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German Pages 222 [225] Year 2008
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1097
Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende Von
Mathias Reinke
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MATHIAS REINKE
Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1097
Fortpflanzungsfreiheit und das Verbot der Fremdeizellspende
Von
Mathias Reinke
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12544-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
„Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann.“ Karl Popper
Vorwort Die juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2006 als Dissertation angenommen. Nachfolgende Entwicklungen, soweit sie für den Inhalt der Arbeit relevant wurden, sind eingearbeitet. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernhard Schlink. Gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bischof von Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Huber, veranstaltete er im Jahr 2003 ein juristischtheologisches Seminar zum pränatalen Lebensschutz, das mein Interesse an den vielfältigen Problemen der modernen Medizin und Bioethik erweckte und Inspiration für diese Arbeit war. Die scharfsinnigen Debatten sind mir bis heute unvergessen. Ich danke meinem Doktorvater und dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Volker Neumann, weiterhin für die differenzierte Auseinandersetzung mit meiner Arbeit und ihre überaus zügige Begutachtung. Zu aufrichtigem Dank bin ich auch Herrn Dr. Jakob Nolte verpflichtet, der mir stets geduldiger Gesprächspartner und inhaltliches Korrektiv war. Ich danke dem (ehemaligen) Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des 15. Deutschen Bundestages, Herrn René Röspel, Mdb, für die thematisch vielfältige und spannende sowie menschlich ausgesprochen angenehme Zeit als sein Mitarbeiter, in der ich Gelegenheit hatte, die Debatten auf dem Gebiet der Bioethik „hautnah“ zu verfolgen. Mein größter Dank gilt jedoch meinen Eltern. Sie sind mir in vielerlei Hinsicht fortwährende Inspiration und waren stets für mich da. Auf diese Weise gaben sie mir ein Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Überzeugungen, das diese Arbeit möglich machte. Deshalb ist sie ihnen gewidmet. Berlin, im Februar 2008
Mathias Reinke
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1. Teil Die Grundlagen
23
1. Kapitel: Biologisch-medizinische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Kapitel: Die rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2. Teil Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen und von Keimzellen im Besonderen
55
1. Kapitel: Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen . . . . . . . . . . . . 55 2. Kapitel: Der Status humanbiologischen Materials 3. Kapitel: Der Status humaner Keimzellen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
3. Teil Die gleichheitsrechtliche Prüfung des Verbotes der heterologen Eizellspende
100
1. Kapitel: Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG? . . . . . 102 2. Kapitel: Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen das besondere Gleichheitsrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Kapitel: Die Ungleichbehandlung der Fremdeizellspende gegenüber der Adoption 117 4. Kapitel: Die Ungleichbehandlung der Blut- und Organlebendspende und der heterologen Eizellspende
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
12
Inhaltsübersicht 4. Teil Die freiheitsrechtliche Prüfung des Verbots der heterologen Eizellspende 133
1. Kapitel: Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Kapitel: Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Kapitel: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Kapitel: Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5. Kapitel: Exkurs – Stellungnahme zu den verfassungsrechtlich unbeachtlichen Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1. Teil Die Grundlagen
23
1. Kapitel Biologisch-medizinische Grundlagen A. Grundlegende Begriffe der modernen Zellbiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Chromosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das mitochondriale Genom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Mitose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Meiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Begriffe pluripotent und totipotent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die embryonalen und adulten Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die klassische Embryologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gametengenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die primordialen Keimzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Spermatogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Oogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Fertilisation (Befruchtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die weitere Entwicklung nach der Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Parthenogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Erkenntnisse aus neueren Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Experiment von Nagy et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Experimente von Hübner et al., Geijsen et al. und Toyooka et al. . . . . III. Die Experimente von Johnson / Canning et al. und Eggan et al. . . . . . . . . . IV. Das Experiment von Kono et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Experiment von Stojkovic et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Exkurs: Der Skandal um die Experimente von Hwang et al. und das Experiment von French et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die In-vitro-Maturation (IVM) von Eizellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 23 24 24 24 25 25 26 26 26 27 27 27 28 29 31 31 31 32 33 34 34 35
14
Inhaltsverzeichnis
D. Assistierte Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sterilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die (heterologe) Eizellspende – eine Methode der modernen Reproduktionsmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Indikationen zur heterologen Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorzeitige Menopause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlanlage der Ovarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genetische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Ablauf und die Gefahren für die Spenderin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Auswahl der Spenderin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die hormonelle Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Risiko eigener Schwangerschaft der Spenderin . . . . . . . . . . . bb) Das Hyperstimulationssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die kanzerogene Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Gewinnung der Eizellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Ablauf und die Gefahren für die Empfängerin . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Voruntersuchung des infertilen Paares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zyklussynchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Reifung und der Transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Erfolgsraten und das Problem von Mehrlingsschwangerschaften . . . a) Die Erfolgsraten der heterologen Eizellspende im Ausland . . . . . . . b) Die Erfolgsraten der in Deutschland zulässigen ART . . . . . . . . . . . . c) Das Problem von Mehrlingsschwangerschaften . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35 37 38 38 39 39 40 40 40 41 41 41 42 42 43 43 43 43 44 44 45 45
2. Kapitel Die rechtliche Ausgangslage A. Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsinhalt und wesentliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verbot der heterologen Eizellspende im Embryonenschutzgesetz . . . . 1. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Embryonentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Definition des Begriffs „Embryo“ und damit verbundene Schwierigkeiten IV. Exkurs: Das Problem der sog. Dreier-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendige Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Sozialgesetzbuch V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 47 47 48 48 49 49 50 50 51 52 53 54
Inhaltsverzeichnis
15
2. Teil Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen und von Keimzellen im Besonderen
55
1. Kapitel Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen
55
2. Kapitel Der Status humanbiologischen Materials A. Verfassungsrechtliche Ansätze zur Bestimmung des Status humanbiologischen Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Historischer Abriss der zivilrechtlichen Ansätze zum Status humanbiologischen Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Versuche einer abstrakten Statusbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die konkrete Statusbestimmung am Beispiel des Blutes . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassende Stellungnahme zum allgemeinen Status humanbiologischen Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
65 67 67 74 76
3. Kapitel Der Status humaner Keimzellen A. Der personelle Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der personelle Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Keimzelle als Trägerin des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das reine Spezies-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das erweiterte Spezies-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklungskontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Empirische Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum defensiven Charakter des Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Logische Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Potentialität der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Personale Identität und Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 78 80 80 82 82 83 83 85 85 86 87 89 93 95
16
Inhaltsverzeichnis 3. Teil Die gleichheitsrechtliche Prüfung des Verbotes der heterologen Eizellspende
100
1. Kapitel Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG? A. Liegt eine ungleiche Behandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vor? . . . . . . . B. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als absolutes oder als grundsätzliches Anknüpfungsverbot oder als Rechtfertigungsgebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Rechtfertigung der zwischen den Geschlechtern differenzierenden Regelung I. Das Vorliegen eines objektiven biologisch-funktionalen Unterschieds . . 1. Die zellbiologischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Keimzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die unterschiedliche operative Eingriffstiefe bei den Keimzellspenden 3. Die Einmaligkeit der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Macht der vorliegende biologisch-funktionale Unterschied eine unterschiedliche rechtliche Regelung zwingend erforderlich? . . . . . . . . . . . . . .
102 103 105 108 108 108 109 111 112
2. Kapitel Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen das besondere Gleichheitsrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG?
115
3. Kapitel Die Ungleichbehandlung der Fremdeizellspende gegenüber der Adoption 117 4. Kapitel Die Ungleichbehandlung der Blut- und Organlebendspende und der heterologen Eizellspende A. Der Schutzinhalt des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesen (TFG) . . . . . . . . . . . . . II. Das Transplantationsgesetz (TPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Die Spende von Ovarien als eine Sonderform der heterologen Eizellspende? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lebendspende von Organen als Vergleichsmaßstab zur heterologen Eizellspende? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 119 120 120 122 123 123 125
Inhaltsverzeichnis a) Grundvoraussetzungen der Zulässigkeit der Lebendspende . . . . . . b) Diskussionswürdige Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . aa) Subsidiarität der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkter Spenderkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Arzneimittelgesetz (AMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Medizinproduktegesetz (MPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Richtlinie 98/44/EG (Biopatentrichtlinie) und ihre Umsetzung in das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wieder: Die unterschiedliche operative Eingriffstiefe . . . . . . . . . . . . . . . II. Wieder: Die zellbiologischen Unterschiede und die Einmaligkeit der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 125 125 125 126 127 128 128 129 129 129 130 132
4. Teil Die freiheitsrechtliche Prüfung des Verbots der heterologen Eizellspende 133 1. Kapitel Art. 6 Abs. 1 GG A. Zu den Vorschriften der Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der sachliche Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern – eine Familie i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Singles mit Kindern – Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG? . . . . . . . . III. Lebenspartnerschaften – Verschiedengeschlechtlichkeit der Eltern als Kriterium für Familie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis zum Umfang des personellen Schutzbereiches . . . . . . . . . . . . . D. Mittelbarer Grundrechtseingriff in das Fortpflanzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Kindeswohl als Schranke der Fortpflanzungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kindeswohl als vorwirkendes singuläres subjektives Gegenrecht des Kindes oder als sonstiger Verfassungswert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Geeignetheit des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Problem der mangelnden Handlungsoption . . . . . . . . . . . . . . . b) Prognosespielraum der Familie oder des Staates? . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Erforderlichkeit des strafbewehrten Totalverbots . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zur Rechtfertigung des Totalverbots aus Gründen des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133 133 134 138 139 144 145 150 150 151 151 152 154 154 155 160 162 165
18
Inhaltsverzeichnis II. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung als Schranke des Fortpflanzungsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Darstellung des Streitstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Institutsgarantie und der wertleitende Charakter des Art. 6 Abs. 1 GG als Schranke der Fortpflanzungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Selbstinstrumentalisierung der Spenderin als Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die geltendgemachten Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 166 169 173 180 180 181 183
2. Kapitel Art. 14 Abs. 1 GG A. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt und Schranken des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Gefahr von Kommerzialisierung und Handel mit Körpersubstanzen als Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184 184 186 186 190
3. Kapitel Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG A. Die Entwicklung und Funktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . B. Die Fortpflanzung als Teil allgemeinen Persönlichkeitsrechts? . . . . . . . . . . . . I. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finalität und Normfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190 191 193 194 194 194 198
4. Kapitel Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG
198
5. Kapitel Exkurs – Stellungnahme zu den verfassungsrechtlich unbeachtlichen Bedenken
200
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Einleitung Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts war die Ontogenese des Menschen von der Natur vorgegeben. Spätestens am 25. Juli 1978 hat die Menschheit ein neues Kapitel aufgeschlagen. An jenem Tag erblickte Louise Joy Brown das Licht der Welt. Die zu ihrer Geburt führenden Umstände waren bis dahin einzigartig. Den beiden britischen Forschern Steptoe und Edwards war es gelungen, die Schwangerschaft der Mutter von Louise Joy Brown durch In-vitro-Fertilisation (IVF) 1 einzuleiten. 2 Die Fortpflanzungsmedizin wuchs anschließend zu einem wichtigen Teil der modernen Medizin. Das Deutsche IVF-Register (DIR) 3 gibt bspw. für das Jahr 2003 an, dass in Deutschland in 116 Zentren 63.111 Frauen in insgesamt 105.854 Zyklen behandelt 4 und 714.208 Eizellen gewonnen wurden. Die klinische Schwangerschaftsrate betrug 27,98%. 5 Im Jahr 2002 wurden 13.729 Kinder nach Fertilisationsbehandlung lebend geboren. Die sogenannte „baby-take-home-rate“ 6 betrug etwa 15 %. 7 Nach Auskunft des Präsidenten der Deutschen Ärztekammer Hoppe gab es im Jahr 2001 weltweit bereits mehr als 300.000 dieser „Retortenbabys“. 8 Die 1 In-vitro-Fertilisation (IVF) meint alle reproduktionsmedizinischen Maßnahmen, bei denen die Befruchtung der weiblichen durch die männliche Keimzelle außerhalb des weiblichen Körpers stattfindet. 2 Steptoe, P. / Edwards, R. (1978), p. 366. 3 Das Deutsche IVF-Register (DIR) hat seine Geschäftsstelle in Bad Segeberg. Es ist das größte Register zur assistierten Reproduktion in Europa. Seine Daten finden Eingang in die europäischen Auswertungen der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE). Die Übermittlung der Datensätze durch die beteiligten Fertilisationszentren und Arztpraxen erfolgt auf freiwilliger Basis. Seit 1998 werden die nach Fertilisationsbehandlung geborenen Kinder systematisch hinsichtlich Geburtsgewicht und Gestationsalter erfasst. 4 Dies markiert einen Rekordstand: Im Jahr 1995 gab es 34.973 plausible Behandlungszyklen, im Jahr 2000 61.531 und im Jahr 2002 87.044. Die auffällige Zunahme in 2003 ist wahrscheinlich auf Mitnahmeeffekte der betroffenen Paare zurückzuführen, die, in Kenntnis der durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ab 2004 einsetzenden 50%igen Kostenbeteiligungspflicht der betroffenen Paare, den Behandlungsbeginn vorgezogen haben. 5 DIR (2003), S. 6 f. 6 Der Begriff „baby-take-home-rate“ beschreibt die Anzahl der Geburten im Verhältnis zu der Zahl der durchgeführten Behandlungen in Prozent. 7 DIR (2003), S. 13. Die Anzahl der Geburten und die „baby-take-home-rate“ beziehen sich deshalb auf das Jahr 2002, weil im jeweils laufenden Auswertungsjahr nicht alle Frauen, die sich in der Fertilisationsbehandlung befinden, die Schwangerschaft beenden.
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Einleitung
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) schätzt, dass 1,2 –1,6 Millionen Paare ungewollt kinderlos sind. Entsprechend einer Erhebung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales ersuchen jährlich ca. 200.000 Paare um medizinischen Rat zur Behandlung ihrer Fertilitätsprobleme. 9 Vor der Entwicklung der modernen Methoden der assistierten Reproduktion konnten sich fortpflanzungsunfähige Paare den Wunsch nach Kindern nur durch Adoption eines (fremden) Kindes erfüllen; eigenes Erbgut können sie so nicht weitergegeben. Es wird behauptet, dass es jedoch (noch immer) ein Hauptanliegen unserer Gesellschaft sei, den eigenen Genpool zu erhalten. 10 Jedenfalls sei das Adoptionsverfahren langwierig und an strenge Voraussetzungen geknüpft. 11 Häufig stellten die betroffenen Paare die Fertilitätsstörung erst in einem Alter fest, in dem sie (im Sinne der adoptionsrechtlichen Vorschriften) zu alt seien. 12 Schließlich sei das „Angebot“ an Kindern für die Adoption stets erheblich geringer, als die „Nachfrage“. Dies gelte insbesondere für Babys und Kleinkinder. Gründe hierfür seien die besseren Methoden zur Empfängnisverhütung, die wachsende Zahl von Abtreibungen und die zunehmende Bereitschaft alleinstehender Mütter, ihre Kinder ohne Vater großzuziehen. 13 Eine Möglichkeit trotz Sterilität ein biologisch – wenn auch nicht genetisch – eigenes Kind zu bekommen, ist die heterologe Eizellspende 14 oder „Fremdeizellspende“. Sie gelang erstmals im Jahr 1984. 15 Bei der Fremdeizellspende stellt die Spenderin einer anderen Frau, die nicht in der Lage ist, Eizellen zu produzieren, deren Eizellen einen Defekt aufweisen oder die die Weitergabe einer Erbkrankheit befürchtet, ihre Eizellen zur Verfügung. Die heterologe Eizellspende ist daher von der homologen Eizellspende 16 oder „Eigeneizellspende“ zu unterscheiden. Bei Infertilität des Mannes ist es medizinisch häufig erfolgversprechend, die Eizelle 8 Hoppe, JD. (2001), S. 10. Angesichts der Zahlen des DIR aus dem Jahr 2003, wonach allein in Deutschland mittlerweile über 65.000 Geburten nach Fertilisationsbehandlung verzeichnet sind, wird diese Zahl angestiegen sein. 9 Verlautbarung auf der Tagung „Kinderwunsch in der Krise“ der DGGG in Berlin am 28. 6. 2005. 10 Rothstein, J. (1991), pp. 57, 58; Skoloff, GN. (1988), p. 119. 11 Yoon, M. (1990), pp. 525, 527; Skoloff, GN. (1988), p. 119. 12 Gitlin, HJ. (1988), pp. 145, 147; Yoon, M. (1990), pp. 525, 527. 13 “In re Baby M” (1988), 109 N. J. 396, 14 FLR 2007, 2017; The Warnock-Report I (1984), pp. 673, 674; Skoloff, GN. (1988), p. 119. 14 Humangenetisch moderner ist der Begriff der „allogenen Eizellspende“, der sich gleichwohl im bioethischen Sprachgebrauch (noch) nicht durchgesetzt hat. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Terminus „heterologe Eizellspende“ verwandt. 15 Lutjen, P. et al. (1984), p. 722 f gelang dies zunächst in Australien, erst anschließend wurde die heterologe Eizellspende auch in Israel und den USA durchgeführt; siehe auch Bernat, E. (1989), S. 217. Insoweit ist die Darstellung bei Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B III, Rn 6, die die USA ausweisen, als das Land, in dem die heterologe Eizellspende zuerst gelang, nicht zutreffend.
Einleitung
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in einer IVF-Behandlung zu befruchten. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass die Frau in der fruchtbaren Phase ihres Lebens sich selbst Eizellen „spendet“, die anschließend kryokonserviert 17 werden. Somit lassen sich Eizellen für die Zeit der Unfruchtbarkeit – z. B. nach Entnahme der Ovarien, Chemo- oder Strahlentherapie oder auch in der Menopause – konservieren. Die heterologe Eizellspende ist in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Embryonenschutzgesetz (ESchG) 18 ohne Ausnahme verboten. Dagegen regelt das Embryonenschutzgesetz die homologe Eizellspende nicht, womit sie gesetzlich zulässig ist. 19 Begründet wird das Verbot der heterologen Eizellspende vor allem mit ethischen Bedenken gegen die unnatürliche Möglichkeit der Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische, biologische und soziale. Darüberhinaus bestünden medizinischen Risiken, wie z. B. die Nebenwirkungen einer Hyperstimulation der Spenderin. Gegenstand dieser Arbeit ist die Prüfung, ob das in Deutschland bestehende umfassende Verbot der heterologen Eizellspende verfassungsgemäß ist. Den Prüfungsmaßstab bilden im Wesentlichen das Fortpflanzungsrecht der Familie sowie der Gleichheitssatz in seiner geschlechtsspezifischen Ausgestaltung. Außer Betracht bleibt das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit und Forschung. Die Eizellspende liefert mit der Eizelle den für die humangenetische Forschung entscheidenden Rohstoff. Wie staunenswert die Ergebnisse der neuesten Experimente 20 auch sein mögen, (noch) benötigen die Mediziner Eizellen in großen Mengen für die Grundlagenforschung. Die Prüfung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) würde jedoch den gesetzten Rahmen dieser Arbeit sprengen und muss daher an anderer Stelle behandelt werden. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die humanbiologischen und rechtlichen Grundlagen dargelegt. Es wird der „natürliche“ Ablauf der Entstehung eines Menschen zumindest insoweit dargestellt, als es für die weitere Bearbeitung der 16 In Parallele zu Fn. 14 wird der Begriff „autogene Eizellspende“ zugunsten des Begriffs „homologe Eizellspende“ nicht verwendet. 17 Kryokonservierung bedeutet das Einfrieren (hier humangenetischen) Materials. Während dies bei Embryonen vergleichsweise gut gelingt und etablierte Praxis ist – das DIR weist für das Jahr 2003 3.066 Zyklen mit einer klinischen Schwangerschaftsrate von 16,43% aus, siehe DIR (2003), S. 11 –, ist das Einfrieren von unbefruchteten Eizellen schwierig, ohne dass hierfür bisher eine eindeutige wissenschaftliche Erklärung gefunden wurde. 18 Gesetz zum Schutz von Embryonen – Embryonenschutzgesetz (ESchG) vom 13. 12. 1990, BGBl. I 1990, S. 2746. 19 § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG: „ . . . bestraft, wer auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt“; § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG: „ . . . bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt“. Siehe hierzu auch: Würfel, W. (2001), S. 413. 20 Angesprochen sind insbesondere die Experimente von Hübner, K. et al. (2003), Stojkovic, M. et al. (2004) und French et al. (2008), auf die unten eingegangen wird.
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obengenannten Fragestellung nötig ist. Der „natürlichen“ Ontogenese wird die „künstliche“ gegenübergestellt. Auf die Ergebnisse neuer Studien wird Bezug genommen. Anschließend wird das Embryonenschutzgesetz mit dem Verbot der heterologen Eizellspende vorgestellt. Im zweiten Teil geht es um die Bestimmung des rechtlichen Status humanbiologischen Materials. Der Schwerpunkt liegt auf der Klärung der Frage, ob Keimzellen Grundrechtsträger sind. Im dritten Teil erfolgt die verfassungsrechtliche Überprüfung des bestehenden Verbots der heterologen Eizellspende anhand des Art. 3 GG. Hier wird zum einen das Verbot der heterologen Eizellspende der gesetzlich ungeregelten und daher zulässigen heterologen Insemination gegenübergestellt. Das Verbot der heterologen Eizellspende wird außerdem am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes mit der unter Beschränkungen zulässigen Organlebend- und Blutspende verglichen. Im vierten Teil wird das Verbot aus freiheitsrechtlicher Sicht überprüft. Maßstab ist das aus dem Recht auf Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG resultierende Recht auf Fortpflanzung. Außerdem werden die Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geprüft. Abschließend wird kurz auf Argumente gegen die Fremdeizellspende eingegangen, die zwar in der gesellschaftspolitischen Diskussion prominent, verfassungsrechtlich jedoch unbeachtlich sind.
1. Teil
Die Grundlagen
1. Kapitel
Biologisch-medizinische Grundlagen Nach der kurzen Erläuterung grundlegender zellbiologischer Begriffe wird zunächst die Frühphase der Entstehung des Menschen anhand der Erkenntnisse der klassischen Embryologie behandelt. Dann werden die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Studien vorgestellt. Anschließend werden erste Schlussfolgerungen bezüglich des Status von Körperzellen (somatische Zellen) und Keimzellen (Geschlechtszellen oder Gameten) gezogen. Schließlich werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten von weiblichen und männlichen Keimzellen dargestellt.
A. Grundlegende Begriffe der modernen Zellbiologie Zum besseren Verständnis werden zunächst einige wesentliche Begriffe der Zellbiologie erläutert. I. Die Chromosomen Der Mensch hat 46 Chromosomen. Diese bestehen aus 44 Autosomen und zwei Geschlechtschromosomen, dem X- und Y-Chromosom. Während beim Mann die Geschlechtschromosomen aus dem X- und dem Y-Chromosom bestehen, hat die Frau zwei X-Chromosomen. Für das Geschlecht ist phänotypisch also das Vorliegen des Y-Chromosoms entscheidend. In den Keimzellen liegt der Chromosomensatz in haploider Form vor, d. h. in einem einfachen Satz aus 23 Chromosomen. Bei Körperzellen und den primordialen Keimzellen 1 ist der Chromosomensatz dagegen diploid, d. h. es liegen zwei Sätze á 23 Chromosomen vor. Während der Ausdifferenzierung der Keimzellen werden diploide Zellen als primäre, haploide Zellen als sekundäre Geschlechtszellen bezeichnet. Wichtigster 1
Dazu siehe unten.
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1. Teil: Die Grundlagen
Bestandteil eines Chromosoms ist ein Faden aus Desoxyribonukleinsäure (DNS) 2. Gene sind Einheiten von Informationen, die auf Abschnitten des DNS-Stranges festgelegt sind. II. Das mitochondriale Genom Mitochondriale Gene sind von den chromosomalen Genen zu unterscheiden. Sie kommen aus dem Zytoplasma der Eizelle. Zwar weisen auch die Spermien mitochondriale Gene auf, diese werden jedoch kurz nach der Fertilisation zerstört. Da die mitochondriale DNS allein von der Mutter stammt und keiner genetischen Rekombination unterliegt, bleibt ihre Sequenz – abgesehen von Mutationen 3 – unverändert und wird daher heute häufig zu Abstammungsuntersuchungen herangezogen. III. Die Mitose Es gibt zwei Arten der Zellteilung, die Mitose und die Meiose. Die Mitose ist die somatische Zellteilung, die zu zwei genetisch identischen Tochterzellen führt. Die DNS wird vor der Zellteilung repliziert, so dass die diploide DNS einen doppelten Chromosomensatz aufweist. Die Mitose wird in die Pro-, Meta-, Anaund Telophase unterteilt. Die Gesamtdauer der Mitose beträgt bei Säugetieren zwischen einer halben und ganzen Stunde. IV. Die Meiose Die zweite Art der Zellteilung ist die Meiose. Keimzellen entstehen durch Meiose. Im Ergebnis wird bei der Meiose der diploide Chromosomensatz zu einem haploiden reduziert. In der Meiose I wird die DNS zu zwei Chromatiden repliziert. In der folgenden Meiose II finden zwei Zellteilungen statt. Diese führen bei den männlichen Keimzellen zu vier haploiden Spermatozyten und bei den weiblichen Keimzellen zu einer Oozyte und drei Polkörperchen. Die Vermischung von männlichen und weiblichen Keimzellen sowie die zweifache Teilung erlauben den Austausch und die Neukombination des genetischen Materials. Die Meiose dauert beim Mann ca. drei Wochen, bei der Frau bis zu mehreren Jahren.
2 Aus dem Englischen übernommen, ist mittlerweile im Deutschen auch die Abkürzung DNA für „desoxyribonucleic acid“ gebräuchlich. 3 Die mitochondriale DNS unterliegt allerdings einer höheren Mutationsrate als die chromosomale DNS, siehe O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 20.
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
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V. Die Begriffe pluripotent und totipotent Pluripotente Zellen können alle Zelltypen des Individuums, nicht aber vollständige Individuen entwickeln. Dies grenzt sie von totipotenten Zellen ab, die bis zum „8-Zell-Stadium“ im Embryo vorhanden sind. Aus ihnen kann ein vollständiger Mensch entstehen. 4 VI. Die embryonalen und adulten Stammzellen Stammzellen sind Körperzellen, die noch nicht ausdifferenziert sind, d. h. sie sind noch nicht für ihre Verwendung im Organismus spezialisiert. Aus Stammzellen können durch mitotische Teilung weitere Stammzellen oder ausdifferenzierte Zellen hervorgehen. Es gibt zwei Formen von Stammzellen: embryonale und adulte. Während embryonale Stammzellen nur im frühen Embryo vorkommen, sind adulte (auch: somatische) Stammzellen im Organismus nach der Geburt (postnatales Stadium) vorhanden. Aus diesen Zellen werden während der gesamten Lebensdauer des Organismus neue spezialisierte Zellen gebildet. Adulte Stammzellen sind in jedem Individuum verfügbar. Sie scheinen weniger zur malignen Entartung bei Implantation zu neigen als embryonale Stammzellen. Dies begründet die Hoffnung des Ersatzes defekter Zellen durch körpereigene Zellen, 5 sog. Tissue Engineering. 6 Allerdings haben adulte Stammzellen ein deutlich geringeres Selbsterneuerungsvermögen als embryonale Stammzellen und ein nur eingeschränktes Differenzierungspotential. So können sich neurale Stammzellen zwar zu allen Zelltypen von Nervengewebe, nicht jedoch zu Leber- oder Muskelzellen entwickeln. 4 Der Begriff der Totipotenz unterliegt, obwohl in der Begriffsbestimmung des § 8 ESchG noch als einheitlich verstanden vorausgesetzt, sowohl in der biologisch-medizinischen als auch in der juristisch-ethischen Debatte vielerlei unterschiedlichen Ausformungen. Deshalb sah bspw. die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des 15. Deutschen Bundestags in der Anhörung vom 8. 12. 2003 ein Bedürfnis zur Klärung dieser begrifflichen Unklarheiten. Als Totipotenz in einem engeren Sinne wird die Fähigkeit verstanden, einen ganzen, individuellen und lebensfähigen Embryonalkörper zu bilden. Die Fähigkeit embryonaler Stammzellen in alle Zelltypen des Körpers ausdifferenzieren zu können, wird als Totipotenz im weiteren Sinne oder Omnipotenz verstanden. Zum Begriff der Omnipotenz siehe Denker, HW. (2002), S. 19 ff. 5 Körpereigene Zellen werden auch autolog genannt. 6 Die Methode des Tissue Engineering bezüglich autogener Implantate beruht darauf, lebende Zellen eines Organismus außerhalb des Körpers zu kultivieren, ggf. mit extrazellulären Komponenten biologischer oder synthetischer Art zu kombinieren und die bioartifizellen Regenerate oder Konstrukte in den Organismus zu reimplantieren. Der Vorteil eines solchen Implantats besteht darin, dass es vom Immunsystem des Patienten akzeptiert wird, denn die kultivierten Zellen weisen auf den Zelloberflächen nur solche Proteine auf, die das Immunsystem als „eigene“ erkennt. Deshalb – so die Hoffnung – sollten Tissue Engineering-Implantate nicht abgestoßen werden.
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1. Teil: Die Grundlagen
Ein Keimblatt 7-überschreitendes Differenzierungspotential bestimmter Stammzelltypen (Fähigkeit zur Transdifferenzierung) hat man zwar in verschiedenen Studien beobachtet, es ist jedoch noch höchst umstritten. Pluripotente embryonale Stammzellen können dagegen alle Arten von Körperzellen entwickeln. Jüngst hat man gezeigt, dass sich embryonale Stammzellen auch zu Keimzellen entwickeln können. 8 Humane embryonale Stammzellen gewinnt man gewöhnlich aus so genannten „überzähligen“ Embryonen. 9 Die erste humane embryonale Stammzell-Linie etablierte Thomson 1998 in den USA.
B. Die klassische Embryologie I. Die Gametengenese Die Gametengenese ist die Entwicklung von Geschlechtszellen. Die weiblichen Geschlechtszellen sind die Oozyten (Eizellen). Sie werden in den weiblichen Gonaden (den Eierstöcken) produziert. Aus den männlichen Gonaden (den Hoden) kommen die Spermatozoen (männliche Geschlechtszellen). 1. Die primordialen Keimzellen Sowohl Oozyten als auch Spermatozoen durchlaufen eine lange Entwicklung. Beide entstehen aus primordialen Keimzellen. 10 Primordiale Keimzellen entwickeln sich wahrscheinlich im Blastozystenstadium. 11 Spätestens in der dritten Woche nach der Fertilisation trennen sie sich von den anderen Körperzellen. Etwa in der fünften Woche nisten sie sich in den Gonaden ein und beginnen sich mitotisch zu teilen. Bei der Frau wandern die primordialen Keimzellen zum Ovar (Eierstock) und werden dort zu Oogonien. Beim Mann werden die Spermatogonien im Hoden gebildet. Bis zur Pubertät finden bei ihm pro Jahr schätzungsweise 30 mitotische Teilungen statt. 12
7 Keimblätter bezeichnen in der Entwicklungsbiologie der vielzelligen Tiere die erste Differenzierung eines Embryo in verschiedene Zellschichten, aus denen sich anschließend unterschiedliche Strukturen, Gewebe und Organe entwickeln. 8 Hübner, K. et al., zum Ganzen siehe unten. 9 Sie entstehen ebenfalls durch In-vitro-Fertilisation, werden jedoch nicht in den Uterus verpflanzt, sondern tiefgefroren gelagert. 10 Sie werden auch „Gonozyten“ genannt. Im Englischen findet sich oft die Abkürzung „PGC“ für „Primordial Germ Cells“. Primordial steht im Lateinischen für uranfänglich oder das Ursprüngliche seiend. 11 Etwa in der zweiten Woche nach der Fertilisation, siehe Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 29 ff. 12 O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 23.
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
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2. Die Spermatogenese Die Spermatogenese ist die Produktion von Spermatozoen. Sie beginnt mit Einsetzen der Pubertät und findet in den Hoden statt. Die Rate der mitotischen Teilungen hat sich auf ca. 20 –25 pro Jahr verringert. In der Pubertät werden aus den bis dahin inaktiven Spermatogonien einige primäre Spermatozyten. Nach deren erster meiotischer Teilung sind sie sekundäre Spermatozyten. Nach der zweiten meiotischen Teilung liegen dann Spermatozoen vor. Der gesamte Prozess nimmt etwa neun Wochen in Anspruch. 13 3. Die Oogenese Die Oogenese ist die Entwicklung von Zellen zu Oozyten. Die Oogonien teilen sich ebenfalls mitotisch 14 und werden zu primären Oozyten. Die weitere Reifung der primären Oozyten hält in der Prophase der Meiose I bis zur Pubertät an. Beginnend mit der Pubertät vollendet sich die Meiose I, an deren Ende eine sekundäre Oozyte und ein erstes Polkörperchen 15 vorliegen. Mit dem ersten Polkörperchen wird dann ein Chromosomensatz ausgestoßen. Anschließend tritt die sekundäre Oozyte in die zweite Reifeteilung ein. Hier hält die weitere Entwicklung in der Metaphase der Meiose II wiederum an. Die Meiose II vollendet sich, wenn der Eisprung erfolgt (Ovulation) und ein Spermatozoon die Oozyte penetriert. II. Die Fertilisation (Befruchtung) Die Fertilisation beginnt mit dem Eindringen eines Spermatozoons in die – in der Meiose II angehaltene – sekundäre Oozyte. Sie endet mit der Vermischung der mütterlichen und väterlichen Chromosomen in der Metaphase der ersten mitotischen Teilung der Zygote. Dieser Prozess nimmt ungefähr 24 Stunden in Anspruch. Da das Spermium einen haploiden Chromosomensatz besitzt und deshalb entweder ein X- oder Y-Geschlechtschromosom trägt, fällt mit der Imprägnation die Entscheidung, welchen Geschlechts der Embryo sein wird. Die Oozyte wird durch die Penetration des Spermiums biochemisch aktiviert, die zweite Reifeteilung (Meiose II) zu vollenden. An ihrem Ende wird einer der beiden haploiden (durch das „crossing-over“ verschiedenen) Chromosomen13
O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 24. Zum Ende der Embryonalphase gibt es ca. fünf Millionen Oogonien, beim 20 Wochen alten Fetus sind bis maximal sieben Millionen vorhanden. Bis zur Geburt hat sich ihre Anzahl auf ca. zwei Millionen verringert, siehe O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 25 und Dohr, G. (2000), S. 2. 15 Das erste Polkörperchen weist im Vergleich zur weiter reifenden sekundären Oozyte den geringeren Anteil an Zytoplasma auf, siehe O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 25. 14
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1. Teil: Die Grundlagen
sätze der Oozyte mit dem zweiten Polkörperchen ausgestoßen. In der Oozyte verbleiben zwei haploide Chromosomensätze. Sie befinden sich im männlichen und weiblichen Vorkern (Pronukleus). In diesem Stadium (Vorkern-Stadium) ist die genetische Ausstattung des Embryos – im Prinzip vollständig und unverrückbar 16 – festgelegt. 17 Nun bilden sich ein männlicher und ein weiblicher Vorkern. Beide nähern sich an, ohne jedoch zu verschmelzen. Anschließend kondensieren die Chromosomen. Die Membranen des weiblichen und des männlichen Vorkerns lösen sich auf und die jeweiligen haploiden Chromosomensätze ordnen sich in einer Spindel an. Das letzte Stadium der Fertilisation ist erreicht; es liegt eine Zygote 18 vor. Sie beginnt dann, sich mitotisch zu teilen. III. Die weitere Entwicklung nach der Fertilisation Die anschließende Phase ist geprägt von den sog. Furchungsteilungen. Der vereinigte männliche und weibliche Vorkern (Blastomere) teilt sich mitotisch. Dabei nimmt die Gesamtmasse der Blastomere nicht zu, sondern wird nur aufgeteilt! Zu diesem Zeitpunkt erfolgt nämlich die Gentranskription (RNS-Synthese) 19 noch nicht und damit auch keine menschliche Embryonalentwicklung! Die Translation embryonaler RNS, d. h. die Expression der individuellen Gene, beginnt erst mit der dritten Furchungsteilung (2³ = acht Zellen). Das 8-Zell-Stadium endet etwa am dritten Tag nach der Kernverschmelzung. Die bisher totipotenten Zellen differenzieren sich. Überwiegend werden sie zum Trophoblasten, d. h. zu außerembryonalem Gewebe, dass der Versorgung des Embryos dient. Nur zum kleineren Teil differenzieren sie in Gewebe, das sich als menschliches Lebewesen entwickelt (Embryoblast). Von der Einnistung in die Gebärmutter bis zum Ende der Embryonalzeit können sich aus der Zygote eineiige (monozygote) Zwillinge bilden. In der Regel ist allerdings mit der Ausformung der axialen Strukturen des Embryos – etwa 14 Tage nach Entstehung der Zygote – eine Zwillingsentstehung nicht mehr möglich. Um die achte Woche der frühen humanbiologischen Entwicklung setzt die erste Hirnaktivität ein. 20 Das Vermögen, Schmerz zu empfinden, besteht jedoch erst etwa ab der 18. Woche der Entwicklung des Fötus. 16
Das menschliche Genom unterliegt, wie jedes andere, fortlaufenden, meist minimalen Veränderungen, insbesondere durch Mutationen. 17 Das Embryonenschutzgesetz begreift gleichwohl die befruchtete Eizelle im Vorkernstadium noch als eine Keimbahnzelle und nicht als Embryo, § 8 Abs. 2 ESchG! 18 Eine Zygote ist ein Embryo in der Phase seiner frühesten Existenz, nämlich im Einzellstadium. 19 RNS steht für Ribonukleinsäure. Gebräuchlich ist mittlerweile auch im Deutschen die englische Bezeichnung RNA für „ribonucleic acid“. 20 Sass, H.-M. (1985), S. 38 ff.
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
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Die entstehende Beziehung zwischen Mutter und Kind in der Schwangerschaft gilt als die intimste menschliche Beziehung. Sie ist jedoch nicht frei von Konflikten zwischen beiden Organismen. 21 Das häufig gebrauchte Bild von der „Zweiheit in Einheit“ 22 entspricht nur bedingt der Realität, denn aus verhaltensbiologischer Sicht ist die Schwangerschaft der Wettbewerb zweier verschiedener Organismen. Der Embryo würde vom mütterlichen Immunsystem als Fremdkörper identifiziert und abgestoßen, sendete er nicht u. a. den sogenannten „Early Pregnancy Factor“ (EPF) an die Mutter. 23 IV. Die Parthenogenese Die Parthenogenese ist ein anderer Modus der Fortpflanzung. Sie kommt beim Menschen natürlicherweise sehr selten vor. Die Definition des Begriffs ist im Einzelnen umstritten. Im Kern lässt sich jedoch festhalten, dass Parthenogenese die Entstehung eines Embryos aus einer weiblichen oder männlichen Keimzelle ist, ohne dass es der Befruchtung durch eine Keimzelle des jeweils anderen Geschlechts bedarf. Embryonen ohne ein männliches Genom werden Gynogenones, solche ohne weibliches Genom Androgenones genannt. Gynogenones weisen Defizite bezüglich des außerembryonischen, Androgenones bezüglich des embryonischen Gewebes auf. Für die Gynogenones bedeutet dies, dass sich das umliegende Nährgewebe, die Plazenta und die Nabelschnur schlecht entwickeln bzw. verkümmern. Bei den Androgenones wächst das umliegende Gewebe zwar gut, der Embryo selbst entwickelt sich jedoch nicht und stirbt ab. Grundsätzlich ist die Parthenogenese daher beim Menschen ein atypischer Modus der Fortpflanzung. Bei vielen weniger entwickelten Tieren und den meisten Pflanzen ist sie dagegen – insbesondere unter schwierigen Lebensbedingungen – verbreitet anzutreffen. Bei Versuchen mit Mäusen stellte sich heraus, dass eine parthenogenetische Akti21 Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 106 ff. schreiben hierzu: „Das heranwachsende Kind ist von der Natur darauf eingerichtet, seine eigenen Lebensaussichten zu maximieren. Das heißt, es wird seine Mutter regelmäßig mehr auszubeuten suchen als diese zuzulassen bereit ist. Dies geschieht beispielsweise durch die Anlage der Plazenta. Mit ihr beeinflusst der Embryo den Blutdruck und Blutzuckergehalt der Mutter. Dagegen richten sich Abwehraktionen der Mutter. Diese gegeneinander gerichteten Aktionen treiben den Gesamtaufwand der Schwangerschaft in die Höhe. Die Schwangerschaftsbeziehung zwischen Kind und Mutter ist also nicht nur von Synergien geprägt, sondern auch von Kompetition. Die Mutter gibt zwar dem Embryo den nötigen Lebensraum, der Embryo kämpft aber auch um diesen Raum zu Lasten der Mutter. Gleichzeitig ist das Zusammenleben eine Schicksalsgemeinschaft.“ 22 BVerfGE 88, 203, 252 f. 23 Dieser Faktor verhindert eine Immunreaktion, siehe Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 106.
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1. Teil: Die Grundlagen
vierung von Oozyten relativ häufig auftritt. Diese Oozyten erreichen häufig ein frühes Embryonalstadium. Bei der Maus hat man schon in Experimenten in den 1970er und 1980er Jahren parthenogenetisch entstandene Blastozysten bis in ein Stadium der Körpergrundgestalt entwickeln können. 24 Dem Forscherteam um Kono ist es dann gelungen, eine lebens- und fortpflanzungsfähige Maus zu erzeugen, die nur aus weiblichen Keimzellen entstand. 25 Bei Versuchen des Forscherteams um Takeuchi entdeckte man, dass sich parthenogenetisch entwickelnde Eizellen von Mäusen im Vergleich zu geklonten Mäuseeizellen viel besser und gleich gut wie mittels In-vitro-Fertilisation (IVF) in der besonderen Form der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) 26 befruchtete Eizellen entwickeln. 27 Ein Team aus Brasilien berichtete von einem Fall, bei dem eine Frau nach hormoneller Stimulation neben 19 Oozyten auch einen vierzelligen Embryo parthenogenetisch entwickelte. Nach der Entnahme dieses Embryos und Aufbewahrung in einer entsprechenden Nährflüssigkeit wuchs der Embryo heran. Er war morphologisch normal entwickelt; jede Blastomere hatte einen Zellkern. 28 Gleichwohl sind die Chancen der Entstehung eines Fötus oder gar der Geburt eines Kindes im Allgemeinen sehr gering, da es den Gynogenones vor allem am außerembryonischen Gewebe mangelt, weshalb es regelmäßig zum Abort kommt. Jedoch ist in der Literatur ein Fall beschrieben, in dem die beteiligten Wissenschaftler und Ärzte beschreiben, dass der geborene Junge parthenogenetisch zur Welt gekommen sei. 29
24 Zusammenfassende Darstellung der diesbezüglichen Experimente bei Kaufmann, MH. (1983). 25 Kono, T. (2004), pp. 860. Siehe unten die näheren Ausführungen zu diesem Experiment. 26 Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) hat man erstmals 1992 in Belgien durchgeführt. Normalerweise sind zur Befruchtung ca. 100 Millionen Spermien nötig. Deshalb sind Männer trotz ein bis drei Millionen Spermien im Ejakulat praktisch zeugungsunfähig. Durch gezielte Injektion ist nunmehr ein einziges Spermium ausreichend, um eine Befruchtung herbeizuführen. In Deutschland hat man im Jahr 2003 51.389 ICSIBehandlungen durchgeführt. Dem stehen „nur“ 28.058 IVF-Behandlungen gegenüber, DIR (2003), S. 8. 27 Bei dem Versuch befruchtete die Forschergruppe 68 Eizellen mittels ICSI. 37 regte sie ohne Einwirkung männlicher Gameten zur Teilung an (Parthenogenese). 77 Eizellen klonte sie mittels Zellkerntransfer. Anschließend beeinflusste die Forschergruppe die weitere Entwicklung dieser Zellen nicht. Nur 30% der geklonten Eizellen erreichten ein mehrzelliges Blastozystenstadium. Dagegen schafften dies 83% der ICSI-Zellen und 84% der sich parthenogenetisch teilenden Zellen. (Diese Daten wurden auf der 20. Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin am 30. 6. 2004 in Berlin vorgestellt.) 28 Oliveira, FG. et al. (2004). Den Embryo verwarf man im Anschluss, da die Frau wünschte, drei „normal“ fertilisierte Embryonen transplantiert zu bekommen. 29 Strain, L. / Warner, JP. / Johnston, T. et al. (1995), pp. 164 –169.
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C. Die Erkenntnisse aus neueren Experimenten Die experimentale Entwicklung und der Zugewinn an Erkenntnissen in der modernen Zellbiologie sind atemberaubend. Insbesondere in den letzten Jahren haben Forscherteams eine Reihe von bahnbrechenden Ergebnissen erzielt. I. Das Experiment von Nagy et al. Das Experiment von Nagy et al. 30 betrifft zwar nicht direkt die hier zu erörternde Problematik des biologischen Status von Keimzellen. Es war dennoch bahnbrechend und ist für die vorliegende Arbeit insofern von Bedeutung, als es die Basis für ein rund zehn Jahre anhaltendes Dogma in der Zellbiologie war, dass nun widerlegt wurde. Den Autoren gelang es, ausschließlich aus embryonalen Stammzellen Mäuse-Individuen zu erzeugen. Sie benötigten kein fremdes EizellZytoplasma, sondern lediglich mit einem vierfachen Chromosomensatz versehene Zellen, mit deren Hilfe der in vitro geschaffene Embryo in die Gebärmutterschleimhaut implantiert wurde. Die entstandenen Mäuse waren lebensfähig. Das Experiment war insofern bedeutend, als es zeigte, dass embryonale Stammzellen die Potenz zur Entwicklung individuellen Lebens haben. Gleichwohl blieb der Grad dieser Potenz rund zehn Jahre umstritten. Die herrschende Meinung in der Zellbiologie ging davon aus, dass embryonale Stammzellen nur pluripotent, nicht totipotent seien. Man nahm also an, dass sie nicht in der Lage seien, Zellen der Keimbahn hervorzubringen. Neue Experimente von Johnson / Canning et al., Hübner et al., Toyooka et al. und Geijsen et al. widerlegten dann die bis dato herrschende Meinung. Sie zeigten, dass embryonale Stammzellen nicht nur ganze Individuen im Sinne des Experiments von Nagy et al., sondern auch Zellen der Keimbahn und letztlich Keimzellen hervorbringen können. II. Die Experimente von Hübner et al., Geijsen et al. und Toyooka et al. In dem Experiment von Hübner et al. 31 zeigten die Autoren zunächst, dass normale Zellkulturbedingungen ausreichend sind, damit sich aus embryonalen Stammzellen der Maus Eizellen entwickeln können. 32 Diese Eizellen erwiesen sich als funktionsfähig, insbesondere durchliefen sie die nur bei Keimzellen auftreten30
Nagy, A. et al. (1993), pp. 8424 – 8428. Hübner, K. et al. (2003), pp. 1251. 32 Aufgrund des Nachweises bestimmter Hormone folgerten die Autoren außerdem, dass die embryonalen Stammzellen nicht nur Eizellen, sondern Strukturen, die in ihrer Funktion vollständigen Eierstockfollikeln entsprachen, bilden, hierzu siehe Hübner, K. et al. (2003), pp. 1251 und Denker, HW. (2003), S. A 2728. 31
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1. Teil: Die Grundlagen
de zweite Reifeteilung. Die Autoren wiesen außerdem nach, dass die embryonalen Stammzellen der Maus sich in vitro sowohl zu Eizellen als auch extraembryonalen Zellen entwickeln können. Sie folgerten daraus, dass diese Zellen keineswegs ausdifferenziert, sondern totipotent seien. Schließlich zeigten sie, dass die in vitro entstandenen Oozyten durch Parthenogenese immerhin Strukturen im Blastozystenstadium bilden. Ein Nachweis darüber, dass sich die parthenogenetisch entstandenen Blastozysten über dieses Stadium hinaus entwickeln können, steht gleichwohl aus. Ebenso wiesen Hübner et al. nicht nach, dass sich diese Eizellen befruchten lassen. Letztes bestätigten dann Geijsen et al., in dem sie zeigten, dass sich die entsprechend des Experiments von Hübner et al. gewonnenen Eizellen befruchten lassen. 33 In Ergänzung zum Experiment von Hübner et al. bewies die Forschergruppe um Toyooka et al. in ihrem Experiment 34, dass sich aus den embryonalen Stammzellen der Maus auch Vorstufen von Spermien entwickeln, die nach der Transplantation in die Hoden zu Spermien heranreifen. Damit war bestätigt, dass die embryonalen Stammzellen zu Keimzellen beider Geschlechter ausdifferenzieren. III. Die Experimente von Johnson / Canning et al. und Eggan et al. Lange Zeit galt die Theorie, nach der weibliche Säugetiere mit einer festgelegten Zahl von Eizellen zur Welt kämen. Ihr zufolge erreichte die Anzahl der Eizellen der Frau zur Mitte des pränatalen Lebens ihren Höhepunkt mit ca. sieben Millionen Eizellen und nähme danach kontinuierlich ab. Bei der Geburt lägen nur noch ca. zwei Millionen Eizellen vor. 35 Weibliche Säugetiere verlören mithin vor der Geburt die Fähigkeit, neue Eizellen zu produzieren. Daraus folgerte man, dass der Frau ein zwar großes, doch endliches Reservoir an Keimzellen zur Verfügung stünde. Für männliche Säugetiere galt dagegen die Erkenntnis, dass diese ihre Keimzellen fortlaufend generierten. Diese Theorie geriet durch die Arbeit von Johnson / Canning et al. ins Wanken. 36 Die Autoren fanden heraus, dass bei Mäusen nach der Geburt Zellen existieren, welche die Grundvoraussetzungen für Stammzellen erfüllen, die wiederum die Quelle für (neu generierte) Eizellen sind. Sie ermittelten außerdem, dass stets eine bestimmte Anzahl von diesen Zellen in die zweite Reifeteilung eintreten, was nach der bisher geltenden Theorie nicht hätte passieren dürfen. 37
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Geijsen, N. et al. (2003). Toyooka, Y. (2003), pp. 11457 – 11462. Siehe etwa O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 25. Johnson, J. / Canning, J. et al. (2004), pp. 145.
