sich das Verbot der reformatio in peius im Zivilprozeß notwendig aus der Dispositionsmaxime ergibt - so die herrschende Meinung13 - , dann ist das Verbot einzig deren unselbständige Folge und bedarf, da dieses auch nicht allein, sondern nur zusammen mit der Dispositionsmaxime beseitigt werden könnte, keiner ihr gegenüber eigenständigen rechtspolitischen Begründung. Die Deutungen des Verbots der reformatio in peius im Zivil- und Strafverfahrensrecht sind also grundsätzlich unvereinbar.
2. Die Obereinstimmung in der Vergangenheit Gegen diese weitgehende Trennung des Strafprozeßrechts von den übrigen Verfahrensrechten in der Erklärung der Verbotsursache spricht nicht nur das bereits erwähnte frühere Bemühen der Strafprozeßrechtslehre wie auch teilweise der Rechtsprechung, das Verbot der reformatio in peius im Strafprozeß trotz seiner ausdrücklichen Normierung in den Vorschriften der StPO weitgehend aus denselben oder ähnlichen Gründen wie im Zivilprozeß zu erklären, sondern dem steht auch die im wesentlichen gleichartige und gleichzeitige Entstehungsgeschichte des Verbots in beiden Verfahrensarten entgegen. a) Die Anfänge des Verbots im Zivilprozeß Das heutige zivilprozessuale Verbot der reformatio in peius geht auf eine Entwicklung zurück, die sich um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert anbahnte und im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich allgemeine Anerkennung fand. 10
Vgl. etwa Bettermann Gedächtnisschrift für Jellinek S. 388 mit Fn.
100; ders. DVBI. 1961, 72 Fn. 62. 11 Fenn S. 57 f. a Fenn S. 62 ff. 13 Unten § 6 li, insbesondere unter 2 b.
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§ 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots
Allerdings bestand auch schon im römischen Recht seit der Einführung der Appellation, also während der Kaiserzeit14, der Sache nach ein Verbot der reformatio in peius, da der Appellationsrichter nur zu entscheiden hatte, ob die Appellation "iusta" oder "iniusta" sei und infolgedessen bei einer für den Appellanten noch zu günstigen Entscheidung die Appellation als "iniusta" verwerfen mußte15• Diese Rechtslage ist indessen durch die Gesetzgebung Justinians geändert worden, da Justinian in der 1. 39 pr. Cod. de appell. et consult. 7, 6216 zum Schutze des Gegners eine Änderung des Urteils auch zugunsten des abwesenden Appellaten- und damit zum Nachteil des Appellanten, d. h. aber "in peius" - ermöglichte17• Nach der Rezeption des römischen Rechts entwickelte sich hieraus im gemeinen deutschen Recht das Institut der "communio appellationis" 18, mit dem die Zulässigkeit der reformatio in peius bis zum Ende des 18. Jahrhunderts allgemein begründet wurde19• Erst bei Gönner20 werden Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht laut, ohne daß dieser freilich deswegen an der Verbindlichkeit des Zur Entstehung der Rechtsmittel vgl. Gilles S. 200 ff., 205 ff. v. Bayer S. 1063 f.; Fenn S. 47; Fink S. 8; Freitag Diss. S. 24; Gönner S. 167; Haehnel S. 4 f.; HochS. 7; Lauckner S. 30; Linde AcP 19, 462 f.; ders. AcP 33, 155, 161; Mehlen S. 24; Renaud S. 559; Reimer S. 15; Ricci S. 15; Sartorius AcP 31, 88 ff.; Schultzenstein ZZP 31, 7; Walsmann S. 9. 14
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18 Ampliorem providentiam subietis conferentes, quam forsitan ipsi vigilantes non inveniunt, antiquam Observationern emendamus, cum in appellationum auditoriis is solus post sententiam iudicis emendationem meruerat, qui ad provocationis convolasset auxilium, altera parte, quae hoc non fecisset, sententiam sequi, qualiscumque fuisset, compellanda. Sancimus itaque, si apellator semel in iudicium venerit et causas appellationis suae proposuerit, habere licentiam et adversarium eius, si quid iudicatis opponere maluerit, si praesto fuerit, hoc facere et iudiciale mereri praesidium: sin autem absens fuerit, nihilo minus iudicem per suum vigorem eius partes adimplere. (Zit. nach Krueger S. 324; Hervorhebung vom Verf.) 17 v. Bayer S. 1064; Fenn S. 48; Fink S. 9; Freitag Diss. S. 26 f.; Gönner S. 167; Haehnel S. 5; HochS. 7f.; Linde Hdb. S. 236f.; ders. AcP 19, 464f.; Mehlen S. 24 f.; Renaud S. 559 f.; Ricci S. 13; Schultzenstein ZZP 31, 7 f.; a. A.: Sartorius AcP 31, 313 ff. (aus begrifflichen Erwägungen). 18 v. Bayer S. 1064; Fenn S. 49; Fink S. 9; Freitag Diss. S. 30; Gönner S. 164 f., 169; Hoch S. 12; Linde AcP 19, 464; Mehlen S. 26; Renaud S. 560; Ricci S. 15; Schultzenstein ZZP 31, 8; Walsmann S. 11; Wetzen S. 747. 19 Vgl. Gönner S. 165, 169; Haehnel S. 6; Magen S. 19 f.; Mehlen S. 25 ff.; Ricci S. 16; Schultzenstein ZZP 31, 8; Walsmann S. 11, 23. Zu den Reichsabschieden von 1566 und 1594 s. Linde Hdb. S. 240; Osterloh S. 192 Fn. 3; A. C. J. Schmid ZZRuP 4, 42. Demgegenüber war im preußischen Recht ein Verbot der reformatio in peius auf Grund der§§ 11, 12 I 14 AGO vom 6. 7.1793 (vgl. Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten S. 378 ff.) und der späteren Verordnung über das Rechtsmittel der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde vom 14. 12. 1833 (PrGS S. 302) allgemein anerkannt; hierzu Haehnel S. 7 f.; Schultzenstein ZZP 31, 9 ff. 20 Gönner S. 162 ff. Bei Gönner findet sich auch wohl zum ersten Mal die Formulierung "reformatio in peius" (Gönner S. 163); vgl. Lauckner S. 4 f. Ob
II. Die Begründung des Verbots im Strafprozeßrecht
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Justinianischen Gesetzes de lege lata rütteln wollte21 • Gönners Zweifel beruhen auf zwei Überlegungen: Zum einen meint er, daß - "bloß von reinen Grundsätzen ausgegangen" - das vorinstanzliehe Urteil auch beim Gebrauch eines Rechtsmittels gegenüber dem Appellaten "in dem Sinne rechtskräftig werde, daß er durch ein ordentliches Rechtsmittel dasselbe nicht mehr anfechten, eine Abänderung desselben zu noch größerem Nachtheil seines Gegners (Reformatio in peius) nicht fordern" könne22 - dieser Gedanke einer einseitig beschränkten Rechtskraft findet sich schon bei Mehlen als Deutung der im älteren römischen Recht bestehenden Rechtslage23 - , zum anderen verstoße eine reformatio in peius aber auch gegen den Grundsatz "ne ultra petita partium"24 • Es waren weniger die dogmatischen Einsichten Gönners, die dem Verbot der reformatio in peius schließlich auch de lege lata zum Durchbruch verhalfen, sondern die dahinter stehende, einer liberaleren Sicht folgende neue Wertung der beteiligten Interessen. Statt eines berechtigten Schutzes für den Rechtsmittelbeklagten wurde die reformatio in peius jetzt als unzulässige Parteinahme des Richters für diesen26 und zugleich als drückende Bevormundung des Appellaten26 angesehen, der seinen entgegenstehenden Willen durch die fehlende Einlegung eines eigenen Rechtsmittels oder eines Anschlusses an die Appellation mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben habe27 • Bezeichnend ist die Polemik Sartorius': "Es ist ein starkes Stück barmherziger und bevormundender Justiz, wenn der Richter dem Appellaten, welcher seiner Beschwerden wegen nicht einmal den Mund nur zu einem ,Adhaereo' aufthun mag, zuvorkommend die Arznei gleichsam Gönner deshalb zugleich als Schöpfer dieses Begriffs anzusehen ist, zumindest aber der Ausdruck um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert entstand, oder ob er aus den römischen Quellen (1. 1 pr. Cod. de appell. et relat. 49, 1) entnommen wurde, bildet den Gegenstand eines fruchtlosen Streits; für seine römisch-rechtliche Herkunft etwa Sartorius AcP 31, 86; SilberS. 13; Thode S. 53; wohl auch Keber S. 61; hiergegen vor allem Lauckner S. 1 ff.; ihm folgend Haas S. 13 f.; Lieb S. 3 ff.; MagenS. 17; ReimerS. 11; .Sprengel S. 3. Folgerungen für die historische Entwicklung können daraus weder nach der einen noch der anderen Seite gezogen werden. 21 Gönner S. 164 sowie S. 180. Gönner hielt lediglich eine Ausweitung der communio appellationis über die von Justinian angeordneten Voraussetzungen hinaus für unzulässig (S. 177 ff.). Gönner S. 162 f. Mehlen S. 24. 2' Gönner S. 164 f. 25 Arnold AcP 28, 90; ders. GS 10, 212; vgl. auch Sartorius AcP 31, 326; später ebenso z. B. FennS. 58 f.; hiergegen Schultzenstein ZZP 31, 44 ff. 28 Sartorius AcP 31, 344 f.; in neuerer Zeit auch Fenn S. 59; Heine Recht 7, 389; dagegen v. Linde AcP 33, 165 und Schultzenstein ZZP 31, 55. 27 Arnold AcP 28, 90; Gönner S. 165, 179; Hoch S. 10; Sartorius AcP 31, 344 f.; vgl. auch FennS. 59; Heine Recht 7, 389. 22
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§ 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots
auf dem Kredenzteller nachtragen und je nach den Umständen einschütten soll. Unterläßt der Appellat die Appellation, wie die Adhäsion, so gibt er dadurch sattsam zu erkennen, daß er auf seine Befugniß und den Zweck derselben verzichte. Habeat sibi28 !" In gleicher Weise sah man weiter auch die Dispositionsfreiheit des Appellanten durch die Befugnis des Richters zur reformatio in peius beschnitten2 g. Für die dogmatische Begründung eines hiernach zur Beschränkung der Staatsgewalt30 als erforderlich angesehenen Verbots der reformatio in peius, das nunmehr vielfach unter Übergehung der anderslautenden I. 39 pr. Cod. de appell. et consult. 7, 62 auch als geltendes Recht angesehen wurde31, griff man nun vielfach3Z auf die bei Gönner vorgetragenen Gründe für ein Verbot der reformatio in peius zurück; man berief sich hierzu sowohl auf die sog. "relative Rechtskraft"33 als auch auf die Dispositionen der Parteien34. Der Gesetzgeber folgte mit der Einführung des Verbots der reformatio in peius in einzelnen deutschen Ländern35 und schließlich mit der Reichszivilprozeßordnung von 187736. b) Die Entwicklung des strafprozessualen Verbots der reformatio in peius Ob es auch im römischen Strafverfahren ein dem Zivilprozeß entsprechendes Verbot der reformatio in peius gegeben hat, ist umstritten37, desgleichen eine etwaige Beseitigung dieses Verbots durch die Justinianische Reform38• Selbst wenn indessen dort ein Verbot der rets In AcP 31, 345. Hoch S. 3; Merckel GS 5 I , 469; Sartorius AcP 31, 345 f.; anders dann iSchultzenstein ZZP 31, 32 f., 55; vgl. hierzu näher unten§ 6 II 2 b. 30 Dazu Magen S. 20; in demselben Sinn heute Fenn S. 58; Ricci S. 107. at So etwa Endemann S. 913; v. Grolman S. 340; Martin S. 575; Osterloh S. 193; Renaud S. 564; a. A.: v . Batz S. 267 f.; v. Bayer S. 1066; Linde Lb. S. 488 f.; ders. Hdb. S. 243 ff.; ders. AcP 19, 488 ff.; A. C. J. Schmid ZZRuP 4, ~9
27 ff.; Wetzen S. 747. Obersichten über den damaligen Meinungsstand etwa bei Arnold AcP 28, 74 f .; Renaud S. 564 f .; Walsmann S. 38. at Vgl. hingegen auch PrOTrE 3, 284, 288: Die Natur des Rechtsmittels bringe die Unzulässigkeit eines Nachteils mit sich. Hierzu unten§ 7 I. sa v. Grolman S. 340; Hoch S. 2 f.; Osterloh S. 193; Sartorius AcP 31, 345; PrOTrE 3, 284, 292. Vgl. im übrigen unten § 5. u Arnold AcP 28, 90; Endemann S. 913; HochS. 3, 10; Osterloh S. 193 Fn. 4; Renaud S. 564; Sartorius AcP 31, 344 ff. 35 Dazu Fink 10 f.; Walsmann S. 40 ff.; zu der Regelung in Preußen vgl. oben Fn.19. ae Vgl. unten§ 9 AI 1. 37 Dafür etwa Reimer S. 17; Sprengel S. 5 f. (vgl. aber S. 7 f.); anders hingegen Lauckner S. 30, 33, 83 f.; Keber S. 59 ff.; Mommsen S. 473; Watther 1. Abt. S. 5; Zachariae S. 658 f.
II. Die Begründung des Verbots im Strafprozeßrecht
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formatio in peius bestanden haben sollte, so hätte dies in Ermangelung eines der Appellation entsprechenden Rechtsmittelverfahrens im deutschen Strafprozeß nach der Rezeption39 für diesen kaum Bedeutung erlangt. Wie im Zivilprozeß gehen die Anfänge des heutigen Verbots im Strafprozeß auf das 18. Jahrhundert - hier insbesondere auf den Gerichtsgebrauch40 - zurück, während vorher die reformatio in peius - soweit es die Möglichkeit eines Rechtsmittels überhaupt gab41 - allgemein für zulässig gehalten worden war42• Ob freilich dieser Gerichtsgebrauch seinerseits durch die "Dissertatio de judice sententiam in causis criminalibus ab actis removente" des Thomasius veranlaßt war, wie Gerber ausführt43, ist recht zweifelhaft. Thomasius wendet sich in seiner Schrift nämlich schlechthin gegen das Verfahren des Richters, ein in der Strafsache von einer Juristenfakultät eingeholtes Urteil "von den Akten zu nehmen" und damit nicht zu beachten, also nicht nur für den Fall, daß der Richter ein härteres Urteil erlangen will- insoweit bestände in der Tat eine Parallele zur reformatio in peius -, sondern auch dann, wenn der Richter das Urteil als zu milde erachtet44. Da das Verbot der reformatio in peius jedoch von Anfang an als einseitige Beas Hierfür Lauckner S. 33; Ricci S. 13; wohl auch Reimer S. 18; vgl. auch Zachariae S. 659 Anm. 14. ao Vgl. dazu GerberS. 117; Eb. Schmidt Einf. § 198 (S. 204f.). 40 Vgl. Quistorp S. 396 f. Infolgedessen kann das strafprozessuale Verbot
der reformatio in peius auch nicht aus dem französischen Strafverfahren übernommen worden sein, in den es erst auf Grund eines Staatsratsbeschlusses aus dem Jahre 1806 Eingang fand; so auch E. Fischer S. 51, 53; Ganske S. 4; Gerber S. 103 ff., 115 ff.; Haas S. 15 f.; Lauckner S. 84; Reimer S. 22 f. ; Silber 22 ff.; Sprengel S. 20 f.; a. A.: Bernoulli S. 11; Keber S. 65 f., 80; Norden ZStW 29, 782 f.; Ricci S. 106; Thode S. 55 f.; diese Autoren halten demgegenüber den erwähnten Staatsratsbeschluß für ausschlaggebend. u Vgl. oben Fn. 39. 42 Vgl. Gerber S. 114 f.; Reimer S. 21 f.; H. Seuffert S. 30 f.; Sprengel S. 9 ff.; Zachariae S. 581; teilw. abweichend Lauckner S. 36 f.; v. Lilienthal S. 315; Lueder GS 17, 474f. •a Gerber S. 115 ff.; ihm folgen E. Fischer S. 51; Ganske S. 4; Gerhardt S. 8; Haas S. 15 f.; ReimerS. 22 f.; SilberS. 22 ff. u Thomasius S. 290: "Et ualet adeo illa argumentatio comparatiua"- sc.: "Non licet in causis ciuilibus. Ergo multo minus licebit in causis criminalibus", vgl. S. 269- " ... etiam in eo casu, ubi iudex non in praeiudicium rei, sed in eius fauorem sententiam remoueat ab actis, ut scilicet mitior sententia impetretur. Nam sicut in ciuilibus iudex non poterit sententiam remouere, neque in fauorem neque in odium rei, ita nec in criminalibus; immo addamus, ita multo minus in criminalibus. In ciuilibus si sententia remoueatur in fauorem rei, fit hoc in odium actoris; in criminalibus si idem fiat, fit hoc in odium rei publicae, cuius interest delicta non manere impunita. At gravius peccat, qui laedit interesse rei publicae, quam qui priuatum Iaedit. Adde, quod hic fit maior malitia in iudice sententiam remouente in fauorem rei, ea intentione, ut aliam sentent iam obtineat." Hervorhebungen vom Verf.
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§ 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots
günstigung des Beschuldigten verstanden wurde45, ist es wenig wahrscheinlich, daß eine "Weiterbildung" dieser Ideen46 zum Verbot der reformatio in peius hätte führen sollen. Auch im Strafprozeß setzte sich in der Folgezeit die Einsicht, zugunsten des Angeklagten müsse das Verbot der reformatio in peius gelten, vornehmlich aus rechtspolitischen Gründen durch. Der Angeklagte sollte einerseits am Gebrauch des als seine "Wohltat" geschaffenen47 Rechtsmittels nicht durch die Furcht vor härterer Bestrafung gehindert werden48, andererseits erschien es zunehmend aber auch als "inhuman" und "ungerecht"49, den auf Besserung seiner Lage hoffenden Angeklagten durch eine noch höhere Strafe zu enttäuschen und ihn der "Willkür" des höheren Richters auszuliefern50, zumal ohne seine Anfechtung das Urteil mitsamt allen Fehlern bestehen geblieben wäre51• Somit wurde die Möglichkeit einer reformatio in peius jetzt zu einem "unheimlichen Gespenst" 52• Wiederum griff man dann zur dogmatischen Begründung dieses erwünschten Rechtszustandes teils auf die auch in der zivilprozessualen Dogmatik vorhandene Vorstellung einer zugunsten des Angeklagten bestehenden "relativen Rechtskraft" 53, teils auf dessen Dispositionsrechte im Prozeß54 zurück. Daß indessen auch hier die rechtspolitische Idee des Verbots als die eigentliche Triebkraft angesehen werden muß55, erweist sich etwa daran - gleichfalls eine 45 Vgl. etwa die Ausführungen von Goldtdammer GA 4, 69, 73; Hepp ZDStrVerf 2, 307; Kleinschrod ArchCrimR 2. Bd. 3. Stück, 33 f. Für die Staatsanwaltschaft soll das Verbot schon begrifflich nicht gelten, so z. B. E. Fischer S. 6; Haas S. 25; KleinfeZZer GS 38, 580, 581; H. Seuffert S. 12; a. M.: Schwarze GS 14, 292 f. 4& Gerber S. 123. 47 So Merckel GS 5 I, 468, 473; Schwarze GS 9 I, 453 f.; ders. GS 14, 287, 301; abl. z. B. Lauckner S. 91; Norden ZStW 29, 784 und die unten Fn. 62 Genannten. Vgl. hierzu auch unten § 7 I 2. 48 v. Arnold GS 10, 214, 216; Merckel GS 5 I, 470 f.; Mittermaier Lb. S. 624; Schwarze GS 9 I, 452; ders. GS 14, 287; ebenso die heute h. M., vgl. oben Fn. 8. 49 Hepp ZDStrVerf. 2, 323: "ebenso schreiend ungerecht als inhuman"; ähnlich v. Arnold GS 10, 211: Das Rechtsmittel gleiche einem heroischen Arzneimittel, in dessen Folge der Kranke auch sterben könne; die Staatsgewalt täusche den Verurteilten selbst bei einer vorsorglichen Belehrung über das Schärfungsrecht. Vgl. auch Schwarze GS 14, 287. 5o Goldtdammer GA 4, 73; vgl. auch Planck Syst. DarstellungS. 519 (Sicherheit der Formen). Gl So Goldtdammer GA 8, 319; Planck Syst. Darstellung S. 515; Schwarze GS 14, 284; ähnlich später W. MüllerS. 82. 62 Hepp ZDStrVerf. 2, 297, 312. 63 z. B. Goldtdammer GA 4, 70, 76; PrOTr bei Goldtdammer GA 4, 70; 4, 545; 7, 689; 9, 52; wohl auch Planck Syst. Darstellung S. 518; abl. Weber S. 104; vgl. dazu unten § 5 Fn. 1. u Lueder GS 17, 476; Schwarze GS 14, 285 ff.; vgl. auch Goldtdammer GA 4, 73 und Schwarze GS 9 I, 452: Analogie zum Zivilprozeß; s. im übrigen unten§ 6 II.
II. Die Begründung des Verbots im Strafprozeßrecht
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Parallele zum Zivilprozeß - , daß die Praxis des Preußischen Obertribunals ungeachtet der erkennbaren Zulassung der reformatio in peius in dem preußischen Gesetz von 184656 - die folgende und jenem nachgebildete Verordnung von 184957 sowie das Gesetz von 185258 enthielten insoweit keine Bestimmung mehr - und gegen den Widerstand des Kammergerichts am früheren Verbot der reformatio in peius auf Grund der aufgehobenen Kriminal-Ordnung von 1805 (§ 528)59 festhielt60. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Verbot der reformatio in peius auch durch die Gesetzgebung der meisten deutschen Länder zum Teil freilich unter gleichzeitiger Zulassung der Adhäsion- in das Strafverfahrensrecht eingeführt61 und schließlich auch in die Reichsstrafprozeßordnung von 1877 übernommen (§§ 372, 398 Abs. 2, 413 Abs. 2 a. F.). Dennoch war die innere Berechtigung des Verbots- sowohl unter rechtspolitischen als auch unter dogmatischen Gesichtspunktenweiterhin heftig umstritten. Die wieder zahlreichen Gegner62 wiesen vor allem auf die durch die Risikolosigkeit für den Angeklagten eröffnete Möglichkeit zum Mißbrauch des Rechtsmittels hin63 und faßten u Vgl. hierzu Ganske S. 5.
Gesetz, betreffend das Verfahren in den bei dem Kammergericht und dem Kriminalgericht zu Berlin zu führenden Untersuchungen v. 18. 5. 1846 (PrGS S. 267), § 87 Abs. 2. n Verordnung über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen v. 3. 1. 1849 (PrGS S. 14). &s Gesetz, betreffend die Zusätze zu der Verordnung vom 3. Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen v. 3. 5. 1852 (PrGS S. 209). 59 Angeführt bei Goldtdammer GA 8, 317. 60 So z. B. PrOTr bei Goldtdammer GA 4, 545; 7, 689; 8, 315 ff.; 9, 52; 13, 204; vgl. hierzu Gerber S. 109 f. ' 1 übersiebten bei Gerber S. 101 ff.; Keber S. 80 ff.; Lauclcner S. 42 ff.; Reimer S. 25 ff. ez Bernoulli S. 46 ff., 61 f.; Brachvogel ZStW 13, 209 ff.; E. Fischer S. 51 ff., 74 ff.; Gerber S. 70 ff., 146 ff.; Haars I Rothe DJ 1933, 654 f.; Haas S. 65 ff.; A. Hellwig LZ 1922 Sp. 316 f.; Keber S. 1 ff.; v. Kries S. 113, 286; Lauckner S. 84 ff.; Norden ZStW 29, 781 ff.; Pabst S. 45 ff.; v . Pfister Recht 14 Sp. 635 f.; Potrykus NJW 1955, 929; SchifferS. 240 f.; Schlüter JW 1935, 2329; W. Schmidt JR 1950, 196 ff.; SprengelS. 57 ff.; Thode S. 46 ff. 63 Bernoulli S. 56 f.; Brachvogel ZStW 13, 209; E. Fischer S. 73 f.; Gerber S. 153; Haars in Haars I Rothe DJ 1933, 655; Haas S. 79 f.; Keber S. 1 ff., 83 f.; Norden ZStW 29, 782, 784 f., 796; Pabst S. 46; v. Pfister Recht 14 Sp. 636; Potrykus NJW 1955, 929; Schäfer DJ 1935, 993; Schiffer S. 241; Schtüter JW 1935, 2329; W. Schmidt JR 1950, 197; Sprengel S. 60; Thode S. 59; ebenso schon Watther 2. Abt. S. 115; desgleichen für den Zivilprozeß: Schultzenstein ZZP 31, 58 f. und schon v. Linde AcP 33, 161. Hiergegen: v. Arnold GS 10, 211 f.; Hepp ZDStrVerf. 2, 301 ff.; Reimer S. 69 ff.;Rosin JLitB114, 23; Schwarze GS 14, 287; WolfS. 5; OLG Frankfurt JW 1924, 62 Nr. 6; kritisch zu dieser Begründung auch Freitag Diss. 72; ders. VwA 56,329 (sachfremdes Motiv); Lauckner S. 85. 61
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§ 2 Das Erfordernis einer einheitlichen Ursache des Verbots
im übrigen die Beschränkung der staatlichen Strafverfolgung durch das Verbot der reformatio in peius als "ein Symptom des Zurückweichens der staatlichen Strafgewalt vor dem Verbrecher" 84 auf; Dohna etwa nannte das Verbot der reformatio in peius deshalb "durch und durch unmoralisch" 66• Offenbar wirkte sich diese Haltung auch auf das Zivilprozeßrecht aus; denn um die Jahrhundertwende äußerte sich vor allem Schultzenstein66 gleichfalls sehr kritisch über die Zweckmäßigkeit des Verbots im Zivilprozeß. Für den Strafprozeß war diese Tendenz mit der Novelle vom 28. Juni 193567, durch die die reformatio in peius zugelassen wurde, vorübergehend von Erfolg gekrönt; nach dem 2. Weltkrieg fand die Wiedereinführung des Verbots der reformatio in peius in den einzelnen Zonen68 und im Bundesgebiet auf Grund des Vereinheitlichungsgesetzes vom 12. 9. 195069 hingegen keinen nennenswerten Widerstand mehr7o.
" So der Untertitel der im Jahre 1892 erschienenen Monographie von Keber und in diesem Sinne Keber S. 1 ff. sowie z. B. Rothe in Haars I Rothe DJ 1933, 655; Schtiiter JW 1935, 2329. Auf den hinter dieser polemischen Äußerung stehenden Gedanken, das "richtige" (materielle) Recht müsse sich in jedem Falle durchsetzen, weisen gleichfalls hin: Bernoum S. 59; Brachvogel ZStW 13, 215; E. FischerS. 72; Haas S. 81; Klee DJZ 1935 Sp. 1470ff.; v. Kries S. 112, 114; Lauckner S. 85 f.; Norden ZStW 29, 782; v. Pfister Recht 14 Sp. 636; Sprengel S. 57 f.; zum Zivitprozeßrecht: K. Schneider Recht 8 Sp. 490; Schultzenstein ZZP 31, 53ff.; ders. VwA 9, 317; ders. VwA 11, 424ff. Gegen diesen Einwand etwa v. Boecklin S. 31 f.; Freitag Diss. S. 17 ff.; ders. VwA 56, 319 f.; Heine Recht 7 Sp. 389, 390; Lieb S. 50 ff.; Planck Syst. DarstellungS. 518 f.; Schwarze GS 14, 284 f.; WolfS. 6; allgemein zum Verfahrenszweck s. Gaul AcP 168, 49 ff. es Graf zu Dohna S. 7.
ee In ZZP 31, 51 ff.; sowie zum Verwaltungsstreitverfahren in VwA 9, 317 und VwA 11, 424 ff. Abl. auch K. Schneider Recht 8 Sp. 490; Wach GruchB 37, 471 (hinsichtlich einer strengen Wortauslegung des § 498 ZPO a. F.). e1 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes (RGBl I S. 844), Art. 1 Nr. 4. Hierzu etwa Klee DJZ 1935 Sp. 1470 ff.; Schäfer DJ 1935, 991 f.; Schtiiter JW 1935, 2329. es Zur amerikanischen und englischen Zone vgl. ReimerS. 3; W. Schmidt JR 1950, 195; zur Geltung in der französischen Zone OLG Koblenz DRZ 1948, 186; OLG Tübingen DRZ 1947, 101 gegen Müller DRZ 1947, 101 f.; W. Schmidt 1950, 195; OLG Tübingen DRZ 1948, 180; für die russische Zone und Berlin vgl. ebenfalls W. Schmidt JR 1950, 195. so Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. 9. 1950 (BGBl I S. 445, 515), Art. 3 Nr. 141, 150, 157. In der "DDR" wurde das Verbot durch die StPO vom 2.10.1952 (GBl S. 996, §§ 227, 311 Abs. 2, 324 Abs. 2) gesetzlich wiedereingeführt; vgl. dazu auch W. MüllerS. 64. 1o Hiergegen noch Potrykus NJW 1955, 929; W. Schmidt JR 1950, 196 ff.; Schiffer 2. Aufl. S. 177; Bedenken auch bei Müller DRZ 1947, 101 f. Andererseits ist nunmehr im Zivilverfahren der "DDR" mit Wirkung vom 1.1.1976 das Verbot der reformatio in peius fortgefallen; vgl. unten § 9 A Fn.2.
I. Die dogmatischen Ansatzpunkte
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c) Die Folgen für die Verbotsursache Weist somit die Entstehungsgeschichte des Verbots und dessen weitere Entwicklung im Zivil- und Strafverfahren zahlreiche Berührungspunkte auf71, insbesondere die gemeinsame Entstehung praeter oder sogar contra Iegern, die auch heute noch in der Umkehrung der Fragestellung hinsichtlich seiner dogmatischen Grundlage - nach der Ursache eines als bestehend angenommenen Verbots statt nach dessen Geltung - erkennbar wird72, so spricht viel für eine einheitliche dogmatische Ursache des Verbots der reformatio in peius auch in diesen beiden Verfahren. Dies bedeutet aber weiterhin, daß nach einem einzigen Geltungsgrund des Verbots für alle Verfahrensordnungen zu suchen sein wird. § 3 Art und Wirkung der möglichen Ursachen I. Die dogmatischen Ansatzpunkte
Bei der Sichtung der bisher in Literatur und Rechtsprechung als Ursache des Verbots der reformatio in peius erwähnten Institute und Rechtsgrundsätze ergibt sich ein eher verwirrendes Bild, das in seiner Vielfalt das Fehlen einer allgemein überzeugenden Lösung belegt. Schon von Gönner wurde das Verbot doppelt mit der Rechtskraft des angefochtenen Urteils und der Bindung des Richters an die Parteidispositionen (ne eat iudex ultra petita partium) begründet1 • Während sein erstes Argument vor allem für das strafprozessuale Verbot der reformatio in peius noch in neuerer Zeit eine bedeutende Rolle spielt2, entspricht der zweite Gedanke Gönners der heute im Zivilprozeßrecht und - mit Ausnahme des Strafprozesses - auch darüber hinaus ganz herrschenden Meinung3 • Als weitere Begründung des Verbots hinzugekommen ist die Auffassung, dieses folge aus der Verhandlungsmaxime (i. e. 8.)4, ferner die Ansicht, das Verbot der reformatio in peius gehöre zum Inhalt des einzelnen Rechtsmittels5 oder sogar zum "Wesen 71 Dagegen dürfte sich eine direkte Obernahme aus dem anderen Prozeßrecht kaum nachweisen lassen; anders wohl Reimer S. 5 (Ausbildung der Lehre von der reformatio in peius auf dem Gebiete des Strafprozesses) und andererseits die bei Goldtdammer GA 4, 79 wiedergegebene Stellungnahme des Generalstaatsanwalts: Übernahme des zivilprozessualen Verbots in den Strafprozeß. 72 Vgl. z. B. Fenn S. 56 ff. Fenn erörtert zunächst den Umfang des Verbots sowie dessen Grundgedanken (S. 56 ff.) und erst anschließend dessen dogmatische Rechtfertigung (S. 59 ff.). Ähnlich etwa schon Sartorius AcP 31, 83 ff. 1 Vgl. oben § 2 Fn. 22 und 24. 2 Vgl. unten§ 5 Fn.1 und 5. a Unten § 6 II Fn. 14. ' Unten § 6 I Fn. 1 und 2. 6 S. unten § 7 II. Hierzu ist auch die heute im Strafprozeß h. M. (oben § 2 Fn. 8) zu zählen, ferner die Vorstellung, bei einem gesetzlich als "echtem
3 Kapsa
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§ 3 Art und Wirkung der möglichen Ursachen
des Rechtsmittels" überhaupt6, die Berufung auf den Gedanken der Verwirkung7 sowie der Hinweis auf das Rechtsstaatsprinzip8 oder die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4 GG) 9• Alle diese Meinungen lassen sich letzten Endes in vier Gruppen zusammenfassen: die Ableitung des Verbots der reformatio in peius aus der Rechtskraft des angefochtenen Urteils10, aus dem Prinzip der Parteiherrschaft im Prozeß11, aus dem gesetzlichen Inhalt des Rechtsmittels12 und schließlich aus außerprozessualen Normen oder Instituten13• D. Die auslösenden Momente 1. Der eingeschränkte Devolutiveffekt
Hauptsächlich in der älteren Literatur findet sieh darüber hinaus die Vorstellung, für das Verbot der reformatio in peius werde (auch) ein eingeschränkter Devolutiveffekt des Rechtsmittels ursächlich14, und dementsprechend könne bei einem vollständigen Devolutiveffekt ein Verbot der reformatio in peius nicht bestehen16• Hierbei wird teils das Verbot der reformatio in peius mit der- vorrangigen - Frage einer Teilanfechtung des Urteils verwechselt18 dann hätte das Verbot keine selbständige Bedeutung mehr -, teils dient diese Ansicht aber augenscheinlich aucll als bildhafte Erklärung Zweitverfahren" ausgestalteten Rechtsmittel müsse ein Verbot der reformatio in peius bestehen (dazu unten II 2), und schließlich auch der Hinweis auf dessen gewohnheitsrechtliche Geltung (Jesch DOV 1955, 392). e Unten § 7 I Fn. 1. 1 Grethtein S. 29; dazu unten§ 4 II. s Unten § 4 I 1. e Naumann NJW 1963, 1704; hierzu unten§ 4 I 2. 10 Dazu unten§ 5. u Dazu unten § 6. 12 S. unten§ 7. 13 S. unten § 4. 14 Barazetti S. 149; Josef ZBlFG 6, 846; Mittermaier AcP 7, 97 f.; Schwarze GS 14, 283, 301; Zeltmann S. 9 Fn. 2; BayObLG SeuffA 46 Nr. 67; BayVGH DOV 1953, 93 Nr. 73 (LS); ebenso die Begründung zum Entwurf der ZPO, Hahn S. 358: § 477 (heute § 536) gebe "die Schranke für den Devolutiveffekt der Berufung". 15 Kratzer BayVB11960, 173; v. Linde AcP 33, 161; Riedet RdL 1952, 145. 16 So offenbar Arnotd AcP 28, 88 f. (vgl. aber auch S. 97); Giltes S. 95 Fn. 266; H. Seuffert S. 9 f., 22 f., 29. Dementsprechend wird das Verbot der reformatio in peius dann - zumindest auch - aus einer teilweisen Rechtskraft des Urteils (im Gegensatz zur sog. relativen Rechtskraft, unten § 5) abgeleitet, so H. Seuffert S. 9f., 22; vgl. auch OVG Lüneburg E 6, 309, 311; hiergegen Keber S. 84 ff.; Schuttzenstein ZZP 31, 39; Thode S. 49. Dagegen werden die Begriffe von Gerber S. 89 ff. verwechselt und von BGH NJW 51, 728 offenbar synonym gebraucht; richtig differenzierend Brandner S. 69 f.
II. Die auslösenden Momente
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der von den oben angeführten Ursachen17 ausgehenden Wirkungen, als deren Folge - und mithin als das das Verbot der reformatio in peius letztlich auslösende Moment- eine beschränkte Kognition des Rechtsmittelgerichts über den Streitstoff gesehen wird. Diese Konstruktion ist indessen nicht richtig18• Sie verkürzt den Anwendungsbereich des Verbots ohne zwingenden Grund und auch ohne Begründung auf Rechtsmittel i. e. S., weiter müßte nach ihr der vorteilhafte Teil des Urteils rechtskräftig werden, da er dann auch dem Suspensiveffekt nicht unterliegen dürfte19, und sie könnte endlich ein Verbot der reformatio in peius einzig hinsichtlich abtrennbarer Teile des Streitstoffs rechtfertigen. Das aber würde zum einen den Schutz des Rechtsmittelklägers unangemessen beschränken - etwa müßte dann der Klagegrund eines Grundurteils auch zu Ungunsten des die Berufung ergreifenden Beklagten geändert werden dürfen2o - , zum anderen würde es jenen auch über den Zweck des Verbots21 hinaus begünstigen, soweit dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit genommen wäre, ausnahmsweise aus dem Verbot der reformatio in peius vorrangigen Gründen auch zum Nachteil des Anfechtenden zu erkennen22. Mithin kann in einem mangelnden Devolutiveffekt des Rechtsmittels insgesamt keine befriedigende Erklärung des Verbots gefunden werden. 2. Die Bindung an die Beschwerdegründe
Auch gegen die Ansicht, das Verbot der reformatio in peius folge u. U. aus der Bindung des Rechtsmittelgerichts an die Beschwerden des Rechtsmittelklägers23, die wiederum einerseits auf dem Wesen des 17 So wird von Barazetti S. 149 zusätzlich die Verhandlungsmaxime genannt, die Motive zur ZPO beziehen sich auf § 477 des Entwurfs und damit auf die Anträge (Hahn S. 358), dort wird ferner die Dispositionsmaxime erwähnt (Abg. Schwarze, Hahn S. 716), und das Wesen des Rechtsmittels führen Josef ZBIFG 6, 846 sowie Schwarze GS 14, 301 an. 18 Vgl. insbes. Müller I Sax § 331 Anm. 1 a, b; abl. auch Brandner S. 39 ff. Zwischen dem Umfang des Devolutiveffekts und dem Verbot der reformatio in peius differenzieren etwa Blomeyer § 99 I (S. 527); Menger I Erichsen VwA 57, 281 ff.; v . Mutius S. 221 f.; Pohle SAE 1956, 242; Schultzenstein ZZP 31, 57. Kritisch zu Folgerungen aus dem Umfang des Devolutiveffekts ferner
Gilles S. 99 f.
19 Vgl. zu der damit berührten, wenn auch in Zusammenhang mit dem Devolutiveffekt nicht diskutierten Frage einer "relativen Rechtskraft" unten
§ 5.
Vgl. unten§ 13 A II 5. Dazu unten § 10 II. n Hierzu unten § 12. 23 Binding S. 255; E. FischerS. 54; GerberS. 71 ff.; Lueder GS 17, 475, 476; Norden ZStW 29, 787 ff.; Planck Syst. Darstellung S. 512 f., 518; Schultzenstein ZZP 31, 49; grundsätzlich auch H. Seuffert S. 18 (vgl. aber S. 16 Fn. 37) und wohl auch Kleinteller GS 38, 589 f. 20
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§ 4 Die außerprozessualen Ursachen
Rechtsmittels24, andererseits auf dessen gesetzlicher Anlage als sog. "echtem Zweitverfahren" 25 beruhen soll, bestehen Bedenken. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, es könne hierbei zu einer reformatio in peius nicht kommen, da das Gericht bei der Unbegründetheit der vorgetragenen Beschwerdepunkte das Rechtsmittel lediglich zurückzuweisen habe und über sonstige Rechtsverletzungen nicht erkennen dürfe28• Indessen ist es denkbar, daß auch die Prüfung eines vom Rechtsmittelkläger selbst gerügten Punktes - etwa die Verletzung einer Verfahrensvorschrift - ihm im Ergebnis zum Nachteil gereicht, weil sie zur Aufhebung des gesamten Urteils einschließlich der jenem vorteilhaften Teile nötigt. In einem solchen Falle würde also die Einschränkung der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts allein eine reformatio in peius nicht ausschließen können27, so daß deswegen - nicht, weil es sich hierbei nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst handelte28 - diese Deutung für eine grundsätzliche und allgemeine Erklärung des Verbots der reformatio in peius gleichfalls nicht ausreicht28• § 4 Die außerprozessualen Ursachen I. Bestimmungen des Grundgesetzes 1. Das Rechtsstaatsprinzip
a) Die Herstellung "materieller" Gerechtigkeit Mitunter wird die Notwendigkeit eines Verbots der reformatio in peius aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes abgeleitet, dessen Anforderungen an den Inhalt der einfachen Gesetze nach dieser Meinung einzig das Verbot, nicht jedoch die Zulässigkeit der reformatio in peius gerecht werden könne1• Hufnagel DVB11950, 204, 205; Merckel GS 5 I, 471; hierzu unten§ 7 I. u Binding § 122 II; E. Fischer S. 54; Gerber S. 71 ff.; v. Kries S. 286; Lueder GS 17, 475; Norden ZStW 29, 785; dazu unten§ 8 I 3. 28 v. Arnold GS 10, 211 f.; Fink S. 27; v. Kries S. 113; Norden ZStW 29, 787; Planck Syst. Darstellung S. 518; W. Schmidt JR 1950, 197; Schultzenstein ZZP 31, 49; H. Seuffert S. 18. 27 So ist möglicherweise auch der Hinweis L i ebs S. 15 Fn. 4 zu verstehen: trotz Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte werde das Urteil überprüft. zs So Lieb S. 15 Fn. 4. Einerseits ist eine Entscheidung in der Sache selbst entgegen Lieb (S. 12) keine begriffliche Voraussetzung der reformatio in peius (s. oben § 1 II 2), und andererseits dürfte die das Rechtsmittel aus sachlichen Gründen zurückweisende Entscheidung gleichwohl eine Entscheidung in der Sache darstellen (Blomeyer § 101 II 1 S. 541; a. A. Jauernig Zivilurteil S. 106 ff.). " Sie kann lediglich als Anhaltspunkt für dessen Bestehen Bedeutung erhalten, vgl. unten § 8 I 3. 14
I. Bestimmungen des Grundgesetzes
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Allerdings weist das Verbot der reformatio in peius, dessen Zweck man mit der Herstellung "verfahrensmäßiger Gerechtigkeit" umschreiben könnte2, gewisse Berührungspunkte mit dem auch das Ziel "materieller" Gerechtigkeit umfassenden3 Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auf; das kann indessen nicht dazu führen, das Verbot der reformatio in peius bereits als notwendiges Erfordernis des Rechtsstaates anzusehen. Zur Rechtsstaatlichkeit gehört ebenso wie die Verwirklichung der Idee materieller Gerechtigkeit, zu der im weiteren Sinne auch die "verfahrensmäßige" Gerechtigkeit zu zählen wäre, die der Rechtssicherheit dienende Bindung des Gerichtes an das materielle Recht4 ; welches dieser beiden Ziele den Vorzug verdient, muß grundsätzlich5 - und so auch hier - dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen bleiben. Das folgt bei einem Verfahren mit mehreren Beteiligten überdies auch daraus, daß eine reformatio in peius als Verwirklichung des materiellen Rechts aus ihrer Sicht ebenfalls ein Postulat der Gerechtigkeit sein müßte, so daß sie sich mit gleichem Recht dementgegen für die Zulässigkeit der reformatio in peius auf das Gerechtigkeitsideal berufen dürften. Ein solcher Konflikt kann aber aus dem allgemeinen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit nicht entschieden werden. b) Das Interesse an Rechtssicherheit Dessenungeachtet soll nacll. Auffassung des Bundesverwaltungsgedas Verbot der reformatio in peius für das verwaltungsbehördliche Vorverfahren u. U. aus dem bereits genannten Grundsatz der richts
1 BVerwG Buchholz 427.1 § 69 Nr. 2; BayVGH DÖV 1953, 93 Nr. 73 (LS); OLG Oldenburg RdL 1952, 24; JZ 1955, 510, 511; vgl. auch BGH NJW 1951, 728; a.A.: Freitag Diss. S. 45, 80; ders. VwA 56, 334f.; Laubinger JA 1970, 545 (ÖR S. 159); Löwe I Rosenberg I GoUwitzer § 331 Anm. 1 a; MilHer DRZ 1947, 101; Riedel RdL 1952, 143 f.; Zimmermann Rpfleger 1959, 255; BGHSt 9, 324, 332; BFHE 105, 354, 556 f.; BayVerfGH NJW 1959, 285, 287; DiszH RhPf in OVG Koblenz E 10, 326, 331 ; dahingestellt in LG Zweibrücken NJW 1954, 934, 935. 2 Pohle SAE 1956, 242, 243; ähnlich v. Boecklin S. 132: Es widerspreche dem Gerechtigkeitsgefühl, wenn zwar der Rechtsmittelbeklagte nicht schlechter gestellt werden dürfe, als der Rechtsmittelkläger dies beantrage, wohl aber die Rechtslage des Rechtsmittelklägers ohne dahingehenden Antrag des Rechtsmittelbeklagten verschlechtert werden könne. Dementgegen wollen Schultzenstein ZZP 31, 47 ff. und ihm folgend Ri edel RdL 1952, 143 f.; Zimmermann Rpfleger 1959, 256 im Verbot der reformatio in peius eine reine Zweckmäßigkeitsfrage sehen; so auch BVerwG DÖV 1957, 782 für das Verwaltungsvorverfahren. Allgemein zur Betrachtung des Prozeßrechts als lediglich an der Zweckmäßigkeit orientiertem ,.technischem Recht" s. Gaul AcP 168, 32 f. 3 Vgl. Maunz I Dilrig in Maunz I Dilrig I Herzog Art. 20 Rdnr. 59. 4 Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. Maunz in Maunz I Dilrig I Herzog Art. 20 Rdnr. 124. 1 Vgl. nur BVerfGE 3, 225, 237 f.; 29, 413, 432.
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§ 4 Die außerprozessualen Ursachen
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes folgen, dem allerdings die gleichermaßen in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegenstehe. Zwischen diesen divergierenden Interessen sei erforderlichenfalls abzuwägen". Daran ist richtig, daß das Verbot der reformatio in peius letztlich wohl auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes basiert, es ist jedoch nicht ein die Rechtssicherheit forderndes Vertrauen auf die Beständigkeit des staatlichen Aktes, sondern die Hoffnung auf "gerechte" Neuentscheidung. Der Rechtsmittelkläger verläßt sich nicht auf den Fortbestand der ergangenen Entscheidung, wovon das Bundesverwaltungsgericht ausgeht und darum eine Parallele zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes sieht7, sondern er vertraut auf eine billige, weil seine Anfechtung nicht gegen ihn selbst kehrende Entscheidung der Rechtsmittelinstanz. Zu einem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der angefochtenen Entscheidung bestände dagegen in der Tat kein Anlaß8 • Inwiefern dieses Vertrauen, das durch die Einlegung des Rechtsbehelfs nicht behindert, sondern erst begründet wird, indessen schutzwürdig ist, läßt sich mit den Kriterien der Rechtssicherheit nicht erfassen9. Folglich kann der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auch in dieser Auslegung nicht Ursprung des Verbots der reformatio in peius sein. c) Die Gewaltenteilung Auch der Grundsatz der Gewaltenteilung, der gelegentlich zugunsten eines Verbots der reformatio in peius im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Anspruch genommen wird10, kann das Verbot der reformatio in peius dort nicht begründen. Selbst wenn eine reformatio in peius durch die Verwaltungsgerichte materiell als Verwaltungstätigkeit anzusehen wäre11, so läge in einem derartigen Übergriff der Gerichte in den Bereich der Verwaltung kein Verstoß gegen dieses Prinzip, da das Grundgesetz keine vollkommene Gewaltenteilung, sondern e BVerwGE 14, 175, 179; ebenso Eyermannl Fröhler § 73 Rdnr. 7; Menger VwA 54, 201; BayVGH DÖV 1972, 318; BayVBl 1973, 556; OVG Lüneburg E 21, 367, 370; vgl. auch Schroeder-Printzen SGb 1966, 392. 1 BVerwGE 14, 175, 179; dagegen mit Recht Frei tag Diss. S. 81 ff.; ders. VwA 56, 335 ff.; ferner Brandner S. 52 ff. 8 Insoweit richtig BVerwGE 14, 175, 179. u Vgl. auch unten § 8 Fn. 40. to Früh SchwJZ 43 (1947), 137 f.; Hofmann I Schroeter § 123 Anm. 1; v. Wallis in Hübschmann I Hepp I Spitaler § 96 FGO Rdnr. 63; Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 100; BFHE 101, 470, 473; 102, 202, 206; FG Harnburg EFG 1968, 138, 139; ebenso Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 16 für das Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; hiergegen Zimmermann Rpfleger 1959, 252 f. 11 Dagegen z. B. Zimmermann Rpfleger 1959, 253.
I. Bestimmungen des Grundgesetzes
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lediglich ein System der Gewaltenverschränkung kennt12 und zumindest die den Gerichten traditionell zufallenden Aufgaben nicht beschränken wollte13• In der Vergangenheit war aber eine reformatio in peius seitens der Verwaltungsgerichte in einzelnen Ländern grundsätzlich zulässig14•
2. Die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) Das Prinzip der Gewaltenteilung steht schließlich auch hinter dem Gedanken Naumanns, für die Finanzgerichtsbarkeit folge ein Verbot der reformatio in peius aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die Finanzgerichte auf Grund dieser Vorschrift dem Bürger Rechtsschutz gewähren müßten, eine Rechtsschutzeinrichtung aber den Grundsatz "ne ultra petita partium" umfasse und dadurch die Möglichkeit zu einer reformatio in peius ausschließe15• Hiergegen ist schon von Lieb mit Recht eingewendet worden, die Ansicht Naumanns sei für eine einheitliche Begründung des Verbots der reformatio in peius ungeeignet, da sie zu sehr auf die Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens - gemeint ist wohl des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - abstelle16• Zudem wäre auch auf Grund dieser Argumentation im gerichtlichen Rechtszug nur eine Verschlechterung im Hinblick auf die verwaltungsbehördliche Entscheidung unzulässig und das Rechtsmittelgericht nicht gezwungen, wie es das Verbot der reformatio in peius sonst erfordern würde, zugleich die darüber hinaus den Rechtsmittelkläger begünstigende Entscheidung der vorigen Instanz aufrechtzuerhalten17; das Verbot der reformatio in peius könnte infolgedessen in seinem vollen Umfang nur für das Eingangsgericht gelten. Endlich stehen der Schlußfolgerung Naumanns jedoch auch die oben gegen den Hinweis auf die Gewaltenteilung angeführten Gründe entgegen. Ebensowenig wie jene zwingt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG den Gesetzgeber, den Gerichten ausschließlich Rechtsschutzaufgaben zuzuweisen - nur bei reiner Rechtsschutzgewährung 12 Vgl. nur Maunz I Dürig in Maunz I Dürig I Herzog Art. 20 Rdnr. 79 ff.; Zimmermann Rpfleger 1959, 253. 13 Vgl. Herzog in Maunz I Dürig I Herzog Art. 92 Rdnr. 51 f. m . w. N.
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z. B. in Bayern, Hessen, Sachsen, Oldenburg; vgl. v . Boecktin S. 107 ff.;
Freitag Diss. S. 33 ff.; Schultzenstein ZZP 31, 23 ff.; ebenso im finanzgericht-
lichen Verfahren bis zum lokrafttreten der FGO (§ 243 Abs. 3 RAO a . F.). 15 Naumann NJW 1963, 1704; ähnlich Tipke I Kruse § 100 FGO Rdnr. 6 (cc); Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 100; BFHE 101, 470, 473; 102, 202, 206; FG Harnburg EFG 1968, 138, 139; a. M.: Freitag Diss. S. 80, 122 ff.; ders. VwA 56, 334; LiebS. 22. 18 Lieb S. 22. 17 So aber in der Tat etwa Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 101.
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§ 4 Die außerprozessualen Ursachen
wäre eine reformatio in peius in der Tat unmöglich1B - , sondern dieser Vorschrift ist bereits mit der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der behaupteten Rechtsverletzung Genüge getan. Ob das Gericht darüber hinaus gezwungen ist, beim Fehlen einer solchen Rechtsverletzung lediglich die Klage abzuweisen, falls der Kläger im Gegenteil zu Unrecht begünstigt wurde, oder ob es dann entsprechend dem materiellen Recht entscheiden darf, kann darum aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht entnommen werden11• D. Der Grundsatz der Verwirkung
Ähnlich wie eine Begründung des Verbots der reformatio in peius aus der Gewaltenteilung oder der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, hat in neuerer Zeit Grethlein versucht, das Verbot der reformatio in peius im Strafverfahren mit einem im wesentlichen nur für das Strafprozeßrecht passenden Gedanken zu erklären. Nach seiner Ansicht würde sich der Staat mit sich selbst in Widerspruch setzen, wenner-entgegen der Entscheidung des vorinstanzliehen Gerichts und der Staatsanwaltschaft- den Angeklagten auf dessen Rechtsmittel hin noch härter bestrafen würde; der über das erste Urteil hinausgehende Strafanspruch sei verwirkt, folglich entspringe das Verbot der reformatio in peius dem Gedanken der Verwirkung20• Diese Ansicht könnte freilich allein dann zutreffen, wenn- so in der Tat Grethlein - für den Staat der Prozeß mit der Entscheidung des Gerichts und der Entschließung der Staatsanwaltschaft, kein Rechtsmittel einzulegen, abgeschlossen21 und das höhere Gericht somit bei einem Rechtsmittel des Angeklagten nur noch mit dessen Beschwerden befaßt und an dessen Interessen gebunden wäre. Indessen ist dies eine unbeweisbare Annahme. Sie unterstellt, daß die alleinige Befugnis zur Weiterverfolgung des staatlichen Strafanspruchs der Staatsanwaltschaft und nicht mehr den Gerichten zusteht, daß also die Rechtsmittelgerichte hinsichtlich der Höhe der Strafe mittelbar an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft gebunden wären, obwohl im erstinstanzliehen Verfahren eine derartige Bindung nicht vorgesehen ist (§ 155 Abs. 2 1s Vgl. unten § 7 I 2. 1o
Vgl. auch LiebS. 22.
!o Grethlein S. 28 f.; vgl. auch Frisch JA 1974, 92; Kleinknecht § 331 Anm. 1; Wolf S. 6; a. A.: Gerhardt S. 1 Fn. 2; Kretschmann S. 16 f. In der Sache
ähnlich, jedoch in der dogmatischen Grundlage abweichend ist die Vorstellung, das Verbot der reformatio in peius beruhe auf einem "Verzicht" des Gegners (vgl. unten § 6 II 2 a), die auch für den Strafprozeß vertreten wurde (Schlayer zstw 23, 725). u Grethlein S. 27 f.
§ 5 Die "relative" Rechtskraft des angefochtenen Urteils
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StPO). Eine solche Kompetenzverschiebung im Rechtsmittelverfahren wäre zwar möglich, würde jedoch weder aus der Stellung der Staatsanwaltschaft, die nicht von vornherein als die einzige Hüterin des öffentlichen Interesses im Strafverfahren anzusehen ist, noch aus den Aufgaben des Rechtsmittelgerichts folgen, sondern könnte sich allein aus einer besonderen Bestimmung des Gesetzes ergeben. Als eine Vorschrüt dieser Art käme aber im geltenden Strafprozeßrecht nur eben das Verbot der reformatio in peius (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO) in Betracht; damit erweist sich der Gedanke Grethleins als petitio principii. § 5 Die "relative Rechtskraft" des angefochtenen Urteils
Sind die soeben erörterten Ansichten über die Ursache des Verbots der reformatio in peius erst Ergebnisse der jüngsten Entwicklung, so steht an deren Anfang sowohl für den Zivilprozeß als auch für das Strafverfahren die Vorstellung, das Verbot folge aus einer zugunsten des Rechtsmittelklägers bestehenden einseitig beschränkten Rechtskraft des angefochtenen Urteils, der sog. "relativen Rechtskraft" 1 oder auch - bei Ableitung der Rechtskraft aus dem Willen der Parteien2 einem insoweit bestehenden "ius quaesitum" des Rechtsmittelklägers3. Da der Gegner das Urteil nicht angefochten habe, soll nach dieser Auffassung die Entscheidung insoweit rechtskräftig werden, als sie dem Rechtsmittelkläger günstig sei4 • Der Gedanke einer relativen 1 So zum Zivil- und später zum Verwaltungsprozeßrecht etwa Gönner S. 163; v. Gralman S. 340; Mehlen S. 24, 25; Sartorius AcP 31, 345; SchroederPrintzen SGb 1966, 394; Sydow I Busch I Krantz I Triebet § 536 Anm. 1; PrOTrE 3, 284, 292; 38, 370, 373; PrOTr StriethorstA 80, 21, 23; ROHG SeuffA 29 Nr. 176; RGZ 80, 164, 167; OLG Kassel SeuffA 62 Nr. 245; RVA EuM 23 (1929), 533, 534 f.; RVersorgGE 6, 56, 58; PrOVG PrVwBl 3, 195; zum Strafprozeßrecht: GlaserS. 285; Goldtdammer GA 4, 70, 76; ders. GA 8, 318; Löwe I Rosenberg I Jagusch 20. Aufl. § 358 Anm. 6; Lohsing JurVjschr. 39, 98; Loos AllgDtStRZ 10 (1870) Sp. 465; Peters §53 I 3; SauerS. 201; PrOTr bei Goldtdammer GA 4, 70; 4, 545; 9, 52; RGSt 8, 307; 9, 324,329, 332; 42, 422, 423. Andererseits werden auch umgekehrt die Wirkungen eines gesetzlich positiv angeordneten Verbots der reformatio in peius als "relative Rechtskraft" bezeichnet; so für den Zivil- und Verwaltungsprozeß: v. Bülow § 498 Anm. 1; Zellmann S. 33 ff.; RGZ 12, 408, 409; 25, 428, 430; 40, 268, 271; 53, 35, 37; RG GruchB 34 (1890), 754, 755; LZ 1930 Sp. 1326; SeuffA 62 Nr. 145; 64 Nr. 68; Urt. vom 16.2.1907 - V 277/06, N § 536 Nr. 13 (LS); RVA AN 1896, 178; 1901, 400, 401; RWG JW 1921, 1380, 1381; für den Strafprozeß: RGSt 67, 63; RG JW 1935, 535 Nr. 39; BGHSt 11, 322; BGH NJW 1951, 728; LM Nr. 21 zu § 358 StPO; GA 1970, 84, 85; BayObLGSt 1952, 66. 1 Vgl. dazu etwa Harscher v. Almendingen S. 160 ff. 3 Zum Zivilprozeß: HochS. 65 (§ 87); zum Strafprozeß: Quistorp S. 396 f. 4 Vgl. etwa GönnerS. 163. Es ist zweifelhaft, ob diese Vorstellung auf einer auf den gemeinen Inquisitionsprozeß zurückgehenden Schlußfolgerung beruht, rechtskräftig sei ein Urteil, soweit es den lnquisiten freispreche, frei-
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§ 5 Die "relative" Rechtskraft des angefochtenen Urteils
Rechtskraft wird auch in neuerer Zeit noch gelegentlich herangezogen5 , obwohl er schon früh und immer wieder auf berechtigte Ablehnung stieß6• Allerdings ist es richtig, daß das Verbot der reformatio in peius nur dann eingreifen kann, wenn der Gegner weder ein Rechtsmittel selbständig einlegt noch sich dem Rechtsmittel der anderen Partei anschließt7, so daß in der Tat das Verhalten des Rechtsmittelbeklagten Bedeutung für die Geltung des Verbots der reformatio in peius gewinnt. Selbst wenn aber die darauf fußende Konstruktion einer einseitig beschränkten Rechtskraft auch für die heutigen Verfahrensgesetze noch denkbar wäre, so läge in der Annahme, diese "relative Rechtskraft" trete stets kraft eines "Verzichts" des Gegners8 oder wegen des vom Rechtsmittelkläger einzig verfolgten Zieles nach Verbesserung seiner eigenen Lage9 ein, eine petitio principii. Denn ob derartige Wünsche oder Willensäußerungen der Parteien auch die angestrebte Wirkung haben können, d. h., ob das Gesetz eine Befugnis des Gerichts zur reformatio in peius letztlich immer von einem dahingehenden Parteiwillen abhängig machen will, bestimmte sich allein nach sprechend sei es aber, soweit es dem Anfechtenden günstig sei, so Gerber S. 98, 125; ihm folgend E. Fischer S. 64; Ganske S. 5; Haas S. 74; Reimer S. 79 ff.; Ricci S. 102 f.; wohl auch Bernoulli S. 52. Diese Begründung könnte lediglich für den Strafprozeß einleuchten, nicht hingegen für das Zivilprozeßrecht, in dem gleichfalls schon früh eine "relative Rechtskraft" angenommen wurde (oben Fn. 1). s Löwe I Rosenberg I Jagusch 20. Aufl. § 358 Anm. 6; Schroeder-Printzen SGb 1966, 394, 395 (relative Bestandskraft eines Verwaltungsakts); RVA EuM 23 (1929), 533, 534 f.; RGSt 67, 63, 64; RG JW 1935, 535 Nr. 39; BGHSt 11, 322; BGH NJW 1951, 728; LM Nr. 21 zu§ 358 StPO; GA 1970, 84, 85; NJW 1973, 107, 108; BayObLGSt 1952, 66; vgl. auch BayObLG NJW 1961, 1487, 1489; Grethlein S. 29; Sarstedt S. 115. 8 Bereits gegen die Annahme eines "ius quaesitum": v. Batz S. 258 f.; Kleinschrod ArchCrimR 2. Bd. 3. Stück, 33 f.; Mittermaier AcP 7, 93; ferner ReimerS. 80; Ricci S. 102; gleichfalls gegen die Möglichkeit einer "relativen Rechtskraft" als Grundlage des Verbots der reformatio in peius, vielmehr sollte umgekehrt aus dem Verbot eine relative Rechtskraft folgen: Bernoulli S. 54; E. Fischer S. 65; Gerber S. 99; Grethlein S. 32; Haas S. 73 f.; Keber S. 96 f.; KleinfeUer GS 38, 590 f.; Lauckner S. 87; Magen S. 54 f.; Norden ZStW 29, 784; Pabst S. 56; Schlayer ZStW 23, 728; Schultzenstein ZZP 31, 38; Schwarze GS 14, 301; H. Seuffert S. 30, 60, 124; SprengelS. 49; Thode S. 38, 50, 55; Weber S. 104; RG JW 1899, 37; vgl. auch oben Fn. 1 a. E.; zutreffend gegen die Vorstellung einer "relativen Rechtskraft" überhaupt: v. Boecklin S. 7f.; Fink S. 24f.; Frisch JA 1974, 93; Grünwald S. 12 Fn. 9; Haehnel S. 20 f.; Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 19; Kleinknecht JZ 1955, 512; Linde AcP 19, 465; 20, 75; ders. ZZRuP 9, 314 f .; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 a; Reimer S . 81 ff.; Ricci S. 102 f.; A. C. J. Schmid ZZRuP 4, 45 f.; Eb. Schmidt Lehrkomm. § 331 Anm. 3; Struckmann ZZP 6, 407. 7 Vgl. unten § 12 II 1 b. 8 Vgl. Arnold AcP 28, 91; GönnerS. 163; Goltdammer GA 4, 70; dazu auch Mittermaier AcP 7, 93 ff. 9 Gönner S . 163.