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Eggan et al. publizierten darüber hinaus 2005 einen Artikel, nach dem es ihnen gelungen war, Stammzellen ohne die Verwendung von Eizellen herzustellen. Herkömmlicherweise wird der Zellkern der Eizelle entfernt und durch den Kern einer Körperzelle ersetzt. Die Autoren verwendeten statt Eizellen embryonale Stammzellen und erhielten Nerven-, Knochen- und Darmzellen. Anwendungsreif ist die Methode jedoch noch nicht, weil die so erhaltenen Mischzellen Erbmaterial des Embryos enthalten und unklar ist, ob dies die weitere Entwicklungsfähigkeit hemmt. 38 IV. Das Experiment von Kono et al. Viele Lebensformen haben die Möglichkeit sich fortzupflanzen, ohne auf die Keimzellen des jeweils anderen Geschlechts angewiesen zu sein (Parthenogenese). Für Säugetiere schien dies nach herrschender Ansicht unter Biologen dagegen unmöglich zu sein. Das Team um Kono et al. beschrieb dann jedoch, wie aus Mäusen Nachkommen entstehen können, ohne dass es männlicher Mäusekeimzellen bedarf. 39 Die Forscher stellten 598 Oozyten her, indem sie jeweils einer Maus eine entkernte Eizelle (Eizellhülle) und jeweils zwei anderen Mäusen die haploiden Eizellkerne entnahmen und in die Eizellhülle einsetzten. In 457 Fällen entstanden intakte Eizellen, von denen sich 417 in ein Blastozystenstadium entwickelten. 371 Embryonen implantierte das Team in den Uterus von Mäusen. Von den 28 per Kaiserschnitt geholten Föten, wurden zehn lebend geboren, wovon wiederum acht innerhalb der ersten 15 Minuten starben. Eine der beiden überlebenden Mäuse tötete man zu Untersuchungszwecken; die andere – auf den Namen Kaguya getauft – erfreute sich hingegen ihres Mäuselebens und brachte sogar eigenen („normal“ gezeugten) Nachwuchs zur Welt. 40 37 Zwar ist diese Arbeit bisher nur an Mäusen durchgeführt und noch nicht beim Menschen überprüft worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei der Frau im Laufe ihres Lebens Eizellen neu gebildet werden. Dieses Postulat speist sich aus der Erkenntnis, dass bisher noch alle Behauptungen, wonach die tierische Biologie prinzipiell anders funktioniere als die menschliche, widerlegt wurden. 38 Zum Ganzen siehe Eggan, K. et al. (2005). 39 Kono, T. et al. (2004), pp. 860. 40 Der Erfolg gelang im Wesentlichen dadurch, dass die Forscher die für die Embryonalentwicklung essentiellen Gene H19 und Igf2 manipulierten. Diese Gene befinden sich auf dem siebenten Chromosom der Maus. Für die „reguläre“ Entwicklung eines Mäuseembryos muss H19 von der mütterlichen Kopie des Chromosoms abgelesen werden, womit gleichzeitig Igf2 ausgeschaltet wird. Beim Ablesen des väterlichen Gegenstücks ist entsprechend Igf2 aktiv und H19 ausgeschaltet. Das Team manipulierte nun den H19-Komplex durch Entfernen einer 13.000 Buchstaben langen Passage, so dass einer der beiden Eizellkerne quasi „vermännlicht“ wurde. Deshalb wird teilweise auch vehement bestritten, dass den japanischen Forschern eine „parthenogenetische“ Entwicklung gelungen sei, siehe bspw. Solter, D. in Bahnsen, U. (2004). Jedenfalls macht das Experiment die Bedeutung des genetischen Imprintings für die Embryonalentwicklung sehr deutlich. Deshalb schließen Loebel,
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1. Teil: Die Grundlagen
V. Das Experiment von Stojkovic et al. Die Forschergruppe um Stojkovic veröffentlichte einen Artikel, nach dem sie menschliche Embryonen aus Körperzellen klonte. Stojkovic nutzte fünf bis sieben Tage alte Embryonen, aus deren innerer Zellmasse er humane embryonale Stammzellen gewann. 41 VI. Exkurs: Der Skandal um die Experimente von Hwang et al. und das Experiment von French et al. Hwang veröffentlichte 2004 einen Artikel, in dem er vorgab, menschliche Embryonen aus Körperzellen geklont zu haben. 42 Er beschrieb, die Zellkerne von Kumulus-Zellen 43 verwendet zu haben. Darüber hinaus veröffentlichte er im Jahr 2005, dass es ihm als Erstem gelungen sei, maßgeschneiderte embryonale Stammzellen für schwerkranke Patienten hergestellt zu haben. 44 Gegen Ende des Jahres 2005 stellte sich jedoch zunächst heraus, dass Hwang die Eizellen entgegen seiner Beteuerung von Mitarbeiterinnen des Labors erworben hatte. 45 Im Anschluss wurde publik, dass er keine der elf Stammzelllinien auf dem beschriebenen Wege hergestellt, sondern durch Entnahme aus ganz normal D. und Tam, P. in ihrem begleitenden Kommentar mit der durchaus beruhigenden Bemerkung, dass Väter vorerst durchaus für die Fortpflanzung nötig blieben, Loebel, D. / Tam, P. (2004), p. 809. Diese „natürliche“ Barriere gegen parthenogenetische Entwicklungen lässt sich jedoch jedenfalls umgehen, wenn auch unter hohem technischen Aufwand und mit einigen „Tricks“. Auch Wininger, D. et al. (2003) beschreiben, dass es ihnen gelungen sei, durch elektrische und chemische Impulse unbefruchtete Eizellen parthenogenetisch heranwachsen zu lassen. 41 Stojkovic, M. et al. (2004). 42 Hwang, WS. et al. (2004). 43 Dies sind Zellen aus dem Gewebe des Uterus. 44 Hierbei soll das Forschungsteam 185 Eizellen junger Spenderinnen entkernt und sie mit je einer Hautzelle von elf Patienten zwischen zwei und 56 Jahren verschmolzen haben, die unter unheilbaren Krankheiten litten. Bedeutend an diesem Experiment schien zum einen die dramatische Verbesserung der Klonierungstechnik. Die Quote von eingesetzten Eizellen zu resultierender Stammzelllinie betrug nur noch 17 zu1. Bei dem Experiment, aus dem Jahr 2004, hatte das Forscherteam noch 242 Eizellen einsetzen müssen, um am Ende eine Stammzelllinie zu erhalten. Zum anderen schien gezeigt zu sein, dass auch Zellen von Patienten mit schweren Krankheiten für das Klonen taugen. Damit wäre eine entscheidende Hürde auf dem Weg zum therapeutischen Klonen übersprungen. Man erhofft sich durch jene Stammzellen, die dasselbe Erbgut wie die Patienten aufweisen, bei der Therapie Abwehrreaktionen des Körpers verhindern zu können, was wiederum die Heilungschancen erheblich verbessere, zum Ganzen siehe Hwang, WS. et al. (2005). 45 Das Bekanntwerden dieses Vorgehens veranlasste die Mitautoren Schatten, G. und Roh, SI. die Arbeit mit Hwang, WS. aufzukündigen und die so bewirkte Eizellgewinnung publik zu machen.
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befruchteten Eizellen gewonnen hatte. Die renommierte Fachzeitschrift „Science“ hat die Veröffentlichungen von Hwang et al. danach zurückgenommen. French et al. gelang es nunmehr tatsächlich, aus einer ausgereiften Hautzelle menschliche Embryonen zu klonen, indem sie die Methode des Kerntransfers anwendeten. Die so entstandenen Embryonen ließen sie nur sechs Tage wachsen, um anderen Labors die Möglichkeit zu geben, die Validität der Arbeit zu überprüfen. Den Nachweis, dass sich aus den Embryonen Stammzellen gewinnen lassen, hat die Gruppe jedoch noch nicht erbracht. 46 VII. Die In-vitro-Maturation (IVM) von Eizellen Die Methode der In-vitro-Maturation (IVM) 47 führte erstmals am 14. Dezember 2005 zur Geburt eines mit diesem Verfahren gezeugten Kindes in Deutschland. Bei der IVM werden Eizellen im natürlichen Zyklus nach kurzer und niedrig dosierter Hormongabe im noch unreifen Stadium gewonnen und über wenige Stunden außerhalb des Körpers gereift, während bei der konventionellen In-vitro-Fertilisation das Heranreifen von Eizellen im Körper der Frau durch eine hoch dosierte, oft nebenwirkungsreiche und kostenintensive Hormongabe stimuliert wird. 48 Die Kosten der IVM liegen ca. 50 Prozent unter dem bisherigen Kostenansatz für eine herkömmliche IVF-Behandlung (etwa 3.000 Euro). Die IVM ist für jüngere Frauen bis 37 Jahre geeignet. Die Befruchtung und Rückübertragung von Embryonen laufen bei der IVM nach dem gleichen Prinzip wie bei der herkömmlichen IVF ab. 49
D. Assistierte Reproduktion Methoden der assistierten Reproduktion lassen sich in Maßnahmen in vitro und Maßnahmen in vivo unterteilen. Sie finden Anwendung, wenn ein Paar durch Geschlechtsverkehr und die oben geschilderte normalerweise folgende Entwicklung ein Kind nicht bekommen kann. Solche Paare werden als infertil oder steril bezeichnet. I. Sterilität Unter Sterilität im medizinischen Sinne versteht man die mangelnde Gametenvereinigung und damit Empfängnisunfähigkeit. Die World Health Organisation 46 47 48 49
French et al. (2008). Exkorporale Reifung von Eizellen. Zum Ganzen siehe unten. Zum Ganzen siehe www.dggg.de.
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(WHO) nimmt Sterilität an, wenn „innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren, bei regelmäßigem, ungeschützten Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eingetreten ist“. 50 Nach der wohl vorherrschenden Definition unter Reproduktionsmedizinern geht man dagegen davon aus, dass Infertilität bereits vorliegt, wenn nach zwölfmonatigem regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr eine Empfängnis nicht eintritt. 51 Gegen die zweite Definition wird eingewendet, dass nach neuen Untersuchungen etwa 50% der Paare im zweiten Jahr auf natürliche Weise schwanger würden. 52 Sie sei folglich dem Verdacht ausgesetzt, von Reproduktionsmedizinern vertreten zu werden, um eine größere Anwendung von reproduktionstechnologischen Methoden zu erreichen. 53 Nach Schätzungen aus den 1980er Jahren nahm man an, dass etwa zehn bis fünfzehn Prozent aller verheirateten Paare in der westlichen Welt nicht in der Lage seien, eigene Kinder zu bekommen. 54 Der WHO-Report aus dem Jahr 2002 geht davon aus, dass zwischen 13% und 24% aller Paare ungewollt kinderlos blieben. 55 Die Kinderlosigkeit könne temporär auftreten, aber auch dauerhaft manifest werden. 56 Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) rechnet in Deutschland mit 1,2 bis 1,6 Millionen Paaren, die Hilfe von Reproduktionsmedizinern in Anspruch nehmen müssten, um ein Kind bekommen zu können. 57 Diesen Schätzungen zufolge hätte sich die Anzahl ungewollt kinderloser Paare in den Jahren von 1960 bis 1990 verdreifacht. Als Hintergrund dieser Entwicklung vermutete man, dass sich Geschlechtskrankheiten im Zeitalter sexueller Freizügigkeit schneller verbreiteten. Problemfaktoren seien der leichtere Zugang zu Drogen ebenso wie die zunehmende Umweltverschmutzung. Daneben habe sich die Lebensplanung vieler Frauen verändert. Ausbildung und Karriere hätten einen höheren Stellenwert gewonnen. Kinderwünsche würden deshalb in ein Alter verschoben, in dem die natürliche Fortpflanzungsfähigkeit nachlasse. 58 Zu den obigen Schätzungen im Widerspruch steht das Ergebnis der bis dato einzigen Studie in diesem Bereich in Deutschland. 59 Nach ihr seien nur etwa drei Prozent der Bevölkerung tatsächlich steril. 60 Die Zahl derer, die ungewollt 50
WHO (2002). Macpherson, G. (1995), p. 252. 52 Te Velde et al. (2000), pp. 1928 – 1929. 53 Faludi, S. (1992), p. 47. 54 Coester-Waltjen, D. (1986), Fn 11. 55 WHO / Dill, S. (2002), p. 255. 56 Jackson, L. (2001), p. 162. 57 Verlautbarung auf der Tagung „Kinderwunsch in der Krise“ der DGGG in Berlin am 28. 6. 2005. 58 Yoon, M. (1990), pp. 525, 526; Honig, RA. (1989), pp. 9, 10. 51
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kinderlos blieben, werde stark überschätzt. Die Befragten nahmen nämlich selbst an, dass 20 % der Bevölkerung steril sei. 61 Diese Gegenüberstellung zeigt ein typisches Dilemma bei der Diskussion um die Vor- und Nachteile moderner Reproduktionstechnologien. Die Datenlage ist häufig (noch) nicht ausreichend, da die empirischen Begleitung der wissenschaftlicher Neuerungen zwangsläufig mit einem gewissen Zeitverzug erfolgt. II. Die (heterologe) Eizellspende – eine Methode der modernen Reproduktionsmedizin Die modernen Reproduktionstechnologien versprechen, einige der Fertilitätsprobleme zu lösen. Als sogenannte assistierte Reproduktionstechnologien (ART) werden alle ärztlichen Behandlungen bezeichnet, welche die chirurgische Gewinnung von Eizellen aus den Ovarien der Frau und ihre anschließende Befruchtung mit männlichen Spermien einschließen. 62 Bei bestimmten Formen von Infertilität können Maßnahmen in vivo unternommen werden. Die weiblichen und männlichen Gameten werden in den Eileiter gebracht, wo dann die Befruchtung stattfindet. Dies kann intra-vaginal, intrauterin, intra-tubal oder intra-follikular geschehen. Bei den Behandlungsmaßnahmen in vivo ist der Grad der Natürlichkeit relativ hoch; es wird im Rahmen der „natürlichen Gegebenheiten“ assistiert. Eine zweite Gruppe von Maßnahmen lässt sich unter dem Begriff der In-vitroBehandlung zusammenfassen, da ihr Kern die In-vitro-Fertilisation (IVF) ist. Der Begriff bezeichnet die Zusammenführung von Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers, nicht notwendiger- doch praktischerweise in einem Reagenzglas, wo der Befruchtungsvorgang und die ersten Zellteilungen stattfinden. Die IVF ist ein weltweit anerkanntes und praktiziertes Verfahren. 63 Es besteht auch weitgehend Konsens über die Zulässigkeit der Anwendung von assistierten Reproduktionstech59 In der Studie, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut USUMA (Berlin) im Auftrag der Universität Leipzig als Teil des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbundes „Einstellungen und Wissen zu kontroversen medizinischen Fragen der Reproduktionsmedizin und Präimplantationsdiagnostik“ durchführte, befragte man 416 Ost- und 1.694 Westdeutsche im Alter von 18 bis 50 Jahren. Die Stichprobe bestand aus 929 Männern und 1.181 Frauen. 60 Brähler, E. / Stöbel-Richter, Y. (2004), S. 4. Hierbei sind ein Prozent primär steril, d. h. sie haben noch kein eigenes Kind und werden auch keines bekommen können. Zwei Prozent sind sekundär steril, was bedeutet, dass sie zumindest schon ein Kind haben, jedoch keine weiteren bekommen können. 61 Brähler, E. / Stöbel-Richter, Y. (2004), S. 3 und 6. 62 EK REM (2002), S. 29 ff. und Diedrich, K. / Ludwig, M. (2001), S. 33. 63 McGleenan, T. (2000), p. 24 und Felberbaum, RE. / Küpker, W. / Diedrich, D. (2004), A. 95.
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nologien in homologen Verhältnissen. Solche liegen vor, wenn sowohl der Mann als auch die Frau genetisch Vater bzw. Mutter des Kindes sind. Ethisch und rechtlich umstritten ist die Anwendung der modernen Reproduktionstechniken jedoch dann, wenn heterologe Beziehungen zugrunde liegen. 64 Im Falle des vollständig unfruchtbaren Mannes bedarf es der Samenspende eines Dritten (sog. heterologe Insemination). Ist die Frau von Unfruchtbarkeit betroffen, kommen die Verfahren der heterologen Eizellspende, der Embryospende und der Leihmutterschaft in Betracht. Im Folgenden werden die medizinischen Aspekte der (heterologen) Eizellspende dargestellt. Dies beinhaltet die Beschreibung der Indikationen und des medizinisch-technischen Ablaufs des Verfahrens, sowie der Erfolgsraten und Komplikationen. 1. Mögliche Indikationen zur heterologen Eizellspende 65 Die heterologe Eizellspende ist in Deutschland ohne Ausnahme verboten. Man diskutiert jedoch verschiedene medizinische Befunde, bei denen die heterologe Eizellspende zuzulassen sein könnte. Dabei lehnt sich die Diskussion an die akzeptierten Indikationen in den Ländern der Welt an, in denen die heterologe Eizellspende (unter Einschränkungen) zulässig ist. a) Vorzeitige Menopause Die vorzeitige Menopause 66 wird als die klassische Indikation für die Eizellspende angesehen. 67 Der Begriff meint eine primäre Ovarialinsuffizienz, die vor dem natürlichen Menopausenalter eintritt. Da eine einheitliche Definition nicht existiert, wann die Menopause natürlicherweise einsetzt, herrscht entsprechende Ungewissheit über die anzusetzende Altersgrenze bei der vorzeitigen Menopause. Überwiegend wird sie bei 40 Jahren gesehen. 68 Die meisten Fälle vorzeitiger Menopause haben selten eine eindeutige Ursache; neben Stoffwechseldefekten und 64 Exemplarisch hierfür ist das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz und die diesbezügliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1999, siehe hierzu die Darstellung bei Bernat, E. (2000). 65 Ausführliche Darstellung bei Nieschlag, E. (2001), S. 112; Berg, G. (2001), S. 143 und Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 6 ff. 66 Andere Bezeichnungen für die vorzeitige Menopause sind Klimakterium Präcox oder Premature Ovarian Failure (POF). 67 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 6. 68 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 6. Hingewiesen sei nochmals auf die Ergebnisse von Johnson, J. / Canning, J. et al. (2004), pp. 145: Entgegen der bisherigen Annahme, nach der die Anzahl der Eizellen kontinuierlich im Laufe des Lebens abnähme, legt diese Untersuchungen den Schluss nahe, dass Eizellen sich zu einem gewissen Grad
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Autoimmunerkrankungen können auch genetische Komponenten eine Rolle spielen. 69 In einigen Fällen müssen Frauen aufgrund gynäkologischer Erkrankungen die Ovarien entfernt werden. 70 Auch Bestrahlungen oder Chemotherapien können die Eierstöcke funktionsuntüchtig machen. 71 Die heterologe Eizellspende und der Embryotransfer eröffnen diesen Frauen die Möglichkeit, ein Kind zu gebären. b) Fehlanlage der Ovarien Das sog. Turner-Syndrom bewirkt eine Fehlanlage der Ovarien. Hier sind die Gonaden nur als bindegewebige Stränge angelegt, wodurch es zum Hormonmangel kommt. Phänotypisch treten häufig Kleinwuchs und Faltenhals sowie Fehlbildungen am Herz- und Gefäßsystem auf. Die Häufigkeit des Turner-Syndroms liegt bei ca. 1 : 2.000 –3.000 Fällen je weiblichem Neugeborenen. 72 Beim Swyer-Syndrom und dem Triple-X-Syndrom treten ebenfalls Störungen mit Gonadendysgenesie auf, die eine Eizellspende indizieren. c) Genetische Gründe Die Frau kann auf die Verwendung eigener Eizellen verzichten wollen, weil sie Trägerin einer x-chromosomal vererblichen Erkrankung ist. In Betracht kommt hierbei bspw. die Muskeldystrophie Duchenne. Bei dieser Erkrankung degenerieren die Muskelzellen, was zunehmende Bewegungsstörungen und den Tod meist vor dem 25. Lebensjahr zur Folge hat. Ebenso wie die ebenfalls in Betracht kommende Hämophilie (Bluterkrankheit) liegt das Risiko der Erkrankung für die betroffenen Jungen bei 50%. Sind Mann und Frau Träger einer Erkrankung, können auch autosomal-rezessive vererbliche Krankheiten wie die Mukovizidose 73 den Verzicht auf die Verwendung eigener Eizellen nahe legen.
fortlaufend aus Stammzellen bilden. Damit könnte die Zahl der Stammzellen für die Frage der Fruchtbarkeit eine erheblich größere Rolle spielen als bisher gedacht und einen Therapieansatzpunkt bilden. Zudem gibt es neue Ansätze mit denen „das Ticken der biologischen Uhr“ genauer bestimmt werden kann. Damit kann Frauen unter Umständen genauer vorhergesagt werden, wann sie ihr reproduktives Vermögen verlieren. 69 Sog. idiopathische Genese, siehe Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 6 m. w. N. 70 Siehe den Fall der Natallie Evans in Grossbritannien, Natallie Evans and Amicus Healthcare Ltd & Others [2004] EWCA (Civ) 727 (Entscheidung des Supreme Court of Judicature, Court of Appeal (Civil Division) vom 25. 6. 2004). 71 Sog. iatrogene Genese. 72 Nachweise bei Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 7. 73 Erkrankung durch die zähflüssiger Schleim in der Lunge gebildet wird, der schließlich die Atmung verunmöglicht.
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d) Weitere Indikationen Diskutiert wird der Wunsch von Frauen, die mehrere fehlgeschlagenen IVFBehandlungen mit eigenen Eizellen absolviert haben, nunmehr fremde Eizellen einzusetzen, in der Hoffnung, dadurch die Schwangerschaft herbeizuführen. Insbesondere bei älteren Frauen verspreche die Eizellspende als primäre Reproduktionsmaßnahme höhere Erfolgsraten als andere Methoden der ART. Deshalb verleiteten auch Kostengesichtspunkte zur Durchführung der Eizellspende. 74 Einige Krankheitsbilder wie habituelle Aborte 75, das Empty Follicle Syndrom (EFS) 76, schlechtes Ansprechen auf hormonelle Stimulation sowie die ungeklärte Sterilität ohne organischen Befund indizierten ebenfalls die Eizellspende. 77 2. Der Ablauf und die Gefahren für die Spenderin Mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland ist die (heterologe) Eizellspende für die Spenderin im Wesentlichen durch die folgenden Schritte und Gefahren gekennzeichnet: 78 a) Die Auswahl der Spenderin Bei der Auswahl potentieller Spenderinnen wird die komplette Anamnese erhoben und eine körperliche Untersuchung durchgeführt, bei der das Augenmerk vor allem auf der Entdeckung infektiöser Erkrankungen liegt. Üblicherweise werden in einem ausführlichen Gespräch der Sinn, die Risiken und Erfolgschancen der Behandlung sowie ihr Ablauf besprochen. In der Praxis werden jüngere Frauen als Spenderinnen bevorzugt. Es wird daher kritisiert, dass in der Auswahl der Spenderinnen eine Selektion liege, die eugenische Tendenzen aufweise. Diese Gefahr erhöhe sich in dem Maße, in dem die Empfängerin in den Auswahlprozess eingebunden werde. 79
74
Legro, RS. et al. (1997), pp. 76. Wiederholte Fehlgeburten. 76 Trotz ausreichender Stimulation können bei der Punktion keine Eizellen gewonnen werden. 77 Nachweise bei Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 8. 78 Ausführliche Darstellung auch bei: EK REM (2002), S. 31 ff.; Beier, HM. (2001), S. 52 f.; Diedrich, K. / Ludwig, M. (2001), S. 34 f.; O’Rahilly, R. / Müller, F. (2001), p. 34; Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 10 ff. 79 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 11. 75
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
41
b) Die hormonelle Stimulation Da in einem Zyklus der Frau regelmäßig nur eine Eizelle heranreift, wird die Frau nach den bisherigen medizinischen Verfahren zunächst mit dem Ziel der Reifung mehrerer Eizellen hormonell stimuliert. Zwischen dem 18. und 22. Tag des Zyklus erfolgt die Gabe eines Medikaments zur „Downregulation“ der Eierstöcke. Etwa zwei Wochen nach Gabe des Medikaments, das die Funktion der Hirnanhangdrüse „ausschaltet“ und damit die Hormonproduktion unterdrückt, wird mit der eigentlichen hormonellen Stimulation der Eierstöcke begonnen. Verwendet wird hierzu meist ein Gonadotropin (hMG oder FSH). Die Dosis der täglichen Spritzen wird dabei in der Regel so gewählt, dass zwischen 5 und 20 Follikel an den Eierstöcken entstehen. aa) Das Risiko eigener Schwangerschaft der Spenderin Für die Spenderinnen besteht ein gewisses Risiko, ungewollt schwanger zu werden. Es muss deshalb besonders sorgfältig verhütet werden, ggf. durch kumulative Anwendung von Verhütungsmethoden. bb) Das Hyperstimulationssyndrom Die entscheidende Nebenwirkung der Behandlung liegt in der Gefahr des sogenannten Hyperstimulationssyndroms. Leichte Verläufe kennzeichnen sich durch Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und vergrößerte Ovarien. Mittelschwere Fälle weisen Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle auf. Als schwere Verläufe werden Fälle bezeichnet, bei denen neben den genannten Symptomen Flüssigkeitsansammlungen im Brustkorb und damit Atembeschwerden auftreten sowie eine Einschränkung der Nierenfunktion zu verzeichnen ist. Das schwere Hyperstimulationssyndrom ist (aufgrund der Einschränkung der Atmung und der Gefahr des Nierenversagens) potentiell tödlich und muss stationär behandelt werden. Insgesamt sehr selten, jedoch häufig mit dem schweren Hyperstimulationssyndrom verbunden, sind Fälle vom Thromboembolien. 80 Das DIR verzeichnet für das Jahr 2003 488 Fälle des schweren Hyperstimulationssyndroms bei 74.300 Hormonstimulationen; dies entspricht 0,65%. 81 Der WHO-Report 2001 spricht von einer Inzidenz von geschätzten 0,2 –1,0% mit einer Mortalitätsrate von 1 : 45.000 –50.000. 82
80 81 82
Blutgerinsel, die in andere Organe wandern und dort die Durchblutung einschränken. DIR (2003), S. 24. WHO / Hugues, JN. (2002), p. 114.
42
1. Teil: Die Grundlagen
Die neue Methode der In-vitro-Maturation (IVM) vermeidet die hoch dosierte Hormongabe, weil bei ihr die Eizellen im natürlichen Zyklus nach kurzer und niedrig dosierter Hormongabe im noch unreifen Stadium gewonnen werden. 83 cc) Die kanzerogene Wirkung Schließlich wird in der medizinischen Literatur diskutiert, ob die Hormonstimulation eine kanzerogene Wirkung hat. Während die Ergebnisse einiger Studien einen solchen Zusammenhang mit Bezug zu Ovarialkarzinomen vermuten lassen, bestätigen andere Studien den kanzerogen Effekt nicht. Die valide Bewertung fällt jedoch insbesondere deshalb schwer, weil die Kinderlosigkeit selbst ein anerkannter Risikofaktor für die Bildung eines Ovarialkarzinoms ist 84 und die Spenderinnen häufig in dem Alter des größten Krebsrisikos sind. Teilweise geäußerte Vermutungen auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko sind dagegen widerlegt. 85 c) Die Gewinnung der Eizellen Ist eine ausreichende Menge an Eizellen herangereift, werden sie mittels Gabe des Hormons hCG auf ihre Entnahme vorbereitet. Es löst ca. 36 Stunden nach Verabreichung den Eisprung aus. Damit sind die Eizellen befruchtungsfähig. Sie werden anschließend durch chirurgischen Eingriff (früher durch laparoskopische, heute meist durch transvaginale Follikelpunktion) 86 gewonnen. Die Operation erfolgt entweder unter Vollnarkose, Lokalanästhesie, Epiduralanästhesie oder (bei der homologen Eizellspende) Gabe eines Sedativums. Die Komplikationsrate bei der Follikelpunktion ist gering. Dem DIR wurden für das Jahr 2003 534 Komplikationen bei 77.221 registrierten Follikelpunktionen gemeldet. Dies entspricht 0,69 %. Bei den Komplikationen handelte es sich ganz überwiegend, nämlich in 436 Fällen (81,65%), um vaginale Blutungen. Intraabdomale Blutungen traten 27 mal auf (5,06%). In nur zwölf Fällen war bei Auftreten einer Komplikation eine stationäre Behandlung nötig (2,25%). Einer operativen Nachversorgung bedurfte es in keinem Fall. 87
83 84 85 86 87
Siehe oben. WHO / Hugues, JN. (2002), p. 115. WHO / Hugues, JN. (2002), p. 115. Felberbaum, RE. / Küpker, W. / Diedrich, D. (2004), A 95. DIR (2003), S. 24.
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
43
3. Der Ablauf und die Gefahren für die Empfängerin Die Darstellung des Ablaufs und der Gefahren für die Empfängerin der Eizelle speist sich wegen des in Deutschland bestehenden Verbots zwangsläufig allein aus den Erfahrungen mit der heterologen Eizellspende im Ausland. a) Die Voruntersuchung des infertilen Paares Genau wie die Spenderinnen werden auch die Empfängerinnen der Eizellen zunächst ausführlich untersucht. Insbesondere erfolgt dies im Rahmen der Indikationsstellung. Beim Partner der Eizellempfängerin wird die Spermienqualität untersucht. b) Die Zyklussynchronisation Natürlicherweise erfolgt die Differenzierung der Gebärmutterschleimhaut parallel zur Reifung des Embryos im Eileiter. Deshalb muss der Zyklus der Empfängerin mit dem der Spenderin synchronisiert werden. Da der Embryo in Deutschland regelmäßig im Blastomerenstadium zwei Tage nach der Punktion der Eizelle transferiert wird, entspricht dies dem 16. – 19. Zyklustag der Empfängerin. Die Abweichung darf maximal zwei Tage betragen. Das Erfordernis der Zyklussynchronisation entfällt, wenn die Eizellen oder Embryonen zunächst kryokonserviert werden. Allerdings ist die Schwangerschaftsrate bei kryokonservierten Eizellen wesentlich niedriger. 88 c) Die Reifung und der Transfer Zwei bis vier Stunden nach der Gewinnung der Eizellen und etwa eine Stunde nach der der Spermien werden im Labor eine Eizelle und ca. 100.000 Spermien in eine Nährflüssigkeit verbracht und zwei Tage in einem Brutschrank bei Körpertemperatur inkubiert. Die in dieser Zeit erfolgende Befruchtung unterscheidet sich nicht von einer „normalen“ Fertilisation wie sie in vivo stattfinden würde. Nachdem die Embryonen zwei Tage kultiviert wurden, werden alle – wegen der sogenannten Dreier-Regel gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 ESchG gleichzeitig jedoch maximal drei 89 – Embryonen direkt in die Gebärmutter 90 eingebracht. 91
88 Das DIR weist für 2003 eine klinische Schwangerschaftsrate von 16,43% beim Transfer kryokonservierter Embryonen aus. Die klinische Schwangerschaftsrate bei der IVF liegt bei 28,43 %, bei der ICSI bei 27,70 %. 89 Zum Problem der sog. „Dreier-Regel“ siehe unten. 90 Der Transfer in den Eileiter hat sich nicht als vorzugswürdig erwiesen.
44
1. Teil: Die Grundlagen
4. Die Erfolgsraten und das Problem von Mehrlingsschwangerschaften Die nachfolgende Darstellung ist nur ein Überblick, weil die unterschiedlich gewählten Bewertungsmaßstäbe in den bestehenden Statistiken einen genauen Vergleich verunmöglichen. Die Evaluation der ausländischen Erfolgsraten von Eizellspenden ist nämlich deshalb schwierig, weil die Veröffentlichungen unterschiedliche Bezugsgrößen aufweisen. So wird teilweise die Schwangerschaftsrate oder die (stets niedrigere) Zahl der Lebendgeburten (sog. baby-take-home-rate) zum Indikator erhoben. Selbst die Schwangerschaftsrate als Bezuggröße wird wieder hinsichtlich des hormonellen Nachweises oder der tatsächlichen Einnistung differenziert. Dies wird wiederum in Bezug zum Behandlungszyklus beginnend mit der hormonellen Stimulation (niedrigster Prozentwert), zur Punktion oder zum Embryonentransfer (höchster Prozentwert) gesetzt. a) Die Erfolgsraten der heterologen Eizellspende im Ausland Neben den Daten von vielen einzelnen Gruppen 92 führen die American Society for Reproductive Medicine (ASRM) in Verbindung mit der Society for Assisted Reproductive Technology (SART) und die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) umfängliche Register. Die SART gibt für das Jahr 2001 eine Geburtsrate von 47% pro Embryonentransfer an. 93 Die HFEA setzt die Geburtenrate in Beziehung zum Behandlungszyklus und weist für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 31. März 2001 eine „babytake-home-rate“ von 23,6% aus. 94 Auffällig ist, dass die Erfolgsraten bei kryokonservierten Embryonen deutlich schlechter ausfallen. So liegt gemäß der Statistik der SART die Geburtenrate pro Embryonentransfer bei Verwendung eingefrorener Embryonen bei nur 27,3%. 95 Die HFEA gibt – nicht explizit bezogen auf Eizellspenden, sondern auf alle Methoden der ART – eine Quote von 14,7% je Behandlung an. 96 Die Anzahl von Mehrlingsgeburten für alle Methoden der ART wird von der SART für das Jahr 2001 mit 41,7%, 97 von der HFEA für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 31. März 2001 mit 26,8 % angegeben. 98 91 Das Verfahren der Eizellspende ist also regelmäßig mit einem Embryonentransfer verbunden. Deshalb ist, wenn im folgenden von der Eizellspende die Rede ist, der Embryonentransfer nach der In-vitro-Befruchtung mit umfasst. 92 Das Gutachten von Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 19 stellt einige Ergebnisse vor. 93 SART (2002). 94 HFEA (2002), S. 9. 95 SART (2002). 96 HFEA (2002), S. 9. 97 SART (2002).
1. Kap.: Biologisch-medizinische Grundlagen
45
Frühere Publikationen sahen keine Korrelation zwischen dem Alter der Eizellempfängerin und der Implantations- und Schwangerschaftsrate. 99 Die Zahlen des Deutschen In-vitro-Fertilisations Registers (DIR) machen jedoch deutlich, dass ab dem 36. Lebensjahr die klinische Schwangerschaftsrate bei allen ART deutlich abnimmt. 100 Ab dem 40. Lebensjahr sinkt die Rate sogar drastisch. 101 Das Alter der Empfängerin scheint mithin maßgeblich für den Behandlungserfolg zu sein. Nicht abschließend geklärt ist, ob das Alter der Eizellspenderin eine Rolle spielt. Einige Untersuchungen ergaben, dass die Erfolgsrate der Eizellspende mit dem Alter der Spenderin ebenfalls abnimmt. 102 b) Die Erfolgsraten der in Deutschland zulässigen ART In Deutschland wurden 2003 insgesamt 63.111 Frauen behandelt und 714.208 Eizellen in 75.930 Zyklen gewonnen (9,41 Eizellen pro Zyklus). Die Fertilisationsrate dieser Eizellen betrug bei der IVF 50,38% und bei der ICSI 60,83%. Die klinische Schwangerschaftsrate war bei der IVF 28,43% und bei der ICSI 27,70%. 103 Für das Jahr 2002 lag die sog. „baby-take-home-rate“ für die IVF bei 17,12% und für die ICSI bei 19,27%. Bei kryokonservierten imprägnierten Eizellen im Vorkernstadium liegt die „baby-take-home-rate“ nur bei 10,31 %. 104 c) Das Problem von Mehrlingsschwangerschaften Die allgemeine Häufigkeit von multiplen Schwangerschaften hat in den letzten 20 Jahren signifikant zugenommen. Dies führt man auf die modernen Reproduktionstechniken zurück, insbesondere auf die Tatsache, dass meist mehrere Embryonen implantiert werden. In Deutschland werden durchschnittlich 2,18 Embryonen pro Zyklus implantiert. In 75,84% der Geburtsfälle entstehen Einlinge. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 24,16% der Fälle Mehrlingsschwangerschaften sind, wobei der überwiegende Anteil auf Zwillingsschwangerschaften entfällt. 105 Die natürliche Inzidenz für Mehrlingsschwangerschaften liegt bei nur 98
HFEA (2002), S. 9. Abdalla, HI. et al. (1997), pp. 827 – 829. 100 Da in Deutschland die heterologe Eizellspende verboten ist, bezieht sich das DIR auf die zulässigen ART. 101 Die klinische Schwangerschaftsrate bei Frauen zwischen dem 31. – 35. Lebensjahr liegt bei der IVF bei 30,56% und bei der ICSI bei 29,45%. Bei der Gruppe der 35 – 39jährigen liegt sie bei 24,63% bzw. 22,61%. Ab dem 40. Lebensjahr beträgt sie nur noch 12,17% bzw. 11,57 %. 102 Cohen, MA. et al. (1999), pp. 2755 – 2758. 103 DIR (2003), S. 9 und 11. 104 DIR (2003), S. 13. 105 DIR (2003), S. 9. 99
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1. Teil: Die Grundlagen
1,19%. 106 Weltweit sind sogar etwa 45% aller lebendgeborenen Kinder, die mit Methoden der ART gezeugt wurden, Mehrlinge. 107 Mehrlingsschwangerschaften sind für den mütterlichen Organismus ein pathologischer Zustand. Bei etwa der Hälfte dieser Schwangerschaften werden einer oder mehrere der Embryonen im ersten Schwangerschaftstrimester resorbiert. Trotzdem beträgt die „misscarriage-rate“ bei Zwillingen ca. 30 %, bei Drillingen ca. 42%. Das Frühgeburtsrisiko liegt bei Zwillingsschwangerschaften zwischen 41 – 50%, bei Drillingen bei ca. 92%, dementsprechend hoch ist auch die Rate von operativen Geburten. 108 Die Häufigkeit perinatalen Todes ist doppelt so hoch wie bei Einlingsschwangerschaften, allerdings nicht höher als bei „normalen“ Zwillingsschwangerschaften. 109 Einlinge werden nach Einsatz artifizieller Reproduktionstechnik in Deutschland im statistischen Mittel in der 39. Schwangerschaftswoche (SSW) mit einem durchschnittlichen Geburtsgewicht (GGW) von 3.320 Gramm geboren. Zwillinge kommen dagegen im Schnitt bereits in der 36. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 2.450 Gramm, Drillinge sogar schon in der 33. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 1.735 Gramm zur Welt. 110 Besonders dramatische Folge der Übertragung von mehreren Embryonen mit der Konsequenz einer Mehrlingsschwangerschaft ist, dass manchmal ein oder mehrere Feten getötet werden müssen, um wenigstens einem Fötus das Überleben zu sichern (sog. intrauteriner Fetozid). 111
2. Kapitel
Die rechtliche Ausgangslage Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verbietet die heterologe Eizellspende ohne Ausnahme. Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) regelt zwar nicht die heterologe Eizellspende, weil sie aufgrund des Verbots im Embryonenschutzgesetz nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst ist. Es 106 Hepp, H. (1996), S. 678 ff. Das DIR weist für den Fall der Übertragung eines Embryos eine Zwillingsrate von ca. 1,5 % aus. Drillings- oder Vierlingsschwangerschaften traten nicht auf, DIR (2003), S. 14. Diese leicht höhere Zahl dürfte mit den noch nicht abschließend geklärten Einflüssen der hormonellen Stimulation zusammenhängen. 107 WHO / Finnstroem, O. (2002), p. 235. Die höhere Zahl erklärt sich daher, dass insbesondere in den USA eine Limitierung der Anzahl zu transferierender Embryonen nicht besteht und dort häufig vier oder mehr Embryonen übertragen werden. 108 WHO / Ozturk, O. / Templeton, A. (2002), pp. 221. 109 WHO / Finnstroem, O. (2002), p. 240. 110 DIR (2003), S. 23. 111 Nach Mitteilung der DGGG gibt es pro Jahr etwa 150 derartige Fälle in Deutschland.
2. Kap.: Die rechtliche Ausgangslage
47
reglementiert jedoch auf der leistungsrechtlichen Ebene Aspekte der Fortpflanzungsfreiheit und wirkt daher ebenfalls beschränkend. Beide Gesetze werden in diesem Kapitel vorgestellt.
A. Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) 112 Das Embryonenschutzgesetz trat am 1. Januar 1991 in Kraft. Es ist ein strafrechtliches Nebengesetz und wird durch die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (§§ 1 – 79 StGB) ergänzt. Schon deshalb, aber auch, weil man sich im Gesetzgebungsverfahren in vielen Punkten nicht einigen konnte, ist das Embryonenschutzgesetz in weiten Teilen fragmentarisch. 113 Mit der Regelung durch ein Strafgesetz setzte der Gesetzgeber seine schärfste Waffe ein. Dies war – neben aller ideologischen Motivation – der Tatsache geschuldet, dass dem Gesetzgeber bis 1994 die Kompetenz zur Regelung eines (umfassenderen) Fortpflanzungsmedizingesetzes fehlte, während ihm die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht gemäß Art. 74 Nr. 1 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG zustand. Seit der Verfassungsänderung im Jahr 1994 hat der Gesetzgeber gemäß Art. 74 Nr. 26 GG die Möglichkeit, ein Fortpflanzungsmedizingesetz zu erlassen. Er hat sie bisher nicht genutzt. I. Regelungsinhalt und wesentliche Ziele Das Embryonenschutzgesetz regelt − das Verbot missbräuchlicher Anwendung von Fortpflanzungstechniken – hierunter fällt das Verbot der heterologen Eizellspende (§ 1 ESchG) – , − den Schutz menschlicher Embryonen vor missbräuchlicher und fremdnütziger Verwendung (§ 2 ESchG), − das Verbot der vorgeburtlichen Geschlechtswahl (§ 3 ESchG), − den Schutz vor eigenmächtiger Befruchtung und Embryoübertragung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG), − das Verbot der künstlichen Befruchtung nach dem Tode (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG), − das Verbot des Gentransfers in Keimbahnzellen (§ 5 ESchG), − das Verbot des Klonens (§ 6 ESchG), − das Verbot der Chimären- und Hybridbildung (§ 7 ESchG), − den Arztvorbehalt (§§ 9 – 11 ESchG).
112
Gesetz zum Schutz von Embryonen – Embryonenschutzgesetz (ESchG), BGBl. I 1990, S. 2746. 113 Siehe auch Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B II, Rn 1 ff.
48
1. Teil: Die Grundlagen
Die wesentlichen gesetzgeberischen Ziele sind, 114 − − − −
Fälle gespaltener Mutterschaften zu unterbinden, In-vitro-Befruchtungen nur zum Zwecke der Fortpflanzung zuzulassen, das Entstehen überzähliger Embryonen zu verhindern, missbräuchliche und fremdnützige Experimente mit menschlichem Leben auszuschließen, − Eugenik zu verhindern, − das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Fortpflanzung zu gewährleisten. II. Das Verbot der heterologen Eizellspende im Embryonenschutzgesetz
Das Verbot der heterologen Eizellspende ist in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG normiert. 1. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt.“
Normzweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ist es, gespaltene Mutterschaften zu verhindern. 115 Präziser gefasst, behandelt § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG die Pönalisierung der Spaltung von genetischer und biologischer (plazentarer) Mutterschaft. Die Trennung von biologischer und sozialer Mutterschaft ist dagegen primär im Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) 116 geregelt. Allerdings sollen die Regelungen der § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG und § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG eine solche Trennung im Vorfeld, also schon bei der Eizellspende, verhindern. Begründet wird die Notwendigkeit der Verhinderung genetisch und biologisch gespaltener Mutterschaften damit, dass andernfalls zwei Frauen Anteil an der Entstehung des Kindes hätten und die mangelnde Eindeutigkeit der Mutter die Entwicklung des Kindes zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit gefährde. Außerdem könne der Fall auftreten, dass die biologische Mutter ein behindertes Kind zur Welt brächte, dafür die Spenderin verantwortlich machte und sich von 114 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 11/5460, S. 6; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 11/8057, S. 12 ff; Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), Vor § 1, I, Rn 4. 115 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 1 und 3 mit den Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren. 116 Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (AdVermiG) vom 27. 11. 1989, BGBl. I, S. 2014.
2. Kap.: Die rechtliche Ausgangslage
49
dem Kind lossagte. Andersherum könne die genetische Mutter eine Beziehung zu ihrem Kind wünschen und die Beziehung der gebärenden Mutter zu dem Kind gefährden. Schließlich sei es für die Eizellspenderin ein psychologisches Problem, wenn die künstliche Befruchtung bei der Empfängerin erfolgreich verlaufe und sie ein Kind nicht gebäre. 117 2. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG bestimmt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt.“
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG hat neben der Verhinderung gespaltener Mutterschaften den Zweck, künstliche Befruchtungen zu fremdnützigen Zwecken zu unterbinden. Dies meint alle Maßnahmen, die zu einem anderen Zweck als der Herbeiführung einer Schwangerschaft der Frau, von der die Eizelle stammt, durchgeführt werden. 118 Pönalisiert wird damit jede Maßnahme, die nicht auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichtet ist (bspw. die Befruchtung von Eizellen zu Forschungszwecken) sowie jede Maßnahme, die die Schwangerschaft einer anderen Frau bewirkt, als derjenigen, von der die Eizelle stammt. 119 3. Der Embryonentransfer Der sich an die Eizellspende anschließende Embryonentransfer ist nicht vom Embryonenschutzgesetz erfasst. Diese bewusste Strafbarkeitslücke erkläre sich aus der Überlegung, dass mit dem Verbot der heterologen Eizellspende schon die Handlung im Vorfeld pönalisiert werde und die Embryonenspende unter Umständen die einzige Möglichkeit sei, den doch entstandenen Embryo zu transplantieren und so dem Lebensschutzgebot Rechnung zu tragen. 120
117 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 11/5460, S. 7 f; Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 7. 118 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 2, Rn 1 f. 119 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 11/5460, S. 8. 120 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 11/5460, S. 8; Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 9 f. Es ist jedoch auch möglich, die befruchtete Eizelle in vivo reifen zu lassen, um sie anschließend aus dem Mutterleib auszuspülen. Diese Entnahme pönalisiert § 1 I Nr. 6 ESchG bis zum Zeitpunkt der Nidation, siehe hierzu Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 6, Rn 2 ff, 11.
50
1. Teil: Die Grundlagen
4. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG Schließlich bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen.“
§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG will in Verbindung mit den Vorschriften des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG) die Entstehung von Ersatzmutterschaften verhindern. Im Rahmen des Embryonenschutzgesetzes liegt der Tatvorwurf in der künstlichen Befruchtung (1. Tatbestandsvariante) und der Übertragung (2. Tatbestandsvariante), während das Adoptionsvermittlungsgesetz das Verbot der Vermittlung zum Inhalt hat. 121 III. Definition des Begriffs „Embryo“ und damit verbundene Schwierigkeiten Nach der gesetzgeberischen Definition existiert ein Embryo von dem Moment, in dem die Kerne der männlichen und weiblichen Keimzelle verschmolzen sind 122 und die so befruchtete menschliche Eizelle entwicklungsfähig ist, § 8 Abs. 1 1. HS ESchG. Die Entwicklungsfähigkeit der befruchteten Eizelle wird in den ersten 24 Stunden nach der Kernverschmelzung vermutet. Die Vermutung ist widerlegt, wenn schon innerhalb dieses Zeitraumes nachweisbar ist, dass sich die befruchtete Eizelle nicht über das Einzellstadium hinaus entwickeln kann und wird, § 8 Abs. 2 ESchG. Außerdem gilt auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag, als Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes, § 8 Abs. 1 2. HS ESchG. Die Norm will unter der Prämisse eines umfänglich verstandenen „Lebensschutzes“ neben dem aus der Verschmelzung der Gameten entstandenen Embryo („Embryo 1“) auch jede totipotente Zelle als Embryo („Embryo 2“) verstehen, die einem „Embryo 1“ entnommen wurde. Dass dies missglückt ist, stellte sich spätestens bei der Diskussion um das Stammzellgesetz (StZG) 123 heraus. Daher ist nach § 3 Nr. 4
121
Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 7, Rn 7 ff. Insoweit weitet das ESchG den Schutzbereich vorgeburtlichen menschlichen Lebens gegenüber den Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in den §§ 218 ff StGB, die auf den Zeitpunkt der Nidation abstellen, aus. 123 Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen vom 28. 6. 2002 (StZG), BGBl. I 2002, S. 2277. 122
2. Kap.: Die rechtliche Ausgangslage
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StZG ein „Embryo bereits jede menschliche totipotente Zelle . . . “, ohne dass die totipotente Zelle einem „Embryo 1“ entnommen worden sein muss. Problematisch ist auch das Erfordernis der Befruchtung. Die modernen Techniken in der Medizin erlauben es, Säugetiere 124 und nunmehr auch Menschen 125 mittels Klonen durch Zellkerntransfer 126 zu erschaffen. Der 14. Deutsche Bundestag und seine Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ äußerten sich dahingehend, dass wegen des Zieles des Gesetzes einen möglichst umfassenden Schutz vorgeburtlichen Lebens zu gewährleisten, das Erfordernis der Befruchtung zu vernachlässigen sei. 127 Dieses Verständnis ist jedoch nicht mit dem strafrechtlichen Analogieverbot zu vereinbaren und daher abzulehnen. 128 Das Erfordernis der Entwicklungsfähigkeit scheint ebenfalls der Erosion ausgesetzt zu sein, stehen doch die modernen Techniken in der Bio- und Gentechnologie kurz davor, in die Keimzellen einen Defekt einzubauen, der bewirkt, dass sich die befruchtete Eizelle nur bis zu einem bestimmten (rechtlich und ethisch unproblematischen?) Stadium entwickelt. Die Voraussetzung der Entwicklungsfähigkeit der Zygote liefert auch den Ansatzpunkt für die Meinung, dass der Single-EmbryoTransfer (SET) schon nach der jetzigen Fassung des Embryonenschutzgesetzes zulässig sei, weil die Mehrzahl der befruchteten Eizellen sich nicht in ein Blastozystenstadium und weiter entwickelt. 129 Schließlich ist der Begriff der Totipotenz und seine Bedeutung zunehmend umstritten. 130 IV. Exkurs: Das Problem der sog. Dreier-Regel Das Embryonenschutzgesetz normiert in § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 ESchG, 131 dass alle für die Behandlung erzeugten Embryonen übertragen werden müssen. Insgesamt dürfen dies jedoch nicht mehr als drei Embryonen sein. 132 Die Vor124
Siehe bspw. das Klonschaf „Dolly“. French, A. et al. (2008). 126 Hierbei wird der Kern einer Eizelle entfernt und der Kern einer anderen Zelle in die entkernte Eizelle transferiert. 127 Bericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ in „Zur Sache“ 2/2002, S. 55 ff. Siehe auch den Klonbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 13/ 11263, S. 13 ff. 128 NER (2004), S. 20 ff, auch Kluth, W. (2003), Renzikowski, J. (2003). 129 Frommel, M. (2004), S. 104 ff; siehe hierzu auch die Begründung des Gesetzesvorschlags der DGGG (2005), S. 8 zur Änderung des ESchG. 130 Siehe hierzu bspw. das Protokoll der Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ (EK ERM) des Deutschen Bundestags vom 8. 12. 2003. 131 § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG besagt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen.“ § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG normiert: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen.“ 125
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1. Teil: Die Grundlagen
schrift will einerseits verhindern, dass sog. überzählige Embryonen entstehen. Sie dient somit dem Schutz des Embryos. Andererseits hat sie auch den Schutz der Gesundheit der Frau und des Lebens der Embryonen im Blick, die durch Mehrlingsschwangerschaften gravierend beeinträchtigt werden. 133 Beiden Anliegen wird das Embryonenschutzgesetz durch seinen § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 nicht (mehr) gerecht. 134 1. Notwendige Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG Zwar erhöht der gleichzeitige Transfer von mehreren Embryonen die Schwangerschaftserwartung. Bemerkenswert ist jedoch, dass die besten Ergebnisse bei der Übertragung von zwei Embryonen erzielt werden. 135 Der Transfer von drei Embryonen zeigt für Frauen bis 35 Jahre geringfügig schlechtere klinische Schwangerschaftsraten; für Frauen über 35 Jahren geringfügig bessere. 136 Die Übertragung von drei Embryonen ist jedoch mit dem vielfach erhöhten Risiko 137 einer Mehrlingsschwangerschaft mit den oben genannten massiven Gesundheitsrisiken für die Frau und die Föten verbunden. Daher schreiben die Richtlinien der Bundesärztekammer zur IVF bereits seit 1998 vor, dass zumindest „bei Patientinnen unter 35 Jahren nur zwei Eizellen zu befruchten und zwei Embryonen zu transferieren“ sind. 138 Im Schnitt werden in Deutschland deshalb auch 2,17 Embryonen pro Zyklus transferiert. 139 Ob dies unter dem Einfluss des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) 140 dauerhaft so bleibt, ist zweifelhaft. Das Gesetz änderte § 27 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V dahingehend, dass die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung nur mehr für drei Fertilisationsbehandlungen 132
So das ganz herrschende Verständnis der Norm. Der gegenteiligen Auslegung durch Frommel, M. (2004) ist zu Recht nicht gefolgt worden. 133 Begründung zum Entwurf des Embryonenschutzgesetzes, BT-Drs. 11/5460, S. 9. 134 Neidert, R. (2005). 135 WHO / Ozturk, O. / Templeton, A. (2002), p. 230. 136 Bezüglich Frauen bis 35 Jahre: Die Übertragung eines Embryos zeigt eine klinische Schwangerschaftsrate von 15,41%. Werden zwei Embryonen übertragen, beträgt die klinische Schwangerschaftsrate 31,82%, bei drei Embryonen 31,27%. Bezüglich Frauen über 35 Jahre: Die Übertragung eines Embryos zeigt eine klinische Schwangerschaftsrate von 9,02%. Werden zwei Embryonen übertragen, beträgt die klinische Schwangerschaftsrate 23,25 %, bei drei Embryonen 24,39 %, siehe DIR (2003), S. 14. 137 Bei der Übertragung von drei Embryonen kommt es in ca. einem Drittel der Schwangerschaften zu Mehrlingsgeburten. Werden zwei Embryonen übertragen, beträgt das Risiko ein Viertel, DIR (2003), S. 14. 138 BÄK (1998), S. A 3166 ff. 139 DIR (2003), S. 9. 140 Gesetz zur Modernisierung des gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG), BGBl. I 2003, S. 2190.