§ 6 Die Verfügungsmacht der Parteien
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dem besonderen Inhalt des Gesetzes und müßte daher im einzelnen nachgewiesen werden. Die Konstruktion einer relativen Rechtskraft ist aber auch dem geltenden Rechte fremd und findet in keiner Verfahrensordnung eine Stütze10, es sei denn, man wollte hierfür die bereits ein Verbot der reformatio in peius und damit eine einseitige Bindung des Gerichts ausdrücklich enthaltenden Vorschriften (z. B. §§ 331, 358 Abs. 2 StPO) in Anspruch nehmen11• Bei einer derartigen Begründung der relativen Rechtskraft würde jedoch nicht aus dieser das Verbot der reformatio in peius folgen, sondern jene "Rechtskraftwirkung" wäre allenfalls umgekehrt ein Ergebnis des Verbots der reformatio in peius12, dann freilich ohne weiteren Erklärungswert13 • Die gesuchte dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius kann folglich nicht in der sog. "relativen Rechtskraft" bestehen. § 6 Die Verfügungsmacht der Parteien
Mit der Ablehnung der an den "Verzicht" des Gegners und den Zielen des Rechtsmittelklägers anknüpfenden "relativen Rechtskraft" sind indessen die Möglichkeiten für eine Begründung des Verbots der reformatio in peius aus dem Parteihandeln nicht erschöpft. Es liegt sogar näher, unter Vermeidung des Umwegs über die Rechtskraftwirkung einem auf das Verbot der reformatio in peius gerichteten Parteiwillen unmittelbar Bindungswirkung beizumessen und hierzu auf einen der Grundsätze abzustellen, in denen sich die Parteiherrschaft im Prozeß manifestiert. Demzufolge wäre der Ursprung des Verbots der reformatio in peius entweder in der Dispositions- oder in der Verhandlungsmaxime zu erblicken.
10
Vgl. zur ZPO insbes. Wach GruchB 37, 481 f.; zur StPO vor allem Rei-
merS. 79ff.
11 So wohl die Entscheidungen, in denen die vom Verbot ausgehenden Wirkungen als "relative Rechtskraft" bezeichnet werden, vgl. oben Fn. 1 a. E. 12 Vgl. oben Fn. 6. 18 Vgl. Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 a; Hanack JZ 1973, 661. Es wäre begriffsjuristisch, wollte man aus dieser Bezeichnung eine Folgerung in bezug auf den Umfang und die Wirkungen des Verbots der reformatio in peius ziehen; vgl. Planck Lb. S. 486; so aber z. B. RG JW 1935, 535 Nr. 39: Die in§ 358 Abs. 2 StPO festgelegte einseitig beschränkte Rechtskraft zugunsten des Verurteilten gehöre wie auch sonst die Rechtskraft zu den von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzungen (Hervorhebung vom Verf.); ähnlich BGHZ 36, 316, 318. Vgl. auch RGSt 67, 63, 64: Diese einseitig beschränkte Rechtskraft werde von den für die Rechtskraft überhaupt maßgebenden Grundsätzen beherrscht.
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§ 6 Die Verfügungsmacht der Parteien
I. Die Verhandlungsmaxime
Die Verhandlungsmaxime wurde früher häufig1, in neuerer Zeit jedoch nur noch vereinzelt2 als Ursache des Verbots der reformatio in peius genannt. Hinter dieser Wandlung der Anschauungen dürfte sich freilich weniger eine geänderte dogmatische Auffassung als ein Wechsel der Terminologie verbergen. Nach heutigem Verständnis besagt der Begriff der "Verhandlungsmaxime" allein, daß die Parteien die Verantwortung für die Beschaffung der tatsächlichen Grundlagen des Urteils tragen3, während ihre Befugnis, durch die Anträge die Grenzen der gerichtlichen Entscheidung zu bestimmen (ne eat iudex ultra petita partium) nun zur "Dispositionsmaxime" gerechnet wird'. Da die meisten Vertreter dieser Meinung aber neben der Verhandlungsmaxime zugleich die Dispositionsmaxime oder den Grundsatz "ne ultra petita" erwähnen5, dürften diese wohl eher unter die Anhänger der Dispositionsmaxime zu zählen sein6 oder aber erst beide Befugnisse zusammen als die Grundlage des Verbots der reformatio in peius ansehen7• Auch die Begründung des Verbots allein aus der Verhandlungsmaxime ist schon oft und mit überzeugenden Argumenten widerlegt worden8 • Sie scheitert schon am Vorhandensein hiermit unvereinbarer gesetzlicher Regelungen, da ein Verbot der reformatio in peius nach 1 Barazetti S. 149; Bernoulli S. 7 (für den Zivilprozeß); u. Boecklin S. 6; Endemann S. 888; Förster I Kann § 536 Anm. 2 ; Goldschmidt § 64, 2 b (S. 213); Haehnel S. 18 f.; Lauckner S. 6 (für den Zivilprozeß); Mittermaier AcP 7, 94 f.; Renaud S. 564; Sartorius AcP 31, 344 f.; Seuffert I Walsmann § 308 Anm. 1, § 536 Anm. 1 b; Struckmann I Koch Bem. 4 vor § 511; Walsmann S. 38; Zellmann S. 27; RGZ 22, 391, 393; 94, 153, 154. 1 Baumbach I Albers § 536 Anm. 3; StJSchP 18. Aufl. § 536 Anm. I 2 (anders hingegen StJ-Grunsky in der 19. Aufl.); Zimmermann Rpfleger 1959,
251, 253; BGH ZZP 76, 114, 115; OLG Köln NJW 1967, 114. 3 Iudex iudicare debet secundum allegata et probata partium; vgl. Blomeyer § 14 I 2, II (S. 66 ff.); Rosenberg I Schwab § 78 II (S. 390). ' Vgl. Blomeyer § 13 (S. 63 ff.); Rosenberg I Schwab § 78 II (S. 390), § 79 I 1, II 1 (S. 396). Zum Verhältnis der beiden Grundsätze s. Blomeyer § 14 II 2 (S. 69); zur Entwicklung der Dispositionsmaxime aus der Verhandlungsmaxime vgl. Bornsdorf S. 175. 5 So die oben Fn. 1 und 2 Genannten mit Ausnahme von Sartorius. 1 Dafür auch Fenn S. 64 Fn. 84; Lieb S. 41; MagenS. 49; hierzu unten II. Dasselbe wird ferner für Sartorius gelten, da er zugleich auf den Verzicht des Gegners abstellt (AcP 31, 344 f.). 7 So werden ausdrücklich sowohl die Dispositions- als auch zusätzlich die Verhandlungsmaxime angeführt von Baumbach I Albers § 536 Anm. 3; Zimmermann Rpfleger 1959, 251, 255; in diesem Sinne auch Bernoulli S. 7; Lauckner S. 6; Haehnel S. 18 f.; Zellmann S. 26 ff. 8 Vgl. Fenn S. 59 ff.; Lieb S. 40 f.; Magen S. 47 ff.; Schultzenstein ZZP 31, 41 ff. (freilich ohne Trennung zwischen Verhandlungs- und Dispositionsmaxime).
II. Die Dispositionsmaxime
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dem deutlichen Willen des Gesetzes häufig auch dann besteht, wenn das Verfahren von der Untersuchungsmaxime beherrscht wird9, so im Strafprozeß 10, in den Statusverfahren des Zivilprozesses11 und in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren12• Darüber hinaus ist auch der Schluß von der Verantwortung der Parteien für die Herbeischaffung des Prozeßstoffes auf eine Einwirkungsmöglichkeit hinsichtlich des Entscheidungsinhalts, wie sie das Verbot der reformatio in peius bedeuten würde, selbst sehr fragwürdig. Der Inhalt des Urteils kann durch den Tatsachenvortrag der Parteien und ihre Beweisangebote nur indirekt beeinflußt werden, so daß eine derartige Befugnis nichts Entscheidendes über eine unmittelbare Bindung des Gerichts an die Parteünteressen auszusagen vermag, zumal sich hieraus auch kaum die in dem Verbot der reformatio in peius liegende einseitige Bevorzugung einer Partei erklären ließe. Verhandlungsmaxime und Verbot der reformatio in peius berühren deswegen einander nicht; beide Institute liegen auf verschiedenen Ebenen18• D. Die Dispositionsmaxime
Dementsprechend stellt die durchaus herrschende Meinung auch nicht auf die Verfügungsbefugnis der Parteien über die Tatsachengrundlage des Urteils, sondern auf ihre Verfügungsmöglichkeiten hinsichtlich des Verfahrensgegenstands und des Verfahrensablaufs, mithin ausdrücklich oder der Sache nach auf die sog. "Dispositionsmaxime" ab14• Dabei • Vgl. Fenn S. 60 ff.; Lieb S. 41; Magen S. 48; Schultzenstein ZZP 31, 41; BAG AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG. 10 Vgl. unten § 9 B I 1. u S. unten § 9 A I 1. u Dazu unten§ 9 C. ta Fenn S. 61; Lieb S. 41. 14 So für den Zivil- und Verwaltungsprozeß sowie für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Arens AcP 161, 186; Barazetti S. 149; Baur Lb. § 29 C I 5; Bettermann Gedächtnisschrift f. Jellinek S. 388; v. Boecklin S. 7; Bötticher ZZP 65, 464; Brox Festschr. Heymanns-Verlag S. 135; DappTich S. 160; Endemann S. 888; Eyermann I Fröhler § 88 Rdnr 2, § 125 Rdnr 4; Fenn S. 62 ff., 81, 209; Fink S. 27 f.; Förster I Kann § 536 Anm. 2 a; Freitag Diss. S. 129 ff. (vgl. auch S. 77 und ders. VwA 56, 333); GönnerS. 165, 177 ff.; Goldschmidt § 64, 2 b mit § 11, 1 a; Haehnel S . 14 f.; Hofmann I Schroeter § 123 Anm. 3 (vgl. aber auch Anm. 1); Jansen § 25 Rdnr 9; Jesch DOV 1955, 392; Josef ZZP 33, 522; Klinger § 129 Anm. B 1; Koehler § 88 Anm. II 1; Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII, § 74 IV C I; Lieb S. 48 f.; Magen S. 1 ff.; Mittermaier AcP 7, 94 f.; Naumann NJW 1963, 1704; Norden ZStW 29, 785; Pagenstecher JW 1922, 470; Peters I Sautter I Wolff § 123 Anm. 4; Pohle SAE 1956, 242; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdrn. 5; Renaud S. 564, 565; Ricci S. 29 ff., 104; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 (S. 765); Sartorius AcP 31, 344 f.; iSchultzenstein ZZP 31, 1 ff. (vgl. aber S. 39 ff.); Schunck I De Cierck § 88 Anm. 2, § 129 Anm. 3; Seuffert I Walsmann § 308 Anm. 1, § 536 Anm. 1 b; StJSchP 18. Aufl. § 536 Anm. I 2; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; Struckmann I Koch
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§ 6 Die Verfügungsmacht der Parteien
bleibt allerdings zumeist ungewiß, wie diese Begründung näher zu verstehen ist, ob m. a. W. bereits die abstrakte Verfügungsgewalt der Parteien das Verbot der reformatio in peius entstehen lassen soll oder ob noch zusätzlich eine konkrete Parteidisposition hinzutreten muß, d. h. eine bestimmte Parteihandlung oder -erklärung, auf deren tatsächlichem Inhalt hiernach dann die Unzulässigkeit einer Schlechterstellung beruht. Für beide Auslegungen finden sich Anhaltspunkte.
1. Die abstrakten Verfügungsmöglichkeiten a) Die Verfügungsbefugnis über das materielle Recht So will v. Werner bei der Frage nach einem Verbot der reformatio in peius im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit berücksichtigen, "ob und inwieweit die einzelne Partei über die ihr zustehenden Rechte verfügen kann"; liege die Verfügung im freien Belieben der Partei, könne sich das Gericht nicht darüber hinwegsetzen und etwa nicht einen Pächter über die gewollte Dauer hinaus an einen Pachtvertrag binden15• v. Werner scheint mithin das Verbot der reformatio in peius mit der Verfügungsbefugnis der Parteien über das im Streit befindliche materielle Recht in Verbindung zu bringen. Eine im materiellen Recht wurzelnde Verfügungsgewalt könnte das Verbot der reformatio in peius indessen schon darum nicht begründen, weil es bei diesem gerade darum geht, eine dem materiellen Recht entsprechende Entscheidung zu verhindern, so daß zur Rechtfertigung des Verbots von vornherein keine materiellrechtlichen, sondern allein prozessuale Gründe in Betracht kommen. Zudem wird bei dieser Ansicht verkannt, daß materiellrechtliche Verfügungsbefugnisse als solche im Prozeß auch deswegen nicht ausschlaggebend sein können, weil es sich bei dem prozessualen Anspruch ohnehin nur um ein behauptetes Recht handelt1 6• Außerdem müßte ein § 536 Anm. 1; Ule Lb. § 61 VIII; ders. VwGO Erl. zu §§ 88 und 129; Wach Vorträge S. 249; Walsmann S. 38; RGZ 22, 391, 393; 94, 153, 154; BGH ZZP 76, 114, 115; BAG AP Nr. 3 zu§ 89 ArbGG; NJW 1966, 1140, 1141; KG NJW 1955, 229, 230; OLG Köln NJW 1967, 114; LG Dresden ZZP 44, 133, 134; ähnlich für den Strafprozeß wegen der Bezugnahme auf die Anträge oder auf die Möglichkeit eines teilweisen Rechtsmittelverzichts: Beling GA 63, 203 f.; Bennecke I Beling S. 440; Birkmeyer S. 151, 709; Kleinteller GS 38, 588; Lueder GS 17, 475; wohl auch Ortlaff GS 23, 338 f.; vgl. auch H. Seuffert S.95. 1& v. Werner RdL 1949, 62; vgl. auch OLG München MDR 1951, 488. te Vgl. auch Gaul AcP 168, 31 Fn. 23 (S. 32) gegenüber dem von Berges NJW 1965, 1505 ff. geforderten Rückgriff auf das materielle Rechtsverhältnis im Prozeß. Auf die notwendigen Unterschiede zwischen materieller und prozessualer Verfügungsbefugnis weist hier - im Hinblick auf Klageverzicht und -anerkenntnis sowie die Gestaltungsgeschäfte (Aufrechnung, Anfechtung, Kündigung) - bereits Magen S. 53 hin.
II. Die Dispositionsmaxime
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Verbot der reformatio in peius zugunsten des Gegners, der nicht Inhaber des materiellen Rechts ist oder zum Vorteil eines aus sonstigen Gründen materiellrechtlich nicht Verfügungsbefugten (häufig etwa bei öffentlichen Rechten) 17 nach dieser Auffassung ausgeschlossen sein18• Trotzdem wäre das Verbot im ersten Fall gleichwohl wegen der Parteiengleichheit erforderlich und ist im zweiten Fall dessenungeachtet mehrfach - so im Strafprozeß und in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren19 - auch gesetzlich anerkannt. b) Prozessuale Dispositionsbefugnisse Scheidet somit die Verfügungsmöglichkeit über das materielle Recht als Ursache des Verbots der reformatio in peius aus, so kommt die prozessuale Verfügungsbefugnis hierfür ebenfalls nicht in Frage. Ob allerdings eine solche Ansicht überhaupt bewußt vertreten wird, läßt sich nicht sicher beurteilen, da die h. M. in bezug auf das Verbot der reformatio in peius offenbar nicht zwischen der Verfügungsmöglichkeit und der Verfügung selbst unterscheidet20, sie dürfte jedoch schon aus diesem Grunde zumindest mitgedacht werden21 • Die bloße Befugnis der Parteien zu Dispositionen über das Verfahren oder den Verfahrensgegenstand ist freilich nicht geeignet, bereits eine Bindung des Gerichts hervorzurufen. Da bei allen zur Dispositionsmaxime gezählten Einwirkungsmöglichkeiten der Parteien auf den Prozeß eine Ausübung dieser Befugnis durch eine Parteihandlung erforderlich ist - wie auch die materiellrechtlichen Gestaltungsrechte vor ihrem Gebrauch in aller Regel keine Wirkungen äußern22 - , müßte dasselbe ebenso für ein auf die Dispositionsmaxime gestütztes Verbot der reformatio in peius gelten. Eine Dispositionsbefugnis gibt den Parteien allein die Möglichkeit, den Prozeßverlauf nach ihrem Willen zu Vgl. z. B. Wolff I Bachof § 44 li c 3. So gleichfalls schon Magen S. 53 unter Hinweis auf Bülow AcP 64, 13, 39 und S. 34, 35: Die der Parteidisposition unterliegenden formellen Ansprüche der Parteien könnten materiell durchaus zwingenden Rechtes sein. u Vgl. unten § 9 C. zo Siehe z. B. Fenn S. 63, der im Anschluß an seine Begründung des Verbots aus den konkret gestellten Parteianträgen (insbes. Fn. 82; dazu unten 2 b) von der "Dispositionsbefugnis" als dem Hindernis für eine Schlechterstellung spricht (S. 63 a. E.; Hervorhebung vom Verf.). 21 Vgl. zur Interpretation auch unten § 6 II 2 b dd. Ohnedies darf die Behauptung, das Verbot der reformatio in peius folge aus der "Dispositionsmaxime" (so u. a. Fenn S. 64), nicht wörtlich genommen werden, da ihr in diesem Fall der Grundsatz: "Non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat" (Dig. 50, 17, 1) entgegenstünde. Kritisch zur Ableitung des Verbots aus einer "Maxime" als solcher auch Schultzenstein ZZP 31, 43; Fink S. 26 und schon Wach GruchB 37,478. 22 Eine Ausnahme ist z. B. § 770 BGB. t7
ts
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§ 6 Die Verfügungsmacht der Parteien
gestalten, besagt jedoch nicht, daß das Gericht bereits auf Grund ihrer Verfügungsmöglichkeiten die Interessen beider Parteien oder der einen Partei zu wahren hat, wie es indessen das Verbot der reformatio in peius fordern würde. Einzig eine Parteierklärung, mit der sie die ihr eingeräumte Gestaltungsfreiheit nutzt, nicht schon die abstrakte Verfügungsgewalt der Parteien, könnte mithin ein Verbot der reformatio in peius bewirken.
2. Die konkreten Dispositionen der Parteien a) Der "Verzicht" des Rechtsmittelbeklagten Hierbei wäre zunächst an eine Disposition des Rechtsmittelbeklagten zu denken, der auf die Änderung des Urteils zu seinen Gunsten bindend verzichtet haben könnte. Ebenso wie mit diesem Gedanken bereits das Entstehen einer "relativen Rechtskraft" begründet werden sollte23, wird gelegentlich versucht, ihn auch für eine Ableitung des Verbots der reformatio in peius unmittelbar aus dem Parteiverhalten fruchtbar zu machen und infolgedessen das Verbot der reformatio in peius jedenfalls teilweise aus einem "Verzicht" des Rechtsmittelbeklagten zu rechtfertigen24• Ein solches Bemühen wird bereits bei Gönner sichtbar, der - als Folge des Grundsatzes "ne ultra petita" - wegen des einzig auf Bestätigung des Urteils gerichteten Antrags des Appellaten eine Befugnis des Richters zu einer dem Appellanten nachteiligeren Änderung der Entscheidung verwarf25• aa) Gönner geht ersichtlich davon aus, daß der Rechtsmittelbeklagte auch einen weitergehenden Antrag hätte stellen dürfen, jedoch bewußt davon absah und nun lediglich die Bestätigung des vorinstanzliehen Urteils wünscht26• Insofern dürfte Gönners Ansicht freilich noch von der gemeinrechtlichen Vorstellung des Rechtsmittels als gemeinsamer 28
S. oben § 5.
So insbesondere Sartorius AcP 31, 344 (vgl. schon oben § 2 bei Fn. 28); ferner Mittermaier AcP 7, 95; Pagenstecher JW 1922, 470; Ricci S. 31; wohl auch Fuisting VwA 4, 302; Renaud S. 564. Ähnlich auch Grethlein S. 27 ff., der - in der Sache übereinstimmend, jedoch mit unterschiedlicher dogmatischer Konstruktion - wegen der fehlenden Anfechtung des Urteils durch die Staatsanwaltschaft eine Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs annimmt; hierzu oben§ 4 II. u Gönner S. 165 f.: "Keinem Richter kömmt das Recht zu, ultra petita partium zu erkennen, und dies würde geschehen, wenn in der neuen Instanz das Urtheil zum Nachtheil des Appellanten abgeändert würde, wo es der Appellat nicht ausdrücklich forderte, denn seine Bitte war im unterstellten Falle nur auf Bestätigung, keineswegs aber auf Abänderung des Erkenntnisses gerichtet. Der im Prozeß so oft durchgreifende Grundsatz eines Verzichts spricht also laut gegen eine von Amtswegen zu verfügende Abänderung des Urtheils zum Vortheil des Appellaten." Vgl. ferner Gönner S.179. 2• Ebenso wohl noch Ricci S. 31. 24
II. Die Dispositionsmaxime
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"Rechtswohltat" beider Parteien auf Grund des Instituts der communio appellationis geprägt sein, während die Rechtsmittel nach der Gestalt, die sie in den neueren Verfahrensgesetzen gefunden haben, einen einseitigen Angriff des Rechtsmittelklägers darstellen, auf dessen ausschließliche Abwehr der Rechtsmittelbeklagte beschränkt ist27• Ist infolgedessen ein weitergehender Antrag als eine Bitte um Zurückweisung des Rechtsmittels von seiner Seite ohne einen Anschluß an das Rechtsmittel nicht möglich, dann darf man diesen auch nicht als Verzichtserklärung des Rechtsmittelbeklagten werten. bb) Ein derartiger "Verzicht" des Gegners auf günstige Änderung könnte deswegen allein darin gefunden werden, daß er weder ein selbständiges Rechtsmittel eingelegt noch sich dem Rechtsmittel des Anfechtenden angeschlossen hat. Selbst wenn sich hieraus jedoch eine konkludente Erklärung des Rechtsmittelbeklagten entnehmen ließe in der Regel ist bloßes Schweigen freilich nicht als Willensäußerung anzusehen28 - so käme diesem Willen nicht die gewünschte Wirkung zu. Über die Tragweite des Rechtsmittelangriffs und damit auch über die Befugnisse des Rechtsmittelgerichts entscheidet - wiederum wegenseiner Einseitigkeit- allein das eingelegte Rechtsmittel; der Verzicht auf ein zu eigenen Gunsten eingelegtes Rechtsmittel hat auf den Inhalt des gegnerischen Rechtsbehelfs keinen Einfluß. Folglich würde sich seine Bedeutung selbst bei einer darin liegenden Willenserklärung des Rechtsmittelbeklagten in einem prozessual unbeachtlichen Wunsch erschöpfen, auf den ein Verbot der reformatio in peius nicht gegründet werden kann21• Auch die Dispositionen des Rechtsmittelbeklagten sind demnach als dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius nicht brauchbar, ganz abgesehen davon, daß eine solche Begründung einseitig auf den echten Parteiprozeß zugeschnitten ist. Es müßte darum aus formalen Gründen das Verbot der reformatio in peius etwa in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die nicht Parteistreitigkeiten sind, oder für einen strafrechtlichen lnquisitionsprozeß ver27 Vgl. Fenn S. 62; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2. Zur Funktion des Rechtsmittels neuestens GiUes, insbesondere S. 7 ff. und S. 28 ff.; dazu unten § 7 I 4. 28 Flume § 5, 2 b. 28 Ablehnend etwa auch Schlayer ZStW 23, 725 für den Strafprozeß: Gerade aus dem Vorhandensein einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung gemeint ist § 372 StPO a. F . - folge, daß ein Zwang für den Richter (zur Nichtbeachtung des materiellen Rechts) durch den Parteiverzicht an sich noch nicht begründet werde. Freilich könnte eine solche ausdrückliche Vorschrift aber auch lediglich deklaratorischen Charakter haben, so daß ihr Bestehen allein diese Begründung des Verbots noch nicht widerlegen würde.
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neint werden, ohne daß diese Differenzierung überzeugend begründet werden könnte. b) Die Anträge des Rechtsmittelklägers Damit kommt es letztlich darauf an, ob das Verbot der reformatio in peius auf einer Disposition des Rechtsmittelklägers, genauer: auf seinen Rechtsmittelanträgen, beruhen kann. In diesen Anträgen dürften die Vertreter der Dispositionsmaxime wohl auch mehrheitlich die Grundlage des Verbots erblicken, da sie zumeist Bezug auf die §§ 536, 559 ZPO (bzw. die entsprechenden Vorschriften der verwaltungsgerichtlichen Verfahrensordnungen) 30 nehmen31 oder sonst die Rechtsmittelanträge32 oder die Bindung an die Parteianträge (ne ultra petita)33 erwähnen. Diese Auffassung entspricht ferner den Vorstellungen des Gesetzgebers der Zivilprozeßordnung wie etwa neuestens auch der Finanzgerichtsordnung, der in beiden Gesetzen mit der Bindung an die Rechtsmittelanträge zugleich das Verbot der reformatio in peius in das Gesetz einführen wolltest. Näher erläutert und zusammenfassend begründet hat diese Ansicht indessen zuerst Fenn35. Fenn folgert aus den Einwirkungsmöglichkeiten der Parteien auf Gang und Inhalt des Verfahrens, daß damit untrennbar zugleich das Recht verknüpft sein müsse, auch während des Rechtsmittelverfahrens die Verfügungsbefugnis innezuhaben, also Tragweite §§ 88, 129 VwGO; 123 SGG; 96 Abs. 1 S. 2 FGO; vgl. hierzu unten§ 9 C. Arens AcP 161, 186; Barazetti S. 149; v. Boecklin S. 5 f.; Bötticher ZZP 65, 464; Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 135; Fink S. 27 f.; Freitag S. 129 ff.; Haehnel S. 14 f.; Josef ZZP 33, 522; Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII, § 74 IV C 1; Magen S. 1 ff.; Menger in Staatsbürger und Staatsgewalt II S. 443; Naumann NJW 1963, 1704; Pagenstecher JW 1922, 470; Pohle SAE 1956, 242; :Schultzenstein ZZP 31, 1 ff.; RGZ 12, 408, 409; 22, 391, 393; 49, 381, 384; 94, 153, 154; BGH ZZP 76, 114, 115; LM Nr. 2 zu § 322 ZPO; BAG NJW 1966, 1140, 1141; BFHE 86, 178, 180; 91, 523, 525; 101, 498, 500; KG OLGE 45, 260; NJW 1955, 229, 230; OLG Köln NJW 1967, 114; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; LG Dresden ZZP 44, 133, 134. 32 Endemann S. 888; Fenn S. 62 ff.; Jesch DÖV 1955, 392; Magen S. 5 f. (für den Verwaltungsprozeß); Ricci S. 29 ff.; BAG AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG; BSGE 2, 225, 229. 88 Bettermann Gedächtnisschrift für Jellinek S. 388; Kummer S. 168 (für das schweizerische Recht); Mittermaier AcP 7, 94 f.; Naumann NJW 1963, 1704 (hinsichtlich des sozialgerichtlichen Verfahrens); Norden ZStW 29, 785; Walsmann S. 38; BVerwG Buchholz 427.1 § 69 Nr. 2. 34 Zur ZPO vgl. die Protokolle der Kommission, Hahn S. 716, und schon oben § 3 Fn. 17; zur FGO s. die Begründung des Entwurfs, BT-Drucksache III/127 sowie den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache IV/3523; hierzu auch Lieb S. 43 Fn. 4. 85 Fenn S. 62 ff.; Ausschnitte dieser Gedanken freilich u. a. schon bei Bötticher ZZP 65, 466; Magen S. 2, 46; Karl Schneider AR-Blattei: Arbeitsgerichtsbarkeit XII F I 8. 30
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und Richtung des Rechtsmittelangriffs zu bestimmen3e. Das bedeute, daß der Richter an die Rechtsmittelanträge gebunden sei, der Rechtsmittelkläger aber dürfe auf Grund des Rechtsmittels nur offensive, der Rechtsmittelbeklagte nur defensive Anträge stellen37• Infolgedessen bestimmten nur die Anträge des Rechtsmittelklägers den Umfang der Entscheidungsbefugnis und begrenzten sie sowohl nach oben wie nach unten. Da der Rechtsmittelkläger jedoch nur das Aberkannte, nicht aber das bereits Zugesprochene zum Gegenstand seiner Anträge mache98, könne das Rechtsmittelgericht infolge der Bindung an die Anträge die vorinstanzliehe Entscheidung nur entweder bestätigen oder zugunsten des Rechtsmittelklägers abändern - nicht hingegen zugunsten des Rechtsmittelbeklagten, da dieser keine angriffsweisen Anträge zu stellen vermöge und der Richter nicht ohne Antrag tätig werden dürfe - ; somit sei die notwendige Folge das Verbot der reformatio in peiusae. Fenn verdeutlicht dies noch an Hand des bereits eingangs40 dargestellten Beispiels: Wenn vom Kläger 1000,- DM eingeklagt, ihm aber nur 500,- DM zugesprochen worden seien, sei dessen Berufungsantrag auf "Zuerkennung des gesamten Klageanspruchs" nicht so zu verstehen, daß er 1000,- DM verlange, sondern er beantrage nur noch die ihm nicht zugesprochenen 500,- DM mehr, während der Berufungsbeklagte auf die Abwehr dieses Rechtsmittelantrags beschränkt sei und deshalb nicht Aberkennung der schon zugesprochenen 500,- DM verlangen könne41 • Diese Begründung des Verbots der reformatio in peius erscheint zunächst durchaus einleuchtend und überzeugend42 ; auch sie hält indessen einer näheren Überprüfung nicht stand, insbesondere, wenn man ss Hinsichtlich der Richtung einer Nachprüfung ähnlich Magen S. 2, 46; vgl. auch KleinfeZZer GS 38, 588; auf die freie Einlegungs- und Rücknahmemöglichkeit stellt etwa auch Karl Schneider a.a.O. (Fn. 35) ab; s. hierzu ferner unten § 7 I 2 mit Fn. 14. s1 Ebenso Ricci S. 56 f. as In diesem Sinne bereits Bötticher ZZP 65, 466: Während der Kläger sage, dieses solle noch Streitgegenstand sein, jenes noch nicht, sage der Berufungskläger: jenes nicht mehr, nämlich das, was er schon "eingeheimst" habe - dasselbe meint Fenn S. 62 f. mit dem "Zugesprochenen" - oder dem Gegner belassen wolle. 39 Fenn S. 63 (Hervorhebung vom Verf.). 40 Oben § 1 I 2 (mit geänderten Summen). 41 Fenn S. 63 Fn. 82 (Hervorhebung im Original). 42 Auf Grund dieser Auslegung der Rechtsmittelanträge ließe sich etwa nicht mehr einwenden, der Satz "ne ultra petita" passe deswegen nicht, weil es sich nicht darum handele, dem Rechtsmittelkläger mehr zuzuerkennen (so Arnold AcP 28, 96 Fn. 45), weil dann auch eine Entscheidung über das vom Kläger bereits "Eingeheimste" (Bötticher ZZP 65, 466) und nicht zur Disposition des Rechtsmittelgerichts Gestellte ein überschreiten seiner Anträge bedeuten würde.
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eine einheitliche Grundlage des Verbots für alle gerichtlichen Verfahren erwartet48• aa) Das gilt zunächst von der dort vorausgesetzten Bindung des Gerichts an die Rechtsmittelanträge. Wo eine solche Antragsbindung fehlt, muß die Deutung Fenns von vornherein als Erklärung des Verbots der reformatio in peius ausscheiden, mithin vor allem im Strafverfahren. Nach der Strafprozeßordnung hat der Angeklagte nicht die Möglichkeit, bindende Rechtsmittelanträge zu stellen", sondern er kann über den Umfang des Rechtsmittelangriffs im wesentlichen lediglich dadurch disponieren, daß er das Urteil - soweit zulässig - nur teilweise angreift (§§ 318, 327 StP0)45 • Deswegen ist also auf der Grundlage dieser Anschauung die gewünschte übereinstimmende Begründung des Verbots der reformatio in peius, die auch für das Strafprozeßrecht passen würde, nicht zu erzielen. Darüber hinaus ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Bindung des Beschwerdegerichts an die Anträge - soweit solche gestellt sind46 - nicht zweifelsfrei und umstritten47 • Die von Fenn versuchte Ableitung der Antragsbindung nur aus den Rechten der Beteiligten hinsichtlich Eröffnung und Beendigung des (Rechtsmittel-) Verfahrens48 überzeugt angesichts ähnlicher Befugnisse des Angeklagten in bezug auf die Einleitung und Beendigung des strafprozessualen Rechtsmittelverfahrens ohne eine daraus zugleich folgende Antragsbindung des Gerichtes nicht48• Soweit man also für das gesamte Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Einschluß der Amtsverfahren ein u Dazu oben § 2 I und li 2 c. '' E. Fischer S. 66 ff.; Haas S. 75 ff.; Lauckner S. 88 f.; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 327 Anm. 1; Pabst S. 50 f.; Reimer S. 53 ff. (s. aber S. 100 ff.); W. Schmidt JR 1950, 198; vgl. auch Bernoulti S. 48 ff.
45 Diese Befugnis beinhaltet noch nicht das Recht zur Stellung bindender Anträge; vgl. E. FischerS. 68 ff.; Gerber S. 86 ff.; Haas S. 77; Keber S. 85 ff.; KleinfeZZer GS 38, 588 f.; Lauckner S. 89 f.; Pabst S. 47 ff.; Reimer S. 90 ff. Vgl. dementgegen aber Schwarze GS 14, 289: Mit der Anerkennung des teilweisen Verzichtsrechts werde auch die Beschränkung in der Aufgabe des Oberrichters anerkannt; ähnlich auch Norden ZStW 29, 786 f. Das ist indessen eine petitio principii, soweit daraus eine weitergehende Bindung des Rechtsmittelgerichts gefolgert wird. 48 Ein bestimmter Antrag ist hier nicht erforderlich; vgl. Keidel I WinkleT § 21 Rdnr. 6, § 23 Rdnr. 1 und unten Fn. 60. 47 Abl. z. B. KG KGJ 31 A 3, 5; für eine Bindung nur in den Antragsverfahren, nicht jedoch in den Amtsverfahren etwa Habscheid § 34 III 2; Jansen § 23 Rdnr. 3; Keidel I WinkZer § 23 Rdnr. 1; OLG Hamm JMBlNW 1962, 190 Nr. 4; a. A. - Bindung in jedem Falle -: Baur Lb. § 29 C I 4; SchlegelbergeT § 25 Rdnr. 11 (vgl. aber auch § 23 Rdnr. 4). 48 Fenn S. 62 und S. 208. •e Gegen eine solche Schlußfolgerung im Strafprozeßrecht auch Gerber S. 81 ff.; Thode S. 48.
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Verbot der reformatio in peius befürworten wi1150, wird dessen Rechtfertigung aus den Rechtsmittelanträgen aus diesem Grunde ebenfalls fragwürdigu. bb) Weitere Bedenken gegen die Richtigkeit der Lösung Fenns ergeben sich daraus, daß selbst bei bestehender Bindungswirkung die Rechtsmittelanträge nicht immer die erforderliche Aufspaltung der vorinstanzliehen Entscheidung in ungünstige Teile (das "Aberkannte") und günstige Bestandteile (das "Zugesprochene") leisten können. Das von Fenn als Beleg angeführte Beispiel52, bei dem eine solche Trennung in der Tat denkbar wäre, betrifft nur den Tenor der Entscheidung. Nach diesem bestimmt sich zwar in den meisten Fällen, aber keineswegs ausschließlich, ob eine reformatio in peius anzunehmen ist. Ausnahmsweise kann auch die Änderung der Entscheidungsgründe eine reformatio in peius bedeuten, so - wegen der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO - vor allem bei einer dem Rechtsmittelkläger günstigen vorinstanzliehen Entscheidung über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Beklagten53, aber z. B. auch die Ersetzung des in einem Grundurteil anerkannten Klaggrundes durch einen dem Rechtsmittelkläger nachteiligeren54• Wie in solchen Fällen der Rechtsmittelkläger in der Lage sein soll, nur noch das ihm dort Aberkannte zum Gegenstand seiner Anträge zu machen und das ihm bereits Zugesprochene davon auszunehmen, ist nicht recht ersichtlich. Weder das eine noch das andere bilden hier einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes, der durch die Rechtsmittelanträge losgelöst von dem anderen der Prüfung des Rechtsmittelgerichts unterbreitet bzw. von dieser ausgenommen werden könnte. Wenn z. B. die Klage wegen einer für begründet erachteten Aufrechnung des Beklagten abgewiesen worden ist, besteht das dem Kläger "Aberkannte" in der Verneinung der Klageforderung, während der rechtskraftfähige Verbrauch der Gegenforderung - möglicherweise auch das anderweitige Bestehen des Klageanspruchs - das ihm "Zuerkannte" ausmachen55• Der Kläger müßte also, um zumindest das letztere aufrechtzuerhalten58 - ein Rechtsmittelantrag, der den VerGo So u. a. Fenn S. 208 f.; s. ferner unten § 9 D Fn. 3. u Ausdrücklich auf die Bindung an die Beschwerdeanträge verzichten darum etwa BayObLGZ 1965, 227, 231; 1970, 239, 240; OLG Hamm NJW 1969, 886 für das Hausratsverfahren. 62 FennS. 63 Fn. 82; vgl. oben vor aa. n Heute allgemeine Meinung; s. unten§ 13 A II 3. u Vgl. unten§ 13 A II 5. u Vgl. unten § 13 A II 3 b aa. 61 Das ist nach StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 d (str.) hier das Ziel des Verbots; hierzu unten § 13 A II 3 b bb mit Fn. 87.
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brauch der Gegenforderung von der Prüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts ausnehmen wollte, wäre in sich widersprüchlich, da der Kläger ja gerade eine Überprüfung ihres (ursprünglichen) Bestehens verlangt - , durch seine Rechtsmittelanträge die Einwendung "Aufrechnung" aus den Urteilsgründen herauslösen können; sein Berufungsantrag auf ein klagestattgebendes Urteil wäre dann Fenn zufolge etwa so zu verstehen, daß er zwar nicht etwas mehr, indessen die Zuerkennung des Klaganspruchs wegen der unbegründeten Aufrechnung des Beklagten verlangt und auf diese Weise das Berufungsgericht auf die Prüfung dieser Einwendung zu beschränken versucht. Ein solcher, den Streitgegenstand nicht der Höhe nach, sondern in bezug auf die Einwendungen des Gegners zergliedernder Rechtsmittelantrag dürfte indessen nicht zulässig sein, da der Kläger auch sonst§ 536 ZPO ist nach herrschender Ansicht nur eine Fortführung des § 308 I ZP057 - nicht in dieser Art über den Streitgegenstand disponieren könnte68• Deswegen ist der von Fenn und der herrschenden Meinung eingeschlagene Weg zur Begründung des Verbots der reformatio in peius in diesen Fällen nicht gangbar59 ; ihr Lösungsansatz versagt mithin in gewissen Fällen sogar im Zivilprozeß, auf den er in erster Linie zugeschnitten ist. cc) Die infolge dieser Bedenken aufsteigenden Zweifel an der Richtigkeit der herrschenden Meinung verdichten sich weiter, wenn es um das Vorhandensein eines derartigen Rechtsmittelantrags geht, der nach den Darlegungen Fenns durch seinen konkreten Inhalt erst die Unmöglichkeit einer reformatio in peius bewirken soll und folglich für diese Konstruktion unverzichtbar ist. Ein bestimmter Rechtsmittelantrag muß dementgegen nicht immer gestellt werden, insbesondere nicht bei dem Rechtsmittel der Beschwerde im Zivilprozeß wie auch dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit60. Trotzdem wendet die allgemeine Meinung mit Recht das Ver67 Vgl. nur Baumbach I Hartmann § 308 Anm. 1 A; Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 B. 58 Der Kläger kann bei einer Aufrechnung des Beklagten nicht einmal ein Vorbehaltsurteil bindend beantragen, vielmehr liegt dies im freien Ermessen des Gerichts; vgl. Baumbach I Hartmann § 302 Anm. 3 A; StJ I Schumann I Leipold § 302 Anm. II 4; BGH LM Nr. 7 zu § 302 ZPO (LS). Für die Möglichkeit einer Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Elemente der Entscheidung durch besondere "Beschränkungserklärung" indessen Grunsky ZZP 88 (1975), 60 ff. m. w. N. 68 Vgl. auch Gilles S. 95 a . E., der hier offenbar ebenfalls davon ausgeht, daß die in der Änderung von Entscheidungsgründen möglicherweise liegenden Vor- und Nachteile von der "Dispositionsmaxime nach §§ 536, 559" nicht erfaßt werden können. ao Vgl. für den Zivilprozeß: Blomeyer § 105 I 3 a. E. (S. 588); Baumbach I Hartmann § 569 Anm. 2 C; Rosenberg I Schwab § 149 I 2 (S. 812); Schultzen-
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bot der reformatio in peius auch auf die zivilprozessuale Beschwerde an81, und auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit stimmen die divergierenden Auffassungen zum Verbot der reformatio in peius heute immerhin insofern überein, als sie dieses zum mindesten für die echten Streitverfahren grundsätzlich anerkennen62 • Seine Geltung wird indessen hier wie dort nicht von der Stellung eines bestimmten Beschwerdeantrags im Einzelfall abhängig gemacht83. Ist es aber möglich, bei der Beschwerde auf einen Rechtsmittelantrag zur Begründung des Verbots der reformatio in peius zu verzichten, dann müßte derselbe Weg auch in allen anderen Fällen offenstehen, mithin wären die Anträge letzten Endes insgesamt entbehrlich. Infolgedessen dürfte die Ursache des Verbots der reformatio in peius dann an anderer Stelle zu suchen sein. Um dieser Konsequenz zu entgehen, wurde verschiedentlich versucht, im Beschwerdeverfahren dennoch etwas den Rechtsmittelanträgen Ähnliches nachzuweisen. a) So will Schultzenstein bei der Beschwerde statt auf die Rechtsmittelanträge auf das Begehren des Beschwerdeführers abstellen: Nur soweit dieses reiche, dürfe die angefochtene Entscheidung vom Beschwerdegericht abgeändert werden64 • Das Begehren ist allerdings viel unbestimmter als ein Rechtsmittelantrag; es dennoch so auszulegen, daß der Beschwerdeführer hiermit selbst eine Teilung der Entscheidung in "Zugesprochenes" und "Aberkanntes" im Sinne F .e nns vornehmen wollte, hieße, eine Fiktion zu Hilfe zu nehmen.
ß) Nichts anderes gilt im Ergebnis von der Überlegung Fenns selbst, der davon ausgeht, daß sich der Beschwerdeführer wie jeder (!) andere Rechtsmittelkläger gegen eine Entscheidung wende und ihre Aufhebung begehre, soweit sie zu seinen Ungunsten ergangen sei, und hieraus einen "Antrag" des Beschwerdeführers auf "Beseitigung der ihm zugefügten Rechtsbeeinträchtigung" folgern möchte65• Ein derartiger "Antrag" besagt nicht mehr als das von Schultzenstein herangezogene Begehren; mit ihm wird keine Willensäußerung des stein ZZP 31, 2; StJ I Grunsky § 569 Anm. li 2; RGZ 152, 319; für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Habscheid § 33 I 3; Jansen § 21 Rdnr. 7, § 23 Rdnr. 3; KeidetiWinkter § 21 Rdnr. 6, § 23 Rdnr. 1; Schtegetberger § 21 Rdnr. 4, § 23 Rdnr. 4; KG JW 1926, 2582 Nr. 5; NJW 1954, 1410. Das räumt auch Fenn selbst ein (S. 208). 81 Vgl. unten § 9 A I 1 b mit Fn. 4. n Unten § 9 D 1. 83 Vgl. aber Rosenberg I Schwab § 149 V 2 (S. 817) mit ausdrücklichem
Hinweis auf den gestellten Antrag. 84 In ZZP 31, 3; ebenso Haehnet S. 15. 85 Fenn S. 208; vgl. auch ders. AcP 171, 554; ähnlich bereits Baur Lb. §29CI4.
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Beschwerdeführers wiedergegeben, sondern lediglich das Ziel seines Rechtsmittels umrissen. Damit nähert sich Fenn sogar der abweichenden Ansicht, das Verbot der reformatio in peius folge aus dem "Wesen des Rechtsmittels"66, zumal er sich auf den Willen eines jeden Rechtsmittelklägers beruft und somit offenbar das Verbot der reformatio in peius ausnahmslos mit dem Gebrauch aller Rechtsmittel in Verbindung bringt. y) Lieb schließlich räumt zwar ein, daß der Beschwerdeführer (in den Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) nicht die Grenzen der Entscheidung nach oben und unten bestimme67, worauf auch nach seiner Ansicht das Verbot der reformatio in peius beruhen soll88, er hält aber dessenungeachtet eine "sehr stark eingeschränkte Dispositionsmaxime" noch für ausreichend, nach der es dem Gericht verwehrt sei, vom Verfahrensgegenstand abzuweichen89• Letzteres soll sich wiederum, wie er an anderer Stelle ausführt, aus dem "Wesen eines jeden Rechtsmittelzuges" ergeben70• Damit ist freilich noch deutlicher als bei Fenn die Rechtfertigung des Verbots der reformatio in peius aus den Rechtsmittelanträgen verlassen und eine Hinwendung zu seiner Begründung aus dem "Wesen des Rechtsmittels" vollzogen. Daß im übrigen das Beschwerdegericht auch bei einer reformatio in peius noch nicht vom Verfahrensgegenstand abweichen würde, bedarf kaum einer Begründung. Alle Versuche, die im Beschwerdeverfahren entstehende Kluft zwischen der Herleitung des Verbots der reformatio in peius aus den Rechtsmittelanträgen und dem Fehlen eines solchen Antrags bei diesem Rechtsmittel zu überbrücken, müssen deshalb als gescheitert angesehen werden. Im Beschwerdeverfahren ist ein Verbot der reformatio in peius folglich durch die Bindungswirkung der Rechtsmittelanträge nicht zu erklären. dd) Endlich können ähnliche Schwierigkeiten sogar im Berufungsund Revisionsverfahren des Zivilprozesses entstehen. Die von Fenn vertretene Auslegung der Rechtsmittelanträge ist hier kaum weniger als der behauptete "Antrag auf Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung" oder eine entsprechende Interpretation des "Begehrens" bei der Beschwerde eine reine Fiktion. Eine Auslegung, die stets oder doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich wird und den Par66
61 88
Hierzu unten§ 7 I. Lieb S. 49. Lieb S. 48.
Lieb S. 49. 10 Lieb S. 47; im übrigen stellt er wie Fenn (Fenn S. 62 ff.; s. oben § 6 li 2 b) auf das Recht zur Einlegung und Rücknahme der Beschwerde ab 69
(S. 45 f.).
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teiwillen abstrakt aus den beteiligten Interessen entnehmen will, ohne den Versuch zu machen, ihn aus den Umständen des konkreten Einzelfalles nachzuweisen, ist eher eine U:nterstellung als die Auslegung einer bestimmten Erklärung. Im Ergebnis hebt die herrschende Meinung somit nicht auf den tatsächlichen Parteiwillen ab, sondern sieht das Verbot der reformatio in peius bereits deshalb als bestehend an, weil der Rechtsmittelkläger die bloße Möglichkeit hatte, durch seinen - im Sinne Fenns gefaßten Antrag eine reformatio in peius zu verhindern. Daß die Verfügungsbefugnis allein jedoch keine ausreichende Erklärung des Verbots der reformatio in peius darstellen kann, wurde schon oben aufgezeigt71 • ee) Der herrschenden Meinung gelingt es demnach nicht, ihren Standpunkt, das Verbot der reformatio in peius folge aus den Anträgen des Rechtsmittelklägers, überzeugend zu rechtfertigen. Einerseits ist eine Ableitung des Verbots aus den konkret gestellten Anträgen, die wegen des vorausgesetzten Zusammenhangs mit der Dispositionsmaxime allein folgerichtig wäre, nicht möglich, weshalb die herrschende Meinung teils ihre Zuflucht zu Fiktionen nimmt, teils diese Schwierigkeiten ganz übergeht, und andererseits läßt sich eine Bindung des Gerichts auch nicht lediglich auf die - potentielle - Verfügungsgewalt des Rechtsmittelklägers stützen. Aus diesem Grunde kann der herrschenden Meinung nicht gefolgt werden. Es kommt hinzu, daß mit dieser Anschauung die gegenüber dem Strafprozeßrecht bestehende Diskrepanz in der Deutung des Verbots nicht überwunden werden könnte, obwohl dies angesichts der gemeinsamen geschichtlichen Entwicklung und dem übereinstimmenden Ziel des Instituts in beiden Verfahrensrechten zumindest wünschenswert wäre. Infolgedessen muß auch das Parteihandeln insgesamt als Ursache des Verbots der reformatio in peius ausscheiden. § 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
Es fragt sich also, ob das Verbot der reformatio in peius nicht schon kraft Gesetzes zum Inhalt aller oder bestimmter einzelner Rechtsbehelfe gehört, ohne daß dafür weitere Parteihandlungen erforderlich wären und ohne daß es insoweit auf die Vorstellungen der Parteien überhaupt ankäme, ähnlich wie auch die meisten anderen Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren unabhängig vom Parteiwillen anzuwenden sind. Dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius wäre dann allein die positive gesetzliche Bestimmung oder der Rechtsbehelf selbst, 71
Oben 1 b.
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§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
seine Anlage, die nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht nur ein auf anderen Gründen beruhendes Verbot der reformatio in peius zuließe, sondern dieses bereits selbst entweder immer, d. h. "wesensmäßig", oder im Einzelfalle enthielte. Eine solche Lösung würde nicht nur die unbefriedigende und auch unzureichende Fiktion einer auf das Verbot der reformatio in peius gerichteten Parteierklärung überflüssig machen, sondern sie könnte möglicherweise auch das Verbot der reformatio in peius im Strafprozeß umfassen und dadurch zu einer im dogmatischen Ansatz übereinstimmenden Deutung der Verbotsursache in allen Verfahrensgesetzen führen. I. Das "Wesen" des Rechtsmittels
Angesichts ihrer viele Schwierigkeiten ausräumenden Eleganz hat schon Schultzenstein der Auffassung, das Verbot der reformatio in peius folge aus dem "Wesen des Rechtsmittels" 1, die auch bei Fenn und Lieb trotz ihrer grundsätzlichen Bezugnahme auf die Dispositionsmaxime anklingt2, zugestanden, sie habe- freilich nur auf den ersten Blick- etwas Bestechendes an sich3 • In der Tat sind auf ihrer Grundlage die Probleme, die beim Schweigen des Gesetzes zur Geltung des Verbots der reformatio in peius entstehen und die heute vor allem in der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Verwaltungsvorverfahren noch zu heftigen Kontroversen führen', verblüffend einfach zu lösen: Das Verbot der reformatio in peius müßte immer, und so auch in diesen beiden Fällen, gelten.
1. Die Ausnahmslosigkeit des Wesens Gerade diese Eleganz in der Beweisführung birgt aber selbst den Keim zu ihrer Widerlegung in sich. Auch darauf hat Schultzenstein 1 So für den Zivilprozeß: Dietz I Nikisch § 91 Rdnr. 8; Haehnet S. 2 ff., 17 f., (vgl. aber auch S. 14 ff.); Reincke I Wienstein § 536 Anm. II; Weismann § 97 II 2; PrOTrE 3, 284, 291; PrOTr StriethorstA 80 Nr. 6 S. 21, 22; vgl. auch Wach Vorträge S. 249; für den Strafprozeß: Bennecke I Beling S. 443 Fn. 32; Hepp ZDStrVerf 2, 304; Mercket GS 5 I, 471, 472; Schwarze GS 14, 301; vgl. auch v. Lilienthai S. 316; für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Josef ZZP 33, 521, 524; Schlegetberger § 25 Rdnr. 12; für das verwaltungsgerichtliche Verfahren: Dünketsbühler JW 1919, 339; Friedrichs VwA 6, 425 Fn. 18; Fuisting VwA 4, 297, 302; Jacobi PrVwBl 31, 155; Jesch DOV 1955, 392 Fn. 15 (für den Regelfall); PrOVGSt 2, 70, 72; zum verwaltungsbehördlichen Verfahren: Forsthoff 8. Aufl. S. 485, 498 (in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten); Herrnritt S. 494; Hufnaget DVBl 1950, 205; Klinger § 73 Anm. B 4; Menger VwA 54, 200; Ringe DVBI 57, 676 f.; Schiedermair DVBI 1961, 359; Schroeder- Printzen SGb 1966, 393. 2 FennS. 208; LiebS. 47, 49; vgl. oben§ 6 II 2 b cc (~, y). 3 Schuttzenstein ZZP 31, 29; ebenso mit fast denselben Worten Freitag Diss. S. 51; ders. VwA 56, 321. 4 Vgl. unten § 9 D und E.
I. Das "Wesen" des Rechtsmittels
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bereits aufmerksam gemacht5 : Wenn das ,.Wesen" der Rechtsbehelfe eine reformatio in peius nicht zuließe, dürften auch keine Ausnahmen vom Verbot der reformatio in peius möglich sein; denn ihr Wesen müßte, wollte man nicht durch die andernfalls erforderlichen Düferenzierungen gerade den Vorteil der einfachen Lösung wieder aufgeben, überall gleich sein. Demgegenüber kannte und kennt die Rechtsordnung jedoch Rechtsmittel und andere Rechtsbehelfe, die ausdrückliche Vorschriften über die Zulässigkeit der reformatio in peius enthalten heute vor allem noch die Rechtsmittel des Strafprozesses, sofern sie von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt werden (§ 301 StP0)6 , der Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 411 Abs. 4 StPOF sowie der Einspruch nach der Abgabenordnung (§ 248 Abs. 1 S. 2 A0) 8 • Daraus folgt zwingend, daß das Verbot der reformatio in peius nicht bereits wesensmäßiger Inhalt der Rechtsmittel' sein kann10•
s In ZZP 31, 30; so auch Freitag Diss. S. 53; ders. VwA 56, 322. s Wegen der formalen Parteistellung der Staatsanwaltschaft kommt auch
eine reformatio in peius ihr gegenüber in Betracht; ob dies zugleich inhaltlich eine ,.reformatio in peius" oder materiell eine ,.reformatio in melius" bedeutet, weil die Staatsanwaltschaft lediglich objektiv das Recht zu wahren hat, muß demgegenüber unberücksichtigt bleiben. A. M. - begrifflich keine reformatio in peius - etwa E. Fischer S. 6; Haas S. 25; Kleinfetter GS 38, 580, 581; H. Seuffert S. 13; vgl. auch Magen S. 23. Gegen eine derartige Vorwegnahme des Ergebnisses schon mit der Begriffsbestimmung s. oben § 1 II 2; wie hier Bernoulli S. 27; ähnlich Loos AllgDtStRZ 10 (1870) Sp. 465; Schwarze GS 14, 290 ff. Dieselbe Frage stellt sich bei einem durch eine Verwaltungsbehörde eingelegten Rechtsbehelf. Hier wollen Früh SchwJZ 43, 136 und RFH JW 1925, 402, 403 aus ähnlichen Gründen eine reformatio in peius zulassen; anders mit Recht nunmehr BFHE 110, 229 ff. 7 Dazu unten § 9 B I 3. s Unten § 9 E III 1. Vgl. weiter §§ 337 Abs. 2 LAG, 38 Abs. 1 S. 2 SUG, 21 Abs. 2 KgfEG. Zum früheren Rechtszustand s. v. Boecklin S. 107 ff.; Freitag S. 33 ff.; Jesch DÖV 1955, 391; Magen S. 24 ff.; Schultzenstein ZZP 31, 23 ff.; Zimmermann Rpfleger 1959, 252. 9 Zimmermann Rpfleger 1959, 254 versteht offenbar den Hinweis auf das ,.Wesen des Rechtsmittels" so, als sei damit ein Rechtsmittel i. e. S. gemeint, und wendet deswegen ein, bei den gesetzlichen Ausnahmen müsse es sich folglich um bloße Rechtsbehelfe handeln; in diesem Sinne auch Freitag Diss. S. 53 f.; ders. VwA 56, 322 ("keine wirklichen Rechtsbehelfe"). Freilich bleibt dieses Argument im rein Begrifflichen stecken, und überdies dürfte hier der Begriff "Rechtsmittel" zumeist im weiteren Sinne gebraucht werden, so daß die angegriffene Ansicht diesem Einwand gar nicht ausgesetzt wäre. 10 Ebenso v. Boecklin S. 93; Fink S. 25; Freitag Diss. S. 51 ff.; ders. VwA 56, 321 ff.; Laubinger JA 1970, 547 (ÖR S. 161); Schlayer ZStW 23, 725 Fn. 42; Schultzenstein ZZP 31, 30 ff.; H. Seuffert S. 21; Unger ZZP 41, 147 Fn. 5; Zimmermann Rpfleger 1959, 254 ff.; a. A.: Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 15, der aus der Natur des Rechtsmittels offenbar eine Vermutung für das Verbot entnehmen will, die durch das Gesetz ausdrücklich widerlegt werden müßte. Das "Wesen" kann indessen nicht lediglich für die Normalfälle gelten, sondern fordert ausschließliche Verbindlichkeit.
60
§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
Auch im übrigen sind die für diese Auffassung vorgetragenen Argumente - häufig fehlt freilich eine nähere Begründung11 - nicht stichhaltig. 2. Das Rechtsschutzziel des Rechtsmittels
Wohl im Vordergrund steht dabei der Gedanke, die Rechtsmittel dienten allein den Interessen oder dem Rechtsschutz des Rechtsmittelklägers und könnten ihm aus diesem Grunde keinen Nachteil bringen12• Diese Folgerung beruht auf einer petitio principii13• Selbst mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit des Rechtsmittels vom Willen des Rechtsmittelklägers14, die auch Fenn zum Nachweis der Bindung des Gerichts an die Rechtsmittelanträge und damit letztlich ebenfalls zur Rechtfertigung des Verbots der reformatio in peius ins Feld führt15, läßt sich lediglich begründen, daß der Rechtsschutz des Rechtsmittelklägers eines der vom Gesetz mit der Bereitstellung von Rechtsmitteln verfolgten Ziele ist- andernfalls wäre der Rechtsmittelkläger bloßes Werkzeug staatlichen Interesses und stattdessen eher eine "cassation en seul interet de la loi" angebracht16 - , nicht jedoch, daß hierin ihr einziger oder doch vorrangiger Zweck bestehen müßte17• Rechtsmittel dienen, auch wenn ihr Gebrauch allein in der Hand der Parteien liegt, zugleich dem öffentlichen Interesse an einer "richtigen", d. h. auch dem materiellen Recht entsprechenden Entscheidung der 11 So etwa bei Dünkelsbühler JW 1919, 339; Friedrichs VwA 6, 425 Fn. 18; Hepp ZDStrVerf 2, 304; Jacobi PrVwBl 31, 155; Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 15; Klinger § 73 Anm. B 3 e; Reincke I Wienstein § 536 Anm. II; Schiedermair
DVBl 1961, 359; PrOTrE 3, 284, 288; PrOTr StriethorstA 80 Nr. 6, S. 21, 22; PrOVGSt 2, 70, 72. u Forsthoff 8. Aufl. S. 485; Haehnel S. 3; Jacobi VwA 5, 386; Lueder GS 17, 477; Merckel GS 5 I, 468, 472; SchlegelbergeT § 25 Rdnr. 12; Schwarze GS 14, 301; Weismann § 97 II 2; KG Recht 1915 Nr. 2344; vgl. auch Gutes S. 62 Fn. 120, S. 75; insbesondere zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und zu den verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfen: Fromer SchwJZ 41, 136; Früh SchwJZ 43, 134, 135; Hufnagel DVBl 1950, 205; Menger VwA 54, 200; Menger I Erichsen VwA 57, 285; dies. VwA 60, 381; Naumann JZ 1953, 101; Ricci S. 91, 93; Ringe DVBl 57, 677; A. Schmid SchwJZ 43, 140; Ziemer HWStR II S. 1167; BFH BStB11971 II, 404, 405. 18 Schultzenstein ZZP 31, 31; ebenso Ricci S. 101. Hingegen ist sie deshalb noch nicht ein "reines Argument der Rechtspolitik" (Lieb S. 16). Hier dürfte eine Verwechselung mit der unten 3 erörterten weiteren Begründung, der Rechtsmittelkläger dürfe nicht der Gefahr einer Verschlechterung ausgesetzt werden, vorliegen. 14 Früh SchwJZ 43, 134; v. Lilienthal S. 316; vgl. auch Gilles S. 75, 79 f.; Kleinteller GS 38, 588, 590. 11 FennS. 62 f.; hiergegen schon oben§ 6 II 2 b aa. u Vgl. Mes S. 77. 17 Ähnlich Freitag Diss. S. 52 f.; ders. VwA 56, 321 f.; Schultzenstein ZZP 31, 31 ff.; Zimmermann Rpfleger 1959, 254 f.
I. Das"Wesen" des Rechtsmittels
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Gerichte1s. Ein derartiges Interesse der Allgemeinheit besteht- wenn auch in geringerem Maße - selbst dann, wenn von der Entscheidung im wesentlichen nur private Belange der Parteien berührt werden, da auch in diesen Fällen die Verbindlichkeit der staatlichen Rechtsordnung und das Vertrauen des Bürgers in die Rechtspflege in Frage stehen. Überläßt es das Gesetz nun gleichwohl den Parteien, ob sie die Entscheidung angreifen und somit eine Korrekturmöglichkeit schaffen wollen, dann mag das öffentliche Interesse an einer Verwirklichung des materiellen Rechts in der Regel geringer zu bewerten sein als der Rechtsschutz der Partei, denknotwendig ist dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber kann u. U. aus Gründen der Praktikabilität19 von einer Anfechtung von Amts wegen absehen und dennoch bei einem Rechtsmittel seitens der Parteien nunmehr seinen eigenen, den Interessen dieser Partei entgegenlaufenden Zielen den Vorrang einräumen. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden20 und geschieht in praxi eben durch die Zulassung der reformatio in peius, entweder wegen des überwiegenden öffentlichen Interessesam Verfahrensgegenstand21 oder zum Schutze eines anderen Beteiligten22 • Infolgedessen geht ein etwaiger Vorrang des Rechtsschutzzieles erst aus der gesetzlichen Regelung des einzelnen Rechtsmittels hervor; aus dem allen Rechtsbehelfen gemeinsamen "Wesen" des Rechtsmittels kann er nicht entnommen werden2 s.
3. Das Schutzbedürfnis des Rechtsmittelklägers Ebenfalls auf das- für berechtigt erachtete- Schutzbedürfnis des Anfechtenden beruft man sich mit der Forderung, der Rechtsmittelkläger dürfe am Gebrauch des Rechtsmittels nicht durch die Besorgnis 1& Vgl. dazu etwa Baur Lb. § 27 A; Blomeyer § 95 II (S. 508); Zimmermann Rpfleger 1959, 254; weitergehend wollen nur ein staatliches Interesse anerkennen: Norden ZStW 29, 784; Pabst S. 45. Zum doppelten Zweck des Zivilprozesses (Bewährung der objektiven Rechtsordnung und zugleich Rechtsschutz für den Bürger) vgl. Gaul Grundlagen S. 52 f. (insbes. S. 52 Fn. 18); ders. AcP 168, 27 ff., 46 ff.; und neuestens Gilles S. 237 ff.; jeweils m. w. N. 1e Zimmermann Rpfleger 1959, 254. !o Oben§ 4 I. !1 Ebenso wohl Lieb S. 82 für das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung; vgl. auch § 80 des früheren süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetzes. u Aus dem letzten Grund wurde etwa in der Gesetzgebung Justinians die reformatio in peius erlaubt; vgl. oben§ 2 II 2 a. u Vgl. Fink S. 25; Freitag Diss. S. 52 ff.; ders. VwA 56, 321 ff.; Gerber S. 83 ff.; Magen S. 28; Norden ZStW 29, 784; Pabst S. 45; W. Schmidt JR 1950, 196; Schultzenstein ZZP 31, 31 ff.; Zimmermann Rpfleger 1959, 254 f. Insbesondere zum Widerspruchsverfahren nach der VwGO vgl. unten § 9 E I 3 mit Fn. 29.
62
§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
eins noch größeren Nachteils gehindert werden24• Dabei handelt es sich indessen weniger um ein dogmatisches als um ein rechtspolitisches Argument26, das zudem durch das regelmäßig bestehende Anschlußrecht des Gegners28 entkräftet wird. Denn selbst ein Verbot der reformatio in peius beseitigt die Gefahr einer Verschlechterung nicht vollständig, weil der Rechtsmittelbeklagte dessen Schutz durch seinen Anschluß aufzuheben vermag27.
4. Die Bewertung des Rechtsmittels als Klage Auf einem ganz anderen Gedankengang beruht die Argumentation
Sartorius' und ihm folgend Reimers. Sie begreifen das Rechtsmittel-
verfahren als neue Klage; da deren Grundsätze folglich analog gelten müßten, könne - wie in erster Instanz der Kläger - der Rechtsmittelkläger allenfalls abgewiesen, nicht jedoch "verurteilt", also schlechter gestellt werden2s. a) Als Streitgegenstand dieses neuen Rechtsstreites sieht Sartorius die "angebliche Ungerechtigkeit der ersten Entscheidung" an29, während Reimer glaubt, hierfür auf den sog. Rechtsschutzanspruch zurückgreifen zu können: Das Rechtsmittelgericht habe zu entscheiden, ob der Kläger gegen das vorinstanzliehe Gericht einen Rechtsschutzanspruch habe; das erste Gericht werde bei dem höheren verklagt, wenngleich es nicht deutlich als Beklagter auftrete - z. B. werde das vorige Urteil verlesen (§ 324 Abs. 1 S. 2 StPO) - , und es werde nur deshalb nicht verurteilt, weil es unabhängig sei und außerdem das höhere Gericht selbst die Stellung eines Schuldners habe30•
Reimers Ansicht ist indessen eine kaum vertretbare Konstruktion. Selbst wenn man Rechtsschutzanspruch und Streitgegenstand des Prozesses identifizieren wollte31, widerspräche die Vorstellung, daß das eine Gericht bei dem anderen verklagt werde und in diesem Prozeß durch die Verlesung seines Urteils (§ 324 Abs. 1 S. 2 StPO) oder durch 24 Klinger § 73 Anm. B 4; Mercket GS 5 I, 471; Schroeder- Printzen SGb 1966, 393; wohl auch Haehnet S. 3. 25 Ebenso Freitag Diss. S. 71 ff.; ders. VwA 56, 329 f.; vgl. Lieb S. 74; abl. ferner BVerwGE 14, 175, 180. Vgl. auch oben§ 2 II 1 bei Fn. 8. zs S. unten § 8 Fn. 26. 21 Dazu unten § 12 II 1 b. 28 Sartorius AcP 31, 345 f.; Reimer S . 100 ff.; vgl. auch StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 und schon GönnerS. 179 f. sowie neuerdings OLG Köln NJW 1967, 114. Hiergegen insbesondere Schuttzenstein ZZP 31, 30 f.; desgleichen v. Kries S.146. 28 In AcP 31, 346. ao Reimer S. 101 f. 31 Dazu umfassend und mit Recht ablehnend neuestens Herbst S. 278 ff., 316 f., 466 ff.; ebenso Mes S. 127 ff.
I. Das "Wesen" des Rechtsmittels
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dessen Vortrag seitens einer Partei (§ 526 Abs. 1 ZPO) gleichsam "vertreten" werde, dem gesamten Aufbau nicht nur des Zivilprozesses etwa mit seiner Kostenpflicht für den unterlegenen Rechtsmittelbeklagten (als "Prozeßstandschafter" des "an sich" beklagten Gerichts?) - sondern auch des Strafprozesses. Die von Reimer als Beleg angeführte Vorschrift(§ 324 Abs. 1 S. 2 StPO) verfolgt lediglich den Zweck, das Berufungsgericht über den Sach- und Streitstand zu unterrichten. b) Die Auffassung Sartorius' hingegen, Streitgegenstand sei die behauptete Ungerechtigkeit des Urteils, verdient schon deshalb größere Beachtung, weil sie neuestens von Gilles mit eingehender Begründung wieder aufgegriffen worden ist. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung, die - entsprechend ihrem grundsätzlichen Verständnis des Rechtsmittelverfahrens als "Verfahrensfortsetzung"32 - den Streitgegenstand des Rechtsmittelverfahrens mit dem der ersten Instanz identifiziert33, faßt Gilles das Rechtsmittel als "Anfechtungsmittel" gegen die ergangene Entscheidung34, als prozessuale Gestaltungsklage35 auf und definiert dessen Streitgegenstand (Rechtsmittelgegenstand) als "Begehren . . . nach Aufhebung einer bestimmten richterlichen Entscheidung"36• Aufgabe des Rechtsmittelgerichts sei zunächst "die Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung"37 mit dem möglichen Ergebnis eines kassatorischen Urteils; damit sei das eigentliche Rechtsmittelverfahren beendet, und die anschließende Entscheidung in der Sache selbst ergehe in einem hiervon zu trennenden "Wiederaufnahmeverfahren" 38• Die Kassation aber, deren Umfang notwendig den Rahmen für die folgende sachliche Neuentscheidung des Gerichts abstecke39, dürfe die Rechtsposition des Rechtsmittelklägers aus zwei Gründen nicht verschlechtern: Einerseits könne es zu einer Aufhebung nur kommen, soweit der Rechtsmittelkläger dies begehre (§§ 536, 559, Dispositionsgrundsatz), und andererseits erfolge eine Aufhebung nur insoweit, als die angefochtene Entscheidung diesen quantitativ beschwere und sich als unrichtig darstelle. Daher riskiere der Rechtsmittelkläger schlimm32
So der Terminus bei Gilles S. 7 und öfter; kritisch hierzu Arens AcP
173, 474, nach dessen Auffassung die h. M. den Rechtsmitteln eher eine Art
Doppelnatur zuerkennt. 38 Vgl. statt aller Rosenberg I Schwab § 140 II 1 (S. 757) und § 146 II 1 (S. 795); weitere Nachweise bei Gilles S. 8 Fn. 59. 34 Gilles S. 28 ff. und passim. 35 Gilles S. 49. Gilles Gilles ss Gilles 39 Gilles 38
37
S. 37.
S. 34; vgl. auch FennS. 207. S. 91 ff., 102 ff., 106. S. 94 f.
§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
stenfalls die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung; zu einer Verschlechterung durch eine in größerem quantitativen Umfang beschwerende Entscheidung könne es nicht kommen. Deswegen werde auch das Verbot der reformatio in peius als besonderes Rechtsmittelproblem nur dann akut, wenn man die Vor- und Nachteile einer Entscheidung auch an Hand der Entscheidungsgründe messe40•
Gilles faßt also sein Ergebnis zwar nicht wie Sartorius als Begründung für das Institut "Verbot der reformatio in peius" auf, er kommt aber der Sache nach zu weitgehend denselben Schlußfolgerungen41 • Auch nach seiner Meinung soll eine reformatio in peius letztlich deshalb unmöglich sein, weil das Rechtsmittelgericht wegen der Klagenatur des Rechtsmittels auf die Richtigkeitsprüfung der vorinstanzliehen Entscheidung - verstanden als Prüfung der "Beschwer"42 - beschränkt sei. Es ist an dieser Stelle weder möglich noch notwendig, zu der von Gilles befürworteten grundsätzlichen Beurteilung des Rechtsmittels als "Anfechtungsmittel" Stellung zu nehmen43• Auch wenn man das Rechtsmittel mit Gilles als prozessuale Gestaltungsklage ansehen wollte und das Rechtsmittelgericht deswegen allein die Richtigkeit der vorinstanzliehen Entscheidung zu prüfen hätte, folgt daraus nicht notwendig, daß dies nur im Rahmen der Beschwer geschehen könnte. Unrichtig ist ein Urteil nicht nur dann, wenn es den Rechtsmittelkläger beschwert, sondern auch dann, wenn sich die Rechtsverletzung noch zu seinen Gunsten ausgewirkt hat"; in beiden Fällen wäre bei einer reinen Richtigkeitsprüfung das Urteil folglich aufzuheben". MitGilles S. 95, auch schon S. 67 Fn. 138. Auch aus einem anderen Grunde ist die Abweichung mehr terminologischer Art. Soweit das Verbot der reformatio in peius bisher als notwendige Folge eines anderen prozessualen Grundsatzes angesehen wurde - insbesondere also als Ergebnis bzw. Bestandteil der Dispositionsmaxime -, hätte sich in Konsequenz dieser Auffassung ebenfalls ein besonderes Institut erübrigt, falls man nicht- widersprüchlich- den Umfang des Verbots auch auf andere, hiermit nicht zu erklärende Fälle erstrecken wollte (so in der Tat die h. M., vgl. unten § 10 I 2 b). Insofern zieht Gilles lediglich einen Schluß, zu dem auch die Vertreter der Dispositionsmaxime hätten kommen müssen; ein grundsätzlicher - sachlicher - Unterschied zu diesen besteht also nicht. " GiUes S. 67 mit Fn. 138. 43 Kritisch etwa Arens AcP 173, 473 ff.; Bettermann ZZP 88, 365 ff.; Ritter JZ 1975, 360 ff. " So führt auch GiUes selbst aus, die Entscheidung sei unrichtig, wenn sie von der hypothetischen neuen Entscheidung abweiche, sowie richtig, wenn sie damit übereinstimme (GiHes S. 61). Hierbei beschränkt er also mit Recht die "Unrichtigkeit" der Entscheidung nicht auf eine Rechtsverletzung gegenüber dem Rechtsmittelkläger. 45 So auch A. C. J. Schmid ZZRuP 4, 28. 40
41
II. Die Regelung des Gesetzes im Einzelfall
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hin kann es auch nicht die Natur des Rechtsmittels als Anfechtungsmittel sein, die wegen der Prüfung der Richtigkeit zur Unzulässigkeit einer reformatio in peius führt, sondern allenfalls seine Gleichstellung mit einer Klage; nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung begründet somit Gilles zufolge die beschränkte Aufhebbarkeit des Urteils, sondern ihre Ungerechtigkeit" gegenüber dem Rechtsmittelkläger. Der Vergleich oder die Identifizierung des Rechtsmittels mit einer Klage kann aber dieses Ergebnis ebensowenig erbringen. Auch bei einer Klage ist die reformatio in peius nicht schon "wesensmäßig" ausgeschlossen, wie sich allein aus ihrer früheren teilweisen Zulassung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - auch erster Instanz - ergibt47, und ferner war etwa bei der von Gilles selbst als "prozessuale Gestaltungsklage" verstandenen gemeinrechtlichen Appellation48 zumindest ursprünglich ebenfalls die reformatio in peius zulässig''· Damit steht aber fest, daß weder eine etwaige Gleichartigkeit des Rechtsmittels mit der Klage noch sein sonst irgendwie geartetes "Wesen" ein Verbot der reformatio in peius begründen können. II. Die Regelung des Gesetzes im Einzelfall
Zugleich wird mit dieser Erkenntnis jedoch auch der Weg frei für eine Überwindung der historisch bedingten Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten in der Erklärung des Verbots der reformatio in peius. Solange das Verbot ohne oder sogar gegen den Willen des Gesetzgebers durchgesetzt werden sollte, schien es erforderlich, zu seiner Begründung auf die schon anerkannten allgemeinen Prozeßgrundsätze abzustellen oder seine Notwendigkeit in das "Wesen" des Rechtsmittels hineinzudeuten10• So genauer Sartorius AcP 31, 346. n § 80 des süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetzes (ebenso § 66 VGGRhPf) gestattete eine reformatio in peius im öffentlichen Interesse, nicht nur für die Rechtsmittelinstanzen, sondern in erster Linie für das über die Anrechtungsklage zunächst entscheidende erstinstanzliehe Gericht; vgl. Eyermann I Fröhler VGG § 80 Anm. 1; Schunck I De Clerck VGG § 66 Anm. 3. 48 Gilles S. 220 mit S. 209 f., 211. u Vgl. oben § 2 II 2 a. 50 Bezeichnenderweise findet sich die Betonung der Dispositionsmaxime an Stelle einer bloßen Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften oder die Hervorhebung des "Wesens" vor allem bei den Autoren, die (außerdem) die Geltung des Verbots in Verfahren untersuchen, in denen das Gesetz lückenhaft war (so insbesondere im früheren Verwaltungsstreitverfahren) oder noch heute ist (Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Verwaltungsvorverfahren), so daß insofern eine ähnliche Lage wie im 19. Jh. für den Zivil- und Strafprozeß bestand und besteht. Vgl. etwa Fenn S. 62 ff. und S. 208; Lieb S. 23 ff. sowie oben § 6 Fn. 31 einerseits und § 6 Fn. 32, 33, § 1 Fn. 1 andererseits. 48
5 Kapsa
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§ 7 Der gesetzliche Inhalt des Rechtsbehelfs
Dieser geschichtliche Grund ist heute weitgehend entfallen. In den meisten Verfahrensgesetzen finden sich entweder ausdrückliche Vorschriften über das Verbot der reformatio in peius- so z. B. im Strafprozeßrecht (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPO) - oder Bestimmungen, die zumindest nach dem Willen des Gesetzgebers das Verbot der reformatio in peius begründen sollten, wie etwa § 536 und § 559 Abs. 1 ZPO für den Zivilprozeß51• Nichts hindert, das auf derartigen Normen beruhende Verbot der reformatio in peius dem Inhalt des Rechtsbehelfs selbst zuzurechnen und es gleich sonstigen Vorschriften über das Rechtsmittelverfahren als für das Rechtsmittelgericht kraft Gesetzes ohne weiteres verbindlich anzusehen. Der erste Schritt hierzu wurde in der Strafprozeßrechtslehre getan52, eine solche Interpretation ist aber auch im Zivilprozeßrecht trotz der abweichenden Auffassung des Gesetzgebers möglich, da sich die Antragskonstruktion des Gesetzes als untauglich erwies58 und allein der auf einen bestimmten Rechtszustand gerichtete Wille des Gesetzgebers, nicht jedoch seine dogmatischen Vorstellungen für die Auslegung maßgeblich sind. Damit soll freilich den Rechtsmittelanträgen nicht jede Bedeutung abgesprochen werden. Auf ihnen beruht nicht nur weiterhin das sog. "Verbot der reformatio in melius", d. h. ein Hinausgehen über die Anträge, das deswegen zu Unrecht mit dem Verbot der reformatio in peius auf eine Stufe gestelltwird54 -für die Grenzen einer günstigeren Entscheidung kommt im Gegensatz zu einer reformatio in peius, deren Vorhandensein an Hand des vorigen Urteils objektiv bestimmt werden kann, in der Tat nur der konkrete Parteiwille in Betracht - , sondern die Rechtsmittelanträge stellen auch, soweit sie in concreto gestellt werden, eine vom Verbot der reformatio in peius zu trennende zusätzliche Schranke für die Entscheidung des Gerichts dar55• Die §§ 536 und 559 Abs. 1 ZPO haben somit einen doppelten Inhalt: Einerseits schaffen sie die Möglichkeit, durch eine beschränkte Anfechtung die Entscheidungsfreiheit des Gerichts gezielt einzuengen, und andererseits enthalten sie - hiervon unabhängig - das Verbot der reformatio in peius, das innerhalb dieses Rahmens nunmehr kraft Gesetzes zu beachten ist. Vgl. oben§ 6 Fn. 34. S. oben § 2 II 1 mit Fn. 8. &s Oben § 6 II 2 b. &4 So z. B. von Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 A; Rosenberg I Schwab § 141 II (S. 765). && Auch diese Beschränkung dürfte indessen nicht auf einen mangelnden Devolutiveffekt zurückzuführen sein; vgl. Gines S. 99 f. und oben § 3 II 1. &t
&z
li. Die Regelung des Gesetzes im Einzelfall
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Ob im Einzelfall ein Verbot der reformatio in peius besteht, ist somit nicht auf der Grundlage bestimmter Maximen, sondern einzig an Hand der allgemeinen Grundsätze über die Ermittlung und Anwendung des Rechts zu prüfen. Hierfür kommen neben den Vorschriften des Rechtsmittelverfahrens u. a. auch die Verhandlungs- und die Dispositionsmaxime in Betracht&&. Die Begründung des Verbots der reformatio in peius allein aus dem Inhalt des jeweiligen Rechtsbehelfs erfüllt nicht nur alle an die dogmatische Grundlage des Verbots zu stellenden Anforderungen, insbesondere die dogmatisch einheitliche Erklärung des Verbots in allen Verfahrensgesetzen, sondern sie ermöglicht außerdem auch eine unbelastete und flexible Bestimmung des Verbotsumfangs, die sich ohne Hemmnisse aus der Eigenart der angenommenen Ursache allein am Sinn und Zweck des V.erbots orientieren kann57•
61 Hierzu unten § 8; insbesondere zur Dispositions- und Verhandlungsmaxime § 8 I 2 und 4 b. 11 Dazu unten §§ 10 li, 11 f.
3. Abschnitt
Die gesetzliche Anerkennung des Verhots der reformatio in peius § 8 Formen einer gesetzlichen Anerkennung des Verbots
Selten ist das Verbot der reformatio in peius im Gesetz so deutlich verankert wie etwa in den Bestimmungen der Strafprozeßordnung (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2). In allen anderen Fällen muß versucht werden, durch die allgemeinen Methoden der Rechtsgewinnung - Auslegung, gegebenenfalls Analogie oder Umkehrschluß-Gewißheit über seine Geltung zu erlangen. Dabei ist von dem Gegensatzpaar: Sicherung der Parteiinteressen auf der einen und Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Gerichts auf der anderen Seite auszugehen. Da das Verbot der reformatio in peius den Schutz einer Partei bezweckt und hierzu die Entscheidungsgewalt des Rechtsmittelgerichts beschneidet, die freie Entscheidung des Gerichts aber hauptsächlich zur Durchsetzung des materiellen Rechts besteht1, wird man in der Regel um so eher ein Verbot der reformatio in peius annehmen dürfen, je mehr das Gesetz insgesamt das Parteiinteresse gegenüber der Freiheit des Gerichts bevorzugt, hingegen die Zulässigkeit der reformatio in peius vor allem dann bejahen müssen, wenn das Gesetz die Wahrung des materiellen Rechts grundsätzlich über das Einzelinteresse stellt. Im folgenden sollen die wichtigsten Kriterien untersucht werden, von denen eventuell eine Aussage über das Bestehen des Verbots erwartet werden kann; eine abschließende Aufzählung aller Möglichkeiten ist angesichts der Vielzahl der in Frage kommenden Umstände weder beabsichtigt noch möglich2 • I. Die Ordnung des Rechtsmittelverfahrens
1. AusdrückZiehe Vorschriften Zu den gesetzlichen Bestimmungen, die ausdrücklich und deswegen am eindeutigsten etwas über das Verbot der reformatio in peius aussa1 Im öffentlichen Interesse oder zum Schutze eines anderen Beteiligten; vgl. oben § 7 I 2 mit Fn. 21, 22. 2 Insbesondere sollen die Eigenarten des Verwaltungsverfahrens zunächst unberücksichtigt bleiben; hierzu unten§ 9 EI.
I. Die Ordnung des Rechtsmittelverfahrens
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gen, sind nicht nur solche wie § 331 Abs. 1 StPO zu rechnen ("Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, ... "), sondern z. B. auch noch § 411 Abs. 4 StPO, der seinem Wortlaut nach das Gericht von der Bindung an den im Strafbefehl enthaltenen Strafausspruch befreit und mit dieser augenfällig höheren Bewertung der Entscheidungsfreiheit des Gerichts im Sinne der obigen Unterscheidung zu erkennen gibt, daß die Interessen des Beschuldigten hier zurücktreten sollen und die reformatio in peius deshalb zulässig sein muß3 • Als ausdrückliche Normen über das Verbot der reformatio in peius können weiterhin jene gelten, die - wie etwa § 79 Abs. 3 OWiG4 - generell auf die Vorschriften eines anderen Verfahrens verweisen, in dem das Verbot kraft besonderer Gesetzesbestimmung gilt, und endlich auch ein etwaiges Gewohnheitsrecht'. 2. Die Bindung an die Rechtsmittelanträge
a) Ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit läßt sich auf den Willen des Gesetzes zum Verbot der reformatio in peius schließen, wenn eine Bindung des Gerichts an die Rechtsmittelanträge vorgeschrieben ist. Soweit nicht schon die Gesetzesmaterialien zu diesem Schluß nötigen', folgt dies aus der hierin liegenden förmlichen Bevorzugung der Parteiinteressen vor der Entscheidungsfreiheit des Gerichts. Wenn auch eine solche Fassung des Gesetzes es vordergründig lediglich in die Hand des Rechtsmittelklägers legt, durch seinen konkreten Antrag eine ungünstige Entscheidung soweit möglich zu verhindern, so kann es- wie gezeigt7- auf diese Formulierung jedoch letztlich nicht ankommen. Maßgebend ist allein die Wertung des Gesetzes, die dem Parteiinteresse hier den Vorrang einräumt, so daß das Gesetz damit gleichzeitig - a minore ad maius - ein schon kraft Gesetzes bestehendes Verbot der reformatio in peius anerkennt. Infolgedessen findet z. B. das Verbot der reformatio in peius im Zivilprozeß zwar nicht seine - wie die herrschende Meinung es sieht8 a Hierzu unten § 9 B I 3. c Dazu unten § 9 B II 2. 5 Eine gewohnheitsrechtliche Geltung des Verbots der reformatio in peius unterstellt Jesch DÖV 1955, 392 dann, falls nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt sei. Das ist indessen zweifelhaft, da das Verbot gerade in den gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fällen sehr umstritten war und ist - hauptsächlich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Verwaltungsvorverfahren (s. unten § 9 D 1 und E I) -, so daß es für diesen Satz an der erforderlichen allgemeinen Rechtsüberzeugung fehlen dürfte. e Vgl. zur ZPO und zur FGO oben§ 6 Fn. 34. 1 Oben§ 7 II. 8 Vgl. oben § 6 II, insbes. 2 b.
§8
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Formen einer gesetzlichen Anerkennung des Verbots
dogmatische, indessen doch seine gesetzliche Grundlage in der Tat in der mit den §§ 536, 559 Abs. 1 ZPO ausgesprochenen Antragsbindung.
b) Demgegenüber ist der Schluß auf die Zulässigkeit der reformatio in peius für den Fall, daß eine Bindung an die Rechtsmittelanträge vom Gesetz nicht vorgesehen ist', verfrüht1o. Ein derartiger Umkehrschluß wäre nur dann zulässig, wenn allein die Rechtsmittelanträge das Verbot der reformatio in peius entstehen ließen oder zumindest einziges Indiz für sein Bestehen wären. Beides trüft indessen nicht zu. 3. Die Prüfung der Beschwerdepunkte
Auch wenn das Gesetz das Rechtsmittelgericht allgemein lediglich auf die Prüfung der vom Rechtsmittelkläger vorgebrachten Beschwerden verweisen sollte, entschiede es sich grundsätzlich zugunsten der Parteibelange und damit zwar nicht notwendig11, jedoch im Zweüel für ein Verbot der reformatio in peius. Freilich dürfte dieses Kriterium kaum praktische Bedeutung erlangen, da eine derart umfassende Bindung im gegenwärtigen Recht nicht besteht. Demgegenüber will ein Teil der strafprozessualen Literatur eine Bindung des Gerichts an die Beschwerdegründe und infolgedessen den "begrifflichen" Ausschluß der reformatio in peius für alle sog. "echten Zweitinstanzverfahren" annehmen12, zu denen diese Autoren vor allem das Rechtsmittel der Revision im Strafprozeß rechnen, und als deren Kennzeichen offenbar die Notwendigkeit bestimmter Anträge und einer Rechtsmittelbegründung (vgl. § 344 StPO) gelten solJ13• Daß dieser Schluß nicht richtig sein kann, ergibt sich nicht nur deutlich aus § 559 Abs. 2 S. 1 ZPO, sondern auch im Strafverfahren darf das Revisionsgericht das Urteil in sachlicher Hinsicht uneingeschränkt überprüfen, sobald eine Sachrüge erhoben worden ist (vgl. § 352 Abs. 1 StP0)14• Nicht eine Charakterisierung des betreffenden Rechtsmittels als "echtes Zweitinstanzverfahren", sondern allein eine besondere gesetzliche Bestimmung könnte also die Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts auf die Beschwerdepunkte einengen und dadurch das ' Keidel JZ 1955, 709; BGHZ 18, 143, 145 f.; vgl. auch BFHE 86, 783, 784. 1o Ablehnend auch BayObLGZ 1965, 227, 231; 1970, 239, 240; OLG Hamm
NJW 1969, 886.
u Vgl. oben § 3 II 2. Binding S. 255; E. Fischer S. 54; Gerber S. 71; v. Kries S. 286; Norden ZStW 29, 785; W. Schmidt JR 1950, 197 f. 13 E. Fischer S. 55; Gerber S. 75. Anders nur, wenn die Revision in zulässiger Weise beschränkt ist; vgl. Kleinknecht § 352 Anm. 2 A; Löwe I Rosenberg I Meyer § 352 Anm. 5; Müller I Sax § 352 Anm. 3. 12
t•
I. Die Ordnung des Rechtsmittelverfahrens
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Verbot der reformatio in peius vermuten lassen; eine derartige Vorschrift enthalten die Gesetze indessen nicht. 4. Die Grundsätze der Tatsachenbeschaffung
a) Die Zulässigkeit neuen Verbringens Dementsprechend hat auch die Zulässigkeit neuen Tatsachenvortrags und neuer Beweiserhebung, die als Wesensmerkmal eines sog. "zweiten Erstverfahrens" der Bindung an die Beschwerdepunkte im "echten Zweitverfahren" gegenübergestellt wird und die eine reformatio in peius ermöglichen soll, weil die Entscheidung des Gerichts wegen der neuen Tatsachengrundlage jetzt Ausdruck seiner freien Überzeugung sein müsse16, keinen Aussagewert. Entscheidungsinhalt und Tatsachengrundlage des Urteils liegen wie bereits festgestellt16 - auf einer anderen Ebene und berühen einander unmittelbar nicht. Schon deswegen sind Vorschriften über die Tatsachenbeschaffung generell nicht geeignet, einen Hinweis auf Bestehen oder Nichtbestehen des Verbots der reformatio in peius zu geben. Hinzukommt, daß das Ziel eines jeden Rechtsmittelverfahrens eine neue, "bessere" Erkenntnis durch das Rechtsmittelgericht ist17, mag sich diese auf neue Tatsachenfeststellungen oder "nur" auf eine richtigere tatsächliche oder rechtliche Beurteilung schon vorgetragener Tatsachen gründen. Die Befugnis, neue Tatsachen in den Prozeß einzuführen, rechtfertigt also keine grundsätzlich andere Beurteilung - auch das Gesetz macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied und erkennt das Verbot gleichwohl auch im Berufungsverfahren des Zivil- und des Strafprozesses an18 - , sondern dieses Argument richtet sich mit seiner Betonung der freien Überzeugung des Gerichts letztlich gegen die innere Berechtigung des Verbotes überhaupt, gegen seine Richtigkeit aus rechtspolitischen Gesichtspunkten19. Diese müssen jedoch bei einer Untersuchung seiner Geltung de lege lata außer Betracht bleiben. 15 Binding S. 254 f.; E. Fischer S. 54; Gerber S. 71; Keber S. 84, 90; v. Kries S. 112 f.; H. Seuffert S. 20; W. Schmidt JR 1950, 197; Thode S. 46 f.
Oben§ 6 I. Grundlage des Rechtsmittelsystems ist die (unwiderlegliche) Vermutung, daß das Rechtsmittelgericht richtiger entscheiden werde; vgl. Brachvogel ZStW 13, 214; Fenn S. 64; Haehnel S. 3; Ricci S. 1; Schultzenstein VwA 11, 430; Walsmann S. 7; Zimmermann Rpfleger 1959, 254; a. A. wohl Heine Recht 7, 389; Hepp ZDStrVerf. 2, 315. Zweifel an der Güte einer obergerichtliehen Entscheidung äußern indessen Lieb S. 19; Reimer S. 45; Ricci S. 49 f., 108; Sartorius AcP 31, 341; Schwarze GS 9 I, 448; vgl. auch Grethlein S. 28; anders auch insoweit offenbar Schultzenstein ZZP 31, 31 f., 54. 1s S. unten § 9 A I 1 a und B I 1 a. 18
17
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§ 8 Formen einer gesetzlichen Anerkennung des Verbots
b) Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime Aus dem oben zunächst genannten Grund kommt den allgemeinen Vorschriften über die Verantwortung für die Beschaffung des Tatsachenmaterials noch weniger Beweiswert als der Zulässigkeit neuer Tatsachenfeststellungen zu. Auch wenn das Rechtsmittelgericht also kraft der Untersuchungsmaxime zu eigenen Tatsachenermittlungen befugt ist, ist damit weder notwendig noch im Zweifel eine Ermächtigung zur reformatio in peius verbunden20 ; Entsprechendes gilt umgekehrt von der Verhandlungsmaxime. 5. Die Möglichkeit einer Anschließung
a) Ein wiederum recht sicherer Schluß auf die Geltung des Verbots der reformatio in peius ist hingegen möglich, sofern das Gesetz den Anschluß an das Rechtsmittel ausdrücklich gestattet21• Das Anschlußrecht ist in aller Regel um des Verbots der reformatio in peius willen gegeben, seine Hauptbedeutung22 liegt gerade darin, daß es die Möglichkeit zur Beseitigung eines zugunsten des Rechtsmittelklägers bestehenden Verbots der reformatio in peius eröffnet, obgleich- bei der unselbständigen Anschließung - die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen ist; demgegenüber bilden Fälle, in denen Anschlußrecht und Zulässigkeit der reformatio in peius zugleich bestehen23, seltene Ausnahmen. 18 Die Mehrzahl der oben Fn. 15 Genannten spricht sich denn auch grundsätzlich gegen das Verbot aus; so E. Fischer S. 51 ff.; Keber S. 1 ff.; v. Kries S. 113, 286; W . Schmidt JR 1950, 196 ff.; Thode S. 46 ff. 20 Ebenso im Ergebnis: Dietz I Nikisch § 91 Rdnr. 14; Hepp ZDStrVerf. 2, 306 ff.; Jansen § 2.5 Rdnr. 9; Kirchner Mitt 1972, 160 (= NJW 1972, 2296); Lueder GS 17, 447 f.; Reimer S. 44 f.; Schwarze GS 9 I, 451; ders. GS 14, 284; Wolf S. 6; Zimmermann Rpfleger 1959, 256; BAG AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG; RVA AN 1908, 441, 442 f.; ähnlich auch Schroeder- Printzen SGb 1966, 395; a. A.: Bernoulli S. 50, 58; Freitag Diss. S. 69 ff.; ders. VwA 56, 328 f.; Gerber S. 82; Habscheid § 34 III 3; Lauckner S. 87; Pabst S. 51; Schultzenstein VwA 11, 424; Thode S. 61; Zellmann S. 30; vgl. auch Werner RdL 1949, 62; KG NJW 1969, 436 f. 21 v. Boecklin S. 40; Fenn S. 68 Fn. 18, S. 69, 83; Freitag Diss. S. 36 (vgl. aber auch S . 142 Fn. 34); Früh SchwJZ 43, 133; Haehnel S. 21 f.; Keidell Winkler § 19 Rdnr. 90; Jesch DÖV 1955, 391; Ricci S. 57; Schultzenstein VwA 11, 427; wohl auch KG OLGE 45, 260. 21 Vgl. Fenn S. 68 m. w. N.; kritisch Gilles S. 48 mit Fn. 67. Darüber hinaus hat der Anschluß grundsätzlich dieselbe Wirkung wie ein selbständiges Rechtsmittel, so daß etwa auch daraufhin - soweit zulässig - die Anträge geändert werden dürfen; vgl. z. B. Baumbach I Albers § 522 a Anm. 3 a. E.; Blomeyer § 100 I (S. 538); Rosenberg I Schwab § 139 V (S. 754); Thomas I Putzo § 521 Anm. 1 a; RGZ 110, 150, 152; RG JW 1899, 435 Nr. 14; BGH LM Nr. 2 zu§ 521 ZPO (LS); einschränkend StJ I Grunsky § 521 Anm. I 1. u So früher für die Rechtsbehelfe nach der RAO (§§ 243 Abs. 3, 247 a. F.); hierzu FennS. 84. Das hatte historische Gründe, da die RAO bis zum Jahre 1936 nur ein eingeschränktes Recht zur reformatio in peius kannte; vgl. Dernedde DVB11950, 655; Fenn S. 84.
I. Die Ordnung des Rechtsmittelverfahrens
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Infolgedessen setzt das Gesetz mit der Regelung der Anschließung grundsätzlich ein geltendes Verbot der reformatio in peius voraus und läßt damit seine Existenz mittelbar erkennen. b) Dagegen besagt das Fehlen einer den Anschluß ermöglichenden Vorschrift über das Verbot der reformatio in peius recht wenig; weder weist es auf seine Geltung hin24 noch zwingt es umgekehrt zu der Annahme, das Gesetz lasse in diesen Fällen eine reformatio in peius zu25 • Scheitert die erste Folgerung schon daran, daß im heutigen Rechtsoweit ausdrückliche Regelungen vorhanden sind- das Verbot der reformatio in peius regelmäßig mit dem Anschlußrecht des Gegners verknüpft ist26, so spricht dieser Umstand zwar für die zweite Überlegung, begründet insoweit aber nicht mehr als eine Vermutung, die nur zusammen mit anderen Umständen einen sicheren Schluß auf die Zulässigkeit der reformatio in peius erlauben würde. Zwingend wäre dieser Gedankengang nur, wenn er schon mit logischer Notwendigkeit zu diesem Ergebnis führen müßte. Als solch allgemeiner Grundsatz beruht er aber auf einer petitio principii. Eine derartige Folgerung würde voraussetzen, daß das Verbot der reformatio in peius sein unentbehrliches Gegenstück in dem Anschlußrecht des Gegners fände, weil das eine ohne das andere entweder nicht denkbar oder nicht tragbar wäre27 • Unterstellt man dies einmal als richtig, so eröffnen sich für den Fall, daß das Gesetz zu Verbot und Anschlußmöglichkeit schweigt - andernfalls würde sich die Frage nach dem Verbot der reformatio in peius nicht stellen oder wäre schon an Hand der oben angestellten Überlegungen zum Anschlußrecht zu beantworten-, indes zwei Alternativen: Es kann entweder ein Verbot der reformatio in peius und ein Anschlußrecht bestehen oder aber beides fehlen. Demzufolge wäre man bei einer lediglich die zweite Möglichkeit berücksichtigenden Annahme, in concreto sei die Anschließung unzulässig und deswegen könne hier auch das Verbot der reformatio in peius nicht gelten28, etwas Unhweisbares zugrundelegen. 2' Ebenso v. Boecktin S. 40 f.; vgl. hingegen RVA AN 1908, 441, 443 f., das aus einer fehlenden Anschlußmöglichkeit in jenem Verfahren einen weitergehenden Umfang des Verbots als im Zivilprozeß begründen wollte. 25 So aber BVerwGE 14, 175, 180 für das Widerspruchsverfahren der VwGO. 18 §§ 521, 556 ZPO; 127 VwGO (vgl. Eyermann I Fröhler § 141 Rdnr. 1); zum SGG siehe Peters I Sautter I Wolff § 151 Anm. 3; zur FGO vgl. Ziemer I Birkholz § 121 Rdnr. 14; BFHE 89, 337; anders heute nur im Strafprozeß, im Gegensatz zu einigen Landesgesetzen vor der RStPO (vgl. dazu Gerber S. 102); zum FGG vgl. Fenn S. 145 ff.; Keidel/ WinkZer § 22 Rdnr. 7; BayObLGZ 1973, 1, 5 (str.). 17 So in der Tat wohl Fenn S. 65 ff. im Gegensatz zu BGHZ 19, 196; vgl. dazu Keidel I WinkZer § 22 Rdnr. 7 m. w. N.
§ 8 Formen einer gesetzlichen Anerkennung des Verbots
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6. Die Befugnisse des Rechtsmittelklägers hinsichtlich der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens Daß weiterhin die Rechte des Rechtsmittelklägers zur Einleitung und Beendigung des Rechtsmittelverfahrens, die z. B. von Fenn zur Begründung des Verbots der reformatio in peius herangezogen werden2o, ein solches Ergebnis nicht rechtfertigen können, wurde schon oben dargelegt30. Sie können auch nicht als Anzeichen für dessen Existenz gelten. Aus ihnen läßt sich lediglich entnehmen, daß die Rechtsmittel neben anderen Zielen auch dem Rechtsschutz des Rechtsmittelklägers dienen sollen, sie sagen jedoch nichts über den Stellenwert dieses Zwecks unter den sonstigen Zielen des Rechtsmittels aus und sind infolgedessen ohne Beweiswert für das Verbot der reformatio in peius. 7. Das Interesse am Verfahrensgegenstand
Schließlich werden in Literatur und Rechtsprechung- insbesondere für das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit - auch Versuche gemacht, aus den unterschiedlichen Interessen am Verfahrensgegenstand einen Anhaltspunkt für oder gegen das Bestehen eines Verbots der reformatio in peius zu gewinnen. Hiernach soll das zumindest überwiegend private Interesse am Verfahrensgegenstand für ein Verbot der reformatio in peius sprechen31 , während das vorwiegend öffentliche Interesse an der fraglichen Regelung das Verbot grundsätzlich ausschließe32. a) Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor allem von Fenn bereits mit Recht kriti28 So wohl BVerwGE 14, 175, 180. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß das Bundesverwaltungsgericht hier offenbar nur die besonderen Verhältnisse des Verwaltungsvorverfahrens im Auge hat, bei dem ein Anschließungsrecht der unteren Behörde in der Tat schwer vorstellbar wäre. Sieht man allerdings das Widerspruchsverfahren als gerichtsähnliche~ Rechtsschutzverfahren an (dazu unten § 9 E I), wäre diese Folgerung nur konsequent. 1 Fenn S. 62 ff.; ferner Baur Lb. § 29 C I 5 ; Früh SchwJZ 43, 134; v. Lilienthal S. 316; Karl Schneider AR-Blattei: Arbeitsgerichtsbarkeit XII
°
F I 8.
ao Oben § 6 II 2 a aa; § 7 I 2. 31 Keidel I WinkZer § 19 Rndr. 90; Lange I Wulff HöfeO 3. Aufl. Nr. 632 (in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten); dies. LwVG § 22 Anm. XII; BGH LM Nr. 2, 3 zu§ 33 I LVO; BayObLG MDR 1966, 761; OLG München MDR 1951, 488; weiter s. unten § 9 D Fn. 6. 12 Keidel I WinkZer § 19 Rdnr. 90; Keidel JZ 1953, 304; Rötelmann RdL 1953, 113; SchlegelbergeT § 25 Rdnr. 12; v. Werner RdL 1949, 62; BGH LM Nr. 2, 3 zu § 33 I LVO; BayObLGZ 1961, 227, 229; MDR 1966, 761; OLG München NJW 1952, 629; vgl. ferner unten§ 9 D Fn. 7.
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siert worden33• Fenn gibt zu bedenken, die Unbestimmtheit des Begriffs "öffentliches Interesse" erlaube keine sichere Abgrenzung, es fehle ihm also an der Voraussehbarkeit, weiter gelte das Verbot der reformatio in peius auch in anderen Verfahren trotz der Untersuchungsmaxime und hineinspielender öffentlicher Interessen34, und außerdem sei gerade in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen besonderen Behörden übertragen, denen auch ein Beschwerderecht zustehe und denen damit ersichtlich die eigenverantwortliche Wahrnehmung der öffentlichen Interessen anvertraut sei35• Deren Aufgaben würden durch eine Befugnis des Beschwerdegerichts zu einer reformatio in peius unzulässig beschnitten, die endlich auch der überprüfenden Aufgabe des Rechtsmittelgerichts nicht gerecht werde38• Das letzte Argument Fenns ist freilich nicht stichhaltig. Selbst wenn das Rechtsmittelgericht "wesensmäßig" auf eine bloße Überprüfung der Entscheidung beschränkt sein sollte37, würde das allein eine reformatio in peius nicht verhindern können. Das Ziel einer solchen Prüfung müßte nicht von vornherein nur in der Kontrolle von Rechtsverletzungen zu Ungunsten des Rechtsmittelklägers bestehen, sondern mit dieser Prüfungsaufgabe allein wäre es - ohne weitere einschränkende Bestimmungen des Gesetzes - durchaus vereinbar, die vorinstanzliehe Entscheidung auf Rechtsverletzungen auch zum Vorteil des Anfechtenden zu untersuchen und jene gegebenenfalls auch zu dessen Ungunsten abzuändern38. Desgleichen sind die anderen von Fenn vorgetragenen Gründe jeder für sich nicht ganz beweiskräftig, sondern vermögen nur in ihrer Gesamtheit zu überzeugen. Der Begriff des "öffentlichen Interesses" würde möglicherweise durch die Bildung von Fallgruppen bestimmter und damit die Entscheidung nun vorhersehbar werden, weiter könnte die angeführte positive Geltung des Verbots der reformatio in peius in anderen Verfahren mit öffentlichem Interesse am Verfahrensgegenstand eine außerhalb dieser Prozesse unbeachtliche Systemwidrigkeit des Gesetzgebers sein, und endlich schließt die Wahrnehmung der as Fenn S. 206 ff.; ders. AcP 171, 155; ablehnend auch Baur Lb. § 29 C I 5; Jansen § 25 Anm. 9; Lieb S. 39, 45 f.; Riedet RdL 1952, 144; Rosin JLitBl 14, 23; Schroeder- Printzen SGb 1966, 393; Schwarze GS 14, 289 f. 34 Ebenso bereits Riedet RdL 1952, 144. ss So schon Baur VerkehrS. 122 Rdnr. 176 (cc); ders. Lb. § 29 CI 5; OLG Celle NJW 1954, 1648; ebenso Lieb S. 46.
ae FennS. 207.
37 Nach herrschender Meinung hat das Rechtsmittelgericht in erster Linie nicht die Aufgabe, die "Richtigkeit" der Entscheidung zu überprüfen, sondern erneut in der Sache zu entscheiden; vgl. oben § 7 I 4 b mit Fn. 33. 38 Vgl. oben§ 7 I 4 b.
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öffentlichen Interessen durch besondere Behörden eine insoweit konkurrierende Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts nicht notwendig aussu. Ausschlaggebend ist jedoch, daß es im geltenden Recht gar keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts gibt, daß das private Interesse stets dem öffentlichen zu weichen habe, auf dem dieser Schluß vom öffentlichen Interesse auf die Zulässigkeit der reformatio in peius aufbaut; welches Interesse im Einzelfall vorrangig ist, muß jeweils erst aus dem Gesetz ermittelt werden40. Mithin fehlt es dieser Schlußfolgerung überhaupt an einer Grundlage. b) Auch das überwiegend private Interesse am Verfahrensgegenstand besagt nichts Endgültiges über die vom Gesetz mit dem Rechtsmittel verfolgten Ziele, zu denen etwa wie bei der früheren gemeinrechtlichen Appellation41 zugleich eine reformatio in peius zum Schutze des Gegners gehören könnte. Die für das Verbot erforderliche Bevorzugung des Rechtsmittelklägers vor den anderen Beteiligten ist also keine notwendige Folge des fehlenden öffentlichen Interesses, sondern läßt sich nur aus anderen Umständen, wie etwa der Bindung an die Rechtsmittelanträge42, entnehmen. c) Aus diesen Gründen sind die beteiligten Interessen am Verfahrensgegenstand insgesamt nicht geeignet, die Frage nach der Geltung des Verbots der reformatio in peius zu beantworten. II. Die entsprechende Anwendung sonstiger gesetzlieber Regelungen
1. Die Bestimmungen anderer Rechtsbehelfe Läßt sich aus den Bestimmungen des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände keine Entscheidung treffen, so liegt eine Lücke im Gesetz vor, die als au Zum letzten Punkt gleicher Ansicht Riedel RdL 1952, 144; OLG München NJW 1952, 629, 630 a. E.; vgl. auch schon oben § 4 II. "Widersinnig" (Lieb S. 46) wäre dies keineswegs, sondern für eine zusätzliche Beachtung der
öffentlichen Interessen durch die Rechtsmittelgerichte könnten durchaus sachliche Gründe sprechen; vgl. Zimmermann Rpfleger 1959, 258. Will der Gesetzgeber dies ausschließen, so wird er eine Bindung des Gerichts an die Sachanträge normieren. Erst daraus läßt sich mit hinreichender Sicherheit ein Verbot der reformatio in peius entnehmen; vgl. oben 2 a und unten II 2b aa. 40 Insoweit besteht in der Tat eine Parallele zur Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, von der das Bundesverwaltungsgericht ausgeht (s. oben § 4 I 1 b). Wie dort kann auch hier das öffentliche Interesse nicht stets, sondern lediglich in den gesetzlich zugelassenen Fällen Vorrang genießen. Das bedeutet indessen noch nicht, daß für die Abwägung hier auch dieselben Kriterien wie dort maßgebend sein müßten. 41 Vgl. oben§ 2 II 2 a. 41 Vgl. oben 2 a.
II. Die entsprechende Anwendung sonstiger gesetzlicher Regelungen
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solche weder für noch gegen das Verbot der reformatio in peius spricht43, sondern die nach Möglichkeit durch einen Analogie- oder Umkehrschluß auszufüllen ist. a) Die Rechtsbehelfe desselben Gesetzes Dabei ist in erster Linie an in derselben Verfahrensordnung geregelte, verwandte Rechtsbehelfe zu denken. Bestehen zwischen ihnen und dem in Frage stehenden Rechtsmittel keine grundsätzlichen Unterschiede, so wird man in der Regel die dortigen Bestimmungen über das Verbot der reformatio in peius entsprechend anwenden können". Dementsprechend ist es z. B. zulässig, auf die zivilprozessuale Beschwerde das Verbot der reformatio in peius aus den im wesentlichen gleichartigen Rechtsmitteln der Berufung und Revision zu übertragen411 • b) Die Analogie zu den Vorschriften anderer Verfahrensordnungen Weiterhin ist auch eine Analogie zu den Rechtsmitteln anderer Verfahrensgesetze nicht ausgeschlossen46, falls nicht nur die beiden Rechtsbehelfe, sondern auch die Verfahren im übrigen grundsätzlich übereinstimmen. Hier kommt insbesondere eine entsprechende Anwendung der Zivilprozeßordnung auf die sog. echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit47, aber auch auf die Verwaltungsstreitverfahren4B in Betracht. 2. Die Gestaltung des erstinstanzliehen Verfahrens
Endlich sind u. U. auch die Vorschriften des Gesetzes über das erstinstanzliehe Verfahren zu berücksichtigen, wenngleich die Rechtsähnlichkeit der Tatbestände hier problematischer ist als in den oben genannten Fällen. " BVerwGE 14, 175, 178. " Vgl. z. B. RG LZ 1915 Sp. 1602; LSG Harnburg NJW 1964, 1243, 1245. u Für eine entsprechende Anwendung der §§ 536, 559 ZPO hier etwa auch Blomeyer § 99 I (S. 527); Fenn S. 14, 173 (and. S. 204: Geltung der Dispositionsmaxime); Haehnel S. 15; Magen S. 3; StJ I Grunsky § 573 Anm. II 1 (§§ 308, 536 ZPO); im Ergebnis allg. M., vgl. unten§ 9 AI 1 b. 48 Vgl. Riedel RdL 1952, 143 f.; BayVGH BayBgm 1951, 211; s. auch BayObLGZ 1973, 1, 5 zur Zulässigkeit einer Anschlußbeschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 41 Vgl. Zimmermann Rpfleger 1959, 256; OLG Celle NJW 1954, 1648; OLG Hamm JMBlNW 1948, 246; hierzu unten § 9 D 1 b. Allgemein zur Anwendung der ZPO auf die echten Streitverfahren etwa Keidel I WinkleT Vorb. 3 ff. vor §§ 8- 18. Noch weitergehend zieht Habscheid § 34 III 3 für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit insgesamt eine Analogie zum Zivil- und Strafprozeß in Erwägung. '' BayVGH BayBgm 1951, 211.
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a} Die Kompetenz zur Verfahrenseinleitung An jenem Erfordernis muß etwa eine allgemeine Analogie zu den Bestimmungen über die Einleitung des gesamten Verfahrens, also eine Unterscheidung hinsichtlich der Geltung des Verbots nach Antragsund Amtsverfahren, wie sie die wohl herrschende Ansicht auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit trifft49 , scheitern. Für die Amtsverfahren fehlt es insoweit an einer Vergleichsbasis, da das Rechtsmittelverfahren auch bei ihnen nur auf Antrag stattfindet und folglich einem Antragsverfahren gleichsteht50, während bei den von diesem Einwand nicht betroffenen Antragsverfahren keine dem Verbot vergleichbare Rechtsfolge vorhanden ist. Ebensowenig wie die Abhängigkeit des Rechtsmittels vom Willen des Rechtsmittelklägers bereits eine vorzugsweise Berücksichtigung seiner Interessen zu begründen vermag51, kann die Verfügungsbefugnis des Antragstellers über die Durchführung des erstinstanzliehen Verfahrens allein einen solchen Vorrang rechtfertigen62• Demnach lassen sich aus den unterschiedlichen Befugnissen zur Verfahrenseinleitung keine Anhaltspunkte für die Geltung des Verbots im Rechtsmittelverfahren gewinnen53. b} Die Bindung an die Sachanträge aa} Anders steht es mit einer Bindung des erstinstanzliehen Gerichtes an die Sachanträge. Falls das Gesetz für das erstinstanzliehe Urteil die Entscheidungsfreiheit des Gerichts auf diese Weise eingeengt hat, wird man eine ähnliche Bindung - und damit das Verbot der reformatio in peius54 - auch für die Rechtsmittelentscheidung annehmen müssen. Denn hieraus ergibt sich eine grundsätzliche Priorität der Interessen des Antragstellers - entsprechend dann des Rechtsmittelklägers - vor einer freien, nur dem materiellen Recht verpflichteten Entscheidungskompetenz des Gerichts. Das entgegenstehende öffentliche Interesse an einer Durchsetzung des materiellen Rechts dürfte "Vgl. unten § 9 D Fn. 5; wohl auch RGZ 79, 424, 427 hinsichtlich einer Verwaltungsbeschwerde. 60 So richtig Fenn S. 208. 61 Vgl. oben I 6. 62 Aus diesem Grunde ist im Antragsverfahren auch nicht immer die Möglichkeit gegeben, bindende Sachanträge zu stellen; vgl. Keidel I Winkler § 12 Rdnr. 9; Keidel JZ 1955, 707; BGH RdL 1953, 191, 192; BayObLGZ 1970, 239, 240; OLG Köln JMBlNW 1963, 16 Nr. 2; OLG München RzW 1966, 120 f. Gerade umgekehrt Fenn S. 208 und ihm folgend Lieb S. 45, die wegen des Verfügungsrechts des Antragstellers den Unterschied zwischen Sachund Verfahrensanträgen leugnen; ebenso Bärmann § 13 II 2 a. u Abl. auch Riedel RdL 1952, 144. &4 Vgl. oben I 2 a.
A. I. Die Zivilprozeßordnung
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in der Rechtsmittelinstanz im Zweifel nicht größer sein als im erstinstanzliehen Verfahren. bb) Demzufolge muß das Umgekehrte beim Fehlen einer Antragsbindung gelten65• Macht das Gesetz zwar die Einleitung des Verfahrens von einem Antrag abhängig, nicht jedoch den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung, so ist es zumeist bestrebt, eine allen Betroffenen gerecht werdende Lösung zu ermöglichen. Dieses Ziel ist nicht von vornherein lediglich auf das erstinstanzliehe Verfahren beschränkt, sondern müßte gegebenenfalls - in Ermangelung von Anzeichen für eine andere Wertung des Gesetzes - zu einer ebenso freien und deswegen die reformatio in peius nicht ausschließenden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führen. cc) Folgt aus dieser Überlegung mithin im Zweifel die Zulässigkeit der reformatio in peius in den Antragsverfahren ohne Antragsbindung, so wird man dies wn so mehr noch in den Amtsverfahren annehmen dürfen, bei denen das Gesetz über die unbehinderte Sachentscheidung hinaus sogar die Verfahrenseinleitung in die Hände des Gerichtes legt und es dadurch noch freier stellt als in den Antragsverfahren. Infolgedessen wäre im Hinblick auf das Verfahren erster Instanz gegebenenfalls nicht zwischen Antrags- und Amtsverfahren, sondern zwischen den Antragsverfahren mit Antragsbindung auf der einen Seite und den Antragsverfahren ohne eine solche Beschränkung sowie den Amtsverfahren auf der anderen Seite zu differenzieren. § 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
An Hand dieser grundsätzlichen Überlegungen läßt sich nunmehr klären, in welchen Verfahren und bei welchen Rechtsbehelfen ein Verbot der reformatio in peius gilt. A. DAS ZIVILPROZESSRECHT
I. Die Zivilprozeßordnung
1. Die Rechtsmittelverfahren a) Berufung und Revision Bereits oben1 wurde festgestellt, daß wegen der in der Bindung an die Rechtsmittelanträge liegenden prinzipiellen Wertung des Gesetzes 66 Vgl. auch StJ I Grunsky § 573 Anm. l i 1; OLG München BayJMBl 1954, 223 f., die bei einer freien Ermessensentscheidung des Untergerichts ein Verbot der reformatio in peius ablehnen. 1 Oben § 8 I 2 a.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
zugunsten des Rechtsmittelklägers im Berufungs- und Revisionsverfahren des Zivilprozesses (§§ 536, 559 Abs. 1 ZPO) ein Verbot der reformatio in peius besteht. Das entspricht auch im Ergebnis der allgemeinen Meinung2 • In den Statusverfahren, insbesondere dem Verfahren in Ehesachen, gilt nichts anderes, da weder die Untersuchungsmaxime noch das dort vorhandene öffentliche Interesse am Verfahrensgegenstand eine andere Beurteilung erlauben3 • b) Die Beschwerde Ebenfalls mit der allgemeinen Ansicht ist auch bei der Beschwerde der Zivilprozeßordnung vom Verbot der reformatio in peius auszugehen4. Allerdings läßt sich hier das Verbot nicht wie im Berufungsund Revisionsverfahren schon aus der Antragsbindung rechtfertigen5 ; die dadurch entstehende Lücke im Gesetz muß jedoch durch eine analoge Anwendung der §§ 536 und 559 ZPO geschlossen werden8• Die Beschwerde wird den anderen Rechtsmitteln der ZPO bereits durch ihre Regelung im Dritten Buch der Zivilprozeßordnung als "Rechtsmittel" z Vgl. statt aller Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 A b, § 559 Anm. 1 A; Rosenberg I :Schwab § 141 II 2 (S. 765), § 147 II 1 (S. 799); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; § 559 Anm. II.