2. Kap.: Die rechtliche Ausgangslage
53
besteht. Eine einschneidende Änderung ist außerdem, dass seit dem 1. Januar 2004 die PatientInnen die Hälfte der Kosten selbst tragen müssen. Unter dem Kostendruck, der pro Behandlungszyklus für das Paar zwischen 1.500 – 1.800 Euro beträgt, wird befürchtet, dass die Paare vermehrt auf die Übertragung von drei Embryonen dringen, ohne die Risiken einer Mehrlingsschwangerschaft ausreichend zu würdigen. All dies spricht für eine Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG dahingehend, dass innerhalb eines Zyklus der Frau nur mehr maximal zwei Embryonen übertragen werden dürfen. 2. Notwendige Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Im Ausland hat sich der Standard des sog. „elektiven Single-Embryonen-Transfers“ (eSET) durchgesetzt. Hierbei reifen mehrere 141 befruchtete Eizellen in vitro in ein Blastozystenstadium 142. Entsprechend des natürlichen Selektionsprozesses entwickelt sich nur etwa jede sechste Eizelle im Vorkernstadium überhaupt bis zur Blastozyste. Diese können Reproduktionsmediziner morphologisch 143 untersuchen und qualitative Aussagen über ihre Entwicklungsfähigkeit treffen. Regelmäßig sind nach dieser Untersuchung überhaupt nur ein bis zwei Embryonen zur Einnistung in die Gebärmutter geeignet. Die ungeeigneten befruchteten Eizellen sterben in der in-vitro Kultur ab. Dieses Verfahren führt zu einer deutlichen Senkung von Mehrlingsschwangerschaften auf ein nahezu natürliches Maß, weil regelmäßig nur ein Embryo übertragen wird. Gleichzeitig sind die Schwangerschaftsraten meist höher, 144 als wenn entsprechend der deutschen Praxis zwei Embryonen übertragen werden, deren Entwicklungspotential nicht eingeschätzt werden konnte. 145 Dies streitet für eine Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dahingehend, dass so viele Eizellen befruchtet werden können sollten, wie nach dem Stand der modernen Medizin nötig, um eine Schwangerschaft herbeizuführen und das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften zu minimieren. Eine offene Formulierung in Anlehnung an den Stand der Wissenschaft vermeidet den Nachteil des Embryonenschutzgesetzes, aufgrund zwingender quantitativer Vorgaben veralteten medizinischen Vorstellungen anzuhängen. Sie hat den Vorteil, dass 141 142
In der Regel werden maximal zehn befruchtete Eizellen kultiviert. Das Blastozystenstadium reicht vom dritten bis fünften Tag nach der Kernverschmel-
zung. 143
Eine morphologische Untersuchung ist die Betrachtung nach der Gestalt. Im Mittel liegen die klinischen Schwangerschaftsraten im Ausland bei 40 – 45%. 145 Entsprechende gesetzliche Regelungen gibt es bspw. in Schweden, den Niederlanden, Österreich und Belgien. In Belgien dürfen Frauen bis 35 Jahren sogar zwingend nur jeweils ein Embryo nach entsprechender Selektion transferiert werden. Im Gegenzug übernimmt die staatliche Gesundheitsversorgung die gesamten Kosten der Behandlung. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Kosten der Fertilisationsbehandlung wesentlich geringer ausfallen, als die Folgekosten, die sich aus Mehrlingsschwangerschaften ergeben. 144
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1. Teil: Die Grundlagen
sich die Anzahl der zu befruchtenden Eizellen im Zuge der Weiterentwicklung und Optimierung der Verfahren reduzieren wird.
B. Das Sozialgesetzbuch V § 27 a des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) behandelt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Fällen künstlicher Befruchtungsmaßnahmen. Systematisch folgt § 27 a SGB V dem § 27 SGB V, der Krankenbehandlungen zum Inhalt hat. Da § 27 a SGB V ausschließlich Maßnahmen der künstlichen Befruchtung betrifft und keine Behandlung der Zeugungs- und Empfängnisunfähigkeit (dies sind Fälle des § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V), ist Versicherungsfall nicht die Krankheit eines Partners, sondern die ungewollte Kinderlosigkeit des Ehepaares. Die Zuordnung zu den Krankenbehandlungen ist folgerichtig, weil die Ursache der ungewollten Kinderlosigkeit eine behandlungsbedürftige Krankheit ist. 146 Maßnahmen, die gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen, sind von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen. In deren Rahmen dürfen außerdem nur Ehepaare behandelt und ihre Keimzellen verwendet werden, § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V. 147 Schließlich muss sich das Ehepaar von einem Arzt, der die Behandlung anschließend nicht selbst durchführt, vor Beginn der Therapie über die medizinischen Chancen und Risiken sowie mögliche Alternativbehandlungen aufklären lassen, § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V. § 27 a Abs. 1 und Abs. 2 SGB V enthalten gegenüber § 12 SGB V spezielle Regelungen der medizinischen Notwendigkeit. So muss eine medizinische Indikation vorliegen, d. h. Maßnahmen der Behandlung der Unfruchtbarkeit müssen erfolglos oder unzumutbar sein. Gemäß § 27 a SGB V a. F. war in der Regel nach viermaliger Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit eine Erfolgsaussicht nicht mehr gegeben, womit die Leistungspflicht entfiel. Dies hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des gesetzlichen Krankenversicherung 148 insoweit geändert, als die Leistungspflicht der GKV nach dreimaliger Behandlung nicht mehr besteht, § 27 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V n. F.. Zudem normiert § 27 a Abs. 3 SGB V n. F., dass die gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Frauen zwischen 26 und 40 Jahren leistungspflichtig ist, während bei Männern die Altersspanne 26 bis 50 Jahre beträgt. Beide Geschlechter müssen außerdem die Hälfte der Kosten nunmehr selbst tragen, was pro Behandlung einen Betrag von ca. 1.500 – 1.800 Euro ausmacht.
146
Kruse, J. / Hänlein, A. / Adelt, KP. (2003), § 27 a SGB V, Rn 2 f. BSGE 66, 248. 148 Gesetz zur Modernisierung des gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG), BGBl. I 2003, S. 2190. 147
2. Teil
Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen und von Keimzellen im Besonderen Vor der Prüfung des Fortpflanzungsrechts im nächsten Teil dieser Arbeit wird (gewissermaßen vor die Klammer gezogen) geklärt, ob menschliche Keimzellen einen verfassungsrechtlich relevanten Status haben. Sollten sie Träger von Grundrechten sein, wären ihre Grundrechte mindestens im Wege praktischer Konkordanz mit dem Fortpflanzungsrecht in Ausgleich zu bringen. Gleiches gälte bezüglich der Rechte des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG, wenn Keimzellen ein verfassungsrechtlich geschütztes Bezugsobjekt i. S. d. Art. 14 GG wären. Sind sie dagegen weder Grundrechtssubjekte noch verfassungsrechtlich geschützte Objekte, wäre die Einschränkung des Freiheitsrechts schon dann gerechtfertigt, solange sie verhältnismäßig ist.
1. Kapitel
Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen In der aktuellen Auseinandersetzung um die Möglichkeiten, die sich aus der modernen Biotechnologie und Fortpflanzungsmedizin ergeben, werden Statusdebatten – insbesondere die um den Status des Embryos – meist an zentraler Stelle geführt. 1 Die tatsächlich in Rede stehenden einzelnen Konfliktlagen werden dagegen erstaunlich nachlässig analysiert und diskutiert. 2 Teilweise werden allein aus dem Status des Embryos die Folgerungen für den Umgang mit demselben gezogen. 3 Es ist beispielsweise auffällig, dass die Befürworter der Forschung an und mit Embryonen die Hauptanstrengung ihrer Argumentation darauf legen nachzuweisen, dass dem Embryo ein minderer Grundrechtsschutz zukomme, weil er 1
Siehe beispielsweise Höfling, W. (2001) und Starck, C. (1986). An diesem Zustand hat sich seit der diesbezüglichen Analyse von Singer, P. (1994) nichts wesentliches geändert. 3 Siehe beispielsweise Sacksofsky, U. (2001). 2
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
kein (vollwertiger) Grundrechtsträger sei. Die Gegner einer solchen Forschung verweisen dagegen oftmals apodiktisch auf den ihrer Meinung nach vollumfänglich bestehenden Grundrechtsschutz des Embryos, eben weil dieser Grundrechtsträger sei. Mit der Kenntlichmachung des Embryos als Person werde er neben dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere des Schutzes aus Art. 1 Abs. 1 GG teilhaftig. Unter Berufung auf ein absolutes und unantastbares Würdeschutzkonzept, dass vorgeblich vom Bundesverfassungsgericht vertreten werde, 4 solle dann eine Lösung, im konkreten Fall die Unzulässigkeit der Forschung an und mit Embryonen, gefunden sein. Hierdurch wird die Wirkkraft des Art. 1 Abs. 1 GG über Gebühr strapaziert. 5 Die Frage, ob der Embryo eine Person ist oder nicht, mithin ob der persönliche Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG eröffnet ist, ist eine von mehreren zu beantwortenden Fragen. Die gegenläufigen Freiheitsrechte, die Konkretisierungen der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG sind, sind nicht allein aufgrund des Status des Embryos beschränkt. Sie sind es vielmehr erst dann, wenn der sachliche Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG ebenfalls berührt ist. 6 Dessen Verletzung ist jedoch nicht dadurch präjudiziert, dass der Status des Handlungsobjekts oder -subjekts bestimmt ist. 7 Daher ist mit der Beschreibung des frühen Embryo als Würdeträger – entgegen der vorherrschenden Rhetorik in der bioethischen Debatte – ein abschließendes Ergebnis nicht gewonnen. 8 Neben der Feststellung, ob der personelle Schutzbereich einschlägig ist, erfordert die Prüfung des sachlichen Schutzbereichs ebenso viel Mühe. Der personelle Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG ist statisch. Bei der Prüfung des sachlichen Schutzbereichs ist dagegen beachtlich, dass Art. 1 Abs. 1 GG 4 Dass dies tatsächlich nicht der Fall ist, zeigen nicht zuletzt die Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch, siehe auch Sendler, H. (2001), S. 2150 und Fassbender, K. (2001), S. 2749. Zu diesem Problem siehe noch weiter unten. 5 Aufgrund seiner überragenden Bedeutung als abwägungsresistentes Grundrecht werde Art. 1 Abs. 1 GG diesbezüglich regelrecht missbraucht, siehe die Warnung schon bei Hofmann, H. (1993), S. 356. Kritisch zu dieser Vorgehensweise auch Schlink, B. (2002), S. 6. 6 Aufgrund der besonderen Normstruktur des Art. 1 Abs. 1 GG als unabwägbares Grundrecht ist mit dem Eingriff in den (personellen und sachlichen) Schutzbereich eine Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG bereits gegeben, die zu einer Beschränkung der gegenläufigen Grundrechte führt. Die Art. 1 GG nachfolgenden Grundrechte sind dagegen nicht abwägungsresistent, so dass sich der Grad der Beschränkung der jeweils gegenläufigen Grundrechte nach der Ermittlung der Verletzung des Schutzbereichs erst nach einer Abwägung der jeweiligen Grundrechtspositionen ergibt. 7 Das beide Fragen einer eigenständigen Beantwortung bedürfen, hat schon Singer, P. (1994), S. 195 ff betont, ist im Übrigen aber auch Grundrechtsprüfungsdogmatik. 8 So auch Starck, C. (1993), S. 817, der schreibt: „Die für die Rechtspraxis entscheidende Frage wird noch nicht beantwortet, wenn über den Rechtsstatus des Embryos entschieden wird.“
1. Kap.: Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen
57
die Handlungsmöglichkeiten der Akteure in der Gesellschaft reglementiert. Er „ächtet den spezifischen Modus eines Verhaltens“ 9 und stellt somit den Umgang miteinander in den Mittelpunkt der Betrachtung. Weder der Rechtsprechung noch der juristischen Literatur ist es bisher gelungen, eine abstrakte abschließende Definition dessen, was Würde ist, zu liefern. Ausgehend von der eingreifenden Handlung gelingt es der Rechtspraxis jedenfalls zu umreißen, was den sachlichen Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Dieser Gedanke, die Verletzung des Grundrechts ausgehend von der jeweiligen Handlung und den zugrundeliegenden Umständen zu bestimmen, ist auch in anderen verfassungsrechtlichen Konzeptionen zu finden. Bei staatlichen Schutzpflichten knüpft man die Einstandspflicht an die Schutzbedürftigkeit. Mittelbarer Grundrechtsschutz wird gewährt, wenn die Art und Weise und Intention der Handlung würdeverletzend ist. Mit dem postmortalen Würdeschutz findet die Lebensleistung des Verstorbenen Würdigung. Es wird mithin sein früheres Handeln und nicht sein (nicht mehr existenter) Status in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Es ist neben der Bestimmung des Status gleichermaßen wichtig, den betreffenden Konflikt genau zu analysieren und den Grad der Betroffenheit sowie die Gefährdung der Rechtstypen zu ermitteln. Hierbei geht die konkrete Betroffenheit der abstrakten, die akute Gefährdung der potentiellen und das Abwehrrecht dem Anspruchsrecht vor. 10 Erst dann kann die Frage relevant werden, ob trotz prinzipiell gleichen Rechtsstatus in einer so analysierten Situation eine qualitative Differenz in diesem Status besteht, ohne dass damit der Rechtsstatus des einen zugunsten des anderen Beteiligten vollständig aufgegeben würde. Zur Verdeutlichung sei an die Situation der rechtfertigenden Pflichtenkollision erinnert und folgendes Beispiel gebildet: Die Ehefrau und das Kind eines Mannes befinden sich in einem Boot auf dem Wasser, als ein aufziehender Sturm das Boot kentern lässt. Beide können nicht schwimmen. Der die Situation am Ufer erblickende Ehemann ist, ob seiner schwimmerischen Fähigkeiten und der stürmischen See, nur in der Lage, eine der beiden Personen zu retten. Wen auch immer zu retten der Mann sich entscheidet, er handelt gerechtfertigt, mindestens entschuldigt! Dieser in der Strafrechtslehre bekannten Situation geht gleichsam die oben beschriebene sorgfältige Situationsanalyse voraus. Erst wenn nämlich klar ist, dass es um zwei gleiche Rechtstypen geht (nämlich Ansprüche auf ein lebensrettendes Handeln des Mannes), bei gleichem Betroffenheitsgrad (es geht um Leben oder Tod) und gleicher Gefährdung (beide drohen, jeden Moment zu ertrinken), kann die Frage des Status der Betroffenen relevant sein. Erst dann kann es beispielsweise einen Unterschied machen, ob statt des Kindes der heimliche Liebhaber der Ehefrau im Boot saß. In dieser Konstellation wäre die Frau zu retten, ohne dass damit dass Lebensrecht des heimlichen Liebhabers vollständig aufgehoben wäre. 11 Es besteht in einer solchen Situation für den Ehemann (aber auch nur für ihn) ein qualitativer Unterschied hinsichtlich seiner Rettungspflicht 9 10
Höfling, W. (1995 b), S. 859. Siehe zu der diesbezüglich entwickelten Hierarchie Hübner, D. (2004), S. 86.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
gegenüber der Ehefrau und dem heimlichen Liebhaber. 12 Unerheblich ist die Statusfrage indes, wenn der Ehemann bspw. schwimmerisch in der Lage ist und genügend Zeit hat, sowohl die Ehefrau als auch den Liebhaber zu retten. Dann ist er verpflichtet, beide zu retten. 13 Gleichsam unerheblich ist die Statusfrage in der Hinsicht, dass der Ehemann einen unbeteiligten Vierten nicht zwingen darf, die gekenterten Personen zu retten. Hier stehen sich verschiedene Rechtstypen gegenüber, wobei das Abwehrrecht des unbeteiligten Vierten, dass Anspruchsrecht der Gekenterten auf Rettung überwiegt.
Die an dem Beispiel vorgenommene Analyse zeigt, dass Statuszuweisungen ohne Bezugnahme auf Kollisionslagen nicht hilfreich sind. Angesichts einer Welt knapper Ressourcen und permanent limitierter Handlungsmöglichkeiten wäre ein praktischer Grundrechtsschutz aufgrund bloßer Statuszuweisungen nicht durchzuhalten. Die Feststellung des personellen Schutzbereichs präjudiziert die Verletzung des Grundrechts nicht. Einzelne Meinungen in der bioethischen Diskussion sind u. a. deshalb so schwer nachzuvollziehen, weil sie ein und dieselbe Handlung allein deshalb unterschiedlich bewerten, je nachdem, ob die Handlung vor oder nach einer (vermeintlichen) Statusänderung erfolgt. Exemplarisch wird dies bei der Diskussion um die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID), die gemäß der wohl herrschenden Meinung nach dem Embryonenschutzgesetz und wegen des die Menschenwürde verletzenden selektiven Umgangs mit den In-vitroEmbryonen, verboten sei. Die Vertreter dieser Meinung halten gleichwohl die Polkörperdiagnostik 14 für zulässig und ethisch vorzugswürdig. 15 Es ist schwer zu verstehen, warum dieselbe Handlung, die bei der Präimplantationsdiagnostik als unzulässig bezeichnet wird, bei der Polkörperdiagnostik nur aus dem Grund zulässig sein soll, weil man sie Sekunden vor der „Entstehung“ des Lebewesens vornimmt. Die Intention der Entnahme, nämlich die Bewertung eines Gesundheitsrisikos des Wesens, ist doch jeweils dieselbe! 11 Insofern ist die Kritik von Hübner, D. (2004), S. 72 ff, an der Schlussfolgerung von Merkel, R. aus dem Beispiel des brennenden Labors, in dem nur Embryonen oder ein Säugling vom hinzueilenden Dritten gerettet werden können, berechtigt, weil mit der richtigen Einschätzung, dass der Säugling zu retten ist (insofern abwegig Kollek, R. (2001), die die Pflicht, den Säugling zu retten, nicht für geboten hält!), keinesfalls hinreichend bewiesen ist, dass die Embryonen gar kein Lebensrecht haben. Der Säugling hat in der präzise beschriebenen Situation ein qualitatives Vorrangrecht auf Rettung, für andere Situationen mag dies anders aussehen. 12 Auf dieser Grundeinsicht dürfte dann auch die Zuweisung von Garantenpflichten fußen, die ja im Beispiel nur bezüglich der Ehefrau und des Kindes, nicht aber gegenüber dem heimlichen Geliebten besteht. 13 Angemerkt sei, dass der Ehemann sich gegenüber dem Liebhaber aufgrund der fehlenden Garantenpflicht nur einer unterlassenen Hilfeleistung und nicht einer Tötung durch Unterlassen schuldig machte. Gleichwohl beginge er strafwürdiges Unrecht, während er in den oben geschilderten Fällen nicht strafbar, weil gerechtfertigt, handelte. 14 Die Polkörperdiagnostik findet im Vorkernstadium, in dem die genetische Individualität bereits festgelegt ist, an dem Polkörperchen statt, dient aber demselben Zweck wie die PID. 15 Siehe bspw. Kollek, R. (2000 b), S. 73.
1. Kap.: Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen
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Die Unzulässigkeit des vorschnellen Schlusses vom Grundrechtsstatus auf die Verletzung des betroffenen Grundrechts wird auch an Art. 1 GG deutlich. 16 Nach der herrschenden Meinung ist die Menschenwürde uneinschränkbar und abwägungsresistent. 17 Das sich hieraus ein Konkretisierungsdilemma ergibt, ist hinreichend beschrieben worden. Die Anwendung der Norm in der Rechtspraxis und die gleichzeitige Beachtung ihres Ausnahmecharakters aufgrund ihrer überragenden Bedeutung sind schwer in Einklang zu bringen. 18 Für dieses Dilemma sind verschiedene Auswege gesucht worden. Nach einer Mindermeinung, ist die Menschenwürde nicht abwägungsresistent. 19 Für diese Meinung spricht zumindest die Gedankenlogik. Unabhängig davon, ob man die Menschenwürde als in die einzelnen Grundrechte ausstrahlenden unantastbaren Kern versteht 20 oder Art. 1 GG direkt zum Prüfungsmaßstab macht, scheint einsichtig, dass bei Konflikten zwischen der Würde einer Person und der einer anderen, die These von der Abwägungsresistenz nicht aufrechterhalten werden kann. Andernfalls würde die Aufrechterhaltung absoluten Würdeschutzes der einen Person die Negation eben desselben Schutzes für die andere bedeuten.
16
Zum Ganzen siehe auch Enders, C. (2003), S. 666 ff, insbesondere S. 671. Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 1 GG, Rn 10; Ipsen, J. (2001), S. 990 f; v. Münch, I. / Kunig, P. (2000), Art. 1 GG, Rn 26; Geddert-Steinacher, T. (1990), S. 83; AKGG / Podlech, A. (1989), Art. 1 I GG, Rn 73. 18 Siehe die treffende Beschreibung bei Hofmann, H. (1993), S. 374, Fn. 106 und Höfling, W. (1995 b), S. 859, beide mit dem Verweis auf Kloepfer, M. (1976), S. 411. 19 Soweit ersichtlich nur Kloepfer, M. (1976), S. 405 ff; ders. (2002), S. 421 und v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 1, Rn 21. Tendenziell in diese Richtung äußert sich auch Häberle, P. (2004), § 22, Rn 85. Andererseits geht auch die Senatsmehrheit des Bundesverfassungsgerichts in diese Richtung, wenn es in BVerfGE 88, 203 (im fünften Leitsatz), 253, 256 die Würde der Frau als mit dem Lebensrecht des Ungeborenen kollidierendes Grundrecht beschreibt, und im siebenten Leitsatz schreibt: „Die Grundrechte der Frau (also auch ihre Menschenwürde, Anmerkung des Verfassers) tragen nicht so weit, dass sie Rechtspflicht zum Austragen des Kindes . . . generell aufgehoben wäre.“ Damit ist die Uneinschränkbarkeit der Menschenwürde sogar gegenüber dem Lebensrecht des Ungeborenen aufgehoben! Deutlich wird dies nach dem BVerfG an der medizinisch-sozialen Indikation; m. E. aber insbesondere auch am Regelungsgehalt der kriminologischen Indikation, bei der die Normierung der Austragungspflicht evident würdeverletzend ist, was gleichwohl vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hatte, zustimmend auch Starck, C. (1993), S. 818. Auch mit den Ausführungen zur „Unzumutbarkeit“ der Austragung des Kindes, schränkt das Bundesverfassungsgericht die Würde des Embryos ein, siehe BVerfGE 88, 203, 256 f. Deutlich zur Lösung gegenüber stehender Würdekonflikte mittels „verhältnismäßiger Zuordnung“ auch das Sondervotum der Richter Mahrenholz und Sommer, BVerfGE 88, 203, 342 sowie zum diesbezüglichen Wandel vom ersten Abtreibungsurteil zum zweiten, siehe BVerfGE 88, 203, 348. 20 Wobei dann noch deutlicher als bei Konfliktlagen zwischen einzelnen Grundrechtsverbürgungen stets im Wege praktischer Konkordanz zu lösen ist und der Kerngehalt der betreffenden Grundrechte im Fall widerstreitender Kerngehalte vernünftigerweise nicht von der Abwägung ausgenommen werden kann. 17
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Mit der kriminologischen Indikation in den §§ 218 ff. StGB scheint bspw. ein solcher „Würde – Würde – Konflikt“ zu bestehen. 21 Die Vergewaltigung einer Frau verletzt ihre Würde. Würde sie im Anschluss an die Straftat schwanger, wäre der Embryo manifestiertes Symbol der Würdeverletzung. Triebe die Frau den Embryo ab, könnte man überlegen, ob durch die Beendigung seiner Existenz die Würde des Embryos verletzt wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und mit der herrschenden Meinung in der Literatur kommt dem Embryo zumindest in dem Stadium ab Nidation personell der Schutz des Art. 1 GG zu. Wäre allein der Status des Embryos als Würdeträger für die Verletzung des Art. 1 GG entscheidend und folgte man der These von der Abwägungsresistenz des Art. 1 GG, wäre der Konflikt zwischen dem Recht des Embryos, nicht abgetrieben zu werden, und dem Recht der Frau, einer Austragungspflicht nicht zu unterliegen, nicht zu lösen. Die kriminologische Indikation in den §§ 218 ff. StGB wäre mithin verfassungswidrig. Erachtet man Art. 1 GG jedoch als abwägbar, ließe sich die Entscheidung, dass die Frau den Embryo abtreiben kann, rechtfertigen. Da gegen die These von der Abwägbarkeit der Menschenwürde jedoch vor allem der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 GG streitet, wird von einer anderen Meinung Art. 1 Abs. 1 GG nicht als subjektives Recht, sondern als übergeordnetes Prinzip ohne rechtliche Verbindlichkeit begriffen. 22 Die herrschende Meinung weist jedoch darauf hin, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG die staatliche Gewalt verpflichtet; dies kann aber nur eine Rechtsnorm. Deshalb wird Art. 1 GG ganz überwiegend zumindest als objektiv-rechtlicher Verfassungssatz verstanden. 23 Nach wie vor wesentlich umstrittener ist, ob Art. 1 Abs. 1 GG auch einen subjektiv-rechtlichen Gehalt aufweist. Dies wird von einer Meinung mit dem Hinweis verneint, dass erst Art. 1 Abs. 3 GG Grundrechtsqualität begründe und die nachfolgenden Grundrechte aus Art. 2 ff. GG den Menschenwürdegehalt aufnähmen. 24 Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG wäre zwar alle Staatsgewalt an dieses Verfassungsprinzip gebunden. Bei Verletzung der Menschenwürde stünden die objektiven Schutz verbürgenden Verfahren der abstrakten und konkreten Normenkontrolle zur Verfügung, nicht jedoch die Verfassungsbeschwerde. Die Frage der Grundrechtsträgerschaft spielte keine Rolle. Indes spricht gegen diese Position zunächst wieder der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 GG, nachdem es Verpflichtung aller staat21
M. E. ist diese Entscheidung nicht erst vom Gewährleistungsgehalt des Art. 1 I GG, sondern schon vom Fortpflanzungsrecht aus Art. 6 I GG i. S. einer negativen Fortpflanzungsfreiheit umfasst, dazu unten. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht mit Bezug zur Mutter auf Art. 1 I GG abgehoben, siehe BVerfG JZ 1975, S. 208 und deutlicher BVerfGE 88, 203, 253 sowie schon der 5. Leitsatz. 22 Enders, C. (1997), S. 393, 425 ff, 403, 442, 503. 23 Statt anderer siehe v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 1 I GG, Rn 23. 24 Siehe hierzu insbesondere Böckenförde, EW (2003), S. 809 ff, aber auch GeddertSteinacher, T. (1990), S. 167 ff, in Anlehnung an die Auffassung von Maunz, T. / Dürig, G. (1958), Art. 1 Abs. 1 GG, Rn 4 ff.
1. Kap.: Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen
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lichen Gewalt ist, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Dies legt den Schluss nahe, das Art. 1 Abs. 1 GG Abwehr- und Leistungsansprüche begründet. 25 Auch die Überlegung, dass es widersinnig wäre, dem höchsten Gut der Verfassung den optimalen Rechtsschutz zu verwehren, spricht gegen die Theorie des rein objektiv-rechtlichen Charakters des Art. 1 Abs. 1 GG. 26 Geht man daher mit der ganz herrschenden Meinung 27 von der Grundrechtsqualität des Art. 1 Abs. 1 GG aus und nimmt auch die Abwägungsresistenz des Art. 1 Abs. 1 GG an, kommt es im Endeffekt neben der Ermittlung des personellen Schutzbereichs auf die präzise Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs ebenso an. Hier kann die genaue Befassung ergeben, dass der stetige Rekurs auf Art. 1 GG nicht zutreffend ist. Die Fragen des Embryonen- und pränatalen Lebensschutzes sind hierfür exemplarisch. Mit der Beendigung des Lebens des Embryos oder Fötus geht die Verletzung seiner Würde nämlich nicht zwingend einher. Während das Bundesverfassungsgerichts in den Abtreibungsentscheidungen mal auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, mal auf Art. 1 GG und dann wieder auf eine Gesamtschau beider Grundrechte abstellt, 28 und insofern die sachlichen Gewährleistungsinhalte nicht eindeutig abgrenzt, ist zumindest der herrschenden Literatur klar, dass die sachlichen Schutzbereiche der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 GG auseinanderfallen. 29 Dies gebietet schon der klassische Grundsatz, wonach ein Grundrecht nicht so ausgelegt werden darf, dass es dem Geltungsbereich eines anderen Grundrechts vollständig gleicht. Auch würde bei Gleichsetzung der Gewährleistungsinhalte beider Grundrechte der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG missachtet. Nicht jede Tötung ist eine Verletzung der Menschenwürde. Andernfalls wären Kriegseinsätze von Soldaten und Rettungseinsätze von Polizisten und Feuerwehrmännern, bei denen diese erwartbar mit dem Tod rechnen müssen, ausgeschlossen. Auch das explizite Verbot der Todesstrafe in Art. 102 GG macht deutlich, dass der sachliche Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht deckungsgleich sein können. 30 Nicht jede Würdeverletzung geht mit einer 25
Ipsen, J. (2001), S. 989, 990. Ipsen, J. (2001), S. 989, 990.; Sachs, M. / Höfling, W. (1999), Art 1 GG, Rn 43. 27 Siehe zur Darstellung des Streitstandes und der Vertreter der herrschenden Meinung Stern, K. (2004), S. 571 ff. 28 Siehe einerseits BVerfGE 39, 1, 2, 42; 88, 203, 207 „Lebensrecht als vitale Basis der Menschenwürde“ und die darausfolgende Verbindung beider Grundrechte; andererseits die kumulative Anwendung beider Grundrechte in BVerfGE 39, 1, 41; dann wieder Art. 1 GG als Grund der Schutzpflicht, deren Ausmaß von Art. 2 II 1 GG bestimmt wird in BVerfGE 88, 203, 251. 29 Dreier, H. (1995), S. 1036; Sachs, M. / Höfling, W. (1999), Art. 1 GG, Rn 21; Heun, W. (2002), S. 518; Schlink, B. (2002), S. 10 ff; Sacksofsky, U. (2001), S. 40 f. Eine andere Lösung findet sich bei Ipsen, J. (2001), S. 992 ff, der Rechtsträgerschaft und Schutzgut entkoppelt. Eine weitere Möglichkeit das Anwendungsdilemma zu lösen, wäre die These von der Absolutheit des Würdeschutzes aufzugeben, siehe Kloepfer, M. (1976), S. 405 ff; ders. (2002), S. 421. 26
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Tötung einher, wie das Beispiel der Folter zur Erpressung von Geständnissen zeigt. Für die Annahme der Verletzung des Art. 1 GG muss ein über die Tötung hinausgehendes spezifisches Unrechtsmoment vorliegen. 31 Die Abtreibung des Embryos oder Fötus bspw. aufgrund kriminologischer Indikation verletzt nun nicht dessen Würde. Zunächst fehlt es entsprechend der klassischen Formel von Dürig an der Instrumentalisierung des Embryos. Die kriminologische Indikation stellt gerade kein Massenphänomen dar, sondern ist der Ausweg aus einer seltenen aber schwerwiegenden Konfliktsituation. Die Abtreibung des so gezeugten Embryos erfolgt ohne Ansehen seiner „Person“. Potentiell könnte es jeden so Gezeugten treffen. Wegen dieser Gleichheit der Behandlung ohne Ansehung der Person scheidet eine Würdeverletzung aus. 32 Außerdem besteht zu dem so gezeugten Embryo regelmäßig weder von Seiten der Mutter noch der Gesellschaft eine Beziehung. Gesellschaft ist jedoch ein Beziehungsmodell. Das Recht ist dasjenige Instrument, dass die Beziehungen der einzelnen Individuen in der Gesellschaft regelt. Art. 1 GG ist Teil dieses Beziehungsmodells und konstituiert einen grundsätzlichen gegenseitigen Achtungsund Anerkennungsanspruch. Dieser ist vorliegend jedoch gerade nicht gegeben, da die Mutter den so gezeugten Embryo regelmäßig nicht annimmt. Die Motive hierfür werden von der Gesellschaft weitgehend geteilt, eine diesbezügliche Austragungspflicht der Frau würde nicht akzeptiert. Würde man ohne Beachtung der jeweiligen Konfliktsituation allein aufgrund des (streitigen) Status des Embryos als Würdeträger auf eine Grundrechtsverletzung schließen, unterhöhlte man vor allem auch das hohe Gut der Grundrechte im Allgemeinen und der Menschenwürde im Speziellen. „Denn ebenso zerstörerisch wie die Preisgabe eines Prinzips ist dessen Aushöhlung dadurch, dass aus ihm Forderungen entwickelt werden, die nicht eingelöst werden können.“ 33 Mit der vorschnellen Zuschreibung subjektiver individueller Rechte besteht die Gefahr dem Trugschluss zu unterliegen, einen vermeintlich vollwertigen Schutz zu garantieren, wobei in Wirklichkeit reine Rhetorik betrieben wird. 34 Wirklichkeitsfremdes Recht greift im besten Falle nicht, im schlechtesten richtet es Schaden an. 35 30
Art. 2 II 3 GG i. V. m. Art. 19 II GG lässt die Beendigung des Lebens durch staatlichen Eingriff zu. Würde dies gegen die Würdeschutzgarantie des Art. 1 I GG verstoßen, wäre das explizite Verbot der Todesstrafe in Art. 102 GG überflüssig, siehe hierzu auch Enders, C. (2003), S. 672. 31 Höfling, W. (1993), S. 125 f. 32 Zu dieser Voraussetzung der Verletzung des sachlichen Gehalts der Menschenwürde allgemein siehe Schlink, B. (2003). 33 Schlink, B. (2003). 34 Dies ist auch einer der bemerkenswerten Punkte in der Rede der Bundesministerin der Justiz Zypries, B. vom 29. 10. 2003 in der Humboldt-Universität zu Berlin, in der sie darauf hinwies, dass es keinen Sinn mache, etwas „zu schützen“, dass der Staat realistischerweise
1. Kap.: Der Erkenntniswert von statusorientierten Diskussionen
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Die unreflektierte Zuschreibung von subjektiven Rechten ist deshalb kritikwürdig, eben weil es um Rechte geht und nicht um moralische Vorgaben. Subjektive Rechte verlangen die Geltendmachbarkeit des Inhabers und die Durchsetzungsmacht mittels staatlicher Gewalt. Der Embryo hat nun keinerlei Möglichkeit, seine Rechte einzufordern. Er kann niemandem eine Pflicht auferlegen. Er besitzt nicht die Macht, ein Recht durchzusetzen. Die Zuschreibung subjektiver Rechte, ohne dass diese je geltend gemacht werden könnten, erscheint als bloße Gewissensberuhigung. 36 Die Belange des Embryos mögen für viele Menschen wichtig sein und moralische Vorgaben bilden. Diese dürfen für die Gesellschaft – durchaus jedoch für den Einzelnen – nicht in dem Maße verbindlich sein, wie es Rechtsnormen sind und sein müssen. Zwar ist das Recht von moralischen Vorgaben durchdrungen, es ist jedoch notwendigerweise stets nur Teilmenge der Moral. 37 Verdichtete allgemeine moralische Anschauungen können nach einer entsprechend langen Phase öffentlicher Diskussion in einen objektivrechtlichen Schutz 38 überführt werden. Ein Gesetz jedoch darf moralische Anschauungen nicht zu rechtlichen und damit allgemeinverbindlichen Vorgaben machen, wenn diese moralischen Anschauungen nicht allgemein geteilt werden oder sich aufgrund der Neuartigkeit der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Errungenschaft noch gar nicht haben bilden können. Insbesondere mit Hinblick auf die moralische Überfrachtung des Menschenwürdebegriffes seien abschließend die eindringlichen Worte von Fechner ins Gedächtnis gerufen: Der Verfassungsgesetzgeber hat mit der Aufnahme der Würdeklausel in das Grundgesetz ein Bollwerk schaffen wollen gegen die unerhörte Missachtung des Menschen durch die an wehrlosen Deutschen und Nichtdeutschen begangenen Verbrechen der nationalsozialistischen Machthaber. Im Laufe weniger Jahrzehnte hat deutsche Gründlichkeit ohne Rücksicht auf die elementare Lebenssicherung von Volk und Staat aus dieser Abwehr elementarer Menschenrechtsverletzungen eine zu immer weiterer Perfektion strebende Moral gemacht. Irgendwann wird die junge Generation, die bislang weder Not noch echte Lebensbedrohung erfahren hat, begreifen, dass in einer Welt voller Inhumanität und Grausamkeit, voll Meuchelmord und Massenmord die Planifikation eines Paradiesnicht schützen kann. Zu den tatsächlichen Gegebenheiten des alles andere als absoluten Schutzes pränatalen Lebens, siehe auch Sendler, H. (2001), S. 2149. 35 Fechner, E. (1987), S. 43. Siehe auch die grundsätzliche Kritik der Richter Mahrenholz und Sommer im Sondervotum zu BVerfGE 88, 203, 341 sowie Schlink, B. (2003). 36 Diese Erwägungen mögen zwar fehlschlüssig i. S. d. Sein-Sollens-Fehlschlusses sein (siehe hierzu statt anderer bspw. Böckenförde, EW. (2003), S. 810), denn es wird aus einer biologischen Tatsache auf ein normatives Sollen geschlossen. Allerdings verstößt die juristische Subsumtion permanent gegen diese Vorgabe, siehe hierzu auch Fechner, E. (1987), S. 47. 37 Hübner, D. (2004), S. 67 ff. 38 Wohlgemerkt nur einfachgesetzlichen oder vorwirkender (Grundrechts-)Schutz, denn andernfalls stellt sich wieder das große Problem, dass ein objektiv-rechtlicher Schutz durch Grundrechte gewährleistet würde, der an Grundrechtsträger anknüpft, die keine subjektiven Rechte haben, siehe hierzu auch Merkel, R. (2002), S. 45 ff.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen gärtleins und eines friedlichen Daseins darin ein Akt der Selbstzerstörung ist. . . . Die Kompensation von Mitschuld an den nationalsozialistischen Verbrechen durch Schweigen, weil Reden teuer war und den Kopf kosten konnte, durch hypertrophe Moral, die kein persönliches Opfer fordert, weil Reden heute billig ist, ist keine angemessene Art der Vergangenheitsbewältigung. Schlechthin verwerflich ist, wenn übersteigerte sittliche Forderungen zulasten künftiger Generationen realisiert werden. Gesinnungsethik zu kultivieren mag das Gewissen entlasten. Die Folgen getroffener sittlicher Entscheidungen für die anderen und das Ganze zu missachten oder im Hochgefühl moralischer Esoterik zu verdrängen, kehrt solche egozentrische Ethik in ihr Gegenteil, sie wird zur sittlichen Schuld. 39
Für die vorliegende Arbeit bedeutet das Gesagte nun Folgendes: Ein Grundrechtsstatus der Keimzelle ist denklogisch nicht unmöglich. Insbesondere die Argumente, die für den Grundrechtsstatus früher Embryonen geltend gemacht werden, könnten zu dem Ergebnis führen, dass auch Keimzellen verfassungsrechtlich geschützte Subjekte seien. Sollte dies der Fall sein, wären die Rechte der Keimzelle gegen das Fortpflanzungsrecht des Menschen abzuwägen. Bei dieser Abwägung dürfte keines der Rechte vollständig aufgegeben werden (Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz). Der (unterstellte) Status wäre für die Beschränkung des Fortpflanzungsrechts somit notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung.
2. Kapitel
Der Status humanbiologischen Materials Das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper ist Gegenstand uralter philosophischer und religiöser, aber auch juristischer Debatten. Fußend auf der aristotelischen Beseelungslehre verweisen z. B. die großen Weltreligionen auf den Körper des Menschen einerseits und seine Seele andererseits. Auf der anderen Seite wird geltendgemacht, dass es ein „Verhältnis“ des Menschen zu seinem Körper nicht geben könne. Beides sei vielmehr untrennbar. Der Mensch sei eins mit seinem Körper; der Körper ein unverfügbares Geschenk Gottes an den Menschen. 40 Die metaphysische Beantwortung dieser Frage mag hier dahinstehen. Für die juristische Analyse sei sie jedoch insofern als Ausgangspunkt hervorgehoben, als sie auf die rechtlich erhebliche Unterscheidung von Personen und Sachen hinweist. Dieser kategoriale Dualismus durchzieht das gesamte Recht. Im Verfassungsrecht findet sich die Dichotomie in der Unterscheidung von Eingriffen in Freiheit und Eigentum, 41 im Zivilrecht in der klassischen Einteilung des Bürgerlichen Gesetz39 40
Fechner, E. (1987), S. 58 f. Kongregation für die Glaubenslehre (1980), S. 542 –552.
2. Kap.: Der Status humanbiologischen Materials
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buches in Personen (§§ 1 –89 BGB) und Sachen (§§ 90 –103 BGB). Nur Personen können Subjekte sein. Nur sie sind, als Träger von Grundrechten, Inhaber von Ansprüchen. Sachen dagegen sind Objekte, sie können allenfalls eines objektivrechtlichen, reflexiven Schutzes teilhaftig werden.
A. Verfassungsrechtliche Ansätze zur Bestimmung des Status humanbiologischen Materials Für die Diskussion auf der Ebene des Verfassungsrechts ergibt sich schon aus der Struktur des Grundgesetzes als offener, wertleitender und interpretationsbedürftiger Rahmen die Schwierigkeit, dass eine „kleingearbeitete Lösung“ 42 nicht erreichbar ist. Anders gewendet: der Dualismus zwischen Eigentum und Persönlichkeit ist im Grundgesetz weniger kategorial als im Bürgerlichen Gesetzbuch. Eine Ansicht – insbesondere vertreten durch Kaiser in der Kommentierung zum Embryonenschutzgesetz – erachtet den personellen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG für einschlägig. 43 Die Norm schütze das Eigentum. Eigentum sei die Summe der vom Gesetzgeber gewährten vermögenswerten Rechte. 44 Zu den vermögenswerten Rechten zählten auch bewegliche Sachen. Daher seien Keimzellen, zumindest nach ihrer Trennung vom Körper des „Trägermenschen“, Sachen. Für diesen Gedanken spreche zudem, dass auch andere Körpersubstanzen, wie Blut und Organe, Sachqualität hätten. 45 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass alle menschlichen Körpersubstanzen als Sachen zu qualifizieren seien. Diese Annahme ist jedoch sehr umstritten. 46 Außerdem datiert die Kommentierung von Kaiser zum Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1992. Insofern geht auch der Verweis auf die Körpersubstanz „Blut“ als Sache insoweit fehl, als der Gesetzgeber mit der Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens (TFG) im Jahr 1998 den Umgang mit Blut deutlich limitiert hat. Dies spricht zwar nicht generell gegen die Einordnung von Blut als Sache. Die Qualifikation als Sache wird jedoch häufig so verstanden, dass der Umgang mit der jeweiligen Körpersubstanz umso unproblematischer sei, je eher man die betreffende Körpersubstanz als Sache einordnen könne. 47
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Brohm, W. (1998), S. 198. So der Begriff bei Höfling, W. (2001), S. 107. 43 Keller, R. / Günther, H.-L. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 14. Siehe aber auch Schünemann, H. (1985), S. 196 und Müller, R. (1997), S. 107. 44 v. Münch / Kunig, P. / Bryde, P. (2000), Art. 14 GG, Rn 59 ff. 45 Keller, R. / Günther, H.-L. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 14 m. w. N. 46 Siehe dazu unten. 47 Unter dem Eindruck der Entwicklung des Umgangs mit Blut scheint die damalige Einschätzung von Kaiser nicht verwunderlich. Auch für den Gesetzgeber des TFG war die 42
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Die andere Meinung – soweit ersichtlich, vertreten durch Brohm, Höfling und Depenheuer – geht davon aus, dass das Eigentumsrecht am eigenen Körper grundsätzlich nicht Maßstab eventueller Verfügungen oder Nutzungen des Körpers des lebenden Menschen sei. 48 Vielmehr seien die personenzentrierten Grundrechte der Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG die richtigen Anknüpfungspunkte. 49 Ob daneben oder untergeordnet ein Eigentumsrecht am eigenen Körper besteht, wird verfassungsrechtlich nicht abschließend erörtert. Brohm schreibt: „Als Verfügungsbefugnis über eine Sache kann Eigentum nicht Herrschaftsbefugnis über Menschen bezeichnen.“ Dies deutet an, dass es ein Eigentumsrecht am Körper des lebenden Menschen seiner Meinung nach nicht gebe. 50 Dem stehen allerdings seine Ausführungen zum speziellen Status von Keimzellen entgegen, wenn er an anderer Stelle schreibt, dass Keimzellen ganz spezifisches humanbiologisches Material darstellten und daher ein prinzipieller Unterschied zu anderen Körpersubstanzen bestehe. Die Keimzelle besitze deshalb eine besondere und insofern mit anderen Körperbestandteilen oder -substanzen unvergleichliche Qualität, weil sie Träger des genetischen Codes des Keimzellträgers und somit Quelle künftigen Lebens sei. Aus dieser Betrachtung sei zu folgern, dass die menschlichen Keimzellen nur einem höchstpersönlichen Bestimmungsrecht unterliegen. 51 Wegen des erklärten prinzipiellen Unterschieds von Keimzellen zu anderem humanbiologischen Material, bleibt damit unklar, wie der Status des letzten sein soll. Auch bei Höfling findet sich keine eindeutige Aussage zum allgemeinen Status humanbiologischen Materials. Er schreibt einerseits, dass „ein Eigentumsrecht am eigenen Körper im Sinne einer generellen Nutzungs- und Entäußerungsverfügung im verfassungsrechtlichen Sinne nicht existiert“. 52 Er vertritt im Weiteren, dass als Bestimmungsrecht hinsichtlich einer Nutzung des menschlichen Körpers Art. 2 Abs. 2 GG als Selbstbestimmungsrecht über die leiblich-seelische Integrität Anwendung finde. Werden Teile des menschlichen Körpers von diesem getrennt, verlagere sich der Schwerpunkt auf persönlichkeitsrechtliche Aspekte und der anzuwendende Schutzbereich somit auf Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. 53 Allerdings nimmt Höfling hierbei eine Idealkonkurrenz zwischen persönlichkeitsrechtlich geschützter Zweckbestimmung bezüglich des Umgangs mit Einschränkung der Verfügbarkeit der Körpersubstanz „Blut“ und der Ausbau des Schutzes des Substanzträgers wesentliches Handlungsmotiv. 48 Brohm, W. (1998), S. 197 ff.; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Depenheuer, O. (1999), Art. 14, Rn 148; Höfling, W. (2001), S. 107 ff. 49 Höfling, W. (2001), S. 108 und 109. 50 Brohm, W. (1998), S. 198. 51 Brohm, W. (1998), S. 201. 52 Höfling, W. (2001), S. 107. 53 Höfling, W. (2001), S. 110.