In der "DDR" ist mit dem lokrafttreten der neuen Zivilprozeßordnung vom 19. 6. 1975 (GBl I S. 583) am 1. 1. 1976 im Zivilprozeß das Verbot der reformatio in peius entfallen. § 154 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht eine Oberprüfung des angefochtenen Urteils auch hinsichtlich der erstinstanzliehen Anträge des Berufungsbeklagten vor; Entsprechendes gilt für den Protest (§ 149 Abs. 2 i. V. m. § 154 Abs. 1), die Beschwerde (§ 159 Abs. 3 i. V. m. § 154 Abs. 1) und die Kassation (§ 161 Abs. 4). Damit - sowie durch den Wegfall der Anschlußberufung - soll eine Korrektur der Entscheidung auch zugunsten des Rechtsmittelbeklagten ermöglicht werden (vgl. Krüger NJ 1974, 491). 3 Vgl. oben § 8 I 4 b und 7. Auch das ist heute allg. Meinung; vgl. für die Entscheidung in Ehesachen etwa Baumbach I Albers Einf. 3 D vor § 614; Blomeyer § 120 X 3 (S. 688); Fenn S. 61 f.; Lieb S. 61 f.; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; Thomas I Putzo § 617 Anm. 2 b; Zöller I Karch § 536 Anm. d; ferner RGZ 94, 153, 154; 143, 130, 134; 161, 216, 219; 165, 62, 64; RG LZ 1917 Sp. 1140; OLG Schleswig SchlHA 1949, 230; a. A. noch Zellmann S. 25 ff., 46. 4 Baumbach I Albers § 573 Anm. 3 B; Blomeyer § 99 I (S. 527); FennS. 14, 173, 204; Haehnel S. 15; Lieb S. 54; Magen S. 3; Rosenberg I Schwab § 149 V 2 (S. 817), § 162 IV 3 (S. 882); Schultzenstein ZZP 31, 3; StJ I Grunsky § 573 Anm. II 1; Thomas I Putzo § 573 Anm. 1; Wieczorek § 567 Anm. A II a 10; RGZ 14, 352, 354; KG OLGE 13, 192, 194; OLG Celle MDR 1953, 111, 112; OLG Hamm JMBlNW 1956, 110, 111; OLG Köln NJW 1967, 114; OLG Marlenwerder OLGE 27, 47; OLG Stuttgart MDR 1956, 235; zur Streitwertbeschwerde vgl. unten § 12 Fn. 17. 5 Vgl. oben § 6 II 2 b cc; a. A.: Fenn S. 208; Haehnel S. 15; Lieb S. 54; Schultzenstein ZZP 31, 3; wohl auch StJ I Grunsky § 573 Anm. II 1. • S. oben§ 8 Fn. 45; vgl. Thomas I Putzo § 573 Anm. 1; grundsätzlich auch Schultzenstein ZZP 31, 3: Die "Konsequenz" verlange mit Notwendigkeit, daß bei der Beschwerde nichts anderes gelte als bei den übrigen Rechtsmitteln.
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gleichgestellt und ist diesen auch dem Verfahren nach verwandt. Ihren ursprünglichen Charakter als "Dienstaufsichtsbeschwerde" gegen Handlungen oder Unterlassungen des Richters hat sie heute verloren7 • 2. D.er Einspruch
Ob das Verbot der reformatio in peius außerdem auch nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil (§§ 338 ff. ZPO) oder gegen einen Vollstreckungsbefehl (§ 700 ZPO) besteht, ist eine eher akademische Frage. Beim Versäumnisurteil ist eine nachträgliche Verschlechterung ohnedies nur auf einen Einspruch des Beklagten hin denkbar, da bei einer Säumnis des Klägers die Klage vollständig abgewiesen wird (§ 330 ZPO). Legt aber der Beklagte gegen ein der Klage teilweise stattgebendes, sie im übrigen jedoch abweisendes echtes und unechtes Versäumnisurteil Einspruch ein, so ergreift der Einspruch allein den auf der Säumnis beruhenden Teil des Urteils. Infolgedessen ist das Gericht in aller Regel bereits wegen § 318 ZPO nicht befugt, den klageabweisenden Teil des Urteils zu ändern8 • Lediglich in den Fällen, in denen die Vor- und Nachteile einer Entscheidung keinen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes bilden - so z. B. die Entscheidungsgründe9 - , könnte sich also auch hier das Problem der reformatio in peius stellen. Beim Einspruch gegen einen Vollstreckungsbefehl ist zudem eine reformatio in peius schon deshalb nicht vorstellbar, weil ein Zahlungsbefehl nur erlassen wird, wenn dem Antrag des Gläubigers voll entsprochen werden kann (§ 691 ZPO) und darum das im streitigen Verfahren ergehende Urteil die Lage des Schuldners nicht noch darüber hinaus zu verschlechtern vermag. Für die Entscheidung nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil vertritt Lieb die Auffassung, die reformatio in peius müsse hier zulässig sein, da der Einspruch keine Anfechtung dieses Urteils enthalte10. Gegen diese Folgerung bestehen aus zwei Gründen Bedenken: Zum einen sagt, wie bereits mehrfach betont11, eine "Anfechtung" und Vgl. dazu Fenn S. 180 ff., insbes. S. 186. Münzberg S. 90 f. Insoweit ist die Entscheidung nur durch ein Rechtsmittel des Klägers angreifbar; vgl. Rosenberg I Schwab § 108 VI 2 b (S. 561); StJ I Schumann I Leipold § 331 Anm. 111 4, 5; Wieczorek § 331 Anm. B I c. e Vgl. dazu unten § 13 A 11. 10 Lieb S. 56, hinsichtlich der Anfechtung in Übereinstimmung mit der h. M.: Baumbach I Hartmann § 338 Anm. 1; Rosenberg I Schwab § 108 VII (S. 561); StJ I Schumann I Leipold Vorb. 111 4 vor § 330, § 338 Anm. I; RGZ 13, 327, 329; 167, 293, 296. Für einen Anfechtungscharakter des Einspruchs indessen Gilles S. 133 ff.; Münzberg S. 80 ff.; wohl auch Blomeyer § 54 IV 3 (S. 265); gegen Gilles insbes. BetteTmann ZZP 88, 418 ff. 11 Oben § 7 I 4 b, § 8 I 7 a. 1
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6 Kapsa
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die daraus abgeleitete Prüfungsaufgabe des Rechtsmittelgerichts als solche nichts über das Verbot der reformatio in peius aus, und zum anderen erübrigt sich ein derartiger Rückgriff auf das "Wesen" des Rechtsbehelfs, wenn sich eine Aussage bereits aus den gesetzlichen Vorschriften selbst gewinnen läßt. Zu demselben Ergebnis führt hier aber schon eine einfache Auslegung der §§ 342, 343 ZPO. § 343 ZPO enthält seinem Wortlaut nach keine Beschränkung des künftigen Entscheidungsinhalts zugunsten der Partei, die den Einspruch eingelegt hat. Wenn es auch heute vielfach für zulässig erachtet wird, den Einspruch auf einen Teil des (echten) Versäumnisurteils zu beschränken12, so ist doch dem Gesetz noch weitergehend eine Anerkennung des Verbots der reformatio in peius nicht zu entnehmen. Dagegen spricht insbesondere, daß die Zivilprozeßordnung in § 342 eine Rückkehr in das frühere Verfahren unterstellt und folglich die Versäumniswirkungen grundsätzlich ungeschehen machen will, so daß auch das neue Urteil seinem Inhalt nach - nur für den Tenor gilt etwas anderes (§ 343 ZPO) - die Säumnis und damit das Versäumnisurteil insoweit unberücksichtigt lassen muß. Diese Regelung ist aber auch sinnvoll. Die dem Beklagten aus einem eingeschränkten Stattgeben etwa erwachsenen Vorteile sind, wenngleich es nicht dessen Aufgabe sein kann, mit seinen Darlegungen der Klage zum Erfolg zu verhelfen, mehr zufälliger Natur, weil sie auf einem einseitigen und deshalb unvollständigen Parteivortrag beruhen. Infolgedessen ist auch die für Urteile streitende Richtigkeitsvermutung13 beim Versäumnisurteil weitgehend eingeschränkt14• Nur diese ließe es aber als innerlich gerechtfertigt erscheinen, das Gericht bei seinem neuen, "besseren" Erkenntnis trotzdem an das frühere Urteil zu binden und ihm jetzt eine der materiellen Rechtslage entsprechende Entscheidung zu versagen, soweit sie dem Anfechtenden nachteiliger wäre. Eine solche Auslegung stimmt schließlich auch mit der gesetzlichen Wertung beim Einspruch gegen einen Strafbefehl überein, für den das Gesetz gleichfalls wegen der vorausgegangenen rein summarischen Prüfung eine Bindung des Gerichts an den Inhalt des Strafbefehls verneint (§ 411 Abs. 4 StP0)15 • Aus diesen Gründen muß nach dem Ein12 Baumbach I Hartmann § 338 Anm. 1; Münzberg S. 108; Rosenberg I Schwab § 108 VII 2 b (S. 562); StJ I Schumann I Leipold § 338 Anm. I; Thomas I Putzo § 338 Anm. 3; Wieczorek § 330 Anm. C III a 1; OLG Celle NJW 1972, 1687 f.; a. A.: RGZ 167, 293. 13 Vgl. GiHes S. 19; Rosenberg I Schwab § 152 I (S. 825); kritisch Nicktisch
s. 48ff.
14 A. A. Münzberg S . 49 ff., der darum auch eine Bindung des Gerichts an seine im Versäumnisurteil geäußerte Rechtsauffassung bejaht (S. 49 ff., 96 ff.).
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spruch gegen ein Versäumnisurteil eine reformatio in peius -soweit denkbar- ebenso möglich sein16•
3. Der Widerspruch a) Der Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl Wie beim Vollstreckungsbefehl ist wegen § 691 ZPO nach dem Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl eine reformatio in peius durch das spätere Urteil ausgeschlossen. Einem Verbot der reformatio in peius ständen hier zudem dieselben Überlegungen wie oben entgegen17• b) Der Widerspruch gegen einen Arrestbefehl oder gegen die Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruchs Auch beim Widerspruch gegen den Beschluß, mit dem ein Arrest angeordnet (§ 924 ZPO) oder ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde (§ 1042 c Abs. 2 ZPO), kommt eine noch ungünstigere Entscheidung nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dessenungeachtet bejaht Lieb für beide Rechtsbehelfe uneingeschränkt ein Verbot der reformatio in peius, weil der Widerspruch zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses führe18 und das Gericht auch an die Anträge des Arrestbeklagten gebunden sei19• Letzteres steht freilich im Gegensatz zum Gesetz, da sich infolge des Widerspruchs die Parteirollen nicht ändern20 und der Schuldner somit nicht wie ein Rechtsmittelkläger in die Stellung des Angreifers einrückt, dieses Ergebnis widerspricht aber auch der in § 925 Abs. 2 ZPO vorgesehenen unbeschränkten Ab15 Vgl. unten B I 3. Auf den Strafbefehl weist auch Schultzenstein ZZP 31, 56, 58 hin; s. ferner Bettermann ZZP 88, 419. u Ebenso Bettermann ZZP 88, 421; a. A. wohl Gilles, da er den Einspruch als "Anfechtungsmittel" charakterisiert (S. 133 ff.), zu dessen wesensmäßigem Inhalt die grundsätzliche Unmöglichkeit einer reformatio in peius gehören soll (Gilles S. 95; hierzu_oben § 7 I 4 b); die Ansicht Gilles' dürfte indessen auch den Absichten des Gesetzgebers widersprechen; vgl. Hahn S. 131, 294, 298 (zu § 297); dazu Gilles S. 197 f. n Ebenso im Ergebnis Lieb S. 59, freilich wiederum mit der anfechtbaren Begründung, der Widerspruch führe nicht zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zahlungsbefehls und sei sachlich kein Rechtsmittel; dazu oben 2. Ein Verbot der reformatio in peius würde hier außerdem daran scheitern, daß die (teilweise) Zurückweisung des Antrags auf Erlaß des Zahlungsbefehls keine Rechtskraftwirkung hätte (Baumbach I Hartmann § 691 Anm. 3) und infolgedessen dem Beklagten auch keinen Besitzstand verschaffen könnte; vgl. unten§ 11 I. 18 Lieb S. 59; gegen dieses Argument s. schon oben 2. 18 Lieb S. 59 unter Hinweis auf Baur Studien S. 69, der indessen lediglich eine Bindung an die Anträge des Arrestklägers hervorhebt. 2 0 Vgl. statt aller Baumbach I Hartmann § 925 Anm. 1.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
änderungsbefugnis des Gerichts. Ebenso wie beim Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbefehl beruht hier die angefochtene Entscheidung mangels vorausgegangener mündlicher Verhandlung auf einer unvollständigen Grundlage, so daß wie dort jedoch im Gegensatz zur Berufung gegen ein Arresturteil, bei dem diese Überlegung gerade nicht zutrifft - eine reformatio in peius möglich seinmuß21• 4. Die Erinnerung Gegen Maßnahmen und Entscheidungen nichtrichterlicher Beamter, ausnahmsweise auch gegen richterliche Entscheidungen (§ 576 Abs. 1 ZPO), ist an Stelle der Beschwerde die Erinnerung zulässig (z. B. §§ 104 Abs. 3, 576, 766, 777 ZPO, 11 RPflG). a) Die Erinnerung nach dem Rechtspflegergesetz Eine ausdrückliche Vorschrift über das Verbot der reformatio in peius findet sich weder in der Zivilprozeßordnung noch im Rechtspflegergesetz. Die Erinnerung nach dem Rechtspflegergesetz stellt das Gesetz indessen der Beschwerde gleich; es deutet sie nicht nur u. U. in eine Beschwerde um (§ 11 Abs. 2 S. 5 RPflG), sondern erklärt auch allgemein die Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren für sinngemäß anwendbar (§ 11 Abs. 4 RPflG). Da jedoch bei der zivilprozessualen Beschwerde ein Verbot der reformatio in peius besteht22, ist infolge dieser Verweisung und wegen der Zweckidentität beider Rechtsbehelfe dasselbe auch für die Erinnerung gegen Entscheidungen des Rechtspflegers anzunehmen, soweit sie an die Stelle der Beschwerde tritt23. Mithin kann Arndt, der demgegenüber auf die Notwendigkeit einer Kontrolle des Rechtspflegers durch einen Volljuristen hinweist und deswegen ein Verbot der reformatio in peius hier grundsätzlich verneint24, nicht zugestimmt werden25 • Der Rechtspfleger handelt trotz seiner Vorlagepflicht (§ 5 RPflG) auf dem ihm übertragenen Gebiet eigenverantwortlich (§ 9 RPflG), und seine Entscheidungen sind ohne die Anfechtung auch für den Richter verbindlich26. Infolgedessen hält das Gesetz eine nachträgliche Kontrolle dieser Entscheidungen offenbar So im Ergebnis auch Bettermann ZZP 88, 427. S. oben 1 b. 28 Ebenso Arnold I Meyer- Stolte 11.4.1; Eickmann I Riedet § 11 Rdnr. 15; Hotmann I Kersting § 10 Anm. 2 E c; Lieb S. 89 ff., 92 f. (für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; hierzu unten D 2). u Arndt § 10 Anm. 50. 16 Abl. auch Lieb S. 89 ff. 28 Vgl. Eickmann I Riedet § 11 Rdnr. 15. 21
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nicht in größerem Umfang als bei Entscheidungen des Richters selbst für erforderlich. Daß der Rechtspfleger kein Volljurist ist, vermag hieran nichts zu ändern, ganz abgesehen davon, daß der Rechtspfleger seiner Tätigkeit entsprechend ausgebildet ist und darum im Regelfall keiner solchen Überwachung bedarf27 • b) Die Erinnerung der ZPO Für die Erinnerung der Zivilprozeßordnung fehlt selbst eine derartige Verweisung auf das Beschwerdeverfahren, wie sie das Rechtspflegergesetz kennt. Da die Abhängigkeit des Verfahrens vom Willen des Rechtsmittelklägers gleichfalls nicht ausreicht, ein Verbot der reformatio in peius zu rechtfertigen28, liegt insoweit eine Lücke des Gesetzes vor, zu deren Ausfüllung wie auch bei der Beschwerde abermals die §§ 536, 559 Abs. 1 ZPO in Betracht kommen. Zwar ist die Erinnerung nicht wie die Beschwerde ein Rechtsmittel i. e. S., sie steht aber dieser nahe und ist damit auch den anderen Rechtsmitteln verwandt. Demzufolge gilt bei der Erinnerung des Zivilprozesses in entsprechender Anwendung der§§ 536, 559 Abs. 1 ZP029 gleichermaßen ein Verbot der reformatio in peius30. 5. Die Wiederaufnahme des Verfahrens Ein - obschon nach herrschendem Verständnis nur außerordentlicher31 - Rechtsbehelf der Zivilprozeßordnung ist auch die Wiederauf27 Demzufolge kommt es nicht darauf an, ob der Rechtspfleger als Richter i. S. d. Art. 92 GG anzusehen ist; so aber - bejahend - Lieb S. 89 (m. w. N.) im Anschluß an Habscheid Rpfleger 1957, 169; 1968, 242 u. ö. Richtiger Ansicht nach ist er das nicht, vgl. Gau~ Rpfleger 1971, 45 (m. w. N.), ebensowenig, wie er als "Gericht" i. S. d. Art. 100 Abs. 1 GG anzusehen ist; BVerfG NJW 1971, 605; Gau~ FamRZ 1974, 615. 2s Vgl. oben § 8 I 6. 29 Abweichend will Lieb S. 58 für die Erinnerung nach § 766 ZPO auf die Dispositionsmaxime abstellen - hier ist eine refonnatio in peius ohnedies kaum denkbar - , während er im Fall des § 104 Abs. 3 ZPO offenbar wie hier die §§ 536, 559 ZPO (Lieb S. 58 zitiert freilich die §§ 308, 536 ZPO) analog anwenden möchte. 30 Zur Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 21 Abs. 2 RPflG) wohl allg. Meinung; vgl. z. B. Baumbach-Hartmann § 104 Anm. 4 C; Förster I Kann § 104 Anm. 6 e bb; Lieb S. 58; Schunck I De Clerck § 165 Anm. 1 b; StJ I Poh~e § 104 Anm. V 6; Thomas I Putzo § 104 Anm. 4 c ee; Wieczorek § 104 Anm. B III c; Willenbücher S. 284 f. (Rdnr. 61); Zöller I Mühlbauer § 104 Anm. 3 k; BayObLGZ 1959, 272, 279; OLG Frankfurt ZZP 52, 104, 106; OLG Hamm Rpfleger 1972, 266; OLG Köln NJW 1967, 114; OLG München NJW 1971, 763 f .; BayVGH BayBgm 1951, 211; OVG Lüneburg NJW 1958, 1203; LG Landau JW 1922, 1469; FG Baden-Württemberg EFG 1969, 213; FG Harnburg EFG 1968, 139. Wegen der Erinnerung gegen den Kostenansatz vgl. unten§ 12 Fn. 17.
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nahme des Verfahrens durch eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§ 578 ZPO). Da das Gesetz hierfür auf die allgemeinen Vorschriften verweist (§ 585 ZPO) sowie ausdrücklich einen den Rechtsmittelanträgen entsprechenden Antrag verlangt (§ 588 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO), besteht auch bei diesem Rechtsbehelf eine Bindung an die Anträge des Wie· deraufnahmeklägers (§ 308 Abs. 1 ZPO). Hieraus ist - wie auch sonst aus der Bindung an die Rechtsmittelanträge32 - ein grundsätzliches Verbot der reformatio in peius zu entnehmen33• 6. Die Anfechtungsklagen
Derselbe Grund führt darüber hinaus zur Annahme eines Verbots der reformatio in peius bei allen Anfechtungsklagen der Zivilprozeßordnung (§§ 323, 664, 684), soweit dort eine reformatio in peius denkbar ist84• 7. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die Möglichkeit einer reformatio in peius entfällt hingegen von vornherein bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zwar nicht deshalb, weil die Wiedereinsetzung keine Entscheidung in der Hauptsache darstellt85 - das ist kein notwendiges ("begriffliches") Erfordernis einer reformatio in peius36 - , sondern weil der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht unmittelbar auf die Änderung einer Entscheidung abzielt und etwaige nachteilige Auswirkungen einer Wiedereinsetzung außerhalb dieses Verfahrens liegen würden. Die Frage nach einem Verbot der reformatio in peius stellt sich hier also nichts7. 31 Vgl. § 20 EGZPO; so z. B. Baumbach I Hartmann Grz. 1 A vor § 578; Blomeyer § 106 (S. 592); Gaul Grundlagen S. 35, 42; vgl. auch Rosenberg I Schwab § 160 II 4 (S. 868); anders Gilles S. 106 ff., 129. 32 Oben § 8 I 2 a. Die Ähnlichkeit zur Anfechtung durch ein Rechtsmittel ergibt sich auch aus§ 590 Abs. 1 ZPO im Vergleich zu§ 525 ZPO. as Vgl. Baumbach/Hartmann Grz. 3 Ac vor§ 578; FreitagS. 117 Fn. 3 (S. 118); Lieb S . 55; ebenso wohl Gilles S. 121 f. (mit S. 95); anders wohl Wieczorek § 590 Anm. C I. Hingegen soll nach Rosenberg I Schwab § 162 IV 3 (S. 882); RGZ 99, 168, 171 das ursprünglich geltende Verbot der reformatio in peius wieder in Kraft treten; s. dazu grundsätzlich unten § 12 Fn. 72. u FreitagS. 117 Fn. 3 (S. 118); vgl. auch Gilles S. 146f. Insbesondere zur Anfechtung einer Entmündigung vgl. Baumbach I Albers § 645 Anm. 2 B a. E.; Lieb S. 64; Rosenberg I Schwab § 170 Ill 7 (S. 947); s. auch StJ I Schlosser § 672 Anm. I. 35 So aber Lieb S. 55 a . E. ss Vgl. oben§ 1 II 2. 37 Ebenso im Ergebnis Lieb S. 55; vgl. auch Gilles S. 148 ff., der die Wiedereinsetzung nicht zu den "Anfechtungsmitteln" zählt.
A. Il. Das Arbeitsgerichtsgesetz und das Patentgesetz
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II. Die Verfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz und dem Patentgesetz 1. Das Arbeitsgerichtsgesetz
a) Das Urteilsverfahren Im Arbeitsgerichtsgesetz finden sich keine ausdrücklichen Bestimmungen über das Verbot der reformatio in peius. Allerdings sieht das Gesetz für alle Rechtsbehelfe des Urteilsverfahrens, also für die Berufung (§ 64 Abs. 2 S. 1 ArbGG), die Revision (§ 72 Abs. 3 ArbGG), die Beschwerde(§ 78 Abs. 1 ArbGG) und die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 79 S. 1 ArbGG) ergänzend die entsprechende Anwendung der Zivilprozeßordnung vor. Infolge dieser Verweisung gilt mithin auch im arbeitsgerichtliehen Urteilsverfahren das Verbot der reformatio in peius38• b) Das Beschlußverfahren Obgleich eine ähnliche Verweisung im Beschlußverfahren nicht vorgesehen ist, müssen auch hier die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Verbot sinngemäß herangezogen werden. Grundsätzliche Unterschiede zum Urteilsverfahren sind nicht erkennbar, zumal das Arbeitsgerichtsgesetz in gewissem Umfang selbst auf das Urteilsverfahren verweist (§§ 87 Abs. 2, 92 Abs. 2); die erweiterten Möglichkeiten zur Sachaufklärung (§ 83 Abs. 3 ArbGG) stehen nicht entgegen39• In Analogie zu den Regelungen des Urteilverfahrens ist also bei der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde des Beschlußverfahrens ebenfalls von der Geltung des Verbots der reformatio in peius auszugehen40• 2. Das Patentgesetz
Auch im Verfahren nach dem Patentgesetz besteht nach wohl allgemeiner Meinung ein Verbot der reformatio in peius41 • Zwar sind wie im 38 Ebenso im Ergebnis Dietz I Nikisch § 64 Rdnr. 29; Lieb S. 65. Für die Kündigungsschutzklage gilt nichts anderes: StJ I Grunsky § 536 Anm. IV; grundsätzlich auch BAGE 12, 75, 83. 30 Vgl. oben § 8 I 4 b; ebenso Dietz I Nikisch § 91 Rdnr. 8, § 94 Rdnr. 14; BAG AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG; a. A.: Müller in DerschI Volkmar § 91 Anm. 2. 40 Im Ergebnis h . M., jedoch zumeist mit der Dispositionsmaxime begründet: Dietz I N i kisch § 91 Rdnr. 8, § 94 Rdnr. 14, § 96 Rdnr. 9; Fenn S. 206 Fn. 311; Lieb S. 65; Karl Schneider AR-Blattei: Arbeitsgerichtsbarkeit XII Beschlußverfahren F I 8; BAG AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG; einschränkend Schnorr v. Carolsfeld S. 506; a. A.: Müller in DerschI Volkmar § 91 Anm. 2. 41 Benkard I Ballhaus § 36 p PatG Rdnr. 5; Bernhardt PatG § 52 VIII 7; Busse§ 36 p PatG Rdnr. 10; LiebS. 66; Lindenmaier § 36 p Rdnr. 14; Reimer I Nastelski § 42 PatG Rdnr. 15; RG GRUR 1935, 738, 740; wohl auch BGHZ 10, 22, 27; BGHZ 16, 326, 332. Dasselbe gilt wegen der Verweisungen auf das Patentgesetz auch für das Gebrauchsmuster- und das Warenzeichengesetz (§§ 10 Abs. 3 GebrMG, 13 Abs. 3 WZG); vgl. Lieb S. 66; Lindenmaier I Röhl § 36 p Rdnr. 14, § 41 b Rdnr. 3.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
Arbeitsgerichtsgesetz besondere Vorschriften hierüber nicht vorhanden, doch verweist das Gesetz für die Verfahren vor dem Patentgericht allgemein auf die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung (§ 41 o Abs. 1 PatG) und damit für das Beschwerdeverfahren inhaltlich auf das Verbot der reformatio in peiusc 2 ; dasselbe muß entsprechend auch für die Rechtsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde an den Bundesgerichtshof (§§ 41 p ff. PatG) gelten43 • Besonderheiten des Verfahrens in Patentstreitigkeiten wie der Untersuchungsgrundsatz bilden kein Hindernis". B. DIE STRAFPROZESSUALEN VERFAHREN I. Die Strafprozeßordnung
1. Die Rechtsmittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens a) Für das Berufungs- und das Revisionsverfahren des Strafprozesses sowie für die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten enthält die Strafprozeßordnung in den §§ 331, 358 Abs. 2 und 373 Abs. 2 Bestimmungen, die eine reformatio in peius zum Nachteil des Angeklagten ausdrücklich verbieten1 ; hingegen läßt das Gesetz für den Fall, daß die Staatsanwaltschaft ein RechtsmittelzuUngunsten des Beschuldigten eingelegt hat, eine Änderung zu dessen Gunsten und damit eine reformatio in peius gegenüber der Staatsanwaltschaft zu (§ 301 StP0)2• ce Vgl. Benkard I Ballhaus § 36 p Rdnr. 5, § 41 b Rdnr. 25; Busse § 36 p Rdnr. 10, § 41 b Rdnr. 2; Kirchner Mitt 1972, 158 Fn. 12; ferner BGH GRUR 1972, 592, 594; s. auch Lieb S. 66, der allerdings diese Verweisung fälschlicherweise nur auf das Klageverfahren nach den §§ 37 ff. PatG (der von Lieb S. 66 Fn. 2 zitierte § 57 PatG dürfte ein Versehen sein) bezieht. Deren Geltung auch für das Beschwerdeverfahren nach §§ 361 ff ergibt sich indessen eindeutig aus der Stellung des § 41 o PatG unter den "Gemeinsamen Verfahrensvorschriften" für den 5. Abschnitt des Gesetzes. 'a Im Ergebnis ebenso (für die Berufung) : Bernhardt PatG § 52 VII 7; Busse§ 42 k Rdnr. 1 (a); Reimer I Nastelski § 42 Rdnr. 15; für die Beschwerde nach §§ 41 p ff. und nach § 42 m PatG auch Lieb S. 66 (der dort zitierte § 41 m PatG ist offensichtlich ein Irrtum). Lieb stellt demgegenüber aber auf die Dispositionsmaxime ab; so auch Bernhardt §52 VII 7. 44 Vgl. oben 1 b zum arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren; ebenso Lieb
S.66.
1 Einen Sonderfall der Wiederaufnahme regelt das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl I S. 161), das in seinem § 11 Abs. 3 ebenfalls ein Verbot der reformatio in peius vorsieht (zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vgl. BVerfGE 37, 57, 64 ff.). Auch die StPO der "DDR" vom 12. 1. 1968 i. d. F. vom 19. 12. 1974 (GBl 1975 I S. 61) kennt für die Rechtsmittelverfahren, die Kassation und das Wiederaufnahmeverfahren ein Verbot der reformatio in peius (§§ 11 Abs. 3, 285, 321 Abs. 2, 335 Abs. 2); vgl. Strafprozeßrecht der DDR, S. 38, 318 f., 357, 368. e Zu der Frage, ob es sich hierbei "begrifflich" um eine reformatio in peius oder eine reformatio in melius handelt, vgl. oben § 7 Fn. 6.
B. I. Die Strafprozeßordnung
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b) Im Hinblick auf diese ausdrücklichen Regelungen ist es auffällig, daß die Strafprozeßordnung für die Beschwerde - abgesehen von § 301, der wegen seiner systematischen Stellung unter den allgemeinen Vorschriften über die Rechtsmittel auch für das Beschwerdeverfahren gilt - keine Bestimmung über das Verbot der reformatio in peius trifft. Infolgedessen ist dessen Geltung im Beschwerdeverfahren noch immer umstrittens. Ein Verbot der reformatio in peius dürfte indessen auch hier zu bejahen sein, da die Beschwerde den beiden anderen Rechtsmitteln ähnlich ist und ihnen wegen der häufigen Beschlußform wichtiger Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich der Strafvollstreckung (§§ 453 ff. StPO), auch an Bedeutung nahekommt. Ferner setzt § 301 StPO ebenfalls das Verbot bei allen drei Rechtsmitteln voraus. Deswegen scheint eine analoge Anwendung der §§ 331 und 358 Abs. 2 StPO geboten'. 2. Die Erinnerung
Soweit im Strafverfahren gemäß § 11 RPflG an die Stelle der Beschwerde die Erinnerung tritt, muß wie dort ein Verbot der reformatio in peius bestehen5. Für die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß folgt dasselbe aus der Verweisung auf die Zivilprozeßordnung (§ 464 b StPO mit § 21 Abs. 2 RPflG)8 • 3. Der Einspruch
Dagegen sieht die Strafprozeßordnung für den Einspruch gegen einen Strafbefehl die Möglichkeit einer reformatio in peius gegenüber dem a Ein Verbot nehmen u. a. an: Beling S. 340; E. Fischer S. 3 ff.; Ganske S. 10; Grethlein S. 25; Lauckner S. 20 ff.; Wolf S. 39 ff.; wohl auch Eb. Schmidt § 309 Anm. 7; LG Zweibrücken NJW 1954, 934 f. (zur Gesamtstrafenbildung, bei der eine Straferhöhung freilich auch schon am Zweck des § 55 StGB scheitern würde, vgl. BGHSt 8, 203, 204 f. im Gegensatz zu Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 309 Anm. 5, die auf das Verbot der reformatio in peius abstellen); gegen ein Verbot: Gerber S. 4; Haas S. 21 ff.; Kleinknecht Vorb. 3 vor § 304; Müller I Sax Vorb. 6 vor § 304; Pabst S. 7; iSchultzenstein ZZP 31, 15 f.; SprengelS. 24 f.; LG Weiden MDR 1971, 683; zweifelnd Frisch JA 1974,94. ' Ähnlich E. Fischer S. 3 ff.; Wolf S. 39 ff. ; dagegen wollen offenbar aus der fehlenden gesetzlichen Regelung einen Umkehrschluß zu den §§ 331, 358 StPO ziehen : Kleinknecht Vorb. 3 vor § 304; Pabst S. 7; Schultzenstein ZZP 31, 15 f. Diese Folgerung ist jedoch angesichts der wiederum ausdrücklichen Zulassung einer reformatio in peius beim Strafbefehl (§ 411 Abs. 4; s. u. 3) recht fragwürdig; dagegen auch E. Fischer S. 4; Wolf S. 39. Eine entsprechende Anwendung des§ 411 Abs. 4 StPO auf die Beschwerde (so Haas S. 23, Sprengel S. 24) ist aus den im Text genannten Gründen abzulehnen. Neuestens erkennt das BayObLG NJW 1973, 1140, 1141 sogar für das Verfahren nach § 33 a StPO ein Verbot der reformatio in peius an; um so mehr muß dies auch für die Beschwerde gelten. 5 A. A.: Eickmann I Riedel § 11 Rdnr. 15. 8 S. oben A I 4 b; ebenso H. Schmidt MDR 1971, 683.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
Beschuldigten vor, da sie das Gericht von der Bindung an den im Strafbefehl enthaltenen Strafausspruch befreit (§ 411 Abs. 4}'. Der Grund für diese gegenüber den anderen Rechtsbehelfen abweichende Regelung ist in der unsicheren tatsächlichen Grundlage des Strafbefehls zu suchen8 , deretwegen auch seine Rechtsbeständigkeit sogar noch nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens in Frage gestellt werden kann9• ß. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 1. Der Einspruch
Auch im Ordnungswidrigkeitengesetz tritt wie in der Strafprozeßordnung der Wille des Gesetzes nicht immer mit der wünschenswerten Klarheit hervor. Für den Fall, daß das Gericht über einen Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid (§ 67 OWiG) ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entscheidet, verbietet das Gesetz freilich eindeutig eine Abweichung zum Nachteil des Betroffenen (§ 72 Abs. 2 S. 2 OWiG) 10, während es eine ähnlich deutliche Regelung für das auf Grund einer Hauptverhandlung ergehende Urteil indessen nicht enthält. Aus der grundsätzlichen Verweisung auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung beim Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 71 OWiG) ist für diesen Fall jedoch zu entnehmen, daß nunmehr wie dort eine reformatio in peius erlaubt sein soll(§ 411 Abs. 4 StP0) 11 • Eine entsprechende Anwendung des § 72 Abs. 2 OWiG kommt hingegen nicht in Betracht, da 7 Allg. Meinung mit zum Teil abweichender Begründung; vgl. z. B. E. Fischer S. 3 f.; Ganske S. 14; GerberS. 4; Grethlein S. 30; Haas S. 20; Haehnel S. 10; Keber S. 100 f.; Kleinknecht § 411 Anm. 6; Löwe I Rosenberg I Schäfer § 411 Anm. 7 a; Müller I Sax § 411 Anm. 6; Pabst S. 8; Reimer S. 8 f.; Schultzenstein ZZP 31, 56; grundsätzlich auch WolfS. 44 f.; ferner OLG Dresden JW 1928, 1076 Nr. 25; einschränkend Ostler NJW 1968, 487; rechtsstaatliehe Bedenken auch bei Schorn S. 19 f.
Anders hier die StPO der "DDR", die auch beim Strafbefehl und einer Strafverfügung ein grundsätzliches Verbot der reformatio in peius enthält (§§ 274 Abs. 2, 280); vgl. Strafprozeßrecht der DDR S. 306 f., 312. 8 Vgl. z. B. Ganske S. 14; Grethlein S. 30; Ostler NJW 1968, 487; OLG Dresden JW 1928, 1076 Nr. 25; dazu kritisch Reimer S. 8 f.; Unger JW 1928, 1076f.
• Dem Strafbefehl kommt nach ganz h. M. nur beschränkte Rechtskraftwirkung zu; vgl. statt aller Kleinknecht Vorb. 6 vor § 407, § 410 Anm. 2; Löwe I Rosenberg I Schäfer § 410 Anm. 2-4 (einschränkend); jeweils m. w. N. 10 Vgl. Kohlhaas in Erbs I Kohlhaas § 72 OWiG Anm. 2; Göhler § 72 Anm. 4 E; Kleinknecht § 72 OWiG Anm. 4; Löwe I Rosenberg I Schäfer § 411 Anm. 7 d; Rebmann I Roth I Herrmann § 72 Rdnr. 7; Rothberg § 72 Rdnr. 13; BayObLGSt 1972, 242. 11 Ebenso Kohlhaas in Erbs I Kohlhaas § 71 OWiG Anm. 1; Göhler Vorb. 5 vor § 67, § 71 Anm. 1 C; Kleinknecht § 72 OWiG Anm. 4; Rebmann I Roth I Herrmann § 72 Rdnr. 7; Rotberg § 72 Rdnr. 13; BayObLGSt 1972, 242 f.; 1973, 42, 44.
B. III. Die Disziplinarordnungen
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in der Hauptverhandlung - anders als im schriftlichen Verfahren jetzt eine vollständige Sachaufklärung möglich war und somit unterschiedliche Tatbestände vorliegen, zwischen denen das Gesetz auch sonst im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius differenziert12 •
2. Die Rechtsbeschwerde und die Wiederaufnahme des Verfahrens Ebenso wie beim Einspruch lehnt sich das Ordnungswidrigkeitengesetz auch im übrigen an die Strafprozeßordnung an und verweist für die Rechtsbeschwerde und die Wiederaufnahme des Verfahrens gleichfalls auf deren Bestimmungen. Infolgedessen kennen auch diese Rechtsbehelfe ein Verbot der reformatio in peius (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 358 Abs. 2 StPO und § 85 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 373 Abs. 2 StP0)13•
3. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung Einen weiteren Rechtsbehelf sieht das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren vor (§ 62 OWiG), der der Sache nach eine Beschwerde darstellt und auf den auch die meisten Vorschriften über das Beschwerdeverfahren der Strafprozeßordnung sinngemäß anwendbar sind (§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG). Dementsprechend gilt hier wie dort das Verbot der reformatio in peius14•
m. Die Disziplinarordnungen 1. Das förmliche Disziplinarverfahren Schließlich verweisen auch die Disziplinarordnungen des Bundes und der Länder ergänzend auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung, soweit nicht die Eigenart des Disziplinarverfahrens entgegenstehe (§ 25 S. 1 BDO und z. B. § 25 S. 1 DO NW). Damit gilt das Verbot der reformatio in peius ebenfalls bei den Rechtsmitteln des förmlichen Disziplinarverfahrens, d. h. der Beschwerde (§ 79 BDO bzw. § 78 DO NW) und der Berufung(§§ 80 ff. BDO sowie§§ 79 ff. DO NW)15• Deswegen ist 12 Vgl. zum Einspruch gegen einen Strafbefehl oben I 3 sowie zum Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und zum Widerspruch gegen einen Arrestbefehl im Zivilprozeß oben A I 2, 3 b. 13 So für die Rechtsbeschwerde Rebmann I Roth I Herrmann § 71 Rdnr. 3; BGH NJW 1971, 105; OLG Karlsruhe NJW 1974, 1718 f.; ebenso schon BGH NJW 1963, 166 (zu § 56 Abs. 4 OWiG 1952). 14 Vgl. oben I 1 b; a. A.: Göhter § 62 Anm. 7 D; Rebmann I Roth I Herrmann § 62 Rdnr. 219; Rotberg § 62 Rdnr. 14. 15 Vgl. Behnke I Leußer Vorb. 28 vor § 79; Ctaussen I Jantzen Rdnr. 8 vor § 79; Jüticher S. 146 f.; Lindgen Hdb. S. 887 f.; ders. BayBZ 1965, 65; Schütz § 80 Rdnr. 10; DiszH RhPf in OVG Koblenz E 10, 326, 331.
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§
9 Die einzelnen Verfahrensrechte
§ 80 Abs. 4 BDO (§ 79 Abs. 3 DO NW), nach dem die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nur dann zum Nachteil des Beamten geändert werden darf, wenn der Bundesdisziplinaranwalt dies beantragt hat, keine etwa einen Umkehrschluß rechtfertigende Ausnahmevorschrift16, sondern diese Bestimmung erweitert das Verbot der reformatio in peius über die Sanktionen wegen der Tat (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO) hinaus auf einen weiteren Tatbestand17 und bestätigt auf diese Weise die grundsätzliche Geltung des Verbots. 2. Das nicht förmliche Disziplinarverfahren
Gegen eine Disziplinarverfügung des Vorgesetzten steht dem Beamten die Beschwerde an den nächsthöheren Dienstvorgesetzten offen, während er gegen dessen Entscheidung oder gegen die Disziplinarverfügung der obersten Dienstbehörde das Disziplinargericht anrufen kann (§§ 31 Abs. 1 - 3 BDO und DO NW). a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erübrigt sich ein Rückgriff auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung, da die Disziplinarordnungen dem Gericht hier ausdrücklich nur eine Änderung zugunsten des Beamten gestatten (§ 31 Abs. 4 S. 4 BDO, § 31 Abs. 4 S. 3 DO NW). Dasselbe gilt von einer gegen diese Entscheidung gerichteten (weiteren) Beschwerde(§ 31 Abs. 5 S. 2 i.V.m. Abs. 4 S. 3 DO NW)18• b) Die Beschwerde an den Dienstvorgesetzten Da für die Beschwerdeentscheidung des Dienstvorgesetzten eine derartige Beschränkung nicht ausgesprochen wird, ist entweder an einen Umkehrschluß oder an eine Analogie zu diesen Bestimmungen zu denken. Möglich ist auch, daß bereits die allgemeine Verweisung auf die Strafprozeßordnung in den§§ 25 BDO und DO NW hier ein Verbot der reformatio in peius bewirkt, da diese Normen ihrer Stellung nach auch für das nicht förmliche Disziplinarverfahren gelten. Entscheidend dürfte indessen die Regelung der §§ 32 Abs. 2 BDO und DO NW sein. Wenn der höhere Dienstvorgesetzte die Disziplinarverfügung hiernach ohne weiteres ändern und- innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen - auch verschärfen kann, dann vermag ihm die Einlegung eines Rechtsbehelfs dieses Recht nicht zu nehmen. Ihm muß 18
Zur Fragwürdigkeit eines derartigen Umkehrschlusses s. im übrigen
Gaul Grundlagen S. 37 ff. 17 Vgl. Claussen I Jantzen § 80 Rdnr. 5; Schütz §§ 73/75 Rdnr. 19; 18 Behnke I Leußer Vorb. 28 vor § 79.
C. I. Die Verwaltungsgerichtsordnung
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diese Befugnis folglich auch innerhalb des Beschwerdeverfahrens zustehen19. Mithin ist der höhere Dienstvorgesetzte an ein Verbot der reformatio in peius nicht gebunden20• C. DIE VERFAHREN DER ALLGEMEINEN UND BESONDEREN VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT I. Die Verwaltungsgerichtsordnung
Ebenso wie im Zivilprozeß findet sich auch in den Verfahren der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit ein durch die Antragsbindung ausgedrücktes grundsätzliches Verbot der reformatio in peius. 1. Die Rechtsmittel
Für die Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsordnung ergibt sich dies aus § 129 VwGO, der inhaltlich § 536 ZPO entspricht und für die Berufung unmittelbar anwendbar ist, während er für das Revisionsverfahren infolge der Verweisung auf die Berufungsvorschriften gilt (§ 141 VwG0) 1. Bei der Beschwerde ist eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten2• Schließlich verweist die Verwaltungsgerichtsordnung für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Zivilprozeßordnung und damit gleichfalls auf das Verbot der reformatio in peius3• 2. Das erstinstanzliehe Verfahren
Anders als im Zivilprozeß hat jedoch in den Verwaltungsstreitverfahren auch die erste Instanz- bei der Anfechtung von Verwaltungsakten- häufig rechtsmittelähnlichen Charakter4• Für diese Fälle läßt sich aus der Bindung des erstinstanzliehen Gerichts an die Anträge (§ 88 VwGO) ebenso wie für die Rechtsmittelverfahren i. e. S. schließen, daß ein Verbot der reformatio in peius bestehen soll, das Gericht also die Verwaltungsentscheidung nicht zum Nachteil des Klägers veränn Vgl. dazu unten§ 12 II 1 a . zo Im Ergebnis ebenso Jiilicher S. 61 f.; DiszH RhPf in OVG Koblenz E 10, 326, 331; a. A.: Behnke I Amelung § 31 Rdnr. 34; Behnke I Leußer Vorb. 28 vor § 79; Claussen I Jantzen Rdnr. 8 vor § 79; differenzierend: Lindgen Hdb. S. 503; Lochbrunner § 31 Rdnr. 313; Schütz§ 29 Rdnr. 4. ' Allg. Meinung; vgl. etwa Freitag Diss. S. 132; Klinger § 88 Anm. C 1, § 141 Anm. A 1; Koehler 88 Anm. III 1, § 141 Anm. 111 4f; Lieb S. 67; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 4; Schunck I De Clerck § 88 Anm. 2 a, § 141 Anm. 1; UZe VwGO Anm. zu § 129. 2 Freitag Diss. S. 132; ähnlich Kopp§ 146 Anm. 1. s Vgl. oben AI 5; ebenso Freitag Diss. S. 131. ' Vgl. dazu Menger System S. 141 f.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
dern darf5 • Ein grundsätzlicher Unterschied des erstinstanzliehen Verfahrens zu den Rechtsmitteln ist insoweit nicht erkennbar, insbesondere unterscheidet das Gesetz für die Geltung des Verbots auch sonst nicht zwischen angefochtenen richterlichen und nichtrichterlichen Entscheidungen6. 3. Die Regelung des§ 113 Abs. 2 VwGO
Mithin gilt für alle Instanzen der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Verbot der reformatio in peius. Ob sich indes etwas anderes aus§ 113 Abs. 2 VwGO für Verwaltungsakte, die eine Leistung in Geld oder anderen vertretbaren Sachen festgesetzt oder eine Feststellung getroffen haben, ergibt, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt7. Der Wortlaut des Gesetzes deutet zwar auf eine freie Entscheidungsmöglichkeit des Gerichtes hin, zumal sich die Fassung der Vorschrift an die früheren süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetze anlehnt, die eine Zulässigkeit der reformatio in peius kannten8 • Andererseits wäre aber heute eine Ausnahme vom Verbot der reformatio in peius allein in diesen Fällen ohne inneren Grund und deshalb willkürlich9• Folglich muß sich das grundsätzliche Verbot der reformatio in peius auch auf diese Verwaltungsakte erstrecken. U. Das Sozialgerichtsgesetz
Das Sozialgerichtsgesetz sieht wie die Verwaltungsgerichtsordnung für die erste Instanz eine Bindung an die Anträge vor (§ 123), aus der in dieser unmittelbar und in den Rechtsmittelverfahren auf Grund der Verweisungen(§§ 153 Abs. 1, 165 SGG)1° bzw. einer Analogie11 ein Verbot der reformatio in peius folgt. ' Ebenso im Ergebnis Eyermann I Fröhler § 88 Rdnr. 2; Freitag Diss. S. 131; Klinger § 88 Anm. C 1; Koehler § 88 Anm. III; LiebS. 67; Menger in Staatsbürger und Staatsgewalt II S. 443; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 4; Schunck I De Clerck § 88 Anm. 2 a; Ule VwGO Erl. zu § 88; BVerwGE 23, 319, 321; BVerwG Buchholz 427.3 § 359 LAG Nr. 29; ebenso Jesch DÖV 1955, 391 Fn. 9 zur Rechtslage vor der VwGO. e Vgl. oben AI 4 zur Erinnerung. 7 Für die Geltung des Verbots auch in diesem Falle etwa: Freitag Diss. S. 133 f.; LiebS. 67 f. (m. w. N.); Naumann NJW 1963, 1704; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 4, § 113 Rdnr. 4; Schunck I De Clerck § 113 Anm. 2 d aa; BVerwG Buchholz 427.3 § 359 LAG Nr. 29; a. A.: Klinger § 88 Anm. C 2, § 113 Anm. B 6 a; Lang VwA 1961, 184. s V gl. Lieb S. 68 Fn. 1. e Es dürfte darum richtig sein, in § 113 Abs. 2 VwGO von vornherein nur eine Ausnahme zu Abs. 1 dieser Vorschrift, nicht jedoch zu § 88 VwGO zu erblicken; so Freitag Diss. S. 113 f. 10 Dapprich S. 44, 160; Freitag Diss. S. 144; Hofmann I Schroeter § 123 Anm. 1; Lieb S. 67; Mellwitz § 123 Rdnr. 5; Peters I Sautter I Wolff § 123
C. III. Die Finanzgerichtsordnung
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m. Die Finanzgerichtsordnung Seit der Einführung der Finanzgerichtsordnung ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren eine reformatio in peius unzulässig. Das Gesetz gibt das wiederum für die erste Instanz und die Revision durch die Antragsbindung der Gerichte zu erkennen(§ 96 Abs. 1 S. 2 FG0)12 , während bei der Beschwerde13 und der Erinnerung14 mangels einer derartigen Vorschrift von deren analoger Geltung auszugehen ist. § 100 Abs. 2 FGO, der § 113 Abs. 2 VwGO entspricht, gestattet aus den oben genannten Gründen ebensowenig eine Ausnahme vom Verbot der reformatio in peius15. D. DAS VERFAHREN DER FREIWILLIGEN GERICHTSBARKEIT 1. Die Beschwerde
a) Läßt sich in den bisher erörterten Verfahrensrechten die Frage nach der Geltung eines Verbots der reformatio in peius im allgemeinen verhältnismäßig leicht und sicher beantworten, so bereitet ihre Lösung für das Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit {§§ 19 ff. FGG) bedeutende Schwierigkeiten. Dementsprechend werden hierfür auch recht unterschiedliche Lösungen angeboten1. Die beiden Gegenpole bilden die- überholte- Ansicht, ein Verbot der reformatio in peius könne im Verfahren der freiwilligen GerichtsAnm. 4, § 160 Anm. 2 b; Rower-Kahlmann § 123 Rdnr. 10; Schratt § 123 Anm. 5, § 170 Anm. 2; BSGE 2, 225, 228f.; 7, 178, 179; BSG Breithaupt 1968, 9, 11. u Für das Beschwerdeverfahren; vgl. Freitag Diss. S. 144 f. 12 Für das erstinstanzliehe Verfahren: Becker I Riewald I Koch § 100 FGO Anm. 1 b (1); BeUstedt NJW 1967, 860; Kruse § 29 II; Kühn I Kutter § 96 FGO Anm. 4; Tipke I Kruse § 96 FGO Rdnr. 18; Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 101; BFHE 86, 178, 181; 91, 523, 524f.; 102, 202, 205; für die Revision (mit zum Teil abweichender Begründung): Becker I Riewald I Koch § 100 FGO Anm. 1 b (8); v. Wallis in Hübschmann I Hepp I Spitaler § 100 FGO Anm. 64; Lieb S. 67; Tipke I Kruse § 100 FGO Rdnr. 6 (cc); Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 101; BFHE 86, 178, 180; 86, 783, 784; so auch die Motive des Gesetzes; vgl. oben § 6 Fn. 34. 18 Vgl. BFHE 103, 316, 319 f.; BFH BStBl 1969 II, 657, 659; 1970 II, 251 f. (für die Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren). 14 Kaiser DStR 1968, 440; FG Baden-Württemberg EFG 1969, 313; FG Harnburg EFG 1968, 138 f. 16 Vgl. oben I 3; h. M.: Becker I Riewald I Koch § 100 FGO Anm. 1 b (2); Kühn/Kutter§ 100 FGO Anm. 2a; LiebS. 68 Fn. 1; Tipke!Kruse Einf. FGO Rdnr. 14; Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 98; a. A.: Kalthoff FR 1966, 528; Werner DStR 1966, 413 Fn. 7. 1 Übersichten über den Meinungsstand etwa bei Fenn S. 205 f.; Jansen § 25 Rdnr. 9; Keidell Winkler § 19 Rdnr. 90 ff.; Lieb S. 84 ff.; jeweils mit zahlreichen Nachweisen.
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
barkeit grundsätzlich nie bestehen2 und die neuerdings im Vordringen begriffene Auffassung, das Verbot müsse auch bei der Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit in jedem Falle gelten8• Ihnen beiden stehen eine Reihe sich teils überschneidender vermittelnder Anschauungen gegenüber. Einige wollen nur in den echten Streitverfahren ein Verbot der reformatio in peius anerkennen\ die wohl herrschende Meinung dehnt dagegen den Geltungsbereich des Verbots darüber hinaus auf alle Antragsverfahren - im Gegensatz zu den Amtsverfahren - aus5, und häufig wird als zusätzliches Kriterium noch das Ausmaß der beteiligten Interessen genannt, wobei ein überwiegend privates Interesse für das Verbot sprechen6, ein stärkeres öffentliches Interesse jedoch ein Verbot der reformatio in peius ausschließen solF. Schließlich werden hiervon nicht nur wiederum für einzelne Verfahren Ausnahmen gemacht8, sondern mitunter wird auch eine allgemeine Stellungnahme zum Verbot der reformatio in peius für die freiwillige Gerichtsbarkeit ganz abgez BayObLG Recht 24 (1920) Nr. 3471; OLG Kassel SeuffA 62 Nr. 245 (S. 431). a Bärmann § 31 II 5; Baur Lb. § 29 D I 5; Fenn S. 208 f.; ders. AcP 171, 554 f.; Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 16; Josef ZZP 33, 521 ff.; Lieb S. 49; Magen S. 59 f., 67; Schiedermair AcP 154, 449; Unger ZZP 41, 147; OLG Colmar OLGE 10, 28; grundsätzlich auch KG RJA 14, 96, 97. ' So wohl Barnstedt RdL 1959, 144, 145; Habscheid JZ 1956, 373; BGHZ 19, 196, 199; OLG Celle NJW 1954, 1648; OLG Hamm JMBlNW 1948, 246, 247; OLG München MDR 1951, 488. & Für die grundsätzliche Geltung des Verbots (zumindest) in allen Antragsverfahren: Jansen § 25 Rdnr. 9; Keidel I Winkter § 19 Rdnr. 90; Zimmermann Rpfleger 1959, 256 f.; KG OLGE 12, 204; JFG 21, 227, 228; für die Zulässigkeit der reformatio in peius (jedenfalls) in den Amtsverfahren: Habscheid § 34 III 3; Pikart I Henn S. 127; Zimmermann Rpfleger 1959, 258 f.; KG OLGE 12, 204; NJW 1955, 229, 230; BayObLGZ 1961, 277, 279; 1964, 122, 123; 1970, 89, 92; 1970, 94, 99; OLG Köln OLGZ 1966, 76, 77; vgl. auch KG NJW 1969, 436. • Lange I Wutff HöfeO 3. Aufl. Nr. 632 (in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten); dies. LwVG § 22 Anm. XII; BGH LM Nr. 2, 3 zu § 33 I LVO; BayObLGZ 1966, 102; BayObLG FamRZ 1971, 34; OLG München MDR 1951, 488. 7 Keidel JZ 1953, 304; Keidet I Winkter § 19 Rdnr. 90; Lange I Wutff HöfeO Nr. 632; Rötetmann RdL 1953, 113; SchlegelbergeT § 25 Anm. 12; v. Werner RdL 1949, 62; Zimmermann Rpfleger 1959, 258; BGH LM Nr. 2, 3 zu § 33 I LVO; BayObLGZ 1961, 227, 229; 1966, 102, lOB; OLG Freiburg RdL 1951, 27; OLG Hamm JMBlNW 1948, 246, 247; OLG München NJW 1952, 629; LG Darmstadt MDR 1958, 344; vgl. auch Jansen § 25 Rdnr. 10 im Gegensatz zu Rdnr. 9. s So soll etwa im Hausratsverfahren als einem echten Streitverfahren (Keidel I Winkter § 12 Rdnr. 110 lit. n) bei der Verteilung des Hausrats dennoch eine reformatio in peius zulässig sein; so BGHZ 18, 143, 145 f.; zust. Erman I Ranke § 14 HausrVO Rdnr. 8; Hoffmann I Stephan § 14 HausrVO Rdnr. 24; Keidel JZ 1955, 709; a. A.: FennS. 179; Jansen § 25 Rdnr. 9; Keidet I Winkter § 12 Rdnr. 90; Lieb S. 85 Fn. 6; BayObLGZ 1956, 265, 268; 1965, 227, 231; 1970, 239, 240; OLG Hamm NJW 1969, 886.
D. Das Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
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lehnt und nur gefordert, man müsse den Besonderheiten des einzelnen Verfahrens Rechnung tragenD. b) Legt man an die Entscheidung die oben10 entwickelten Maßstäbe an, so erweisen sich die meisten Merkmale, auf denen die genannten Meinungen aufbauen, als untauglich. Weder rechtfertigt das Wesen der Beschwerde11 oder die Abhängigkeit des Beschwerdeverfahrens vom Willen des Beschwerdeführers12 bzw. sein angeblicher Beschwerdeantrag13 ein stets geltendes Verbot der reformatio in peius, noch spricht für dieses ein privates Interesse der Beteiligten oder steht andererseits das öffentliche Interesseu oder eine fehlende Bindung an die Beschwerdeanträge15 einem Verbot entgegen. Auch die Unterscheidung zwischen Antrags- und Amtsverfahren ist keine zulässige Differenzierung18. Allerdings findet sich unter den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren keine Bestimmung, die sich nach den dargelegten Grundsätzen entscheidend für oder gegen das Verbot anführen ließe, so daß das Gesetz in dieser Beziehung lückenhaft ist17• Zur Ausfüllung dieser Lücke bietet sich auf der einen Seite ein Blick auf die Vorschriften der jeweiligen Gesetze über das erstinstanzliehe Verfahren an - mit dem Ergebnis, daß das Verbot der reformatio in peius zwar nicht für jedes Antragsverfahren, aber doch für die Antragsverfahren mit Bindung an die Sachanträge gelten müßte18 - oder auf der anderen Seite eine analoge Anwendung der Zivilprozeßordnung für die echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit111• Denkbar ist es weiterhin als dritte Möglichkeit, die Bestimmungen des erstinstanzliehen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens heranzuBGH LM Nr. 2, 3 zu§ 33 I LVO; OLG Hamm OLGZ 1971, 87, 88. Oben §§ 3 ff., insbes. § 8. u So BauT Lb. § 29 D I 5; Josef ZZP 33, 521, 524; vgl. auch Fenn S. 208; deTs. AcP 171, 554; Lieb S. 47, 49; dazu oben § 6 II 2 b cc (ß, y). Gegen diese Beweisführung oben § 7 I. 12 FennS. 208 f.; ders. AcP 171, 554; MagenS. 59 f.; s. dazu oben§ 8 I 6. 13 So insbes. Fenn S. 208; vgl. hierzu oben § 6 II 2 b cc. u s. oben § 8 I 7. u Vgl. oben § 8 I 2 b; a. M. z. B. BGHZ 18, 143, 145 f. für das Hausratsverfahren; ferner Keidel JZ 1955, 709. 16 S. oben § 8 II 2 a. 17 Eine Ausnahme gilt insoweit für das Landwirtschaftsverfahren, in dem wegen der Zulässigkeit einer Anschlußbeschwerde (§§ 22 Abs. 2, 28 Abs. 2 LwVG) ein Schluß auf die Geltung des Verbots erlaubt ist; vgl. oben § 8 I 5 a; ebenso Keidell WinkleT § 19 Rdnr. 90 m. w. N. 1s Vgl. oben§ 8 II 2 b. 18 So befürwortet Riedel RdL 1952, 144 eine Analogie zum Zivilprozeß für alle Verfahren, die durch Sachanträge geprägt seien und im wesentlichen private Streitigkeiten darstellten, während Habscheid § 34 III 3 insgesamt eine Analogie zum Zivil- und Strafprozeß in Betracht zieht. 8
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7 Kapsa
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
ziehen. Auch die verwaltungsbehördlichen Entscheidungen ergehen teils auf Antrag, teils von Amts wegen, sie berühren in der Regel wie auch viele Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - die öffentlichen Belange in wesentlichem Umfang. Das daraus entstehende Kontrollinteresse der Allgemeinheit ist dort sogar wesentlich größer, weil die Verwaltungsakte wegen der Vielzahl der Verwaltungsvorgänge und der ungünstigeren personellen Besetzung der Verwaltungsbehörden eine geringere Richtigkeitsgewähr bieten als die in engen verfahrensrechtlichen Grenzen ergehenden Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dessenungeachtet hat der Gesetzgeber jedoch nunmehr in allen Zweigen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Verbot der reformatio in peius in bezug auf die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden angeordnet20• Daraus läßt sich m. E. nur der Schluß ziehen, daß die heutige Rechtsordnung erst recht in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine reformatio in peius nicht mehr gestattet, ohne Rücksicht darauf, welche Interessen im einzelnen beteiligt und wie die Verfahren sonst geordnet sind. Die erstinstanzliehen Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedürfen weder einer weitergehenden Kontrolle als die Verwaltungsentscheidungen noch sind die beteiligten öffentlichen oder anderweitigen privaten Interessen hier stärker als dort. 2. Die Erinnerung
Ein Verbot der reformatio in peius gilt demzufolge auch für die Erinnerung nach § 11 RPflG, sofern diese statt der Beschwerde zulässig ist21• E. DIE VERWALTUNGSBEHÖRDLICHEN VERFAHREN I. Der Widerspruch nach der VwGO 1. Der Meinungsstand
Weitgehend ungeklärt ist das Problem der reformatio in peius auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren, insbesondere im Widerspruchs20 S. oben C. Insoweit ist die Ansicht RiedeZs (RdL 1952, 144 f.) überholt. Riede! kommt auf Grund einer Analogie zum Verwaltungsprozeß bei den Verfahren mit der Möglichkeit bloßer Verfahrensanträge und hineinspielender öffentlicher Interessen zu dem Schluß, in ihnen müsse eine reformatio in peius zulässig sein, da auch im Verwaltungsstreitverfahren ein Verbot der reformatio in peius grundsätzlich nicht gelten könne. Mit der Einführung der FGO ist nunmehr auch die letzte Stütze dieser Auffassung (§ 243 Abs. 3 RAO a. F.) entfallen. Abl. auch LiebS. 27 Fn. 1; Zimmermann Rpfleger 1959, 260. 21 Ebenso Lieb S. 89 ff., 92; a. A.: ArnoZd I Meyer-StoZte 11.4.1; differenzierend Hofmann I Kersting § 10 Anm. 3 E c; Jansen § 19 Rdnr. 52.
E. I. Der Widerspruch nach der VwGO
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verfahren der Verwaltungsgerichtsordnung, das die früheren Einspruchs- und Beschwerdeverfahren als Vorverfahren grundsätzlich abgelöst hat1• a) Während die herrschende Meinung, insbesondere die Rechtsprechung, sich für diese verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfe stets gegen ein Verbot der reformatio in peius wandte2 - Ausnahmen waren nur für einige bestimmte Verfahren anerkannt3 - und dabei auch für das Vorverfahren der Verwaltungsgerichtsordnung verblieb', spricht sich eine wachsende und heute in der Lehre überwiegende Meinung grundsätzlich für ein Verbot auch im Verwaltungsverfahren aus5 und will etwas anderes in der Regel nur beim Vorliegen von Widerrufsgründen6 oder lediglich für die abändernde Entscheidung einer Aufsichts1 Zwei für das Verbot der reformatio in peius bedeutsame Ausnahmen bestehen im Beschwerdeverfahren nach dem Lastenausgleichsgesetz und dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (§ 190 Abs. 1 Nr. 1 und 7 VwGO), da in beiden Gesetzen die reformatio in peius bei der Beschwerdeentscheidung ausdrücklich zugelassen wird (§ 337 Abs. 2 LAG- vgl. dazu BVerwGE 40, 25, 29; § 21 Abs. 2 KgfEG). 1 Bettermann Gedächtnisschrift f. Jellinek S. 388; Dernedde DVBI 1950, 656; Eyermann I Fröhler VGG § 40 Anm. 1; Haueisen NJW 1959, 700; v. Köhler S. 251; Magen S. 24, 56; v. Turegg I Krauss S. 295; BVerwG MDR 1957, 761 (für das Einspruchsverfahren); OVG Berlin E 6, 171, 173 f.; OVG Harnburg DVBl 1957, 284, 285 (für den Einspruch); OVG Lüneburg E 6, 309, 311 (für die Beschwerde); ebenso schon RVerwGE 1, 397, 403 (für die Beschwerde nach der KriegssachschädenVO); einschränkend 0. Mayer S. 129 Fn. 13. a So für die Beschwerde im Soforthilferecht: BVerwG Buchholz 427.1 § 69 Nr. 2, § 36 Nr. 3; vgl. auch OVG Lüneburg E 2, 222, 224 zur Entscheidung der Schlichtungs- und Spruchstellen über die Anfechtung einer Verfügung des Wohnungsamts. 4 Freitag Diss. S. 77 ff.; ders. VwA 56, 333; Kopp § 68 Anm. 4; Kratzer BayVBl 1960, 173; Menger VwA 54, 200; Sahtmüller BayVBl 1973, 543; Tschira/ Schmitt Glaeser S. 102 f.; Weides JuS 1964, 484; BVerwGE 14, 175, 178 ff.; BVerwG DÖV 1969, 400, 401; DVBI 1970, 62, 64; DÖV 1972, 789 f.; BayVGH DÖV 1972, 318; BayVBl 1973, 556; OVG Lüneburg E 21, 367, 369; grundsätzlich auch Eyermann/ Fröhler § 73 Rdnr. 7; einschränkend Wolff III § 161 Vf 5. s Zum früheren Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren: Fleiner S. 234; Forsthoff 8. Auß. S. 485 (in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten); Hufnagel DVBI 1950, 205; v . Husen § 45 Anm. 7; Ringe DVBI 1957, 677; BayVGH DÖV 1953, 93 Nr. 73 (LS); DVBI 1960, 441; grundsätzlich auch Herrnritt S. 494 f.; zum Widerspruch nach der VwGO: Brandner S. 120 f., 124 f.; Forsthoff 8. Aufl. S. 498; Klinger § 73 Anm. B 3 c; Koehler Vorb. VII vor § 68; Lieb S. 69, 75; v. Mutius S. 223; Redeker I v. Oertzen § 73 Rdnr. 18; Renck BayVBl 1974, 639 f.; Schiedermair BayVBl 1961, 359; Schunck I De Clerck § 73 Anm. 4 c; Ule VwGO §§ 69-73 Anm. V; ders. Lb. § 24 III 1; wohl auch Menger I Erichsen VwA 57, 285; dahingestellt jetzt auch von BVerwG DÖV 1972, 209, 210. 1 Lieb S. 79 f.; Redeker I v. Oertzen § 73 Rdnr. 18; im Ergebnis ähnlich Freitag Diss. S. 81 ff., 103; ders. VwA 56, 333 ff., 345. Demgegenüber verweisen Klinger § 73 Anm. B 4 und Schroeder-Printzen SGb 1966, 395 insoweit auf einen Widerruf außerhalb des Widerspruchsverfahrens.
100
§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
behörde7 gelten lassen. Allerdings führt diese Einschränkung häufig zu demselben Ergebnis wie die herrschende Meinung, da in der Regel die Widerspruchsbehörde zugleich AufsiclJ.tsbehörde ist (s. § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). b) Die herrschende Meinung erblickt im Verbot der reformatio in peius ein Institut des gerichtlichen Verfahrensrechts8, dessen Übernahme in das Verwaltungsverfahrensrecht an den Besonderheiten dieses Verfahrens scheitern muß. Einer Anwendung des Verbots im Verwaltungsverfahren stehe die Einheit der Verwaltung entgegen, die einen Verwaltungsakt erst dann rechtsbeständig werden lasse, wenn das gesamte verwaltungsbehördliche Verfahren abgeschlossen sei9• Darüber hinaus diene der verwaltungsbehördliche Rechtsbehelf auch weniger dem Rechtsschutz des Betroffenen als der Selbstkontrolle der Verwaltung10• Ferner ständen den Verwaltungsbehörden bereits außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens regelmäßig Eingriffsbefugnisse zu, die durch dieses nicht beseitigt werden könnten11, und endlich fehle es auch an der erforderlichen Möglichkeit eines Anschlußrechtsmittels12• c) Demgegenüber erkennt die Gegenmeinung den Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Sie weist stattdessen vor allem auf das Rechtsschutzziel auch der verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfe ihrer Natur oder ihrem Sinne nach13 1 Fteiner S. 234; Forsthoff 8. Aufl. S. 485 f.; vgl. auch Schiedermair BayVBl 1961, 362, der zwar nicht im Widerspruchsverfahren, aber im Aufsichtsverfahren eine reformatio in peius für möglich hält; gegen diese Differenzierung LiebS. 73; abl. auch Renck BayVBl1974, 640. s OVG Harnburg DVBl 1957, 284, 285; ähnlich Bettermann Gedächtnisschrift f. Jellinek S. 388. s Sahtmüller BayVBl 1973, 544; Tschira I Schmitt Glaeser S. 102 f.; Weides JuS 1964, 484; BVerwGE 14, 175, 180. Deshalb mißt das Bundesverwaltungsgericht, das bei der Frage nach einer Geltung des Verbots der reformatio in peius wie für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts zwischen der Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit abwägen will (BVerwGE 14, 179; s. dazu oben § 4 I 1), dem Vertrauensschutz des einzelnen in aller Regel auch kein größeres Gewicht bei (BVerwGE 14, 180; ebenso Eyermann I Fröhler § 73 Rdnr. 7; Sahtmüller BayVBl 1973, 543; Tschira I Schmitt Glaeser S. 102; BayVGH DÖV 1972, 318; BayVB11973, 556; OVG BerlinE 6, 171, 174; OVG Lüneburg E 21, 367, 370; abl. Brandner S. 56 f. 1o MengeT VwA 54, 200; Sahlmüller BayVBl 1973, 543; Tschi ra I Schmitt Glaeser S. 102; Weides JuS 1964, 484; OVG Lüneburg E 21, 367, 370. 11 Magen S. 56; BVerwG MDR 1957, 761; BayVGH DÖV 1972, 318; ähnlich auch RGZ 79, 424, 427. 12 BVerwGE 14, 175, 180. 13 Forsthoff 8. Aufl. S. 485, 498; Hufnagel DVBl 1950, 205; Klinger § 73 Anm. B 4; MengeT! Erichsen VwA 57, 283, 285; 60, 381; Ule Lb. § 24 III 1; ähnlich Schroeder-Printzen SGb 1966, 392 f. (für das Widerspruchsverfahren des SGG unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien); vgl. auch Ringe DVBI 1957, 677; Schiedermair BayVB11961, 359.
E. I. Der Widerspruch nach der VwGO
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oder - speziell für das Widerspruchsverfahren der Verwaltungsgerichtsordnung - wegen der auf die Regelung eines Rechtsschutzverfahrens beschränkten Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers14 hin, betrachtet das Verbot der reformatio in peius als ganz allgemein geltenden Grundsatz15 oder begründet es hier wie auch in den gerichtlichen Verfahren aus den Dispositionsmöglichkeiten des Widerspruchsführers über die Durchführung des Verfahrens16• Dieser dürfe nicht der Gefahr einer Schlechterstellung ausgeliefert werden17. Schließlich folgert Ule das Verbot im Widerspruchsverfahren aus § 73 Abs. 1 i. V. m. §§ 71 - 72 VwG01B. 2. Die Bestimmungen über das Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO)
a) In der Tat sieht der damit u. a. angesprochene § 72 VwGO für die Ausgangsbehörde, die nicht selbst Widerspruchsbehörde ist (arg. § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), lediglich eine abhelfende Entscheidung vor und schließt somit eine nachteiligere Entscheidung durch sie im Widerspruchsverfahren aus19• Trotzdem handelt es sich dabei nicht um ein Verbot der reformatio in peius i. S. des hier untersuchten Instituts20 mit allen sich daraus für den möglichen Inhalt der Entscheidung (einschließlich einer etwa zulässigen Verschlechterung in Ausnahmefällen21) ergebenden Folgen, sondern die auf bloße Abhilfe eingeengte Kompetenz der Ausgangsbehörde stellt eine nach Zweck und Umfang vom Verbot der reformatio in peius zu unterscheidende Beschränkung ihrer Entscheidungsgewalt dar. Sinn dieser Bestimmung ist wie etwa auch bei § 571 ZPO, zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens eine zusätzliche, die Entscheidung der höheren Instanz jedoch nicht vollständig ersetzende Prüfungsmöglichkeit der Unterinstanz zu schaffen, während beim Verbot der reformatio in peius die Entscheidungskompetenz nicht aus verfahrenstechnischen Gründen, sondern zum Schutze des Anfechtenden beschnitten ist22• An diesen unterschiedu v. Mutius S. 223.
Klinger § 73 Anm. B 4; vgl. auch Hofmann I Schroeter § 123 Anm. 1; RVA AN InAV 1895, 37; AN 1896, 177, 178. 18 v. Husen § 45 Anm. 2; Lieb S. 78 f.; BayVGH DVBl 1960, 441; vgl. auch 15
Brandner S. 69 ff. 17 Klinger § 73 Anm. B 4; ebenso Schroeder-Printzen SGb 1966, 393. 18 Ule VwGO §§ 69- 73 Anm. V; ders. Lb. § 24 III 1; vgl. auch Menger I Erichsen VwA 57, 284. 19 Freitag Diss. S. 74; ders. VwA 56, 330; Lieb S. 69; v. Mutius S. 222; Ule VwGO §§ 69- 73 Anm. V. 20 A. A.: Laubinger JA 1970, 546 (ÖR 160); Lieb S. 69; wohl auch Freitag Diss. S. 74; ders. VwA 56, 330. 21 Hierzu unten § 12. 22 Vgl. oben § 8 vor I.
102
§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
liehen Zwecken hat sich mithin die Beurteilung, welche Entscheidungen dem Gericht oder der Behörde jeweils verboten sind, auszurichten, so daß auch insoweit eine mit dem Verbot der reformatio in peius nicht vergleichbare Situation besteht. Ebensowenig wie § 571 ZPO für die Beschwerde sagt deshalb § 72 VwGO etwas über die Geltung des Verbots der reformatio in peius im Widerspruchsverfahren aus2a. b) Auch die anderen Vorschriften des Widerspruchsverfahrens enthalten hierfür keine brauchbaren Hinweise. Die Überprüfung des Verwaltungsakts auf Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit (§ 68 VwGO) besagt zwar, daß der Widerspruch ein "Anfechtungsmittel" ist, doch läßt sich allein damit das Verbot der reformatio in peius nicht begründen2', und§ 71 VwGO setzt nicht schon deshalb, weil er die Gewährung rechtlichen Gehörs allein bei der Beschwer eines Dritten vorschreibt, voraus, es dürfe gegenüber dem Widerspruchsführer keine zusätzliche Beschwer (d. h. keine reformatio in peius) geben. Eine solche Pflicht würde in einem derartigen Falle ihm als Verfahrensbeteiligten gegenüber schon aus allgemeinen Grundsätzen folgen25 und bedürfte keiner besonderen gesetzlichen Anordnung. § 79 Abs. 2 S. 1 VwGO geht auf der anderen Seite zwar von der Möglichkeit einer derartigen zusätzlichen Beschwer aus, ohne jedoch etwas über ihre Zulässigkeit zu besagen, da er nur eine besondere verfahrensrechtliche Regelung dieses Falles vorsieht28• Schließlich ist § 73 VwGO als eigentliche sedes materiae der Widerspruchsentscheidung gänzlich unergiebig27, und auch die fehlende Normierung eines Anschließungsrechtes ist kein Beweis für die Zulässigkeit einer reformatio in peius2B. ta Vgl. für die höhere Behörde Freitag Diss. S. 76; ders. VwA 56, 332, Lieb S. 69, 74; a.A.: Brandner S. 86ff. " Vgl. oben § 7 I 4; abl. auch Menger I Erichsen VwA 57, 284.
!5 Zur Notwendigkeit rechtlichen Gehörs gegenüber dem Widerspruchsführer vor einer reformatio in peius vgl. Freitag Diss. S. 104 f.; ders. VwA 56, 345 f. (m. w. N.); allgemein zum rechtlichen Gehör im Verwaltungsverfahren z. B. Dürig in Maunz I Dürig I Herzog Art. 103 Rdnr. 92 ff.; Wolff III § 156 IV d 1-3, § 171 VII h. Im Ergebnis wie hier Brandner S. 86; Freitag Diss. S. 76; ders. VwA 56, 332 und fast wörtlich wie dieser Lieb S. 74, die indessen die Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren betonen. te Brandner S. 46 f.; Lieb S. 74; Menger I Erichsen VwA 57, 284; ähnlich Freitag Diss. S. 59, 76; ders. VwA 56, 314, 332; a. A.: Schunck I De Clerck § 73 Anm. 4 c (zu§ 78 Abs. 2); Tschira I Schmitt GZaeser S. 102. !7 Vgl. Freitag Diss. S. 75; ders. VwA 56, 332; Lieb S. 74; insgesamt gegen eine Beweisführung aus den §§ 71 - 73 VwGO auch Kratzer BayVBl 1960, 173; Laubinger JA 1970, 547 (OR 161); a. A.: UZe §§ 69-73 Anm. V; diesem vorsichtig zustimmend Menger I Erichsen VwA 57, 284. ta BVerwGE 14, 175, 180; s. dazu oben§ 8 I 5 b.
E. I. Der Widerspruch nach der VwGO
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3. Der Zweck des Vorverfahrens Angesichts dieses unbefriedigenden Ergebnisses liegt der Versuch nahe, die Lösung allein aus der Anlage sowie dem Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens zu gewinnen; er führt indessen ebensowenig zum Ziel. Die Berufung auf das "Wesen" des Widerspruchs als Rechtsschutzverfahren ist grundsätzlich kein taugliches Beweismittel20, dasselbe gilt von den Hinweisen auf die Dispositionsmöglichkeiten des Widerspruchsführers30 oder der Behauptung, er dürfe nicht der Gefahr einer Verschlechterung ausgesetzt werden31. Nicht überzeugend sind ferner die übrigen Begründungen aus dem Zweck des Widerspruchs. Der Widerspruch dient sowohl der Selbstkontrolle der Verwaltung als auch dem Rechtsschutz des Betroffenen, so daß das Verhältnis dieser Ziele zueinander und damit das Problem der reformatio in peius vom Zweck her offenbleibt32• Die gegenteilige Ansicht v. Mutius', der wegen der beschränkten Bundesgesetzgebungskompetenz ein reines Rechtsschutzverfahren annehmen will33, geht zu Unrecht von der Unvereinbarkeit beider Ziele unter dem Gesichtspunkt eines quasi-gerichtlichen Verfahrens aus, das der Bundesgesetzgeber allein habe einführen können34• Auch das gerichtliche Verfahren kannte und kennt noch heute in geringerem Umfang eine ausdrückliche Zulässigkeit der reformatio in peius35, selbst dieses ist also nicht notwendig ein ausschließliches Rechtsschutzverfahren. Dann könnte aber ein verwaltungsbehördliches Rechtsbehelfsverfahren gleichermaßen eine reformatio in peius gestatten, 29 Ähnlich Freitag Diss. S. 64; ders. VwA 56, 325; Laubinger JA 1970, 545, 547 (ÖR 159, 161); LiebS. 73 f. ao Eine Bindung der Widerspruchsbehörde an die Anträge des Widerspruchsführers kann aus dessen Rechten in bezug auf die Einleitung und Durchführung des Verfahrens nicht hergeleitet werden; vgl. oben § 8 I 6. Gegen eine Antragsbindung im Widerspruchsverfahren auch Freitag VwA 56, 333; Menger I Erichsen VwA 57, 283; Redeker I v. Oertzen § 73 Anm. 16; wohl auch v. Mutius S. 221 f.; ebenso Ringe DVBl 1957, 677 für das frühere Beschwerdeverfahren. Das gesteht auch Lieb selbst ein (Lieb S. 78 unter Hinweis auf die Beschwerde, S. 78 Fn. 4; hierzu oben§ 6 II 2 b cc). 81 Dazu oben§ 7 I 3; ebenso LiebS. 74. 12 Vgl. Brandner S. 92 ff.; Laubinger JA 1970, 547 (ÖR 161). Abweichend will Lieb S. 73 f. das Widerspruchsverfahren umgekehrt eher als Verwaltungsverfahren ansehen, da der Rechtsschutz des Betroffenen mangels einer Entscheidung unabhängiger Richter ohnehin nur unvollkommen sein könne. Das spräche indessen allenfalls gegen dessen Effektivität, aber weder gegen die Existenz noch gegen Vorrangigkelt eines Rechtsschutzzieles in diesem Verfahren. 33 v. Mutius S. 223; zustimmend Brandner S. 116 f.; ähnlich Renck BayVBl 1974, 640. 14 Abi. auch Laubinger JA 1970, 547 (ÖR 161). u Vgl. oben§ 7 I 1.
104
§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
ohne damit bereits den Charakter eines allgemeinen Verwaltungsverfahrens anzunehmen.
4. Die Analogie zu den Rechtsmittelvorschriften Da sich somit das Gesetz abermals als lückenhaft herausstellt88, ist für eine Antwort auf die Frage nach dem Verbot der reformatio in peius entscheidend, an Hand welcher Gesichtspunkte diese Lücke zu schließen ist. Die vom Bundesverwaltungsgericht31 herangezogene Parallele zur Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte gehört allerdings nicht dazu, da das Verlangen des Betroffenen nach Rechtssicherheit keinen unmittelbaren Bezug zum Verbot der reformatio in peius aufweistas. Vielmehr kommt entweder eine Analogie oder ein Umkehrschluß zu den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über das gerichtliche Verfahren in Betracht; hingegen scheidet eine entsprechende Anwendung etwa des § 248 Abs. 1 S. 2 AO, der im finanzbehördlichen Einspruchsverfahren die reformatio in peius für zulässig erklärt39, aus, weil diese Bestimmung keinen für alle verwaltungsbehördlichen Verfahren verbindlichen Grundsatz enthält und bereits auf die Beschwerde nach der Abgabenordnung nicht übertragen werden kann40• Ist also das Verbot tatsächlich ein für alle Rechtsbehelfe einschließlich der verwaltungsverfahrensrechtlichen allgemein geltender Grundsatz41, dann müßte auch eine solche Analogie zulässig sein, weist das Verwaltungsverfahren hingegen grundsätzliche Unterschiede zu den gerichtlichen Verfahren auf42, würde das einen Umkehrschluß erfordern. Mit einem Hinweis auf die häufig gegebene Befugnis der Verwaltungsbehörden, ihre Entscheidungen von Amts wegen, also ohne Anfechtung seitens eines Betroffenen, wieder zu ändern43 wird indessen ae Ebenso BVerwGE 14, 175, 178 f. Diese Lücke besagt als solche nichts: BVerwGE 14, 175, 178; Schroeder-Printzen SGb 1966, 393; s. oben § 8 II 1. Demgegenüber will Freitag Diss. S. 77; ders. VwA 56, 333 aus dem Fehlen einer den §§ 88, 129, 141 VwGO entsprechenden Vorschrift die Zulässigkeit der reformatio in peius folgern; ebenso neuerdings Sahlmilller BayVB11973, 543. Hiergegen mit Recht Schroeder-Printzen SGb 1966, 393. 37 BVerwGE 14, 175, 179. as S. oben § 4 I 1 b. ae Vgl. unten III 1. co Unten TII 2. "Vgl. oben Fn. 15. u Vgl. oben Fn. 8. a Vgl. oben Fn. 11. Damit ließe sich eine generelle Zulässigkeit der reformatio in peius nur dann begründen, wenn diese Möglichkeit stets gegeben wäre (vgl. oben B III 2 b), andernfalls könnte das Verbot in diesen Fällen
E. II. Das Vorverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz
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noch kein grundlegender Unterschied zwischen beiden Verfahren aufgedeckt; dieses Recht haben zum Teil auch die Gerichte. Vor allem im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht in bestimmten Umfang eine solche Änderungsmöglichkeit (§ 18 FGG), und sogar im streitigen Zivilprozeß sind die Gerichte grundsätzlich an ihre Beschlüsse nicht gebunden44. Auch daß das Widerspruchsverfahren insoweit mit dem gerichtlichen übereinstimmt, als es zugleich den Rechtsschutz des Betroffenen gewährleisten will, wurde oben bereits festgestellt. Endlich ist auch der Grundsatz der "Einheit der Verwaltung" hier nicht mehr als eine petitio principii, da es gerade zu prüfen gilt, ob das Rechtsbehelfsverfahren in dieser Beziehung den übrigen Verwaltungsverfahren gleichsteht. Dasselbe gilt andererseits freilich auch von der Behauptung, das Verbot sei ein allgemeiner Grundsatz45. Offenbar lassen sich zwingende Argumente weder für die eine noch für die andere Lösung finden. Dann dürfte m. E. der grundsätzliche Gedanke v. Mutius' den Ausschlag geben, daß es sich beim Widerspruch nicht um ein reines Verwaltungsverfahren, sondern um ein Vorverfahren vor der Anrufung der Gerichte mit ähnlichen Aufgaben wie im gerichtlichen Rechtsstreit handelt. Da dieses dem Bürger zwingend vorgeschrieben ist, wäre der ihm abverlangte Aufschub gerichtlichen Rechtsschutzes nur schwer zumutbar, wenn er überdies dadurch noch der Gefahr einer Verschlechterung seiner Lage ausgesetzt wäre, die ihn bei sofortiger Klage nicht hätte treffen können46• Mangels gegenteiliger Hinweise im Gesetz - nicht, weil der Gesetzgeber diese Regelung treffen mußte47 - ist also davon auszugehen, daß das Vorverfahren hinsichtlich des Rechtsschutzes ähnlich geordnet ist wie das nachfolgende gerichtliche Verfahren und daß deshalb in Analogie zu den §§ 88, 129 VwGO auch im Widerspruchsverfahren ein Verbot der reformatio in peius besteht. D. Das Vorverfahren nam dem Sozialgeridttsgesetz
Entsprechendes gilt für das Vorverfahren des Sozialgerichtsgesetzes; derselben Ansicht ist hier auch die herrschende Meinung48• lediglich eingeschränkt werden (vgl. unten § 12 II 1 a und 2 a). S. dazu auch Hauei sen NJW 1959, 700 f.; LiebS. 70 Fn. 5 (S. 71), S. 77 Fn. 1, S. 79 ff. " Vgl. (auch zu den Ausnahmen) z. B. Baumbach I Hartmann § 329 Anm. 3 (zu § 318); IStJ I Schumann I Leipold § 329 Anm. II 1. 4G Dagegen auch Zimmermann Rpfleger 1959, 253. " Vgl. Schroeder-Printzen SGb 1966, 394; den Vorschaltcharakter des Verfahrens betont auch Lieb S. 78. 47 So v . Mutius S. 223 und Renck BayVBl 1974, 640 (vgl. oben 3).
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§ 9 Die einzelnen Verfahrensrechte
m. Die RechtsbebeHe der Abgabenordnung 1. Der Einspruch
Beim Einspruch gegen eine Entscheidung der Finanzbehörde hat das Gesetz hingegen besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion des Rechtsbehelfs gelegt49 und die reformatio in peius deswegen ausdrücklich gestattet (§ 248 Abs. 1 S. 2 AO)so. 2. Die Beschwerde
Für das Beschwerdeverfahren läßt dasselbe Gesetz diese Frage andererseits wieder offen. Die herrschende Ansicht hält hier- im Ergebnis wohl zutreffend - entgegen dem Einspruchsverfahren eine reformatio in peius für unzulässig51 • Das dürfte zwar ohne zusätzliche teleologische Begründung weder mit der von § 248 Abs. 1 S. 2 AO abweichenden Fassung des § 249 Abs. 2 S. 2 AO zu rechtfertigen sein52 noch mit einem schlichten Hinweis auf die Rechtsschutzfunktion der Beschwerde53• Dieses Ziel des Vorverfahrens genießt wie auch sonst nicht ohne weiteres Vorrang vor seinen anderen Zwecken54• Richtig hebt indessen v. Wallis55 hervor, daß der Anfechtende bei Zulässigkeit einer reformatio in peius den Schutz der §§ 95 und 96 AO verlieren würde. Es könne nicht Sinn des Rechtsbehelfs sein, der Verwaltung zum Nachteil des Beschwerdeführers weitergehende Eingriffsmöglichkeiten zu eröffnen. 48 Brackmann S. 234 b VII; Dapprich S. 100; Hofmann I Schroeter § 85 Anm. 4; Mellwitz § 85 Rdnr. 6; Miesbach I Ankenbrank § 77 Anm. 2; RohwerKahlmann § 85 Rdnr. 10; Schroeder-PTintzen SGb 1966, 395; a. A.: Freitag Diss. S. 110 f .; ders. VwA 56, 349; Haueisen NJW 1959, 700 f.; Peters I Sautter I Wolff § 78 Anm. 6; LSG NW DOK 1955, 207, 208. 49 Lieb S. 82. so Vgl. dazu Kühn I Kutter § 246 AO Anm. 2; Laubinger JA 1970, 548 (ÖR 162); im Wortlaut ähnlich wie dieser Lieb S. 82; BFHE 86, 783, 784; 94, 310, 311. Ebenso der Entwurf einer AO 1974 § 350 Abs. 2 S. 2 (BT-Drucks. 7179 s. 80). n Becker I Riewald I Koch § 249 AO Anm. 2 (6); v . Waltis in Hübschmann I Hepp I Spitaler § 249 AO Rdnr. 12; Kühn I Kutter § 246 AO Anm. 2; § 249 AO Anm. 4; Laubinger JA 1970, 548; Lieb S. 83; Kruse § 32 II; Tipke I Kruse § 249 AO Rdnr. 3; Ziemer I Birkholz § 100 Rdnr. 102; HessFG EFG 1972, 621, 622. § 351 der AO 1974 ist so unergiebig wie die geltende Fassung. 62 So aber Kruse § 32 II 2; Kühn I Kutter § 246 AO Anm. 2; Laubinger JA 1970, 548; Tipke I Kruse § 249 AO Rdnr. 3; HessFG EFG 1972, 621, 622; vgl. auch v. Wallis in Hübschmann I Hepp I Spitaler § 249 AO Anm. 4. 51 So Lieb S. 83. 54 Vgl. oben § 7 I 2 und zum Widerspruch nach der VwGO oben I 3. " In Hübschmann I Hepp I Spitaler § 249 AO Anm. 4; ebenso wohl Kühn I Kutter § 246 AO Anm. 2; vgl. auch Ziemer I B i rkholz § 100 Rdnr. 102.
E. III. Die Rechtsbehelfe der Abgabenordnung
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In der Tat muß hieran eine entsprechende Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 2 AO auf das Beschwerdeverfahren scheitern; umgekehrt ist auf Grund der §§ 95, 96 AO anzunehmen, daß das Gesetz bei der Beschwerde ein Verbot der reformatio in peius anerkennen will.
4. Abschnitt
Der Umfang des Verhots der reformatio in peius § 10 Die Grundsätze für die Bestimmung des Verbotsumfangs I. Die Fassung des Gesetzes
Welchen Inhalt das Verbot der reformatio in peius hat, d. h. welche Nachteile dem Rechtsmittelkläger nicht über die angefochtene Entscheidung hinaus auferlegt werden dürfen, steht nicht schon für jeden Fall allgemein und "begrifflich" fest1• Wenn es in der Hand des Gesetzgebers liegt, ob er ein Verbot der reformatio in peius überhaupt anerkennen will2, vermag er auch dessen Umfang für jeden einzelnen Rechtsbehelf frei zu bestimmen und kann gegebenenfalls nur einige wenige Nachteile verbieten, im übrigen aber- oder auch beim Vorliegen besonderer Gründe, z. B. einem besonderen öffentlichen Interesse3 - eine reformatio in peius gestatten.
1. Die Vorschriften der Strafprozeßordnung a) Das Verbot der "Strafschärfung" Mithin war es möglich, daß der Gesetzgeber für den Strafprozeß das Verbot der reformatio in peius bisher auf die Änderung "in Art und Höhe der Strafe" beschränkte (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 S. 1, 373 Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) und zugleich bestimmte Maßregeln der Sicherung und Besserung ebenso ausdrücklich von der Geltung des Verbotes ausnahm (§§ 331 Abs. 2, 358 Abs. 2 S. 2, 373 Abs. 2 S. 2 StPO a. F.). Nach der am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Neufassung dieser Vorschriften erstreckt sich das Verbot hingegen nunmehr auf alle Rechtsfolgen der Tat, mit Ausnahme der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPOn.F.). Auch durch eine solche eingehende und deutliche Fassung des Gesetzes werden freilich nicht alle Zweifelsfragen beseitigt. Während die frühere Formulierung noch offenließ, was hinsichtlich der übrigen Vgl. oben§ 1 II 2. S. oben § 7 I 1. a Vgl. etwa§ 80 des früheren süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetzes. 1
2
I. Die Fassung des Gesetzes
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Maßnahmen der Sicherung und Besserung - heute Besserung und Sicherung- zu gelten hatte4, scheint zwar dieses Problem mit der Erweiterung des Wortlauts auf die Rechtsfolgen der Tat (gemäß dem neuen Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches) jetzt gelöst. Vom Gesetzestext her unbeantwortet bleibt aber nach wie vor die Frage, ob und inwieweit einzelne Rechtsfolgen gegeneinander austauschbar sind5 und ferner, ob das Verbot der reformatio in peius gegenüber zwingenden Vorschriften des übrigen Verfahrensrechts Vorrang genießt oder durch diese eingeschränkt wird. b) Das "Benachteiligungsverbot" Demgegenüber verzichtet das Gesetz mit einer Formulierung, die angefochtene Entscheidung dürfe nicht "zum Nachteil" des Rechtsmittelklägers geändert werden (§§ 372 StPO i. d. F. von 18778, 72 Abs. 2 OWiG), zumindest dem Anschein nach völlig auf eine Regelung des Verbotsumfangs. Sofern diese Lücke nicht durch einen Rückgriff auf andere Bestimmungen auszufüllen ist7, bleibt es hier mehr noch als oben der Auslegung überlassen, den Schutzbereich des Verbots an Hand grundsätzlicher Erwägungen abzustecken. c) Die im Strafprozeßrecht entwickelten Grundsätze
Die hierzu für das Strafverfahrensrecht vorgetragenen Überlegungen sind mannigfaltig und fußen in mancher Hinsicht überdies auf den besonderen Verhältnissen des Strafprozesses, doch können sie im wesentlichen auch darüber hinaus Interesse beanspruchen. Das gilt insbesondere für die Frage, welche Nachteile sich als reformatio in peius darstellen - soweit die Antwort nicht durch die Formulierung des Gesetzes vorgegeben ist - und ob entgegenstehende anderweitige Verfahrensvorschriften das Verbot der reformatio in peius zurücktreten lassen. ' Vgl. dazu etwa BGH NJW 1973, 107 f. 5 Dazu z. B. Kleinknecht § 331 Anm. 2, 3. s Diese Fassung galt bis zum Vereinheitlichungsgesetz von 1950 (Art. 3 Nr. 141), soweit das durch die Novelle von 1935 aufgehobene Verbot der reformatio in peius nach 1945 wiederhergestellt worden war; vgl. oben § 2 Fn. 68. 7 In bezug auf § 372 StPO 1877 war die Zulässigkeit einer analogen Anwendung des § 398 Abs. 2 StPO umstritten; vgl. dazu Bennecke I Beting S. 444 f., 592 Fn. 1; E. Fischer S. 20 ff.; Lauckner S. 58 ff. Auf das in § 72 OWiG enthaltene Verbot der reformatio in peius will Kleinknecht § 72 OWiG Anm. 4 offenbar die im Strafprozeßrecht entwickelten Grundsätze übertragen; anders Göhler § 72 Anm. 4 E; Rebmann I Roth I Herrmann § 72 Rdnr. 7.
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§ 10 Die Grundsätze für die Bestimmung des Verbotsumfangs
Die Auffassungen in Lehre und Rechtsprechung reichen dabei von der Ansicht, eine jede Nachteilszufügung gegenüber dem Rechtsmittelkläger sei unzulässig8 über die Einschränkung der reformatio in peius auf rechtliche Nachteile9, auf rechtskraftfähige Feststellungen10 oder den Strafausspruch11 bis hin zur Forderung nach einer schutzwürdigen Stellung12 oder zum Abstellen auf den Einzelfall13• Auf die Gründe der Entscheidung14 sollte sich das Verbot nach herrschender Meinung freilich ebensowenig erstrecken wie auf Prozeßentscheidungen des Rechtsmittelgerichts16, andererseits aber gegenüber zwingenden Verfahrensvoraussetzungen grundsätzlich Vorrang besitzen, so daß sein Schutz nicht schon wegen deren Verletzung entfallen dürfe18. 2. Die Antragsbindung
a) Anders als nach den Vorschriften der StPO kann dem Gesetzes~ wortlautjedoch in den Fällen, in denen sich das Verbot der reformatio in peius nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, sondern lediglich mittelbar aus der Bindung des Gerichtes an die Rechtsmittelanträge ergibt17 so vor allem im Zivilprozeß18 -, keine entscheidende Bedeutung für dessen Inhalt zukommen. Die Anträge könnten allenfalls dann auch s Ganske S. 47; wohl auch KleinfeUer GS 38, 584 f. • E. FischerS. 43. 1o Loos AllgDtStRZ 10 (1870), 470 ff.; WolfS. 4. u Birkmeyer S. 709; H. Seuffert S. 15; RGSt 25, 397, 399; im Ergebnis auch Gerber S. 37 ff., 48 f.; vgl. auch Grethlein S. 32. 11 So Ganske S. 14 für den Strafbefehl und die frühere Strafverfügung. 13 Vgl. etwa RGSt 69, 76, 79. 1' Beting S. 341; Bennecke I Beting S. 444; E. Fischer S. 43; KleinfeUer GS 38, 583; Lauckner S. 76; Mumm ZStW 22, 719 f.; Schwarze GS 18, 384 f.; H. Seuffert S. 71; a. A.: Goltdammer GA 11, 330; Thode S. 44; RGSt 25, 397, 399. Dabei bleibt die Qualifizierung der Tat als speziell strafrechtliches Problem außer Betracht; vgl. dazu z. B. Kleinteller GS 38, 602; Lauckner S . 58 ff.; RGSt 25, 397, 398 f. u E. Fischer S. 10, 58; Gerber S. 46; Haas S. 32; W. Schmidt JR 1950, 198; Thode S. 51. 11 So für die örtliche und sachliche Zuständigkeit: Goltdammer GA 4, 70 f.; ders. GA 8, 318 ff.; Merckel GS 5, 481 f.; Planck Syst. Darst. S. 516; Schwarze GS 14, 297 ff.; vgl. auch Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 3 e; Löwe I Rosenberg I Meyer § 358 Anm. II 2; Kleinknecht § 331 Anm. 6; grundsätzlich auch- falls insoweit keine Rüge erhoben wurde-: KleintellerGS 38, 595 f.; H. Seuffert S. 58 ff.; für entgegenstehende Rechtskraft: Grethlein S . 26; Hanack JZ 1974, 56; Müller I Sax § 411 Anm. 7; BGHSt 18, 127, 129 f.; BGH NJW 1963, 166; BayObLGSt 1953, 34; OLG Hamm MDR 1950, 34; NJW 1970, 1092, 1093; OLG Oldenburg NJW 1959, 1983; a. A.: Schorn S. 163; OLG Dresden JW 1927, 2773 Nr. 33 (wegen angeblicher Nichtigkeit); OLG Düsseldorf NJW 1962, 1320; dahingestellt von BGH NJW 1975, 2027, 2028; beim Fehlen einer ordnungsgemäßen Anschuldigungsschrift: BDHE 3, 110, 111; bei einer Unzulässigkeif des Beschlußverfahrens: OLG Karlsruhe NJW 1974, 1718 f. 11 Vgl. oben§ 8 I 2a. 1s s. oben § 9 A I 1 a.
I. Die Fassung des Gesetzes
111
den Verbotsumfang bestimmen, wenn der Gesetzgeber mit ihnen zugleich eine Regelung über das Ausmaß des mit dem Verbot der reformatio in peius bezweckten Schutzes hätte treffen wollen. Indessen ist eher das Gegenteil anzunehmen. In den Materialien zur Zivilprozeßordnung finden sich in diesem Zusammenhang Ausführungen nur zu den Eidesurteilen, und gerade die Beseitigung ungesetzlicher Eidesauflagen erachteten die Motive trotz der grundsätzlichen Unabhängigkeit dieser Entscheidung von den Anträgen als unzulässige reformatio in peius19• b) Selbst die herrschende Meinung, die das Verbot aus der Dispositionsmaxime ableitet und mitunter sogar ausdrücklich mit dem Inhalt der Rechtsmittelanträge begründet20, stellt bei der Bestimmung des Verbotsinhalts nur zum Teil auf die Reichweite der Antragsbindung ab21, obschon ihr diese Beurteilung hierdurch zwingend vorgezeichnet sein müßte22. Die Vielzahl der von der herrschenden Meinung verwendeten Kriterien, die teils in der Tat als Folgerung aus der Antragsbindung erscheinen, teils aber auch keinen oder keinen unmittelbaren Bezug zu dieser aufweisen und die demzufolge einer klaren Linie entbehrenden Ergebnisse der herrschenden Ansicht bieten ein eher verwirrendes Bild. Soll sich einerseits durch die Rechtsmittelentscheidung allgemein die Sach-, Rechts- oder Prozeßlage des Anfechtenden nicht verschlechtern te So die Begründung zu § 477 des Entwurfs, Hahn S. 359; der hiergegen wegen Unlogik einer solchen Entscheidung gerichtete Einwand des Abg. Bähr wurde unter Hinweis auf die Dispositionsmaxime (!) zurückgewiesen (Abg. Schwarze, HahnS. 176 f.). 1o Vgl. oben§ 6 II, insbes. 2 b. 11 Als allgemeine Formel erscheinen diese oder eine ähnliche Wendung etwa bei Freitag Diss. S. 36; ders. VwA 56, 133; Haehnet S. 24, 27; Lent JR 1954, 183; Riesenfeld LZ 1932 Sp. 27. 21 A. A. Lieb S. 93: Mit der dogmatischen Begründung des Verbots als Ausfluß der Dispositionsmaxime sei für die Praxis nichts gewonnen. Aus den Gesetzesvorschriften aller hier in Frage stehenden Verfahren könne nur entnommen werden, daß das Gericht über das durch den Antrag bezeichnete Klagebegehren nicht hinausgehen dürfe. Ein so allgemein gehaltenes Verbot müsse deshalb ausgefüllt werden. Das kann indessen zumindest dann nicht richtig sein, wenn man - wie Lieb selbst (Lieb S. 48; vgl. dazu oben § 6 II 2 b) - das Verbot gerade aus dem Inhalt der Abänderungsanträge herleitet, es ist aber auch sonst nicht einsichtig. Gründet sich das Verbot der reformatio in peius auf die Anträge, dann muß es auch in seinem Umfang von ihnen abhängen, und die Reichweite der Anträge muß der Ansatzpunkt einer Auslegung sein. Andernfalls bekennt man sich entweder zu der hier vertretenen Auffassung, daß die Anträge für das Verbot lediglich indizielle Bedeutung haben, oder man stellt allein auf die Einlegung des Rechtsmittels ab und begründet in diesem Fall das Verbot der Sache nach mit dem "Wesen" des Rechtsmittels (vgl. oben
§ 7 I 2).
112
§ 10 Die Grundsätze für die Bestimmung des Verbotsumfangs
dürfen23, so wird auf der anderen Seite als Maßstab einer reformatio in peius häufig enger auch ein Vergleich der von beiden Entscheidungen ausgehenden Rechtskraftwirkungen genannt24• Ferner könne das Verbot nur für den Tenor25 und überdies nur für Sachentscheidungen der Vorinstanz26 gelten, durch die der Rechtsmittelkläger außerdem einen "sachlichen Besitzstand" erworben habe27, während der Schutz des Verbots in bezug auf die Kosten28 und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit29 sowie ganz allgemein beim Entgegenstehen von Amts wegen zu beachtender Vorschriften30 entfallen müsse. Auf Verfahrensfragen, die dem Belieben der Parteien entzogen seien, beziehe sich das Verbot der reformatio in peius mithin nicht, sondern allein auf Sachentscheidungen des Rechtsmittelgerichts bzw. Entscheidungen über za Vgl. v. Boecklin S. 124; Coulin Recht 20 Sp. 37; Haehnel S. 17; Schultzenstein VwA 11, 427; Schwab ZZP 74, 218; L. Seuffert § 536 Anm. 1 b; RG JW 1901, 6 Nr. 6; 1902, 129; 1907, 747 Nr. 20; RGZ 25, 428, 433; 54, 10, 11; 70, 179, 184; BSGE 2, 225, 228; LG Dresden ZZP 44, 133, 134. Wirtschaftliche Nachteile werden dagegen als zulässig angesehen: Lieb S. 11; Pagenstecher JW 1924, 470. 24 Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Blomeyer § 99 I 2 (S. 527); v. Boecklin S. 75; v. Gerkan ZZP 75, 214; HolzhammerS. 261; Mattern LM Nr. 10 zu § 563 ZPO; Pagenstecher JW 1922, 470; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 (vor a) (S. 765), II 2 f (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; BGHZ 36, 316, 318; wohl auch Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; BGH ZZP 114, 117; BVerwG JZ 1957, 99, 100; a. A.: Freitag Diss. S. 13; ders. VwA 56, 317; LiebS. 12 (in engster Anlehnung an Freitag Diss. S. 13). 25 Barazetti S. 151; Freitag Diss. S. 11; ders. VwA 56, 317; Keidel/ Winkler § 19 Rdnr. 94; Lieb S. 11; Menger VwA 49, 181; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 5; RG Recht 17 (1913), Nr. 389 (LS); BVerwG DÖV 1972, 209, 210; BSGE 7, 178, 179; BayObLG SeuffA 46 Nr. 67; OLG München DFG 1937, 128, 129. 28 Bötticher ZZP 65, 466; BVerwG JZ 1957, 99, 100. 27 Arens AcP 161, 187 f.; Bötticher ZZP 65, 466 f.; Jesch DÖV 1955, 395; Mattern LM Nr. 10 zu § 563 ZPO; Pohle SAE 1956, 243; Rimmelspacher S. 209; BGH ZZP 76, 114, 115; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; ähnlich Baumgärtet AP Nr. 1 zu § 536 ZPO; Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; BGH NJW 1970, 1683, 1684; kritisch Freitag Diss. S. 10 Fn. 16 (S. 11); LiebS. 11. 2B Ganz h. M.: vgl. nur Baumbach I Hartmann § 308 Anm. 2; Baumbach I Albers § 536 Anm. 3 b; Fenn S. 57; Rosenberg I Schwab § 134 I 1 b a. E. (S. 709); Schultzenstein ZZP 31, 4; StJ I Schumann I Leipold § 308 Anm. II; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 a bb; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RG JW 1913, 696 Nr. 14; BAG AP Nr. 27 zu § 616 BGB; BVerwGE 14, 171, 174f.; s. ferner unten§ 13 C Fn. 1. 2' LiebS. 121 (einschränkend); Wieczorek § 536 Anm. B III. 30 Baumbach I Albers § 536 Anm. 3 c; Coulin Recht 20 Sp. 37; Förster I Kann § 536 Anm. 2 a; Haehnel S. 25 ff.; Lent JR 1954, 183; Magen S. 69; Sartorius AcP 31, 85; StJ I Grunsky § 536 Anm. II; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 a; Zöller I Karch § 536 Anm. b, § 559 Anm. a; RGZ 14, 355, 357; 22, 391, 393; 53, 1, 4; 58, 248, 256; 94, 153, 154; 143, 130, 134; RG JW 1916, 496 Nr. 12 (S. 498); LZ 1926, 332, 333; BGH ZZP 76, 114, 115; BSGE 2, 225, 229; OLG Celle MDR 1953, 111, 112; OLG Harnburg SeuffA 62 Nr. 142; OLG Kassel ZZP 45, 207; LG Dresden ZZP 44, 133 f.; so auch schon GönnerS. 165, 177; ISartorius AcP 31, 85.
I. Die Fassung des Gesetzes
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den Streitgegenstand31 ; insbesondere sei es dem Rechtsmittelgericht nicht verwehrt, die Klage wegen des Fehlens zwingender Prozeßvoraussetzungen auch bei einem dadurch eintretenden Nachteil des Klägers abzuweisen32, bei Verletzung von Verfahrensvorschriften das angefochtene Urteiltrotz beschränkter Rechtsmittelanträge vollständig aufzuheben33 oder unbeschadet der Anträge nach eigenem Ermessen selbst in der Sache zu entscheiden oder den Rechtsstreit zurückzuverweisen". Endlich könne das Verbot auch die Korrektur eines unzulässigen Urteilsinhalts36, von Mängeln im Tatbestand36, in der Urteilsformel37 oder der Parteibezeichnung38 sowie die Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten39 nicht verhindern. Scheint sich in dem damit angenommenen Vorrang zwingender Verfahrensvorschriften gegenüber dem Verbot der reformatio in peius eine notwendige Folgerung aus der Antragsbegründung widerzuspiegeln, so war und ist diese Konsequenz doch innerhalb der herrschenden Meinung alles andere als unangefochten. Nicht nur leugnete die ältere Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich eine derartige Priorität 81 Freitag Diss. S. 10; ders. VwA 56, 317; Schroeder-Printzen SGb 1966, 392. u Baumbach I Atbers § 536 Anm. 3 c; Berg JR 1971, 161; Bernhardt ZPR §§ 49 IV, 51 III a. E.; v. Boecktin S. 9, 70; Bötticher ZZP 65, 468; Bruns §§ 52 III, 54 VII; Eyermannl Fröhter § 129 Rdnr. 7; Fenn S. 57; Freitag Diss. S. 135; Haehnel S. 28 ff.; Hettwig System § 238 IV 1 (S. 844); Klinger § 129 Anm. Ca; Magen S. 51 f.; Mattern LM Nr. 10 zu § 563 ZPO; Nikisch § 123 I 2; Pohte SAE 1956, 243; Redeker I v . Oertzen § 129 Rdnr. 2; Schuttzenstein VwA 11, 428; !Schunck I De Cterck § 129 Anm. 3; Seuffert I Walsmann § 536 Anm. 1 b; StJSchP § 536 Anm. II 2, § 573 Anm. II; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 a aa; Wach GruchB 37, 480; ders. JW 1924, 62; Wieczorek § 536 Anm. B II b 5; Zeiss § 82 VII 5 b; Zimmermann Rpfleger 1959, 251, 259; Zötter I Karch § 536 Anm. b; grundsätzlich auch Lieb S. 96; RGZ 143, 130, 134; 145, 131, 133; RWG JW 1921, 1380 Nr. 1 (S. 1381); BAG JZ 1963, 478; BSGE 2, 225, 229; RVA EuM 3, 235, 239; PrOVGE 80, 172ff.; LG Dresden ZZP 44, 133, 134. aa Baumbach I Atbers § 536 Anm. 3 c; Blomeyer § 99 II 3 (S. 531); Lieb S. 15; Ricci S. 27 f.; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 3; Zötter I Karch § 559 Anm. a; RGZ 58, 248, 256; 94, 153, 154; 94, 212, 214; RG JW 1916, 496 Nr. 12 (S. 498); LZ 1926 Sp. 332, 333; OLG Karlsruhe Recht 1928, 658 Nr. 2516; OLG Nürnberg BayZRpf11915, 150; a.A.: RVA AN 1902, 291; Bedenken auch bei Wieczorek § 536 Anm. B II b 8; vgl. auch Gitles S. 95 Fn. 266. 84 Baumbach I Atbers § 537 Anm. 1 B a. E.; Bettermann ZZP 88, 387; Olschewski NJW 1971, 551; Pohte SAE 1956, 242; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1; Wieczorek § 536 Anm. A III; RGZ 14, 355, 357; 22, 391, 393; RG JW 1916, 496 Nr. 12; BGH NJW 1965, 441; abw.: Schwab ZZP 74, 218. 85 Wach GruchB 37, 480; vgl. auch BFHE 88, 388, 389; OLG Köln MDR 1974, 238 (LS). ao BGHZ 40, 84, 87; BAG NJW 1970, 1812, 1813; 1971, 214. 87 StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1; Zötler I Karch § 536 Anm. b; RGZ 49, 381, 386; BGH VersR 1962, 964, 965; BayObLGZ 1957, 157, 168. 88 Haehnet S. 27; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1. 89 Freitag Diss. S. 11; ders. VwA 56, 317.
8 Kapsa
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§ 10 Die Grundsätze für die Bestimmung des Verbotsumfangs
der von Amts wegen zu beachtenden Bestimmungen4o einschließlich der zwingenden Prozeßvoraussetzungen41 - das Reichsgericht wollte ursprünglich nur für die Zulässigkeit des Rechtswegs eine Ausnahme anerkennen42 - , sondern in der neueren Literatur mehren sich gleichfalls die Stimmen, die dem Schutz des Rechtsmittelklägers einen höheren Rang als allen Sachurteilsvoraussetzungen eingeräumt wissen wollen43. Auch der Bundesgerichtshof läßt nunmehr die Richtigkeit jener Lösung ausdrücklich dahinstehen44. Erst wenn man sich vor Augen hält, daß die herrschende Meinung sich nicht allein an den Anträgen orientiert, sobald über Vorliegen und Zulässigkeit einer reformatio in peius zu entscheiden ist, hellen sich diese Widersprüche und Inkonsequenzen innerhalb einer von denselben Grundvoraussetzungen ausgehenden Ansicht auf und werden die mitunter auffallenden Parallelen zum Strafprozeßrecht45 verständlich. Neben der Antragsbindung spielt eine gewichtige Rolle auch der "Begriff" der reformatio in peius sowie eine sich von dieser formalen Betrachtung lösende wertende Sicht. Nicht etwa nur aus der fehlenden Antragsbindung (§ 308 Abs. 2 ZPO) läßt sich beispielsweise eine Ausnahme vom Verbot der reformatio in peius bei der Kostenentscheidung rechtfertigen46, sondern u. U. auch aus dem "Begriff" der "reformatio 40 Vgl. Barazetti S. 151; Bülow AcP 64, 34; v. Bülow Bem. zu § 498; Freudenthal § 536 Anm. 2 (and. Freudenthall Sauerländer § 536 Anm. 1); Gaupp 3. Aufl. § 498 Anm. I, II (and. Gaupp I Stein 5. Aufl. § 536 Anm. II); v. Kries S. 191 ff.; Petersen § 498 Anm. I 1, 2; Struckmann I Koch § 536 Anm. 1; Unger ZZP 41, 147 Fn. 5; v. Wilmowskil Levy § 498 Anm. 1; RG JW
1899, 574 Nr. 5. u Fink S. 35 f.; Friedländer JW 1922, 1469; Josef ZBlFG 6, 845; Stegemann ZZP 18, 523 ff.; Struckmann I Koch § 536 Anm. 1; v. Wilmowski I Levy § 498 Anm. 1; PrOVG PrVwB13, 195; OLG Karlsruhe PucheltsZ 25, 241,242 f. 42 RG JW 1899, 574 Nr. 5; RGZ 22, 3, 8; 40, 268, 271; 53, 35, 37; RG Urt. v. 11. 10. 1910 - III 353109, N § 536 Nr. 15; ebenso KG RJA 4, 144; PrOVGE 80, 172, 176; insoweit zustimmend: Struckmann I Koch§ 536 Anm. 1; OLG Frankfurt JW 1924, 62 Nr. 6; PrOVGE 61, 310, 313; gegen die Sonderstellung dieser Prozeßvoraussetzung: Fink S. 36; Stegemann ZZP 18, 524 f.; PrOVGE 4, 107; 4, 210; s. auch OLG Frankfurt JW 1924, 62. Weitere Ausnahmen hielten für zulässig: OLG Frankfurt JW 1924, 62 (deutsche Gerichtsbarkeit, Zuständigkeit im Falle des § 606 Abs. 4 a. F.); RG Urt. v. 10.4.1907- V 632106, N § 559 Nr. 7 (Unzulässigkeit des vorherigen Rechtsbehelfs); Riesenfeld LZ 1932 Sp. 27 (entgegenstehende Rechtskraft). 43 Blomeyer § 99 II 2 (S. 530 f.); Rosenberg I Schwab § 141 II 2 d (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. II 2 a; grundsätzlich auch Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII. 44 BGH NJW 1970, 1683, 1684; zweifelnd auch schon OLG Köln NJW 1967, 114, 115; gegen einen Vorrang der Prozeßvoraussetzungen offenbar ferner OVG Lüneburg NJW 1958, 1203, 1204; ODstOGericht Münster VwRspr 5, 892, 894f. 45 Vgl. oben 1 c. '' So etwa Baumbach I Hartmann § 308 Anm. 2, Baumbach I Albers § 536 Anm. 3 b; v. Boecklin S. 87 f.; Coulin Recht 20 Sp. 37; Freitag Diss. S. 136;
I. Die Fassung des Gesetzes
115
in peius" 47, während aus dem Begriffsmerkmal "in der Hauptsache" 48 die Beschränkung des Verbots auf den Tenor49 sowie auf Entscheidungen über den Streitgegenstand50 folgen soll; entsprechend ergibt sich aus der begrifflichen Voraussetzung einer nachteiligen Änderung "von Amts wegen" das Zurücktreten des Verbots bei von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkten61 einschließlich der Prozeßvoraussetzungen52• Aber auch die hinsichtlich der Sachurteilsvoraussetzungen entgegengesetzte ältere Ansicht scheint mitunter am Begriff einer unzulässigen "Nachteilszufügung" ("in peius") ausgerichtet zu sein53, dürfte andererseits aber - wie auch die neuere Auffassung - den Anträgen zugleich eine stärkere Bindungswirkung zumessen als jene Meinung54• Und in der Tat offenbart sich in diesen divergierenden Anschauungen ein weiterer55 entscheidender Nachteil der herrschenden Meinung: Es ist auf Grund der Rechtsmittelanträge allein nicht möglich, diese streitigen Fragen ohne petitio principii zu entscheiden. Wenn etwa Wach ausführt, der Wille der Parteien vermöge in der höheren Instanz nicht mehr als in der unteren56, so überzeugt dies ebensowenig wie die gegenteilige Behauptung Bülows, sogar diejenigen Prozeßregeln, die in der ersten Instanz absolut gälten, würden für die zweite dispositiv57• Richtig ist vielmehr lediglich die von Blomeyer getroffene Feststellung, "der Vorrang des zwingenden Prozeßrechts gegenüber der Parteidisposition vor Urteilserlaß (müsse) keineswegs auch für die Disposition gegenüber dem ergangenen Urteil gelten" 58 ; dann bleibt aus der formaHaehnel S. 27 f.; Lieb S. 120 f.; Magen S. 52; Rosenberg I Schwab § 134 I b a. E. (S. 709); StJ I Schumann I Leipold § 308 Anm. II; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 a bb; Wieczorek § 308 Anm. E; § 536 Anm. B III; Zimmermann Rpfleger 1959, 259; RG JW 1913, 696 Nr. 14; BGH KostRspr § 308 ZPO Nr. 4 (LS). 47 Dafür z. B. Fenn S. 57; Freitag Diss. S. 136; Haehnel S. 28; Ricci S. 2; Sartorius AcP 31, 85; RG JW 1913, 969 Nr. 14. 48 Vgl. oben § 1 Fn. 8. 49 Freitag Diss. S. 11; ders. VwA 56, 317; grundsätzlich auch Lieb S. 11; ähnlich Brandner S. 6 f. 5o Vgl. Freitag Diss. S. 10; ders. VwA 56, 317; Schroeder-PTintzen SGb 1966, 392. u Sartorius AcP 31, 85. u FennS. 57. 5 S Nach Wach GruchB 37, 479 f. ist dies eine "Errungenschaft der Buch-
staben-Interpretation". 54 Vgl. Blomeyer § 99 II 2 (S. 530); Friedländer JW 1922, 1469; Stegemann ZZP 18,523. 5s Vgl. schon oben § 6 II 2 b bb zur Unmöglichkeit, allein mit Hilfe der Antragsbindung eine reformatio in peius in bezug auf die Entscheidungsgründe zu verhindern. 5& Wach GruchB 38, 478; "vorbehaltlos" zustimmend LiebS. 62. 57 Bülow AcP 64, 34; im Ergebnis ähnlich Blomeyer § 99 II 2 (S. 530). 5& Blomeyer § 99 II 2 (S. 530).
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§ 10 Die Grundsätze für die Bestimmung des Verbotsumfangs
len Sicht der Antragsbindung aber offen, in welchem Verhältnis beide Prinzipien nun im Rechtsmittelverfahren zueinander stehen. Noch in einem weiteren Fall wird von der herrschenden Meinung das Ungenügen der Anträge für eine sachgerechte Abgrenzung des Verbots der reformatio in peius selbst aufgedeckt. Das Problem, ob nach einer Klagabweisung als unzulässig oder als z. Z. unbegründet in der RechtsmitteUnstanz eine (vollständige) Sachabweisung erfolgen darf, ließe sich, legt man die Auslegung Böttichers zugrunde, zwar auch mit Hilfe der Antragsbindung lösen69, indessen ohne Überzeugungskraft Aus dieser Erkenntnis heraus sah sich Bötticher denn auch gegenüber der mit der Rechtskraftwirkung argumentierenden früher herrschenden Ansicht60 genötigt, hier eine wertende Abwägung in den Vordergrund zu stellen und dafür den gegenüber einer solchen Wertung offenen Begriff eines "sachlichen Besitzstandes" einzuführen61• Mit der Notwendigkeit derartiger Ergänzungen bestätigt die herrschende Meinung aber nur selbst das oben gewonnene Ergebnis. D. Der Zweck des Verbots
Soweit mithin das Gesetz selbst keine Bestimmung über den Umfang des Verbots der reformatio in peius trifft, ist dessen Schutzbereich sowohl vom Ziel dieser Regelung her als auch nach deren Bedeutung unter den übrigen Vorschriften des Verfahrensrechts abzugrenzen. Das führt zu einer grundsätzlichen Zweiteilung der Aufgabe. Da das Verbot dem Rechtsmittelkläger allein das bewahren will, was ihm ohne seine Anfechtung erhalten geblieben wäre62, sind zunächst die Voraussetzungen eines derartigen "Besitzstandes" 63 zu untersuchen. 61
Bötticher ZZP 65, 466 f. (bejahend); ihm folgt die heute h. M.; vgl. unten
§ 11 II 1 a; dagegen halten die Sachabweisung statt einer Prozeßabweisung
für ein Oberschreiten der Anträge: Bettermann DVBI 1961, 72 f.; v . Boecklin
s. 76.