2. Kap.: Der Status humanbiologischen Materials
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humanbiologischem Material und eigentumsrechtlich geschütztem kommerziellen Verwertungsinteresse an, 54 so dass im Ergebnis Eigentumsrechte an humanbiologischem Material bestehen können. Die Kommentierung von Depenheuer, wonach es Eigentumsrechte am Körper eines lebenden Menschen nicht gebe, sondern diese vom Persönlichkeitsrecht konsumiert würden, 55 ist insofern ambivalent, als Konsumtion im juristischen Sinne meint, dass bestimmte Sachverhalte regelmäßig, jedoch nicht zwingend, zurückstehen müssen. Dies bedeutete, dass er ein Eigentumsrecht am eigenen Körper annimmt und dieses regelmäßig, jedoch nicht immer, vom Persönlichkeitsrecht verdrängt würde. Gleichzeitig nimmt Depenheuer aber im Gegensatz zu Höfling ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG an. Für die diesbezügliche Grenzziehung sei die objektiv erkennbare Endzweckbestimmung durch den Spender maßgeblich. 56
B. Historischer Abriss der zivilrechtlichen Ansätze zum Status humanbiologischen Materials Die in Betracht kommenden Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG haben gemeinsam, dass ihr Gewährleistungsbereich normativ geprägt ist. Deshalb und wegen der schon wesentlich länger andauernden zivilrechtlichen Auseinandersetzung sei die historische Entwicklung der Statusbestimmung humanbiologischen Materials im Zivilrecht nachfolgend skizziert. I. Die Versuche einer abstrakten Statusbestimmung In der älteren zivilrechtlichen Literatur vertrat man teilweise, dass der Mensch weder sachen- noch persönlichkeitsrechtliche Befugnisse über seinen Körper hätte. Die Herrschaft des Menschen über seinen Körper sei naturbedingt und unabhängig von einer rechtlichen Beurteilung. Der Schutz des Körpers und der Person werde durch die objektive Rechtsordnung hinreichend gewährleistet. 57 Pointiert fasste Jellinek diesen Gedanken zusammen, als er sagte: „Ein Recht hat man, Persönlichkeit ist man.“ 58 54
Höfling, W. (2001), S. 113. v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Depenheuer, O. (1999), Art. 14 GG, Rn 148. 56 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Depenheuer, O. (1999), Art. 14 GG, Rn 148. Er bezeichnet im Weiteren das Persönlichkeitsrecht als einschlägig, wenn die Zweckbestimmung des Spenders eine Reimplantation beim Spender vorsehe. Insofern wird die Anlehnung an die Entscheidung des BGH in NJW 1994, S. 127 ff. deutlich. 57 v. Savigny, CF. (1840), S. 336; Jellinek, G. (1905), S. 81 ff. 58 Jellinek, G. (1905), S. 84. 55
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Dieser Ansicht liegt die Annahme zugrunde, dass die Person nicht zugleich Objekt und Subjekt sein könne. Die Persönlichkeit wird auf die Rechtsfähigkeit beschränkt, Persönlichkeit ist damit die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein. Dieser Theorie hat man daher entgegengehalten, dass die Trennung der Person in ein Subjekt und ein darauf bezogenes Objekt zumindest logisch möglich ist und der menschliche Körper daher eigentumsfähig sein könne. Anknüpfungspunkt der weiteren zivilrechtlichen Analyse waren zunächst die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sachen sind nach § 90 BGB „körperliche Gegenstände“. Einige Autoren empfanden den Begriff des Gegenstandes als inhaltsleer. Sie vertraten, dass die Bestimmung des Terminus Sache anhand des Merkmals „körperlich“ erfolgen müsse. 59 Andere Autoren sahen dagegen den Begriff „Gegenstand“ als entscheidend für die Bestimmung der Sacheigenschaft an. Für sie war der menschliche Körper deshalb nicht Sache, weil er nicht Gegenstand sei. 60 Zur Begründung dieser Behauptung war man allerdings gezwungen, den Begriff „Gegenstand“ näher zu bestimmen. Hierzu wurde die Lehre vom Verfügungsgegenstand entwickelt, nach der alles „Gegenstand“ sei, über das Verfügungsgeschäfte abgeschlossen werden können. 61 Hiergegen wendete man ein, dass eine solche Definition des Begriffes „Gegenstand“ sich nur auf wenige Normen stützen könne, nämlich diejenigen, die Verfügungsgeschäfte regelten. Deshalb sind in der Folgezeit weitere Lehren zum Gegenstandsbegriff entwickelt worden. Nach der Lehre vom Gegenstand als ein „geldwertes Gut“ seien Gegenstände „alle Objekte der natürlichen Welt, die vermögenswert sind und individualisiert werden können“. 62 Gegen diese Definition wurde eingewendet, dass es anerkanntermaßen Eigentum an Dingen gäbe, die keinen Geldwert haben. Konsequenterweise verzichteten die Kritiker bei der Begriffsbestimmung auf das Merkmal „geldwert“. 63 Ein Gut sei danach „alles, was dem Menschen in seiner materiellen und geistigen Entwicklung zu dienen geeignet ist und deshalb geschätzt wird“. 64 Eine weitere Ansicht bestimmte den Begriff „Gegenstand“ formal aus der Rechtsobjektslehre, wobei Gegenstand und Rechtsobjekt gleich gesetzt wurden. Nach damals (wie auch heute) herrschender Ansicht konnte ein Rechtsverhältnis nur zwischen Rechtssubjekten bestehen und wurde als deren rechtliche geordnete Beziehung verstanden. 65 Das Rechtsobjekt, und damit der Gegenstand, war und ist hierbei nur Bezugspunkt eines subjektiven Rechts (nämlich eines 59
Sohm, R. (1905). Koppe, F. (1907), S. 27 f. 61 Sohm, R. (1905). 62 Wieacker, F. (1943), S. 57, 65. 63 Jansen, N. (1978), S. 13; Schäfer, P. (1961), S. 41. 64 Staudinger, J / Coing, H. (1957), vor § 90 BGB, Rn 3 a; Nachweise auch bei Staudinger, J / Dilcher, H. (1995), vor § 90 BGB, Rn 4. 65 Nachweise bei Staudinger, J. / Dilcher, H.(1995), vor § 90 BGB, Rn 3. 60
2. Kap.: Der Status humanbiologischen Materials
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beteiligten Rechtssubjektes). Damit war aber für die Lösung der Ausgangsfrage, ob der menschliche Körper Sache sei, nichts gewonnen, da das subjektive Recht ein Sachen- oder Persönlichkeitsrecht sein kann. 66 Schließlich gab es Autoren, die von der logischen Untrennbarkeit des Körpers und der Person ausgingen. 67 Der Körper sei Teil des Menschen und dieser Person. Folglich könne der Körper nicht Sache sein. 68 Dies sei zum einen Konsequenz aus der Systematik des Gesetzes, das Personen und Sachen in getrennten Abschnitten behandelt. Im Privatrecht bestünde ein grundlegender Dualismus zwischen Personen und Sachen. 69 Dieser Ansicht trat man insoweit entgegen, als nicht die (ohne Zweifel nicht vorliegende) Sacheigenschaft der Person in Rede stünde, sondern die des menschlichen Körpers. Für diesen gelte der oben aufgestellte Satz nur dann, wenn sich Körper und Person nicht unterscheiden ließen 70 – eine Annahme, von der die Vertreter der oben genannten Position allerdings ausgingen. Verstärkend machte man geltend, dass es ein Recht des Rechtssubjektes am eigenen Körper deshalb nicht geben könne, weil der Körper „wesentlicher Bestandteil“ des Rechtssubjektes sei. 71 Demgegenüber zeigten andere Autoren auf, dass zwischen dem menschlichen Körper und der Person zumindest logisch getrennt werden könne. Danach sei der Mensch gespalten in das berechtigte Subjekt und das davon beherrschte Objekt. 72 Dies trägt dem den Menschen auszeichnenden Umstand Rechnung, im Gegensatz zu den anderen Lebewesen, den Körper seinem Willen unterordnen zu können. 73 Weitgehend setzte sich in der zivilrechtlichen Literatur jedoch die Einsicht durch, dass die Bestimmung des Terminus „Sache“ anhand der begrifflichen Analyse des § 90 BGB nicht befriedigt. Ein Teil der späteren Literatur ging daher dazu über, den Sachbegriff ausgehend von Sinn und Zweck zu bestimmen. Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass die Regeln des Sachenrechts auf die unter den Sachbegriff fallenden Güter passen müssen. Der Begriff des Eigentums müsse die rechtliche Beziehung zwischen Person und Körper charakterisieren können. Die Eigentumsfähigkeit des Körpers wurde somit entscheidend für die Sacheigenschaft des Körpers. 74 66
Schünemann, H. (1985), S. 22. Klusemann, M. (1907), S. 1; Jansen, N. (1978), S. 13. 68 Klusemann, M. (1907), S. 1. Diese Sicht findet sich auch heute noch bei Staudinger, J. / Dilcher H. (1995), § 90 BGB, Rn 14 und MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 2. 69 So auch noch die heute herrschende Sicht, siehe Brohm, W. (1998), S. 198 und MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 2. 70 Schünemann, H. (1985), S. 24. 71 v. Alvensleben, L. (1909), S. 14 und Schultheis, R. (1888), S. 26. 72 Gareis, K. (1900), S. 61, 74 und Kohler, J. (1915), S. 1. 73 Schünemann, H. (1985), S. 25. 74 Schäfer, P. (1961), S. 41 f. und Jansen, N. (1978), S. 14 ff. 67
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Die Befürworter der Annahme, dass es Eigentumsverhältnisse des Menschen an seinem Körper gäbe, sind in der Unterzahl geblieben. 75 Die nunmehr ganz herrschende Meinung im Zivilrecht versteht das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper als persönlichkeitsrechtlich geprägt. 76 Zur Begründung wird auf die Erwähnung des Rechtsguts „Körper“ neben dem Rechtsgut „Eigentum“ in § 823 Abs. 1 BGB verwiesen. Stünde der Körper im Eigentum des Menschen, wäre seine Erwähnung überflüssig. 77 Auch die Regelungen betreffend das Schmerzensgeld differenzieren hinsichtlich des Schadensersatzes zwischen den Rechtsgütern „Körper“ und „Eigentum“. Die Annahme, es gäbe Eigentum am menschlichen Körper, verstoße gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Menschenwürde, die über die Generalklauseln des Zivilrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch Geltungskraft erlange. Dieser Argumentation wird auch von den Befürwortern einer Eigentumsfähigkeit des menschlichen Körpers insoweit zugestimmt, als sie sich auf das Verbot von Eigentum an fremden Körpern bezieht. Ihr wurde jedoch entgegengehalten, dass sie für den Fall der Annahme des Eigentums des Menschen an seinem eigenen Körper zumindest dann nicht trägt, wenn man die Begriffe Person und Körper trennt. 78 Gegen die Annahme seiner Eigentumsfähigkeit wird auf die Einzigartigkeit des menschlichen Körpers verwiesen. 79 Hiergegen wird wiederum angeführt, dass die Individualität jedes Menschen in erster Linie ein Argument für die herausgehobene Stellung der Person, nicht jedoch des Körpers ist. 80 Wie ausgeführt, ist es in der zivilrechtlichen Literatur heute weitgehend anerkannt, dass der lebende Mensch ein Herrschaftsrecht im Sinne eines Persönlichkeitsrechts über seinen Körper hat. Es ist nahezu einhellige Meinung, dass der Mensch als solcher nicht Sache, sondern Person ist. Daraus zieht die herrschende Ansicht zunächst den Schluss, dass auch die den Menschen konstituierenden Einzelteile seines Körpers keine Sachen sind. 81 Offen ist aber, welchen Status Kör75
Brunner, J. (1953), S. 1173. BGHZ 124, 52, 54 f.; Deutsch, E. (1999), Rn 488; Forkel, H. (1974), S. 593 f.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 2; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 14 f.; Palandt, O. / Heinrichs, H. (2000), § 90 BGB, Rn 3; Taupitz, J. (1991), S. 208 f; Schünemann, H. (1985), S. 89 ff. 77 Johnsen, K. (1912), S. 26; Jansen, N. (1978), S. 17. 78 Schünemann, H. (1985), S. 30. 79 Jansen, N. (1978), S. 19 f. 80 Schünemann, H. (1985), S. 30. 81 BGHZ 124, 52, 54 f.; Deutsch, E. (1999), Rn 488; Forkel, H. (1974), S. 593 f.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 2; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 14 f.; Staudinger, J. / Jickeli,J / Stieper, M. (2004), § 90 BGB, Rn 19; Palandt, O. / Heinrichs, H. (2000), § 90 BGB, Rn 3; Taupitz, J. (1991), S. 208 f; a. A. Brunner, J. (1953), S. 1173. Schünemann, H. (1985), S. 89 ff. sieht zwar ebenso wie Brunner, J. den menschlichen Körper als Sache. Die Sachqualität sei allerdings vom Persönlichkeitsrecht des lebenden Menschen überlagert, so dass er zu den gleichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung kommt; siehe zur Ansicht von Schünemann, H. auch weiter unten. Dies gilt insbesondere 76
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perbestandteile des Menschen haben, nachdem sie vom „Trägerkörper“ getrennt wurden. Für die herrschende Ansicht stellt sich also (ausgehend von der Annahme, dass der Mensch ein Persönlichkeitsrecht über seinen Körper hat) die Frage, ob das vom Körper getrennte humanbiologische Material auch nach der Trennung vom „Trägerkörper“ seine Rechtsnatur teilt. Viele Autoren sind der Ansicht, dass abgetrennte Körperteile mit dem Moment der Trennung als Sachen zu behandeln seien. 82 Dies ist konsequent für diejenigen, die den menschlichen Körper von vornherein als eine Sache betrachten. Die Vertreter der herrschenden Meinung, die vom Körper als Teil der Person ausgehen, nehmen dagegen entweder die Umwandlung des Persönlichkeitsrechts in ein Sachenrecht oder die Entstehung einer neuen Sache an. Darüber hinaus wird mehrheitlich vertreten, dass der bisherige Träger aufgrund eines Analogieschlusses aus § 953 BGB direkt Eigentum an den abgetrennten Körperteilen erwerbe. 83 Die Meinung, nach der die abgetrennten Körperteile zunächst herrenlos seien und dem Aneignungsrecht des bisherigen Trägers oder des zuerst Okkupierenden unterlägen, 84 hat sich nicht durchgesetzt. Umstritten ist aber nach wie vor, ob sich die Verfügungsregeln allein nach dem Recht der Sachen 85 oder (auch) nach persönlichkeitsrechtlichen Regeln richten. 86 Andere Autoren vertreten insbesondere unter dem Eindruck der Entwicklung in der modernen Medizin den Ansatz, dass mit der Trennung vom Körper nicht etwa eine Umwandlung der Herrschaftsrechte erfolge, sondern das Persönlichkeitsrecht des Trägers auch an seinen abgetrennten Körperteilen fortbestehe. 87 Die Kategorie des Eigentums sei ebenso wie beim lebenden Menschen auch bei abgetrennten Körperteilen nicht die geeignete rechtliche Qualifikation. Die veränderten Verwendungszwecke abgetrennter Körperteile erforderten eine neue rechtliche Qualifizierung. Während früher abgetrennte Körperteile regelmäßig außerhalb des Körpers blieben, sind sie heute häufig dazu bestimmt, in den Träger oder einen Dritten reimplantiert zu werden. Während es damals um die Legitimation von Besitzverhältnissen ging, stünde nunmehr die Sicherung der Bestimmungsbefugauch für „eingefügte“ künstliche Teile wie Herzschrittmacher, Kunsthaare, Zähne und dergleichen. 82 BGHZ 124, 52, 55; Deutsch, E. (1999), Rn 490 ff.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15; Staudinger, J. / Jickeli, J. / Stieper, M. (2004), § 90 BGB, Rn 20; Taupitz, J. (1992), S. 1092. Weitere Nachweise bei Schünemann, H. (1985), S. 59, Fn 1. 83 MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 16; Staudinger, J. / Jickeli, J. / Stieper, M. (2004), § 90 BGB, Rn 21. 84 Staudinger, J. / Coing, H. (1957), § 90 BGB, Rn 4. 85 MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15. 86 Schünemann, H. (1985), S. 100 ff.; Taupitz, J. (1991), S. 209 f.; ders. (1992), S. 1093. 87 Jansen, N. (1978), S. 125, Forkel, H. (1974), S. 593, 595.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
nis von Organ-, Gewebe- oder Zellspendern im Vordergrund. 88 Die Rechtsfolgen der Ansicht, die abgetrennten Körperteilen Sachqualität zuschreibt, seien nicht nachvollziehbar. So wären Keimzellen beispielsweise grundsätzlich persönlichkeitsrechtlich geprägt, da sie die Rechtsqualität des Körpers teilten. Mit ihrer Trennung vom Körper würden sie zu Sachen. Die Sachqualität würde jedoch bei Retransplantation in den Körper wieder erlöschen, weil die Keimzellen wieder die Rechtsnatur des (neuen) Körpers teilten. Betrachtet man alle Zellen, Gewebe oder Organe des Menschen unter der einheitlichen Kategorie abtrennbarer Körperteile, scheine eine sinnvolle Einordnung nicht möglich. Zwar mag die Argumentation, der Mensch sei mehr als die Summe seiner Teile, dazu führen, dass sich eine isolierte Betrachtung unterschiedlicher Zelltypen verbiete. Doch spreche für eine solche differenzierte Herangehensweise, dass die der Bewertung unterliegenden Objekte zu unterschiedlich seien. So gäbe es Körperteile des Menschen, wie Haare, Zähne und Nägel, bei denen es schwer falle, persönlichkeitsrechtliche Aspekte zu betonen. 89 Andererseits würden gerade Keimzellen von vielen Menschen als ultimativer Ausdruck eines Persönlichkeitsrechts angesehen. 90 Dazwischen gäbe es Kategorien wie die Blutspende, bei denen die Einordnung schwer falle. Einerseits werde Blut immer noch als Ausdruck der Persönlichkeit gesehen, andererseits sei es weitgehend zur Ware geworden. 91 Nach der von Schünemann entwickelten Ansicht könnten die oben geschilderten Positionen nicht überzeugen. Sein Ansatzpunkt ist zum einen der Grundgedanke, dass die Trennung der Teile vom Körper nur bei Kontinuität der an ihnen bestehenden Rechte juristisch zutreffend behandelt werden könne. Zum anderen kritisiert er das den oben vorgestellten Theorien zugrundeliegende Verständnis von einem Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Persönlichkeitsrecht und Sachenrecht. 92 Anstatt das Persönlichkeitsrecht an die Stelle des eigentumsrechtlich geprägten Verhältnisses zum Körper zu setzen, vertritt Schünemann die Ansicht, dass die Stärkung persönlichkeitsrechtlicher Aspekte ebenso gut durch Überlagerung des zugrundeliegenden Eigentumsverhältnisses erreicht werden kann. 93 Für die logische Möglichkeit dieser Gedankenkonstruktion verweist er auf die im öffentlichen 88
Vgl. Schünemann, H. (1985), S. 71 f. Gelegentlich werden sie gar als Abfall bezeichnet; siehe zum Ganzen Schünemann, H. (1985), S. 79. 90 Schneider, I. (2003), S. 42. 91 Jansen, N. (1978), S. 126. 92 Schünemann, H. (1985), S. 89. 93 Schünemann, H. (1985), S. 90 ff: „Die Besonderheit des menschlichen Körpers, der Person so eng verbunden zu sein, dass eine Gleichsetzung mit anderen Dingen der Außenwelt wertungsmäßig nicht in Betracht kommt, lässt sich durch die Überlagerung des Eigentums durch das Persönlichkeitsrecht vollständig Rechnung tragen. Die Probleme bei der rechtlichen Einordnung des menschlichen Körpers beruhen darauf, dass er einerseits aus den gleichen Stoffen besteht wie die Körper der Tiere, andererseits aber auch die Hülle für den menschlichen Geist, die Person, das Rechtssubjekt bildet. Folglich können die 89
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Sachenrecht bekannte Figur des privatrechtlichen Eigentums, das durch einen öffentlichen Zweck, dem die Sache zu dienen bestimmt ist, dominiert wird. 94 Bei den res sacrae, trete deren weiterbestehendes Privateigentum völlig hinter die Religionsregeln zurück. 95 Auch das Urheberpersönlichkeitsrecht überlagere das Eigentumsrecht. 96 Bei abgetrennten Körperteilen geht Schünemann davon aus, dass diese mit Trennung vom menschlichen Körper und entsprechender Verzichtserklärung grundsätzlich ihren persönlichkeitsrechtlichen Bezug zum vormaligen Träger verlören. 97 Der Verzicht von Persönlichkeitsrechten sei möglich, weil es nicht um die Persönlichkeit insgesamt, sondern einen aufgrund der Trennung des Körperteils klar abgrenzbaren Teilaspekt gehe. 98 Im Gegensatz zur oben geschilderten Überlagerungstheorie geht die vornehmlich von Taupitz vertretene Theorie vom fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatz davon aus, dass während der Einheit des Körpers nur persönlichkeitsrechtliche Aspekte relevant seien. Nach der Trennung von Teilen des Körpers bleibe das persönlichkeitsrechtliche Regime bestehen. Zusätzlich käme das Sachenrecht ins Spiel. Eventuelle Verfügungen über Körpersubstanzen könnten sowohl nach eigentums- als auch persönlichkeitsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden – eine sachenrechtliche Verfügung über humanbiologisches Material in Ausübung der Befugnisse aus Art. 14 Abs. 1 GG könne zugleich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. 99 Der Bundesgerichtshof hatte 1994 über einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu entscheiden, den der Kläger geltend machte, weil die mit der Aufbewahrung beauftragte Universitätsklinik schuldhaft die Eigenspermaspende des Klägers vernichtet bislang diskutierten Theorien nur jeweils eine der beiden Seiten des Problems erfassen. Stellt man auf das Eigentum oder ein ähnliches Recht ab, so bleibt die enge Bindung an die Person unberücksichtigt, wählt man das Persönlichkeitsrecht, so wird durch Hervorhebung des Besonderen das Allgemeine vernachlässigt. . . . Der menschliche Körper besteht aus Materie und kann nur durch Zufuhr und Verarbeitung von Materie existieren. Nach dem Tode zerfällt er ebenso wie die Körper anderer Lebewesen zu Materie. Man kann ihn folglich als eine stoffliche Verbindung begreifen, die zeitweise, für die Dauer eines Menschenlebens, einem menschlichen Willen zugeordnet ist. Zwar ist die Komposition der einzelnen Bestandteile infolge des nahezu unendlichen Variationsreichtums der Natur in jedem Körper verschieden, doch macht nicht diese Einzigartigkeit, sondern die Synthese von Körper und Geist den Menschen und damit die Person im Rechtssinne aus.“ 94 Schünemann, H. (1985), S. 93, der auf S. 94 f. allerdings selbst zu bedenken gibt, dass der öffentlich-rechtliche Zweck durch Hoheitsakt bestimmt wird. 95 Schünemann, H. (1985), S. 95. 96 Vgl. Schünemann, H. (1985), S. 96, mit Verweis auf die Entscheidung des RG in RGZ 79, 397 ff, nach der der Eigentümer das Bild des Malers nicht übermalen darf. 97 Schünemann, H. (1985), S. 102. 98 Schünemann, H. (1985), S. 105. 99 Siehe zum Ganzen Taupitz, J. (1992), S. 1089 ff, insb. 1093.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
hatte. 100 Der Bundesgerichtshof wendete sich zunächst gegen die Meinung in der Literatur, 101 die vom Körper abgetrennte Teile und konserviertes Sperma als vom Sachenrecht umfasst ansieht. Er machte deutlich, dass er „das Recht am eigenen Körper als gesetzlich ausgeformten Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ begreift: „Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB ist nicht die Materie, sondern das Seinsund Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert ist“. 102 Sodann verwies er auf die mit den Errungenschaften der modernen Medizin möglich gewordenen Verfahren wie die Eigentransplantation bestimmter Hautoder Knochenbestandteile, die homologe Eizell- und die Eigenblutspende, denen gemein ist, dass sie eine Wiedereingliederung der extrakorporal verbrachten Körperbestandteile ermöglichen und vorsehen. Der die Entscheidung prägende Satz folgt sodann: „Werden dem Körper Bestandteile entnommen, um mit ihm nach dem Willen des Rechtsträgers zur Bewahrung der Körperfunktionen oder zu ihrer Verwirklichung später wieder vereinigt zu werden, dann führt eine Betrachtung, nach der § 823 Abs. 1 BGB die körperliche Integrität in Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Rechtsträgers umfassend schützt, zu dem Ergebnis, dass diese Bestandteile auch während ihrer Trennung vom Körper aus der Sicht des Schutzzweckes der Norm mit diesem weiterhin eine funktionale Einheit bilden.“ 103 Für die Fälle der endgültigen Trennung der abgetrennten Körperbestandteile vom Trägerkörper verlören diese mit der Abtrennung ihre Zuordnung zum Schutzgut Körper und würden zu Sachen im Rechtssinn: „Dies deshalb, weil hier der Gedanke, nach dem das Selbstbestimmungsrecht des Rechtsträgers den Körper und seine ausgegliederten Bestandteile weiterhin als eine funktionale Einheit erscheinen lässt, nicht zum Tragen gelangt.“ 104 II. Die konkrete Statusbestimmung am Beispiel des Blutes In der verfassungsrechtlichen Literatur wird von Höfling vertreten, dass Blut keine Sache im Sinne des § 903 BGB sei. 105 Die Zivilrechtsliteratur differenziert 100
BGHZ 124, 52 ff = NJW 1994, 127 ff. MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15; Staudinger, J. / Jickeli, J. / Stieper, M. (2004), § 90 BGB, Rn 20. 102 BGH NJW 1994, 127. 103 BGH NJW 1994, 128. 104 BGH NJW 1994, 128. 105 Höfling, W. (2001), S. 96 f. Sein Hinweis, dass die Regelung des § 6 II TFG für einen eigentumsrechtlichen Zuschnitt atypisch sei, trifft jedoch insofern nicht den Punkt, als § 6 II TFG eine Aufklärung „über die mit der Spendeentnahme verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten“ fordert. Hier ist ein Bezug auf die von ihm möglicherweise gemeinten „genetischen Daten“ des Blutes nicht zwingend, genau 101
2. Kap.: Der Status humanbiologischen Materials
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bezüglich des Status von Blut zwischen Fremd- und Eigenblutspenden. Während die ganz herrschende Meinung annimmt, dass Blut im menschlichen Körper Teil der Person des Menschen und nicht Sache sei, 106 ist die Lage bei Blut nach der Trennung vom Trägerkörper diffiziler. Bei der Fremdblutspende geht die herrschende Meinung davon aus, dass das Blut mit der Trennung vom Körper zur Sache i. S. v. § 90 BGB werde. 107 Nach nunmehr ganz herrschender Meinung gehe das Eigentum an den getrennten Körperbestandteilen entsprechend § 953 BGB in das Eigentum des bisherigen Trägers über. 108 Umstritten ist aber, ob sich die Verfügungsregeln allein nach dem Recht der Sachen 109 oder (auch) nach persönlichkeitsrechtlichen Regeln richten. 110 Bei der Eigenblutspende nimmt ein Teil der Literatur an, dass die Absicht, das vom Körper getrennte Blut in denselben Körper wieder einzugliedern, für die statusrechtliche Einordnung des Blutes unerheblich sei. Blut werde in jedem Fall der Trennung vom Trägerkörper zu einer Sache. 111 Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung zu haftungsrechtlichen Fragen bei der Vernichtung einer Spermaspende dahingehend differenziert, dass Körperbestandteile dem Persönlichkeitsrecht zuzuordnen sind, solange der bisherige Träger beabsichtigt, die Körperbestandteile in den eigenen Körper wieder einzugliedern. 112 Ausgehend hiervon lässt sich folgern, dass der Bundesgerichts-
so können die allgemeinen Patientendaten gemeint sein, die bei der Spende anzugeben sind. 106 BGHZ 124, 52, 54 f.; Deutsch, E. (1999), Rn 488; Forkel, H. (1974), S. 593 f.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 2; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 14 f.; Palandt, O. / Heinrichs, H. (2000), § 90 BGB, Rn 3; Taupitz, J. (1991), S. 208 f.; a. A. Brunner, J. (1953), S. 1173. Schünemann, H. (1985), S. 89 ff. sieht zwar ebenso wie Brunner, J. den menschlichen Körper als Sache. Die Sachqualität sei allerdings vom Persönlichkeitsrecht des lebenden Menschen überlagert, so dass er zu den gleichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung kommt. 107 BGHZ 124, 52, 55; Deutsch, E. (1999), Rn 490 ff.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15; Taupitz, J. (1992), S. 1092; a. A. Forkel, H. (1974), S. 595 f. und Jansen, N. (1978), S. 82 ff., die eine persönlichkeitsrechtliche Einordnung vertreten. 108 MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 16. Die noch von Staudinger, J. / Coing, H. (1957), § 90 BGB, Rn 4 vertretene Meinung, dass getrennte Körperbestandteile zunächst herrenlose Sachen sind, an denen ein privilegiertes Aneignungsrecht des früheren Trägers gemäss § 958 II BGB bestehe, hat sich nicht durchgesetzt. 109 MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15. 110 Schünemann, H. (1985), S. 100 ff.; Taupitz, J. (1991), S. 209 f.; ders. (1992), S. 1093. 111 Deutsch, E. (1999), Rn 489; Nixdorf, W. (1995), S. 742 f; Schreiber, S. (2001), S. 36 ff. mit weiteren Literaturnachweisen. 112 BGHZ 124, 52, 54 f.; Palandt, O. / Heinrichs, H. (2000), § 90 BGB, Rn 3.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
hof die Verfügung über das Blut im Fall der Eigenblutspende den Regeln des Persönlichkeitsrechts unterwerfen würde.
C. Zusammenfassende Stellungnahme zum allgemeinen Status humanbiologischen Materials Es ist nicht möglich allgemein zu ermitteln, ob humanbiologisches Material dem Eigentums- oder dem Persönlichkeitsrecht unterfällt. Die erste Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass die Eigentumsgarantie selbst persönlichkeitsrechtliche Aspekte aufweist. Die gesellschaftliche Funktion der Eigentumsgarantie wird in erster Linie in der Tradition des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates individualistisch-freiheitlich gedeutet. „Sie [die Eigentumsgarantie] ist ein elementares Grundrecht, das im engen inneren Zusammenhang mit der persönlichen Freiheit steht. Ihr kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen . . . .“ 113 Die Bestimmung eines allgemeinen Status humanbiologischen Materials im Sinne seiner Einordnung in den personellen Schutzbereich des Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG kann auch deshalb nicht gelingen, weil der Begriff „humanbiologisches Material“ unterschiedlichste Substanzen umfasst. Vor allem aber ist sie deshalb nicht zu leisten, weil sie losgelöst von der Betrachtung der in Rede stehenden Verfügung und ihres konkreten Zwecks erfolgen müsste. Die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sind jedoch normativ geprägt. Die Ausgestaltung des Schutzbereichs erfolgt wertend und bereichsspezifisch. Es gibt rechtliche Regelungen, wie das Transfusions- 114 und das Transplantationsgesetz 115, die den Umgang mit humanbiologischem Material explizit regeln. Aus ihnen lässt sich jedoch ein allgemeingültiger Status von menschlichen Körpersubstanzen nicht ableiten, denn sie regeln den Umgang eben bereichsspezifisch. Ausgangspunkt ist dabei nicht die abstrakte Bestimmung eines Status, sondern die Ausgestaltung eines angemessenen Umgangs mit dem betreffenden Körpermaterial im Lichte der jeweiligen Zweckbestimmung. In der zivilrechtlichen Literatur hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass eine abstrakte Statusbestimmung nicht zu gewinnen ist. Auch die vorgestellte Entscheidung des 113
BVerfGE 50, 290, 339. Gesetz zur Regelung des Transfusionswesen – Transfusionsgesetz (TFG) vom 1. 7. 1998, BGBl. I 1998, S. 1752, siehe auch weiter unten. 115 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben – Transplantationsgesetz (TPG) vom 5. 11. 1997, BGBl. I 1997, S. 2631, novelliert durch das Gewebegesetz vom 1. 8. 2007, BGBl. I 2007, S. 1574, siehe auch weiter unten. 114
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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Bundesgerichtshofes stellt nicht auf einen allgemeinen Status, sondern auf die geplante Verwendung der Keimzellen ab. Insgesamt ist zu bemerken, dass die obige Ausführung zum Erkenntniswert allgemeiner Statusdebatten verfängt. Gerade in den Grauzonen des menschlichen Personenstatus helfen allgemeine Statusüberlegungen ohne In-Blicknahme der konkreten Verwendungsabsicht kaum weiter. Deshalb kann, wenn überhaupt, ein verfassungsrechtlicher Status für Keimzellen im hier interessierenden Zusammenhang nur bereichsspezifisch bezogen auf das Fortpflanzungsrecht zu gewinnen sein. Dies ist nachfolgend erörtert.
3. Kapitel
Der Status humaner Keimzellen Obige Ausführungen betreffen den Status humanbiologischen Materials insgesamt. Es wird festgestellt, dass ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Status nicht abzuleiten ist. Nun wird erörtert, ob nicht wenigstens konkret bezogen auf humane Keimzellen sich ein solcher begründen lässt. Hierbei besteht das Problem, dass der Status von Keimzellen aus verschiedenen Richtungen analysiert werden kann. Zunächst kann man die Keimzelle selbst betrachten und fragen, ob sie ein eigenes (aktuelles oder potentielles) Grundrechtssubjekt ist. Zu prüfen wäre dann, ob die Keimzelle vom Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit) umfasst ist. Man kann jedoch auch von einem „nur“ reflexiven Schutz ausgehen. Hier kann man die Keimzellen zunächst in Beziehung zum vormaligen oder zukünftigen „Trägermenschen“ setzen. Dann wären als einschlägige Grundrechte die Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie), Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts), Art. 14 Abs. 1 GG (Schutz des Eigentums) und evtl. Art. 2 Abs. 1 GG (Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit) zu prüfen. Man kann die Keimzellen aber auch als Vorläuferprodukt des Embryos bzw. späteren Kindes begreifen. Dann kämen als zu prüfende Grundrechte die Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG (Kindeswohl) bzw. Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Würde des späteren Kindes) und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des späteren Kindes) als vorwirkender Grundrechtsschutz in Betracht. Gleichzeitig kann man den genannten reflexiven Schutz aber auch als rein objektiv-rechtlichen Schutz begreifen, bei dem es auf eine Grundrechtsträgerschaft nicht ankommt. 116 116
Zum Problem der Subjektivierbarkeit objektiv-rechtlichen Grundrechtsschutzes siehe unten.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
In diesem Kapitel geht es daher zunächst darum zu klären, ob der Keimzelle eine eigene Grundrechtsträgerschaft i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG zukommt.
A. Der personelle Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat „Jeder“ das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Einigkeit besteht darüber, dass mit „Jeder“ alle lebenden Menschen gemeint sind; 117 „Jeder“ ist „jeder Lebende“ oder „jedes Leben besitzende menschliche Individuum“. 118 Umstritten ist allerdings, wann das menschliche Leben und damit der personelle Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beginnt. Nach der ersten Abtreibungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG „auch das sich im Mutterleib entwickelnde Leben“, 119 also auch „das noch ungeborene menschliche Wesen“. 120 In seiner zweiten Abtreibungsentscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht lediglich wiederholend fest, dass „das Grundgesetz den Staat verpflichte, menschliches Leben zu schützen. Zum menschlichen Leben gehört auch das ‚Ungeborene‘“. 121 Das Bundesverfassungsgericht befand jedoch nicht über den Status des Embryos vor der Nidation. 122 Dies deshalb, weil Gegenstand der Entscheidung die strafrechtlichen Regelungen der §§ 218 ff. StGB sind. Diese betreffen einen Zeitraum beginnend mit der Nidation. Es entschied auch nicht, ob der Embryo ab der Nidation selbst Grundrechtsträger ist oder „‚nur‘ von den objektiven Normen der Verfassung“ geschützt wird. 123 In der Literatur wird ein weites Spektrum an Meinungen dazu vertreten, ab wann menschliches Leben beginnt:
117
Statt anderer Richter, I. / Schuppert, GF (1996), S. 105. BVerfGE 39, 1, 37. 119 BVerfGE 39, 1. 120 BVerfGE 39, 1, 37. 121 BVerfGE 88, 203, 251. 122 BVerfGE 88, 203, 251: „entscheidungserheblich ist daher nur der Zeitraum der Schwangerschaft. Dieser reicht . . . vom Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter . . . bis zum Beginn der Geburt“. 123 BVerfGE 39, 1, 41. In seiner zweiten Abtreibungsentscheidung hat das BVerfG zwar am Rande von einem „eigenen Lebensrecht des Ungeborenen“ (BVerfGE 88, 203, 252) und der Unzulässigkeit der „Abstufung des Lebensrechtes“ (BVerfGE 88, 203, 267) gesprochen, die Klärung des Grundrechtsstatus des Nasciturus aber offen gelassen. Wieder stellt sich das Problem der Subjektivierbarkeit objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte, dazu siehe unten. 118
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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1. Vorliegen der prägnierten Eizelle (sog. Vorkernstadium) 124 2. Verschmelzung von Samen- und Eizelle 125 3. Individuation, d. h. Ausbildung des Primitivstreifens und damit Ende der möglichen Zwillingsbildung 126 4. Nidation 127 5. Ausbildung von wesentlichen Körperfunktionen, insbesondere erstes Einsetzen der Hirntätigkeit etwa ab der achten Schwangerschaftswoche 128 6. Entwicklung der Großhirnrinde und damit verbundene Möglichkeit der Schmerzempfindung etwa ab der 18. Schwangerschaftswoche 129 7. Beginn der extra-uterinen Lebensfähigkeit 130 8. Beginn des „Menschen-ähnlich-seins“ 131 9. Geburt 132. Überwiegend wird hierbei davon ausgegangen, dass mit dem jeweils reklamierten Beginn menschlichen Lebens auch die Grundrechtsträgerschaft einsetze. Daneben gibt es aber auch Stimmen, die subjektiv-rechtlichen Lebensschutz nur personalen Wesen zubilligen, die über ein Ich-Bewusstsein und Rationalität verfügen. 133 Die Vertreter dieser Meinung gehen davon aus, dass die Begriffe „Jeder“ bzw. „Mensch“ und „Person“ nicht zwangsläufig deckungsgleich seien 134 und lassen sich daher in das philosophische Konzept der sog. Nicht-Äquivalenz-Theorie einordnen. 135
124
Honnefelder, L. / Rager, G. (1997), S. 15 ff. und Röger, R. (1999), S. 122 ff; ders. (2000), S. 58. 125 Dreier, H. / Schulze-Fielitz, H. (1996), Art. 2 II GG, Rn 16; v. Münch, I. / Kunig, P. (2000), Art. 2 GG, Rn 49; Stern, K. (1998), S. 1057 f; Sachs, M. / Murswiek, D. (1999), Art. 2 GG, Rn 145; Isensee, J. / Kirchhof, P. / Lorenz, D. (1989), §128; Rn 10; Jarass, HD. / Pieroth, P. (2000), Art. 2 GG, Rn 55; Höfling, W. (2001), S. 52 ff, Sacksofsky, U. (2001), S. 16. 126 Spiekerkötter, J. (1989), S. 40 f. 127 Hofmann, H. (1986), S. 253, 258 f. und Coester-Waltjen, D. (1984), S. 230, 235. 128 Scholz, R. (1986), S. 80 und Sass, H.-M. (1985), S. 38 ff. 129 Singer, P. (1994), S. 213, allerdings mit Bezug auf den extrakorporalen Embryo. 130 So der US Supreme Court of Justice in seiner Entscheidung zur Unzulässigkeit des gesetzlichen Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen, Roe v. Wade 410 U.S. 113, 152 – 154. 131 Lübbe, A. (1989), S. 148 f. 132 Rüpke, G. (1974), S. 74. 133 Hoerster, N. (1989), S. 175 und Merkel, R. (2002), S. 112. 134 Zu diesem Verständnis siehe auch Schlink, B. (2002), S. 14. 135 Siehe dazu Birnbacher, D. (1997), S. 13 ff.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
B. Der personelle Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG Grundrechtsträger im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG ist der „Mensch“. Diskutiert wird wiederum, ab wann die Grundrechtsträgerschaft einsetzt. Sehr umstritten ist auch das Verhältnis der personellen Schutzbereiche von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 GG. Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass „Jeder“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch „Mensch“ im Sinne des Art. 1 GG sei. 136 Für die Vertreter dieser Meinung kann dann auf die Ausführungen zum Beginn des menschlichen Lebens und dem Einsetzen der Grundrechtsträgerschaft nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verwiesen werden. Ein anderer Teil macht geltend, dass der Beginn der Grundrechtsträgerschaft beim Lebensrecht und der Menschenwürdegarantie auseinanderfallen und die Grundrechtsträgerschaft gemäß Art. 1 Abs. 1 GG erst nach der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einsetze. 137
C. Die Keimzelle als Trägerin des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG? Fraglich ist also zunächst, ob die Keimzelle dem personellen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und / oder des Art. 1 Abs. 1 GG unterfällt. In diesem Zusammenhang wird in der verfassungsrechtlichen Literatur die Ansicht von Starck genannt, 138 der bereits die nicht befruchtete Eizelle in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG einbeziehen wolle: „Wenn man den Menschenwürdeschutz in jedem Fall erst mit dem Entstehen neuen menschlichen Lebens, also mit der Verschmelzung der beiden Keimzellen beginnen ließe, so könnten mögliche Manipulationen an den Keimzellen nicht angemessen erfasst werden, obwohl diese unmittelbar auf die Erzeugung menschlichen Lebens gerichtet sein können. Es kann unter dem Gesichtspunkt des Würdeschutzes keinen Unterschied 136 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 1 I GG, Rn 18; Sachs, M. / Höfling, W. (1999), Art. 1 GG, Rn 51; ders. (2001), S. 67 (hier insoweit etwas unklar, als er auch den sachlichen Schutzbereich von Art. 1 GG und Art. 2 II 1 GG entgegen seiner eigenen These für identisch hält); v. Münch, I. / Kunig, P. (2000), Art. 1 GG, Rn 14; Sacksofsky, U. (2001), S. 53. In der Tendenz wohl auch Benda, E. (2001), S. 2148 und Schlink, B. (2002), S. 10, der aber den Schwerpunkt ausdrücklich auf den unterschiedlichen materiellen Gehalt der Grundrechtsbestimmungen aus Art. 1 und Art. 2 II 1 GG legt. 137 Dreier, H. (1996), Art. 1 GG, Rn 50 f; Heun, W. (2002), S. 522; Hofmann, H. (1986), S. 258 f; Coester-Waltjen, D. (1984), S. 235. Eine eigene Konzeption hat Sacksofsky, U. (2001), S. 16, 24 ff. und 54, die den Beginn des Lebensrechts mit dem des Würdeschutzes gleich setzt, inhaltlich den Würdeschutz für absolut, den Lebensschutz für weit einschränkbar hält und so im Ergebnis dazu kommt, dass der Würdeschutz personal und sachlich weiter reiche als der Lebensschutz. 138 Siehe z. B. statt anderer der Verweis von Höfling, W. (2001) auf das Gutachten von Starck, C. (1986).
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machen, ob z. B. eine genetische Manipulation an der befruchteten Eizelle oder an der zur Befruchtung vorgesehenen Eizelle vorgenommen wird. Die Techniken der künstlichen Samenübertragung und der Befruchtung außerhalb des weiblichen Körpers verlangen, diese durch Menschenhand gesteuerten Vorgänge unter dem Menschenwürdeschutz zu betrachten, obwohl die Entstehung neuen menschlichen Lebens erst Folge dieser Vorgänge ist. Deshalb greift auch unter dem Gesichtspunkt der Genmanipulation vor der Befruchtung einer Eizelle der Menschenwürdeschutz schon vor der Zeugung.“ 139
Nach der Analyse des vorstehenden Zitats kann Starck jedoch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er der unbefruchteten Eizelle den Status einer Grundrechtsträgerin im Sinne der Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zuschreibt. Erkennbar geht er davon aus, dass menschliches Leben mit der Kernverschmelzung beginnt. Die unbefruchtete Eizelle stellt für ihn demnach menschliches Leben nicht dar; damit fehlt es für Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG an einem Grundrechtsträger. Da Art. 1 Abs. 1 GG an den Menschen als Normberechtigten anknüpft und das Mensch-Sein jedenfalls nicht vor dem Beginn des menschlichen Lebens eintreten kann, scheidet auch Art. 1 Abs. 1 GG aus. Starck weist der befruchteten Eizelle eine Subjektqualität mithin nicht zu. Er argumentiert vielmehr für eine Ausweitung des Menschenwürdeschutzes ausgehend von dem Standpunkt, dass andernfalls missbräuchliche Handlungen im Vorfeld der Entstehung des Menschen nicht verhindert werden könnten. Ob diese Einschätzung richtig ist, mag hier zunächst dahinstehen. Entscheidend an der Argumentation ist, dass sie zwar Grundlage einer gesetzgeberischen Zuweisung des Schutzes durch objektiv-rechtliche Normen sein kann. Sie taugt indes nicht für die Begründung des Personenstatus der Eizelle im Sinne einer subjektiv-rechtlichen Grundrechtsträgerschaft. Als Ergebnis bleibt daher zunächst, dass weder in der juristischen Literatur noch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Keimzellen der Status eines Grundrechtssubjekts zugewiesen wird. Die Meinungen in der Literatur lassen das menschliche Leben und damit einhergehend die Grundrechtsträgerschaft aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (gleichzeitig bzw. zeitlich nachfolgend auch die aus Art. 1 Abs. 1 GG) frühestens mit dem Vorkernstadium der prägnierten Eizelle beginnen. Die unbefruchtete Keimzelle ist davon nicht erfasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beginnt das menschliche Leben erst mit der Nidation. Zudem bleibt offen, ob damit eine subjektiv-rechtliche Grundrechtsposition verbunden ist. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Abtreibungsentscheidungen Kriterien für den Beginn des menschlichen Lebens und die daraus folgende staatliche Schutzverpflichtung entwickelt. Es nennt die Individualität, die genetische Identität und das daraus folgende einmalige, unverwechselbare und nicht mehr teilbare Leben, sowie den Prozess des Wachsens und Sich-Entfaltens nicht 139
Starck, C. (1986), S. A 17.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
zum Menschen, sondern als Mensch, als Gründe, warum der Staat gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zum Schutz verpflichtet sei. 140 Zu prüfen ist, ob diese Argumente, die einen verfassungsrechtlich relevanten Status des Embryos begründen sollen, nicht auch für die Begründung eines ebensolchen Status von Keimzellen sprechen. I. Spezieszugehörigkeit Das Argument der Spezieszugehörigkeit wendet sich gegen die Ansicht, die ein Lebensinteresse als Grundlage eines Rechts auf Leben ansieht. Es ist statusorientiert. Nicht irgendwelche Interessen, sondern die biologische Tatsache der Zugehörigkeit zur Spezies 141 „Mensch“ sei das Fundament des Lebensrechts. Embryonen seien Angehörige dieser Spezies und hätten schon deshalb ein Lebensrecht. Diese Überzeugung wurzelt wesentlich in der christlichen Schöpfungslehre 142 und den daraus gezogenen moraltheologischen Folgerungen. In der Diskussion zu unterscheiden ist ein reines und ein erweitertes Spezies-Argument. 1. Das reine Spezies-Argument Das reine Spezies-Argument meint, dass das Lebensrecht allein aus der Zugehörigkeit zur Gattung „Mensch“ folge; die Zugehörigkeit sei notwendige und hinreichende Bedingung. Damit beruft sich das reine Spezies-Argument allein auf ein Faktum, ohne dessen moralische Relevanz zu begründen und setzt sich somit dem Vorwurf des naturalistischen oder „Sein-Sollen-Fehlschlusses“ 143 aus. Die bloße Feststellung der Zugehörigkeit zur Spezies „Mensch“ beantwortet schon die Frage nicht, warum menschliches Leben überhaupt zu schützen sei. Vor allem begründet es nicht, warum menschliches Leben ab der Kernverschmelzung und nicht erst ab einem späteren Zeitpunkt geschützt werden müsse. Dies wäre aber dringend nötig, denn einerseits steht das humanspezifische und individuelle Genom schon vor der Kernverschmelzung fest, nämlich ab dem Moment, in dem das zweite Polkörperchen ausgestoßen wird (Pronukleus-Stadium). Andererseits ist mit Blick auf das Spezifische am humanen Genom festzustellen, dass der ganz überwiegende Teil der menschlichen Erbsubstanz ubiquitär ist; nur etwa ein Prozent ist spezifisch human. 144 Der bloße Hinweis auf die Spezieszugehörigkeit erweist sich als eine petitio principii. Ohne die Einführung eines zusätzlichen 140
BVerfGE 88, 203, 254. Biologisch handelt es sich bei der „Gattung“ oder „Spezies“ Mensch um die Unterart Homo sapiens sapiens. Gleichwohl sei hier die – wenn auch fachterminologisch falsche, so doch gebräuchliche – Bezeichnung Gattung oder Spezies verwendet. 142 Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, Genesis 1, 27. 143 Statt vieler siehe Dreier, H. (1996), Art. 1 I GG, Rn 47 und Merkel, R. (2001), S. 467 f; ders. (2002), S. 131. 141
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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moralischen Prinzips wiederholt der Hinweis nur die Ausgangsfrage. 145 Daher ist das Gattungszugehörigkeitsargument in seiner reinen Form von Singer zutreffend als speziesistisch gekennzeichnet worden. Die reine Anknüpfung an biologische Tatsachen offenbart in ihrer inneren Logik Diskriminierungen, die mit gleicher Berechtigung auch auf sexistische oder rassische Gesichtpunkte angewendet werden könnten. 146 2. Das erweiterte Spezies-Argument Deshalb kann das Speziesargument nur Beachtung finden, wenn es auch ein moralisches Prinzip bietet. Ein solches könnte das Interessenprinzip sein, das in der internationalen moralphilosophischen Debatte vor allem von Singer und Harris und in der deutschen von Hoerster und Merkel entwickelt und vertreten wird. Hier ist nun zunächst zu konstatieren, dass sich die Vertreter der Interessentheorie und der Speziesargumentation auf dieselben Eigenschaften des Menschen als die moralisch relevanten berufen. Dies sind im Wesentlichen seine höheren mentalen Fähigkeiten, welche ihn einzigartig erscheinen lassen. Unterschiedlich ist die weitere Vorgehensweise. Während die Vertreter der Interessentheorie auf das einzelne Individuum schauen und nach dessen individuellem und konkretem Lebensinteresse fragen, dehnen die Vertreter des Speziesarguments die typischerweise beim Menschen vorhandenen Fähigkeiten auf alle Menschen aus und erklären den Einzelfall, in dem die genannten Fähigkeiten nicht vorhanden sind, für unbeachtlich. 147 Als Begründung wird an dieser Stelle regelmäßig die Menschenwürde oder eine Gattungssolidarität angeführt. 3. Stellungnahme Jedoch ist auch das erweiterte Spezies-Argument untauglich. Dies im Wesentlichen deshalb, weil es auf dem Spezies-Argument fußt, also seine Fehler – nämlich die Anknüpfung an „typischerweise vorhandene Merkmale“ – übernimmt. 144 Ca. 99% der Gene des Menschen finden sich auch bei anderen hochentwickelten Säugetieren. Eine Grundvorstellung von diesem Phänomen hat Haeckel bereits im 19. Jh. entwickelt, als er die erstaunliche Ähnlichkeit menschlicher Embryonen mit anderen Wirbeltieren beschrieb. 145 So sehr deutlich Merkel, R. (2001), S. 468. 146 Wenn man einen moralischen oder rechtlichen Status ausschließlich an biologische Tatsachen bindet, gibt es keine Argumentation gegen eine Bindung an sowohl übergeordnete biologische Einheiten (z. B. alles Leben auf dieser Erde hat denselben Status) als auch untergeordnete (nur Männer haben einen moralisch und rechtlich relevanten Status, nicht dagegen Frauen), siehe zum Ganzen Singer, P. (1994), S. 40 ff., 196. 147 So die treffende Zusammenfassung von Merkel, R. (2001), S. 470.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Zur Veranschaulichung sei auf die bekannten Gedankenbeispiele verwiesen. Sollte ein Exemplar einer Spezies (z. B. ein Affe) durch einen besonderen Umstand (z. B. eine Mutation) Eigenschaften aufweisen, die denen des typischen Menschen entsprechen, dürfte man es trotzdem uneingeschränkt töten, weil es nicht Teil der Spezies „Mensch“ ist. Andererseits verlöre der Mensch als Spezies insgesamt dann seinen Anspruch auf Schutz des Lebens, wenn die besonderen Fähigkeiten nicht mehr typisch wären. Dies könnte z. B. eintreten, wenn aufgrund eines tückischen Virus der Großteil der Menschheit in seiner Intelligenz und Sozialkompetenz drastisch zurückgestuft würde. 148 Dann verlören aber auch diejenigen Menschen ihren Schutzanspruch, die das hohe Intelligenzniveau beibehalten. So ist das Problem verdeutlicht, das bei dem Speziesargument der Mensch nicht in seiner individuellen Qualität, sondern in einer „Sippenhaft“ behandelt wird. Dies kann auch durchaus negative Auswirkungen haben. 149 Selbst wenn man die oben erläuterten Schwächen des Spezies-Arguments für unbeachtlich erklärte, ist für die vorliegende Frage der Bestimmung des Status der Keimzelle an Klarheit nichts gewonnen. Die Keimzelle ist in ihrer natürlichen Anlage Teil des Menschen. Fraglich wird die statusrechtliche Einordnung erst nach der Trennung vom „Trägerkörper“. Um der Speziesargumentation teilhaftig zu werden, müsste man die Keimzelle selbst als ein Lebewesen der Gattung „Mensch“ begreifen. Dass die Keimzelle menschlich ist, steht außer Frage. Die entscheidende Frage, ob die Eizelle ein menschliches Lebewesen ist, kann das Spezies-Argument aber nicht beantworten, weil es nichts darüber sagt, ab wann menschliches Leben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG existiert. 150 Da das Speziesargument zudem im Kern biologisch ist, können ihm außerdem auch biologische Einwände entgegen gehalten werden. Zunächst sei auf die parthenogenetischen Eigenschaften von Oozyten verwiesen. Oozyten entwickeln sich natürlicherweise nicht selten bis weit in ein mehrzelliges Stadium, ohne dass es der Befruchtung durch eine männliche Keimzelle bedarf. 151 Überträgt man diese Tatsache auf den Menschen, stellt sich die Frage, ob das Resultat einer parthenogenetischen Oozytenentwicklung ein Mensch im Sinne eines Grundrechtssubjekts wäre (da es an der Kernverschmelzung von weiblicher und männlicher Keimzelle fehlt, wäre dies nach der bisher herrschenden Ansicht zweifelhaft) und wenn man dies bejaht, ab wann dieser sich so entwickelnden Eizelle ein Personenstatus zuzubilligen wäre. Auch dies kann das Speziesargument nicht beantworten, da es nicht in der Lage ist, den Anfangszeitpunkt individuellen Lebens zu kenn148 Zu diesem Szenario siehe bspw. den Science-Fiction-Roman „I am Legend“ von Richard Matheson. 149 Siehe Merkel, R. (2001), S. 471 f. 150 So auch Heun, W. (2002), S. 520. 151 Zum Ganzen siehe oben, insbesondere das Experiment von Kono, T. et al. (2004), S. 860 ff.