S. unten § 11 Fn. 22. Bötticher ZZP 65, 466 f. 82 Vgl. Stegemann ZZP 18, 523, der von dem "trivialen Satz" ausgeht, daß ohne das Rechtsmittel die höhere Instanz nichts ändern könnte. Soweit darum etwas für den Kläger erkannt sei, liege es so, als ob er keine Berufung eingelegt habe, folglich sei insoweit keine Abänderung möglich. 83 Darin wird die Formulierung Böttichers ZZP 65, 466 f. übernommen. Die hiergegen von Freitag Diss. S . 10 Fn. 16 (S. 11) vorgetragenen Bedenken (ablehnend, jedoch in der Begründung unklar, auch Lieb S. 11) aus der Sicht des Beklagten, dessen Verurteilung kein "Besitzstand" sei, sind zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, im Ergebnis aber nicht stichhaltig. Der Begriff hat hier wie auch sonst lediglich eine technische Funktion, und diese erfüllt der plastische und einprägsame Ausdruck "Besitzstand" durchaus auch im Hinblick auf den verurteilten Beklagten. Demgegenüber erscheint die von Freitag S. 10 Fn. 16 vorgeschlagene Wendung "Rechtsstellung" des Anfechtenden als zu allgemein und farblos. 8o
81
II. Der Zweck des Verbots
117
Andererseits kann der Schutz des Anfechtenden aber nicht absolut gesehen werden und stets unbedingten Vorzug beanspruchen. Wie jedes andere Verfahrensprinzip muß auch das Verbot der reformatio in peius zurücktreten, wenn und soweit das Gesetz den entgegenstehenden Interessen, d. h. den Belangen des Gegners oder der Allgemeinheit64, ausnahmsweise eine höhere Bedeutung zuerkennt als dem Schutzinteresse des Rechtsmittelklägers. Die anschließende Frage ist also, unter welchen Umständen es die gesetzliche Wertung erlaubt, das Verbot der reformatio in peius hintanzustellen; in diesem Fall bestände zwar dem äußeren Anschein nach ebenfalls ein Besitzstand, er würde jedoch letztlich auf einer "unhaltbaren Grundlage" 65 beruhen. § 11 Die Voraussetzungen eines Besitzstandes I. Die Sicllerheit des Vorteils
Nicht jeder Vorteil des Rechtsmittelklägers kann ohne weiteres dem Schutzbereich des Verbots der reformatio in peius unterfallen. Ohne seine Anfechtung hätten ihm nur diejenigen Feststellungen des Urteils einen Nutzen gebracht, die auch noch nach Abschluß dieses Verfahrens - sei es in der Vollstreckung, sei es in einem neuen Verfahren oder Verfahrensabschnitt-für ein Gericht oder eine Behörde beachtlich gewesen wären1 ; nur diese können also vom Verbot der reformatio in peius berücksichtigt werden, da es die Lage des Anfechtenden nicht verbessern, sondern den ohne das Rechtsmittel bestehenden fiktiven Zustand lediglich gewährleisten will. Der Schutz des Verbots erstreckt sich also von vornherein nur auf solche Vorteile, die dem Rechtsmittelkläger ohne die Urteilsanfechtung "sicher" gewesen wären, weil sie außerhalb dieses Verfahrens hätten beachtet werden müssen. Dabei ist ohne Belang, für welche Stelle und unter welchen Umständen diese Verbindlichkeit eingetreten wäre. 1. Die RechtskTaft
Eine Bindungswirkung der genannten Art schafft vor allem die Rechtskraft des Urteils. Soweit also die angefochtene Entscheidung etwas rechtskraftfähig zugunsten des Rechtsmittelklägers festgestellt hat, hat er dadurch einen vom Verbot der reformatio in peius grundsätzlich geschützten Besitzstand erworben. Insofern ist also der herru Vgl. oben § 8 vor I. es Bötticher ZZP 65, 468.
1 Dasselbe gilt umgekehrt auch für das Fehlen ungünstiger Feststellungen, die ohne die Anfechtung nicht mehr hätten nachgeholt werden dürfen; vgl. z. B. unten 4.
118
§ 11 Die Voraussetzungen eines Besitzstandes
sehenden Meinung, soweit sie gleichfalls auf die Rechtskraftfähigkeit des Entscheidungsteils abstellt2, im Ergebnis zuzustimmen; daraus folgt jedoch zugleich, daß die Beschränkung des Verbots auf den Tenor der Entscheidung3 in dieser Allgemeinheit nicht richtig ist. Auch die Gründe können mitunter an der Rechtskraft teilnehmen (§ 322 Abs. 2 ZPO), und die herrschende Meinung erkennt sogar selbst das Verbot der reformatio in peius bei der Entscheidung über eine Aufrechnung des Beklagten grundsätzlich an4• 2. Die innerprozessuale Bindungswirkung
Die beachtlichen Urteilswirkungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Rechtskraft der Entscheidung. Deshalb stellt diese die zwar bedeutendste, aber nicht die einzige Ursache eines Besitzstandes für den Rechtsmittelkläger dars. Zu ihnen gehört weiterhin die sog. innerprozessuale Bindungswirkung, die vor Verfahrensabschluß die Funktion der Rechtskraft erfüllt6. Infolgedessen kann die innerprozessuale Bindungswirkung gleichfalls einen Besitzstand begründen, etwa beim Grundurteil, das für das erkennende Gericht selbst wegen § 318 ZPO unabänderlich gewesen wäre7, aber z. B. auch im Falle einer angefochtenen Zurückverweisung durch das Berufungsgericht. Denn ohne das Rechtsmittel hätte die rechtliche Beurteilung der Berufungsinstanz einer neuen Entscheidung zugrunde gelegt werden müssen, sei es in entsprechender Anwendung des § 565 Abs. 2 ZP08, sei es auf Grund der Ordnung des lnstanzenzuges9. Damit kommt im Gegensatz zur herrschenden Meinung10 gelegentlich sogar eine Verfahrensentscheidung als Besitzstand des Rechtsmittelklägers in Betracht. ! Vgl. oben§ 10 Fn. 24. a S. oben § 10 Fn. 25. ' Vgl. unten § 13 A II 3. ' A. A. wohl RGZ 79, 424, 427, da das Reichsgericht hier die Geltung des
Verbots auch vom Vorliegen einer rechtskraftfähigen Entscheidung abhängig macht. 8 Vgl. Götz Diss. S. 51 ff.; ders. JZ 1959, 681 ff. 7 Baumbach I Hartmann § 304 Anm. 5 A; StJ I Schumann I Leipold § 304
Anm. III 2. s Blomeyer § 102 II 1 (S. 545); Rosenberg I Schwab § 141 IV 4 (S. 770 f.); Thomas I Putzo § 539 Anm. 4; Wieczorek § 538 Anm. B IV a; RG WarnR 1914 Nr. 344; HRR 1935, 205; BGHZ 25, 200, 203; BGH LM Nr. 4 zu § 512 ZPO; wohl auch Baumbach I Albers § 538 Anm. 1. o Götz Diss. S. 31 ff.; ders. JZ 1959, 683, 689; Schiedermair JZ 1958, 277 f.; StJ I Grunsky § 538 Anm. IX 2; grundsätzlich gegen eine Bindung der ersten Instanz: Schänke ZZP 58, 380 f. 1o Vgl. oben§ 10 I 2 b; insbes. Fn. 31.
I. Die Sicherheit des Vorteils
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3. Die Vollstreckungswirkung Weiterhin sind die aus dem Urteil folgenden Vollstreckungsmöglichkeiten in gleicher Weise verbindliche Wirkungen des Urteils11 und somit für das Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht zum Nachteil des Anfechtenden abänderbar. Die herrschende Meinung erkennt das zwar nicht allgemein und ausdrücklich12, aber für einzelne Fälle, etwa den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung13, stillschweigend an. 4. Tatbestands- und Gestaltungswirkung Hierher gehört ferner die Tatbestandswirkung einer Entscheidung, falls deren Inhalt schon nach materiellem Recht zu den Tatbestandsmerkmalen einer günstigen oder ungünstigen Norm zählt14, insbesondere auch die Gestaltungswirkung15. Demgemäß ist es etwa unzulässig, durch eine nachträgliche Scheidung wegen Ehebruchs die Tatbestandswirkung des§ 6 EheG herbeizuführen16 oder bei einer Scheidungsklage einen für den Rechtsmittelkläger nachteiligeren Schuldspruch zu fällen17, da dieser für die Unterhaltsansprüche des Ehegatten (§§ 58 ff. EheG) Tatbestandswirkung18 hat.
5. Sonstige Urteilsfolgen Soweit endlich das Urteil aus sonstigen Gründen für eine weitere Entscheidung verbindlich ist, bildet es auch in dieser Beziehung einen Besitzstand. In seltenen Fällen können sogar die in dem Urteil festgestellten Tatsachen für eine spätere Entscheidung maßgebend sein, so vor allem die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils für ein späteres Disziplinarverfahren (§§ 18 Abs. 1 BDO und DO NW) oder für eine anschließende Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde (§ 4 Abs. 11 Zur Vollstreckungswirkung s. z. B. Blomeyer § 86 II (S. 428); Rosenberg I Schwab § 150, 3 (S. 819 f.). 12 Vgl. aber StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 b; Lieb S. 98, die für den Fall, daß sich aus einem festgestellten Klagegrund unterschiedliche Vollstrekkungsmöglichkeiten ergeben, eine reformatio in peius bejahen; s. dazu unten § 13 A II 2. 1a Vgl. unten§ 13 AI 3. 14 Vgl. dazu Blomeyer § 86 III 1 (S. 428); Huber JuS 1972, 622 f. (m. w. N.); Rosenberg I Schwab § 150, 5 (S. 820). 16 S. Blomeyer § 86 III 2 (S. 428), § 94 I (S. 496). Andererseits wird die Gestaltungswirkung auch als selbständige Urteilswirkung genannt, vgl. Rosenberg I Schwab § 150, 4 (S. 820); Zöller I Degenhart Vorb. 1 d vor§ 322. 1e S. unten § 13 A II 4 a. 17 Vgl. unten § 13 AI 8 a bb. 1& Blomeyer § 120 VIII 3 a. E. (S. 685).
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§ 11 Die Voraussetzungen eines Besitzstandes
3 StVG)19• Eine praktische Bedeutung hat dieser an sich denkbare Besitzstand jedoch nicht, da der Tatbestand des Zivilurteils eine derartige Feststellungswirkung nicht herbeiführt20 und das Verbot der reformatio in peius im Strafprozeßrecht ausdrücklich nur die Rechtsfolgen der Tat, nicht aber die Tatsachenfeststellungen umfaßt (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPO). D. Die positive Feststellung
1. Die Prozeßabweisung und die Abweisung als z. Z. unhgründet
Aber nicht alle derart gesicherten Vorteile bilden auch in jedem Falle einen Besitzstand des Rechtsmittelklägers. Aus dem Schutze des Verbots der reformatio in peius müssen weiterhin alle die Vorteile ausscheiden, die nicht in einer dem Rechtsmittelkläger günstigen positiven Feststellung bestehen - etwa einem teilweisen Erkennen nach dem Klagantrag -, sondern allein in der Chance, eine solche Feststellung in einem weiteren Verfahren zu erreichen. Dazu gehören vor allem die Prozeßabweisung und die Abweisung als zur Zeit unbegründet; beide Entscheidungen enthalten keine Aussage zugunsten des Klägers und Rechtsmittelklägers, sondern sind lediglich nicht völlig zu seinen Ungunsten ergangen, weil sie wegen ihrer minderen Rechtskraftwirkungeine neue Klage nicht verhindem21• a) Das wird für diese Fälle in neuerer Zeit auch von der herrschenden Meinung zunehmend anerkannt. Während die früher überwiegende Ansicht hier allein wegen der unterschiedlichen Rechtskraft einer Sachabweisung und einer Prozeßabweisung jene schon für unzulässig hielt, wenn die Vorinstanz nur aus prozessualen Gründen abgewiesen hatte22, Vgl. Wolff I Bachof § 20 V c. Die h. M. rechtfertigt dies i. d. R. mit der fehlenden Rechtskraftwirkung von Tatsachenfeststellungen; vgl. z. B. Lieb S. 97. Diese Begründung ist indessen unzureichend, da sich ein Besitzstand auch auf andere Urteilswirkungen stützen kann; oben 2. 11 Vgl. für die Prozeßabweisung: Baumbach I Hartmann Übers. 2 A vor § 300, § 322 Anm. 4 "Prozeßurteil"; Blomeyer § 89 II 2 (S. 450 f.); Rosenberg I Schwab § 134 I 2 c (S. 709); StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. VI 7 a; krit. Rimmelspacher S. 99 f., 173, 208; 'StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 a; für die Abweisung als z. Z. unbegründet: Wach GruchB 37, 482; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; abw. StJ I Grunsky Einl. V 2 b vor § 511, nach dessen Ansicht jede Klageabweisung nur z. Z. erfolgt und deshalb kein Unterschied zur gänzlichen Sachabweisung besteht. 12 Baur JZ 1954, 327; Bettermann DVBl 1961, 72 f.; v. Boecklin S. 75; Rosenberg I Schwab § 147 II 1 (S. 799), III 2 b (S. 802, für die Revision); Schwab ZZP 74, 218; Seuffert I Walsmann § 536 Anm. 1 b; Stein S. 251; StJSchP § 536 Anm. I 2; RGZ 70, 179, 184; RGJW 1937, 3328 Nr. 41 (LS); BGHZ 11, 222, 223 f.; im Ergebnis auch Fenn S. 57 Fn. 55; Goldschmidt § 64, 2 b; Nikisch § 123 I 2; PrOVGE 50, 315, 319; a. A.: RGJW 1918, 511 Nr. 12; 1928, 2705 Nr. 2. 11
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II. Die positive Feststellung
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außerdem deshalb, weil diese Entscheidung über die Anträge hinausgehe23 sowie den Kläger einer Instanz beraube!', und eine Ausnahme lediglich für die Abweisung einer Feststellungsklage mangels Hechtsschutzbedürfnisses machen wollte25, versagt die herrschende Meinung neuerdings dem Rechtsmittelkläger zumeist im Anschluß an Bötticher bei der Prozeßabweisung28 wie bei der Abweisung als zur Zeit unbegründet27 einen Besitzstand. Bötticher meint28, der Kläger dürfe im Berufungsverfahren seinen Anspruch nur so geltend machen, daß er auch ein für den Beklagten günstiges Sachurteil in Kauf nehme. § 536 ZPO könne sich offenbar nur auf Sachurteile beziehen, an deren teilweiser Unabänderlichkeit der Berufungskläger ein schutzwürdiges Interesse habe, der Kläger könne nur das durch ein Sachurteil "Eingeheimste" von der Abänderungsbefugnis des Berufungsgerichts ausnehmen. Insofern lägen die Dinge ähnlich, als ob hier über einen Anspruch entschieden werden sollte, der erst in zweiter Instanz erhoben worden sei, deswegen werde überdies auch durch eine vollständige Sachabweisung nach einer Abweisung als z. Z. unbegründet kein Besitzstand des Klä13 Bettermann DVBI 1961, 72 f.; v. Boecklin S. 76; dagegen schon Wach GruchB 37, 479; PrOVGE 44, 415, 418. 1' v. Boecklin S. 73; Rosenberg I Schwab § 147 II 1 (S. 799) sowie Schwab ZZP 74, 218 (für die Revisionsinstanz). 11 RGZ 158, 145; 152; RG DR 1940, 161; BGHZ 12, 308, 316; vgl. auch Baumbach I Albers § 563 Anm. 1 C; Olschewski NJW 1971, 551 ff. 18 Bötticher ZZP 65, 466 f.; ders. AP Nr. 11 zu § 565 ZPO; zust.: Arens AcP 161, 187 ff.; Baumbach I Albers § 536 Anm. 3 d, 563 Anm. 1 C; Baumgärtel AP Nr. 1 zu § 536 ZPO; Bernhardt ZPR § 49 IV; Bettermann ZZP 88, 387; Blomeyer § 99 II 1 (S. 528 f.); Bruns § 52 III; Eyermann I Fröhler § 129 Rdnr. 8; Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; Freitag Diss. S. 14, 136 Fn. 20; ders. VwA 56, 318 Fn. 26; Gilles S. 95 Fn. 266 (S. 96); Jesch DOV 1955, 395 Johannsen LM Nr. 4 zu § 563 ZPO; Lent JR 1954, 183; Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; Lieb S. 106 f.; Mattern LM Nr. 10 zu § 563 ZPO; Pagendarm LM Nr. 4 zu § 540 ZPO; Pohle SAE 1956, 243; Rimmelspacher S. 208, 209; Rosenberg 9. Auf!. § 138 I 2 b (S. 688); Schunck I De Clerck § 124 Anm. 4; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 a, § 565 Anm. III 1 a; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 b; Zöller I Karch § 536 Anm. b, § 559 Anm. a; BGH ZZP 74, 114, 115; NJW 1970, 1683, 1684; 1972, 1802; BAG NJW 1966, 1140, 1141; BVerwG JR 1966, 153 f., 431 f.; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; für die Berufungsinstanz (wegen § 540 ZPO) auch Rosenberg I Schwab § 141 II 2 d (S. 766); Schwab ZZP 74, 217; Wieczorek § 536 Anm. B II c 1; Zeiss § 82 VII 5 b (vgl. aber auch§ 83 VII C 1); BGHZ 23, 36, 50; BAG AP Nr. 1 zu§ 536 ZPO; ähnlich auch schon PrOVGE 44, 415, 418. 17 Arens AcP 161, 189 Fn. 50; Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Bernhardt ZPR § 49 IV; Freitag Diss. S. 14; ders. VwA 56, 318; Lieb S. 109; Pohle SAE 1956, 243; Rosenberg 9. Aufl. § 138 I 2 b (S. 688); Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 b; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; DAVorm 1971, 92, 96; ähnlich bereits RVA AN 1904, 421 f.; a. A.: Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 e (S. 766); Wach GruchB 37, 482; Wieczorek § 536 Anm. A II b; Zeiss § 82 VII 5 b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RGZ 54, 10, 12; RG JW 1898, 640 Nr. 8; BGH NJW 1955, 59. ts In ZZP 65, 466 f.
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§ 11 Die Voraussetzungen eines Besitzstandes
gers betroffen. In der Berufungsinstanz sei mithin die Aufteilung des Urteilsgegenstands zwar bezüglich seiner Quantität, nicht jedoch in bezug auf seine Qualität zulässig. Etwas anderes würde eine Deformierung des Prozeßgangs darstellen, der im Rahmen des Streitgegenstandes beiden Parteien gleiche Chancen geben müsse; damit werde das Bedürfnis des Beklagten nach Rechtsgewißheit hintangesetzt. Diesem Gedankengang stimmt die herrschende Meinung heute unter Hinweis vor allem auf den vom Kläger in der Berufungsinstanz selbst gestellten Sachantrag29 im wesentlichen zu30 und unterstützt ihn noch mit dem - von Bötticher indes mißbilligten31 - Argument, wenn nach einer Zurückverweisung das erstinstanzliehe Gericht die Klage auch sachlich abweisen könne, müsse dem Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozeßökonomie dieselbe Befugnis zustehen32• b) In der Tat ist mit Bötticher der letzte Gesichtspunkt als nicht beweiskräftig abzulehnen, da zwischen dem Ausmaß der Befugnisse des Rechtsmittelgerichts und denen der Unterinstanz im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius keine Unterschiede bestehen38• Es kann aber weiterhin auch auf eine Gleichbehandlung der Parteien letztlich nicht ankommen34, da das Verbot der reformatio in peius gerade eine einseitige Bevorzugung des Rechtsmittelklägers darstellt, also bereits seine Existenz im Gegensatz zum Gleichbehandlungsgebot steht und somit einzelne, in dieser Hinsicht vielleicht besonders schwerwiegende Auswirkungen des Verbots allein an einer immanenten Beschränkung des Verbots der reformatio in peius scheitern können. Entscheidend ist hingegen der Gedanke Böttichers, über den sachlichen Anspruch werde in der Berufungsinstanz gleichsam erstinstanzlich geurteilt. Eben darin, nämlich in der Möglichkeit einer erneutenbei der Abweisung als z. Z. unbegründet - oder erstmaligen Sachprüfung - bei der Prozeßabweisung - besteht der aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehende Vorteil des Rechtsmittelklägers36, und einen ganz gleichartigen Vorteil nimmt er durch die Einlegung seines 29 Lent JR 1954, 183; Pohle SAE 1956, 243; StJ-Grunsky § 536 Anm. I 2 a; Zöller!Karch § 536 Anm. b; BAG NJW 1966, 1140, 1141; PrOVGE 44, 415, 418; wohl auch Wach GruchB 37, 479; vgl. auch PrOVG PrVwBl 31, 346. ao Oben Fn. 26 und 27. at Bötticher ZZP 65, 465. az Blomeyer § 104 VI 2 b; Bruns § 52 III (S. 447 mit Fn. 77); Mattern LM Nr. 10 zu § 563; Pagendarm LM Nr. 5 zu § 540 ZPO; BGHZ 23, 36, 50; 46, 281, 284; BGHNJW 1954, 150, 151; BAGNJW 66, 1140, 1141; BVerwG JR 1966, 153, 154. aa Ahnlieh Fischer LM Nr. 5 zu§ 563 ZPO; Lent JR 1954, 183; Pohte SAE 1956, 242; s. dazu unten§ 12 Fn. 13 und§ 12 III 2 a. u Zweifelnd auch Arens AcP 161, 187; Rimmelspacher S. 209. u Arens AcP 161, 188; Jesch DÖV 1955, 395.
II. Die positive Feststellung
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Rechtsmittels in Anspruch. Der Unterschied zu der ohne die Anfechtung gegebenen Situation liegt hier einzig in der Verschiedenheit der zur Entscheidung berufenen Gerichte: Wäre es in jenem Falle dasselbe erstinstanzliehe Gericht oder ein anderes Eingangsgericht gewesen, so ist es hier das Berufungsgericht. Das Verbot der reformatio in peius enthält jedoch eine Rechtsschutzgarantie, nicht eine Kompetenzregelung, durch die dem Kläger eine ausschließliche -und damit gegenüber dem Rechtsmittelverfahren noch zusätzliche - Kompetenz des ohne die Anfechtung zuständigen Gerichts gewährleistet würde. Infolgedessen hat der Kläger bei einer eingeschränkten Abweisung nur die Wahl, entweder durch eine neue Klage nach Beseitigung des angenommenen Hindernisses oder durch die Einlegung eines Rechtsmittels den Vorteil einer neuen Sachprüfungsmöglichkeit auszuschöpfen. Da auch die Rechtsmitteleinlegung mithin seine günstige verfahrensrechtliche Stellung verbraucht, bildet diese ebensowenig ein Hemmnis für eine freie Sachentscheidung der Rechtsmittelinstanz wie für das Urteil des sonst berufenen Gerichts36• 2. Die Chance eines neuen Verfahrens im übrigen
Diese Überlegung ist darüber hinaus weiter von Bedeutung für alle übrigen Fälle, in denen der durch das angefochtene Urteil begründete Vorteil einzig in der Zulässigkeit eines neuen Verfahrens mit erneuter oder erstmaliger Sachprüfung besteht37• Aus diesem Grund ist etwa die Zurückverweisung des Rechtsstreits als solche trotz des Gewinns einer zusätzlichen Instanz kein erhaltenswerter und deshalb für die Revisionsinstanz maßgebender Besitzstand. Wenngleich von einigen Vertretern der herrschenden Meinung auch ein Instanzverlust als reformatio in peius angesehen wird38, entscheidet diese hier im Ergebnis ebenso, da sie für verfahrensrechtliche Entscheidungen ein Verbot der reformatio in peius von vornherein nicht gelten läßt39, Schließlich kann deswegen auch das wegen eines unzulässigen Teiloder Vorbehaltsurteils40 sowie bei abhängigen Ansprüchen41 der Ent38 Vgl. Pohle SAE 1956, 243; OLG Stuttgart NJW 1970, 569, 570; a. A.: offenbar Baur JZ 1954, 327. 37 Vgl. OLG Stuttgart DAVorm 1971, 92, 95 f. (zur Abweisung einer negativen Abstammungsklage wegen Nachweislichkeit der Abstammung statt wegen Unaufklärbarkeit). as Vgl. oben Fn. 24. 38 Oben § 10 Fn. 26 f.; vgl. hierzu insbes. BVerwG JZ 1957, 99, 100; so auch RGZ 53, 1,4. 40 Blomeyer § 99 III 1 a. E. (S. 533); Lieb S. 111; vgl. ferner Baumbach I Albers § 537 Anm. 1 B; RGZ 92, 318, 321; 107, 350, 351; 144, 116, 118; BGH
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
scheidung des unterinstanzliehen Gerichts vorgreifende Urteil der Rechtsmittelinstanz nicht das Verbot der reformatio in peius verletzen, soweit hierbei gleichfalls über diese Ansprüche erstmalig entschieden
wird. § 12 Die Grenzen des Schutzes I. Die mangelnde Reichweite des Besitzstands
1. Das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz Ein Besitzstand dieser Art kann ferner allein durch die endgültige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts berührt werden; infolgedessen steht der Schutzzweck des Verbots einem sich negativ auswirkenden Umstand des vorausgehenden Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz von vornherein nicht entgegen. Darum kann z. B. eine neue Beweisaufnahme durch das Rechtsmittelgericht1 oder eine etwaige Verzögerung des Rechtsmittelverfahrens2 nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, und es ist weiter zulässig, bei der Rechtsmittelentscheidung ein neues Vorbringen des Gegners zu berücksichtigen3, da es nur auf den Inhalt der Entscheidung, nicht aber auf ihre tatsächlichen Grundlagen ankommt4. NJW 1960, 339, 340; OGH NJW 1949, 945 ff.; abw.: VGH Mannheim NJW 1971, 109; Rosenberg I Schwab § 140 II 3 d (S. 759); StJ I Grunsky § 540 Anm. II1. u Vgl. Baumbach I Atbers § 537 Anm. 1 B; Btomeyer § 99 IV 1 (S. 534 f.); Lieb S. 113; StJ I Grunsky § 537 Anm. I a; RG JW 1926, 2539 Nr. 14; HRR 1936, Nr. 219; BGHZ 30, 213, 215; BGH LM Nr. 8 zu§ 537 ZPO; grundsätzlich gegen die Zulässigkeit eines derartigen Vorgriffs: Mattern JZ 1960, 385 ff.; Rosenberg I Schwab § 140 II 3 c (S. 759); Schwab NJW 1959, 1824 ff. Nicht hierher gehören dagegen die von Btomeyer außerdem (Blomeyer § 99 IV 2, S. 535) erwähnten Fälle eines Vorgriffs, in denen bereits ein Urteil der Vorinstanz ergangen ist; zu der dort (unter a) angeführten Problematik eines Hilfsantrags vgl. unten § 13 A I 7 c. Falls das Rechtsmittelgericht ein weiteres Teil- oder das Schlußurteil in seine Entscheidung einbezieht (Blomeyer unter b), muß das Verbot in demselben Umfang beachtet werden, als ob diese Entscheidung ursprünglich mitangefochten worden wäre; denn der Vorgriff des Rechtsmittelgerichts darf dem Rechtsmittelkläger nicht einen Besitzstand entziehen, der ihm ohne sein Rechtsmittel verblieben wäre. Die Notwendigkeit dieser Differenzierung übersieht Lieb S. 111 Fn. 5 einerseits und S. 113 andererseits. 1 Vgl. für den Strafprozeß: Keber S. 104; Kleinteller GS 38, 584; Schwarze GS 18, 386 ff.; a. A.: Goltdammer GA 11, 330 (es sei Zurückverweisung erforderlich). 1 A. A. Coulin Recht 20 Sp. 37. 1 A. A. wohl Baumbach I Albers § 559 Anm. 3; in der dort zitierten Entscheidung BayObLGZ 1948/51, 57 heißt es indessen lediglich, die Berücksidltigung von Rügen des Gegners komme einer unzulässigen reformatio in peius gleich (S. 61). ' Vgl. auch oben § 6 I.
I. Die mangelnde Reichweite des Besitzstands
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2. Der bloße Anschein eines Besitzstandes
Auch wenn ein Besitzstand lediglich scheinbar besteht, weil dem vermeintlichen Vorteil des Rechtsmittelklägers ausnahmsweise die Verbindlichkeit fehlt, vermag dieser offenbar keine nachteilige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu hindern. Das wäre vor allem bei einer Nichtigkeit des angefochtenen Urteils5 oder einem widersprüchlichen Urteilsinhalt der Fall, da auch dessen Feststellungen mangels Erkennbarkeit der Aussage nicht beachtlich sein können6• 3. Die eingeschränkte Bindungswirkung bei Inzidentfragen
Des weiteren kann aber die Bindung des Rechtsmittelgerichts auch nur so weit reichen, wie zugleich eine Verbindlichkeit des Vorteils für die ohne die Anfechtung zuständige Stelle bestanden hätte. Das ergibt sich aus dem soeben7 herangezogenen Gedanken, daß das Verbot der reformatio in peius dem Rechtsmittelgericht dieselben Befugnisse in die Hand gibt wie jener, weil es keine ausschließliche Kompetenz des anderen Gerichts oder der Behörde begründet und die Lage des Anfechtenden im Verhältnis zu der sonst gegebenen nicht verbessern, sondern lediglich nicht verschlechtern will. Infolgedessen besteht der Inhalt des Verbots der reformatio in peius zwar regelmäßig, aber nicht notwendig zugleich in einem Gebot zur Aufrechterhaltung des Besitzstands8. Das Verbot verlangt vielmehr vom Rechtsmittelgericht allein, in gleicher Weise wie die sonst berufene Stelle bei seiner Entscheidung den Besitzstand des Rechtsmittelklägers hinzunehmen. Kommt es auf diesen nicht an, gelangt also das Rechtsmittelgericht dessenungeachtet aus anderen Gründen zu einer dem Rechtsmittelkläger nachteiligeren Entscheidung, dann wird dadurch der Besitzstand und damit das Verbot der reformatio in peius nicht verletzt, vielmehr offenbaren sich hierin einzig dessen immanente Grenzen. Freilich ist die Bedeutung dieser weiteren Einschränkung des vom Verbot der reformatio in peius ausgehenden Schutzes gleichfalls gering. 5 So im Ergebnis auch Freitag Diss. S. 13; ders. VwA 56, 318; ihm folgend Lieb S. 12; ferner Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; OLG Hamm NJW 1972, 2047 (für einen Kostenfestsetzungsbeschluß ohne Kostengrundentscheidung; zust. Zöller I Mühlbauer § 104 Anm. 3 k; insoweit a. M. - keine Nichtigkeit - KG NJW 1973, 2115 f.; OLG Köln NJW 1967, 114, 115); für den Strafprozeß: Grethlein S. 26; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 e; BayObLG NJW 1953, 756; 1961, 1487, 1489; OLG Dresden JW 1927, 2773 Nr. 33; OLG Oldenburg NJW 1959, 1983; vgl. auch BayObLGSt 1953, 34, 35. • Ebenso BGHZ 5, 240, 246; Johannsen LM Nr. 2 zu§ 559 ZPO. 7 Oben § 11 II 1 b. 8 So im Grundsatz u. a. aber Bötticher ZZP 65, 466 und Fenn S. 63, nach deren Auffassung das Rechtsmittelgericht mangels eines Abänderungsantrags über das zuvor "Eingeheimste" bzw. "Zugesprochene" nicht anders als bestätigend erkennen dürfe.
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§
12 Die Grenzen des Schutzes
Wichtig wird sie nur dann, wenn die Vorinstanz lediglich eine Inzidentfrage zugunsten des Rechtsmittelklägers bejaht hatte und damit bereits einen Besitzstand schuf, wie es etwa in einem Grundurteil oder den Rechtsstreit zurückverweisenden Urteil denkbar ist9 • Wird ein solches Urteil angefochten, dann muß das Revisionsgericht den Rechtsstreit für den Revisionskläger auch ungünstiger entscheiden dürfen, falls es trotz Beachtung der bindenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts zu diesem Ergebnis gelangt1°. Denn an einer derartigen Entscheidung wäre auch das erstinstanzliehe Gericht nicht gehindert gewesen11. II. Die anderweitig gegebenen Möglichkeiten zur Aufhebung eines Besitzstands
Hafteten die bisherigen Ausnahmen von der Gewährleistung eines Besitzstandes gewissermaßen dem jeweiligen Besitzstand selbst an, so fragt es sich, ob darüber hinaus nun jede Nichtbeachtung eines Besitzstands bereits einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius bedeutet, oder ob - und gegebenenfalls unter welchen Umständen dessen Beseitigung überdies deshalb zulässig sein kann, weil das Schutzbedürfnis des Rechtsmittelklägers aus besonderen Gründen zurücktreten muß12• Dabei ist wiederum von dem Gedanken auszugehen, daß das Verbot der reformatio in peius zum einen keinen größeren Bestandsschutz gewähren kann als er ohne die Rechtsmittelanfechtung bestehen würde, und zum anderen auch keine Kompetenzregelung enthält, die lediglich das Rechtsmittelgericht an einer andernfalls zulässigen Entscheidung hindern würde. Demzufolge muß dieses Gericht im Rechtsmittelverfahren alle die Befugnisse wahrnehmen dürfen, die ein anderes Gericht in einem anderen Verfahren zur Beseitigung des Besitzstands berechtigt hätten13• Sind derartige Möglichkeiten an anderer e Vgl. oben § 11 I 2.
Hat etwa die erste Instanz die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht auf die Berufung des Klägers aber den Anspruch - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens - dem Grunde nach zu 1/2 für gerechtfertigt erklärt und zurückverwiesen (§ 538 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO), so darf bei einer Revision des Klägers das Revisionsgericht die Klage abweisen, wenn der Kläger nach Meinung des Gerichts gar keinen Schaden erlitten hat. u Vgl. BGH LM Nr. 21 zu § 304 ZPO. 12 S. oben § 10 II. 1a Ähnlich Ganske S. 7 f. und Gerhardt S. 41 für das Strafverfahren. Derselbe - und somit im Ansatz zutreffende - Gedanke liegt ferner der zur Prozeßabweisung geäußerten h. M. zugrunde, das Rechtsmittelgericht könne an einer sachlichen Abweisung nicht gehindert sein, wenn nach einer Zurückverweisung die untere Instanz dazu befugt sei; vgl. oben § 11 Fn. 32, 33. 10
li. Die anderweitige Möglichkeit zur Aufhebung eines Besitzstands
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Stelle gegeben, dann hat das Gesetz damit den Schutz der begünstigten Partei letztlich hintangesetzt; die Sicherheit des Vorteils ist lediglich vorläufiger Natur, so daß der Besitzstand des Rechtsmittelklägers hier - mit einem treffenden Ausdruck Böttichers14 - auf einer "unhaltbaren Grundlage" ruht. Er darf mithin auch im Rechtsmittelverfahren beseitigt werdent5• 1. Von der Rechtsmitteleinlegung unabhängige Befugnisse des Rechtsmittelgerichts
Eine dem Besitzstand widersprechende Entscheidung muß insbesondere dann möglich sein, wenn das Rechtsmittelgericht selbst ohne Rücksicht auf die Rechtsmitteleinlegung den vom Rechtsmittelkläger in der unteren Instanz errungenen Vorteil hätte zerstören können, sei es von Amts wegen, sei es auf Antrag eines anderen Beteiligten. Eine derartige Befugnis kann durch die Einlegung des Rechtsmittels nicht aufgehoben werden1s. a) Das Einschreiten von Amts wegen Das geltende Verfahrensrecht sieht freilich grundsätzlich keine Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen von Amts wegen vor17, und die u Bötticher ZZP 65, 468; vgl. oben§ 10 II a. E. bei Fn. 65. u Für das Strafverfahren a. M. Frisch MDR 1973, 720 ff. auf Grund einer extrem subjektiven und an der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit einer Nachteilszufügung orientierten Betrachtungsweise. 18 So für die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde: Fromer SchwJZ 41, 136; RGZ 79, 424, 427; BVerwG DÖV 1957, 782 (Einspruchsbehörde); OVG Harnburg DVBl 1957, 284, 285 (Einspruchsbehörde); grundsätzlich auch Haueisen NJW 1959, 701; Ringe DVB11957, 677; ähnlich BayVGH DÖV 1972, 318. 17 Auch§ 23 Abs. 1 S. 3 GKG ermächtigt das Beschwerdegericht nicht unter allen Umständen zur Änderung der vorinstanzliehen Streitwertfestsetzung, sondern allein unter der Voraussetzung, daß es bereits mit der Sache befaßt ist. Trotzdem läßt sich aus dieser von Amts wegen bestehenden Änderungsmöglichkeit entnehmen, daß das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung frei, also auch zum Nachteil des Beschwerdeführers, abändern kann; vgl. Lauterbach I Hartmann § 23 GKG Anm. 4 C; Wedewer § 18 GKG Anm. 7 b; BFHE 103, 316, 320; 110, 495, 496; OLG Jena HRR 1937 Nr. 274; OLG Kiel JW 1932, 3639 Nr. 9; OLG München BayJMBl 1954, 223 f.; BayVGH DÖV 1971, 139; OVG Münster E 5, 44 f.; a. A.: RGZ 14, 352, 354. Hingegen ist nach der Aufhebung der §§ 4 Abs. 1 S. 3 und 4 GKG a. F., 14 Abs. 2 S. 3 und 4 KostO sowie des § 16 Abs. 1 S. 4 ZSEG eine reformatio in peius in diesen Verfahren nicht mehr zulässig, da die entsprechende Änderungsmöglichkeit entfallen ist. Für deren Zulässigkeit nach der früheren Rechtslage bei der Erinnerung nach § 4 Abs. 1 GKG: Lauterbach I Hartmann § 4 GKG Anm. 3 C; OLG Düsseldorf JMBlNW 1958, 93; FG Münster EFG 1970, 85, 86; a. A.: Becker I Riewald I Koch § 148 FGO Anm. 5; Rittmann I Wenz § 4 Anm. 3; hinsichtlich§ 14 KostO: Lauterbach I Hartmann § 14 KostO Anm. 1 C m.w.N.; a.A.: KorintenbergiWenziAckermann/ Lappe § 14 Anm. 4; KG HRR 1938 Nr. 1139; in bezug auf § 16 ZSEG: Lauter-
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
im Rechtsmittelverfahren sonst von Amts wegen zu treffenden Entscheidungen wie etwa die Klageabweisung wegen fehlender Prozeßvoraussetzungen18 gehören nicht hierher, weil sie erst durch die Rechtsmitteleinlegung selbst ermöglicht werden.
Anders liegt es jedoch im verwaltungsbehördlichen Verfahren. Wenn und soweit dort die Widerspruchsbehörde zugleich als Aufsichtsbehörde zum Einschreiten von Amts wegen berechtigt ist, darf sie den Verwaltungsaktmithin auch im Widerspruchsverfahren zum Nachteil des Widerspruchsführers ändem•o. b) Die Entscheidung auf ein Rechtsmittel des Gegners Dasselbe Ergebnis wird nach einhelliger Ansicht im gerichtlichen Verfahren durch ein eigenes Rechtsmittel des Gegners2° oder durch dessen Anschluß an das Rechtsmittel21 erzielt. Auch hierfür ist entscheidend, daß das Rechtsmittelgericht mit diesem Antrag des Gegners ermächtigt wird, das ergangene Urteil unabhängig von der Rechtsmitteleinlegung zu überprüfen und wegen dieser zusätzlichen Entscheidungsbefugnis eine Grundlage für den Bestandsschutz des Rechtsmittelklägers entfällt. Fraglich könnte dies allenfalls für die unselbständige Anschließung sein, da diese ohne das Rechtsmittel nicht bestehen kann (§§ 521, 522 Abs. 1 ZPO). Das Gesetz behandelt sie jedoch für den Fall eines zulässigen Rechtsmittels gleichermaßen als vollgültigen Anschluß, der somit dem Rechtsmittelgericht ebenso wie die selbständige Anschließung eine von der Rechtsmitteleinlegung unabhängige - wenngleich bach I Hartmann § 16 ZSEG Anm. 4 B; LG Stuttgart NJW 1974, 2200; LSG Harnburg NJW 1964, 1243, 1245 (einschränkend). 18 Vgl. oben§ 10 bei Fn. 32. 1e S. Fleiner S. 234; Forsthoff 8. Aufl. S. 485 (in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten) ; Fromer SchwJZ 41, 136; Josef ZZP 33, 519 f.; Magen S. 56; BVerwGE 14, 175, 178; OVG Lüneburg E 21, 367, 369; BayVGH BayVBl 1973, 556; vgl. auch BayVGH BayVBl 1973, 554, 555 f.; abw.: Renck BayVBl 1974,640. Dabei ist von einer Lage auszugehen, wie sie ohne die Anfechtung bestanden hätte (vgl. Laubinger JA 1970, 548 - ÖR 162 -), so daß auch die allgemeinen Grundsätze über den Widerruf von Verwaltungsakten gelten müssen (Laubi nger JA 1970, 548; Lieb S. 79 ff.); ferner muß ein Selbsteintrittsrecht der Aufsichtsbehörde bestehen (dazu Brandner S. 62 ff.). zo Vgl. nur Fenn S. 57; Schultzenstein ZZP 31, 3 f.; a. A. soweit ersichtlich nur Jacobi VwA 5, 368 f. - aufgegeben in PrVwBI 31, 156 - und v. Boecklin S. 102. Dasselbe gilt für die erste Instanz bei einer Widerklage (soweit zulässig, vgl. Freitag Diss. S. 139, 148; Kopp§ 88 Anm. 3) oder der Klage eines anderen Beteiligten (vgl. BFHE 101, 470 ff.); zum Widerspruchsverfah-ren s. Freitag Diss. S. 86 f .; ders. VwA 65, 337 f.; BVerwG DÖV 1969, 142. 11 Fenn S. 57; Rosenberg I Schwab § 141 li 2 (S. 758); Schultzenstein ZZP 31, 3 f.; vgl. auch oben§ 8 I 5 a.
II. Die anderweitige Möglichkeit zur Aufhebung eines Besitzstands
in ihrem Bestehen durch diese bedingte verleiht22•
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Entscheidungskompetenz
2. Die Kompetenzen anderer Gerichte
a) Das Recht zur nachträglichen Abänderung von Amts wegen Die oben angestellte Überlegung gilt indessen auch dann, wenn die untere Instanz oder ein anderes Gericht von Amts wegen den Besitzstand des Rechtsmittelklägers wieder abändern dürfte23• Hierbei kommt vor allem der Gesichtspunkt zur Geltung, daß das Verbot der reformatio in peius die ohne die Anfechtung gegebenen Zuständigkeiten nicht gewährleistet, so daß diese Befugnisse auch zur Kompetenz des Rechtsmittelgerichts gehören müssen. Nachträglich abänderbar sind etwa in der Regel die gerichtlichen Beschlüsse!' und die von Amts wegen ergehenden Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sind(§ 18 FGG)25• Da indessen Zweck dieser letzten Einschränkung lediglich die Herbeiführung einer möglichst baldigen Entscheidung ist26, nicht hingegen die Sicherung der einem Beteiligten zugefallenen Vorteile, dürfte auch in diesen Fällen eine Änderungsbefugnis des Beschwerdegerichts nicht ausgeschlossen sein27• 22 Aus ähnlichen Gründen wird auch durch die Einlegung einer Revision seitens des Berufungsbeklagten (oder sogar nur einer Anschlußrevision) das in der Berufungsinstanz zugunsten des Berufungsklägers geltende Verbot der reformatio in peius für das Revisionsverfahren beseitigt. Allerdings baut diese Revision gleichfalls auf der Berufungseinlegung auf, enthält aber dennoch wie der Anschluß an die Berufung eine dadurch nicht beeinflußte Ermächtigung des Revisionsgerichts zur Neuentscheidung. Ebensowenig wie im obigen Fall die Fristversäumnis des Berufungsbeklagten bei der Einlegung einer selbständigen Berufung läßt dessen insgesamt fehlende Initiative während des Berufungsverfahrens ein "Recht" des Berufungsklägers auf fortdauernde Wahrung seines Besitzstandes oder eine "relative Rechtskraft" zu seinen Gunsten entstehen: so im Ergebnis auch v. Boecklin S. 62 f.; BayObLGZ 1967, 358, 378; a. A .: Hoch S. 59; PrOVGE 40, 229, 233; PrOVG PrVwBl 3, 195, 197; RVA AN InAV 1895, 37; für den Strafprozeß: Oetker GS 65, 449; Schwarze 14, 302 f. za Vgl. Hufnagel DVBl 1950, 205; Kirchner Mitt 1972, 157 Fn. 6; Zimmermann Rpfleger 1959, 258 f.; BFHE 103, 316, 320; KG NJW 1955, 229, 230; NJW 1969, 436; OVG Münster E 5, 44 f.; a. A.: Brandner S. 65 ff.; BFH BStB11969 II, 657, 659; wohl auch Josef ZZP 33, 526 ff. 24 Baumbach I Hartmann § 329 Anm. 3 (zu § 318); Rosenberg I Schwab § 60 II 2 (S. 307); StJ I Schumann I Leipold § 329 Anm. II 1; vgl. auch oben Fn. 17. Freilich bestehen gerade für die nicht lediglich prozeßleitenden Beschlüsse, bei denen eine reformatio in peius überhaupt in Betracht kommt, zahlreiche Ausnahmen; vgl. Baumbach I Hartmann § 329 Anm. 3; Blomeyer § 29 II (S. 132); Rosenberg I Schwab § 60 II 1 (S. 306 f.). 15 Dabei ist auch eine Änderung zum Nachteil des Betroffenen möglich; vgl. insbes. Habscheid § 34 III 3 c; ferner Bärmann § 21 II 3 d; Baur Lb. § 24 B III 4; Keidell WinkleT § 18 Rndr. 27; SchlegelbergeT § 18 Rdnr. 6; KG NJW 1955,229,230. ze Keidel I WinkZer § 18 Rdnr. 13 m. w. N. 27 Vgl. KG NJW 1955, 229, 230.
II Kapsa
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
Im Verwaltungsverfahren ist weiterhin auch die Ausgangsbehörde unter besonderen Umständen zur Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte von Amts wegen befugt28, und darum ebenso und in demselben Umfang auch die Widerspruchsbehörde, sofern ihr dieses Recht nicht bereits als Aufsichtsbehörde zusteht29 • b) Das Erfordernis eines Parteiantrags Ob sich das Rechtsmittelgericht freilich über den Besitzstand des Rechtsmittelklägers auch dann hinwegsetzen kann, wenn die Abände-rungsmöglichkeiten eines anderen Gerichts erst bei einem dahingehenden Antrag bestehen, ist dagegen zweifelhaft. In diesen Fällen hat das Gesetz die dem Besitzstand entgegenstehenden Gründe zwar ebenfalls letzten Endes als höherwertig eingestuft - so kann ein auf der Hechtskraftfähigkeit beruhender Besitzstand gegebenenfalls im Wiederaufnahmeverfahren vernichtet werden, die Wiederaufnahmegründe (§§ 579, 580 ZPO) sind ihm also letztlich vorrangig -, es hat es jedoch darüber hinaus der Parteiinitiative überlassen, den Anstoß zu ihrer Berücksichtigung zu geben. Von seiten des Rechtsmittelbeklagten müßte also auch in der Rechtsmittelinstanz ein solcher Antrag gestellt werden, es sei denn, jener Antrag wäre lediglich als Verfahrensantrag zu werten, da das Rechtsmittelgericht hier schon auf das Rechtsmittel hin zulässigerweise mit dem Verfahrensgegenstand befaßt ist. aa) Insbesondere bei der Wiederaufnahme des Verfahrens und folglich bei der Möglichkeit, die Rechtskraft des Urteils und damit die bedeutendste Ursache eines Besitzstands zu beseitigen, besteht aber außerdem eine Bindung des Gerichts an die Sachanträge30• Deswegen ist hier der Antrag des Gegners nicht nur verfahrensmäßige, sondern auch inhaltliche Voraussetzung für die Berücksichtigung der Wiederaufnahmegründe. Diese Befugnis des Gegners im Wiederaufnahmeverfahren kann auch im Rechtsmittelverfahren nicht übergangen werden, so daß für dieses ein gleichartiger Antrag von seiner Seite zu fordern ist. Hierfür dürfte grundsätzlich jedoch nicht bereits ein rein defensiver Antrag des Rechtsmittelbeklagten auf Zurückweisung des Rechtsmittels ausreichen, sondern der möglichen Wiederaufnahmeklage entspricht allein eine gleichfalls selbständige Initiative im RechtsmittelVgl. dazu etwa Wolff I Bachof § 53 V m. w. N. Vgl. oben Fn. 19. so S. oben § 9 A I 5; das übersehen Berg JR 1971, 161 und Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; vgl. dazu auch BSGE 14, 154, 158. Bei einer anderen Beurteilung dürfte das Verbot der reformatio in peius im Wiederaufnahmeverfahren grundsätzlich nicht gelten. Das widerspräche jedoch der dort bestehenden Antragsbindung (§§ 585, 308 Abs. 1 ZPO) und stände auch mit der gesetzlichen Wertung im Strafprozeß (§ 373 Abs. 2 StPO) nicht in Einklang. zs
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II. Die anderweitige Möglichkeit zur Aufhebung eines Besitzstands
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verfahren in Gestalt eines eigenen Rechtsmittels oder eines Anschlusses an das Rechtsmittel. Aus Gründen der Prozeßökonomie wird man allenfalls dann, wenn das Recht zur Anschließung durch Fristablauf verlorengegangen ist (vgl. § 556 Abs. 1 ZPO), zur Beachtung der im Wiederaufnahmeverfahren geltend zu machenden Gründe - z. B. mangelnde Vertretung (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) bzw. Parteifähigkeit (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog) 31 oder entgegenstehende Rechtskraft (§ 580 Nr. 7 lit. a ZPO) - einen einfachen Antrag des Rechtsmittelbeklagten genügen lassen32• bb) Andererseits dürfte etwa der Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO allein verfahrensrechtliche Bedeutung haben, da er lediglich eine nochmalige Eröffnung der Verhandlung und eine Entscheidung über die schon gestellten Anträge sowie die Kosten ermöglicllen soll. Eine derartige Ergänzung darf somit auch vom Rechtsmittelgericht ohne weiteren Antrag des Rechtsmittelbeklagten vorgenommen werden33• Wegen der Verfahrensfortsetzung durch das Rechtsmittel kann die für die unmittelbare Anwendung des § 321 ZPO vorgesehene Frist hier indessen keine Bedeutung haben34• Mithin ist das Rechtsmittelgericht zur Beseitigung eines Besitzstandes ebenfalls unter den Voraussetzungen berechtigt, unter denen ein anderes Gericht auf Antrag hierzu befugt gewesen wäre, falls es sich dabei entweder um einen reinen Verfahrensantrag handelt oder sofern der Rechtsmittelbeklagte dieses Recht schon in der Rechtsmittelinstanz - grundsätzlich in der Form eines eigenen Reclltsmittels oder eines Anschlusses - wahrgenommen hat.
3. Die Unerheblichkeit sonstiger Verfahrensvorschriften Aus diesen Erwägungen sowie aus der Unmöglichkeit, nachteilige Verfahrensentscheidungen des Rechtsmittelgerichts allein mit einer 11 Vgl. Baumbach I Hartmann § 579 Anm. 5; Rosenberg I Schwab § 43 IV 6 (S. 205); StJ I Pohle §50 Anm. VII 1; BGH JZ 1959, 127; a. A.: StJ I Grunsky § 579 Anm. II 4. Allgemein zur Ausdehnung der Wiederaufnahmegründe s. Gaul Grundlagen S. 24 ff. az Die Prozeßökonomie sowie "höhere Belange der Allgemeinheit" (BGHZ 18, 60) verlangen nach h. M. eine weitgehende Berücksichtigung von Wiederaufnahmegründen noch im Rechtsmittelverfahren; vgl. Baumbach I Hartmann Grz. 1 C vor§ 578; RGZ 150, 392, 395 f.; 153, 65, 69; 156, 70, 80 f.; BGHZ 3, 65, 67 f.; einschränkend: Rosenberg I Schwab § 146 II 3 f (S. 797); StJ I Grunsky § 561 Anm. II 2 c; BGHZ 18, 59 f.; grundsätzlich ablehnend: Gaul FamRZ 1960,323 f.; ders. ZZP 74, 79 ff. 13 Vgl. auch PrOVGE 8, 349, 352. M A. A. BFHE 103, 316, 320 für die zur Änderung des Streitwertes (§ 146 Abs. 2 FGO a. F., entspr. § 23 Abs. 1 S. 4 GKG) gesetzte Frist. Das würde freilich bedeuten, daß bei einer kurz vor Fristablauf erfolgten Festsetzung (vgl. § 23 Abs. 2 Halbs. 2 GKG) nun ausnahmsweise (s. oben Fn. 17) ein Verbot der reformatio in peius bestehen würde; ein ungereimtes Ergebnis.
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
von Amts wegen bestehenden Kompetenz des Gerichts zu rechtfertigen85, folgt aber weiterhin, daß verfahrensrechtliche Vorschriften einschließlich der zwingenden Prozeßvoraussetzungen grundsätzlich86 nicht zu einer Beeinträchtigung des Besitzstandes führen dürfen. Das öffentliche Interesse an ihrer Beachtung37 reicht für dessen Beseitigung nicht aus, weil der Besitzstand des Rechtsmittelklägers hier auf einer sicheren Grundlage beruht. Der Gesetzgeber hat der Einhaltung dieser Vorschriften nicht so viel Bedeutung beigemessen, daß er dafür eine Berichtigung des Urteils ohne Parteiantrag vorgesehen hätte. Da infolgedessen im Rechtsmittelverfahren eine Überprüfung insoweit allein durch die Einlegung des Rechtsmittels seitens des Rechtsmittelklägers ermöglicht wird, ist hier dessen Schutzinteresse der Vorrang zu geben.
m. Die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung Schließlich wäre der Besitzstand des Rechtsmittelklägers im Rechtsmittelverfahren auch bei einer bloß unerheblichen Beeinträchtigung nicht schutzwürdig, so daß er in diesen Fällen ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Rechtsmittelgerichts nicht hindern könnte. Eine zulässige Beseitigung von Besitzständen kommt unter diesem Gesichtspunkt vor allem dann in Betracht, wenn die darin liegende Schlechterstellung nur vorläufiger Natur ist und der Besitzstand somit im Endergebnis wiederhergestellt wird oder wenn der Rechtsmittelkläger im Austausch gegen den verlorenen Vorteil einen neuen, gleichwertigen, erhält. Da für das Verbot der reformatio in peius allein die endgültige Entscheidung, nicht jedoch das vorausgehende Verfahren maßgebend istss und auch eine Verbesserung gegenüber dem ohne die Anfechtung bestehenden Zustand nicht eintreten soll89, muß sowohl eine derartige vorübergehende Verschlechterung als auch eine Saldierung der Vorteile möglich sein. 1. Der Ausgleich des Nachteils Das letztere hält auch die herrschende Meinung mitunter für zulässig4o, obwohl bei einem Abstellen auf die Anträge der Besitzstand des Vgl. oben 1 a mit Fn. 18. Zu weiteren Ausnahmen vgl. unten III 2. 37 Darauf weist insbes. Pohle SAE 1956, 243 hin; ebenso wohl Haehnel S. 26. Gegen eine undifferenzierte Berufung auf das öffentliche Interesse im Hinblick auf die grundsätzliche Geltung des Verbots - vgl. schon oben § 8 I 7. 88 Vgl. oben I 1. ae s. oben § 11 I vor 1. 40 Vgl. v. Boecklin S. 90; Früh SchwJZ 43, 136 (hins. einer Entscheidung der Verwaltungsgerichte); Schultzenstein VwA 11, 427 f. (vgl. auch ders. 35
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III. Die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung
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Rechtsmittelklägers schon nicht der Prüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts unterfallen dürfte41 und die herrschende Ansicht folgerichtig zum gegenteiligen Ergebnis kommen müßte. Fraglich ist insoweit nur, in welchen Grenzen eine solche Austauschmöglichkeit möglich sein kann und nach welchen Maßstäben sich der Wert der gegeneinander abzuwägenden Vorteile im Falle ihrer Ungleichartigkeit bemißt. a) Die Schranke des Streitgegenstands Eine Auswechselung der Vorteile darf grundsätzlich nicht über die Schranke des Streitgegenstands hinaus erfolgen. Bei einer objektiven Klagenhäufung ist jeder Anspruch für sich selbständig und nur zum Zweck gemeinsamer Verhandlung mit den anderen verbunden, so daß hier eine Zusammenfassung der jeweils erreichten Ergebnisse gegen die Unabhängigkeit der Ansprüche voneinander verstoßen würde. Richtig macht also die herrschende Meinung die Minderung eines Rechnungspostens der Klage gegen Erhöhung eines anderen davon abhängig, daß beide Faktoren zu demselben Streitgegenstand gehören42 • Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Trennung verschiedener Streitgegenstände ist hingegen dann anzuerkennen, wenn sie nicht kumulativ, sondern im Eventualverhältnis geltend gemacht werden. Hat z. B. der Kläger in erster Instanz nur mit seinem Hilfsantrag obsiegt, so würde es seiner eigenen Staffelung der Anträge sowie der grundsätzlichen Forderung, eine Verbesserung seiner Lage über den erreichten Besitzstand hinaus zu verhindern, widersprechen, wenn das Berufungsgericht auf seine Berufung hin beim Erkennen nach dem Hauptantrag nicht die Verurteilung des Beklagten auf Grund des HilfsanZZP 31, 3 f.); BFHE 110, 453, 460 f.; BayObLGZ 1965, 227, 230; 1970, 239, 240; PrOVGE 52, 146, 148; insbes. zu den früheren Eidesurteilen: RGZ 4, 418, 422; 25, 428, 433; 29, 423, 429; 54, 10, 11 f.; SeuffA 62 Nr. 145; 81 Nr. 101; insoweit a. A. Fink S. 36 f. Das Problem stellt sich in ähnlicher Weise vor allem im Strafprozeß und den verwandten Verfahren, sofern dort Rechtsfolgen der Tat unterschiedlicher Art und verschiedenen Gewichts gegeneinander ausgetauscht werden sollen. Hier ist die "compensatio lucri cum damno" (Beling JW 1925, 2332) im Grundsatz allgemein anerkannt; vgl. zu der dortigen umfangreichen Kasuistik: Kleinknecht § 331 Anm. 2, 3; Löwe I RosenbeTg I GollwitzeT § 331 Anm. 4- 9; MülleT I Sax§ 331 Anm. 3, 4; Eb. Schmidt Lehrkomm. § 331 Rdnr. 7ff. 41 Vgl. oben Fn. 8. 42 Baumbach I AlbeTs § 536 Anm. 2 C; Lieb S. 97; RosenbeTg I Schwab § 141 II 2 a (S. 765); StJ I GTUnsky § 536 Anm. I 2 b; ZölleT I KaTch § 536 Anm. b; BGH VersR 1956, 22, 23; ZZP 74, 114, 117 f.; ähnlich BVerwGE 23, 319, 321. Ein Austausch von Faktoren, die demselben Streitgegenstand angehören, ist im übrigen schon deswegen zulässig, weil diese mangels Hechtskraftfähigkeit keinen Besitzstand bilden; vgl. dazu unten§ 13 A II 1.
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
trags wieder aufheben dürfte. Ein derartiges Urteil ist denn auch nach allgemeiner Meinung zulässig43 • b) Die Bewertung ungleichartiger Vor- und Nachteile Das Reichsgericht hat für die Bewertung unterschiedlicher Vorteile in bezug auf die früheren Eidesurteile- inwieweit etwa eine höhere bedingte Verurteilung des Beklagten einer niedrigeren unbedingten gleichzustellen sei44 -lediglich auf den Einzelfall abgestellt45• Allgemeine Maßstäbe lassen sich in der Tat kaum gewinnen. Es dürfte hierbei jedoch grundsätzlich nicht auf das Empfinden und die Lage des einzelnen Rechtsmittelklägers ankommen, sondern die Entscheidung ist nach objektiven und generellen Kriterien zu treffen48• Andernfalls wäre sie nicht vorhersehbar und damit die Rechtssicherheit in Frage gestellt'7. 2. Die Wiederherstellung des aufgehobenen Besitzstandes
Eine lediglich vorübergehende Beseitigung des Besitzstandes und seine anschließende Wiederherstellung in einem neuen Verfahren kennen die Vertreter der herrschenden Meinung großenteils nicht; sie ist demgegenüber jedoch bei der Aufhebung des angefochtenen Urteils und anschließender Zurückverweisung oder der Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht unter der Voraussetzung denkbar, daß sich das Verbot der reformatio in peius über das Rechtsmittelverfahren hinaus auch auf jene Verfahren erstreckt. a) Die Aufhebung und Zurückverweisung aa) Die herrschende Meinung hält einerseits die vollständige Aufhebung auch gegen den Antrag des Rechtsmittelklägers als Verfahrensentscheidung ohne weiteres für zulässig48, verneint aber andererseits zugleich eine Bindung des unterinstanzliehen Gerichts an das Verbot '~ Vgl. Baumbach I Albers § 559 Anm. 1 A; Blomeyer § 99 IV 2 a (S. 535); Brox Festschrift f. Heymanns-Verlag S. 136; StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b
aa; BGHZ 21, 13, 16. " Vgl. dazu z. B. RG SeuffA 62 Nr. 145. 45 RGZ 25, 428, 433; 29, 423, 429; 54, 10, 12; RG SeuffA 62 Nr. 145; JW 1894, 196 Nr. 13; Urt. v. 16.2.1907- V 277106 N § 536 Nr. 13 (LS). 41 Für den Strafprozeß vgl. Ganske S. 34 (mit Übersicht über den Meinungsstand S. 28 ff.); ferner Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 4 c; Maurach JR 1973, 162 ff.; Pawlik NJW 1971, 666; BGH NJW 1973, 107, 108; im einzelnen str. 47 Ganske S. 32, 34. Das schließt eine Rücksichtnahme auf die subjektive Bewertung einer Partei dann nicht aus, wenn sie sich zugleich objektiv manifestiert, z. B. in der Staffelung von Haupt- und Hilfsantrag seitens des Klägers; vgl. unten § 13 A I 7 c aa.
III. Die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung
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der reformatio in peius nach der Zurückverweisung49, so daß hiernach der Rechtsmittelkläger mit der Zurückverweisung seinen durch das Verbot der reformatio in peius gewährten Schutz verliert. Das scheint sich auch zwangsläufig aus einer vorausgesetzten mangelnden Antragsbindung für verfahrensrechtliche Entscheidungen60 sowie der Anschauung zu ergeben, das Verfahren in der Unterinstanz habe mit dem Rechtsmittelverfahren samt dessen Verbot der reformatio in peius nichts mehr gemein und stelle ein demgegenüber ganz neues Verfahren dar61• Hingegen dürfte der Hinweis, durch die Aufhebung sei das angefochtene Urteil vernichtet und könne deshalb keine Wirkungen mehr äußern52, eher auf die weithin aufgegebene Begründung des Verbots aus der "relativen Rechtskraft" des Urteils53 abzielen. ca Vgl. oben § 10 Fn. 33. Im übrigen enthalte die Zurückverweisung keine unmittelbare Verschlechterung, so zum Beispiel OLG München NJW 1952, 629, 630. Grundsätzlich anders hier wohl Gilles S. 67 Fn. 138, S. 95; vgl. dazu oben§ 7 I 4 b. 41 Baumbach I Albers § 565 Anm. 2 D; Baur Lb. § 29 D III 3 b bb y; Bruns § 52 III (S. 447 mit Fn. 7); Habscheid § 34 III 3 c; ders. JZ 1956, 373; Jansen § 25 Rdnr. 16; Josef ZBlFG 12, 579 f.; Keidel JZ 1953, 304; Keidell Winkler § 19 Rdnr. 95; v. Kries S. 333, 359; KummerS. 168; MagenS. 71; Peters MDR 1952, 141; Ricci S. 34 ff.; SchlegelbergeT § 25 Rdnr. 14; Struckmann ZZP 6, 406 f.; Thomas I Putzo § 565 Anm. 2 e; Ziemer I Birkholz § 126 Rdnr. 20; Zöiler I Karch § 565 Anm. 2; RGZ 12, 408, 410 f.; 94, 212, 214; KG OLGE 45, 260; OLG Breslau Recht 1904, 606 Nr. 2645; OLG München NJW 1952, 629, 630; RVA AN 1905, 487; zur Sachabweisung nach einem Prozeßurteil auch BGHZ 23, 36, 50; 46, 281, 284; BGH ZZP 74, 114, 115; BAG NJW 1966, 1140, 1141; BVerwG JR 1966, 153; vgl. auch PrOVGE 62, 389, 394 zur Sachentscheidung des Revisionsgerichts nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. so Vgl. oben § 10 I 2 b. 11 Baur Lb. § 29 D III 3 b bb y; Josef ZBlFG 12, 580; Lieb S. 15 (vgl. aber S. 115); Magen S. 71; ISchlegelberger § 25 Rdnr. 14; RGZ 12, 408, 410; 129, 224; RG GruchB 34, 754, 755; 38, 168, 170; KG OLGE 45, 260; RVA AN 1905, 487; für den Strafprozeß: E. Fischer S. 58; v. Kries S. 286 f.; Schwarze GS 14,309. n Bärmann § 31 III 2; Jansen § 25 Rdnr. 16; Ricci S. 34 ff., 44; Struckmann ZZP 6, 406 f.; RGZ 12, 408, 410; RG GruchB 34, 754, 755 f.; OLG Breslau Recht 1904, 606 Nr. 2645; RVA AN 1905, 487; für den IStrafprozeß: Bernoulli S. 48; Kleinfeiler GS 38, 595; v. Kries S. 286 f.; Lueder GS 17, 479; Norden ZStW 29, 785; Schwarze GS 14, 304 ff.; H. Seuffert S. 18; a. A.: Gott~ dammer GA 4, 75 f.; PrOTr bei Goltdammer GA 4, 80 f. A In dieser Hinsicht RG Urt. v. 25. 10. 1935 III 53/35, N § 565 Nr. 74 (LS); RVA AN 1905, 487; für den Strafprozeß Schwarze GS 14, 307f.; dazu oben§ 5. Ricci S. 35 sieht hingegen mit der Aufhebung die "Vergleichsmöglichkeit" zwischen dem alten und dem neuen Urteil schwinden und hält von daher ein Fortbestehen des Verbots nach der Kassation für unmöglich (S. 34 f.). Das erscheint freilich sogar von einem betont begrifflichen Standpunkt her (vgl. Ricci S. 2 f. und oben § 1 II 1) übersteigert. Rein begrifflich - und überdies noch eine petitio principii enthaltend - ist ferner das Argument, nach einer Aufhebung könne keine "Abänderung" der Urteile mehr erfolgen, wie sie das Verbot der "reformatio" in peius verlange; so für das Strafverfahren Arnold GS 10, 210; E. Fischer S. 59; Gerber S. 79; Kleinfeiler GS 38, 587;
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
Diese Auffassung ist indessen nicht unbestritten. Zahlreiche Stimmen sprechen sich für die Weitergeltung des Verbots der reformatio in peius nach einer Zurückverweisung aus54 -das Reichsgericht hat dies gelegentlich sogar für "selbstverständlich" gehalten65 - und berufen sich dafür teils nichtsdestoweniger auf die sog. "relative Rechtskraft" 68, teils auf eine eingeschränkte Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Zurückverweisung, die nicht weiter gehen könne als seine auf Grund des Verbots der reformatio in peius noch bestehende Kompetenz57 und schließlich auch auf den Zweck des Verbots, das andernfalls sogar für die Rechtsmittelinstanznutzlos werde58. Auch im Strafprozeß gilt das Verbot der reformatio in peius nach heute allgemeiner Meinung im Anschluß an die Zurückverweisung fort59, nach der Fassung des § 358 Abs. 2 StPO sogar in erster Linie, so daß hieraus erst seine Geltung im Revisionsverfahren selbst gefolgert werden muß80• bb) In der Tat befriedigt weder das Ergebnis der herrschenden Meinung noch überzeugen ihre Argumente. v. Kries S. 286; Norden ZStW 29, 785 f.; für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit offenbar auch Baur Lb. § 29 III b bb r. 64 Becker I Riewald I Koch § 126 FGO Anm. 2 (6); Blomeyer § 99 II 3 (S. 531), § 120 X 3 (S. 688); Bötticher ZZP 65, 465; Fischer LM Nr. 5 zu§ 563 ZPO; Lent JR 1954, 183; Lieb S. 115; StJ I Grunsky § 539 Anm. IV (vgl. aber auch § 565 Anm. II 2 d); Unger ZZP 41, 165; Vierhaus ZZP 6, 244; wohl auch Jesch DÖV 1955, 395 mit Fn. 61; RGZ 58, 248, 256; RG JW 1916, 496 Nr. 12;
LZ 1926 Sp. 331; OLG Celle NJW 1954, 1648; OLG Harnburg OLGE 31, 63; RVA AN 1896, 177 f.; 1908, 441, 442 f.; PrOVGE 8, 349, 352; PrOVGSt 3, 80 ff.; 4, 373, 374; FG Düsseldorf EFG 1970, 511; vgl. auch RGZ 165, 62, 64; RG WarnR 1912 Nr. 465; BGH NJW 1961, 1813, 1814; so auch schon PrOTrE 3, 284 ff.; 38, 370, 372 f.; PrOTr StriethorstA 80 Nr. 6 (S. 21 ff.) und neuestens OLG Köln NJW 1975, 2347, 2348 f. 65 RGZ 58, 248, 256; ähnlich RG JW 1916, 496 Nr. 12 (beide Urteile stammen vom VI. Senat). Ebenso "selbstverständlich" hatte das RG zuvor allerdings auch das Gegenteil angenommen (Urt. des IV. Senats vom 22. 12. 1884, RGZ 12, 408, 410). 58 RVA AN 1896, 177 f.; 1908, 441, 442; PrOTrE 3, 284, 292; 38, 370, 373; PrOTr StriethorstA 80 Nr. 6 (S. 22); für den Strafprozeß: Brachvogel ZStW 13, 222; Goltdammer GA 4, 75 f.; PrOTr bei Goltdammer GA 4, 81. 57 LiebS. 115; Unger ZZP 41, 165. 68 Bötticher ZZP 65, 464; Pohle SAE 1956, 242; StJ I Grunsky § 539 Anm. IV; vgl. auch FG Düsseldorf EFG 1970, 511; PrOTrE 38, 284, 288; PrOTr Striethort 80 Nr. 6 (S. 22). 59 Ausführlich Bennecke I Beling S. 591 f.; vgl. heute Kleinknecht § 331 Anm. 6; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 e; jeweils m. w. N.; dasselbe gilt für das Bußgeldverfahren (OLG Karlsruhe NJW 1974, 1718) sowie die Disziplinarverfahren (Lindgen Hdb. S. 888; ders. BayBZ 1965, 65; Schütz § 80 Rdnr. 10); a. A. noch: Arnold GS 10, 210; KleinfeUer GS 38, 587; v. Kries S. 118 (für die Berufung); Lueder GS 17, 479; Schwarze GS 14, 304 ff; hiergegen Goltdammer GA 4, 75. eo Vgl. E. Fischer S. 8 f.; Ganske S. 9 f.; Gerber S. 7; Grethlein S. 25; Haas S. 31; Löwe I Rosenberg I Meyer § 358 Anm. II 1; a. A. noch Keber S. 94.
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Die Gründe, aus denen eine Zurückverweisung statt einer eigenen Entscheidung des Rechtsmittelgerichts erfolgt, stehen in keinem Zusammenhang mit dem Verbot der reformatio in peius. Ob etwa die festgestellten Tatsachen für eine Endentscheidung des Revisionsgerichts ausreichen (§ 565 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO) oder noch neue Feststellungen erforderlich sind und deshalb zurückverwiesen werden muß, ist aus der Sicht des Verbots der reformatio in peius rein zufällig81 ; sein Bestehen hiervon abhängig zu machen, wäre willkürlich. Mit Recht weist das Finanzgericht Düsseldorf außerdem auf die mögliche Aushöhlung des Verbots in der Rechtsmittelinstanz hin82, da das Berufungsgericht in den Fällen der §§ 538, 539 ZPO nach seinem Ermessen entweder zurückverweisen oder selbst in der Sache entscheiden kann (§ 540 ZPO). Durch eine extensive Ausnutzung der Möglichkeit zur Zurückverweisung vermag es sich also der Bindung des Verbots der reformatio in peius zu entziehen83• Mithin fordert der Zweck des Verbots seine Weitergeltung auch für das Verfahren nach der Zurückverweisung; andernfalls ginge der Schutz des Rechtsmittelklägers aus ohne Beziehung zum Verbot der reformatio in peius stehenden Gründen verloren84• Demgegenüber ist es ohne Belang, ob das angefochtene Urteil durch die Aufhebung "vernichtet" worden ist85, da das Verbot nicht auf den Wirkungen der vorinstanzliehen Entscheidung beruht88• Auch auf die Selbständigkeit des untergerichtlichen Verfahrens gegenüber dem Rechtsmittelverfahren kann es entscheidend nicht ankommen. Allerdings dürfte es richtig sein, dieses Verfahren nicht als Teil 81 FG Düsseldorf EFG 1970, 511; so grundsätzlich auch schon Gottdammer GA 4, 75 für das Strafverfahren; vgl. auch Pohle SAE 1956, 242. 81 FG Düsseldorf EFG 1970, 511; vgl. die oben in Fn. 58 Genannten; ferner A. Schmid SchwJZ 43, 141 f. 83 Dafür in der Tat kritiklos der Vorschlag von Peters MDR 1952, 141 zur Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Im Gegensatz hierzu folgern Rosenberg I Schwab § 141 II 2 d (S. 766); Schwab ZZP 74, 217; Wieczorek § 536 Anm. B II c 1; BGHZ 23, 36, 50; BAG AP Nr. 1 zu § 536 ZPO; wohl auch Arens AcP 161, 188 gerade aus dem Recht des Berufungsgerichts zu eigener Sachentscheidung an Stelle der ersten Instanz (§ 540 ZPO) die Zulässigkelt einer reformatio in peius im Berufungsverfahren; dagegen zutreffend Baumgärtel AP Nr. 1 zu § 536 ZPO; Lieb S. 104; Pohle SAE 1956, 242; StJSchP § 540 Anm. I 1; vgl. auch unten§ 13 BI 1. 114 Denkbar wäre zwar gleichfalls eine Lösung, wonach die (vollständige) Aufhebung des Urteils bei Beseitigung eines Besitzstands unzulässig sei (so RVA AN 1902, 290, 291; vgl. auch RG SeuffA 46 Nr. 68 und für den Strafprozeß H. Seuffert S. 18 f.; s. ferner unten Fn. 80). Diese könnte indessen nicht als sachgerecht angesehen werden, da sie für den Fall, daß eine den Besitzstand nicht berührende Teilaufhebung unmöglich ist, den Rechtsmittelkläger ohne Not entweder schlechter stellen oder ihm eine neue Tatsachenlostanz entziehen müßte. 85 Vgl. für das Strafverfahren Norden ZStW 29, 790 f. 88 S. oben§ 5.
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
des Rechtsmittelverfahrens anzusehen67, schon deshalb nicht, weil sich hieran ein weiteres Rechtsmittelverfahren anschließen kann88• Dieser Einwand wird auch noch nicht mit dem Hinweis entkräftet, das Rechtsmittelgericht habe den Rechtsstreit nur in dem Umfang verweisen können, in dem er bei ihm anhängig gewesen sei, d. h. aber im Rahmen der durch das Verbot der reformatio in peius bestehenden Schranken89• Denn das Verbot beschränkt nicht den Streitstoff, sondern lediglich die Entscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts70, so daß der Rechtsstreit durch die (uneingeschränkte) Zurückverweisung in der Unterinstanz wieder vollständig anhängig und dem unteren Gericht eine reformatio in peius nicht schon durch eine Einengung des Streitgegenstands unmöglich wird. Das zweite unterinstanzliehe Verfahren ist indessen, wenn auch nicht Teil des Rechtsmittelverfahrens, so doch seine Fortsetzung71• Die vorhandene verfahrensrechtliche Trennung beider Verfahrensabschnitte wird durch ihren gemeinsamen Zweck, dem Rechtsmittelkläger Rechtsschutz zu gewähren, überbrückt; in diese zunächst dem Rechtsmittelgericht gestellte Aufgabe wird aus unterschiedlichen Gründen - etwa wegen der Unzulässigkeit weiterer Tatsachenfeststellungen in der Revisionsinstanz oder um den Parteien nicht eine Instanz zu nehmen - auch das untere Gericht einbezogen. Erst mit der Entscheidung der Unterinstanz findet also der Rechtsschutz des Rechtsmittelklägers seine Vollendung, darum muß diese auch in gleicher Weise wie das Rechtsmittelgericht selbst an das Verbot der reformatio in peius gebunden sein72• b) Die Verweisung des Rechtsstreits aa) Die Frage nach dem Schicksal des Verbots der reformatio in peius stellt sich weiterhin auch dann, wenn wegen der Unzuständig87 Josef ZBlFG 12, 580; Struckmann ZZP 6, 394; RGZ 12, 408, 411; a. A.: Vierhaus ZZP 6, 228 f., 244. 88 Struckmann ZZP 6, 395; a. A.: Vierhaus ZZP 6, 229. 88 Vgl. oben Fn. 57. 79 S. oben § 3 II 1. 71 Vgl. Blomeyer § 103 IV 2 d (S. 558), 104 VII 2 (S. 582); Jansen § 25 Rdnr. 16; zum Strafprozeß: Goltdammer GA 4, 75; and.: StJ I Grunsky § 538 Anm.IX 1.
71 Eine andere Frage ist, ob sich der Rechtsmittelbeklagte auch noch nach der Zurückverweisung dem Rechtsmittel anschließen und dadurch das Verbot gegenstandslos machen kann. Bei einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht kommt hier freilich nicht ein Anschluß an die Berufung in Betracht - so (folgerichtig) die h. M.; vgl. Baumbach I Albers § 521 Anm. 1 B b; StJ I Grunsky § 565 Anm. II 1; RGZ 12, 408, 410; RG SeuffA 38 Nr. 280; GruchB 34, 754, 755; BGH MDR 1963, 205 f.; inkonsequent Blomeyer S. 538 Fn. 6 und § 104 VII 2 (S. 582); vgl. oben Fn. 54; a. A. wohl Goldschmidt § 66, 3 (S. 226) - , da auch das folgende Berufungsverfahren ein
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keit des angerufenen Gerichts der Rechtsstreit an ein anderes zu verweisen ist. Soweit ersichtlich wird dieses Problem im Zivilprozeßrecht nicht diskutiert, die Zulässigkeit der Verweisung und als deren Folge der Wegfall des Verbots der reformatio in peius scheint demnach als selbstverständlich angesehen zu werden. Denn einerseits sollen zwingende Verfahrensvorschriften dem Verbot stets vorgehen73 und andererseits spricht sich die überwiegende Ansicht schon bei der Zurückverweisung für die freie Entscheidungsmöglichkeit des anderen Gerichts aus74•
Im Strafprozeßrecht, in dem die Frage wegen der vielfachen ausschließlichen Zuständigkeiten größere Bedeutung hat, geht dagegen die herrschende Meinung zwar ebenfalls von der Zulässigkeit einer Verweisung aus75, sie hält jedoch die durch das Verbot der reformatio in Rechtsschutzverfahren zugunsten des Revisionsklägers ist. Deswegen wird - entgegen der h. A. - der Rechtsstreit nicht lediglich in dieselbe Lage zurückversetzt, in der er sich vor Erlaß des aufgehobenen Urteils befand; die Vertreter der h. M. denken hier offenbar begrifflicher als das Preußische Obertribunal vor fast 150 Jahren (vgl. oben Fn. 54 a. E.). Vielmehr wäre in diesem Fall eine Anschließung an die Revision seitens des Revisionsbeklagten zu erwägen (vgl. v. Boecklin S. 10 f., 65, der - in teilweisem Anschluß an die h. M. - eine reformatio in peius gegenüber dem Revisionskläger widerspruchsvoll nur auf eine Anschlußberufung des Revisionsbeklagten hin für statthaft hält). Eine solche Möglichkeit dürfte indessen zu verneinen sein. Der Revisionsbeklagte hatte sein Anschlußrecht bereits in der Revisionsinstanz durch Fristablauf verloren (§ 556 Abs. 1 ZPO); der für ihn zufällige Umstand, daß die Sache nochmals zurückverwiesen worden ist, kann dieses Recht nicht wieder entstehen lassen. Für die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht in die erste Instanz gilt Entsprechendes. Hier war zwar bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ein Anschluß zulässig (vgl. Baumbach I Albers § 521 Anm. 1 B b), doch kann es auch dem Berufungsbeklagten nicht zugute kommen, daß das Berufungsgericht an Stelle einer eigenen Sachentscheidung (§ 540 ZPO) den Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Durch den Nichtgebrauch des Anschlußrechtsmittels war eine analoge Bindung des Berufungsgerichts eingetreten. Ebensowenig wie in der Revisionsinstanz vermag eine aus hiervon ganz unabhängigen Gründen erfolgende Zurückverweisung dem Berufungsbeklagten die Befugnis einzuräumen, diese Bindung wieder aufzuheben. n Vgl. oben § 10 Fn. 30, 31. 7' Oben Fn. 49. Ein weiterer Grund dürfte sein, daß das Problem im Zivilprozeß angesichts der §§ 10, 38 f., 512 a, 528 S. 2, 549 Abs. 2 ZPO von geringer Tragweite ist. 75 Vgl. E. Fischer S. 10; Ganske S. 9; Gerber S. 46; Haas S. 32; Kleinknecht § 331 Anm. 3; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 270 Anm. 7, § 328 Anm. 5; Müller I Sax § 331 Anm. 2; Eb. Schmidt Lehrkomm. § 331 Rdnr. 5; a. A.: Goltdammer GA 4, 70 f.; ders. GA 8, 318 ff. (für den Fall, daß der Angeklagte den Verfahrensverstoß nicht gerügt hatte); Lauckner S. 81 (bei schwererer Qualifikation; ebenso Oetker GS 65, 447; Wolf S. 36); für die Verweisung an das Schwurgericht alter Art auch Keber S. 106 (wegen dessen "odium famosum" sowie der mit "größerer Seelenpein" verbundenen Förmlichkeiten des Verfahrens).
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
peius geschaffene Bindung wegen der ratio legis78 bzw. der entstandenen "relativen Rechtskraft" 77 auch noch für das örtlich und sachlich zuständige Gericht aufrecht7s. Immerhin soll diese Schranke dann entfallen, wenn eine Verweisung über den ordentlichen Rechtsweg hinaus erfolgt, da hiermit selbst bei einer anschließenden Rückverweisung an die ordentlichen Gerichte die Einheit des Verfahrens unterbrochen werde79• Soweit jedoch hier eine Fortgeltung des Verbots der reformatio in peius gleichfalls abgelehnt wird, erachtet man stattdessen zumeist die Aufhebung des Urteils für unzulässig8o. Für die mangelnde Weitergeltung sind ähnliche Gründe wie bei der Zurückverweisung maßgebend: Das Urteil werde durch die Aufhebung vernichtet81, und es beginne nach der Verweisung ein neues selbständiges Verfahren vor dem zuständigen Gericht82• bb) Beide Begründungen sind indessen auch hier nicht überzeugend. Zwischen den Verfahren vor und nach der Verweisung des Rechtsstreits ist nicht jedes verfahrensrechtliche Band zerschnitten. Im Zivilprozeß dauern die Wirkungen der Rechtshängigkeit oder des Geständnisses bei einer Verweisung an das örtlich oder sachlich zuständige Gericht (§ 276 ZPO) fortss, und das Gesetz behandelt in diesem Fall hinsichtlich der Kosten sogar beide Verfahren ausdrücklich als Einheit (§§ 276 Abs. 3 S. 1, 506 Abs. 2 i. V. m . § 276 Abs. 3 S. 1 ZP0)84• Damit wird hier 78 Ganske S . 10; wohl auch E. Fischer S. 12; Haas S. 33; Sprengel S. 27; ähnlich - die StPO habe grundsätzlich für das Verbot Stellung genommen-: Pabst S. 11; Winter Recht 1906, 851; WolfS. 37. 77 Brachvogel ZStW 13, 222; RGSt 8, 307, 309. 78 Brachvogel ZStW 13, 222; E. Fischer S. 12; Ganske S. 9 f.; Grethlein S. 25; Haas S. 33; Kleinknecht § 331 Anm. 6; Lauckner S. 81 f.; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 354 Anm. 1; Müller I Sax § 331 Anm. 5; Pabst S. 10 f.; Eb. :Schmidt Lehrkomm. § 331 Anm. 5; Sprengel S. 27; Thode S . 17; Winter Recht 1906, 851; Wolf S . 37; RGSt 8, 307, 309; BGH NJW 1959, 1740; BayObLG NJW 1961, 1487, 1488. 79 SoRG HRR 1925 Nr. 1487; zust. Haas S. 35; WolfS. 38. 80 Goltdammer GA 8, 318 f., 323; KleinfeZZer GS 38, 595 f., 604 (anders bei einer Rüge des Angeklagten); Schwarze GS 14, 298 ff.; H. Seuffert S. 11 f., 56, 61, 92 (ohne Rüge des Angeklagten); PrOTr bei Goltdammer GA 8, 324; 13, 204, 206; 18, 563; vgl. auch - als Alternative - RGSt 8, 307, 309; a. A. weder Fortgeltung noch Unzulässigkeit der Aufhebung-: GerberS. 46 f . 81 Gerber S. 47; KleinfeZZer GS 38, 595; hiergegen: E. Fischer S. 13; Lauckner S. 83; Norden ZStW 29,790 f.; Pabst S. 10; SprengelS. 27. 82 Gerber S. 44; Goltdammer GA 8, 323; vgl. auch oben Fn. 79 für die Verweisung in einen anderen Rechtsweg. 83 Baumbach I Hartmann § 276 Anm. 3 D a. E ., (... "das neue Verfahren setzt das alte fort".); Rosenberg I Schwab § 39 II 2 g (S. 177); 'StJ I Schumann I Leipold § 276 Anm. IV 3; Thomas I Putzo § 276 Anm. 4 b; OLG Frankfurt Rpfleger 1974, 321. 84 Vgl. auch § 7 a Abs. 1 GKG. Für die Anwendbarkeit des § 506 ZPO im Berufungsverfahren z. B. Baumbach I Albers § 523 Anm. 1; Rosenberg I
III. Die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung
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gleichfalls das mit der Rechtsmitteleinlegung begonnene Rechtsschutzverfahren zugunsten des Rechtsmittelklägers erst mit dem letztlich ebenfalls auf der Rechtsmitteleinlegung aufbauenden Verfahren vor dem zuständigen Gericht zu Ende geführt85, obschon der Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverfahren noch lockerer ist als bei einer Zurückverweisung. Auch jetzt wäre es nicht berechtigt, den Schutz des Verbots der reformatio in peius von der auf ganz anderen Gründen beruhenden Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeiten abhängig zu machen. Der durch das Urteil eines unzuständigen Gerichts erlangte Besitzstand ruht des weiteren nicht auf einer "unhaltbaren Grundlage", da er auf Grund dieses Mangels ohne die Anfechtung nicht mehr hätte in Frage gestellt werden könnense. Deswegen muß auch nach einer Verweisung das zuständige Gericht an das mit der Rechtsmitteleinregung entstandene Verbot der reformatio in peius gebunden sein; das gilt nicht nur für die örtliche oder sachliche Unzuständigkeit, sondern in gleicher Weise auch für die Verweisung in einen anderen Rechtsweg, da die zuletzt genannten Gründe hier ebenfalls bestehen87• Infolgedessen ist es ferner zulässig, den Besitzstand zum Zwecke einer Verweisung an das zuständige Gericht (vorübergehend) zu beseitigen. c) Die Erhebung einer neuen Klage Schließlich ist es noch denkbar, daß beim Fehlen einer sonstigen Prozeßvoraussetzung oder auch eines Verweisungsantrags die Klage deshalb abgewiesen und damit der Besitzstand des Rechtsmittelklägers vernichtet werden darf, weil dieser Besitzstand sogar bei einer neuen Klage infolge einer Bindung auch des nun angerufenen Gerichts an das ursprüngliche Verbot der reformatio in peius später wiederaufleben würde. Schwab § 39 II 2 b (S. 175); wohl auch Thomas I Putzo § 506 Anm. 3 a; a. A.: StJ I Schumann I Leipold § 506 Anm. V (m. w. N.); Wieczorek § 506 Anm. F;
RGZ 119, 379, 383. 85 Besonders deutlich wird der Verfahrenszusammenhang dann, wenn das als Berufungsgericht angerufene Landgericht selbst sachlich zuständig ist und nach einer Verweisung an sich selbst nun erstinstanzlieh verhandelt; vgl. dazu StJ I Schumann I Leipold § 276 Anm. V; abw. RGZ 119, 379, 383 ff.; für den Strafprozeß s. RG Recht 1906, 1387. ee Vgl. oben II 3. 87 Insoweit ist freilich fraglich, ob hier im übrigen noch von einer Verfahrenseinheit gesprochen werden darf und ob die bisherigen Prozeßhandlungen auch in diesem Falle fortwirken; bejahend: Saure S. 127 f.; einschränkend Eyermann I Fröhler § 41 Rdnr. 18; a. A.: Krause ZZP 83, 323 ff. (m. w. N.). Zumindest die Kostenregelung des § 276 Abs. 3 ZPO ist aber anwendbar: Baumbach I Albers § 17 GVG Anm. 3 B; Krause ZZP 83, 326; Zöller I Gummer § 17 GVG Anm. III 2; OVG Berlin NJW 1972, 839 (str.), so daß noch weitere verfahrensrechtliche Verbindungen bestehen.
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§ 12 Die Grenzen des Schutzes
Eine solche Auffassung findet sich mutatis mutandis in der Tat wiederum im Strafprozeßrecht für die Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Verfahrensvoraussetzungen oder entgegenstehender Prozeßhindernisse88 sowie für die Erhebung einer öffentlichen Klage nach der Einstellung eines Privatklageverfahrens (§ 389 StP0)8D. Neben Billigkeitsrücksichten90 werden zur Begründung dieser Ansicht vornehmlich der Zweck des Gesetzes91 , die Ähnlichkeit dieser Fallgestaltung mit einer Verweisung92, die prinzipielle Geltung des Verbots in der Strafprozeßordnung93 und endlich auch die "relative Rechtskraft"94 angeführt. Ob diese Gründe hier für ein Fortbestehen des im Strafverfahren lediglich einseitig zugunsten des Angeklagten bestehenden Verbots der reformatio in peius ausreichen, mag dahinstehen; für den Zivilprozeß kann Entsprechendes jedenfalls nicht angenommen werden. Wäre der Kläger hier anschließend nicht in der Lage, das einer Sachentscheidung entgegenstehende Hindernis auszuräumen, müßte er seinen bereits errungenen Besitzstand endgültig verlieren. Somit könnte nunmehr dessen Beseitigung nicht mehr mit einer bloßen Vorläufigkeit gerechtfertigt werden; zumindest in diesem Falle läge also in der Klageabweisung eine reformatio in peius. Darüber hinaus fehlt aber bei der Abweisung und einer folgenden neuen Klage auch der lose verfahrensrechtliche Zusammenhang, der bei einer Verweisung noch gegeben ist. Die Ergebnisse der ersten Klage sind für das zweite Verfahren nicht mehr maßgebend, und dieses beruht ferner nicht mehr auf der Einlegung des Rechtsmittels, sondern auf einem neuen Verfahrensantrag, so daß sich die neue Klage auch insofern nicht als Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens darstellt. 88 Frisch JA 1974, 94; Ganske S. 12 f.; Grethlein S. 26; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 e; Löwe I Rosenberg I Meyer § 358 Anm. l i 1; Kleinknecht § 331 Anm. 6; Müller I Sax § 358 Anm. 5; BGH NJW 1951, 728; BayObLG NJW 1961, 1487, 1488; OLG Harnburg NJW 1975, 1475, 1477; a. A.: Löwe I Rosenberg I Kunert § 389 Anm. 7; BGHSt 20, 77, 80; KG HRR 1931 Nr. 1498; unklar Sarstedt S. 116 mit Fn. 38. Für das Verwaltungsstreitverfahren vgl. PrOVGE 52, 146, 148. 88 E. Fischer S. 14; Ganske S. 11; Grethlein S. 26; Haas S. 34; Müller I Sa:z: § 389 Anm. 5 b; Pabst S. 11 f.; Sprengel S. 28; RGSt 8, 307, 309; 9, 332; 42, 422, 423; ebenso BGHSt 11, 319, 321 für die überleitung eines Sicherungsverfahrens in ein Strafverfahren; a.A.: Kleinknecht § 389 Anm. 2; Löwe/ Rosenberg I Kunert § 389 Anm. 7; Müller I Sa:z: § 389 Anm. 5 b; KG GA 45,
61.
eo Ganske S. 13.
u Ganske S. 11; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 e; Müller I Sax§ 358 Anm. 5; BayObLG NJW 1961, 1487, 1488. ez E. Fischer S. 14; Haas S. 34; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 1 e; Sprengel S. 28. 83 Pabst S. 12. " RGSt 8, 307, 309; 9, 324, 332; 42, 422, 423.
A. I. Der Tenor des vorinstanzliehen Sachurteils
143
Dann kann aber der Zweck des Verbots der reformatio in peius oder dessen prinzipielle Anerkennung auch in der Zivilprozeßordnung95 allein dessen Wiederaufleben bei einer neuen Klage nicht begründen. Infolgedessen ist hier die Abweisung der Klage wegen fehlender Prozeßvoraussetzungen unzulässig98 ; in einem solchen Falle wäre das Rechtsmittel zurückzuweisen. IV. Zusammenfassung
Mithin darf der Besitzstand eines Rechtsmittelklägers in folgenden Fällen aufgehoben werden: 1. Wenn irgendein Gericht oder eine Behörde ohne die Anfechtung von Amts wegen hierzu befugt wäre97 ; 2. bei einer nur auf Antrag gegebenen Beseitigungsmöglichkeit dann, wenn entweder der Gegner in der Rechtsmittelinstanz einen entsprechenden Antrag gestellt hat98 oder der Antrag nach dem Zweck des Gesetzes keine inhaltliche Beschränkung der Entscheidung mit sich bringen, sondern lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung haben soll91 ; 3. wenn der mit der Beseitigung des Besitzstands entstehende Nachteil durch einen gleichwertigen Vorteil wieder ausgeglichen100 oder aber der Besitzstand nur vorübergehend aufgehoben wird und im weiteren Verlauf des Verfahrens - nach einer Zurückverweisung oder Verweisung- wiederhergestellt werden muß101• In allen anderen Fällen ist hingegen der erlangte Besitzstand durch Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechtzuerhalten.
§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall A. SACHURTEILE DER VORINSTANZ
I. Der Tenor des Urteils
1. Teilweises Obsiegen des Rechtsmittelklägers a) Der Grundsatz Der unproblematischste und deshalb auch regelmäßig als Beispiel angeführte1 Fall eines Besitzstandes des Rechtsmittelklägers liegt in os Vgl. oben § 9 AI. es Es gilt damit der allgemeine Grundsatz; vgl. oben II 3.
Oben I 3; II 1 a und 2 a. Oben II 1 b. 81 Oben II 2 b. 1oo Oben III 1. 101 Oben III 2 a, b. 17
88
144
§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
seinem teilweisen Obsiegen in der Vorinstanz. Wurde etwa von dem unteren Gericht der Zahlungsklage über 1200,- DM lediglich in Höhe von 600,- DM stattgegeben, dann hat es damit rechtskraftfähig zugunsten des Klägers deren teilweise Begründetheit, zugunsten des Beklagten aber die Unbegründetheit des Restanspruchs festgestellt. Mithin haben beide Parteien durch diese Entscheidung einen Besitzstand erworben, dessentwegen es jetzt unzulässig wäre, bei einem vom Kläger eingelegten Rechtsmittel die Klage abzuweisen oder ihr nur in verringertem Umfang stattzugeben2 oder den Beklagten auf dessen Rechtsmittel hin zu mehr als der Zahlung von 600,- DM zu verurteilen8. b) Die nachträgliche Einfügung eines Vorbehalts Ausnahmen von diesem Prinzip sind einzig in den soeben' erörterten Grenzen zulässig, insbesondere darf die Klage grundsätzlich nicht aus prozessualen Gründen abgewiesen werden, wenn nur der Kläger ein Rechtsmittel eingelegt hat6 • Eine Einschränkung des klägerischen Besitzstandes ist hiernach jedoch in den Fällen möglich, in denen die Vorinstanz gemäß § 321 ZPO zu einer nachträglichen Änderung des Urteils befugt gewesen wäre6 • Infolgedessen ist auch das Rechtsmittelgericht etwa nicht gehindert, den Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung noch später in das Urteil einzufügen7 oder im Urkundenprozeß dem Beklagten erst jetzt die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten (§ 599 Abs. 2 i. V. m. § 321 ZP0)8 , ungeachtet dessen, daß es hiermit die Vollstreckungsmöglichkeiten des Klägers einengt9 bzw. die rechtskraftfähige uneingeschränkte Feststellung seiner Forderung beseitigt10 und der Kläger nun in Gefahr gerät, seinen Anspruch im Nachverfahren zu verlieren. 1 S. oben § 1 I 2 bei Fn. 3. z Allg. M.; vgl. nur FennS. 63. 3 Ebenfalls allg. M.; s. z. B. Blomeyer § 99 I (S. 527). 4 Oben§ 12, vgl. insbes. § 12 IV. s S. oben § 12 II 3, III 2 c. e Vgl. oben § 12 II 2 b bb. 7 Auch auf diesen Vorbehalt ist § 321 anwendbar: Baumbach I Hartmann § 305 Anm. 2, § 321 Anm. 5, § 780 Anm. 2 C; Rosenberg I Schwab § 60 I 4 d (S. 306); StJ I Schumann I Leipolei § 321 Anm. I 3; StJ I Münzberg § 780 Anm. II 2; Thomas I Putzo § 321 Anm. 4 b; Zöller I Degenhart § 321 Anm. 1 a; Zöller I Scherübl § 780 Anm. 2; a. A.: Förster I Kann § 321 Anm. 1 b ee; Seuffert I Walsmann § 780 Anm. 2 g. 8 So im Ergebnis auch Stein S . 252. e Dazu oben § 11 I 3. 10 Im Nachverfahren des Urkundenprozesses besteht nur noch eine eingeschränkte Bindung an das Vorbehaltsurteil (§ 318 ZPO); vgl. im einzelnen Baumbach I Hartmann § 600 Anm. 1 C, D; 'StJ I Schlosser § 600 Anm. V 2; kritisch Stürner ZZP 87, 87 ff.
A. I. Der Tenor des vorinstanzliehen Sachurteils
146
2. Die Zug-um-Zug-Verurteilung
Auch die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug gegen Erbringung einer Gegenleistung begründet für beide Teile einen Besitzstand. Zwar erwächst hier für den Beklagten der Anspruch auf die Gegenleistung nicht ebenfalls in Rechtsk.raftlt, die Feststellung seiner Gegenforderung zählt aber dennoch zu den sicheren Urteilswirkungen, da der Klaganspruch insoweit rechtskraftfähig eingeschränkt ist12 und der Kläger nicht ohne das Angebot seiner eigenen Leistung vollstrecken kann(§§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZP0)1 3 • Dementsprechend würde es gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, wenn das Rechtsmittelgericht den Beklagten auf sein Rechtsmittel hin unbeschränkt verurteilen würde1', wie auch andererseits wegen der rechtskraftfähigen Feststellung des Klaganspruches eine Abweisung des Klägers auf dessen Rechtsmittel hin nicht möglich wäre15• 3. Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung
Aus denselben Gründen darf weiterhin eine unter Vorbehalt · der beschränkten Erbenhaftung ergangene Verurteilung des Beklagten nicht in eine vorbehaltlose umgewandelt werden, wenn lediglich der Beklagte ein Rechtsmittel eingelegt hat18• 4. Der Vorgriff bei einem unzulässigen Teil- oder Vorbehaltsurteil
Ferner läßt auch ein unzulässiges Teil- oder Vorbehaltsurteil einen grundsätzlich schützenswerten Besitzstand des Begünstigten entstehen, 11 Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 4 "Zug um Zug"; Blomeyer § 99 VI (S. 464); StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. VI 4 b (m. w. N.); Thomas I Putzo § 322 Anm. 6 b; Wieczorek § 322 Anm. F II b; RGZ 114, 87; a. A. wohl Zeuner S. 75 f.; vgl. aber ders. Festschrift für Bötticher S. 419. u Vgl. Blomeyer § 89 VI (S. 464); Zeuner Festschrift für Bötticher S. 418. ta S. hierzu oben § 11 I 3. ~' Bötticher AP Nr. 11 zu § 565 ZPO; Holzhammer S. 261; Lieb S. 120; Nikisch § 123 I 2; Pohle SAE 1956, 243; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 c (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 f; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; Zeiss § 82 VII 5 b; Zöller I Karch § 536 Anm. 6. 15 Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Holzhammer S. 261; Lieb S. 120; Pohle SAE 1956, 243; Reinicke NJW 1967, 517; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 c (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 f; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; Wieczorek § 536 Anm. A II b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RGZ 85, 108, 120; RG Recht 23 (1919) Nr. 1599. 18 Vgl. oben § 11 I 3; ebenso Lieb S. 120; Pohle SAE 1956, 243; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 c (S. 766); Walsmann ZZP 56, 47; Wieczorek § 536 Anm. A II b; RG ZZP 56, 46; ähnlich RG JW 1901, 6 Nr. 6.
10 Kapsa
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
da ihm Verfahrensfehler der Vorinstanz noch nicht die Grundlage entziehen17. Trotzdem bestehen im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius keine Bedenken gegen eine Entscheidung des gesamten Rechtsstreits durch das Rechtsmittelgericht im Vorgriff auf die von der Unterinstanz noch nicht entschiedenen Teile, da das Rechtsmittelgericht insoweit gleichsam erstinstanzlieh urteilt und deswegen keinen Besitzstand des Rechtsmittelklägers verletzten kann18.
5. Die Abweisung als zur Zeit unbegründet Im Gegensatz zu den bisher genannten Fällen scheidet allerdings bei einer Abweisung der Klage als z. Z. unbegründet ein Besitzstand des Klägers von vornherein aus19. Da dieses Urteil das Vorhandensein der übrigen Anspruchsvoraussetzungen nicht rechtskraftfähig feststellt20, andererseits aber auch die dem Kläger noch verbliebene Chance, mit einer emeuten Klage zu einem späteren Zeitpunkt zu obsiegen, keinen Besitzstand darstellt21, ist das Rechtsmittelgericht an einer uneingeschränkten Sachabweisung nicht gehindert22• Ob die Rechtskraft des Rechtsmittelurteils hierbei über die der angefochtenen Entscheidung hinausgeht23, ist demgegenüber unerheblich, wie auch eine prozessuale Schlechterstellung des Klägers24 als solche oder ein Widerspruch zu seinen Anträgen25 für die Beurteilung dieser Frage ohne Bedeutung sind26• 11
Vgl. oben § 12 II 3.
1s S. oben § 11 II 2 mit Fn. 40. 19 Oben § 11 II 1; kritisch zur Unterscheidung zwischen derzeitiger und gänzlicher Sachabweisung: StJ I Grunsky Einl. V 2 b vor§ 511. 20 Vgl. Brox ZZP 81, 389 Fn. 41; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; a. A.: StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. X 4; Zöller I Degenhart Vorb. 8 b bb vor § 322. Angesichts des § 322 Abs. 1 ZPO kann auch eine Bindung des Beklagten infolge des Prinzips der Waffengleichheit nicht entstehen; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; a. A.: Grunsky ZZP 76, 169 f.; StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. X 4. 21 Vgl. oben§ 11 II 1 b. 22 Arens AcP 161, 189 Fn. 50; Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Bernhardt ZPR § 49 IV; Bötticher ZZP 65, 467; Freitag Diss. S . 14; ders. VwA 56, 318; Holzhammer S. 261; Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; Lieb S. 109; Pohle SAE 1956, 243; Rosenberg 9. Aufl. § 138 I 2 b (S. 688); Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 b; OLG Stuttgart NJW 1970, 569; RVA AN 1904, 421 f .; a. A.: v. Boecklin S . 26 f.; Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 e (S. 766); Schänke I Kuchinke § 76 V; Wieczorek § 536 Anm. A II b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RGZ 54, 10, 12; RG JW 1898, 640 Nr. 8; BGH NJW 1955, 59. zs Oben § 11 Fn. 22. 2t RGZ 54, 10, 11. 25 Oben § 11 Fn. 23. u Vgl. oben § 10 I 2.
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6. Die uneingeschränkte Sachabweisung Noch weniger kann die uneingeschränkte sachliche Abweisung der Klage einen Besitzstand des Klägers begründen, so daß von daher eine Prozeßabweisung in zweiter Instanz ohne weiteres zulässig wäre27• Eine nachträgliche Abweisung aus prozessualen Gründen dürfte freilich wegen ihrer geminderten Rechtskraftwirkung28 nicht einmal als reformatio in peius, sondern als - hier freilich gleichfalls zulässige29 reformatio in melius anzusehen sein80• 7. Die eventuelle Klagenhäufung
Bei der hilfsweisen Anspruchshäufung stellt sich die Frage nach einem Eingreifen des Verbots der reformatio in peius regelmäßig erst in zweiter Linie, d. h. für den Fall, daß der gesamte Streitstoff in die Rechtsmittelinstanz gelangt und das Rechtsmittelgericht somit nicht bereits durch einen mangelnden Devolutiveffekt des Rechtsmittels gehindert ist, über den Haupt- oder den Hilfsanspruch (im Ergebnis nachteiliger) zu erkennen81• a) Das Erkennen nach dem Hauptantrag Hat mithin das erstinstanzliehe Gericht dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben, so stößt man bei einer Berufung des Beklagten auf das Problem eines Verbots der reformatio in peius erst dann, wenn man mit der wohl richtigen herrschenden Meinung hier von einem Erwachsen auch des Hilfsanspruchs in die Berufungsinstanz ausgeht32. 27 So im Ergebnis auch: Jesch DÖV 1955, 396 f.; Schroeder-Printzen SGb 1966, 392; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 a; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RGZ 82, 126 ff.; BSGE 11, 63, 68 f.; OVG Münster ZZP 65, 226 f.; vgl. auch RGZ 145, 131, 133 ff.; in bezug auf die nachträgliche Verwerfung der Berufung an Stelle einer Zurückweisung aus sachlichen Gründen: Baumbach I Albers § 559 Anm. 1 A; RGZ 151,45, 47; BSGE 2, 228 f.; a. A.: MagenS. 2. 28 Vgl. Baumbach I Hartmann Übers. 2 A vor § 300; § 322 Anm. 4 "Prozeßurteil"; Bettermann NJW 1955, 478; Blomeyer § 89 II 2 (S. 451); Rosenberg I Schwab § 134 I 2 c (S. 709); StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. VI 7 a; abw. Rimmelspacher S. 99 f., 173, 208; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 a. 28 Über die Anträge des Klägers (vgl. oben § 7 II bei Fn. 54) geht das Berufungsgericht damit nicht hinaus. so Ebenso BSGE 13, 163, 166. u Vgl. oben§ 3 II 1. 32 Baumbach I Hartmann § 260 Anm. 4 B; Baumbach I Albers § 537 Anm. 1 Ca; Wieczorek § 525 Anm. B I a; Zöller I Stephan § 260 Anm. II 2; Zöller I Karch § 537 Anm. e; RGZ 77, 120, 125ff.; 105, 236, 242; 117, 112; RGJW 1913, 500 Nr. 23; 1917, 929 Nr. 7; JR 1926 Nr. 2389; BGHZ 41, 38, 39, 41; BGH LM Nr. 1 zu § 525 ZPO; OLG Karlsruhe NJW 1956, 1245; wohl auch Johannsen LM Nr. 10 zu § 537 ZPO; einschränkend: Thomas I Putzo § 260 Anm. 4 c; a. A.: Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 132 f.; Merle ZZP 83, 449; Rosenberg I Schwab § 140 II 3 b (S. 758); 'StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b bb; RGZ 18, 388 f.; 35, 333, 339.
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
Freilich hindert auch das Verbot unter diesen Umständen eine für den Beklagten ungünstige Entscheidung über den Hilfsantrag nicht33, selbst wenn diese ihm nachteiliger sein sollte als das infolge seiner Berufung aufgehobene Erkenntnis nach dem Hauptantrag; weil über den Hilfsantrag noch nicht entschieden wurde, ist auch ein zu schützender Besitzstand insoweit nicht gegeben34• b) Die Abweisung des Hauptantrags ohne Eingehen auf den Hilfsantrag Ähnlich liegt es, wenn der Kläger gegen eine erstinstanzliehe Entscheidung, mit der ohne Rücksicht auf den Hilfsantrag allein sein Hauptantrag abgewiesen wurde, das Berufungsgericht anruft; nach herrschender Ansicht gelangt auch in diesem Fall der Hilfsanspruch in die Berufungsinstanz36• Demzufolge könnte jetzt auch das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius darüber hinaus noch den Hilfsantrag abweisen, da dieser gleichfalls in erster Instanz noch nicht beschieden war38• c) Das Stattgeben auf Grund des Hilfsantrags unter Abweisung des Hauptantrags aa) Auch daß das Berufungsgericht auf das Rechtsmittel des Klägers hin die Verurteilung des Beklagten nach dem Hilfsantrag wieder aufheben darf, wenn es gleichzeitig nach dem Hauptantrag erkennt, kann nicht zweifelhaft sein37• Das Rechtsmittelgericht ist hier ausnahmsweise wegen des schon mit der Klage begründeten Abhängigkeitsverhältnisses der Ansprüche voneinander befugt, über den Streitgegenstand hinaus einen dem Rechtsmittelkläger zugefügten Nachteil aa Im Ergebnis auch: Nikisch § 122 III 3; RG Urt. vom 3. 2.1909 - V 1781 08, N § 308 ZPO Nr. 21 (LS); wohl auch die oben in Fn. 32 genannte h. M.; a. A.: Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S . 135; Merle ZZP 83, 400; ähnlich StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b bb. A . A.: Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 135. s5 Baumbach I Albers § 537 Anm. 1 C c; StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b cc; einschränkend: Rosenberg I Schwab § 140 II 3 b (S. 758); Thomas I Putzo § 260 Anm. 4 c; a. A.: RG GruchB 59,933,934. as Zu demselben Ergebnis gelangt man über eine Anwendung des § 321 ZPO bei versehentlichem Übergehen; s. dazu Baumbach I Albers § 537 Anm. 1 C c; StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b cc; Thomas I Putzo § 260 Anm. 4 c; vgl. oben § 12 II 2 b. 87 Ebenso Baumbach I Albers § 559 Anm. 1 A; Blomeyer § 99 IV 2 a (S. 535); Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 136; StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b aa; dasselbe gilt hinsichtlich einer für den Fall der Verurteilung erhobenen Widerklage, wenn der Beklagte mit seinem Rechtsmittel Klageabweisung erreicht: Blomeyer § 99 IV 2 a; BGHZ 21, 13, 16.
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durch einen gleichwertigen Vorteil zu kompensieren88, und das Stattgeben nach dem Hauptantrag ist dem durch den Kläger selbst aufgestellten Rangverhältnis der Ansprüche zufolge für ihn stets als vorteilhafter anzusehens9• Wäre eine derartige Entscheidung unzulässig, so würde der Kläger einen weder durch das Verbot der reformatio in peius gerechtfertigten noch von ihm selbst ursprünglich verlangten doppelten Vorteil erhalten. bb) Ferner ist es bei einer vom Kläger eingelegten Berufung zulässig, die Entscheidung der ersten Instanz insgesamt, also einschließlich der Verurteilung des Beklagten auf Grund des Hilfsantrags, aufzuheben und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an diese zurückzuverweisen4o. Die untere Instanz ist in dem folgenden Verfahren gleichfalls an das Verbot der reformatio in peius gebunden41. Sie müßte demnach mindestens erneut nach dem HUfsantrag erkennen, falls sich der Hauptantrag in der zweiten Verhandlung wiederum als unbegründet erweist, so daß der Besitzstand des Klägers letzten Endes nicht verletzt würde42• Eine abändernde Entscheidung des erstinstanzliehen Gerichts aber, mit der es nunmehr dem Hauptantrag stattgibt, könnte ebensowenig wie ein solches Urteil des Berufungsgerichts gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen. cc) Greift hingegen der Beklagte die ihn nach dem Hilfsantrag verurteilende Entscheidung an, so wird nach der nicht ganz unbedenklichen48 herrschenden Meinung das Rechtsmittelgericht schon nicht mit dem abgewiesenen Hauptantrag befaßt und darf deswegen auch bei einer Aufhebung dieses Urteils dem Hauptantrag nicht mehr stattgeben44. ae Vgl. oben § 12 III 1 a; ähnlich Blomeyer § 99 IV 2 (S. 535); Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 136. ao Vgl. BGHZ 21, 13, 16 und oben § 12 Fn. 47 sowie unten cc. 'o Baumbach I Albers § 559 Anm. 1 A; a. A. : Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 137; StJ I Grunsky § 537 Anm. I 1 b aa. 41 Oben § 12 III 2 a bb; so wohl in diesem Zusammenhang auch Baumbach/ Albers § 559 Anm. 1 A; a.A.: Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 139. u Ebenso - ferner wegen § 318 ZPO - Baumbach I Albers § 559 Anm. 1 A; gerade umgekehrt Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 136 ff., der eine Aufhebungsmöglichkeit für das Rechtsmittelgericht verneint, um auf diese Weise dem Kläger die Entscheidung über den Hilfsanspruch zu erhalten. 48 Abi. vor allem Paulsen LM Nr. 1 zu § 525 ZPO; Rosenberg 9. Aufl. § 93 IV 2 d (S. 461), § 137 II (S. 681); StJSchP § 537 Anm. I 1; BGH LM Nr. 2 zu § 326 (A) BGB für den Fall, daß der Hilfsantrag den Hauptantrag sachlich einschließt; insoweit zust. Zöller I Karch § 537 Anm. e. " Baumbach I Albers § 537 Anm. 1 C b; Bernhardt ZPR § 30 IV; Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 131; Johannsen LM Nr. 10 zu § 537 ZPO; Merle ZZP 83, 448; Rosenberg/'Schwab § 140 II 2 (S. 758); StJ/Gruns-
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
Folgt man indessen der Gegenmeinung, dann ist unter dem Gesichtspunkt des nun beachtlichen Verbots der reformatio in peius eine derartige Begünstigung des Beklagten, der die Abweisung beider Anträge trotz Begründetheit des Hauptantrags erreicht, obgleich sein Besitzstand nur in der Abweisung des einen Antrags besteht, grundsätzlich nicht gerechtfertigt45• Vielmehr muß ihn das Rechtsmittelgericht beim Fortfall der Verurteilung nach dem Hilfsantrag auch nach dem Hauptantrag verurteilen dürfen, falls und soweit ihm hierdurch kein größerer Nachteil als zuvor entsteht. Die dafür erforderliche Abwägung ist nach objektiven Maßstäben vorzunehmen40 • Das vom Kläger aufgestellte Eventualverhältnis zwischen den Ansprüchen gilt grundsätzlich nur für die Reihenfolge ihrer Prüfung und sagt als solches nichts über ihren objektiven Wert für die Parteien aus. Wenn für den Kläger selbst im Ergebnis dennoch etwas anderes anzunehmen ist47, so deshalb, weil es für diesen ein venire contra factum proprium bedeuten würde, wollte er sich auf den geringeren Nutzen eines Anspruches berufen, den er selbst in erster Linie geltend gemacht hat. Dieser Aspekt trifft bei dem Beklagten hingegen nicht zu. Über das Ausmaß von Gewinn und Verlust bei ihrem Gegenstand nach unterschiedlichen Ansprüchen muß hier letzten Endes der Einzelfall entscheiden. Unbedenklich zulässig wäre es etwa, eine Verurteilung zur Einwilligung in die Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB durch ein Urteil auf Rückauflassung des Grundstücks wegen § 812 BGB zu ersetzen, da sich beide Ansprüche in wirtschaftlicher Hinsicht gleichstehen48. Ist jedoch bei ungleichartigen Ansprüchen der Hauptantrag für den Beklagten in der Tat nachteiliger als der Hilfsantrag, dann müßte es hiernach gegebenenfalls bei der Verurteilung auf Grund des Hilfsantrags verbleiben49, weil bei einer Abweisung beider Ansprüche ky § 537 Anm. I 1 b aa; Thomas I Putzo § 260 Anm. 4 c; Wieczorek § 525 Anm. B I b 1; Zöller I Stephan § 260 Anm. II 2; Zöller I Karch § 537 Anm. e; RG HRR 1938 Nr. 1531; BGHZ 41, 38; hingegen kann BGHZ 48, 214, 221 hierfür nicht in Anspruch genommen werden, da der Bundesgerichtshof dort offenbar nur deswegen nicht nach dem Hilfsantrag erkennen wollte, weil dieser hinter dem Hauptantrag zurückblieb; vgl. auch unten Fn. 49. 4~ A. M. insbes. Brox Festschrift für Heymanns-Verlag S. 131; Merle ZZP
83,448.
Vgl. oben§ 12 III 1 b. Oben aa mit Fn. 39. 48 Ahnlieh BGH LM Nr. 2 zu § 326 (A) BGB bei einem Hauptantrag auf "Rückauflassung", hilfsweise auf "Einbringung" (in eine zu begriindende Gesellschaft). 48 So im Ergebnis BGHZ 48, 214, 221, da dort der in Höhe von 35 800,- DM begriindete Hauptantrag auf Zahlung über den vom Berufungsgericht anerkannten Hilfsantrag auf Feststellung eines (künftigen) Anspruchs in derselben Höhe hinausging. 48
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A. I. Der Tenor des vorinstanzliehen Sachurteils
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der Beklagte durch das Verbot der reformatio in peius über Gebühr bevorzugt würdeso. 8. Das ScheidungsurteiL
Zahlreiche Besonderheiten zeichnen nach dem derzeit noch geltenden Recht51 auch das Urteil über eine Scheidungsklage aus. Allerdings löst sich die Frage nach dem Devolutiveffekt des Rechtsmittels hier zumeist dadurch, daß dem Gericht im Scheidungsverfahren wegen des Grundsatzes einer einheitlichen Entscheidung in Ehesachen in der Regel eine Entscheidung über den gesamten Streitstoff gestattet sein muß52 ; dagegen wird das Verbot der reformatio in peius hiervon grundsätzlich nicht berührtss. a) Die Scheidung auf Klage und Widerklage aa) Bei einer Scheidung auf Klage und Widerklage haben beide Parteien infolge des ihrer Klage stattgebenden Urteils einen Besitzstand erworben. Demzufolge darf jetzt weder auf das Rechtsmittel des Klägers die Klage54 noch auf ein Rechtsmittel des Beklagten die Widerklage55 abgewiesen werden. bb) Darüber hinaus bildet aber auch die Schuldfeststellung der ersten Instanz wegen ihrer Tatbestandswirkung vor allem für die gegenseiti50 Das tritt bei lediglich rechtlich unterschiedenen, wirtschaftlich jedoch gleichartigen Ansprüchen wie in den erwähnten Fällen besonders augenfällig zutage. Ist hingegen eine Abwägung wegen der Ungleichartigkeit beider Ansprüche nicht möglich, dann steht das Verbot der reformatio in peius einer Verurteilung nach dem Hauptantrag entgegen. Denn die Beseitigung eines Besitzstandes ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nachw eisbar kein größerer Nachteil eintritt . Ein derartiger Nachweis läßt sich jedoch bei dieser Fallgestaltung nicht führen. 51 Zur Reform des Ehescheidungsrechts vgl. den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 1. 6. 1973 (BT-Drucksache 71650); hierzu Bürgte FamRZ 1973, 508 ff. 62 Vgl. Baumbach I Albers Übers. 4 A a vor § 606, Einf. 3 D vor § 614; Blomeyer § 99 III 2 (S. 533); Rosenberg I Schwab § 167 III 7 d (S. 913); Wach JW 1924, 62; Zöller I Karch § 536 Anm. d a. E.; RGZ 94, 153, 154; 135, 15, 16; 165, 62, 63 f. ; OGH NJW 1949, 945, 947 ; vgl. aber auch RGZ 64, 315, 316; 126, 302 f .; einschränkend StJ I Grunsky § 615 Anm. II 4. 53 Im Grundsatz ganz h. M.: Blomeyer § 99 III 2 (S. 533) § 120 X 3 (S. 688); Nikisch § 139 VI 2; Rosenberg I Schwab § 167 III 7 d (S. 913); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; Thomas I Putzo § 617 Anm. 2 b; Wieczorek § 536 Anm. A II a; Zöller I Karch § 536 Anm. d a. E.; RGZ 94, 153, 154; 143, 130, 134; 165, 62, 63 f .; BGHZ 25, 79, 83; einschränkend Baumbach I Albers Einf. 3 D vor § 614; a. A.: Zellmann S. 25 ff., 33, 46 ; vgl. auch oben§ 9 AI 1 a mit Fn. 3. 64 Blomeyer § 99 I 1 (S. 527); Wieczorek § 536 Anm. A II a. 55 LiebS. 63; RGZ 126, 302.