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zeichnen. Dieselben Fragen stellen sich grundsätzlich auch beim Klonen durch Zellkerntransfer. 152 II. Entwicklungskontinuum Das sog. Kontinuitätsargument macht geltend, dass „der damit [mit der Nidation des Embryos] begonnene Entwicklungsprozess ein kontinuierlicher Vorgang ist, der keine scharfen Einschnitte aufweist und eine genaue Abgrenzung der verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulässt.“ 153 1. Empirische Widersprüche Während das Bundesverfassungsgericht in seinen Abtreibungsentscheidungen das Kontinuitätsargument nur für die Phase ab der Nidation gebrauchte, wird in der Literatur vorgebracht, dass bereits ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung das komplette genetische Programm vorliege und der Entwicklungsprozess bis zur Geburt und darüber hinaus kontinuierlich abliefe. 154 Dem ist schon empirisch aus mehreren Gründen zu widersprechen. Zunächst liegt das – solchermaßen als komplett verstandene – genetische Programm schon in der Phase der Vorkernbildung vor und nicht erst bei der Kernverschmelzung. Außerdem können sich auch Oozyten unter geeigneten Umweltbedingen parthenogenetisch in ein Fetalstadium entwickeln. Es ist keineswegs undenkbar, dass auch lebende „Menschen“ geboren werden, wenn dies auch unter Säugetieren ein atypischer Fortpflanzungsmodus ist. 155 Dann liegt das genetische Entwicklungsprogramm sogar schon in der Oozyte vor. 156 152
Auch wenn hier die Festlegung des Beginns des Mensch-Seins für die von der Befruchtung ausgehenden herrschenden Ansicht einfacher erscheinen mag, weil sich beim Zellkerntransfer mit der Transplantation ein der Zellkernverschmelzung ähnlicher Zeitpunkt bestimmen ließe, streitet auch das Klonen durch Zellkerntransfer nicht für das Speziesargument. 153 BVerfGE 39, 1, 37. Siehe zum Argument auch v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 1 I GG, Rn 18. Hiergegen wendet sich schon die Bundesverfassungsrichterin Rupp v. Brüneck in ihrem abweichenden Votum. Ihrer Meinung nach entstehe erst in einem längeren Entwicklungsprozess ein vom mütterlichen Organismus trennbares selbständig existentes Lebewesen. Diese zeitliche Entwicklung ließe es zu, bei der rechtlichen Beurteilung entsprechende Zäsuren zu berücksichtigen, BVerfGE 39, 1, 68 ff. 154 Rager, G. (2000), S. 81, 86, 88. 155 Verwiesen sei nochmals auf den in der Literatur beschriebenen Fall der Geburt eines durch Parthenogenese entstandenen Jungen, Strain, L. / Warner, JP. / Johnston, T. et al. (1995), pp. 164 – 169 und auf die Experimente von Kono, T. (2004), pp. 860. 156 Gleiches gilt prinzipiell beim Klonen mittels Zellkerntransfers, bei dem sich Eizellen nach Entkernung und anschließendem Zellkerntransfer potentiell zu einem Menschen entwickeln können.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Dass Kontinuitätsargument behauptet eine kontinuierliche Entwicklung des Embryos. Die sich an die Kernverschmelzung anschließende Phase ist jedoch geprägt von den sog. Furchungsteilungen. In dieser Phase teilt sich die Blastomere mitotisch, was bedeutet, dass die Gesamtmasse der Blastomere nicht zunimmt, sondern nur aufgeteilt wird. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt noch keine Gentranskription (RNS-Synthese); damit liegt eine menschliche Embryonalentwicklung noch nicht vor. Die Translation embryonaler RNS, d. h. die Expression der individuellen Gene, beginnt erst mit der dritten Furchungsteilung (Acht-Zell-Stadium), mithin nach dem (vermutlichen) Ende der natürlichen Totipotenz der Blastomerenzellen. Eine Entwicklung des Embryos beginnt also nicht mit der Kernverschmelzung. 157 Es ist außerdem verfehlt, von der „Vollständigkeit“ des Entwicklungsprogramms des Embryos mit Vollendung der Kernverschmelzung zu sprechen. Mit einiger Berechtigung kann man sagen, dass das genetische Entwicklungsprogramm nach der Nidation fortlaufend „vollständiger“ wird, 158 weil im Uterus ein Austausch von organischen Verbindungen inklusive DNS in bisher noch nicht vollständig aufgeklärten Stoffwechselprozessen stattfindet. 159 2. Zum defensiven Charakter des Arguments Der Kern des Kontinuitätsarguments besteht darin zu behaupten, dass die Kontinuität des Entwicklungsprozesses jede Bestimmung eines anderen als des gewählten Beginns des normativ geschützten Lebens, als willkürlich erscheinen ließe. Das Kontinuitätsargument ist in seiner Grundkonzeption daher ein rein „defensives Argument“. Es wird primär angeführt, um andere Zäsurpunkte zu entkräften. 160 Offen bleibt bei einer solch isolierten Betrachtung, warum es nicht erlaubt sein soll, einen Zeitpunkt zu benennen, der zwischen von normativem Lebensschutz umfassten und nicht umfassten Phasen differenziert. Ungeachtet der oben beschriebenen biologischen Einwände bezüglich der Richtigkeit der biologischen Prämisse der Befürworter des Kontinuitätsarguments genügt auch bei unterstellter Richtigkeit die Feststellung, dass ab der Kernverschmelzung “artspezifisches menschliches Leben“ existiert und die Entwicklung von der Kernverschmelzung bis hin zum geborenen Menschen einen kontinuierlichen Prozess darstellt, allein nicht, um den normativen Schutzbeginn zu begründen. 161 (Vermeintliche) naturwissenschaftliche Tatsachen allein können moralische oder rechtliche Entscheidungen 157
Zum Ganzen siehe oben. Schroth, U. (2002), S. 170, 175 unter Verweis auf Nüsslein-Vollhard, C. in der SZ vom 2. 12. 2001. 159 Vor allem der Einfluss der mitochondrialen DNS der Mutter ist noch ungeklärt, siehe die diesbezügliche Offenheit auch beim NER (2004), Position B, S. 67 ff. 160 Kaminsky, C. (1998), S. 88 f. 158
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nicht abschließend determinieren. 162 Es gilt vielmehr, dass „juristische Begriffsbildung nie bloße Rezeption empirischer Daten, sondern immer Ergebnis normativer Wertungen“ ist. 163 Naturwissenschaftliche und empirische Vorgaben dürfen zwar als Wertungsgesichtspunkt normativer Begriffsbildung eingesetzt werden. 164 Der Hinweis auf die kontinuierliche biologische Entwicklung menschlichen Lebens kann jedoch nur zusätzlich zu anderen Begründungen angeführt werden. Für sich allein hat er im Fall der Bestimmung des normativen Lebensschutzbeginns keine hinreichende Aussagekraft. 165 3. Logische Widersprüche Ungeachtet der oben benannten biologischen Einwände und des Hinweises, dass das Kontinuitätsargument allein nichts über den Beginn des Mensch-Seins aussagt, ist das Kontinuitätsargument auch logisch nicht tragfähig, weil es einen Fehlschluss darstellt. 166 Es verkennt, dass die grundsätzliche Unmöglichkeit, in einem Kontinuum mit beliebig feinen begrifflichen Unterteilungen einen Punkt als den maßgeblichen auszuzeichnen, nichts an der Zulässigkeit und Problemlosigkeit vernünftiger Unterscheidungen ändert. 167 Schon der Blick auf das Lebensende des Menschen verdeutlicht die logische Unstimmigkeit des Arguments – nicht anders als der Beginn des Lebens ist auch das Lebensende ein Prozess. Gleichwohl wird es mit dem Begriff „Tod“ von Alters her universal definiert. 168
161 v. d. Pfordten, D. (1990), S. 69 f.; Hoerster, N. (1989), S. 171, 173; Hilgendorf, E. (1996), S. 758, 761. 162 Hilgendorf, E. (1996), S. 758, 761. 163 Saerbeck, K. (1974), S. 7; Sass, HM. (1984), S. 166, 174. 164 Sass, HM. (1984), S. 166, 170. 165 Kaminsky, C. (1998), S. 97 f. 166 Merkel, R. (2001), S. 473 und der NER (2004), Position B, S. 48 verweisen darauf, dass dieser Fehlschluss schon seit der Antike bekannt sei, sog. Sorites-Paradox (HaufenParadox). Das klassische Beispiel aus der griechischen Antike ist wie folgt: Ein Sandkorn ist kein Sandhaufen. Ein weiteres Korn markiert nicht den entscheidenden Übergang zum Haufen – und dies gilt für jedes weitere Korn. Also kann es keine Sandhaufen geben. 167 Merkel, R. (2001), S. 475: „Wo man sich Schnitte zu legen entschließt, ist immer auch eine Frage der Entscheidung und erfordert daher regelmäßig das, was bei Kant ‚Urteilskraft‘ heißt.“ 168 Die in Deutschland latente und in letzter Zeit wieder prominenter werdende Diskussion um die Tauglichkeit des Hirntodes als das gesetzte Todeskriterium widerspricht dieser Analyse nicht. Im Gegenteil, auch von den Gegnern des Hirntodkriteriums wird geltendgemacht, dass es an einem „naturwissenschaftlichen Beleg“ für den Hirntod als ultimatives Ende aller Sinnesempfindung fehle. Die Setzung des Hirntodkriterium sei vielmehr eine „gesellschaftliche Vereinbarung“, siehe zum Ganzen Höfling, W. (1995 a), S. 26 ff.
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Dies soll nur verdeutlichen, dass der Weltenlauf notwendigerweise prozesshaft ist. Die Erde ist ein halboffenes und in unseren Maßstäben kontinuierliches System, auf dem alles Leben einem natürlichen Kreislauf unterworfen ist. Die Erkenntnisse der modernen Biologie haben uns gelehrt, dass sich das Leben auf unserem Planeten aus kleinen Basisbausteinen zusammensetzt, die prinzipiell jede Lebensform zur Entstehung bringen. Der Zusammenschluss dieser kleinen Bausteine und deren anschließende Interaktion mit der Umwelt führen zu einer spezifischen Ausprägung von Lebensformen. Zu Ende gedacht bedeutet dies, dass nicht einer der kleinen Lebensbausteine in dem System entfernt oder verändert werden kann, ohne dass die auf den Lebensbausteinen fußenden weiteren Entwicklungsstufen keine Veränderung erführen. Konkret gefasst folgt daraus: Nach derzeitigem gesicherten Stand der Embryologie sind die Keimzellen als unmittelbare Vorstufen der Zygote notwendige Voraussetzungen für die Entstehung eines Embryos, dem ein Personenstatus zukommen soll. Warum sollte das Kontinuitätsargument dann ausgerechnet die Keimzellen exkludieren? Akzeptiert man schon die einleuchtende Tatsache nicht, dass sie nicht weniger Teil des Kontinuums sind als das Produkt ihres Zusammenschlusses, wäre doch zumindest erläuterungsbedürftig, warum gerade ihr Zusammenschluss ein Kontinuum begründen sollte. Mit welcher Begründung – unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität – sollte die tausendstel Sekunde vor der Kernverschmelzung nicht Teil einer kontinuierlichen Entwicklung sein, wo dies für tausendstel Sekunde nach der Verschmelzung angenommen wird? Schon die Bezeichnung der Befruchtung als „Beginn einer kontinuierlichen Entwicklung“ 169 birgt begrifflich das Problem, dass ein Kontinuum per se keinen Anfang und kein Ende hat. Warum gerade die Befruchtung der Anfang eines Kontinuums und nicht Teil desselben sein sollte, wird somit noch unerklärlicher. Abschließend sei wiederum auf die parthenogenetischen Fähigkeiten von Keimzellen verwiesen. Hier fehlt es an einer Befruchtung, die das Kontinuum „in Gang setzen“ sollte. Gleichwohl entwickelt sich die parthenogenetische Oozyte „kontinuierlich“. Aber ab wann wäre sie dann ein Embryo? Müsste nicht nach dem Kontinuitätsargument alles „gattungsspezifische menschliche Leben“ 170 geschützt werden? 171 Damit bleibt als Ergebnis, dass der Umstand, dass das menschliche Leben eine kontinuierliche Entwicklung durchläuft, für die Frage, ob und ab wann dem menschlichen Individuum Lebensrechte zuzuschreiben sind, belanglos ist. 172 169
BVerfGE 39, 1, 37. Mit Blick auf das System „Erde“ müsste konsequent gedacht letztlich alles Leben geschützt werden. 171 Diese Frage aufwerfend und als absurd verneinend Hofmann, H. (1990), S. 115, 120; Schroth, U. (2002), S. 170, 175. 172 Merkel, R. (2001), S. 476 und Heun, W. (2002), S. 520. 170
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III. Potentialität der Entwicklung Das sog. Potentialitätsargument kennzeichnet sich durch den Schluss, dass das Wesen, welches die einen geborenen Menschen kennzeichnenden Eigenschaften nicht aktuell besitze, aber die Potentialität habe, sie zu entwickeln, gleichermaßen zu schützen sei wie der geborene Mensch. 173 „Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen.“ 174 Damit wird der Status ad quem zur Rechtszuschreibung im Status ad quo. 175 Das Potentialitätsargument ist für sich betrachtet schon aus dem Grund kritikwürdig, weil es eine gleiche Schutzwürdigkeit von Potential und aktuellem Status behauptet, ohne dies zu begründen. Jedenfalls ist das Potentialitätsargument auch logisch nicht zwingend, da von der Frage der Schutzwürdigkeit auf den Personenstatus geschlossen wird, mithin Aspekte des sachlichen Schutzbereichs bzw. der Rechtsfolge mit dem personellen Schutzbereich unzulässig vermengt werden. Die Argumentationslinie der Befürworter des Potentialitätsarguments verläuft nämlich so: 1. Der aktuelle Mensch hat Würde und ein Lebensrecht. 2. Der Embryo ist zwar nicht aktueller Mensch, aber er hat das Potential zum aktuellen Menschen. 3. Deshalb hat auch der Embryo Würde und ein Lebensrecht. Das Problem liegt ersichtlich im zweiten Denkschritt. Wäre der Embryo ein (aktueller) Mensch, bedürfte es des zweiten Schrittes nicht, weil schon die erste Behauptung die Aussage trifft, dass der Mensch Würde und ein Lebensrecht hat. Der zweite Denkschritt ist aber notwendig, um das Potentialitätskriterium einzuführen. Damit gibt man aber schon zu, dass der Embryo eben nicht dasselbe ist, wie der aktuelle Mensch. Der Embryo ist, sei er auch Mensch, ein potentieller, nicht ein aktueller. 176 Dass man daraus schließen mag, dass der Embryo genauso zu schützen sei, wie der aktuelle Mensch, ist eine Möglichkeit. Sie ist jedoch denklogisch nicht die einzige mögliche Schlussfolgerung, weil sie auf einer Wertung basiert. Die Wertung ist die, dass nicht die Frage entscheidet, ob der Embryo potentieller oder aktueller Mensch ist, sondern nur seine Kennzeichnung als Mensch. 177 Diese Einschätzung ist speziesistisch und man muss sie nicht teilen. 178 173
Breuer, C. (1995), S. 102. BVerfGE 39, 1, 37. 175 Merkel, R. (2001), S. 476 und Heun, W. (2002), S. 520. 176 Andernfalls wäre das potentielle Etwas das noch zu Werdende, womit die Potentialität keine Rolle mehr spielte. 177 Zum Problem, dass viele syllogische Schlüsse in den Obersätzen nicht Tatsachen i. S. v. objektiven Wahrheiten, sondern subjektive Ansichten des Urteilenden enthalten, siehe Fechner, E. (1987), S. 50. 174
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Festzuhalten ist damit, dass der „Schluss“ auf das (vermeintlich) selbe Schutzniveau eben höchstens auch nur das Schutzniveau des Embryonenschutzes betreffen, jedoch nichts über den personellen Status von Embryonen (oder Keimzellen) aussagen kann. Der entsprechende Schutz des Lebens kann nämlich theoretisch entweder auch über den objektiv-rechtlichen oder den vorwirkenden Gehalt der Grundrechte erreicht werden, sofern man beide Konstruktionen für zulässig hält. 179 Das Potentialitätsargument ist zudem denselben Kritikpunkten ausgesetzt wie das Kontinuitätsargument. Entscheidend fehlt es auch ihm an einem angemessenen Abgrenzungskriterium. Mit Bezug auf die Keimzelle kann man ebenfalls behaupten, dass sie potentielle Person sei, denn auch sie hat die Möglichkeit, sich zu einem geborenen Menschen zu entwickeln. 180 Dies meint erneut die Möglichkeit, durch natürliche oder künstliche Befruchtung ein neues Lebewesen zu generieren, genauso wie die atypischen Modi der Fortpflanzung (Parthenogenese und Klonen). Soweit ersichtlich, vertritt jedoch niemand die These, das Keimzellen Personen seien. 181 Wenn man diesen Widerspruch nicht für beachtlich halten mag, muss man jedenfalls anerkennen, dass die befruchtete Eizelle im Vorkernstadium dasselbe genetische „Potential“ hat, wie die kernverschmolzene Eizelle. Also ist jedenfalls aus diesem Grund der Befruchtungszeitpunkt als der maßgebliche für die Entstehung menschlichen Lebens falsch gewählt. 182 Zur Verteidigung des Potentialitätsarguments wird nun geltendgemacht, dass eine gedankliche Trennung zwischen der bloßen Möglichkeit, als dem Fall, in dem jedwede Verbindung von Elementen real denkbar ist und der realen Möglichkeit, d. h. der Existenz und der realen Anlage zur Ausbildung bestimmter Eigenschaften oder Tätigkeiten, nötig sei. 183 Andere Autoren sprechen hier von der Unterschei178
Siehe auch Schlink, B. (2002), S. 19 ff. und die obigen Ausführungen zum „SpeziesArgument“. 179 Zum Problem der Subjektivierbarkeit objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte und dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Verständnis von der Notwendigkeit einer subjektiven Grundrechtsposition siehe unten. 180 Spitzt man diesen Gedanken zu einem Extrem zu, dann hat die elterliche Entscheidung Geschlechtsverkehr zu haben, das Potential, in einen lebenden Organismus zu münden, weil sie die natürliche Grundvoraussetzung dafür ist, Kinder zu bekommen. Folglich dürfte keiner der am Geschlechtsverkehr Beteiligten sich diesem verweigern, Harris, J. (1989), p. 91; a. A. Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 104, die den Keimzellen nur eine „passive Potentialität“ zubilligen. Zur „aktiven Potentialität“ des Embryos müsse etwas hinzukommen – die Vereinigung der Keimzellen. Dass dies die atypischen Modi des Klonens und der Parthenogenese außer acht lässt, habe ich hinreichend oft bemerkt. Zu der irrigen Vorstellung, dass etwas „dazu käme“, siehe unten. 181 Auch die Passage im Gutachten A zum 56. DJT von Starck, C. stellt nicht auf den Status der Keimzellen, sondern auf die mit der Eizellspende verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten ab, um die Schutzwürdigkeit der Eizelle zu begründen, siehe oben. 182 Siehe oben, sowie auch Schroth, U. (2002), S. 175 f und Heun, W. (2002), S. 520. 183 Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 229 f.
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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dung in „possibility“ und „capacity“ 184 oder auch von „aktiver“ und „passiver“ Potenz 185. Teilweise wird auch zwischen Potentialität und Entelechie getrennt. Die Entelechie ist dabei zu verstehen als „kontinuierliche Entwicklungstendenz auf ein Ziel hin, das erreicht wird, wenn nicht von außen störende Eingriffe [ . . . ] dazwischentreten“. 186 Ei und Samenzelle bilden nach der Vereinigung ein neues Lebewesen, das – wenn bestimmte Rahmenbedingungen vorliegen und äußere Störungen ausbleiben – aufgrund der ihm eigenen, im Genom codierten Anlagen eine bestimmte Entwicklung nimmt, dem ein „Sein im Modus realen Werdens“ zukomme. 187 Dass für das Heranwachsen des Embryos bestimmte Rahmenbedingungen erforderlich sind, mache die ihm inhärente reale Potentialität nicht mit der der Keimzelle eigenen Potentialität vergleichbar, da deren genetische Anlagen noch nicht bestimmt bzw. unvollständig seien. 188 Hiergegen ist nun erneut auf die parthenogenetischen Fähigkeiten von Oozyten hinzuweisen. Unter bestimmten Umständen liegt die genetische Anlage schon in der Keimzelle vollständig vor, woran es meist fehlt, ist das zur Entwicklung nötige umgebende außerembryonische Gewebe. 189 Bei eingehender Analyse wird zudem deutlich, dass das Potentialitätsargument auch aus logischen Gründen nicht fruchtbar zu machen ist. Die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle generiert kein „höheres“ oder „anderes“ Potential. 190 Die getrennten Bestandteile können schon logisch ein geringeres Potential als das zusammengefügte Produkt nicht haben. Was sich tatsächlich ändert, ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines bestimmten Zustands; oder, um es im energetischen Sinne auszudrücken: Der aktuelle Mensch ist die Entladung des vorher bestehenden Potentials der Keimzellen. Dieses Potential muss zwangsläufig in jeder Phase gleich groß sein, um den aktuellen Menschen ausbilden zu können – mit zunehmender Entwicklung nähert man sich nur der Entladung dieses Potentials. Es erhöht sich mithin die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Zustandes. Worin soll nun der vorgeblich so signifikante moralische Unterschied zwischen einer Eizelle in einer Petrischale eine Sekunde vor und derselben Eizelle eine Sekunde nach ihrer Befruchtung bestehen, zumal, wenn man bedenkt, dass über die Verschmelzung allein die Handlung des die Keimzellen zusammenfüh184
Ruppel, K. / Mieth, D. (1998), S. 358, 369. Rager, G. (1996), S. 254, 274; eine Unterscheidung, die auf Aristoteles zurück geht. 186 Kriele, M. (1992), S. 102. 187 Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 230. 188 In diesem Sinne auch Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 104: „Spermien und Oozyten sind zwar menschliche Zellen, haben aber lediglich eine „passive“ Potentialität, um einen Menschen hervorzubringen. Erst wenn noch Wesentliches hinzukommt, nämlich die Vereinigung von beiden in der Befruchtung, entsteht der Embryo.“ 189 Siehe oben. 190 So auch Merkel, R. (2001), S. 480. 185
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
renden Menschen entscheidet? 191 In beiden Situationen unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung nur minimal. In Fällen, in denen der den Prozess steuernde Forscher oder Arzt von vornherein vorhatte, den Entwicklungsprozess zu stoppen, war die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines „aktuellen“ Menschen sogar in allen Phasen gleich – nämlich nahe Null. Auch mit Blick auf die „natürliche“ Entwicklung des Embryos ist zu konstatieren, dass die Wahrscheinlichkeit des Erreichens eines Zustands als aktueller Mensch bspw. nach der Nidation wesentlich höher ist als vor ihr. 192 Ein Großteil der befruchteten Eizelle wird nicht zum „Menschen“, weil sich dieser Teil der Zellmasse zum Trophoblasten ausbildet. Zur Wahrheit um die (oft für das hohe Schutzniveau als entscheidend gekennzeichnete) Totipotenz der Zygote gehört nämlich auch zu sagen, dass die Zellen des frühen Embryos mit großer Wahrscheinlichkeit eine Entwicklung zu individuellem menschlichen Leben nicht durchlaufen, sondern sich zu Gewebe ausdifferenzieren, dass den Embryo ernährt. Mithin ist die Wahrscheinlichkeit, zu embryonalem Gewebe zu werden, für alle Zellen im Blastozystenstadium vor der Einnistung in die Gebärmutter wesentlich geringer als danach. Das rechtfertigt es zu sagen, dass – bemessen nach der Wahrscheinlichkeit – die Nidation einen wesentlich markanteren Schnitt in der Embryonalentwicklung darstellt als die Kernverschmelzung. Schließlich ist zu bemerken, dass das Potentialitätsargument bei der Lösung von Fragen, denen wissenschaftlich-technische Entwicklungen zugrunde liegen, als Argument jedenfalls dann ungeeignet ist, wenn man die wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse ausblendet. 193 Letztlich setzt die gängige Argumentation nämlich voraus, dass man allein die natürliche Potentialität berücksichtigt, ohne dem Fakt Rechnung zu tragen, dass durch moderne Techniken die „Potentiale“ 194 der vermeintlichen Vorstufen menschlichen Lebens in einem ganz anderen Licht erscheinen, als dies noch vor Jahren angenommen wurde. 195 Das Potentialitätsargument ist also auch deshalb kritikwürdig, weil ihm die Wertung zugrunde liegt, dass das natürliche Vermögen für die Beurteilung des Status ausschlaggebend sei und es diese Wertung ohne Begründung behauptet. 196 191 So auch Singer, P. (1994), p. 88; siehe auch das entsprechende Beispiel bei Lockwood, M. (1985), pp. 19. 192 In diesem Sinne auch Schlink, B. (2002), S. 14. 193 Kritik an der Vorstellung, man könne die wissenschaftlich-technischen Fortschritte für die ethische Bewertung ausblenden, findet sich auch bei Schlink, B. (2002), S. 19. 194 Wie oben ausgeführt, handelt es sich in Wahrheit um Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen. 195 Durch die Zellkerntransplantation hat zumindest theoretisch auch jede Körperzelle die Potenz zu einem menschlichen Lebewesen zu werden. Allerdings weist das Verfahren sehr hohe Misserfolgsraten auf. 196 Zumindest als theoretischer Ausgangspunkt der hier zu behandelnden Problemstellungen muss gelten, dass in letzter Konsequenz durch wissenschaftlichen Fortschritt alles
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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Damit ist das Potentialitätsargument seiner vermeintlich zwingenden Logik entkleidet und auf die Wertungsfrage zurückgeworfen, warum das Potential des Embryo es gebiete, ihn genauso zu behandeln wie den aktuellen Menschen. Das dies kontraintuitiv ist und tatsächlich auch keinesfalls geschieht, sei hier nur angemerkt. 197 IV. Personale Identität und Individualität Das Argument der personalen Identität meint, dass der Mensch vom frühesten Embryo an identisch sei mit allen seinen späteren Entwicklungsstufen bis hin zum Tod. 198 Versteht man allein das menschliche Genom als identitätsstiftend, ist man ersichtlich auf das Grundproblem des Speziesarguments zurückgeworfen, nämlich das des Speziesismus. Die Ausstattung mit menschlicher DNS allein ist nicht identitätsstiftend, dazu bedarf es zusätzlicher Eigenschaften. Als notwendige Voraussetzung für eine Identitätsbildung lässt sich bspw. ein Minimum an mentaler Aktivität fordern. 199 Ob hierbei die Ausbildung des Gehirns oder nur erster nervlicher Funktionen nötig ist oder ob es auf das Kriterium des Wunsches nach einem Weiterleben 200 oder der Empfindungsfähigkeit 201 ankommen soll, kann hier zunächst dahinstehen, da weder der frühe Embryo noch Keimzellen diese notwendige Bedingung erfüllen. Sollte mit dem Hinweis auf die genetische Identität auf die Einzigartigkeit des jeweiligen menschlichen Lebens verwiesen werden, ist dies ebenfalls kein taugliches moralisches Kriterium. Einerseits ist nämlich auch jedes Tier und jede Pflanze einzigartig, so dass deutlich wird, dass die eigentliche Betonung auf der Einzigartigkeit menschlichen Lebens liegt. Diese Argumentation ist wieder speziesistisch und daher abzulehnen. Andererseits haben auch genetisch nicht einzigartige Lebewesen, wie eineiige Zwillinge oder Klone, ein Lebensrecht. Sonst müsste nämlich nicht nur dem Klon mangels Einzigartigkeit sein Lebensrecht möglich ist. Diese platte Erkenntnis ist zu trennen von der Frage, ob die Verwirklichung des Fortschritts in jedem Fall wünschenswert ist und hat für die Fragen der Bioethik jedenfalls zur Folge, dass Statusfestschreibungen basierend auf den natürlichen Gegebenheiten im besten Fall „künstliche“ Umgehungsstrategien befördern mit dem Resultat, dass die eigentlich zu bewertenden Handlungsbefugnisse sowieso ständig neu bewertet werden müssen. 197 Verwiesen sei bspw. auf die gesellschaftlich akzeptierte Zulässigkeit von Nidationshemmern, siehe auch Schroth, U. (2002), S. 176 f. 198 BVerfGE 88, 203. Schon hiergegen kann man kritisch anführen, dass die genetische Identität auch über das Lebensende hinaus eine Zeitlang bestehen bleibt. 199 In diesem Sinne auch der Träger des Paul-Ehrlich-Preises Wilmut, I. in der Stuttgarter Zeitung vom 15. 3. 2005. 200 So Hoerster, N. (2003), S. 531 f. 201 Merkel, R. (2001), S. 491 ff.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
aberkannt werden, sondern auch dem menschlichen Original, weil es mit dem Moment der Schaffung der Klon-Kopie seine genetische Einzigartigkeit verliert. Verbunden wird das Argument der personalen Identität mit der Behauptung, dass ab der Befruchtung individuelles menschliches Leben vorliege. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in den beiden Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch die Bedeutung der „Nicht mehr Teilbarkeit“ betont. 202 Dem ist zunächst aus tatsächlicher Sicht mit dem hinlänglich bekannten Hinweis auf die natürliche und künstliche Möglichkeit der Zwillingsbildung durch Splitting der Blastomere zu begegnen. Daher wird in der bioethischen Diskussion von einigen Autoren vertreten, dass erst ab einem Zeitpunkt etwa vierzehn Tage nach der Entstehung der Zygote, von einem individuellen und mit dem späteren Menschen identischen Menschen gesprochen werden könne. 203 Dies wird von anderen Autoren als biologisch nicht nachvollziehbar kritisiert, weil damit letztlich „die Entstehung des Individuums an die Umwandlung von Zellen des Ektoblast in mesodermale Zellen geknüpft“ werde. Vielmehr „müsse schon gezeigt werden, wie sich ein mit sich selbst identisches und sich in kontinuierlicher Entwicklung befindendes Wesen von einem Nicht-Individuum zu einem Individuum umwandeln kann“. 204 Die Kritik der nicht-biologischen Argumentation fällt jedoch auf die Vertreter der letzten Ansicht zurück. Ersichtlich ist die Umwandlung und Umorganisation von Zellen und Zellverbänden biologisch eine nicht weniger taugliche Abgrenzung als die der Entstehung eines humanspezifischen Genoms. Genau besehen 202 BVerfGE 39, 1, 37 und folgende Passage in BVerfGE 88, 203, 251 f: „Jedenfalls in der . . . Zeit der Schwangerschaft handelt es sich bei dem Ungeborenen um individuelles, in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegtes, nicht mehr teilbares Leben, das im Prozess des Wachsens und SichEntfaltens sich nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt.“, (Hervorhebung von mir). Mehr als die häufig zitierte Passage, in der sich das Bundesverfassungsgericht beiläufig fragt, „ob, wie es Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie nahe legen, menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht“, für den Lebensbeginn ab Kernverschmelzung streitet, taugt der Umkehrschluss aus dem Erfordernis der „Nicht mehr Teilbarkeit“ für die Begründung der Grundrechtsträgerschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt als der Konzeption. Dies deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht, die sich selbst beiläufig gestellte Frage nicht nur offen gelassen, sondern ausdrücklich als entscheidungsunerheblich gekennzeichnet hat. Ein obiter dictum hat (wenn überhaupt) geringere Relevanz als das explizite Erfordernis der „Nicht mehr Teilbarkeit“ für die Annahme menschlichen Lebens. Jedenfalls kann die beiläufige Passage des BVerfGE nur die Entstehung menschlichen Lebens insgesamt, nicht jedoch das Entstehen individuellen menschlichen Lebens begründen. 203 Hinrichsen, KV. (1991), B 2701 ff und Merkel, R. (2001), S 485 ff.. Teilweise und vornehmlich im anglo-amerikanischen Raum hat sich der Begriff vom „Pre-Embryo“ für die Phase bis zur Ausbildung der axialen Strukturen etabliert, siehe bspw. Ford, NM. (1988). 204 Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 92 f.
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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trifft der Einwand der mangelnden biologischen Individualität vor Ausbildung der Axialstrukturen jedoch vor allem den Punkt der mangelnden genetischen Identität als Individuum. Denn andernfalls müsste man sich folgendem Gedankengang anschließen: Vor dem Splitting soll eine Identität vorliegen, die nach dem Splitting in zwei weitere aufgeht, die ihrerseits wiederum beide mit der ursprünglichen Identität übereinstimmen!? Derselben schiefen Logik unterliegt auch die Embryonendefinition im Embryonenschutzgesetz (ESchG). Der embryonale Zellverband von zwei, vier oder acht totipotenten Zellen ist nach § 8 Abs. 1 1. Fall ESchG ein Embryo. Gleichzeitig soll jede einzelne dieser totipotenten Zellen im Falle der Herauslösung aus dem Zellverbund gemäß § 8 Abs. 1 2. Fall ESchG ebenfalls ein Embryo sein, aber nicht derselbe, wie vorher. 205 Ersichtlich jeweils eine Identität zuviel! Nun wird gegen diesen Einwand geltendgemacht, dass mit ihm gerade die individuelle Identität, die noch weitere Identitäten hervorbringen könne und deshalb hochgradig schutzwürdig sei, aus dem Personenbegriff herausfiele. 206 Diese Argumentation als Begründung für die Notwendigkeit der Zuweisung eines Personenstatus trifft jedoch nicht den Punkt, weil sie den Unterschied zwischen ihrer Tauglichkeit für die Zuweisung eines objektiv-rechtlichen Schutzes und ihrer Untauglichkeit für die Begründung eines (subjektiv-rechtlichen) Personenstatus verkennt. Sie setzt die Notwendigkeit von Schutz unzulässigerweise mit einem Anspruch auf grundrechtlichen Schutz gleich. Damit hat sich auch das Argument der personalen Identität für die Begründung eines Subjektstatus des frühen Embryos und von Keimzellen als untauglich erwiesen. V. Zusammenfassende Stellungnahme Es vertritt – soweit ersichtlich – niemand die Ansicht, dass Keimzellen ein Status als eigenes Grundrechtssubjekt zukäme. Die wohl herrschende Meinung in der juristischen Literatur sieht den Beginn menschlichen Lebens in der Verschmelzung der Kerne der männlichen und weiblichen Keimzelle. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens nicht entschieden und darüber hinaus offengelassen, ob dem jedenfalls ab der Nidation zu schützenden menschlichen Leben ein subjektiv-rechtlicher oder objektiv-rechtlicher Grundrechtsschutz zu teil wird. Auch die vom Bundesverfassungsgericht und der Literatur genannten Kriterien für die Begründung der Schutzwürdigkeit früher Formen der Entwicklung des Menschen sind für sich allein nicht geeignet zu begründen, warum menschliches Leben mit der Kernverschmelzung beginnen sollte. 205 206
Siehe dazu auch Röger, R. (2000), S. 56 f, der dies sogar für selbstverständlich hält. Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 92 f.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
Im Folgenden wird zunächst dargelegt, wann menschliches Leben nach der Meinung des Verfassers beginnt. Entscheidend geht es dann jedoch darum, ab wann die Grundrechtsträgerschaft des Menschen einsetzt. Damit verbunden ist die Frage danach, ob ab dem Beginn menschlichen Lebens notwendigerweise auch eine subjektive Grundrechtsstellung besteht. Der Beginn menschlichen Lebens ist keine Frage allein des Rechts. Sie scheint nur lösbar unter Zuhilfenahme der humanbiologischen Gegebenheiten. In der natürlichen Entwicklung des Menschen von den Keimzellen seiner Eltern bis zu seiner Geburt lassen sich viele markante Momente ausmachen. • Das Geschlecht des zukünftigen menschlichen Wesens ist schon in dem Moment bestimmt, in dem das Spermium die Eizelle penetriert. Das genetische Programm ist zwar noch nicht abschließend festgelegt, ein gewisses Maß an Individuation ist jedoch erreicht. • Nach dem Ausstoß des zweiten Polkörperchens (im Pronukleus-Stadium) steht das genetische Programm weitgehend fest. Für diesen Zeitpunkt als den maßgeblichen der Entstehung menschlichen Lebens lässt sich argumentieren, dass „ein neues humanspezifisches und zugleich individuelles Genom“ entstanden ist. 207 • Mit der Kernverschmelzung und Ausbildung der Zygote liegt die Erbsubstanz in einer Zelle vor, die beginnt, sich mitotisch zu teilen. Auch dies könnte man als den Beginn neuen Lebens ansehen. • Die Expression der individuellen Gene beginnt jedoch erst mit der dritten Furchungsteilung. Vorher findet nur eine Aufteilung, aber keine Zunahme der Embryonalmasse statt. Zudem fällt in diesem Stadium die Entscheidung darüber, welcher Teil der ursprünglichen Zellmasse tatsächlich zum Embryo und welcher Teil umliegendes Ernährungsgewebe wird. • Bis zu einem Zeitpunkt etwa vierzehn Tage nach der Entstehung der Zygote können sich durch das Splitting der Blastomere Zwillinge bilden; die abschließende Individualität wird erst jetzt erreicht. • Die erste Nerventätigkeit beginnt zu einem späteren Zeitpunkt; das Gehirn beginnt etwa um die 22. Woche nach der Fertilisation zu arbeiten. Mit Blick auf die herausragenden Fähigkeiten des menschlichen Gehirns lässt sich auch dieser Zeitpunkt als entscheidend bezeichnen. • Schließlich kann man noch auf den Moment abstellen, in dem der Fötus extrauterin überlebensfähig ist. Dies ist grundsätzlich und natürlicherweise mit dem Moment der Geburt gegeben. Die genannten Entwicklungsschritte können alle nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Mensch nicht geboren würde. Einen dieser humanbiologischen Entwicklungsschritte ohne weitere Begründung als den entscheidenden auszuweisen, 207
Honnefelder, L. / Rager, G. et al. (1997), S. 65.
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wäre daher willkürlich. Menschliches Leben vollzieht sich in einem Zirkel, in dem sich ein Beginn nicht ausmachen lässt. Die rechtliche Festlegung des Beginns menschlichen Lebens ist daher notwendig wertungsgebunden und muss weitere Kriterien, als diejenigen, die auf der Ebene der menschlichen Biologie zu finden sind, in den Blick nehmen. Diese Kriterien könnten die vom Bundesverfassungsgericht für den Schutz des menschlichen Embryos entwickelten sein. Indes kann keines der genannten Argumente für sich allein überzeugend begründen, wann menschliches Leben beginnt. Deshalb taugen die Argumente auch nicht dafür zu widerlegen, dass die Keimzelle ein Mensch nicht sein soll. 208 Die Keimzelle ist menschlich (Speziesargument). Sie ist Teil der kontinuierlichen Entwicklung des Menschen (Kontinuitätsargument), weil alles Leben auf der Erde, also auch das menschliche, einem kontinuierlichen Fluss unterworfen ist. Sie hat das Potential ein Embryo, Fötus und geborener Mensch zu werden, sei es durch Vereinigung der männlichen und weiblichen Keimzellen oder durch Parthenogenese und Klonen. Diese drei Argumente sprechen mithin nicht gegen die Einbeziehung der Keimzelle in den Begriff des Menschen. Gegen die Einbeziehung der Keimzelle in den Begriff Mensch lässt sich aber anführen, dass bei der natürlichen Fortpflanzung, die die Vereinigung von männlicher und weiblicher Keimzelle vorsieht, die Keimzelle mit dem Embryo nicht genetisch identisch ist. Die genetische Identität ist allerdings dann gegeben, wenn die Keimzelle geklont wird oder sich parthenogenetisch entwickelt. Damit schließt auch das vierte vom Bundesverfassungsgericht genannte Kriterium die Keimzelle nicht eindeutig vom Menschenbegriff aus. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn man zusätzliche Kriterien aufstellt. Ein wesentliches scheint zu sein, auf das Natürliche und Typische abzustellen. Natürlicher- und ganz typischerweise findet die Parthenogenese nicht statt, das Klonen ist ein gänzlich technischer Prozess. So betrachtet wäre die Keimzelle genetisch nicht identisch mit dem späteren Menschen und eine relevante Unterscheidung zwischen Embryo und Keimzelle gefunden. Gegen den Bezug auf das Natürliche spricht indes, dass bei der natürlichen Befruchtung die genaue Entstehung des Menschen tatsächlich nicht bestimmt werden kann. Erst die Erkenntnisse aus der In-vitro-Fertilisation haben einen Einblick in die frühe Embryonalentwicklung erlaubt. Es erscheint mithin zweifelhaft, durch den Bezug auf die natürliche Entwicklung des Menschen, hinter diese Erkenntnisse zurückzugehen. Gegen die Einbeziehung (wohl schon von Embryonen vor der Einnistung in den Uterus, jedenfalls aber von Keimzellen) spricht auch die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Geburt eines Menschen. 209 Die Keimzelle muss 208 209
Zur Kritik an den einzelnen Argumenten siehe oben. Siehe oben die kritischen Bemerkungen zum Potentialitätsargument.
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2. Teil: Der Status humanbiologischen Materials im Allgemeinen
erst reifen, dann befruchtet werden und sich in den Uterus einnisten. Anschließend muss die Schwangerschaft erfolgreich verlaufen. Diese Wahrscheinlichkeit ist angesichts der mehreren Millionen im Menschen veranlagten Keimzellen und einer Geburtenrate von 1,3 Kindern je Frau zumindest hierzulande äußerst gering. Entscheidend ist jedoch, dass ein Grundrechtsstatus eine Grundrechtsfähigkeit voraussetzt. Klassischerweise bedeutet Rechtsfähigkeit die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 210 Die Keimzelle und der Embryo 211 können vom Staat oder seinen Bürgern weder Rechte einfordern noch anderen Pflichten auferlegen. Die Zuschreibung subjektiver Rechte, ohne dass diese je geltend gemacht werden könnten, erscheint als reine Gewissensberuhigung. Man unterliegt dem Trugschluss, allein durch die Zuschreibung subjektiver individueller Rechte einen vollwertigen Schutz garantiert zu haben. 212 Dabei greift wirklichkeitsfremdes Recht im besten Falle nicht, im schlechtesten richtet es Schaden an. 213 Die so vorgenommene Zuschreibung von subjektiven Rechten ist auch deshalb kritikwürdig, weil es um Rechte geht und nicht um moralische Vorgaben. Die Belange des Embryos mögen für (viele?) Menschen wichtig sein und können daher moralische Vorgaben bilden. Diese können und dürfen für die Gesellschaft – durchaus jedoch für den Einzelnen – nicht in dem Maße verbindlich sein, wie es Rechtsnormen sind und sein müssen. Zwar ist das Recht von moralischen Vorgaben durchdrungen, es ist jedoch notwendigerweise stets nur Teilmenge der Moral. 214 Ein Grundrechtssubjekt charakterisiert sich aber auch dadurch, dass es nicht nur Rechts-, sondern auch Pflichtenträger ist. Das ist die Konsequenz daraus, dass das Recht die Gesellschaft als ein Beziehungsmodell regelt, bei dem Ansprüche zwangsläufig mit Pflichten korrespondieren. Keimzellen und Embryonen unterliegen jedoch keinen Pflichten. Pflichten begründen sich aus einem Verantwortungsverhältnis. Verantwortung setzt Empfindungsfähigkeit voraus. Für die Personenqualität ist mithin wenigstens die rudimentäre Ausbildung eines Zentralen Nervensystems Voraussetzung. Weder Keimzellen noch Embryonen haben ein solches. Damit sind Keimzellen und Embryonen schon aus diesem Grund keine aktuellen Grundrechtsträger. 210
Siehe (für das Zivilrecht) statt anderer: Staudinger, J. / Weick, G. (2004), Vorbem zu § 1 BGB, Rn 1. 211 Gemeint ist der Embryo als Embryo und nicht als der zukünftige geborene Mensch. Denklogisch ist also anzunehmen, der Embryo bliebe stets Embryo. 212 Erneut hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Rede der Bundesministerin der Justiz Zypries, B. vom 29. 10. 2003 in der Humboldt-Universität zu Berlin, in der sie darauf hinwies, dass es keinen Sinn mache, etwas „zu schützen“, dass der Staat realistischerweise nicht schützen kann. 213 Fechner, E. (1987), S. 43. Siehe aber auch die Kritik der Richter Mahrenholz, G. und Sommer, E. im Sondervotum zu BVerfGE 88, 203, 341. 214 Hübner, D. (2004), S. 67 ff.
3. Kap.: Der Status humaner Keimzellen
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Hinzu kommt, dass Embryonen (noch) nur im Mutterleib entwicklungsfähig sind. Erst mit dem Zeitpunkt extra-uteriner Lebensfähigkeit sind sie ohne die Mutter denkbar. Daher sind rechtliche Regelungen betreffend Embryonen in vivo stets an die Mutter adressiert. Der Schutz des Lebens des Embryos ist nur über den Zwang gegen die Mutter zu erreichen. Nur sie kann Normadressat sein. Der Embryo ist dagegen nicht Teil der Gesellschaft im rechtlichen Sinn, sondern bildet mit seiner Mutter ein separates System. Erst mit der Geburt wird er in rechtlich relevanter Weise Teil des gesellschaftlichen Beziehungssystems. Mit dem Moment extra-uteriner Lebensfähigkeit hat sich die Möglichkeit geboren zu werden in dem Maße realisiert, dass eine Grundrechtsträgerschaft angenommen werden kann. Von diesem Moment an können Dritte den Schutz des Lebens des (dann) Kindes durch Fürsorge gewährleisten, ohne dass dies notwendigerweise die (freiwillige oder zwangsweise) Mitwirkung der Mutter voraussetzt. Jetzt kann die Gesellschaft (und nicht nur die Mutter) Schutz gewährleisten. Somit beginnt die Grundrechtsträgerschaft mit dem Moment extra-uteriner Lebensfähigkeit. Für die weitere Bearbeitung bleibt festzuhalten, dass Keimzellen keine Grundrechtsträger sind. Sie können jedoch verfassungsrechtlich geschützte Objekte sein oder mittelbar über die Grundrechte ihrer Trägermenschen verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen. Dies wird im dritten und vierten Teil geprüft.
3. Teil
Die gleichheitsrechtliche Prüfung des Verbotes der heterologen Eizellspende Im dritten Teil dieser Arbeit wird das Verbot der heterologen Eizellspende unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft. Zwischen den Konzepten „Freiheit“ und „Gleichheit“ besteht ein Spannungsverhältnis. 1 Die Verwirklichung von Freiheit des Einzelnen beschränkt zwangsläufig die Freiheitsgrade anderer und insofern deren Anspruch auf Gleichheit in der Ausübung ihrer Freiheiten. Die strikte Gleichbehandlung führt wiederum zur Einschränkung der Ausübung persönlicher Freiheit des Einzelnen. Das Grundgesetz stellt dieses Spannungsverhältnis gleichwohl nicht in den Vordergrund. Der Gleichheitssatz steht selbständig neben den Freiheitsrechten; ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht nicht. 2 Hoheitliche Maßnahmen können und werden sehr häufig gleichzeitig in Freiheitsrechte eingreifen und Gleichheitsrechte verletzen. Vorliegend ist das Totalverbot der heterologen Eizellspende einerseits zu prüfen, weil es einen möglicherweise ungerechtfertigten Eingriff in das Freiheitsrecht auf Fortpflanzung darstellt. Andererseits könnte ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen, weil bspw. die heterologe Insemination zulässig ist. In der Literatur geht man weitgehend übereinstimmend davon aus, dass logische Gründe nicht dazu zwängen, zunächst die Verletzung des Freiheitsrechts zu prüfen. Vielmehr seien es pragmatische Gründe, so zu verfahren. Wenn der Schwerpunkt der möglicherweise verfassungswidrigen Maßnahme nicht eindeutig in der Verletzung des Gleichheitsrechts läge, sei zweckmäßigerweise mit der Prüfung der Verletzung des Freiheitsrechts zu beginnen. 3 Das Bundesverfassungsgericht hat teilweise allein die Verletzung des Freiheitsrechts geprüft, weil der eindeutig stärkere Bezug zu diesem bestand. Die Verletzung des korrespondierenden Gleichheitsrechts hat es nur im Rahmen der Prüfung der Verletzung des Freiheitsrechts geprüft. 4 Anderer1 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 473; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 14; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 3 ff. 2 Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 14, 124. 3 Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 124 und v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 275. 4 BVerfGE 30, 292 (312, 327).
3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
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seits hat es teilweise nur die Verletzung des Gleichheitssatzes geprüft, weil der Schwerpunkt in der Gleichheitswidrigkeit lag. 5 Schließlich hat es auch alternative Prüfungen durchgeführt. 6 Die Entscheidung, welche Verletzung – die eines Freiheits- oder die eines Gleichheitsrechts – den Schwerpunkt der Prüfung und damit ihren Beginn bildet, ist ihrer Natur nach eine prozessuale Erwägung. Sie ist an dem Begehren des Betroffenen auszurichten. Geht es ihm um die Beseitigung einer belastenden Maßnahme, so ist die Verletzung des Freiheitsrechtes vorrangig zu prüfen. Mit der Rüge der Verletzung eines Freiheitsrechts kann der Betroffene die Aufhebung der belastenden Maßnahme erreichen, mit der Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes hat er dagegen nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Dieser Anspruch auf Beseitigung der Ungleichbehandlung könnte auch durch Einbeziehung des anderen Teils des Vergleichspaars in den Regelungsbereich der belastenden Maßnahme erfüllt werden. 7 Der subjektive Anspruch auf Beseitigung der diskriminierenden Belastung ergibt sich aus den Freiheitsrechten. Für die zu erörternde Thematik des in Deutschland bestehenden Totalverbots der heterologen Eizellspende bedeutet dies, dass eigentlich mit der Prüfung der Freiheitsrechte der Frau zu beginnen wäre. Sollte das Verbot der Eizellspende ungerechtfertigt in ein Freiheitsrecht eingreifen, vermittelt die Verletzung des Freiheitsrechts die weitergehende Rechtsfolge. Das Verbot wäre nämlich zumindest in seiner bestehenden Form aufzuheben. Sollte das Verbot ein Freiheitsrecht nicht verletzen, dagegen aus geschlechtsspezifischen Gründen diskriminierend sein, verstieße es zwar gegen Art. 3 Abs. 2 und / oder Abs. 3 GG. Gleichwohl ist die aus der Verletzung des Gleichheitssatzes resultierende Rechtsfolge weniger weitgehend. Der Diskriminierung könnte nämlich auch dadurch abgeholfen werden, indem die heterologe Samenspende gleichfalls verboten wird. 8 Wenn in dieser Arbeit gegen diesen – rechtstechnisch wohl vorzugswürdigen – Prüfungsaufbau verstoßen wird, hat das folgenden Grund: Die beiden zentralen Argumente für das Verbot der Fremdeizellspende sind die mögliche Dreifachspaltung der Mutterschaft und die gegenüber der heterologen Insemination höhere operative Eingriffstiefe. Beide Argumente weisen zunächst eine quantitative Dimension auf. Die Dreifachspaltung der Mutterschaft (genetische, biologische und soziale Mutterschaft) sei ein Mehr gegenüber der nur zweifach spaltbaren Vaterschaft (genetisch-biologische Vaterschaft und soziale Va5
BVerfGE 75, 382 (393). So stellte es zum Beispiel in BVerfGE 85, 238 (247) fest, dass über die geltend gemachte Gleichheitswidrigkeit hinausgehende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen ein Freiheitsrecht nicht ersichtlich seien. Zum umgekehrten Fall der alternativen Prüfung siehe BVerfGE 84, 133 (158). 7 Umbach, DC / Clemens, T. / Paehlke-Gärtner, C. (2003), Art. 3 I GG, Rn 30 f und 70 f. 8 Dies ist m. E. zwar weder wünschenswert noch realistischerweise durchsetzbar, gleichwohl mögliche Rechtsfolge. 6
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
terschaft). Bezüglich der Tiefe des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit wird geltendgemacht, dass sie größer sei als bei der heterologen Insemination. Diese quantitativen Aspekte der Argumentation können nur in Relation zur heterologen Insemination, also in einer gleichheitsrechtlichen Prüfung, Wirkkraft erlangen. Für die freiheitsrechtliche Betrachtung ist die quantitative Aufspaltbarkeit von Mutterschaft und das größere operative Eingriffsrisiko wenig entscheidend. Hier sind qualitative Kriterien maßgeblich. Wichtig ist allein, dass eine Spaltung der Mutterschaft und ein körperlicher Eingriff durch die heterologe Eizellspende bewirkt wird und ob dies den Schluss auf das Verbotensein rechtfertigt. Entlang dieser beiden wichtigsten Einwände gegen die heterologe Eizellspende wird deshalb zunächst mit der gleichheitsrechtlichen Prüfung des Verbots begonnen. Sollte sich dabei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ergeben, ist ein endgültiges Ergebnis gleichwohl nicht gefunden, denn die Ungleichbehandlung könnte durch das entsprechende Verbot der heterologen Insemination beseitigt werden. Deshalb wird im nächsten Teil das Verbot der Fremdeizellspende anhand des Fortpflanzungsrechts freiheitsrechtlich geprüft.
1. Kapitel
Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG? In diesem Kapitel wird geprüft, ob Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt ist, weil die heterologe Insemination im Gegensatz zur heterologen Eizellspende nicht verboten ist. Außer in Deutschland und Dänemark wird in keinem anderen Land der Welt diesbezüglich differenziert. 9 Der WHO-Report 2002 nennt diese Tatsache „a strange anomalie“. 10 Den Prüfungsmaßstab bildet das spezielle Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, nach dem das Geschlecht nicht als Anknüpfungspunkt oder Begründung 11 für die Ungleichbehandlung von Mann und Frau herangezogen werden darf. 12 Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG bezweckt die Beseitigung bestehender 9 WHO / Dill, S. (2002), p. 260, Laufs, A. / Uhlenbruck, W. (2002), §129, Rn 40; Zumstein, M. (2001), S. 137 f. 10 WHO / Dill, S. (2002), p. 260. 11 Zu diesem Streit siehe unten. 12 Anders dagegen das Gutachten von Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 30 ff., das Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG zum Prüfungsmaßstab macht, ohne dies jedoch zu begründen.
1. Kap.: Ungleichbehandlung der Insemination und der Eizellspende
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rechtlicher Ungleichbehandlungen von Mann und Frau. Er knüpft also an vorhandene Rechtsnormen wie bspw. das Embryonenschutzgesetz an und weist deshalb den gegenüber Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG spezielleren Gewährleistungsinhalt auf. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG stellt demgegenüber „ein Gewährleistungsgebot auf und erstreckt dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit“. 13 Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist auch spezieller als der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 14 Dies deshalb, weil Art. 3 Abs. 1 GG für die speziellen Gleichheitsrechte die Auffangfunktion einnimmt, die Art. 2 Abs. 1 GG für die Freiheitsgrundrechte hat. Verstößt eine Maßnahme gegen ein spezielles Gleichheitsrecht, so verbleibt kein Raum für die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG. 15
A. Liegt eine ungleiche Behandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vor? Während § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG die heterologe Eizellspende ohne Ausnahme verbieten, war die heterologe Insemination mit Ausnahme des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG (postmortale Insemination) gesetzlich nie geregelt, mithin auch nicht verboten. Es bestanden lediglich standesrechtliche Regelungen. 16 Der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit der Samenspende im Gegensatz zur Unzulässigkeit der Fremdeizellspende nunmehr mit dem Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) 17 untermauert. Grundlage des Gewebegesetzes ist die Richtlinie zur Festlegung von Qualitätsund Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, die das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 31. März 2004 erlassen haben (und die bis zum 6. April 2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen). Gegenstand der Richtlinie sind Gewebe und Zellen, einschließlich der Geschlechtszellen, Art. 2 Abs. 1 der RL 2004/23/EG. 18 13
BVerfGE 85, 191, 206 f. BVerfGE 3, 225 (239 f.); 63, 181 (194); 68, 384 (390); 75, 40 (69); Maunz, T. / Dürig, G., Art. 3 III GG, Rn 1; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 126. 15 BVerfGE 13, 290 (296); 59, 128 (156). 16 BÄK (1998), S. A-3166 ff. Die heterologe Insemination wird als eine berufsethisch vertretbare Therapie eingestuft, siehe 73. Deutscher Ärztetag 1970. Sie ist nicht sitten- oder rechtswidrig, siehe den 56. Deutschen Juristentag. Sie ist international akzeptiert, siehe die Übersicht zu ausgewählten Ländern bei Englert, Y. (1998). Zwar gibt es auch Stimmen, die Bedenken gegen die heterologe Insemination äußern, siehe bspw. v. Schubert, H. (1991), S. 398 und Busse, B. (1988), S. 66 ff. Diese sind jedoch in der Minderzahl geblieben. Zur herrschenden Meinung siehe bspw. BGHZ 87, 169; BÄK (1998), S. A-3168 und A 3170 f.; Niederer, A. (1989), S. 147 und Junghans, C. (1987), S. 200. 17 Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen – Gewebegesetz vom 1. 8. 2007, BGBl. I 2007, S. 1574. 14
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind Blut- und Blutbestandteile, Organe und Organteile sowie Gewebe und Zellen, die innerhalb ein und desselben chirurgischen Eingriffs autolog 19 transplantiert werden und nicht Gegenstand eines Zell- und Gewebebankings 20 sind, Art. 2 Abs. 2 der RL 2004/23/EG. Ebenso sind Maßnahmen an Zellen und Geweben nicht von der RL 2004/23/EG erfasst, die nicht im oder am menschlichen Körper durchgeführt werden. Die reine in-vitroForschung ist daher nicht erfasst. 21 Die Richtlinie stellt Mindestanforderungen an die Sicherheit und Qualität derartiger Spenden, sie enthält sich weitgehend ethischer Vorgaben und Bewertungen 22 und stellt es den Mitgliedsstaaten ausdrücklich frei, strengere Kriterien einzuführen, Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der RL 2004/23/EG. Gleichwohl bewirken die Mindestanforderungen an Qualität- und Sicherheitsstandards, dass die in Deutschland ungeregelte Samenspende im Rahmen der Umsetzung der RL 2004/23/EG entweder in bereits bestehenden Gesetzen 23 oder in einem Fortpflanzungsmedizingesetz 24 gesetzlich geregelt werden musste. Das in Deutschland bestehende Totalverbot der heterologen Eizellspende wird somit durch die RL 2004/23/EG mittelbar berührt. Es bestand daher auch aus diesem Grund Anlass, das Verhältnis von ungeregelter heterologer Samenspende und verbotener heterologer Eizellspende zu überdenken. Der Gesetzgeber hat dies nicht getan und die Richtlinie als Artikelgesetz zur Änderung des Transplantations-, des Transfusions und des Arzneimittelgesetzes mit dem Gewebegesetz umgesetzt. Er hat zwar die Anwendungsbereiche der genannten Gesetze auf Keimzellen erweitert, inhaltlich eine neue Regelung zur materiellen Zulässigkeit von Keimzellspenden jedoch nicht getroffen. Der Gesetzgeber hat bspw. den Anwendungsbereich des Transplantationsgesetzes (TPG) auch auf menschliche Keimzellen erweitert, denn nach der Begriffsbestimmung des § 1 a Nr. 4 TPG n. F. sind Gewebe nunmehr auch einzelne menschliche Zellen und Zellansammlungen. Nach § 8 b Abs. 2 TPG n. F. ist die Samenspende unter denselben Voraussetzungen zulässig, wie die Übertragung von sonstigen Organen oder Geweben, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung gewonnen wurden. § 22 TPG n. F. stellt jedoch ausdrücklich klar, dass die Regelungen 18
Siehe auch Erwägungsgrund 7 der RL 2004/23/EG. Autolog meint, dass die Zellen derselben Person wieder reimplantiert werden, aus der man sie entnommen hat, siehe auch Erwägungsgrund 8 der RL 2004/23/EG. 20 Siehe Erwägungsgrund 8 der RL 2004/23/EG. 21 Siehe Erwägungsgrund 11 der RL 2004/23/EG. 22 Auf die von der RL 2004/23/EG aufgestellten allgemeinen Grundsätze der Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit und Rückverfolgbarkeit der Spende wird später zurückzukommen sein. 23 In Betracht kommen das TPG, das AMG oder das ESchG. 24 Hierfür hat der Bund seit 1994 gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG die Gesetzgebungskompetenz. 19
1. Kap.: Ungleichbehandlung der Insemination und der Eizellspende
105
des Embryonenschutzgesetzes unberührt bleiben. Daraus folge, „dass nunmehr auch menschliche Keimzellen entsprechend den Vorgaben der EG-Geweberichtlinie grundsätzlich vom Anwendungsbereich des TPG erfasst werden, jedoch nur, soweit Regelungen zur Qualität und Sicherheit in Umsetzung der EG-Geweberichtlinie getroffen werden und deren Gewinnung und Verwendung zur Übertragung nach den Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) im Rahmen der medizinisch unterstützten Befruchtung erlaubt ist“. Es folge auch, „dass nicht der Embryo als solcher vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst“ werde und „das durch das Embryonenschutzgesetz bestehende Schutzniveau für den Umgang mit menschlichen Keimzellen unangetastet“ bleibe. 25 § 1 Abs. 3 ESchG enthält zwar einen persönlichen Strafausschließungsgrund für die Spenderin und die Empfängerin. Direkter Adressat der Strafbewehrung ist der den medizinischen Eingriff Durchführende – regelmäßig also ein Arzt und / oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe. Insoweit liegt zwar noch keine geschlechtsbezogene Differenzierung vor. Trotz des persönlichen Strafausschließungsgrundes bleibt jedoch für die Spenderin und Empfängerin der Unrechtscharakter der heterologen Eizellspende bestehen. Die heterologe Eizellspende ist rechtswidrig und strafwürdiges Teilnahmeunrecht. 26 Die heterologe Keimzellspende des Mannes wird dagegen nicht strafrechtlich sanktioniert. Das Embryonenschutzgesetz differenziert mithin nach dem Geschlecht der Spender. Frauen werden außerdem in den durch die Medizin ermöglichten Formen von Fortpflanzung, jedenfalls jedoch in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit stärker eingeschränkt als Männer. Eine geschlechtsbezogene rechtliche Ungleichbehandlung liegt somit vor.
B. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als absolutes oder als grundsätzliches Anknüpfungsverbot oder als Rechtfertigungsgebot? Grundsätzlich darf der Gesetzgeber eine rechtliche Differenzierung wegen des Geschlechts nicht vornehmen, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Grundrechtsträger sind – wie sich schon aus dem Wortlaut der Norm ergibt – Menschen beiden Geschlechts, also Männer und Frauen. 27 Umstritten ist die Frage, ob das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene Differenzierungsverbot 28 nur als Rechtfertigungspflicht für mögliche Differenzierungen 29 oder als Verbot der Anknüpfung an die aufgeführten Merkmale wirkt. 30
25
Siehe die entsprechenden Ausführungen in BR-Drs. 543/06, S. 49 f. Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 26. 27 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 282; v. Münch, I. / Gubelt, M. (2000), Art. 3 GG, Rn 83; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 94. 28 Im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG entspinnt sich dieser Meinungsstreit vor allem an dem Verständnis des Wortes „wegen“. 26
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Teilweise wird vertreten, dass es sich bei Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG um ein striktes, absolutes Anknüpfungsverbot in dem Sinne handelt, dass jede Verwendung eines der genannten Merkmale als Differenzierungskriterium von vornherein und ohne mögliche Rechtfertigung ausscheidet: 31 „Die politische Frage, ob die in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten Ungleichheiten einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben – worüber erfahrungsgemäß verschiedene Meinungen möglich sind –, ist damit verfassungskräftig verneint. Ob der Geschlechterunterschied heute noch als rechtlich erheblich anzusehen ist, kann daher nicht mehr gefragt werden; diese Frage überhaupt zu stellen hieße, in einem circulus vitiosus die vom Grundgesetz bereits getroffene politische Entscheidung in die Hände des einfachen Gesetzgebers zurückspielen und Art. 3 Abs. 2 (und Abs. 3) GG seiner Bedeutung entkleiden.“ 32 Eine andere Meinung erachtet Differenzierung zwischen Männern und Frauen wegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zwar grundsätzlich für unzulässig. Eine Rechtfertigung für Differenzierungen sei jedoch in engen Grenzen möglich. Gründe seien insbesondere biologische Unterschiede oder besondere verfassungsrechtliche Anordnungen. 33 Eine dritte Meinung versteht Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG lediglich als Pflicht zur Begründung, dass die gerügte Sonderbehandlung gerade nicht wegen des Merkmales „Geschlecht“ erfolgt oder eintritt. Das Bundesverfassungsgericht verstand Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG zunächst nicht als absolute Differenzierungsverbote. Die Möglichkeit der Rechtfertigung der Anknüpfung an ein Differenzierungsmerkmal der Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG hielt es offen. 34 Es verlangte zunächst einen kausalen Zusammenhang zwischen dem in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Differenzierungsmerkmal und der Benachteiligung bzw. Bevorzugung. Folglich nahm es einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nur dort an, wo die Benachteiligung oder Bevorzugung intendiert war. 35 Begründet hat es dies im Wesentlichen mit dem Wortlaut des 29 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn. 497; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 340; Umbach, DC / Clemens, T. / Paehlke-Gärtner, C. (2003), Art. 3 I GG, Rn 126. 30 BVerfGE 2, 266 (286); 3, 59 (159); 3, 225 (240); 6, 389 (420), 43, 213 (225); Umbach, DC. / Clemens, T. / Sacksofsky, U. (2003), Art. 3 II, III 1 GG, Rn 307, 331; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 104; Maunz, T. / Dürig, G., Art. 3 III GG, Rn 157; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 340. 31 Sachs, M. (1987), S. 421 ff. Mittelbare Diskriminierungen sind jedoch nicht erfasst – dies sei Anwendungsbereich des Art. 3 I GG. 32 BVerfGE 3, 225 (240). 33 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 279, 296 ff, 303 ff. 34 Umbach, DC. / Clemens, T. / Sacksofsky, U. (2003), Art. 3 II, III 1 GG, Rn 309. 35 BVerfGE 39, 334 (368); 75, 40 (79).
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Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der eine Diskriminierung wegen eines dort genannten Merkmals untersagt. Seit seiner Entscheidung im 85. Band knüpfte das Bundesverfassungsgerichts nicht mehr an den kausalen Zusammenhang an. Vielmehr sei danach eine Anknüpfung an ein Merkmal des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich auch dann unzulässig, wenn die Benachteiligung oder Bevorzugung nicht bezweckt war. 36 Für die Annahme, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ein Anknüpfungsverbot darstellt und nicht als Rechtfertigungsgebot zu verstehen ist, spricht, dass die grundsätzliche Gleichberechtigung und -verpflichtung von Mann und Frau mittlerweile so prinzipiell und universal ist, dass dies schon vom allgemeinen Gleichheitssatz umfasst sein muss. Deshalb müssen die besonderen Gleichheitssätze einen über dieses allgemeine Postulat hinausgehenden Gehalt haben. Da jedoch schon der allgemeine Gleichheitssatz Differenzierungen ohne sachlichen Grund verbietet, mithin im Wesentlichen auf der Rechtfertigungsebene wirkt, muss der besondere Gehalt der speziellen Differenzierungsgebote auf der Ebene des (tatbestandlichen) Vergleichspaares liegen. Damit sind Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG als Anknüpfungsverbote zu sehen. 37 Fraglich ist dann noch, ob die Anknüpfung an das Geschlecht absolut gilt oder eng umgrenzte Ausnahmen zulässig sind. 38 Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich formuliert, dass „an das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar sind, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren.“ 39 Deshalb sind nach herrschender Meinung Regelungen, die im direkten Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Geburt oder der Stillzeit stehen, vor den Diskriminierungsverboten der Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG gerechtfertigt. 40 Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG wird mithin als Anknüpfungsverbot verstanden, wonach eine nach dem Geschlecht differenzierende rechtliche Regelung grundsätzlich unzulässig ist. Eine Diffe36
BVerfGE 85, 191 (206). Mit diesem Ergebnis auch v. Münch, I. / Gubelt, M. (2000), Art. 3 GG, Rn 86; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 95; Maunz, T. / Dürig, G., Art. 3 II GG, Rn 1. 38 Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 97, 99. 39 BVerfGE 85, 191 (209); 92, 91 (109). 40 Umbach, DC. / Clemens, T. / Sacksofsky, U. (2003), Art. 3 II, III 1 GG, Rn 348; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 98; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 296. Es fällt allerdings auf, dass in der Kommentarliteratur allein auf biologische Besonderheiten der Frau abgestellt wird. Exemplarisch: Maunz, T. / Dürig, G., Art. 3 II GG, Rn 13: Menstruation, Defloration, Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit, Klimakterium. Siehe aber auch BVerfGE 3, 225 (239 f.); 52, 369 (374); 74, 163 (179); 85, 191 (206). 37
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
renzierung kann aber ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn objektive biologisch-funktionale Unterschiede sie zwingend erfordern. 41
C. Die Rechtfertigung der zwischen den Geschlechtern differenzierenden Regelung Für die Zulässigkeit der nach dem Geschlecht differenzierenden Regelung der § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG wird geltendgemacht, dass „der Grad der Invasivität der Entnahme und die Differenz der leiblichen Verfasstheit (gespaltene Mutterschaft) hinreichend“ 42 sei. Zunächst wird geprüft, ob der Keimzellspende des Mannes und der Frau ein objektiver biologisch-funktionaler Unterschied zugrunde liegt. Anschließend ist zu klären, ob der ggf. bestehende Unterschied zwingend eine unterschiedliche rechtliche Regelung erfordert. I. Das Vorliegen eines objektiven biologisch-funktionalen Unterschieds 1. Die zellbiologischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Keimzellen Zunächst könnte auf der zellbiologischen Ebene ein signifikanter Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Keimzellen bestehen. Diesbezüglich werden folgende Charakteristika der jeweiligen Keimzellen hervorgehoben: Spermien seien mit der Ejakulation sichtbar. Sie lägen millionenfach vor und seien eine erneuerbare Ressource. 43 Beim Fortpflanzungsakt wetteiferten Millionen Spermien um die Penetration einer Eizelle. Sie unterlägen einer Ökonomie der Verausgabung, Eizellen einer Ökonomie der Knappheit. Eizellen seien nicht sichtbar und reiften im Verborgenen. 44 Dieser – im Wesentlichen auf quantitative Aspekte abstellenden – Sichtweise lässt sich zunächst qualitativ entgegenhalten, dass männliche Keimzellen für die Entstehung eines lebensfähigen Embryos regelmäßig ebenso notwendig sind wie Eizellen. Grundsätzlich können sich darüber hinaus aus beiden Geschlechtszelltypen in seltenen Ausnahmefällen Blastozysten und spätere Embryonen entwickeln. 45 Zudem ist zweifelhaft, ob quantitative Aspekte für die Bedeutung von 41
BVerfGE 35, 79, 148; 39, 169, 194 f; 57, 335, 346; 61, 210, 259. Siehe statt anderer Schneider, I. (2003), S. 59. 43 Diese Sichtweise ist gleichwohl alles andere als traditionell: Das Onanieren war in der römisch-katholischen Tradition lange verboten. Nach dem Verständnis der Kirche hatte der Sexualakt allein der Zeugung menschlichen Lebens zu dienen. Dazu streuten die kirchlichen Würdenträger ein wissenschaftliches Verständnis von der Onanie, nach dem sie zur Impotenz führen würde. Dieses Bild von männlichen Keimzellen als knappe Ressource hat sich im Volkstum bis in das letzte Jahrhundert gehalten. 44 Nachweise bei Schneider, I. (2003), S. 42. 42
1. Kap.: Ungleichbehandlung der Insemination und der Eizellspende
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Zellen überhaupt Relevanz haben. 46 Jedenfalls besteht das behauptete gravierende quantitative Ungleichgewicht zwischen den Keimzellen beider Geschlechter tatsächlich nicht. Auch der weibliche Körper hat in der Grundanlage Millionen Geschlechtszellen. Dieses Reservoir scheint fortlaufend durch embryonale Stammzellen aufgefrischt zu werden. 47 Schon in der natürlichen Konstitution beider Zelltypen ist der biologische Unterschied daher kaum auszumachen. Durch die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin wird er nahezu vollständig nivelliert. Weibliche Keimzellen sind ebenso sicht- und verfügbar geworden wie männliche. Eine Differenzierung auf zellbiologischer Ebene ist somit nicht zu rechtfertigen, weil ein zellbiologisch relevanter Unterschied zwischen beiden Keimzelltypen nicht besteht. 2. Die unterschiedliche operative Eingriffstiefe bei den Keimzellspenden Ein objektiver biologisch-funktionaler Unterschied könnte die unterschiedliche operative Eingriffstiefe bei der Gewinnung der Keimzellen sein. Männer seien beginnend mit der Pubertät daran gewöhnt, ihren Samen abzugeben. Deshalb würden auch weitaus mehr Samenzellen gespendet als Eizellen. 48 Die Eizellen der Frau würden dagegen nur mit medizinischer Hilfe sichtbar. Die Eizellspende stelle eine höhergradige Reproduktionstechnik, einen qualitativ anderen Schritt, dar. 49 Für die Spenderin bestünden nicht zu unterschätzende medizinische Risiken, insbesondere durch die hormonelle Stimulierung der Eierstöcke, das potentielle Verletzungsrisiko bei der Eizellentnahme sowie mögliche karzinogene Spätfolgen der Hormonpräparate. 50 Zunächst scheint dies zu überzeugen. 51 Bei der heterologen Insemination gewinnt man die Spermien ganz überwiegend durch Masturbation. Es bedarf nicht des Eingriffs in die körperliche Integrität. Medizinische Risiken bestehen im Prinzip nicht. Gleichwohl ist die unterschiedliche Eingriffstiefe nicht Gegenstand des Schutzzwecks der Norm des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG. 52 Dies ist auch 45
Siehe oben. Es erstaunt, dass hier quantitative Elemente angeführt werden von Bioethikern, die sich sonst energisch gegen utilitaristische Argumentationen wehren, siehe bspw. Schneider, I. (2003), S. 42. 47 Siehe oben. 48 Berg, G. (2001), S. 144 und Schneider, I. (2003), S. 42. 49 Würfel, W. (2001), S. 412. 50 Bernat, E. (1989), S. 221 ff, Schneider, I. (2003), S. 57; Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 10 ff. 51 Mit diesem Ergebnis Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 32 und 36. 52 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 1, 3 mit den Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren. 46
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
aus den folgenden Gründen bei der hier vorgenommenen gleichheitsrechtlichen Prüfung folgerichtig. Zunächst trifft das Argument der unterschiedlichen Eingriffstiefe nicht das hier in Rede stehende Vergleichspaar der heterologen Insemination versus heterologer Eizellspende, sondern das der Insemination versus Eizellspende insgesamt. Dies deshalb, weil nur die heterologe Eizellspende verboten ist, nicht jedoch die homologe und heterologe Insemination sowie – und dies ist entscheidend – die homologe Eizellspende! Denn bei der homologen Eizellspende unterliegt die (sich selbst) spendende Frau denselben körperlichen und gesundheitlichen Belastungen wie die einer anderen Frau Spendende. Bei der homologen Insemination wendet man sehr häufig die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) an. Die Spermien werden direkt aus den Hoden des Mannes punktiert. Es liegt mithin ein der Follikelpunktion vergleichbarer, jedenfalls operativer Eingriff vor. 53 Wäre also die unterschiedliche Eingriffstiefe ein taugliches Differenzierungskriterium, dürfte die heterologe Eizellspende gegenüber der homologen Eizellspende und Insemination (zumindest im Fall der ICSI) nicht unterschiedlich geregelt sein. Hiergegen wird nun eingewendet, dass zwischen der homologen und der heterologen Eizellspende aus folgendem Grund differenziert werden müsse: Bei der homologen Eizellspende bestehe ein Eigennutzen, der gegen die Schwere des körperlichen Eingriffs abgewogen werden könne. Dagegen stelle die heterologe Eizellspende als rein fremdnütziger Akt einen Bruch des Nicht-Schadens-Gebotes dar. 54 Dieses Argument ist jedoch rechtlich jedenfalls bei einer gleichheitsrechtlichen Betrachtung nicht durchdringend. Die Frage, inwieweit ein jeder sich einer Verletzung der eigenen körperlichen Integrität aussetzt, ist genuin freiheitsrechtlich. Der Einwand der Operationstiefe lässt sich auch tatsächlich nicht aufrechterhalten. Entsprechend einer wissenschaftlichen Studie, die sich mit den Erfahrungen von Eizellspenderinnen befasste, bereute keine der Spenderinnen die Spende. 55 Die Mehrzahl empfand die hormonelle Stimulation als problemlos und die Eizellentnahme als „einfach, schnell und schmerzlos“. 56 Die Beschwerden der Spenderinnen gingen meist in die Richtung, dass die Entfernung zur Klinik groß gewesen sei und diese wegen des Screening und Monitoring zu häufig aufgesucht werden musste. 57 Zudem ist das neue Verfahren der In-vitro-Maturation (IVM)
53
Dazu siehe oben. Schneider, I. (2003), S. 57. 55 Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 803. 56 Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 801. 57 Skoog Svanberg, A. et al. (2003), pp. 2205; Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 801, Kan, AKS. et al. (1998), p. 2765. 54
1. Kap.: Ungleichbehandlung der Insemination und der Eizellspende
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von Eizellen geeignet, die Gefahr eines Überstimulationssyndroms erheblich zu reduzieren. 58 Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten: Das Argument der Eingriffstiefe bezieht sich gerade nicht auf zwischen den Geschlechtern bestehende biologisch-funktionale Unterschiede. Wäre diese der Fall, müsste die Eizellspende insgesamt gleich, gegenüber der homologen Insemination mit ICSI annähernd gleich und gegenüber der heterologen Insemination unterschiedlich geregelt werden. Dies ist nicht der Fall. 3. Die Einmaligkeit der Schwangerschaft Vornehmlicher Einwand gegen die heterologe Eizellspende ist die Aufspaltung in eine genetische und biologische Mutterschaft. Damit einhergehend bestehe die Gefahr einer Dreifachspaltung der Mutterschaft. Die Verhinderung derselben ist Normzweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG. 59 Es wird geltend gemacht, dass die Aufspaltung ungeklärte Folgen für die Identitätsentwicklung des Kindes habe und möglicherweise das Kindeswohl gefährde. 60 Tatsächlich besteht ein biologischer Unterschied zwischen gespaltener Vaterschaft und gespaltener Mutterschaft. Die Vaterschaft kann nur in die genetische und die soziale Vaterschaft auseinanderfallen. Dagegen stimmen genetische und biologische Vaterschaft notwendig überein. Bezüglich der gespaltenen Mutterschaft kann jedoch zwischen genetischer, biologischer und sozialer Mutterschaft differenziert werden. Die Natur und die Menschheitsgeschichte kennt gespaltene Vaterschaften. Zwischen genetischer und biologischer Mutterschaft gespaltene Mutterschaften haben dagegen kein natürliches Vorbild. 61 Für die Schwangerschaft der Frau gibt es kein männliches Äquivalent. 62 Damit liegt ein biologischfunktionaler Unterschied vor. Auch wenn man dem nicht folgen wollte, könnte die vorliegende zwischen den Geschlechtern differenzierende Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG gerechtfertigt sein, wenn dies das Ergebnis einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht wäre. Diesbezüglich kommt die Wahrung des Kindeswohls aus Art. 6 Abs. 2 GG in Betracht. Die Argumente für eine mögliche Verletzung des 58
Siehe oben. Siehe oben, sowie Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1 ESchG. 60 Begründung des Regierungsentwurfs zum ESchG, BT-Drs. 11/5460, S. 6; EK REM (2002), S. 35 f. 61 Keller, R. (1989), S. 720. 62 EK REM (2002), S. 36, wonach das historische Faktum „mater semper certa est“ („Die Mutter ist immer gewiss“) aufgehoben werde; siehe auch Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), § 1591 BGB, Rn 8; Schneider, I. (2003), S. 55; zum Problem auch Kettner, M. (2001), S. 415. 59
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Kindeswohls durch Aufspaltung der Mutterschaft fußen letztlich jedoch auch auf dem Faktum der Einmaligkeit der Schwangerschaft der Frau. Insofern ist die Diskussion inhaltlich identisch. II. Macht der vorliegende biologisch-funktionale Unterschied eine unterschiedliche rechtliche Regelung zwingend erforderlich? Die an das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelung ist mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zwingend erforderlich ist. 63 Die Schwangerschaft der Frau ist ein (noch) einmaliges biologisches Faktum. Daraus folgt für sich genommen jedoch nicht zwangsläufig die Notwendigkeit unterschiedlicher rechtlicher Regelungen. Zunächst ist zu prüfen, ob die Einmaligkeit der Schwangerschaft und die Gefahr einer Dreifachspaltung der Mutterschaft unterschiedliche rechtliche Folgenormierungen, z. B. im Familienrecht, nach sich ziehen müssen. Exemplarisch sei die familienrechtliche Statuszuordnung des Kindes zu seinen Eltern betrachtet. Hier geht es darum, den genetisch / biologischen oder sozialen Vater und die genetische, biologische oder soziale Mutter als Eltern zu bestimmen. Bezüglich der Vaterschaft ist zwischen zwei, bei der Mutterschaft zwischen drei Optionen zu wählen. Natürlich folgt hieraus zumindest theoretisch, dass bei der Bestimmung der Mutterschaft ein Normierungsschritt mehr notwendig ist als beim Vater. 64 Zunächst ist jedoch aus tatsächlicher Sicht zu bemerken, dass das Argument der möglichen Aufspaltung in eine genetische, biologische und soziale Mutterschaft eher als theoretische Drohkulisse taugt, denn realistisches Szenario ist. Kinder von infertilen Paaren, die auf dem Weg der Eizellspende entstanden sind, sind fast ausschließlich Wunschkinder. Biologische und soziale Mutterschaft fallen hier fast nie auseinander – insoweit hat sich die Aufspaltung quantitativ auf ein Maß reduziert, dass bei der heterologen Insemination und der Adoption ebenfalls gegeben ist. 65 Dies gilt natürlich nur für die (tatsächlich ganz überwiegende Mehrzahl der) Fälle, 63
BVerfGE 85, 191 (209); 92, 91 (109). Zur Verdeutlichung des Gemeinten folgendes – zugegeben – simple Beispiel: Es seien die genetischen Eltern Mann und Frau A, die biologische Mutter Frau B und die sozialen Eltern Mann und Frau C. Mann und Frau C sollen statusrechtlich als Eltern definiert werden, Mann und Frau A sowie Frau B dagegen ausgeschlossen werden. Dann reicht für die Normierung der Vaterschaft: § 1 I Gesetz „Mann C ist Vater.“ § 1 II Gesetz: „Mann A ist nicht Vater.“ Bei der Mutterschaft bräuchte es gewissermaßen drei Absätze: § 2 I Gesetz: „Frau C ist Mutter.“ § 2 II Gesetz: „Frau A ist nicht Mutter.“ § 2 III Gesetz: „Frau B ist nicht Mutter.“ 65 Tatsächlich spaltet sich die Mutterschaft bei der heterologen Eizellspende ganz überwiegend nur in die genetische und die biologische / soziale, während sie sich bei der Adoption und der heterologen Insemination in die genetisch / biologische und die soziale Mutterschaft bzw. Vaterschaft teilt. 64
1. Kap.: Ungleichbehandlung der Insemination und der Eizellspende
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in denen nicht von vornherein ein Ersatzmutterschaftsverhältnis geplant ist. Es ist dann aber so, dass das Problem durch den Ersatzmutterschaftskontrakt und nicht durch die heterologe Eizellspende hervorgerufen würde. Denn die Problematik der Ersatzmutterschaft ist eine eigenständige und keinesfalls durch die Eizellspende bedingt. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG behandelt Ersatzmutterschaftsverhältnisse deshalb auch ausdrücklich unabhängig vom Verbot der heterologen Eizellspende in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG ist im Zusammenhang mit dem Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) 66 zu lesen. Nach diesem ist Ersatzmutter nicht nur die Frau, die bereit ist, einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen, § 13 a Nr. 2 AdVermiG (sog. reine Leihmutterschaft), sondern auch die Frau, die bereit ist, sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen, § 13 a Nr. 1 AdVermiG. Dies will das Gesetz jedoch nur dann verhindern, wenn die Frau aufgrund einer Vereinbarung das Kind nach der Geburt einem Dritten zur Adoption oder sonstigen dauerhaften Aufnahme überlassen will, § 13 a AdVermiG i. V. m. § 14 b AdVermiG. Konstituierendes Element der Ersatzmutterschaft ist also die geplante Abgabe des Kindes nach der Geburt. Dies unterscheidet die Ersatzmutterschaft von Fremdeizellspende, bei der die Eizellempfängerin das Kind behalten möchte. Das quantitative Mehr an Optionen begründet per se nicht die Notwendigkeit einer qualitativ unterschiedlichen rechtlichen Regelung. Hier wie da kann die Elternschaft gespalten sein. Diese Tatsache zwingt zu (irgend)einer Regelung. Eine unterschiedliche rechtliche Regelung zwischen der Zuordnung von Vaterschaft und Mutterschaft ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die biologische Mutterschaft qualitativ (nicht bloß aufgrund ihrer naturgegebenen Einmaligkeit) gegenüber der genetischen bzw. sozialen Elternschaft so bedeutend wäre, dass sie zwingend anders zu bewerten wäre. Hier verlässt man nun den Bereich der Gewissheiten und begibt sich auf das Feld von Vermutungen. Im Rahmen der Diskussion um das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts 67 gab es in der juristischen Literatur einen Disput darüber, welche der „Mutterschaften“ als die maßgebliche bestimmt werden sollte. 68 Letztlich hat der Gesetzgeber in § 1591 BGB die biologische Mutter als die rechtlich unverrückbar feststehende Mutter bestimmt. Diese Mutterschaft ist von der Eizellspenderin nicht anfechtbar, ganz im Gegensatz zur Vaterschaft. 69 Ein Mutterschaftsverhältnis zwischen der Eizellspenderin und dem Kind ist kein statusrechtliches Eltern-Kind-Verhältnis im Sinne des § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Kind kann daher seine Beziehung zur genetischen Mutter auch nur im Wege der Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO klären. 70 Die Mutter ist familienrechtlich also 66 Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz – AdVermiG) vom 27. 11. 1989, BGBl. I S. 2016. 67 Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG). 68 Siehe hierzu die Begründung zum Gesetzesentwurf auf BT-Drs. 13/4899. 69 Siehe § 1592 Nr. 3 BGB i. V. m. §§ 1600 d BGB.
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
sogar gewisser als die anfechtbare Vaterschaft. 71 Die statusrechtliche Zuweisung des Kindes zur biologischen Mutter ist im Ergebnis eine Wertung. Sie fußt auf der normativen Einschätzung, dass die biologische Mutterschaft die wichtigste sei. Für die Richtigkeit dieser Vermutung spricht viel. So ist kaum zu bestreiten, dass die biologische Mutterschaft für die Identitätsfindung des Kindes herausragende Bedeutung hat. 72 Deshalb weist die Rechtsordnung auch jedem Kind eine Mutter zu, nicht jedoch einen Vater. 73 Die Überlegung, ob unterschiedliche Folgeregelungen getroffen werden müssen, ist der hier diskutierten Frage der Zulässigkeit männlicher und weiblicher heterologer Keimzellspenden jedoch schon nachgelagert. Gerade das Beispiel der familienrechtlichen Zuordnung des Kindes zur biologischen Mutter macht deutlich, dass Folgeregelungen getroffen werden können, die dem Kindeswohl zu dienen bestimmt sind. Dann kann jedenfalls die Verbotsregelung der Zulässigkeit der Keimzellspende selbst (hier also das Totalverbot der heterologen Eizellspende) nicht mehr zwingend sein. 74 Im Ergebnis bleibt damit, dass die heterologe Eizellspende und Insemination unterschiedlich in den Beschränkungen ihrer Zulassung und v. a. in den notwendigen Folgenormen des Familienrechts geregelt werden können, aber nicht müssen. Es besteht eine generelle Vermutung dahingehend, dass gespaltene Elternschaften dem Kindeswohl nicht förderlich sind. Ob die genetisch-biologisch gespaltene Mutterschaft dem Kindeswohl mehr schadet als die sonstigen Formen gespaltener Elternschaft, kann ebenfalls (nur) vermutet werden. 75 Zwingende Gründe für eine unterschiedliche Behandlung bestehen indes nicht. Der Gesetzgeber hat zwar grundsätzlich einen weiten Prognosespielraum. Im vorliegenden Fall ist dieser jedoch durch das Anknüpfungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geschrumpft. Nur zwingende Gründe, nicht jedoch Vermutungen, können eine zwischen den Geschlechtern diskriminierende Regelung rechtfertigen. Das Verbot der heterologen Eizellspende gegenüber der zugelassenen heterologen Insemination verstößt somit gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. 70
Palandt, O. / Diederichsen, U. (2000), § 1591 BGB, Rn 2. Der Gesetzgeber sieht dies offensichtlich genauso, wenn er in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) schreibt: „In § 1591 BGB-E wird für die Fälle der Ei- oder Embryonenspende klargestellt, dass Mutter des Kindes im Rechtssinne allein die Frau ist, die das Kind geboren hat. Diese Regelung ist im Interesse der Vermeidung einer ,gespaltenen“ Mutterschaft . . . geboten“, BT-Drs. 13/4899 (Hervorhebung durch mich). Diese Wertung und der damit einhergehende Systembruch zwischen Vater- und Mutterschaft ist in der Literatur allerdings umstritten, siehe bspw. MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1592 BGB, Rn 43. 72 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 7. 73 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 35. 74 Zur Unzulässigkeit des Totalverbots der heterologen Eizellspende siehe den 4. Teil. 75 Zum Kindeswohl siehe unten. 71
2. Kap.: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG?
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Damit ist zunächst als Ergebnis gewonnen, dass die bestehende Ungleichbehandlung nicht aufrechterhalten werden kann. Die am Gesetzgebungsverfahren zum Embryonenschutzgesetz Beteiligten waren sich einig, dass das Embryonenschutzgesetz provisorisch und der fortlaufenden Beobachtung im Lichte des wissenschaftlich-technischen Fortschritts unterworfen ist. 76 Der Gesetzgeber hat nun durch das 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 77 die Kompetenz, eine umfassende Regelung der Fortpflanzungsmedizin vorzunehmen, Art. 74 Nr. 26 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG. Darüber wie er die festgestellte Diskriminierung – vorzugsweise im Rahmen eines umfassenden Fortpflanzungsmedizingesetzes – auflöst, ist dagegen noch nichts Abschließendes gesagt. Dies kann nämlich einerseits durch eine Angleichung der heterologen Insemination an die Verbotsgestaltung der heterologen Eizellspende, 78 andererseits durch die Aufhebung des Verbots der heterologen Eizellspende erreicht werden. Welcher dieser beiden Wege zulässigerweise zu beschreiten ist, ist Gegenstand der freiheitsrechtlichen Prüfung.
2. Kapitel
Die Ungleichbehandlung der heterologen Insemination und der heterologen Eizellspende – ein Verstoß gegen das besondere Gleichheitsrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG? Vorliegend könnten Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG neben Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu prüfen sein. Art. 6 Abs. 4 GG behandelt Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit und unterstellt diese dem Schutz der Verfassung. Die Norm stellt eine Ausnahme vom Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG dar. Nach der herrschenden Literatur enthält sie sogar ein Gebot zur Bevorzugung der Mutter. 79 Art. 6 Abs. 4 GG verbietet demgemäss Unterscheidungen, die seinem Schutzziel zuwiderlaufen. 80 76
Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 22, 25. 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. 10. 1994, BGBl. I, S. 3146. 78 Siehe die diesbezüglichen Erwägungen in der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“, BT-Drs. 11/1856, S. 9 f und die Nachweise bei Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B V, Rn 12 ff. Für eine solche Lösung auch Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Anh zu § 1592 BGB, Rn 22. 79 BVerfGE 32, 273 (277); Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P., Art. 6 GG, Rn 41; v. Münch, I. / v. Münch, EM. (2000) Art. 6 GG, Rn 49; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 306; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Robbers, G. (1999), Art. 6 IV GG, Rn 280. Art. 119 III WRV behandelte dagegen nur die Mutterschaft. 77
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Geschützt ist nur die leibliche, 81 nicht jedoch die genetische Mutter. 82 Zeitlich beginnt der Schutzumfang damit erst mit der Schwangerschaft. 83 Insofern gibt Art. 6 Abs. 4 GG auch ein Recht darauf, Mutter zu sein, 84 allerdings eben nur für den Zeitraum, in dem die Frau schon Mutter ist, so dass die Ausnahmevorschrift des Art. 6 Abs. 4 GG für den hier interessierenden Zusammenhang nicht trägt. Auch Art. 6 Abs. 1 GG enthält Sonderregelungen für Ehe und Familie. Er enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der den allgemeinen Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG verdrängt, 85 es sei denn, der Schutzgedanke des allgemeinen Gleichheitssatzes hat gegenüber der zu prüfenden Norm die stärkere Affinität 86 oder es stehen sich zwei widerstreitende Rechtspositionen gegenüber, die beide durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt werden. 87 Art. 3 Abs. 3 GG verdrängt er jedoch nicht automatisch. Die Anwendung der Normen hängt vielmehr von dem zu beurteilenden Sachverhalt ab. 88 Ausnahmen vom (absoluten) Differenzierungsverbot seien nur dann anzunehmen, wenn gegenläufige Güter von Verfassungsrang dies erforderten. 89 Das Sozialstaatsprinzip oder der Schutz von Ehe und Familie sind damit aber gerade nicht gemeint. 90 Dies deshalb, weil diese beiden Verfassungsgüter der Ausformung durch den Gesetzgeber bedürfen, dessen Gestaltungsfreiheit durch Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG gerade beschränkt ist. 91 Als Ausnahmevorschriften zugelassen sind also nur eng umgrenzte Lebensbereiche und nicht weitreichende Staatsprinzipien. 92 Mann und Frau sind deshalb auch in der Ehe gleichberechtigt. 93 Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 GG prägen das Ehebild und verbieten eine Festschreibung der Rollenverteilung, wenn dies der Frau zum Nachteil gereicht. 94 Art. 6 Abs. 1 GG stellt somit im hier interessierenden Zusammenhang keinen spe80
BVerfGE 65, 104 (113); 17, 210 (217). Ob Art. 6 Abs. 4 GG auch die soziale Mutter schützt, ist umstritten, siehe v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Robbers, G. (1999), Art. 6 IV GG, Rn 289 f. 82 Siehe v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Robbers, G. (1999), Art. 6 IV GG, Rn 289 f. 83 BVerfGE 55, 154 (157 f.); 32, 273 (277); 52, 357 (365). 84 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Robbers, G. (1999), Art. 6 IV GG, Rn 303. 85 BVerfGE 18, 257, 269; 29, 71, 79; zum Ganzen siehe oben. 86 BVerfGE 13, 290, 296; 75, 348, 357. 87 BVerfGE 66, 84, 94. 88 BVerfGE 13, 290 (296 f.); 75, 348 (357); v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 276; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 125. 89 Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 97. Beispiele für solche verfassungsrechtlichen Anordnungen sind Art. 6 IV, Art. 12 a IV 2 und Art. 12 a I GG. 90 Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 97; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 303. 91 v. Münch, I. / Gubelt, M. (2000), Art. 3 GG, Rn 88. 92 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 303. 93 BVerfGE 3, 225 (242); 10, 59 (66 ff.); Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 125; Umbach, DC / Clemens, T. / Sacksofsky, U. (2003), Art. 3 II, III 1 GG, Rn 296. 94 BVerfGE 85, 191 (207); 87, 1 (42). 81
3. Kap.: Ungleichbehandlung der Fremdeizellspende gegenüber Adoption
117
zielleren Gewährleistungsinhalt, als den schon in Art. 3 Abs. 3 GG beschriebenen, auf. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
3. Kapitel
Die Ungleichbehandlung der Fremdeizellspende gegenüber der Adoption Die Annahme als Kind (Adoption) ist die Begründung eines Eltern-KindVerhältnisses des Annehmenden zu dem Kind des Anzunehmenden, zu dem bisher eine Kindschaftsbeziehung nicht bestand, durch Willensakt. 95 Die Adoption hat neben dem Individualzweck der Behebung der Kinderlosigkeit des Annehmenden den fürsorglichen Zweck des Kindeswohls. Die Beachtung des Kindeswohl ist seit dem 1. Januar 1977 Voraussetzung der Adoption, § 1741 Abs. 1 BGB. Es ist weitgehend anerkannt, dass das Aufwachsen des Kindes in einer Familie sehr wichtig für seine gedeihliche Entwicklung ist. Die Adoption ist hierfür ein geeignetes Mittel. 96 Das wesentliche Argument gegen die heterologe Eizellspende ist die Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische, biologische und soziale. Wie oben ausgeführt ist das Argument der Dreifachspaltung nach den Erfahrungen im Ausland tatsächlich nicht haltbar. Bei der heterologen Eizellspende teilt sich ganz überwiegend nur die genetische und biologische Mutterschaft. Die Gebärende ist fast immer die soziale Mutter. Im Wege der Fremdeizellspende gezeugte Kinder sind fast ausnahmslos Wunschkinder. 97 Die Kinder werden gerade nicht nach der Geburt zur Adoption freigegeben, es sei denn, es handelt sich von vornherein um Leihmutterschaftsverhältnisse. 98 Leihmutterschaftsverhältnisse sind gesondert zu bewerten und kein Argument gegen die Fremdeizellspende an sich. Bei der Adoption spaltet sich die genetisch / biologische von der sozialen Mutterschaft. Quantitativ sind die heterologe Eizellspende und die Adoption damit vergleichbar. Ein Mehr an Aufspaltung wird durch die heterologe Eizellspende 95
MüKo / Maurer, HU. (2002), Vor § 1741 BGB, Rn 1. MüKo / Maurer, HU. (2002), Vor § 1741 BGB, Rn 4 und 6 mit Verweis auf entsprechende Studien und die Praxis der Jugendhilfe. 97 Auch Laufs, A. (2000), S. 2717 gibt dies zu, wenn er der Tragemutterschaft zubilligt, dass dieses „jedenfalls auch dem Kindeswohl verpflichtete Verfahren das menschliche Leben im Interesse anderer nicht planmäßig konditioniert“ preisgebe. 98 Zur Kritik an Leihmutterschaftsverhältnissen, aber auch zur eigenständigen Würdigung, siehe oben. 96
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
gerade nicht bewirkt. Die Adoption ist ein uraltes Institut und hat sich bewährt. Maßgebliches Kriterium ist das Kindeswohl. Warum sollte dann gerade die heterologe Eizellspende dem Kindeswohl zuwiderlaufen? Bei ihr erlebt die Mutter immerhin sogar die Schwangerschaft und Geburt. Dies verbürgt regelmäßig die wohl innigste Beziehung zum Kind, zumindest aber das gleiche Maß wie die Annahme nach der Geburt. Nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber deshalb die biologische Mutter zur verwandtschaftsrechtlich maßgeblichen Mutter bestimmt, § 1591 BGB. 99 Natürlich ist beachtlich, dass im Fall der Adoption eines Kindes eine Konfliktoder Notsituation vorliegt, aufgrund derer und aus der heraus die Spaltung von biologischer und sozialer Mutterschaft für das Kindeswohl vorzugswürdig sein kann. Diese Konfliktlage besteht bei der heterologen Eizellspende nicht. Indes geht es hier aber auch nur darum darzulegen, dass die Spaltung der Mutterschaft per se nicht den Schluss auf die Beeinträchtigung des Kindeswohls rechtfertigt, jedenfalls solange eine rechtlich gefestigte und sozial anerkannte dauerhafte statusrechtliche Zuordnung des Kindes gegeben ist. Dies ist mit der Zuweisung des Kindes zu seiner biologischen Mutter gegeben. Die Eizellspende kann man anders herum betrachtet auch als Eizelladoption begreifen. Während bei der Kindesadoption ein Grundrechtssubjekt rechtlich zugewiesen wird, ist dies bei der Eizellspende nicht der Fall. In beiden Fällen liegt eine Notsituation vor. Bei der Kindesadoption möchte die sterile Frau ein Kind, nicht anders als bei der Eizellspende. Insofern stellte sich die Fremdeizellspende als milderes Mittel gegenüber der Kindesadoption dar. Auch aus diesen Erwägungen ist das Totalverbot der Fremdeizellspende abzulehnen.