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
gen Unterhaltsansprüche der Ehegatten (§§ 58 ff. EheG)58 einen Besitzstand des Begünstigten67, zu dessen nachteiliger. Abänderung das Rechtsmittelgericht nicht befugt ist. Mithin ist es etwa unzulässig, statt der Feststellung überwiegender Schuld des Rechtsmittelklägers jetzt dessen Alleinschuld auszusprechen, da er nunmehr der Gefahr eines Schenkungswiderrufs (§ 73 EheG) ausgesetzt ist58 und ihm nun auch die elterliche Gewalt in der Regel nicht mehr übertragen werden soll(§ 1671 Abs. 3 S. 2 BGB). Auf der anderen Seite würde es in diesem Fall ebenfalls gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, wenn das Berufungsgericht auf das Rechtsmittel des Beklagten jetzt das Verschulden des Klägers ganz verneinen69 oder statt dessen überwiegender Schuld nur noch dessen Mitschuld feststellen würde (arg. §§ 58 ff. EheG). Wurde dagegen die Ehe in der Vorinstanz lediglich aus beiderseitigem Verschulden geschieden, dann darf das Rechtsmittelgericht den Schuldspruch wegen der §§ 58 und 60 EheG nicht zum Nachteil des Rechtsmittelklägers in die Feststellung dessen überwiegender Schuld berichtigen80• Sogar ein fehlender Schuldausspruch kann einen Besitzstand des Rechtsmittelklägers begründen, da sich die gegenseitigen Unterhaltsansprüche dann nicht nach den §§ 58 ff. EheG, sondern nach § 61 Abs. 2 EheG richten müßten und somit nur unter erschwerten Voraussetzungen entstehen könnten. Wollte mithin das Rechtsmittelgericht statt eines auf den §§ 44 ff. EheG beruhenden Scheidungsgrundes für die Widerklage eine schuldhafte Eheverfehlung des Rechtsmittelklägers annehmen, dann dürfte es dessen Verschulden trotz § 52 EheG nicht feststellen81• Infolgedessen wird es ausnahmsweise bei jenem Scheidungsgrund verbleiben müssenB2• 58 Daneben ist sie auch für einen Schenkungswiderruf nach § 73 EheG, für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei der Gütergemeinschaft (§ 1478 BGB), die Übertragung der elterlichen Gewalt (§ 1673 Abs. 3 S. 3 BGB) sowie für das Recht zur Untersagung der Namensführung (§ 56 EheG) maßgebend. 11 Vgl. oben § 11 I 4. 58 Blomeyer § 99 I 1 (S. 527); vgl. auch zur Beschwer BGHZ 33, 169, 171; zur dadurch veranlaßten Abweisung der Scheidungsklage s. oben Fn. 54. 50 So auch Rosenberg 9. Aufl. § 161 VII a. E. (S. 822); RGZ 161,216, 219; OLG Schleswig SchlHA 1949, 230. 80 Lieb S. 63 f . 81 Wieczorek § 536 Anm. A II b; a. A.: StJSchP § 536 Anm. I 2. Auch der hier grundsätzlich anwendbare § 321 ZPO (Palandt I Diederichsen § 52 EheG Anm. 2; dazu oben § 12 II 2 b bb) rechtfertigt ein gegenteiliges Ergebnis nicht, da in diesem Fall der Schuldausspruch von der Unterinstanz nicht übergangen wurde. 81 Vgl. unten II 4 b; a. A. : Wieczorek § 536 A II b: Scheidung aus§ 43 EheG ohne Schuldspruch.
A. li. Die Entscheidungsgründe
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b) Die Scheidung auf die Widerklage unter Abweisung der Klage Obgleich die Scheidung allein auf die Widerklage unter Abweisung der Scheidungsklage inhaltlich ebenfalls dem Begehren des Klägers entspricht, kann er hierdurch dennoch keinen Besitzstand erwerben, da der Scheidungsgrund nicht für ihn, sondern gegen ihn festgestellt wurde. Demzufolge würde das Verbot der reformatio in peius eine zusätzliche Abweisung der Widerklage auf seine Berufung hin nicht verhindern; falls der Kläger jedoch seine Berufung - soweit zulässigauf den Schuldausspruch beschränkt63, wäre hierin freilich eine unzulässige, weil über seinen Antrag hinausgehende, reformatio in melius zu sehen84• c) Die Abweisung von Klage und Widerklage Bei einer Abweisung der Scheidungsklage ebenso wie der Widerklage erlangen hingegen beide Parteien infolge der rechtskraftfähigen Verneinung des gegnerischen Scheidungsrechts einen Besitzstand. Auf die Berufung des Klägers ist also eine Scheidung entsprechend der Widerklage ausgeschlossen; es wäre indessen zulässig, beim Erfolg seines Rechtsmittels lediglich seine Mitschuld auszusprechen65• Zwar verlöre der Kläger auch hierdurch einen Besitzstand, da diese Schuldfeststellung zu seinen Lasten regelmäßig ebenfalls einen - hier schon rechtskraftfähig aberkannten Scheidungsgrund des Beklagten voraussetzen würde (§ 52 Abs. 2, 3 EheG), dieser Nachteil des Klägers würde indessen durch den größeren Vorteil seines grundsätzlichen Obsiegens wieder ausgeglichen. Eine derartige Anrechnung eines Vorteils auf einen Nachteil verstößt nicht gegen das Verbot der reformatio in peius66. D. Die Entscheidungsgründe
Da die Entscheidungsgründe regelmäßig weder in Rechtskraft erwachsen67 noch aus einem sonstigen Grunde außerhalb des Verfahrens es Zur Zulässigkeit dieser Beschränkung vgl. Erman I Ranke § 52 EheG Rdnr. 16 a. E.; Palandt I Diederichsen §52 EheG Anm. 7; RGZ 64, 315, 316. 14 A. A. Zellmann S. 19 Fn. 43: reformatio in peius, da dem Kläger an der Aufrechterhaltung des Scheidungsausspruchs liege. Vgl. auch Wieczorek § 536 Anm. A II a; RGZ 151, 180, 183 f. " RGZ 165, 62, 64. 88 Vgl. oben § 12 III 1. Da es sich hier einheitlich um den Bestand der Ehe handelt (vgl. etwa Baumbach I Albers Einf. 3 A vor § 614), stellt auch die grundsätzliche Beschränkung eines Austauschs von Vor- und Nachteilen auf den Streitgegenstand (zu seiner - umstr. - Bestimmung bei Gestaltungsklagen vgl. z. B. SchlosserS. 355 ff.) insoweit kein Hindernis dar. 87 Einschränkend Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 2 A; Schwab Festschrift für Bötticher S. 321 ff.
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
verbindlich sind, stellen sie zumeist keinen Besitzstand des Rechtsmittelklägers dar und können folglich auch vom Rechtsmittelgericht in aller Regel ohne Rücksicht auf das Verbot der reformatio in peius abgeändert werdenes. 1. Die Änderung von Rechnungsposten
Insbesondere gilt dies von der Änderung mehrerer geltend gemachter Rechnungsposten, die zu demselben Anspruch gehören. Ihre Verminderung verstößt so lange nicht gegen das Verbot der reformatio in peius, als die in der Vorinstanz ermittelte Summe nicht zum Nachteil des Rechtsmittelklägers unter- bzw. überschritten wird69• Sofern die mit der Klage verlangten einzelnen Faktoren jedoch unterschiedliche selbständige Ansprüche bilden, stellen sie jeweils einen gesonderten Besitzstand dar, dessen Beseitigung hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Saldierung von Gewinnen und Verlusten zulässig ist, da ein derartiger Austausch grundsätzlich nicht über die Schranke des Streitgegenstands hinweggreifen kann70 • Etwas anderes ist auch dann nicht anzunehmen, wenn die verschiedenen Ansprüche 88 Ganz h. M.: Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 B, C; Freitag Diss. S. 11; ders. VwA 56, 317; Früh SchwJZ 43, 136; Jesch DÖV 1955, 393; Keidel/ WinkZer § 19 Rdnr. 94; Menger VwA 49, 181; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 5; Rosenberg I Schwab § 141 li 2 (S. 765); Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; Wieczorek § 559 Anm. B li; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGH LM Nr. 2 zu § 322 ZPO; VersR 1961, 374 f.; BVerwG DÖV 1972, 209, 210; BSGE 7, 178,
179; 7, 257, 262; 11, 248, 250; BFHE 92, 130; BayObLG SeuffA 46 Nr. 67; BayObLGZ 1962, 47, 55; RVA AN 1904, 421 f.; so auch schon OAG Lübeck SeuffA 8 Nr. 100; einschränkend Coulin Recht 20 Sp. 37; hinsichtlich der Gründe einer Sachabweisung a. A. StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 b; hiergegen Lieb S. 98 ff. 89 Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Lieb S. 97; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 a (S. 765); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 b; Wieczorek § 525 Anm. A III a 2 a. E., § 536 Anm. C li; Zöller I Karch § 536 Anm. b, § 559 Anm. a; RGZ 14, 267, 269; RGJW 1937, 2366 Nr. 19; BGH ZZP 74, 114, 117; VersR 1956, 22, 23; BSGE 7, 178, 179; BSG Breithaupt 1968, 9, 11; KGJW 1925, 2268 Nr. 2; BayObLGZ 1967, 358, 379; OLG Karlsruhe NJW 1956, 1245; RVersorgGE 1, 114, 146; RVA AN 1890, 486 Nr. 846; ebenso für die Änderung von Steuermerkmalen (Streitgegenstand ist hier die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung insgesamt; BFHE (GS) 91, 393 ff.; kritisch Martens JuS 1973, 492): v. Boecklin S. 95; Jacobi PrVwBl 31, 155; BFHE 94, 310, 311; 101, 498, 500; PrOVGSt 7, 377, 378; für die Kostenfestsetzung: Baumbach I Hartmann § 104 Anm. 4 C; StJ I Pohle § 104 Anm. III 1; BFH BStBl 1970 II, 251, 252; OLG Köln NJW 1967, 114; BayVGH BayBgm 1951, 211; LG Detmold NJW 1974, 510; FG Baden-Württemberg EFG 1969, 313; FG Harnburg EFG 1968, 138, 139; a. A.: H. Schmidt NJW 1974, 511 f. 70 Vgl. oben § 12 III 1 a; ebenso im Ergebnis Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Lieb S. 97; Rosenberg I Schwab § 141 li 2 a (S. 765); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 c; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGH ZZP 74, 114, 117; VersR 1956, 22, 23; ähnlich BVerwGE 23, 319, 321; ohne diese Differenzierung: H. Schmidt NJW 1974, 511 f.
A. II. Die Entscheidungsgründe
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auf einem einheitlichen Klagegrund beruhen71 oder sogar erst durch eine Teilabtretung selbständig geworden sind72 • Das demgegenüber angeführte Argument, es erscheine nicht angängig, den Gegner auf ein Anschlußrechtsmittel zu verweisen73, ist zur Widerlegung einer einzelnen Folgerung aus dem Verbot der reformatio in peius von vornherein ungeeignet, da es sich in dieser Form gegen jede Wirkung des Verbots und damit gegen dessen Bestehen überhaupt vorbringen ließe.
2. Die Feststellung von Vorsatz bei einer unerlaubten Handlung Ausnahmsweise ist es jedoch von Bedeutung, ob das vorinstanzliehe Gericht bei einer Forderung aus unerlaubter Handlung Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schuldners angenommen hat, da bei einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung dem Gläubiger weitergehende Vollstreckungsmöglichkeiten offenstehen (§ 850 f Abs. 2 ZPO) und das Vollstreckungsgericht bei seiner Prüfung an die im Urteil getroffenen Feststellungen gebunden ist". Ebenso wie deswegen die Annahme von Vorsatz einen Besitzstand des Klägers begründet, stellt die Feststellung bloßer Fahrlässigkeit einen Besitzstand des Beklagten dar75• Hingegen ist es nicht möglich, diesen Besitzstand noch darüber hinaus aus dem Aufrechnungsverbot in § 393 BGB zu begründen, da die Entscheidung, der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, nicht in Rechtskraft76 erwächst und darum das Prozeßgericht (§ 767 ZPO) nicht binden kann. Diesem Besitzstand der Parteien würde es widersprechen, wenn das Rechtsmittelgericht in seiner Entscheidung zu Ungunsten des sich gegen das Urteil wendenden Beklagten Vorsatz77 , zum Nachteil des die 71 Lieb S . 97 ; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 a (S. 765) ; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 c ; Zöller I Karch § 536 Anm. a, b; BGH VersR 1956, 22, 23; a. A.: OLG Karlsruhe NJW 1956, 1245. 72 StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 c. 1a OLG Karlsruhe NJW 1956, 1245. 74 Baumbach I Hartmann § 850 f Anm. 3 A ; einschränkend StJSchP § 850 f Anm. I a 1; a. A.: Frisi nger S . 122 ff., 134. Das ergibt sich zumindest aus der funktionellen Trennung von Prozeßgericht und Vollstreckungsgericht; vgl. StJSchP § 850 f Anm. I a 1; s. auch Wieczor ek § 850 f Anm. EI c. 75 Vgl. oben§ 11 I 3; ebenso LiebS. 98; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 b . 78 Vgl. Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 2 C a. E.; Blomeyer Festschrift für Lent S. 59; Brox ZZP 81, 389 Fn. 40; Habscheid Streitgegenstand S. 126 ff.; Zöller I Degenhart Vorb. 6 d aa vor § 322; BGH LM Nr. 2 zu § 322 ZPO; teilw. abw.: Bader S. 58 f. ; Götz JZ 1959, 685; Rosenberg I Schwab § 154 III 4 (S. 834 f.); StJ I Schumann I Leipold § 322 Anm. VI 6 b a.. 77 Lieb S. 98; StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2; a . A.: Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGH LM Nr . 2 zu§ 322 ZPO.
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
Berufung ergreifenden Klägers aber lediglich Fahrlässigkeit des Beklagten annehmen würde. 3. Die Entscheidung über eine Aufrechnung des Beklagten
Eine weitere und im wesentlichen auch allgemein anerkannte Aus~ nahme von der Unmaßgeblichkeit der Entscheidungsgründe für ein späteres Verfahren ist bei der Entscheidung über eine Aufrechnung des Beklagten gegeben. In einem solchen Urteil wird rechtskraftfähig sowohl das Nichtbestehen der Gegenforderung als auch - nach heute ganz herrschender Meinung - deren Verbrauch durch die wirksame Aufrechnung78 festgestellt (§ 322 Abs. 2 ZPO); in beiden Fällen entsteht mithin ein Besitzstand des Klägers. a) Die Verneinung der Gegenforderung aa) Demgemäß darf die in der Vorinstanz verneinte Gegenforderung des Beklagten auf ein Rechtsmittel des Klägers grundsätzlich nicht mehr bejaht werden79• Dessenungeachtet muß es möglich sein, die Annahme einer höheren Klageforderung seitens des Rechtsmittelgerichts durch eine teilweise Anerkennung des zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs zu kompensieren. Hierdurch verliert der Kläger seinen Besitzstand letztlich nicht, da mit dieser Entscheidung weder der ihm bereits zugesprochene Betrag unterschritten wird noch die rechtskraftfähige Aberkennung der Gegenforderung entfällt; die vorinstanzliehe Entscheidung wird in diesem Falle ohne weiteren Nachteil für den Kläger lediglich aus anderen Gründen bestätigt. bb) Für den Beklagten kann ein Besitzstand in diesem Zusammenhang aus einer teilweisen Abweisung der Klage entstehen. Daher ist das Berufungsgericht nicht befugt, ihn auf sein Rechtsmittel hin in einem noch größeren Umfang zu verurteilen als durch die angefochtene Entscheidung geschehenso, und es ist ihm sogar dann verwehrt, von einer höheren Klageforderung auszugehen, wenn es nunmehr auch die 78 Vgl. Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 3 b; BZomeyer § 89 VI (S. 465); Lent I Jauernig ZPR § 63 III 3; Rosenberg I Schwab § 154 III 3 b (S. 834); StJ I Schumann I LeipoZd § 322 Anm. VII 1; RGZ 161, 167, 171 f.; BGHZ 16,
124, 133; BGHZ 36, 316, 318; anders noch RGZ 80, 164, 166 f.; wohl auch BGHZ 16, 394ff. 79 BGH NJW 1955, 59. 80 Zum teilweisen Obsiegen einer Partei vgl. oben I 1 a. Dagegen ist es selbstverständlich, daß eine Abweisung der Klage wegen Nichtbestehens der Klageforderung hier nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstößt (das betont Lieb S. 117 im Anschluß an eine beiläufige Feststellung 'V. Gerkans in ZZP 75, 216), da hierin keine reformatio in peius, sondern eine Verbesserung liegt, wie Lieb selbst bemerkt.
A. II. Die Entscheidungsgründe
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Gegenforderung für begründet erachtet und den Beklagten damit summenmäßig nicht schlechter stellt81• Der in der Erhöhung des Klaganspruchs liegende tatsächliche Verlust des Beklagten kann durch die Anerkennung seiner zuvor rechtskraftfähig verneinten Gegenforderung nicht ausgeglichen werden. Allerdings ist ein derartiger Austausch von Vor- und Nachteilen innerhalb des Streitgegenstands grundsätzlich zulässig82, und die Gegenforderung wird durch die Aufrechnung auch nicht zum Streitgegenstand des Prozesses88. Dennoch handelt es sich hier ebenso wie bei einer Klagenhäufung auf seiten des Klägers um zwei von einander unabhängige Ansprüche, die jeweils selbständig geltend gemacht werden könnten. Im Hinblick auf die erweiterte Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO kann es aber für das Verbot der reformatio in peius keinen Unterschied begründen, ob der Beklagte seine Gegenforderung tatsächlich in der Form der Widerklage geltend gemacht oder lediglich mit ihr aufgerechnet hat84• Demzufolge sind wie bei verschiedenen Streitgegenständen die in bezug auf beide Ansprüche errungenen Vorteile gesondert zu betrachten; somit verletzt jede Erweiterung der Klageforderung ohne Rücksicht auf Verbesserungen hinsichtlich der Gegenforderung den Besitzstand des Beklagten. b) Die Klagabweisung infolge der Aufrechnung aa) Wie eine Verneinung der aufrechenbaren Gegenforderung, so macht auch die rechtskraftfähige Feststellung ihres Verbrauchs durch die Aufrechnung trotz der damit verbundenen Klagabweisung einen Besitzstand des Klägers aus. Damit dieser Vorteil nicht verlorengeht, ist es in der Rechtsmittelinstanz unzulässig, die Klage aus anderen Gründen als der Aufrechnung des Beklagten abzuweisen85• Lieb S. 117; Zöller I Karch § 536 Anm. b; RGZ 161, 167, 171 f. Vgl. oben§ 12 III 1 a. 83 Umstritten ist in dieser Hinsicht lediglich, ob die Gegenforderung auch rechtshängig wird, so daß ihr die Einrede der Rechtshängigkeit (§ 263 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) entgegengehalten werden kann: bejahend etwa Blomeyer § 60 I 1 a (S. 284); Rosenberg I Schwab § 106 IV 1 (S. 549); Eike Schmidt ZZP 87 (1974), 39; verneinend z. B. Baumbach I Hartmann § 145 Anm. 4 E; StJ I Pohle § 145 Anm. VI 3 a; Thomas I Putzo § 145 Anm. 5 c; RGZ 18, 408 ff.; 27, 296, 299; BGHZ 57, 242 ff. = ZZP 85, 485 mit abl. Anm. Bettermann. M Ahnlieh :StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 d. 85 Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C (vgl. aber § 537 Anm. 1 D, § 559 Anm. 1 Bunter Hinweis auf BGHZ 16, 394); Blomeyer § 89 VI 2 (S. 465), § 99 I 1 (S. 527 f.); Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; Freitag Diss. S. 12; v. Gerkan ZZP 75, 216 f.; Lieb S. 117 f.; Pagenstecher JW 1922, 470; Reinicke NJW 1967, 517; Rosenberg I Schwab § 109 IV 6 (S. 551), § 141 II 2 b (S. 766); StJ} Grunsky § 536 Anm. I 2 d; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; Wieczorek § 322 Anm. H III b 1, § 536 Anm. A II b, § 559 Anm. B I b; Zeiss § 82 VII 5 b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGH WM 1972, 53, 54; im Ergebnis auch Pohle 81
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
Immerhin besteht aber kein Grund, dem Rechtsmittelgericht die nochmalige Prüfung der Klageforderung zu versagen und bei deren Unbegründetheit das Rechtsmittel aus diesem Grunde zurückzuweisen86• Die Gegenansicht, nach der das Gericht lediglich die Gegenforderung beurteilen dürfe und bei deren Nichtbestehen der Klage stattgeben müsse87, verkennt, daß die übrigen Voraussetzungen des Klaganspruches - ähnlich wie bei einer Abweisung als z. Z. unbegründet88 nicht rechtskraftfähig festgestellt worden sind89 ; infolgedessen würde es bei einer derartigen Rechtsmittelentscheidung zu einem gegenüber dem vorinstanzliehen Urteil nicht gerechtfertigten doppelten Gewinn des Klägers kommen. Dessen Besitzstand bildet allein das Erlöschen der Gegenforderung, der bereits durch die Zurückweisung des Rechtsmittels gewahrt wird90• bb) Legt umgekehrt der Beklagte wegen der allein auf Grund der Aufrechnung erfolgten Klagabweisung ein Rechtsmittel ein, so wäre es ebensowenig zulässig, bei einer Ablehnung der Gegenforderung nunmehr der Klage stattzugeben, da hierdurch der in der rechtskraftfähigen Abweisung liegende Besitzstand des Beklagten verletzt würde91• Auch in diesem Fall müßte somit das Rechtsmittel zurückgewiesen werden. 4. Die Scheidungsgründe
a) Der Ehebruch Von den Scheidungsgründen hat allein die Feststellung eines Ehebruchs des Beklagten auch nach dem Prozeß noch eine geringe Bedeutung, freilich heute nicht mehr für ein Strafverfahren (§ 172 StGB a. F.), noch immer aber auf Grund einer Tatbestandswirkung dieses Urteils für das Ehehindernis des § 6 EheG92• Demzufolge begründet eine insoSAE 1956, 243; a. A.: Bruns § 54 V 3; RGZ 80, 164, 166 f.; BGHZ 16, 394, 395 f.; vgl. auch BAGE 11, 346, 351. 88 v. Gerkan ZZP 75, 217 f.; LiebS. 119; RGZ 70, 158, 159. 87 StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 d; Wieczorek § 322 Anm. H III b 1; wohl auch BGH WM 1972, 53, 54. ss Oben Fn. 20. 89 v. Gerkan ZZP 75, 218 f.; LiebS. 119; a. A.: BGH WM 1972, 53, 54. 90 Ebenso LiebS. 119; vgl. auch RGZ 70, 158, 159. 91 Blomeyer § 89 VI 2 (S. 465), § 99 I 1 (S. 527); Rietschel LM Nr. 37 zu § 387 BGB; Rosenberg I Schwab § 141 II 2 b (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 d; Thomas I Putzo § 536 Anm. 2 b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGHZ 36, 316, 318; wohl auch Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 3. " Vgl. dazu Erman I Ranke § 6 EheG Rndr. 3; Palandt I Diederichsen § 6 EheG Anm. 2 b; Rosenberg I Schwab § 167 V 1 a (S. 917). Wenn auch gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm gewichtige Bedenken bestehen (vgl. Müller-Freienfels JZ 1974, 305 ff. m. w. N.), so steht doch ihre Gültigkeit im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfGE 36, 146, 169 ff. - zu § 4 Abs. 2 EheG - außer Frage.
A. II. Die Entscheidungsgründe
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weit fehlende Feststellung für den Beklagten einen Besitzstand, so daß auf sein Rechtsmittel etwa eine Scheidung wegen schuldhafter Eheverfehlung (§ 43 EheG)&a oder wegen auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens (§ 44 EheG) 94 nicht in eine Scheidung wegen Ehebruchs (§ 42 EheG) umgewandelt werden darf. Sogar die Annahme eines weiteren Ehebruchs mit einer anderen Person wäre ausgeschlossen95 - im Gegensatz zu einer die frühere ersetzenden neuen Feststellung, bei der der hieraus entstehende Nachteil durch einen - objektiv gleichwertigen96- Vorteil ersetzt würde97• b) Die übrigen Scheidungsgründe Andere Scheidungsgründe lösen demgegenüber als solche98 nach dem Ende des Scheidungsverfahrens keine beachtlichen Wirkungen mehr aus88• Demzufolge sind sie wie andere Urteilsgründe untereinander austauschbar100• Mithin darf etwa in der Berufungsinstanz eine Scheidung wegen ehewidrigen Verhaltens(§ 43 EheG) erfolgen, nachdem die Vorinstanz wegen Ehebruchs (§ 42 EheG) geschieden hatte101• Demgegenüber dürfte die Annahme ehewidrigen Verhaltens durch das Hechtsmittelgericht an Stelle eines kein Verschulden voraussetzenden Scheidungsgrundes (§§ 44 ff. EheG) zum Nachteil des Rechtsmittelklägers Die h. M. knüpft zumeist noch zusätzlich an den inzwischen aufgehobenen § 172 StGB an; vgl. StJ I Schlosser § 615 Anm. li 6 b; RGZ 110, 45, 46; 115, 193 ff.; RG LZ 1929 Sp. 187, 188; 1932 Sp. 963. Grundsätzlich anders vor allem die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts, die diese Folgen - weil außerhalb des Streitgegenstands liegend - nicht als reformatio in peius gelten lassen wollte; vgl. RG GruchB 49, 367 ff.; JW 1912, 466 Nr. 13; Recht 1921 Nr. 2211. Der von Lieb S. 63 Fn. 2 erwähnte Schadensersatzanspruch "nach § 1352 BGB" - gemeint ist wohl § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1353 BGB - muß hier außer Betracht bleiben, da er durch die Gründe des Urteils mangels rechtskraftfähiger Feststellung des Ehebruchs nicht präjudiziert würde. 83 Lieb S. 63; Rosenberg 9. Aufl. § 161 VII (S. 822); StJ I Schlosser § 615 Anm. II 6; Wieczorek § 614 Anm. A II b 3; RGZ 115, 193, 194; RG LZ 1929 Sp. 187, 188; LZ 1932 Sp. 963; a. A.: RGZ 42, 412, 414; RG JW 1912, 466 Nr. 13; Recht 1921 Nr. 2211; HRR 1929 Nr. 10; GruchB 49, 367. 8' StJ I Grunsky § 536 Anm. 2 b a. E. 85 Baumbach I Albers § 536 Anm. 2 C ; StJ I Schlosser § 615 Anm. II 6; RGZ 156, 106, 113; RG LZ 1932 Sp. 963. 88 Dazu oben § 12 III 1 b. 87 A. A. wohl Wieczorek § 614 Anm. A II b 3. 88 Zum damit verbundenen Schuldausspruch vgl. oben I 8 a bb. 88 Die von Lieb S. 63 Fn. 2 auch in bezug auf § 43 EheG genannten Unterhaltsansprüche hängen lediglich mittelbar von den Scheidungsgründen, unmittelbar aber von dem Schuldspruch ab. 100 Abw. StJ I Schlosser § 614 Anm. II 2. 1o1 Wieczorek § 536 Anm. A II b 1, § 614 Anm. A II b 3 (falls nicht allein die Scheidung nach § 42 EheG gefordert).
160
§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
nicht möglich sein, da zwar nicht sie selbst, jedoch der nun erforderliche Schuldspruch seinen Besitzstand verletzen würde102• 5. Der im Grundurteil festgestellte Klagegrund
Endlich ist auch der in einem Grundurteil festgestellte Klagegrund wegen der innerprozessualen Bindungswirkung dieses Urteils (§ 318 ZPO) für das Gericht im Nachverfahren über den Betrag des Anspruchs verbindlich103, so daß der Klagegrund auch vom Rechtsmittelgericht nicht mehrzuUngunsten des Beklagten verändert werden darf104• Andererseits fallen etwaige Ausführungen im Grundurteil über die Höhe des Anspruchs nicht unter diese Wirkung und können deshalb ohne Verletzung des erlangten Besitzstandes beseitigt werden105, und ebensowenig würde es demnach gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, wenn das Berufungsgericht ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten erstmals verneinte, nachdem die Vorinstanz einen Herausgabeanspruch des Klägers dem Grunde nach anerkannt, jedoch die Entscheidung über dieses Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich vorbehalten hatte108• In bezug auf das Zurückbehaltungsrecht war noch keine Entscheidung ergangen, so daß es insoweit an einem zu schützenden Besitzstand feh}t107,
102 Vgl. oben I 8 a bb; ebenso wohl StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 b a. E.; a. A.: Frantz DR 1941, 691; StJSchP § 536 Anm. I 2; Wieczorek § 536 Anm. A II b (vgl. auch oben I 8 a mit Fn. 62). 1oa StJ I Schumann I Leipold § 304 Anm. III 2; vgl. oben § 11 I 2. 104 RG DJZ 1932 Sp. 169; BGH VersR 1962, 964, 965; ähnlich RG Urt. v. 7.12.1916 - IV 249116, N § 525 Nr. 11 (LS); wohl auch Magen S. 23; teilweise abweichend Goldschmidt § 64, 2 b (S. 214): Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, daß auf Grund des neuen Klagegrundes der Beklagte nicht zu mehr verurteilt werden könne als zuvor möglich. Freilich sind Ausführungen über die Höhe des Anspruchs im Verfahren über den Anspruchsgrund bedenklich. 106 Rosenberg I Schwab § 141 II 2 f (S. 766); RG JW 1927, 1637 Nr. 8. 1oo A. A. wohl RG Urt. v. 22.4.1925 - V 370124, N § 536 Nr. 26 (LS): " ••• Wenn bei einer Klage auf Rückgabe eines Grundstücks, der ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen entgegengehalten wird, der erste Richter unzulässiger Weise eine Vorabentscheidung nach § 304 ZPO über den Grund des Klageanspruchs erlassen, die Entscheidung über das Zurückbehaltungsrecht aber vorbehalten hat, so verstößt es gegen § 536 ZPO, wenn der Berufungsrichter den Beklagten mit der Begründung zurückweist, daß das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten nicht zu Recht bestehe." 101 Vgl. oben§ 11 II 2.
B. I. Die Prozeßabweisung
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B. DIE ANFECHTUNG VERFAHRENSRECHTLICHER ENTSCHEIDUNGEN
I. Die Prozeßabweisung
1. Die Entscheidung auf ein Rechtsmittel des Klägers Daß durch eine Klageabweisung aus prozessualen Gründen ein Besitzstand des Klägers nicht entstehen kann, weil sie lediglich die Möglichkeit einer neuen Klage nicht ausschließt und nichts zugunsten des Klägers feststellt, wurde bereits oben erörtertl. Infolgedessen verletzt eine Sachabweisung durch das Rechtsmittelgericht das Verbot der reformatio in peius nicht2 ; eine Zurückweisung des Rechtsmittels ist demgemäß nicht erforderlich3• Hiervon zu trennen sind die Fragen, ob die Sachfrage überhaupt in die Rechtsmittelinstanz gelangt4, und ob insbesondere das Revisionsgericht - im Gegensatz zum Berufungsgericht wegen dessen auf § 540 ZPO beruhender Sachkompetenz5 - selbst sachlich entscheiden kann oder den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweisen muß8• Die Sachbefugnis des Rechtsmittelgerichts ist gegenüber dem Verbot der reformatio in peius ausschließlich eine Vorfrage7, weshalb auch § 540 ZPO nichts über den Inhalt des Verbotes aussagen kann8 , und die Notwendigkeit einer Zurückverweisung würde das Problem lediglich verlagern, da auch die Unterinstanz anschließend an das Verbot der reformatio in peius gebunden wäre9 • Oben § 11 II 1. So auch die heute h. M.; vgl. oben § 11 Fn. 26. 1 Sie wäre überdies auch nicht sachgerecht, da sie das unrichtige Prozeßurteil bestehenließe; so Jesch DOV 1955, 396; Rimmelspacher S. 202; anders z. B. RGZ 75, 259, 261 ff.; RG JW 1918, 511 Nr. 12; 1928, 2705 Nr. 2; wohl auch BGHZ 4, 58, 60 f. ' Dagegen insbes. Schwab ZZP 74, 216; RGZ 70, 179, 184; a. A.: Fischer LM Nr. 5 zu § 563 ZPO; Rimmelspacher S. 207. 1 Darauf stellen ab: Rosenberg I Schwab §§ 141 II 2 d (S. 766); Schwab ZZP 74, 216 f.; Zeiss § 82 VII 5 b (vgl. aber auch § 83 VII C 1); BGHZ 23, 36, 50; BAG AP Nr. 1 zu § 536 ZPO. 1 Für eine Zurückverweisung: Arens AcP 161, 193 ff.; Baur JZ 1954, 327; Lent I Jauernig ZPR § 74 C V; BGHZ 11, 222, 224 ff.; verbal auch BGHZ 33, 398, 401; BGH LM Nr. 6 a zu § 565 Abs. 3 ZPO; a . A.: Baumbach I Albers 536 Anm. 3d,§ 563 Anm. 1 C; Blomeyer § 104 VI 2 b (S. 759); Lent JR 1954, 183; StJ I Grunsky § 565 Anm. 111 1 a; RGJW 1937, 3328 Nr. 41 (LS); BGHZ 10, 350, 358; 46, 281, 284; NJW 1954, 150, 151; BAG NJW 1966, 1140, 1141; BVerwG DOV 1972, 351. 7 Zur Trennung dieser Problemkreise s. etwa Blomeyer § 99 II 1 (S. 529); Lent JR 1954, 183. 8 Vgl. Baumgärtel AP Nr. 1 zu § 536 ZPO; Lieb S. 104; Pohle SAE 1956, 243; Rimmelspacher S. 207; StJSchP § 540 Anm. I 1. 1 Vgl. oben§ 121112 a bb; s. dazu auch Jesch DOV 1955, 396. 1
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11Kapea
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
2. Der Besitzstand des Beklagten Demgegenüber begründet die Prozeßabweisung für den Beklagten entgegen der bisher wohl einhelligen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, daß das Rechtsmittelgericht - oder die Unterinstanz nach einer Zurückverweisung - auf dessen Rechtsmittel hin nun der Klage stattgeben dürfe10, einen Besitzstand. Anders als beim Kläger wurde hierdurch bereits etwas zugunsten des Beklagten festgestellt, da auf Grund der Rechtskraft des Prozeßurteils eine neue Klage nur dann hätte Erfolg haben können, wenn der Kläger dieses Hindernis zwischenzeitlich beseitigt hätte11• Gleiches muß auch nach der Rechtsmitteleinlegung durch den Beklagten gelten. Daß es sich bei diesem Besitzstand einzig um eine prozessuale Frage handelt, bildet kein grundsätzliches Hindernis12, sondern begrenzt allein den Umfang des dadurch ausgelösten Schutzes: Das Rechtsmittelgericht muß nicht in jedem Falle die Prozeßabweisung bestätigen, wenn es zu einem für den Beklagten ungünstigen Ergebnis gelangt, sondern es darf - wie auch das bei einer erneuten Klage zur Entscheidung berufene Gericht nach dem Eintritt jener Prozeßvoraussetzung zum Nachteil des Beklagten in der Sache erkennen. Ohne diese Bedingung würde es indessen den- prozessualen- Besitzstand des Beklagten verletzen. II. Die Aufbebung und Zurückverweisung
Die Aufhebung des Urteils und die anschließende Zurückverweisung des Rechtsstreits bilden zwar als solche keinen Besitzstand des Revisionsklägers, da sie lediglich ein neues Verfahren eröffnen13, zum Besitzstand gehört jedoch die im Aufhebungsurteil enthaltene und die erste Instanz bindende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, soweit sie dem Rechtsmittelkläger günstig ist14• Auch hierhin kann folglich ein prozessualer Besitzstand einer Partei bestehen, der durch das Revisionsgericht15 bei seiner im übrigen grundsätzlich zulässigen Sachentscheidung16 nur dann unbeachtet bleiben darf, wenn es aus an10 Bettermann ZZP 88, 387; Blomeyer § 99 li 1 (S. 529); Lent I Jauernig ZPR § 72 VIII; Mattern LM Nr. 10 zu § 563 ZPO; Rosenberg I Schwab § 141 li 2 d (S. 766); StJ I Grunsky § 536 Anm. I 2 a; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 b; Zöller I Karch § 536 Anm. b; BGHZ ZZP 76, 114, 115; PrOVGE 19, 124, 128. u Vgl. Baumbach I Hartmann § 322 Anm. 4 "Prozeßurteil". 12 A. A. die h. M.; s. oben§ 10 Fn. 26 und 27. 1a Vgl. oben§ 11 II 2. u Vgl. oben§ 11 I 2. 15 Desgleichen durch das Berufungsgericht selbst (nach einer Zurückverweisung seitens des Revisionsgerichts). 18 Vgl. RVersorgGE 6, 56, 58.
B. III. Das Verweisungsurteil
163
deren Gründen zu seinem nachteiligen Ergebnis kommt. Denn die Bindungswirkung dieses Besitzstandes ist insoweit von vornherein begrenzt17. lU. Das Verweisungsurteil
1. Endlich ist ein prozessualer Besitzstand des Klägers auch bei einem den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 3 GVG (bzw. den entsprechenden Normen der anderen Verfahrensgesetze) 18 verweisenden Urteil denkbar. Da das als zuständig bezeichnete Gericht zumindest dann sachlich entscheiden muß, wenn wegen der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts eine Weiterverweisung ausgeschlossen ist19, wurde auch mit diesem Urteil eine Inzidentfrage zugunsten des Klägers definitiv bejaht, so daß das Rechtsmittelgericht nunmehr bei einem vom Kläger eingelegten Rechtsmittel zumindest die Verweisung des Rechtsstreits in seinem Urteil aufrechterhalten müßte20 • So wie aber das zuständige andere Gericht dadurch nicht gehindert wäre, die Klage aus sonstigen Gründen abzuweisen, müßte dies bereits dem Rechtsmittelgerichtmöglich sein21 • 2. Ein Verweisungsbeschluß nach § 276 ZP022 ist grundsätzlich nicht anfechtbar (§ 276 Abs. 2 ZPO). Falls dies freilich ausnahmsweise trotzdem möglich sein sollte23, würde Entsprechendes gelten, d. h., die Verweisung dürfte grundsätzlich nicht mehr beseitigt werden24 ; doch wäre eine Verweisung an ein anderes Gericht als das vorinstanzlieh bezeichnete in diesen Fällen als gleichwertiger Vorteil25 unbedenklich zulässig.
Dazu oben § 12 I 3. §§ 48 a Abs. 3 ArbGG, 41 Abs. 3 VwGO, 52 Abs. 3 SGG, 34 Abs. 3 FGO. 18 Vgl. Zöller I Gummer § 17 GVG Anm. IV 1; BGH NJW 1967, 781, 782. Eine darüber hinausgehende positive Bindungswirkung der Verweisung ist umstritten; bejahend z.B. Baumbachl Albers § 17 GVG Anm. 3 B; abl. die h. M.; vgl. Saure S. 118 ff. m. w. N. 10 Vgl. PrOVGE 50, 315, 319; abw. BVerwG JZ 1957, 99, 100. Das Bundesverwaltungsgericht lehnt hier ein Eingreifen des Verbots unzutreffend deshalb ab, weil das Verweisungsurteil keine Sachentscheidung enthalte und deshalb keine materielle Rechtskraft bewirke. u Vgl. oben§ 12 I 3. 12 S. auch § 48 ArbGG. 18 Vgl. dazu Thomas I Putzo § 276 Anm. 3 a. E.; BGH LM Nr. 6 zu § 6 LVO; OLG Celle MDR 1953, 111, 112. 14 Auch das OLG Celle MDR 1953, 111, 112 geht offenbar von einem grundsätzlichen Verbot der reformatio in peius nach einer Verweisung aus, beruft sich aber für den zu entscheidenden Fall auf den angeblichen Vorrang zwingenden Verfahrensrechts. S. hierzu oben§ 10 I 2 b und§ 12 IV. 25 Dazu oben § 12 III 1. 17
18
164
§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
C. DIE PROZESSUALEN NEBENENTSCHEIDUNGEN
I. Die Kostenentsdleidung 1. Der Meinungsstand
Seit jeher ist es im Zivilprozeß und zumeist auch in den Verwaltungsstreitverfahren ganz herrschende Meinung, daß für die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits das Verbot der reformatio in peius nicht gelte, daß also die Kostenentscheidung der Vorinstanz ohne Beschränkungen abänderbar seil. Lediglich für den Fall, daß die Kosten zur Hauptsache geworden sind, wird hiervon mitunter eine Ausnahme gemacht2 • Andererseits war diese Frage im Strafprozeßrecht in Anbetracht des § 331 StFO i. d. F. von 1877, aber auch noch nach der Angleichung dieser Bestimmung an § 358 Abs. 2 StPO lebhaft umstritten; dort wurde die Zulässigkeit einer Verschlechterung im Kostenpunkt früher wohl überwiegend verneint3 • 1 Baumbach I Hartmann § 308 Anm. 2, Baumbach I Albers § 536 Anm. 3 b; v. Boecklin S. 87 f.; Coulin Recht 20 Sp. 37; Eyermann I Fröhler § 129 Rdnr. 6, § 161 Rdnr. 2; FennS. 57; Freitag Diss. S. 136; Goldschmidt § 64, 2 b (S. 213 Fn. 23); Haehnel S. 27 f.; Jansen § 25 Rdnr. 8; Keidell WinkZer § 19 Rdnr. 91; Lieb S. 120 f.; Magen S. 52; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 5; Ricci S. 2; Rosenberg I Schwab § 134 I 1 b a. E. (S. 709); Sartorius AcP 31, 85; Schultzenstein ZZP 31, 4; Schunck I De Clerck § 129 Anm. 2, § 161 Anm. 1 f; Seuffert I Walsmann § 536 Anm. 1 b; StJ I Grunsky § 536 Anm. II 1; StJ I Schumannl Leipold § 308 Anm. II; Sydow I Busch I Krantz I Triebel § 308 Anm. 4, § 536 Anm. 1; Thomas I Putzo § 536 Anm. 3 a bb; Wieczorek § 308 Anm. EI, § 536 Anm. B III; Zimmermann Rpfleger 1959, 259; Zöller I Karch § 536 Anm. b;
RG JW 1913, 696 Nr. 14; WarnR 1914, 483 Nr. 342; LZ 1932, Sp. 309 Nr. 21; BGH KostRspr § 308 Nr. 4 (LS); BAG AP Nr. 27 zu § 616 BGB; BVerwGE 14, 171, 174 f.; BayObLGZ 33, 254, 257; 1958, 22, 29; 1958, 41, 49; KG Rpfleger 1959, 385, 386; OLG Darmstadt HessRspr. 1933, 236 Nr. 4; a. A.: Fink S. 36; Gaupp § 94 Anm. II; Kirchner Mitt 1972, 159 f. (= NJW 1972, 2296 f.); Lauckner S. 10 Fn. 3 (für den Zivilprozeß); Schultzenstein VwA 11, 430; RGZ 58, 248, 256; OLG Harnburg OLGE 31, 63; PrOVGE 26, 272, 275; 32, 135, 147 f.; 50, 315, 319; 70, 242, 248; PrOVG PrVwBl 3, 195; vgl. auch die Nachweise bei Schuttzenstein ZZP 31, 19 Fn. 19. 2 Freitag Diss. S. 136; v. Wallis in Hübschmann I Hepp I Spitaler § 96 FGO Rdnr. 65; Kopp § 158 Anm. 3; Lieb S. 121 Fn. 1; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 5; Schunck I De Clerck § 158 Anm. 3, § 161 Anm. 1 f; Sydow I Busch I Krantz I Triebel § 536 Anm. 1; Wieczorek § 308 Anm. E II, § 536 Anm. B III b; Zimmermann Rpfleger 1959, 259; BayObLGZ 33, 254, 257; OLG München HRR 1936 Nr. 1365; wohl auch OLG Harnburg SeuffA 62 Nr. 162; a. A.: KG Rpfleger 1959, 385, 386. a E. Fischer S. 47; Kleinfeiler GS 38, 611; Pabst S. 38; Thode S . 45; RGSt 45, 62, 65; KG GA 71, 177; Recht 32 (1928), 43 Nr. 186; OLG Dresden LZ 1930, Sp. 1340 Nr. 3; a. A.: Gerber S. 30, 37 ff. sowie heute die ganz überwiegende Meinung; vgl. BGHSt 5, 52, 53; Löwe I Rosenberg I Gollwitzer § 331 Anm. 10m. w. N.; für ein Verbot bei der Kostenentscheidung auch nach der Neufassung noch Ganske S. 112; Grethlein S. 136 f.; Löwe I Rosenberg I Jagusch 20. Aufl. § 331 Anm. 4 a; ebenso Rebmann I Roth I Herrmann § 72 Rdnr. 7 für das Ordnungswidrigkeitsgesetz.
c. I. Die Kostenentscheidung
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2. Die fehlende Antragsbindung (§ 308 Abs. 2 ZPO)
Die in Literatur und Rechtsprechung zum Zivilprozeß vorherrschende Ansicht stützt sich in neuerer Zeit zumeist auf § 308 Abs. 2 ZPO, der eine Antragsbindung und damit auch das Verbot der reformatio in peius in bezugauf die Kostenentscheidung ausschließe'. Etwas anderes gelte indessen dann, wenn die Kosten zur Hauptsache geworden seien11• Ersch.e int schon diese Differenzierung vom Ergebnis her kaum befriedigend•, so berücksichtigt die herrschende Meinung aber vor allem nicht, daß - wie von Blomeyer zum Fehlen zwingender Prozeßvoraussetzungen mit Recht bemerkt7- der Vorrang zwingenden Prozeßrechts vor Urteilserlaß nicht notwendig auch gegenüber dem ergangenen Urteil gelten müsse. Die Konkurrenz zwischen § 308 Abs. 2 ZPO und § 536 ZPO muß demnach auch auf der Grundlage eines aus der Antragsbindung abgeleiteten Verbots der reformatio in peius nicht notwendig zugunsten jener Vorschrift entschieden werden8• Ferner ist die herrschende Meinung auch insofern inkonsequent, als sie allein wegen der Kosten eine Anschließung zuläßte, obgleich diese gerade das- hier angeblich nicht bestehende - Verbot der reformatio in peius beseitigen soll1°.
3. Die fiskalischen Interessen
So liegt es nahe zu vermuten, daß für die herrschende Meinung eher fiskalische Motive den Ausschlag geben11• Das wäre aber schon deswegen nicht haltbar, weil entgegenstehende öffentliche Interessen ein ' Vgl. oben § 10 Fn. 46. • So OLG München HRR 1936 Nr. 1365; vgl. dazu auch Leonardy NJW 1969, 1887 ff. m. w. N. 8 Vgl. Kirchner Mitt 1972, 158 (= NJW 1972, 2296). 7 Vgl. oben § 10 Fn. 58. 8 Ahnlieh auch Kirchner Mitt 1972, 159 (= NJW 1972, 2296): "Die Entscheidung von Amts wegen einerseits und das Rechtsinstitut der reformatio in peius andererseits liegen auf verschiedenen gedanklichen Ebenen, die einander nicht berühren und jedenfalls in der Konsequenz einander nicht in der Weise bedingen, daß die Entscheidung von Amts wegen die Zulässigkelt der Schlechterstellung notwendig zur Folge hat." ' Baumbach I Albers § 521 Anm. 1 B b; Blomeyer § 100 I (S. 538); Rosenberg I Schwab § 139 IV 2 (S. 754); StJ I Pohle § 99 Anm. III (a. A. StJ I Grunsky § 521 Anm. I 1); RGZ 156, 240, 242; BGHZ 4, 229, 234; 17, 392, 397; OLG Harnburg JZ 1951, 336; OLG Nürnberg NJW 1954, 1687 f.; so auch schon die Materialien: Hahn S. 201 (zu § 92), S. 354 (zu §§ 461, 462). to So mit Recht Kirchner Mitt 1972, 159 (= NJW 1972, 2297); vgl. dazu oben § 8 I 5 a, § 12 II 1 b. Demgemäß bezeichnen etwa auch Rosenberg I Schwab § 139 IV 2 (S. 754 Fn. 2) den Anschluß hier als "eigentlich unnötig". 11 Vgl. StJ I Schumann I Leipold § 308 Anm. II (allgemein zur fehlenden Antragsbindung bei der Kostenentscheidung).
166
§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
Verbot der reformatio in peius insgesamt12, folglich auch in einer einzelnen Wirkung, nicht hindern können18. Eine reformatio in peius würde sich überdies gegebenenfalls sogar zum Nacllteil des Fiskus auswirken, sofern sie den - u. U. zahlungskräftigeren - Beklagten als Kostenschuldner entlastet, da nunmehr allein der ohnehin schon subsidiär haftende Kläger noch in Anspruch genommen werden kann (§§ 95 S. 1, 99 Nr. 1 GKG), so daß auch von daher die fiskalischen Belange kaum für eine generelle Zulässigkeit der reformatio in peius in Anspruch genommen werden könnten. 4. Die Entwicklung im gemeinen Recht
Der tiefere Grund für die von der herrschenden Meinung geäußerte Ansicht dürfte denn auch an anderer Stelle zu suchen sein. In der für das gemeine Recht maßgebenden Justinianischen Gesetzgebung findet sich neben der allgemeinen Zulassung einer reformatio in peius in der I. 39 pr. Cod. de appell. et consult. 7, 62 14 die frühere Bestimmung der l. 10 Cod. quando provocare necesse non est 7, 64, die - hiermit inhaltlich übereinstimmend - wegen der Kosten gleichfalls eine reformatio in peius gestattete15. Während jedoch in bezug auf die Hauptsache die zuerst genannte Vorschrift allmählich außer Anwendung geriet16, behielt die zweite ihre Gültigkeit, weil - so Sartorius - gegen die Kostenentscheidung eine besondere Appellation nicht zulässig seP7 (hierin scheint im übrigen die obige Differenzierung bei der Kostenentsclleidung zwischen Haupt- und Nebenpunkt ihren Ursprung zu haben), und wurde als Einschränkung schon des "Begriffs" einer "reformatio in peius" in das neu geschaffene Institut übernommen18. Damit stand infolge der bis heute stark begrifflich orientierten herrschenden Meinung19 das Ergebnis von vornherein scheinbar zwingend, nichtsdestoweniger freilich wenig überzeugend, fest. Vgl. oben § 8 I 7. Abl. auch Kirchner Mitt 1972, 159 Fn. 19 (= NJW 1972, 2296 Fn. 10). 14 Dazu oben § 2 II 2 a mit Fn. 16. u Omnem honorem salvum iudicibus reservantes, si quando una pars quasi laesa per definitivam eorem sententiam provocatione usa fuerit, interdicimus alteri parti quae vicit pro hoc tantummodo, quod nihil capere pro sumptibus litis et detrimentis vel minus quam oportuerat iussa est, provocationem offere, cum ipsam decisionem litis recte factum esse confiteatur: iudicibus scilicet sive florentissimis proceribus sacri nostri palatii sive his, quibus pro minore litium aestimatione consultationes delegantur, si perspexerint adiuvandum esse victorem sumptuum perceptione, etiam sine provocatione eius hoc statuentibus et iustam eorundem sumptuum quantitatem definientibus. (Zit. nach Krueger S. 326 f.; Hervorhebung vom Verf.). Vgl. dazu Linde AcP 19, 464; Renaud S. 559. 1a Vgl. oben § 2 II 2 a. 17 Sartorius AcP 31, 93 f .; hiergegen Sintenis S. 442 Fn. 1. 1s Vgl. Sartorius AcP 31, 85. 12
13
C. I. Die Kostenentscheidung
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Demgegenüber ist die Rechtfertigung dieser Ausnahme vom Verbot aus einer fehlenden Antragsbindung erst späteren Datums20 und ohnedies nur von denen nachvollziehbar, die sich mit der heute herrschenden Meinung21 zur Begründung des Verbots der reformatio in peius auf die Antragsbindung berufen. 5. Die Frage nach einem Besitzstand Wie auch in anderen Fällen ist bei der Kostenentscheidung als einem Teil des angefochtenen Urteils lediglich danach zu fragen, ob sie nach dem Abschluß des Verfahrens für eine weitere Entscheidung bindende Wirkung hat und ob Gründe vorliegen, die es nach den oben angestellten Überlegungen22 möglicherweise trotzdem erlauben, diesen so begründeten Besitzstand zu beseitigen. Daß es sich bei den Kosten um eine bloße Nebenentscheidung handelt, ist für diese Prüfung unerheblich; ein Verbot der reformatio in peius wäre hierbei sogar noch eher als in der Hauptsache berechtigt, weil jene die benachteiligte Partei in der Regel weniger als diese belastet23 • Die Kostenentscheidung des Urteils ist aber als Kostengrundentscheidung für den nachfolgenden Kostenfestsetzungsbeschluß maßgebend, ohne daß ihre Richtigkeit später noch in Frage gestellt werden könnte24• Da sie somit einen Besitzstand darstellt, muß das Verbot der reformatio in peius auch für die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wie für jeden anderen darin begründeten gesicherten Vorteil gelten. Die von der herrschenden Meinung hiergegen geltend gemachten Gründe sind nicht stichhaltig, insbesondere ist die fehlende Antragsbindung bei der vorinstanzliehen Entscheidung über die Kosten für das Verbot der reformatio in peius ohne Bedeutung25 , während eine S. oben§ 1 II 1, insbes. Fn. 12, sowie§ 10 Fn. 47; dazu oben§ 1 II 2. Die insofern für die Rechtsprechung wohl grundlegende Entscheidung RG JW 1913, 696 Nr. 14 (vgl. Kirchner Mitt 1972, 158 = NJW 1972, 2295; Lappe KostRspr § 308 ZPO Nr. 4) enthält bezeichnenderweise noch vor dem Hinweis auf § 308 Abs. 2 ZPO eine begriffliche Rechtfertigung dieser Ausnahme, wonach sich § 536 ZPO nur auf die Entscheidung "in der Hauptsache" beziehe (zu diesem Begriffsmerkmal s. oben § 1 II 1 bei Fn. 8). Der Hinweis auf die Antragsbindung findet sich aber auch schon bei Gaupp I Stein 8.19. Aufl. § 536 Anm. II 1. 21 Vgl. oben§ 6 Fn. 14. 22 Oben§ 12. 23 Ähnlich Kirchner Mitt 1972, 159 (= NJW 1972, 2296). 24 Vgl. Baumbach I Hartmann Einf. 2 B vor § 103; StJ I Pohle § 104 Anm. 19
20
111.
15 Vgl. oben § 10 I 2, § 12 II 3. Auch der Gesichtspunkt, daß im Zweifel keine Geltung des Verbots der reformatio in peius anzunehmen ist, wenn die erste Instanz an die Anträge nicht gebunden ist (oben § 8 II 2 b bb), rechtfertigt hier keine andere Beurteilung, da die Frage nach dem grund-
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§ 13 Die Wirkungen des Verbots im Einzelfall
angebliche begriffliche Einschränkung der "reformatio in peius" hinsichtlich der Kosten lediglich eine petitio principii darstellt. U. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
Für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils gilt Entsprechendes. Auch sie schafft wegen ihrer Verbindlichkeit für die Zwangsvollstreckung einen Besitzstand des Rechtsmittelklägers, der vom Rechtsmittelgericht nicht mehr beseitigt werden darf28• Ob die Entscheidung in der unteren Instanz gleich der Kostenentscheidung von Amts wegen oder auf Antrag ergangen ist, ist wie bei jener - entgegen der herrschenden Meinung, die auch hier auf die Antragsbindung abstellt27 - ohne Belang. Aus diesen Gründen ist es etwa nicht zulässig, zum Nachteil des Rechtsmittelklägers die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu beseitigen oder nachzuholen28 oder die Vollstreckung nunmehr ohne Sicherheitsleistung zu gestatten29 bzw. sie jetzt hiervon abhängig zu machen30• In gleicher Weise würde eine nachteilige Änderung von Art und Höhe der Sicherheitsleistung gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßenlt.
sätzlichen Bestehen des Verbots bei den hier erörterten Rechtsmitteln bereits gelöst ist. Zudem ist die Unabhängigkeit von den Anträgen bei der Kostenentscheidung nicht zum Zwecke einer freien Regelungsbefugnis des Gerichts gegeben, die allein einen Anhaltspunkt für die Zulässigkeit der reformatio in zweiter Instanz enthalten könnte, sondern lediglich wegen der ohnedies zwingenden gesetzlichen Vorschriften in den §§ 91 ff. ZPO (Kirchner Mitt 1972, 159 = NJW 1972, 2296). 18 Vgl. Ha.ehnel S. 17; Petersen I Remele I Anger § 536 Anm. 2; Stein I Jona.s 14. Auf!. § 536 Anm. I 2 a. E.; a. A.: Wieczorek § 536 Anm. B III; differenzierend Kopp§ 88 Anm. 4; LiebS. 121 f. n Kopp § 88 Anm. 4; Lieb S . 121 f.; Redeker I v. Oertzen § 88 Rdnr. 5; Wieczorek § 536 Anm. B III; vgl. auch StJ I Münzberg § 714 Anm. I 3 (m. w. N.); KG NJW 1961, 2357; OLG Düsseldorf NJW 1969, 1910 f.; LG Mönchen-Gladbach NJW 1965, 49. 1s Im letzten Punkt gleicher Ansicht Ha.ehnel S . 17. 1' Ha.ehnel S. 17. ao A. A.: Lieb S. 121 f. at Ebenso Lieb S. 122.
Ergebnisse I. Das Verbot der reformatio in peius folgt weder aus der Dispositionsmaxime noch aus einem sonstigen prozessualen oder außerprozessualen Institut oder Rechtssatz, sondern es beruht allein auf der gesetzlichen Anordnung, d. h. auf der gesetzlichen Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsbehelfst. Für den Fall, daß es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung fehlt, ist allerdings die im Gesetz ausgesprochene Bindung an die Rechtsmittelanträge das praktisch wichtigste und auch für die Berufung und die Revision des Zivilprozesses entscheidende (§§ 536, 559 Abs. 1 ZPO) Indiz für ein Bestehen des Verbots2• II. Bei der Frage nach dem Umfang der infolge des Verbots der reformatio in peius unzulässigen Änderungen des angefochtenen Urteils ist- lediglich unter Außerachtlassung der unterschiedlichen Zuständigkeiten - konsequent auf die Lage abzustellen, wie sie ohne die Anfechtung bestehen würde.
1. Das bedeutet zunächst, daß allein diejenigen durch das angegriffene Urteil erlangten Vorteile des Rechtsmittelklägers unter dem Schutz des Verbots stehen, d. h. seinen "Besitzstand" bilden, die dem Anfechtenden ohne die Fortführung des Verfahrens sicher gewesen wären, weil sie an anderer Stelle hätten beachtet werden müssen. Dazu gehören nicht nur die rechtskraftfähigen Bestandteile des Urteils, sondern auch alle weiteren auf Grund einer innerprozessualen Bindungswirkung, einer Tatbestands- oder Vollstreckungswirkung der Entscheidung nach dem Abschluß des Verfahrens verbindlichen Feststellungena. 2. Einen Besitzstand in diesem Sinne bilden jedoch solche Vorteile nicht, die - wie etwa die Prozeßabweisung oder die Abweisung als z. Z. unbegründet - einzig in der Chance eines neuen Verfahrens bestehen. Diese Möglichkeit wird bereits durch die Rechtsmitteleinlegung ausgeschöpft; der Vorteil ist damit verbraucht'. 3. Auch wenn hiernach ein Besitzstand des Rechtsmittelklägers gegeben ist, darf dieser von dem Rechtsmittelgericht unter denselben Vgl. oben§§ 3 ff., insbes. § 6 li und§ 7 li. Oben § 8 I 2 a und § 9 A 1 a. a Dazu oben § 11 I. 'Oben§ 11 n. 1
1
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Ergebnisse
Umständen übergangen oder beseitigt werden, unter denen dies ohne das Rechtsmittel an anderer Stelle zulässig gewesen wäre; sei es bei einer hiervon unabhängigen Entscheidung des Rechtsmittelgerichts selbst auf Grund eines (Anschluß-)Rechtsmittels des Gegners, sei es durch ein anderes Gericht oder eine Behörde. Falls eine solche Beseitigungsmöglichkeit dort jedoch nur auf Antrag gegeben wäre und hierbei eine Bindung an die Sachanträge bestände, müßte freilich auch im Rechtsmittelverfahren von seiten des Gegners ein derartiger Antrag gestellt werden, regelmäßig in der Form eines eigenen Rechtsmittels oder eines Anschlusses an das Rechtsmittel5 . 4. Mangels Schutzwürdigkeit des Rechtsmittelklägers ist schließlich eine Aufhebung seines Besitzstandes desgleichen zulässig, wenn diese lediglich vorläufiger Natur ist und der Besitzstand in dem abschließenden Urteil wiederhergestellt werden muß, weil das Verbot der reformatio in peius fortgilt - so nach einer Zurückverweisung, aber auch nach einer Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht6 - , oder wenn der verlorene Vorteil durch einen neuen, gleichwertigen, ersetzt wird7 • 5. Sonstige prozessuale Gründe, insbesondere das Fehlen einer Antragsbindung bei Verfahrensvorschriften oder der Kostenentscheidung, rechtfertigen demgegenüber eine Beseitigung des Besitzstandes nicht. Denn diese hätten keine Möglichkeit zum Eingriff mehr geboten, hätte nicht der Rechtsmittelkläger selbst Gelegenheit dazu geschaffen8 •
s Vgl. oben § 12 I 3, II. e Oben § 12 III 2 a, b. 1 Oben § 12 III 1. 8 Vgl. oben § 12 II 3, 13 C I 2 und C I 5.
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