4. Kapitel
Die Ungleichbehandlung der Blut- und Organlebendspende und der heterologen Eizellspende Es fällt auf, dass über anderes humanbiologisches Material als Keimzellen grundsätzlich verfügt werden darf. So kann und wird Blut gegen eine Entschädigungszahlung gespendet. Bestimmte dafür in Betracht kommende Organe werden in zunehmendem Maße im Wege der Lebendspende transplantiert. 100 Zellen und 99 Zur Kritik an der mit § 1591 BGB vorgenommenen Abkehr vom Prinzip der genetischen Elternschaft siehe Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), § 1591 BGB, Rn 12 ff, der als einzig zu respektierende Begründung die Verhinderung von „unerwünschter Tragemutterschaft, Ei- und Embryonenspende“ sieht.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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Gewebe werden in großem Stil in Zell- und Gewebebanken gesammelt. Nur über weibliche Keimzellen darf nicht verfügt werden. Diese unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung könnte einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellen.
A. Der Schutzinhalt des Art. 3 Abs. 1 GG Die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nahm für Art. 3 Abs. 1 GG eine weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers an. 101 Hierfür war die höchstrichterliche Anwendung der auf Leibholz zurückgehenden sog. alten Formel verantwortlich. Diese verbot, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln. 102 Die eigentliche Frage, inwieweit der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung darüber, was gleich und was ungleich ist, in seinem Spielraum beschränkt ist, beantwortete das Bundesverfassungsgericht zunächst mit einem weitgehend unbestimmten Willkürverbot. 103 Der Gleichheitssatz war verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden ließ – kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden musste. 104 In seiner weiteren Rechtsprechung präzisierte das Bundesverfassungsgericht den materiellen Gehalt des Gleichheitssatzes dahingehend, dass eine Gleichbehandlung dann geboten sei, wenn Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht nicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. 105 Nach der neuen Rechtsprechung des Gerichts ist nunmehr beachtlich, ob die Ungleichbehandlung Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten hat 106 oder zugleich andere grundrechtlich verbürgte Positionen berührt. 107 Im Zusammenspiel des allgemeinen Gleichheitssatzes mit den speziellen Differenzierungsverboten und der Menschenwürdegarantie sowie der regelungsbedürftigen Materie ergeben sich für den Gesetzgeber Grenzen, die von einer bloßen Willkürkontrolle bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reichen. Hierbei sind Bezugnahmen auf unveräußerliche Merkmale von Differenzierungen zu unterscheiden, die an ein bestimmtes Verhalten oder dessen Ergebnis anknüpfen. 108 Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das 100
Siehe oben. BVerfGE 21, 329 (343); 39, 169 (186). 102 Umbach, DC. / Clemens, T. / Sacksofsky, U. (2003), Art. 3 II, III 1 GG, Rn 292. 103 BVerfGE 1, 14 (52); 2, 276 (281). 104 BVerfGE 1, 14 (16, 52); 18, 38 (46). 105 BVerfGE 55, 72, 88; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 3 GG, Rn 11; Dreier, H. / Heun, W. (1996), Art. 3 GG, Rn 20; Umbach, DC. / Clemens, T. / PaehlkeGärtner, C. (2003), Art. 3 I GG, Rn 61. 106 BVerfGE 62, 256 (274); 79, 212 (218); 82, 126 (146). 107 BVerfGE 60, 123 (134); 62, 256 (274);74, 9 (24). 108 Umbach, DC. / Clemens, T. / Paehlke-Gärtner, C. (2003), Art. 3 I GG, Rn 79. 101
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen fähig sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird. Grundsätzlich besteht hier jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, denn es obliegt der Freiheit eines jeden Einzelnen zu entscheiden, in welcher Weise er die Vorgaben beachtet. Dem entspricht die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts, die von der Beschränkung auf die Prüfung einer evidenten Unsachlichkeit des Differenzierungsgrundes (Evidenzkontrolle) bis hin zur detaillierten inhaltlichen Kontrolle der Differenzierungsgründe reicht. 109 Der Gesetzgeber unterliegt dagegen bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung wird umso enger, je mehr die Ungleichbehandlung auf Merkmalen der Personengruppe basiert, die sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. 110
B. Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte? Rechtliche Regelungen des Umgangs mit humanbiologischem Material finden sich, neben den erläuterten Regelungen des Embryonenschutzgesetzes, im Transplantations- und Transfusionsgesetz sowie im Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz. Der Deutsche Bundestag hat außerdem mit Beschluss vom 3. Dezember 2004 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen verabschiedet. Dieses umfasst gemäß Art. 1 Nr. 2 § 1 a Abs. 1 ausdrücklich auch Keimzellen. I. Das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesen (TFG) 111 „Blut ist ein ganz besonderer Saft.“ 112 Ihm wurde stets eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Es gilt als Träger des Lebens, der Seele und des Bewusstseins. Das Blut und seine Bestandteile sind spätestens mit der Entdeckung des Blutgruppensystems durch Landsteiner im Jahr 1900 und weiteren medizinischen Entwicklungen Anfang des 20. Jahrhunderts von Mensch zu Mensch medizinisch sinnvoll transfundierbar geworden. 113 In Deutschland werden jährlich ca. vier Millionen Blutspenden und 400.000 Liter Blutplasma entnommen. 114 Der Gesetzgeber hat deshalb das Blutspende- und Transfusionswesen mit dem Gesetz zur Regelung des Transfusionswesen – Transfusionsgesetz (TFG) vom 1. Juli 1998 normiert. 109
BVerfGE 55, 72, 88; 88, 87 (96 f.). Umbach, DC. / Clemens, T. / Paehlke-Gärtner, C. (2003), Art. 3 I GG, Rn 81. 111 Gesetz zur Regelung des Transfusionswesen – Transfusionsgesetz (TFG) vom 1. 7. 1998, BGBl. I 1998, S. 1752. 112 Mephisto in Faust I, Zeile 1741. 113 Schreiber, S. (2001), S. 15 ff mit den entsprechenden Nachweisen. 114 BT-Drs. 13/9594, S. 13. 110
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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Das Transfusionsgesetz hat nach seinem § 1 den Zweck, die sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Blutpräparaten zu gewährleisten. Mit seiner Novellierung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Transfusionsgesetzes und arzneimittelrechtlicher Vorschriften wird dieser Zweck nunmehr auch ausdrücklich um das Prinzip der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit ergänzt. 115 Das Transfusionsgesetz ist eine Sonderregelung auf dem Gebiet des Medizinrechts. Umfasst sind die Körpersubstanz „Blut“ sowie Blutbestandteile und -produkte, nicht jedoch andere transfundierbare Stoffe, § 2 TFG. 116 Mit der Novellierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Begriff der „Spende“ nicht nur auf die direkte Entnahme von Blut vom Menschen, sondern auch bei Menschen, mithin extrakorporal, erstreckt. 117 Der Spender muss sachkundig aufgeklärt werden und in die Entnahme einwilligen, § 6 TFG. Die Schriftform ist kein Wirksamkeitserfordernis, sondern dient der Beweisführung. 118 Es gilt außerdem ein allgemeiner Arztvorbehalt, § 5 TFG. Die Spende soll unentgeltlich erfolgen, § 10 TFG. Damit sind entgeltliche Spenden zulässig. 119 In Deutschland ist die Zahlung von Aufwandsentschädigungen die Regel. Diese Praxis hat der Gesetzgeber mit der Novelle des Transfusionsgesetzes auch ausdrücklich bestätigt, da auf den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen im Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung des 15. Deutschen Bundestages § 10 Satz 2 TFG wie folgt gefasst wurde: „Der spendenden Person kann eine Aufwandsentschädigung gewährt werden, die sich an dem unmittelbaren Aufwand je nach Spendeart orientieren soll.“ 120 Damit soll das Prinzip der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit der Blut- und Plasmaspende betont sowie die Aufwandsentschädigung begrifflich deutlicher gefasst werden. Insbesondere kann die Höhe der Aufwandsentschädigung an den, dem Spender tatsächlich entstandenen, Kosten orientiert werden. Gleichwohl bleiben eine Kostenpauschalierung 121 und sogar die entgeltliche Spende zulässig. 122
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BT-Drs. 15/4174, S. 13. Deutsch, E. (1998 b), S. 3377. 117 Insbesondere ist hiermit die Entnahme von Nabelschnurblut geregelt, BT-Drs. 15/ 3593, S. 8. 118 Schreiber, S. (2001), S. 82 und Deutsch, E. (1998 b), S. 3380. 119 Es erübrigen sich damit die von Schreiber, S. (2001), S. 48 f, angestellten Überlegungen, ob die Zahlung einer Aufwandsentschädigung per definitionem keine Entgeltlichkeit bewirken soll (so war es wohl in der Tat vom Gesetzgeber intendiert, siehe zu diesem Verständnis auch wieder die entsprechenden Ausführungen bei der Novelle des Gesetzes im Jahr 2004, BT-Drs. 15/4174, S. 14), weil – wie er selbst auf S. 49 in Fn. 113 ausführt – die Aufwandsentschädigung ein Minus zum Entgelt darstellt, so ders. auch auf S. 208. 120 § 10 S. 2 TFG i. d. F. des Gesetzes vom 10. 2. 2005, BGBl. I 2005, S. 234. 121 BT-Drs. 15/4174, S. 14. 122 Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Vor §§ 17, 18 TPG, Rn 4. 116
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Blut ist wie Keimzellen humanbiologisches Material. Es besteht aus Zellen, die jedoch ausdifferenziert sind. 123 Die Gewinnung des Blutes setzt einen körperlichen Eingriff voraus, der nur durch die Einwilligung des Trägermenschen gerechtfertigt werden kann. Ein der heterologen Eizellspende vergleichbarer Sachverhalt ist mithin gegeben. Im Gegensatz zu Keimzellen bestehen jedoch weitreichende Verfügungsbefugnisse über Blut. II. Das Transplantationsgesetz (TPG) 124 Die Organspende etablierte sich ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts 125 als eine Behandlung schwerstkranker Patienten bei denen das betreffende Organ nicht mehr funktionstüchtig ist. In den letzten zwanzig Jahren hat neben der bis dahin vorherrschenden postmortalen Spende die Bedeutung der Lebendspende zugenommen. 126 Grund hierfür ist die höhere Erfolgsrate aufgrund der elektiven Transplantation 127 und der hohen Bereitschaft an der Teilnahme von Nachsorgeprogrammen. Gleichwohl besteht nach wie vor eine gravierende Lücke zwischen dem Angebot transplantabler Organe und dem Bedarf. 128 Normativ geregelt hat der Gesetzgeber diese Materie durch das am 11. November 1997 im Bundesgesetzblatt erschienene und mit dem Gewebegesetz vom 1. August 2007 novellierte Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG). 129
123 Durch die zulässige Spende von Nabelschnurblut lassen sich adulte Stammzellen gewinnen. Diese Zellen sind zumindest pluripotent. Ob sie (wieder) totipotent werden können, ist Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. 124 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben – Transplantationsgesetz (TPG) vom 5. 11. 1997, BGBl. I 1997, S. 2631, novelliert durch das Gewebegesetz vom 1. 8. 2007, BGBl. I 2007, S. 1574. 125 Die erste erfolgreiche Organtransplantation war die Verpflanzung einer Niere im Jahr 1954 in den USA. 126 Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Vor § 8 TPG, Rn 1. Siehe etwa den Anstieg des Anteils der Nierenlebendspende an allen Nierenspenden von 2,7% im Jahr 1993 auf 19,1% im Jahr 2002 und der Lebersegment-Lebendspende an allen Leberspenden von 2,0% im Jahr 1993 auf 11,2% im Jahr 2002, Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Einl., Rn 40 und 65. 127 Aufgrund der guten Planbarkeit kann das Organ zeitnah verpflanzt werden und muss seine Arbeit i. d. R. nur eine Stunde unterbrechen. 128 Derzeit können etwa 20% der erforderlichen Organe transplantiert werden. Etwa 30% der Patienten versterben auf der Warteliste, siehe statt anderer Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Einl., Rn 13. 129 Nachweise zur (überlangen) Vorlaufzeit und Entstehungsgeschichte bei Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Einl., Rn 1 und Deutsch, E. (1998 a), S. 777.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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1. Regelungsinhalt Vom Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst waren zunächst menschliche Organe, Organteile oder Gewebe, § 1 Abs. 1 TPG a. F. Organe sind aus Zellen und Gewebe zusammengesetzte funktionelle Einheiten eines Organismus, 130 also Herz, Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Darm und Haut. Organteile im Sinne des Gesetzes sind Leberlappen und Lungenflügel. Gewebe ist ein durch spezifische Leistungen gekennzeichneter Verband gleichartig entwickelter differenzierter Zellen, also bspw. die Augenhornhaut, die harte Hirnhaut, Knochen, Knorpel und Sehnengewebe. 131 Das Transplantationsgesetz erfasste Ei- und Samenzellspenden aus mehreren Gründen zunächst nicht. 132 Bei der heterologen Eizell- und Samenspende (mittels ICSI) handelt es sich nicht um die Entnahme von Organen, Organteilen oder Gewebe, sondern von Zellen. Einzellige Organe gibt es definitionsgemäß nicht; die Keimzelle ist daher kein Organ i. S. d. Transplantationsgesetz. 133 Bei der Samenspende, bei der die Spermien durch Masturbation gewonnen werden, fehlt es auch am Merkmal der Entnahme. 134 In autogenen Konstellationen liegt der Zweck der Entnahme jedenfalls nicht in der Übertragung auf andere Menschen. Der Gesetzgeber hat nunmehr durch das Gewebegesetz den Anwendungsbereich des Transplantationsgesetz auch auf menschliche Keimzellen erweitert, denn nach der Begriffsbestimmung des § 1 a Nr. 4 TPG n. F. sind Gewebe auch einzelne menschliche Zellen und Zellansammlungen. In § 22 TPG n. F. stellt er aber ausdrücklich klar, dass die Regelungen des Embryonenschutzgesetzes unberührt bleiben. 135 2. Exkurs: Die Spende von Ovarien als eine Sonderform der heterologen Eizellspende? Der Eierstock ist ein Organ oder Organteil, das entnommen und auf eine andere Frau übertragen werden kann, wenn diese bspw. keine oder fehlgebildete Eierstöcke hat. Die Methode wird im Ausland praktiziert und hat im Jahr 2005 in den USA erstmals zur Geburt eines Babys geführt. 136 Wäre die Eierstockspende (allein) 130
Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 1 TPG, Rn 4. Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 1 TPG, Rn 1. 132 BT-Drs. 13/4355; Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 1 TPG, Rn 1, 4; Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 1 TPG, Rn 7; a. A. Deutsch, E. (1998 a), S. 778. 133 Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 1 TPG, Rn 7. 134 Zur Bedeutung dieses Merkmals siehe Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 1 TPG, Rn 2. 135 Siehe oben und die entsprechenden Ausführungen in BR-Drs. 543/06, S. 49 f. 131
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
nach dem Transplantationsgesetz zu beurteilen, wäre sie unter Einschränkungen zulässig. Nun ergibt sich hieraus ein Konflikt zum Verbot der Fremdeizellspende aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG. 137 Der Wortlaut des Embryonenschutzgesetzes spricht nur von der Übertragung von Eizellen, behandelt also nicht die Transplantation eines Organs. In der Begründung zum Embryonenschutzgesetz ist dagegen sowohl von Eierstöcken als auch einzelnen Eizellen die Rede. 138 Allerdings hat dies nur bedingte Aussagekraft, weil das Transplantationsgesetz sieben Jahre nach dem Embryonenschutzgesetz in Kraft getreten ist. Das Transplantationsgesetz nahm embryonale und fetale Organe und Gewebe zunächst explizit aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes hinaus, § 1 Abs. 2 TPG a. F. – nicht jedoch die Ovarien! Nach der Novellierung sind nunmehr sogar embryonale und fetale Organe und Gewebe nach den Regelungen des TPG übertragbar, da vom Anwendungsbereich des TPG erfasst, § 1 a Nr. 4 TPG n. F.. Für die Annahme, dass die Transplantation von Ovarien zumindest auch nach dem Embryonenschutzgesetz zu bemessen ist, spricht, dass die Ovarien die Eizellen enthalten und somit mit ihrer Transplantation stets eine Übertragung von Eizellen erfolgt. Damit wäre der speziellere Regelungsgehalt des Embryonenschutzgesetz einschlägig. Hiergegen lässt sich wiederum einwenden, dass das Embryonenschutzgesetz dem Sinn und Zweck nach befruchtungsfähige Eizellen betrifft. In den Ovarien sind die Oozyten jedoch in der Metaphase der Meiose II angehalten. Erst nach dem Eisprung, also mit dem Verlassen des Eierstocks, wird die Meiose II vollendet und die Eizelle befruchtungsfähig. Insofern lässt sich vertreten, dass das Embryonenschutzgesetz an etwas qualitativ anderes anknüpft. Im Ergebnis will der Gesetzgeber die Eierstockspende jedoch nach dem Embryonenschutzgesetz beurteilt wissen. Dies hat er nunmehr in § 22 TPG n. F. zum Ausdruck gebracht. 139
136 Die 25jährige Stephanie Yarber hatte seit ihrem vierzehnten Lebensjahr keinen Menstruationszyklus, ihre Hormonspiegel waren vermindert, die Eierstöcke vernarbt und die Gebärmutter verkümmert. Ihre Zwillingsschwester Melanie spendete ihr Gewebe ihres Eierstocks. Nur drei Monate nach der Transplantation setzte die Monatsblutung bei Stephanie wieder ein, sie wurde auf natürliche Weise schwanger und brachte am 7. 6. 2005 ein gesundes Mädchen zur Welt. Zum Ganzen siehe Silver, S. et al. (2005). 137 Die Transplantation von Hoden ist dagegen anderweitig ungeregelt und daher zulässig, Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 1 TPG, Rn 7. 138 Siehe die Begründung zum Entwurf des ESchG, BT-Drs. 11/5460, S. 7. 139 Siehe auch die Begründung in BR-Drs. 543/06, S. 50. Zum Ergebnis der Unzulässigkeit der Eierstockspende wegen § 1 I Nr. 1 ESchG siehe auch Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 11; Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 1 TPG, Rn 4 und Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 1 TPG, Rn 7.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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3. Die Lebendspende von Organen als Vergleichsmaßstab zur heterologen Eizellspende? Auch wenn das Transplantationsgesetz (TPG) die heterologe Eizellspende nicht erfasst, regelt es (neben der schon oben behandelten Samenspende in § 8 b TPG n. F.) in § 8 TPG eine Materie, die hierzu sehr enge Verbindungen aufweist – die Lebendspende von Organen. a) Grundvoraussetzungen der Zulässigkeit der Lebendspende Die Lebendspende ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig: 1. Die spendende Person muss volljährig und einwilligungsfähig sein, § 8 Abs. 1 Nr. 1 a TPG. Das Transplantationsgesetz orientiert sich hierbei nicht an der sonst für medizinische Heileingriffe ausreichenden natürlichen Einsichtsfähigkeit, sondern am Standard für nicht therapeutische Maßnahmen, wie in § 40 Arzneimittelgesetz (AMG). 140 Einwilligungsunfähige dürfen nicht spenden. 141 2. Der Organspender muss nach Aufklärung unter Anwesenheit eines zweiten Arztes in die Entnahme eingewilligt haben, §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 2 TPG. 3. Die medizinische Eignung muss bestehen. Der Spender darf über das bestehende Operationsrisiko hinaus voraussichtlich nicht gefährdet werden, § 8 Abs. 1 Nr. 1 c TPG. 4. Mit Blick auf den Empfänger gilt, dass die Lebendspende nötig sein muss, um das Leben des Empfängers zu erhalten oder eine schwer wiegende Krankheit zu behandeln, § 8 Abs. 1 Nr. 2 TPG. 5. Es gilt ein Arztvorbehalt, § 8 Abs. 1 Nr. 4 TPG. b) Diskussionswürdige Zulässigkeitsvoraussetzungen Neben diesen Voraussetzungen sind die zwei folgenden diejenigen, die nach Erlass des Transplantationsgesetzes zunehmender Kritik ausgesetzt sind und für revisionsbedürftig erachtet werden. aa) Subsidiarität der Lebendspende Die Lebendorganspende ist gegenüber der postmortalen Spende subsidiär, § 8 Abs. 1 Nr. 3 TPG. Dies bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Entnahme ein anderes, nach dem Tode entnommenes Organ nicht zur Verfügung stehen darf. Die Nachrangigkeit der Lebendspende hat der Gesetzgeber mit dem Allgemeinwohlinteresse begründet, die Gesundheit potentieller Spender zu schützen und voreiliges Han140 141
Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 8 TPG, Rn 5. BT-Drs. 13/4355.
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
deln zu verhindern. 142 Dieses Schutzinteresse als maßgeblich anzusehen, wird von Teilen der Literatur als im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens zulässige Regelung angesehen. Diese Sichtweise ist jedoch gravierenden Bedenken ausgesetzt. Die Lebendspende weist die eindeutig besseren Funktionsraten auf – mit der Subsidiaritätsregel wird dem Patienten die optimale Therapie gesetzlich verwehrt und in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ungerechtfertigt eingegriffen. 143 Die Regelung ist im Ergebnis nur hinnehmbar, weil sie aufgrund der langen Wartelisten die Lebendspende praktisch nie hindert. bb) Beschränkter Spenderkreis Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG ist die Lebendspende nicht-regenerierungsfähiger Organe nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten und zweiten Grades, Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte und auf andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen. Ziel dieser Regelung ist es, Organhandel zu vermeiden, die Freiwilligkeit der Spende sicherzustellen und Schutz vor voreiligen Entscheidungen zu gewähren. Die Regelung soll darüber hinaus dem Schutz vor Selbstschädigung dienen. Fremdnützige medizinische Interventionen sollen prinzipiell nur in engen Grenzen zugelassen und die Lebendspende auf einen überschaubaren Personenkreis beschränkt werden. Die Regelung geht davon aus, dass eine verwandtschaftliche oder vergleichbare enge persönliche Beziehung, die beste Gewähr für die Freiwilligkeit der Organspende biete. Die Zulassung der Lebendspende für Angehörige und enge Freundschaftsverhältnisse wurde damit begründet, dass ein Verbot der Hilfeleistung hier überzogen wäre. 144 Gegen die Beschränkung des Empfängerkreises bei der Organlebendspende ist zwar vielfach Kritik erhoben worden. Die Freiheit, anderen Menschen zu helfen und dabei Risiken einzugehen, sei über die freiheitsrechtliche Konzeption des Grundgesetzes grundrechtlich geschützt. Ein bevormundender Schutz des Spenders vor sich selbst vertrage sich damit nicht. Die Vorstellung gehe fehl, dass verwandtschaftliche oder sonstige persönliche Beziehungen zwischen dem Spender und dem Empfänger ein höheres Maß an Freiwilligkeit verbürgen würden. Gerade in der familiären Situation kann auf den Mitgliedern der Familie ein hoher Erwartungsdruck lasten, einem erkrankten Familienmitglied ein Organ zu spenden. Das Erfordernis der Freiwilligkeit könne durch verfahrensrechtliche Vorschriften gesichert werden. 145 Die erste Kammer des Bundesverfassungsgerichtes 142 BT-Drs. 13/4355; Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), Vor § 8 TPG, Rn 4 und § 8 TPG, Rn 9. 143 Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), § 8 TPG, Rn 22, ders. schon (1997), S. 152. 144 Zum Ganzen siehe BT-Drs. 13/4355, S. 20 und Nickel, LC. / Schmidt-Preisigke, A. / Sengler, H. (2001), § 8 TPG, Rn 14.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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hat gleichwohl mit Beschluss vom 11. August 1999 drei Verfassungsbeschwerden gegen § 8 TPG nicht zur Entscheidung angenommen. 146 Praktisch relevant wird die Beschränkung des Empfängerkreises bei der sog. Überkreuzspende (cross-over donation) und der anonymen ungezielten Lebendspende und den daraus ableitbaren Pool-Modellen. Bei der Überkreuzspende ist bei zwei Paaren jeweils ein Partner der Spender und der jeweils andere Partner der Empfänger. Medizinischer Grund für die Überkreuzspende ist die mangelnde medizinische Kompatibilität der sozialen Partner. Umstritten ist, ob die besondere persönliche Verbundenheit zwischen den Lebenspartnern ausreicht und eine darüber hinaus gehende persönliche Verbundenheit zu dem Spender aus dem anderen Paar nicht bestehen muss. Das Bundessozialgericht hat dies in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2003 verneint: Der jeweilige Spender und Empfänger müssen sich persönlich nah stehen. Allerdings sei der Umstand, dass Spender und Empfänger sich erst im Rahmen der beabsichtigten Spende kennen gelernt haben, nicht geeignet, eine besondere persönliche Verbundenheit von vornherein auszuschließen. Im Gegenteil könne aus der Krankheitserfahrung auf einen Gleichklang der Lebensverhältnisse geschlossen werden, der regelmäßig einen starken emotionalen Bezug herstelle. Andererseits begründe die Tatsache der Schicksalsgemeinschaft allein nicht das erforderliche Näheverhältnis. Es komme insofern stets auf die Prüfung des Einzelfalles an. 147 Bei der anonymen ungezielten Lebendspende (ALS) wird das Organ nicht zugunsten eines bestimmten dem Spender bekannten, sondern ihm unbekannt bleibenden Empfängers gespendet. Die ALS ist demgemäss nach dem Transplantationsgesetz unzulässig. cc) Stellungnahme Vorrangiges Schutzgut des Transplantationsgesetzes bei der Organlebendspende (aber auch bei der post-mortalen Spende) ist die Sicherung des Bestimmungsrechts über die körperliche Integrität durch das Erfordernis der Freiwilligkeit. Dieses Kriterium meint der Gesetzgeber, trotz der ihm bekannten und in der Sache zutreffenden Einwände in familiären Situationen, durch das Erfordernis des Näheverhältnisses, am besten zu sichern. Dagegen wird zu Recht geltendgemacht, dass das Maß an Freiwilligkeit bei der anonymen ungezielten Lebendspende am größten ist. Freiwilligkeit bedeutet nicht, frei jeglichen Zwangs zu entscheiden, sondern eine informierte Entscheidung zu treffen, bei der eine Wahlfreiheit besteht. Die anonyme ungezielte Lebendspende ist ultimativer Ausdruck von Altruismus, da persönliche Dankbarkeits-, Abhängigkeits- und Schuldgefühle keine 145 146 147
Gutmann, T. (1997), S. 147 ff; ders. (1999), S. 3388. BVerfG NJW 1999, S. 3399. BSG MedR 2004, S. 330 ff.
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
Rolle spielen. Diesem Befund entziehen sich die Gegner der ALS mit Hinweisen auf psychopathologische Spenderprofile im Sinne eines überzogenen Helfersyndroms und dem zu erwartenden geringen Organaufkommen, dass eine Regelung nicht lohne. 148 Dies zeigt, dass das Argument der Sicherung der Freiwilligkeit nur bei Bedarf und Verträglichkeit mit dem tatsächlich zugrundeliegenden Verständnis einer grundsätzlichen Unverfügbarkeit des Menschen über seinen Körper argumentativ eingeführt wird. Ein freiheitsrechtliches Verständnis liegt der Lebendspendekonzeption des Transplantationsgesetzes gerade nicht zugrunde. Dies ist kritikwürdig. 4. Zusammenfassung Unabhängig von der Diskussion um die einzelnen Beschränkungen der Organlebendspende bleibt für die weitere Bearbeitung festzuhalten, dass das Transplantationsgesetz die Lebendspende von Organen unter Einschränkungen zulässt. Verbunden mit der Spende ist ein massiver Gesundheitseingriff beim Spender. Gleichzeitig hat dieser Eingriff jedenfalls für den Empfänger auch einen hohen Nutzen. Warum sollte dann ein vergleichsweise harmloser Eingriff wie die hormonelle Stimulation der Frau und die Punktion einer Eizelle ohne Ausnahme verboten sein? III. Das Arzneimittelgesetz (AMG) 149 Nach § 3 Nr. 3 AMG sind menschliche Organe, Organteile, Gewebe und Zellen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, wenn sie dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind die in § 9 Satz 1 TPG genannten menschlichen Organe 150 sowie die Augenhornhaut, § 2 Abs. 3 Nr. 8 AMG. § 4 a Nr. 2 AMG n. F. schließt nach seiner Novellierung durch das Gewebegesetz nunmehr im Gegensatz zur früheren Regelung die Anwendbarkeit des Arzneimittelgesetzes auf die Gewinnung und das Inverkehrbringen nicht nur von Spermien, sondern auch Eizellen zum Zwecke der künstlichen Befruchtung explizit aus. Eine unterschiedliche Behandlung, die Anlass für eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG gäbe, besteht daher nicht (mehr).
148 So mehrfach Äußerungen im Plenum der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ und in ihrer Themengruppe „Transplantationsmedizin“. 149 Arzneimittelgesetz (AMG) vom 24. 8. 1976, BGBl. I 1976, S. 2445. 150 Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Darm.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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IV. Das Medizinproduktegesetz (MPG) 151 § 2 Abs. 4 Nr. 4 MPG nimmt menschliche Zellen vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Eizellen unterfallen daher nicht dem Medizinproduktegesetz. V. Die Richtlinie 98/44/EG (Biopatentrichtlinie) und ihre Umsetzung in das deutsche Recht Die RL 98/44/EG behandelt die Patentierbarkeit biologischer Materialen. Sie war bis zum 30. Juli 2000 umzusetzen. Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluss vom 3. Dezember 2004 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen verabschiedet. 152 Art. 1 Nr. 2 § 1 a Abs. 1 lautet wie folgt: „Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Genes, können keine patentierbaren Erfindungen sein.“
Keimzellen sind dem gemäß als nicht patentierbar ausdrücklich vom Gesetzeswortlaut erfasst und dem menschlichen Körper gleichgestellt. Dies wirft den Betrachter zunächst auf den Grunddiskurs zurück, ob der menschliche Körper Person oder Sache ist. Letztlich kann diese Frage aber gerade im Rahmen der Umsetzung der Patent-Richtlinie nicht beantwortet werden, weil das Patentrecht eine Sondermaterie ist. Nicht jede Sache ist per se patentierbar – es muss eine Erfindung mit den entsprechenden Anforderungen an die sog. Erfindungshöhe vorliegen. Die Begründung für die mangelnde Patentierbarkeit von Keimzellen ist nicht, dass diese Person seien, sondern dass sie etwas Vorgefundenes, also nicht Erfundenes seien. Damit ist für die statusrechtliche Einordnung nichts gewonnen.
C. Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Die Blut- und die Organlebendspende sind unter gewissen Einschränkungen in Deutschland zulässig, die Fremdeizellspende dagegen ohne Ausnahme verboten. Damit ist die Verfügungsbefugnis des jeweiligen Trägermenschen über sein humanbiologisches Material unterschiedlich geregelt. Fraglich ist, ob es hierfür einen sachlichen Grund gibt. In Betracht kommen wieder das Maß des Eingriffs in die körperliche Integrität der Spender sowie die qualitative Betrachtung des jeweiligen humanbiologischen Materials. 151
Gesetz über Medizinprodukte – Medizinproduktegesetz (MPG), BGBl. I 1994, S. 1963. 152 BT-Drs. 15/1709 = BR-Drs. 546/03 i. V. m. BR-Drs. 966/04.
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
I. Wieder: Die unterschiedliche operative Eingriffstiefe Im Gegensatz zur oben vergleichsweise untersuchten Samenspende, bei der die Spermatozoen regelmäßig durch Masturbation gewonnen werden, ist die Blut-, Organlebend- und Fremdeizellspende stets mit einem körperlichen Eingriff verbunden. In diesem Rahmen ist die Organlebendspende der schwerwiegendste und komplikationsträchtigste Eingriff. 153 Nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 TPG ist diese zur postmortalen Spende deshalb subsidiär. Auch darf sie nur für Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen, gespendet werden, § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG. Ein Verstoß gegen das Näheerfordernis ist mit Strafe bewehrt, § 19 Abs. 2 TPG. Diese restriktiven Regelungen gründen sich auf die Auffassung des Gesetzgebers, dass die Organentnahme für den Spender kein Heileingriff sei, sondern ihm körperlich schade und gesundheitlich gefährden könne. 154 Die allgemeine Freigabe der Lebendspende würde außerdem die Gefahr des Organhandels in nicht mehr kontrollierbarer Weise erhöhen. 155 Trotz aller Kritik 156 an der restriktiven Regelung des § 8 TPG und an dem damit verbundenen gesetzgeberischen Paternalismus, gilt es für den hier interessierenden Zusammenhang festzuhalten: Die Lebendspende von Organen ist – unter Einschränkungen – zulässig! Damit rechtfertigt sich ein „Erst-Recht-Schluss“: Wenn schon die Lebendspende eines Organs mit den gegenüber der Fremdeizellspende vielfach höheren Gefahren 157 und angesichts der Tatsache, dass die gespendeten Organe regelmäßig nicht regenerieren, 158 zulässig ist, dann erst recht die vergleichsweise risikoarme Spende von Eizellen, 159 bei denen zudem eine 153 Bei der Nierenlebendspende treten in etwa 1% der Fälle schwerwiegende Komplikationen auf. Das Mortalitätsrisiko liegt bei 0,03 – 0,06%. Dem steht jedoch eine 5-JahresÜberlebensrate von ca. 90 % gegenüber (bei der postmortalen Spende beträgt sie 70%). Bei der Lebersegment-Lebendspende, die die technisch anspruchsvollste Organtransplantation ist, liegt das Risiko schwerer Komplikationen vor allem beim Spender. In ca. 14,5% der Fälle gibt es hier wesentliche Komplikationen, das Letalitätsrisiko liegt immerhin bei 0,5%. Zum Ganzen siehe Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Einl., Rn 41 ff. und 66 sowie EK ERM (2005), S. 37. 154 BT-Drs. 13/4355, S. 20; auch EK ERM (2005), S. 35 und 37 f. 155 BT-Drs. 13/4355, S. 20. 156 Siehe vor allem Gutmann, T. (1999), S. 3388; Schroth, U. (1997), S. 1149, 1154 und Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), Vor § 17, 18 TPG, Rn 18. 157 Das Letalitätsrisiko liegt bei der Nierenspende bei 0,03 – 0,06% pro gespendetem Organ, bei der Leberspende bei 0,5 – 1,0 %, siehe EK ERM (2005), S. 37. 158 § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG erstreckt die Organlebendspende auch auf Organe, die sich nicht wieder bilden können. 159 Obwohl kanzerogene Folgen der hormonellen Stimulierung nicht belegt sind, besteht allerdings die Gefahr des Hyperstimulationssyndroms, dessen Auftreten gleichwohl ebenfalls selten ist. Der neue Ansatz der IVM von Eizellen reduziert diese Gefahr erheblich.
4. Kap.: Ungleichbehandlung der Organlebendspende und der Eizellspende
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große „Regenerierbarkeit“ 160 besteht. Nach einer reinen Risikobetrachtung müsste die heterologe Eizellspende im Gesamtgefüge der verschiedenen Formen von Verfügungen über humanbiologisches Material also (unter Beschränkungen) zulässig sein. Das Gesundheitsrisiko der Eizellspenderin ist nämlich irgendwo zwischen dem der fast risikolosen Samenspende, der relativ wenig riskanten Blutspende und der risikobehafteten Organlebendspende anzusiedeln. Hiergegen lässt sich denken, dass bei der Organlebendspende eine (mehr oder weniger akut) lebensbedrohliche Situation des Empfängers vorliegt. Dies unterscheide sich von der Lage der Eizellempfängerin. 161 Man verlässt damit die Ebene der reinen Risikobetrachtung und führt eine Risiko-Nutzen-Abwägung ein. Kann diese nun das Verbot der heterologen Eizellspende rechtfertigen? Dann müsste eine solchermaßen vorgenommene Risiko-Nutzen-Abwägung ein zulässiges Differenzierungskriterium und der Nutzen der heterologen Eizellspende sehr gering sein. 162 Konkret stellt sich zunächst die Frage nach der logischen Zulässigkeit einer Risiko-Nutzen-Abwägung. Wie wollte man den Nutzen der Verfügung eines humanbiologischen Materials mit einem Zweck (z. B. die Spende einer Niere an einen Angehörigen zur Rettung seines Lebens) mit der Verfügung über anderes humanbiologisches Material zu einem anderen Zweck (z. B. die Spende einer Eizelle an eine andere Frau zur Ermöglichung der Geburt eines Kindes) in Beziehung setzen? Innerhalb einer Risiko-Nutzen-Abwägung lässt sich ein Vergleich nur logisch sauber durchhalten, wenn der Handlungszweck derselbe ist, denn dieser determiniert den Nutzen. Der Handlungszweck zwischen der Organlebendspende und der heterologen Eizellspende ist jedoch verschieden. Folglich kann man innerhalb einer Risiko-Nutzen-Abwägung nur diejenigen Handlungen vergleichen, die denselben Zweck haben; im vorliegenden Zusammenhang also die verschiedenen Formen der Insemination und der Eizellspende. 163 Die beschriebene logische Untauglichkeit des Vergleichs stellt sich dann auch konkret bei der Betrachtung der Frage: Ist die Fremdeizellspende weniger nützlich als die Blut- und Organlebendspende? Bei der Organlebendspende geht es um die konkrete, bei der Blutspende meist um eine abstrakte Rettung von Leben, jedenfalls um Lebensqualitätsverbesserung. Die Fremdeizellspende mit anschließendem Embryonentransfer schafft neues menschliches Leben. Sollte letztes in 160 Natürlich regeneriert sich die einzelne gespendete Eizelle nicht. Es besteht jedoch ein großer Pool an Eizellen, wobei dessen Endlichkeit (Stichwort: embryonale Stammzellen) noch nicht abschließend erforscht ist, siehe oben. 161 Österreichischer VfGH vom 14. 10. 1999, B. 2.6.4. 162 Das Gesundheitsrisiko bei der Organlebendspende ist verglichen mit der Eizellspende höher. Da der Nutzen der Organlebendspende sehr groß ist, müsste der Nutzen der Eizellspende dementsprechend gering ausfallen. 163 Dazu siehe oben.
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3. Teil: Die gleichheitsrechtliche Prüfung
grundrechtlich relevanter Weise weniger nützlich sein als erstes oder zweites? Die einzelnen Grundrechte stehen (mit der Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht) nicht in einem Über- / Unterordnungsverhältnis. Haben die jeweiligen Empfänger des humanbiologischen Materials grundrechtliche Ansprüche, 164 so sind diese grundsätzlich stets gleichwertig. Konkret meint dies, dass niemand die Spende humanbiologischen Materials verlangen kann. 165 Es besteht jedoch ein Anspruch darauf, dass der Staat Risiko und Nutzen medizinischer Eingriffe nicht gegensätzlich bewertet, wenn jeweils freiheitsrechtliche Ansprüche dahinterstehen. Entscheidend ist damit letztlich wieder, dass eine Risiko-NutzenAnalyse nur bei der freiheitsrechtlichen Prüfung fruchtbar zu machen ist. II. Wieder: Die zellbiologischen Unterschiede und die Einmaligkeit der Schwangerschaft Zwischen Keimzellen und Körperzellen besteht in der natürlicherweise vorgegebenen Zellbiologie ein grundlegender Unterschied: Keimzellen sind totipotent, Körperzellen dagegen ausdifferenziert. Keimzellen entstehen durch meiotische Teilung, Körperzellen durch mitotische. Während letzte sehr häufig und schnell verläuft, ist erste ein seltenerer und langwierigerer Prozess. Spätestens in der dritten Woche der Schwangerschaft trennen sich die primordialen Keimzellen von den übrigen Körperzellen. Das Experiment von Stojkovic et al. zeigt jedoch, dass diese vorgegebenen Unterschiede durch die modernen Techniken der Zellmanipulation zunehmend nivelliert werden. Darüber hinaus scheinen die Ergebnisse von Johnson / Canning et al. und Eggan et al. darauf hinzudeuten, dass weniger die Keimzellen als vielmehr die embryonalen Stammzellen eine herausgehobenen Stellung beziehen. Gleichwohl ist derzeit festzuhalten, dass es vor allem für die Schwangerschaft der Frau keinen Ersatz gibt. Wieder rechtfertigt dies jedoch nicht die gravierende Ungleichbehandlung. Sowohl das menschliche Blut als auch seine Organe sind derzeit nicht ersetzbar. Gleich den Keimzellen sind sie unabdingbare Ressource für die Transfusions- und Transplantationsmedizin. Die gespendeten Zellen, Gewebe oder Organe beheben letztlich pathologische Zustände. Ob eine Organfehlfunktion oder Sterilität besteht, ist sekundär. Dies wird überdeutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass statt Eizellen ein Eierstock oder entsprechendes Gewebe verpflanzt werden kann; hier verschwimmen die Grenzen nunmehr völlig. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass auch gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG die derzeitige restriktive Regelung der Fremdeizellspende nicht gerechtfertigt ist. 164 Zur Frage, ob und woraus ein Anspruch auf die Verfügbarmachung von Keimzellen besteht, siehe den nächsten Teil dieser Arbeit. 165 Mangels Freiwilligkeit wäre stets eine strafbare Körperverletzung gegeben. Diese ist auch bei akuter Lebensgefahr des Empfängers nie gerechtfertigt oder entschuldigt.
4. Teil
Die freiheitsrechtliche Prüfung des Verbots der heterologen Eizellspende Das in Deutschland bestehende strafbewehrte Totalverbot der heterologen Eizellspende könnte außerdem freiheitsrechtlich verfassungswidrig sein. Es wirkt für infertile Frauen wie ein Verbot, sich mittels bestehender Reproduktionstechnologien fortzupflanzen. Begreift man Fortpflanzung in einem weiteren Sinne als die Weitergabe eigenen genetischen Materials, sind auch die Spenderinnen in ihrem Recht auf Fortpflanzung beschränkt. Jedenfalls unterliegen sie einer Limitierung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Verbot der heterologen Eizellspende wird daher an den Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie eventuell an Art. 2 Abs. 1 GG geprüft.
1. Kapitel
Art. 6 Abs. 1 GG Art. 6 GG bietet zunächst mit seinen Absätzen 1, 2 und 4 mehrere Ansatzpunkte für die Prüfung des Verbots der heterologen Eizellspende, die von einander abzugrenzen sind. Anschließend wird entgegen der klassischen Grundrechtsprüfung aus Gründen der Gewichtung zunächst der sachliche und dann der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG geprüft. Es folgt die Prüfung, ob ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt und dieser gerechtfertigt ist.
A. Zu den Vorschriften der Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 GG Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG regeln die pflegerische und erzieherische Beziehung von Eltern zu ihren Kindern. Sie sind Ausgestaltung und Verfestigung, mithin leges speciales, des Grundsatzes in Art. 6 Abs. 1 GG 1 und daher vorrangig zu prüfen. 1
Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 633 und BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III, Rn 5.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
Die aus Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG folgende elterliche Verantwortung und damit einhergehende Rechte knüpfen jedoch an das bestehende Eltern-Kind-Verhältnis an und setzen die Elterneigenschaft voraus. 2 Diese beginnt nach herrschender Ansicht erst nach der Zeugung. 3 Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG behandeln den Aspekt der Gründung der Familie daher nicht. Auch der in Art. 6 Abs. 4 GG verbürgte Schutz- und Fürsorgeanspruch der Mutter scheidet als Anknüpfungspunkt aus. Der Anspruch steht der werdenden Mutter als schwangerer Frau zu, nicht dagegen der Frau in ihrer allgemeinen Rolle als potentieller Mutter. 4 Die Vorschrift hat ausschließlich den Sachverhalt „Schwangerschaft / Mutterschaft“ im Auge, den biologischen Kerntatbestand, der Eltern und Familie erst entstehen lässt. 5 Die bereits bestehende Mutterschaft ist hier Voraussetzung. Damit kann ein Recht auf Fortpflanzung innerhalb des Art. 6 GG nur in seinem ersten Absatz zu finden sein.
B. Der sachliche Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG Art. 6 Abs. 1 GG ist sowohl Institutsgarantie 6 als auch Grundsatznorm und Grundrecht. 7 Er ist bindendes Verfassungsrecht 8 und verstärkt die Entfaltungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG im privaten Lebensbereich. 9 Gegen die Fremdeizellspende wird angeführt, dass der Wunsch nach einem eigenen Kind „um jeden Preis“ pathologisch und von Minderwertigkeitsgefühlen geprägt sei. 10 Es wird geltendgemacht, dass es ein Recht auf ein eigenes Kind nicht gäbe. Damit bestehe auch kein Schutzanspruch. 11 Die Grundrechte sind jedoch zunächst stets in ihrer grundsätzlichen Konzeption, als Abwehrrechte gegen den Staat, zu verstehen. Ein staatlicher Schutzanspruch braucht gar nicht begründet 2
BVerfGE 31, 194, 204; v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13; Zacher, HF. (2001), § 134, Rn 15. 3 Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 155; Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 32, 34, Brohm, W. (1998), S. 201. 4 BVerfGE 55, 154, 157 f; 88 203, 258; Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 44; Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 292. Diesbezüglich missverständlich erscheinen allerdings Äußerungen nach einem Recht auf Mutterschaft, siehe etwa Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 303. 5 Sachs, M. / Schmitt-Kammler, A. (1999), Art. 6 GG, Rn 79. 6 BVerfGE 10, 59, 66 f; 31, 58, 69 f; 80, 81, 92. 7 BVerfGE 6, 55, 72; 62, 323, 329; 80, 81, 92; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 18 ff; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 634. 8 BVerfGE 6, 55 (5. Leitsatz); Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 18. 9 BVerfGE 42, 234, 236; 57, 170, 178. 10 Laufs, A. (1987), S. 93, weitere Nachweise bei Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Fn. 3. 11 Mieth, D. (2001), S. 172.
1. Kap.: Art. 6 Abs. 1 GG
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zu werden. Hier geht es mit dem Verbot der heterologen Eizellspende um eine rechtliche Regelung, die freiheitsbeschränkend wirkt. Art. 6 Abs. 1 GG wird daher in seiner klassischen Ausprägung als Abwehrrecht geprüft. Aus dieser Funktion folgt die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, ungerechtfertigte Eingriffe in den Schutzbereich von Ehe und Familie zu unterlassen. 12 Ein evtl. bestehendes Fortpflanzungsfreiheitsrecht kann auch rein privatrechtlich aktualisiert werden. Nach einer Ansicht bedeute dies jedoch einen Paradigmenwechsel. Das Problem werde von der Zulassung von Heilbehandlungen in ein Problem der Fortpflanzung umdefiniert. Damit stelle sich die ethische und medizinisch-teleologische Frage, ob die Zielrichtung des ärztlichen Handelns, die bisher die Beseitigung von Fehlfunktionen war, zugunsten eines allgemeinen Rechts auf Fortpflanzung aufgegeben werden sollte. 13 Während man nämlich zumindest bei ausschließlich krankheitsbedingten Fertilitätsstörungen noch von einer Heilbehandlung sprechen könne, sei dies bspw. bei Frauen in der Menopause nicht mehr der Fall. 14 Jedoch hat dieser „Paradigmenwechsel“ längst stattgefunden. Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich von einem reinen Fürsorgeverhältnis qua überlegenen Arztwissens zu einem Verhältnis zweier prinzipiell gleichberechtigter Personen gewandelt. Es beruht auf dem Behandlungsvertrag und ist durch Dienstleistungselemente geprägt. Jede ärztliche Behandlungsmaßnahme, die ohne den (ausdrücklichen oder mutmaßlichen) Willen des Patienten vorgenommen wird, ist nach § 223 StGB rechtswidrig und strafbar, sei sie medizinisch auch noch so intendiert. Anders herum sind Maßnahmen wie Schönheitsoperationen, bei denen die medizinische Indikation häufig zweifelhaft ist, bei vorliegender Einwilligung des Patienten rechtskonform. Auf einen ärztlichen Heilauftrag kommt es also schon grundsätzlich gar nicht an. Zudem ist die Sichtweise verkürzt, dass bei der Fremdeizellspende eine Heilung nicht geschehe. Zuzugeben ist, dass die Infertilität der Eizellempfängerin nicht behoben wird. Ärztliches Handeln umfasst jedoch keineswegs nur das Heilen, sondern auch die palliative Betreuung des Patienten. Art. 6 Abs. 1 GG stellt die innerstaatliche Gemeinschaft „Familie“ unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dabei behandelt er ausdrücklich die Rechte der bestehenden Familie. Es ist naheliegend, den Akt der Gründung dieser Gemeinschaft ebenfalls vom Geltungsbereich der Norm erfasst zu sehen. 15 Nach ganz herrschender Ansicht ist daher die Entscheidung der Grundrechtsberechtigten über die Zahl der Kinder und über den Zeitpunkt, zu dem sie sie bekommen 12 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 642 ff; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 20; Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 24. 13 So Frommel, M. (2001), S. 425. 14 Woopen, C. (2001), S. 422; Würfel, W. (2001), S. 424. 15 So auch Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 644; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Robbers, G. (1999), Art. 6 GG, Rn 79; Höfling, W. (2001), S. 71 f; Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 3, 5 und Kingreen, T. (2004), S. 941.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
möchten, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. 16 Dagegen verstieße das generelle Verbot, Kinder zu bekommen. Aber auch Maßnahmen, die diese Bereitschaft mindern, sind verfassungswidrig, wenn sie nicht durch überwiegende verfassungsrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt sind. 17 Dafür, dass Art. 6 Abs. 1 GG als Anknüpfungspunkt eines Fortpflanzungsfreiheitsrechts betrachtet werden kann, spricht außerdem, dass die gegen die heterologe Eizellspende geltendgemachten Bedenken Kindeswohlbelange sind. Das Kindeswohl wird grundrechtlich in Art. 6 Abs. 2 GG geschützt. Es erscheint normsystematisch logisch, dass die abzuwägenden Interessen der Mitglieder der Gemeinschaft „Familie“ in einer Norm geregelt sind. Fraglich ist jedoch, ob das Recht auf Fortpflanzung aus Art. 6 Abs. 1 GG auch die Zeugung von Kindern unter Zuhilfenahme der Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin umfasst. 18 Hiergegen wird geltend gemacht, dass das Fortpflanzungsfreiheitsrecht nicht grenzenlos und beliebig realisierbar sei. 19 Unstreitig dürfte zunächst sein, dass der sachliche Schutzbereich auch die atypischen Modi der menschlichen Fortpflanzung wie die Parthenogenese umfasst, solange sie natürlicherweise auftreten. Fraglich ist aber, ob seine Grenze erreicht ist, wenn die Fortpflanzung durch technische Methoden überhaupt erst möglich wird. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 GG und seine Entstehungsgeschichte bringen keinen Aufschluss. Gegen die Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs auf die Modi der natürlichen Fortpflanzung spricht aber das Prinzip der extensiven Grundrechtsauslegung. Nach diesem ist in Zweifelsfällen diejenige Auslegung zu wählen, welche die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet. 20 Mit Blick auf den personellen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht dieses Prinzip angewendet und den Familienbegriff über die traditionelle Kleinfamilie hinaus erweitert. 21 Dies spricht dafür, auch den sachlichen Schutzbereich weit zu verstehen. 16 BVerfGE 66, 84, 94; 80, 81, 92; BFH FamRZ 1998, 161; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 644; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Robbers, G. (1999), Art. 6 I GG, Rn 92; Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 3, 5; AKGG / Richter, I. (1989), Art. 6 GG, Rn 16, 31; Sachs, M. / Schmitt-Kammler, A. (1999), Art. 6 GG, Rn 26, Umbach, DC. / Clemens, T. (2003), Art. 6 GG, Rn 30; Sina, S. (1997), S. 862; Kingreen, T. (2004), S. 941. 17 BK / Pirson, D. (2004), Art. 6 GG, Rn 51. 18 Dies ausdrücklich bejahend: Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 24 und Maunz, T. / Dürig, G. / Herdegen, M. (2005), Art. 1 I GG, Rn 93 mit dem Verweis auf Art. 6 GG. 19 Siehe statt anderer BÄK (1998), S. A-3170; Sachs, M. / Schmitt-Kammler, A. (1999), Art. 6 GG, Rn 26 und Zacher, HF. (2001), § 134, Rn 16. 20 BVerfGE 6, 55, 72; 32, 54, 71; 39, 1, 37. 21 BVerfGE 25, 167, 196 und 45, 104, 123 (nichteheliche Kinder); 57, 170, 178 (volljährige Kinder); 68, 176, 187 (Pflegekinder); 80, 81, 90 (Adoptivkinder). Zum Ganzen siehe weiter unten.
1. Kap.: Art. 6 Abs. 1 GG
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Gegen eine Begrenzung des Fortpflanzungsrechts auf der Ebene des sachlichen Schutzbereichs spricht auch die Normfunktion. Geprüft wird Art. 6 Abs. 1 GG hier in seiner klassischen Funktion als Freiheitsrecht. Über diese hinaus ist er Einrichtungsgarantie 22 und wertleitende Grundsatznorm. 23 Beide Institute (Ehe und Familie) ergeben sich grundsätzlich in Anknüpfung an überkommene Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderer Verfassungsnormen. 24 Der Gesetzgeber kann die das Rechtsinstitut bildenden Normen nur insoweit ändern, als er damit eine substanzielle Abkehr oder Abschaffung des Rechtsinstituts nicht bewirkt. 25 Er kann es in gewissen Grenzen weiterentwickeln, um es neuen Erfordernissen anzupassen und neuen Vorstellungen von sozialem Leben Raum zu geben. Nicht nur geänderte Lebensgewohnheiten und soziale Leitbilder sind Faktoren dieses Prozesses, sondern auch neue Möglichkeiten einer biotechnischen „Machbarkeit des Menschen“ im Wege medizinischer, artifizieller Fortpflanzungs- und Reproduktionstechniken. 26 Schon die Dimension der Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG ist mithin der Anpassung unterworfen. Dann muss die freiheitsrechtliche Dimension mindestens genauso weit tragen, mithin das Recht auf Fortpflanzung auch mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen verbürgen. Davon unberührt bleibt, ob auf der Rechtfertigungsebene eine Einschränkung des Fortpflanzungsfreiheitsrechts erfolgen kann und muss. 27 Nach dem Normtext kann Art. 6 Abs. 1 GG zwar nur durch gegenläufige Rechtsgüter von Verfassungsrang eingeschränkt werden. 28 Ein Gesetzesvorbehalt – insbesondere der qualifizierte Vorbehalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG – besteht nicht. 29 Als besondere Ausformung einer verfassungsimmanenten Schranke beschränkt sich Art. 6 Abs. 1 GG als Regelung der innergesellschaftlichen Gemeinschaft „Familie“ jedoch vor allem selbst. 30 Zudem ist (ähnlich wie bei Art. 14 Abs. 1 GG) nicht jede gesetzliche Maßnahme ein Eingriff. Vielmehr kann der Gesetzgeber auch nur definierend tätig sein, in dem er Inhalt und Schranken des sachlichen Schutzbereichs festlegt. 31 Die Prüfung, ob die Definition und damit Begrenzung des weiten Schutzbereichs verfassungsrechtlich zulässig ist, nimmt das Bundesverfas22
BVerfGE 10, 59, 66 f; 31, 58, 69 f; 80, 81, 92. BVerfGE 6, 55, 76; 13, 290, 298 f; 28, 324, 356; 67, 186, 195 f; 87, 234, 256 ff; 99, 216, 232 f; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 665 f. 24 BVerfGE 36, 146, 161 f. 25 Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 19. 26 Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 9. 27 Diese Vorgehensweise bietet den Vorteil der Möglichkeit der Abwägung und vermeidet eine „Alles oder nichts Entscheidung“ auf Schutzbereichsebene. 28 BVerfGE 24, 119, 135; 31, 58, 68. 29 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 647, 652. 30 Zur Begrenzung des Normgehalts durch Erwägungen zum Kindeswohl siehe unten. Zum Ganzen siehe auch Di Fabio, U. (2003), S. 996. 23
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
sungsgericht indes so vor, dass es – wie bei einer eingreifenden Regelung – nach rechtfertigenden Gründen sucht. 32 Auch dies spricht für ein weites Verständnis des sachlichen Schutzbereichs. Sachlich garantiert Art. 6 Abs. 1 GG mithin für die Eizellempfängerin ein umfassendes Recht auf Fortpflanzung, das neben der natürlichen Fortpflanzung auch die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin umfasst. 33 Fraglich ist aber, ob dieses Ergebnis auch für die Eizellspenderin gilt. Der Status der Eizellen ist nicht bestimmend für den grundrechtlichen Anknüpfungspunkt. 34 Entscheidend ist vielmehr die Handlungsmotivation. Deshalb wird man differenzieren müssen. Nimmt man allein die genetische Komponente von Fortpflanzung in den Blick, so wird man eine Partizipation der Eizellspenderin am Fortpflanzungsrecht schwerlich verneinen können. Gibt sie dagegen ihre Eizellen weiter, um einer anderen Frau zu einer Schwangerschaft zu verhelfen (was das grundsätzliche Motiv bei den meisten, jedenfalls aber bei altruistischen Spenden, sein dürfte), ermöglicht sie biologische Fortpflanzung (in dem zur genetischen Fortpflanzung unterscheidenden Sinne). Die Spenderin ist dann so eng in den Fortpflanzungsprozess eingebunden, dass sie normativ am Fortpflanzungsrecht teilhat. Jedenfalls gilt dies erst recht für Spenderinnen in einem IVF-Programm. Problematisch bleiben dann die Fälle, in denen die Spenderin ihre Eizellen abgibt, ohne innerlich einen Bezug zum Reproduktionsgeschehen herzustellen, z. B. um die Eizellen der medizinischen Forschung zur Verfügung zu stellen und / oder diese kommerziell zu verwerten. 35 Fehlt der Spenderin der Bezug zur Fortpflanzung, ist anhand Art. 5 Abs. 3 GG (im Falle der Verfügbarmachung zugunsten der medizinischen Forschung) bzw. Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG (im Falle der kommerziellen Nutzung) zu prüfen. Als Ergebnis bleibt, dass die Eizellspenderin zumindest dann ihr Fortpflanzungsrecht aktualisiert, wenn sie die Eizellen zu Zwecken der Fortpflanzung an infertile Frauen abgibt.
C. Der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG Nach dem sachlichen wird nun der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erörtert. Vorab sei jedoch angemerkt, dass die bei der klassischen Grundrechtsprüfung sonst übliche Trennung zwischen Grundrechtsträger und sachli31
Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 647 und Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 26 f. 32 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 649. 33 Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 24 und v. Münch, I. / Kunig, P. / Coester-Waltjen, D. (2000), Art. 6 GG, Rn 32. 34 Siehe oben. 35 Hier sei aber die Frage aufgeworfen, ob das Problem dann in der kommerziellen Verfügung von Körpersubstanzen allein oder nicht vielmehr in der Unreguliertheit des betreffenden „Marktes“ liegt.
1. Kap.: Art. 6 Abs. 1 GG
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chem Schutzbereich wegen des Institutscharakters des Art. 6 Abs. 1 GG nicht sauber durchgehalten werden kann. 36 Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes war der Begriff der Familie kein theoretisches Problem. Familie war gesellschaftliche Realität, ein Erfahrungswert. 37 Allerdings hatte der Familienbegriff schon zu diesem Zeitpunkt einen gravierenden Funktionswandel erlebt. „An die Stelle der vorindustriellen Großfamilie als Wirtschaftseinheit war . . . die Kleinfamilie als Emotionseinheit getreten, deren gewandelte Funktion in der gefühlsmäßigen Stabilisierung ihrer Mitglieder besteht.“ 38 Unstreitig ist zunächst, dass der Gewährleistungsinhalt des Art. 6 Abs. 1 GG nur für natürliche Personen gilt. Weitgehend anerkannt ist außerdem, dass Familie ein Beziehungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ist. 39 Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend zum Familienbegriff ausgeführt, dass Familie die „umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern“ sei. 40 Im dem dem Verfassungsgeber vorschwebenden Regelfall lebe das Kind „mit den durch die Ehe verbundenen Eltern in einer Familiengemeinschaft zusammen, in der Mutter und Vater das Kind gemeinsam pflegen und erziehen“. 41 Nach herrschender Meinung markiere dieser Regelfall gleichwohl nur den Kern des Familienbegriffs, keinesfalls seine Grenzen. 42 Im folgenden wird der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere mit Blick auf die vom Ideal der Kleinfamilie abweichenden Lebensgemeinschaftsformen wie die nichteheliche Lebensgemeinschaft, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft und die Single-Elternschaft untersucht. I. Die nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern – eine Familie i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG? Innerhalb des Regelungsbereiches des Art. 6 Abs. 1 GG ist das Verhältnis der Rechtsinstitute Ehe und Familie umstritten. Eine Ansicht sieht die Ehe als Voraussetzung der Familie. 43 Diese Ansicht stützt sich wesentlich auf eine ethisch36
Siehe zu dieser Art Mischprüfung auch BVerfGE 105, 313, 344 ff. v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13. 38 Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 3. 39 Statt vieler siehe Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 642; a. A. aber BK / Pirson, D. (2004), Art. 6 I GG, Rn 22, der z. B. auch kinderlose Ehepaare in den Schutzbereich des Art. 6 I GG einbezieht. 40 BVerfGE 10, 59, 66; 31, 58, 82; 62, 323, 330; 80, 81, 90; so auch Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 43. 41 BVerfGE 31, 194, 205; 56, 363, 382; 61, 358, 372; 84, 168, 179. 42 v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13 f; BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 53, a. A. Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 42 ff. 37
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
substantielle Grundposition, zu deren Akzentuierung naturrechtliche und religiöse Anschauungen gebraucht werden. Sie rekurriert auf den Wert der Einheit von Ehe und Familie „in sich“, welcher die verfassungsrechtliche Sonderstellung bedinge. 44 Die Gestaltungsfreiheit der Ehegatten komme vor allem in der Familiengründung und -erweiterung zum Ausdruck. 45 Die herrschende Meinung geht dagegen von der dogmatischen Entkopplung beider Rechtsinstitute aus. 46 Diese Ansicht lässt sich als politisch-funktionale Position umschreiben. Sie stellt das staatsentlastende Potential, den Solidaritätsgedanken und die Sozialisierungsfunktion in den Vordergrund. 47 Nach der herrschenden Meinung sei die nichteheliche Zeugung von Kindern vom Recht auf Fortpflanzung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst. 48 Geschützt sei nämlich die Entscheidung des Paares darüber, wann und wie viele Kinder sie haben wollten, also die Entscheidung zur Familiengründung in ihrer Gesamtheit. 49 Einig sind sich die Vertreter beider Ansichten zunächst darin, dass eine Interpretation des verfassungsrechtlichen Familienbegriffs nur von der Funktion her erfolgen kann. 50 Einigkeit besteht auch, dass die Familie moderner Prägung eine Versorgungs- oder Beistandsgemeinschaft ist. 51 Streitig ist dagegen, ob nur die auf der Ehe beruhende Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG ist. 52 Das Bundesverfassungsgericht hat zum Familienbegriff ausgeführt, dass Familie die „umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern“ sei, „in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen“. 53 Die Mindermeinung versteht diese Definition in ihrer Gesamtheit und schlussfolgert, dass die Pflege und Erziehung der Kinder die vornehmliche Funktion der Familie sei. 54 43
Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 42 ff und v. Campenhausen, A. (1986), S. 21 ff. Von Campenhausen, A. (1986), S. 8 ff und Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 26, 42 f. 45 AKGG / Richter, I. (1989), Art. 6 GG, Rn 31. 46 BVerfG NJW 2003, S. 2151, 2155; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 4, 45, 47, 70; Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 4; Kingreen, T. (2004), S. 941; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 642; Koppernock, M. (1997), S. 141 ff; v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13 f; Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 27. 47 Kingreen, T. (2004), S. 940. 48 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 642; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Robbers, G. (1999), Art. 6 GG, Rn 79; Höfling, W. (2001), S. 71 f. 49 Jarass, HD. / Pieroth, B. (2002), Art. 6 GG, Rn 3, 5 und Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 644. 50 v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 46; Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 39. 51 Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 46; Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 40. 52 So Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 42 ff. 53 BVerfGE 10, 59, 66; 31, 58, 82; 62, 323, 330; 80, 81, 90. 44
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Die Definition des Familienbegriffs findet sich nach richtiger herrschender Ansicht jedoch nur darin, dass Familie „die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern“ ist. 55 Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 GG schützt nämlich die Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Im Kern muss sich die Familiendefinition an der Funktion als Beistandsgemeinschaft orientieren. 56 Der Begriff wird von dem Verständnis geprägt, dass das tatsächliche Zusammenleben von Eltern und Kindern eine gegenseitige Hilfs-, Erziehungs-, Betreuungs- und Lebensgemeinschaft ist. 57 Die Mindermeinung begreift Art. 6 GG dagegen nicht nur als freiheitliches Angebot, sondern formuliert die Erwartung seines Gebrauchs durch die Staatsbürger. Sie unterliegt dabei dem unrichtigen Verständnis, dass die Aktualisierung des Freiheitsrechts höher zu bewerten sei, als der Verzicht auf den Gebrauch. Exemplarisch wird dies insbesondere, wenn man die Institutsgarantie mit der Funktion als Wertentscheidung koppelt. Mit der Mindermeinung unterläge man schnell dem unrichtigen Schluss, dass eine andere Entscheidung des Einzelnen, als die der Aktualisierung des Freiheitsrechts, geringeren grundrechtlichen Wert habe. Grundrechte schützen den Einzelnen aber als entscheidungsfreies Wesen und daher auch vor einer staatlich vorgegebenen Definition dessen, was „richtiger“ Freiheitsgebrauch sei. Damit ist es dem Staat verwehrt, im Rahmen der individuellen Lebensentwürfe des Einzelnen „bestimmte Verhaltensweisen als intrinsisch falsch oder unwürdig zu bewerten“. 58 Außerdem vermengt die Mindermeinung unzulässig die Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG mit der Trägerschaft des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG. Zwar steht auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Das allein macht ihn jedoch nicht automatisch zum Träger des Elternrechts. Diese Stellung kann er vielmehr erst dann erlangen, wenn eine familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht. 59 Schließlich geht auch die Berufung der Mindermeinung auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Zusammenhang der beiden Institute zunächst wie folgt formuliert: „Die Ehe ist die rechtliche Form umfassender Bindung zwischen Mann und Frau; sie ist alleinige Grundlage einer vollständigen Familiengemeinschaft und als solche Voraussetzung für die bestmögliche körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern.“ 60 Damit stellt es klar, dass auch die nicht auf der Ehe beruhende 54
Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 41. So auch Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 43. 56 So ist auch das BVerfG zu verstehen, siehe auch Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 46. 57 v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13. 58 Kingreen, T. (2004), S. 941. 59 BVerfGE 108, 82, 99 f. 55
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Gemeinschaft von Eltern und Kindern eine Familiengemeinschaft ist, nur eben eine unvollständige. In weiteren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht daher auch festgestellt, dass der Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG auf die Beziehung von Eltern und Kindern anzuwenden ist, unabhängig davon, ob diese ehelich oder nichtehelich 61 bzw. leiblich oder nichtleiblich 62 ist. Nur das Elternrecht, nicht jedoch die Familie, setzt eine Pflichtentragung gegenüber dem Kind voraus. 63 Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartDisG) von der „Ehe als Institut neben der Familie“ gesprochen und somit die Institute Ehe und Familie entkoppelt. 64 Die mit Kindern gesegnete Ehe ist nach dem Gesagten daher ein Spezialfall von Familie. Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG, in denen es um die Gemeinschaft von Mutter und Kind bzw. die Rechtsstellung von unehelichen Kindern geht, machen zusätzlich deutlich, dass Familie auch Lebensgemeinschaften umfasst, die über den Regeltypus der ehelichen Lebensgemeinschaft (mit oder ohne Kinder) hinausgehen. 65 Die Familie als Lebensraum für die Gemeinschaft von Eltern mit Kindern ist ein Refugium gesellschaftlicher Freiheit. Sie knüpft an vorpositive Lebensverhältnisse 66 an und ist eine „ursprüngliche, erste und sozial unabgeleitete Gemeinschaft“. 67 Familie zeichnet sich entscheidend durch ein besonderes Nähe-, Schutz- und Fürsorgeverhältnis aus. Entsprechend formuliert das Bundesverfassungsgericht: „Auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes bildet mit diesem eine Familie, die unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht, wenn zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat. Art. 6 Abs. 1 GG schützt den leiblichen Vater wie das Kind in ihrem Interesse am Erhalt dieser sozial-familiären Beziehung und damit am Umgang miteinander.“ 68 Familie ist danach die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern, die für einander Verantwortung tragen. Es ist nicht allein maßgeblich, ob die Kinder von den Eltern abstammen. 69 Familie ist außerdem sowohl im genetisch-biologischen wie auch rechtlichen Sinne auf Dauer und 60
BVerfGE 76, 1, 51. BVerfGE 45, 104, 123; 79, 256, 267; 108, 82, 112. 62 BVerfGE 18, 97, 105; 68, 176, 187; 79, 256, 267. 63 BVerfGE 24, 119, 143; 52, 223, 235; 61, 358, 372. 64 BVerfGE 105, 313, 348; zur Entkopplung siehe auch v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 14 und Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 44, 46, 52. 65 Di Fabio, U. (2003), S. 994. 66 BVerfGE 59, 360, 376; Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 4. 67 Di Fabio, U. (2003), S. 994. 68 BVerfGE 108, 82, 112. 61
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Ausschließlichkeit angelegt: 70 „Für die Entwicklung des Kindes ist aber neben seiner Abstammung und neben der Qualität der Beziehung zu seinen jeweiligen Bezugspersonen das Wissen und die Gewissheit von maßgeblicher Bedeutung, zu wem es gehört, welcher Familie es zugeordnet ist und wer als Mutter oder Vater Verantwortung für es trägt. Nur dies schafft personale und rechtliche Sicherheit für das Kind, die ihm die Grundrechtsnorm über das Elternrecht vermitteln soll“. 71 Das Recht auf Fortpflanzung aus Art. 6 Abs. 1 GG ist personell mithin nicht auf Eheleute reduziert. Es kann auch von den Partnern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft aktualisiert werden. Etwa jedes zehnte Paar lebt in Deutschland in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Bei den ElternKind-Gemeinschaften beträgt der Anteil beider nichtehelicher Lebensgemeinschaften 6%. 72 Entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer gehen die Reproduktionsmediziner bei einer festen Beziehung der beiden nichtehelichen (nicht gleichgeschlechtlichen!) Lebenspartner von einem „quasi-homologen“ System aus und führen die im homologen System zulässigen ART durch. 73 Dies ist auch richtig, weil zwischen den Partnern nur dieselben Hindernisse wie bei der homologen Befruchtung überwunden werden. 74 Im Unterschied zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist für die Ehe charakteristisch, dass die Ehegatten versprechen, ein Leben lang füreinander zu sorgen. Das Fehlen dieses Elements bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist jedoch mit Bezug auf das Kind bedeutungslos. Anders gewendet: Der mangelnde Wille einer Person, einem Partner lebenslange Zuwendung zu versprechen, sagt nichts über den Willen dieser Person aus, ein Leben lang für das Kind zu sorgen. Das Versprechen der gegenseitigen Absicherungsgemeinschaft der Ehepartner umfasst nicht das Kind. Die verwandtschaftsrechtlichen Beziehungen des Kindes zur Mutter werden über § 1591 BGB gewahrt, während der Vater die Verwandtschaft mittels Erklärung anerkennen oder feststellen lassen kann, § 1592 Nr. 2 und 3 BGB. Folglich besteht neben der genetisch-biologischen und sozialen auch eine rechtlich dauerhafte und ausschließliche Zuordnung des Kindes zu seinen Eltern, nicht anders als bei dem in der Ehe geborenen Kind. Damit ist auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft Familie i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG, wenn ein Kind Teil der Gemeinschaft wird. 75 69 BVerfGE 108, 82, 102 und 106; anders wohl Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 25. 70 BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 68. 71 BVerfGE 108, 82, 101. 72 Mikrozensus 2003, S. 15 f. 73 BÄK (1998), S. A-3168. 74 § 3 Abs. 1 des Gesetzentwurfes der SPD-Fraktion, BT-Drs. 11/5710. 75 So auch Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 21.
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II. Singles mit Kindern – Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG? Ehepaare mit Kindern haben unter den ca. 12,6 Mio. Eltern-Kind-Gemeinschaften mit 75% den deutlich größten Anteil. Gleichwohl ist seit 1996 ein diesbezüglicher Rückgang um 4% zu verzeichnen. Alleinerziehende Mütter und Väter stellen mit 19% die zweitgrößte Gruppe unter den Eltern-Kind-Gemeinschaften. Dies entspricht einem Zuwachs von 2%. 76 Es wird geltendgemacht, dass Singles einen Anspruch auf Durchführung der modernen Methoden der Reproduktionsmedizin nicht hätten, weil es „nach wie vor kein positives Recht auf ‚nichteheliche Fortpflanzung‘ gebe“. 77 Fraglich ist dem gemäß, ob auf Seiten der Eltern eine Personenmehrzahl von (genau oder mindestens) zwei Eltern vorliegen muss. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 GG spricht von der Familie, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG von den Eltern und Kindern. Zuzugeben ist, dass sich hieraus zunächst nicht viel ergibt. 78 Eine gewisse Konturierung des Begriffs ist jedoch aus Art. 6 Abs. 1 GG zu gewinnen: Nach dem gängigen Verständnis zeichnet sich die Familie durch eine Mehrzahl von Personen aus. Eine einzelne Person konstituiert keine Familie. Es muss mindestens ein Elter und ein Kind geben. 79 Auch der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nennt explizit die Eltern, also eine Personenmehrzahl, als Grundrechtsberechtigte und -verpflichtete. 80 Nun ist die Analyse des Wortlauts nur eine der juristischen Methoden der Auslegung von Normen. Insbesondere im Verfassungsrecht und mit Bezug auf die Normen des Grundgesetzes erweist sie sich häufig als unbefriedigend, weil das Grundgesetz, ob seiner Funktion als ausfüllungsbedürftiger Rahmen, einen allgemeinen und regelmäßig knappen Normtext aufweist. Deshalb kann das so gewonnene einschränkende Merkmal der Personenmehrzahl allein nicht ausreichen, um den Begriff „Familie“ abschließend zu definieren. Das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist eine spezielle Ausgestaltung des Normbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG. Daher kann der personelle Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG denklogisch weiter gefasst sein als der des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, mithin also auch nur ein Elter mit Kind umfassen. Gegen die Annahme, dass Art. 6 Abs. 1 GG eine Mehrzahl von Eltern voraussetzt, spricht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es hat mehrfach ausgeführt, dass die Beziehung und das Zusammenleben von nur einem Elternteil mit Kindern vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst ist. 81 Den Entschei76
Mikrozensus 2003, S. 15. BÄK (1998), S. A-3170. 78 Siehe die entsprechenden Kommentierungen z. B. bei Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 39. 79 Siehe auch Lechler, H. (2001), § 133, Rn 33. 80 Zacher, HF. (2001), § 134, Rn 62. 77
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dungen lagen zwar Konstellationen zugrunde, bei denen die Gemeinschaften von einem Elternteil und Kindern bereits bestanden. Diese Rechtsprechung ist jedoch auch für den Prozess der Bildung der „Familie“ aussagekräftig. Es ist unlogisch, im Rahmen des personellen Schutzbereichs Differenzierungen zwischen der Phase der Gründung und des Bestehens von Familie zu machen. Die Forderung nach einer Mehrzahl an Eltern drückt die Besorgnis aus, dass die Entwicklung des Kindes suboptimal verläuft, wenn es nur einen Elternteil hat. Wie auch immer man inhaltlich zu diesen Bedenken steht, im Rahmen des personellen Schutzbereichs sind diese Überlegungen verfehlt. Das Kindeswohl begrenzt den Gewährleistungsinhalt des Art. 6 Abs. 1 GG als verfassungsimmanente Schranke. Es ist mithin dort zu problematisieren. Damit ist auch der oder die Alleinstehende sowohl in der Phase der Gründung als auch nach der Geburt des Kindes vom Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst. III. Lebenspartnerschaften – Verschiedengeschlechtlichkeit der Eltern als Kriterium für Familie? In Deutschland gibt es zwischen 58.000 und 160.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, bei denen in ca. 16% der Fälle (insgesamt 13.020) Kinder aufgezogen werden. 82 Seit dem 1. August 2001 besteht für die Partner in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Möglichkeit, eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Eingetragene Lebenspartnerschaften können nur Gemeinschaften zweier gleichgeschlechtlicher Partner sein. 83 Teilweise wird nun behauptet, dass „Eltern im Sinne des Grundgesetzes (nur) diejenigen sind, von denen das Kind leiblich abstammt“. 84 Auch das Bundesverfassungsgericht äußerte sich teilweise in diese Richtung, als es formulierte, „dass diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen“. 85 Die Bundesärztekammer hat sich diese Haltung zu Eigen gemacht und nach ihren Richtlinien die (ansonsten zulässige) heterologe Insemination standesrechtlich ausgeschlossen, wenn die Partner in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft 81
BVerfGE 45, 104, 123; 108, 82, 112: „Lebt das Kind mit beiden Eltern zusammen, bilden sie gemeinsam eine Familie. Ist dies nicht der Fall, tragen aber beide Eltern tatsächlich Verantwortung für das Kind, hat dieses zwei Familien, die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sind: die mit der Mutter und die mit dem Vater.“ Siehe auch BVerfGE 18, 97, 105 f; 79, 203, 211. 82 Mikrozensus 2003, S. 21, die unterschiedlichen Zahlenangaben sind auf den Fragewert und auf den Schätzwert der Mikrozensus-Befragung bezogen. 83 BVerfGE 10, 59, 66; 105, 313, 342. 84 BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 78; wohl auch Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 31 und Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 25. 85 BVerfGE 24, 119, 150.
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zusammenleben. 86 Für den Personenverband der Familie ist es daher ohne Zweifel typisch, dass die Mitglieder der Gemeinschaft miteinander verwandt sind. 87 Damit wären zunächst nur die jeweiligen Keimzellspender Teil der Familie. 88 Verwandtschaft ist jedoch nicht auf die genetische und leibliche Abstammung (Blutsverwandtschaft) begrenzt. „Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geht zwar von einer auf Zeugung begründeten leiblichen Elternschaft aus, nimmt aber über diese Zuordnung hinausgehend die Eltern-Kind-Beziehung als umfassendes Verantwortungsverhältnis von Eltern gegenüber ihren der Pflege und Erziehung bedürftigen Kindern unter seinen Schutz. Voraussetzung dafür, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können, ist insofern auch die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind.“ 89 Sie kann nicht nur in mehreren Graden (Eltern-Kind, Großeltern-Enkel, Geschwister etc.), sondern auch in qualitativen Differenzierungen auftreten. Menschen können genetisch, biologisch oder rechtlich miteinander verwandt sein. Im Regelfall treten diese Differenzierungen nicht in Erscheinung: Die Frau, von der die befruchtete Eizelle stammt, trägt das Kind aus und ist gemäß § 1591 BGB Mutter des Kindes. Gleichwohl können die Mutterschaften auseinanderfallen, obgleich jede der möglichen Mütter mit dem Kind verwandt ist. Im Sinne leiblicher Abstammung ist sowohl die genetische als auch die biologische Mutter mit dem Kind verwandt. 90 Die genetische Mutter gibt dem Kind die Grundausstattung mit. Die biologische Mutter steht mit der Schwangerschaft in einer einzigartigen Beziehung zu dem Kind. 91 Biologische Verwandtschaft ist zudem nicht das die Familie allein konstituierende Moment. Art. 6 Abs. 1 GG versteht die genetische und biologische Elternschaft nur als Chance zur rechtlichen und sozialen Verfestigung der Eltern-Kind-Beziehung. Familie besteht demnach nur, wenn das Elter das Kind tatsächlich pflegt, es erzieht, mit ihm kommuniziert und dauerhaft Verantwortung trägt. 92 Daneben ist entscheidend, ob eine dauerhafte statusrechtliche Zuordnung vorgenommen wird. 93 So formuliert auch das Bundesverfassungsgericht: „Für die Entwicklung des Kindes ist aber neben seiner Abstammung und neben der Qualität der Beziehung zu seinen jeweiligen Bezugspersonen das Wissen und die Gewissheit von maßgeblicher Bedeutung, zu wem es gehört, welcher Familie es zugeordnet ist und 86
BÄK (1998), S. A-3170. BK / Pirson, D. (2004), Art. 6 I GG, Rn 20; Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 II, III GG, Rn 99; Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), § 1589 BGB, Rn 2. 88 Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), § 1589 BGB, Rn 21. 89 BVerfGE 56, 363, 382; 61, 358, 372; 103, 89, 107; 108, 82, 106. 90 BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 79. 91 Entsprechend auch der vom BVerfG gebrauchte Begriff von der „Zweiheit in Einheit“, BVerfGE 88, 203, 253. 92 BVerfGE 56, 363; MüKo / Maurer, HU. (2002), Vor § 1741 BGB, Rn 21. 93 So auch Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 25. 87
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wer als Mutter oder Vater Verantwortung für es trägt. Nur dies schafft personale und rechtliche Sicherheit für das Kind, die ihm die Grundrechtsnorm über das Elternrecht vermitteln soll“. 94 Diese dauerhafte statusrechtliche Zuordnung nimmt der Gesetzgeber vor. Neben der verfassungsrechtlichen Exegese wird der Familienbegriff daher auch wesentlich durch die einfachgesetzlichen Ausformungen geprägt. 95 Hier normiert in erster Linie das Bürgerliche Gesetzbuch die Abstammung mit seinen Regelungen in den §§ 1591 ff. BGB. Auch mit der Adoption entstehen verwandtschaftliche Beziehungen, §§ 1741 ff. BGB. Für die rechtliche Zuweisung von Elternschaft ist es unerheblich, welche Reproduktionsmethode verwendet wurde. 96 Daher besteht auch für den nicht genetisch oder biologisch verwandten Partner die begründete Aussicht, verwandtschaftliche Beziehungen zu dem Kind zu haben und somit in den Schutzbereich der Familie aufgenommen zu werden. Beim Mann tritt die Bedeutung der rechtlichen Ausgestaltung der Vaterschaft noch deutlicher hervor. Vater i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuches ist der „soziale“ Vater, §§ 1592, 1593, 1594 ff, 1600 d BGB. Auch nach dem Embryonenschutzgesetz sind die Methoden moderner Reproduktionstechnologien nicht auf Ehepaare beschränkt, sondern stehen nichtehelichen Lebensgemeinschaften 97 und Lebenspartnerschaften offen. Im Gegensatz zum Embryonenschutzgesetz hat der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch V (SGB V) den Zugang zu den Methoden der Reproduktionsmedizin auf Ehepaare zwar beschränkt, § 27 a SGB V. 98 Das Sozialgesetzbuch V ist jedoch Ausformung des Sozialstaatsprinzips und betrifft daher im Wesentlichen die leistungsrechtliche Ebene. Abwehransprüche gegen staatliche Beeinträchtigung und auf staatliche Leistung gerichtete Fürsorge-, Schutz- und Teilhabeansprüche sind strikt voneinander zu trennen. Daher kann es zulässig sein, die leistungsrechtliche Ebene im Sozialrecht mit Bezug auf die verschiedenen Formen von Gemeinschaften, insbesondere unter dem Gesichtspunkt begrenzter staatlicher Mittel und Kapazitäten, unterschiedlich auszugestalten. Der Anspruch auf Finanzierung von Methoden der modernen Reproduktionsmedizin durch die Allgemeinheit ist etwas völlig anderes als das pauschale Verbot für die Betroffenen, selbst wenn diese staatliche Finanzierung gar nicht in Anspruch nehmen wollen. Die Ausformung des Familienbegriffs des Sozialgesetzbuch V ist, weil auf der leistungsrechtlichen Ebene angesiedelt, daher jedenfalls für den verfassungsrechtlichen Familienbegriff nicht bestimmend. 94
BVerfGE 108, 82, 101. Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 II, III GG, Rn 99. 96 Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 II, III GG, Rn 102. 97 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B V, Rn 5. 98 Auch die standesrechtlichen Richtlinien der Bundesärztekammer beschränken die ART auf das homologe System, BÄK (1998), S. A-3170. Die Regelungen des Standesrechts sind normenhierarchisch unterhalb der Gesetzesebene angesiedelt. Sie determinieren daher weder diese, noch die Normen des Grundgesetzes. 95
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Beachtlich ist im Gegensatz dazu das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartDiSGB). 99 Vor allem die weitgehende Gleichstellung mit der Ehe 100 war Auslöser der Normenkontrollverfahren, 101 initiiert durch die Regierungen der Länder Bayern, Sachsen und Thüringen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2002 abschlägig beschied. 102 Das Gericht stellte fest, dass das LPartDiSGB gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht verstößt. Es verletzt nicht das Recht zur Freiheit der Eheschließung, weil verschiedengeschlechtliche ehefähige Personen durch das LPartDiSGB nicht an der Eheschließung gehindert werden. 103 Die Institutsgarantie der Ehe wird nicht verletzt, da eingetragene Lebenspartnerschaften, ob der sie konstituierenden Gleichgeschlechtlichkeit der Partner, keine Ehen sind. 104 Somit unterfallen sie diesbezüglich nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern dem der Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG. 105 Das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts 106 schuf noch weitergehende Angleichungen an das Eherecht – vor allem durch die Möglichkeit der Stiefkindadoption in Art. 1 Nr. 4 b. 107 Es begründet dies mit der Verbesserung der Rechtsstellung des Kindes 99 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartDisBG) vom 16. 2. 2001, in Kraft getreten am 1. 8. 2001. Schwule und lesbische Paare können seit dem ihre Lebenspartnerschaft vor einer von den Ländern bestimmten Behörde eintragen lassen. 100 Das Gesetz enthält Regelungen zum Namensrecht, zu gegenseitigen Unterhaltspflichten und -rechten, zu Mitentscheidungen in täglichen Angelegenheiten für ein in die Partnerschaft eingebrachtes Kind, zum Erbrecht, zum Eintritt in den Mietvertrag sowie weiteren Maßnahmen zur Angleichung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe. 101 Daneben erhoben die Antragstellerinnen formelle Rügen, wie die Verletzung der kompetenzrechtlichen Vorschriften des Art. 84 I GG und die Umgehung des Zustimmungserfordernisses des Bundesrates durch die Aufteilung der Gesamtmaterie „Lebenspartnerschaftsgesetz“ in ein zustimmungsfreies Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften und ein zustimmungspflichtiges Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz. 102 BVerfGE 105, 313 ff. 103 Ob dies andere Beurteilung erfahren müsste, wenn eine gültige eingetragene Lebenspartnerschaft als Ehehindernis normiert würde, hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Gleichwohl hat es recht deutlich gemacht, dass es eine solche Lösung für verfassungsgemäß hält. 104 BVerfGE 105, 313, 345 f. 105 BVerfGE 105, 313, 351. 106 Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. 12. 2004, in Kraft getreten am 1. 1. 2005, BGBl. I 2004, S. 3396. 107 Dies betrifft die Schaffung eines Äquivalents zur Verlobung, die Verankerung eines Bigamieverbotes, die weitgehende Angleichung der Aufhebung der Lebenspartnerschaft an die Voraussetzungen der Scheidung der Ehe, die weitgehende Angleichung des Unterhaltsrechts bei Trennung, die Übernahme des ehelichen Güterrechts, die Einführung des Versorgungsausgleichs sowie die Einbeziehung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in
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gegenüber dem Nicht-Elternteil im Fall der Trennung unter Berücksichtigung des Kindeswohls. 108 Wenngleich für die Ehe Art. 6 Abs. 1 GG und für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig sind, entsprechen sich beide Institute nach den geschilderten gesetzlichen Grundlagen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr weitgehend. Dagegen sind „Familie“ und „Ehe“ entkoppelt. 109 Bezogen auf den Aspekt der Fortpflanzung kann die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft daher vom personellen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst sein. Familie ist die Gemeinschaft von Eltern mit Kindern. Sie genießt von Verfassung wegen einen besonderen Schutz. Wie die Ehe kann auch die Familie nicht per Gesetz abgeschafft oder in ihrer Grundstruktur verändert werden. Darin erschöpft sich jedoch auch schon der besondere Schutz durch die staatliche Ordnung. Insbesondere findet die Ansicht, dass die Institute „Ehe“ und „Familie“ auch im Umfang stets mehr zu schützen seien als andere Lebensgemeinschaften, 110 weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 1 GG eine Stütze. 111 Nach der hier vertretenen Ansicht ist Familie die Gemeinschaft einer Mehrzahl von Personen, wovon wenigstens eine Elternteil und eine Kind ist. Dies ist weder auf die traditionelle eheliche Lebensgemeinschaft noch auf verschiedengeschlechtliche Gemeinschaften begrenzt. Für den personellen Schutzbereich ist zunächst allein relevant, dass während aller Phasen dessen was Familie ist, eine Personenmehrzahl (mindestens ein Elter und ein Kind) vorliegt. Zudem wird hier vertreten, dass auch Single-Eltern bezüglich der Phase der Familiengründung dem personellen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallen. Es wäre inkonsequent, den Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft die Teilhabe am Fortpflanzungsfreiheitsrecht zu verwehren. Wie ausgeführt kann Verwandtschaft genetisch, biologisch oder rechtlich sein. Im Sinne leiblicher Abstammung ist sowohl die genetische als auch die biologische Mutter mit dem Kind verwandt. 112 Damit ist die Eizellempfängerin in der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft schon aufgrund der Schwangerschaft mit dem Kind verwandt. Die rechtlichen Regeln zur Verwandtschaft werden durch den Gesetzgeber ausgeformt. Bisher scheiterte die Anwendung des Begriffs „Eltern“ auf die gleichgeschlechtliche Partnerschaft für die nicht-genetisch verwandte Partnerin, weil sie das Kind nicht adoptieren konnte. Nunmehr hat sie entsprechend des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts mit der Stiefkindaddie Hinterbliebenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß SGB VI. Zudem sollen diverse Bundesgesetze geändert werden, indem die Definition des Begriffes der Familienangehörigen an das Lebenspartnerschaftsgesetz angeglichen wird. 108 BT-Drs. 15/3445, S. 15. 109 Siehe oben. 110 Scholz, R. / Uhle, A. (2001), S. 393 f. 111 BVerfGE 105, 313, 349. 112 BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 79.
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option die Möglichkeit, eine dauerhafte und ausschließliche verwandtschaftliche Beziehung zu dem Kind zu knüpfen. Daher besteht auch für die nicht genetisch verwandte Partnerin die begründete Aussicht, verwandtschaftliche Beziehungen zu dem Kind zu haben und somit in den Schutzbereich der Familie aufgenommen zu werden. Folglich partizipiert sie an dem Recht, eine Familie zu gründen. Aus all dem folgt, dass die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft für die Familiengründung vom personellen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst sein muss. IV. Ergebnis zum Umfang des personellen Schutzbereiches Neben der Ehe mit Kindern sind die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Alleinstehende mit Kinderwunsch vom Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst.
D. Mittelbarer Grundrechtseingriff in das Fortpflanzungsrecht § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG verbieten zwar die heterologe Eizellspende. § 1 Abs. 3 ESchG enthält jedoch einen persönlichen Strafausschließungsgrund für die Spenderin und die Empfängerin. Direkter Adressat der Strafbewehrung ist demgemäss der den medizinischen Eingriff Durchführende – regelmäßig also ein Arzt und / oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe. Weil die heterologe Eizellspende jedoch rechtswidrig ist und bleibt sie auch für die Spenderinnen und Empfängerinnen Unrecht. 113 Fraglich ist nun, ob § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG einen Eingriff in das oben entwickelte Fortpflanzungsrecht darstellen. Wie schon dargelegt, ist nicht jede familienbezogene Maßnahme ein Eingriff in Art. 6 Abs. 1 GG. Vielmehr ist zwischen Regelungen, die den Schutzbereich und Begriff „Familie“ erst definieren und eingreifenden Regelungen zu differenzieren. Dies ist insbesondere aus dem Grund bedeutsam, weil die Familie in Art. 6 Abs. 1 GG vorbehaltlos geschützt wird. 114 Die Eizellspende ist dadurch gekennzeichnet, dass sie (derzeit) nur mit Hilfe hinreichend qualifizierter Dritter durchführbar ist. Gegenüber diesen greift die Strafbewehrung. Damit liegt zumindest ein mittelbarer Eingriff durch Gesetz in das Fortpflanzungsrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG vor. Dieser ist einem unmittelbaren Eingriff gleichzustellen, wenn er, wie vorliegend unzweifelhaft aus dem Wortlaut des Gesetzes und seiner Begründung zu entnehmen, intendiert ist. 115 113 114
Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 26. Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 647, 652.
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Ein den Schutzbereich definierender Eingriff (sog. Inhaltsbestimmung) ist dagegen nicht gegeben. Das Verbot differenziert gerade nicht zwischen vom Familienbegriff umfassten und nicht umfassten Formen von Familie. Es stellt einen Bezug zur familiären Situation nicht her, denn die heterologe Eizellspende ist verboten, unabhängig davon, ob die Betroffenen, die die Aktualisierung ihres Fortpflanzungsrechts wünschen, in einer ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft oder als Single leben. Das Totalverbot definiert nicht Bereiche von Familie, sondern pönalisiert einen Fortpflanzungsmodus. Ein Eingriff liegt damit vor.
E. Die Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich Art. 6 Abs. 1 GG ist eine schrankenlose Grundrechtsnorm. 116 Eingriffe sind nur wegen gegenläufiger Grundrechte oder sonstiger Verfassungswerte zulässig und haben den Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zur Folge. Keimzellen haben keinen eigenen Rechtsstatus. Sie stellen keinen Wert von Verfassungsrang dar, der den Eingriff in das Fortpflanzungsrecht rechtfertigen könnte. 117 Als verfassungsimmanente Schranken fungieren aber das Kindeswohl aus Art. 6 Abs. 2 GG und die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG. 118 Ebenso beachtlich ist der wertleitende Charakter des Art. 6 Abs. 1 GG, der ebenfalls als Schranke des Fortpflanzungsrechts wirken kann. Schließlich kann auch Art. 1 Abs. 1 GG als gegenläufiger Verfassungswert einschlägig sein, wenn man die Eizellspende als unzulässige Selbstinstrumentalisierung der Spenderin ansieht. I. Das Kindeswohl als Schranke der Fortpflanzungsfreiheit 119 Das Verbot der heterologen Eizellspende wird in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG normiert. Der vom Gesetzgeber ausgewiesene Normzweck ist, die Spaltung von genetischer und biologischer (plazentarer) Mutterschaft zu verhindern. Eine solche Spaltung bewirke, dass zwei Frauen Anteil an der Entstehung des Kindes hätten und die mangelnde Eindeutigkeit der Mutter die Entwicklung des Kindes zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit gefährde. 120 115 Höfling führt in seinem Gutachten aus, dass die Eingriffsqualität schon deshalb zu bejahen sei, weil die staatliche Maßnahme dazu führt, dass der betroffenen Frau eine nach dem Stand der medizinischen Technik mögliche Fortpflanzungsmethode versagt bleibt, Höfling, W. (2001), S. 72. 116 Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 647, 652. 117 Siehe oben. 118 Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 28. 119 BVerfGE 105, 313, 348; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 653, 658; Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 9, anders dagegen BVerfGE 99, 145, 156; 103, 89, 107.
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Folgende Probleme sind zu unterscheiden: Erstens wird die Kindeswohlgefährdung als vorwirkendes Argument gegen die Fremdeizellspende gebraucht, denn das Kind als Grundrechtsträger existiert (noch) nicht. Zweitens normiert das Totalverbot der heterologen Eizellspende die Nichtentstehung des Kindes. Fraglich ist, ob dies dem Kindeswohl dient, mithin eine geeignete Erwägung ist. Drittens handelt es sich notwendigerweise um Prognosen. Fraglich ist, wem die diesbezügliche Einschätzungsprärogative zufällt – wiederum eine Frage der Geeignetheit des staatlichen Verbots. Viertens ist jedenfalls fraglich, ob das strafrechtlich bewehrte Totalverbot der Fremdeizellspende erforderlich ist. 1. Das Kindeswohl als vorwirkendes singuläres subjektives Gegenrecht des Kindes oder als sonstiger Verfassungswert? Das Kind, dessen Wohl durch die gespaltene Mutterschaft verletzt werde, entstünde erst durch die Fremdeizellspende. Es fehlt mithin zunächst an einem Grundrechtsträger. Das Kindeswohl ist daher nicht (wie bei der Adoption) 121 ein gegenläufiges aktuelles Grundrecht. Fraglich ist, ob dieser Mangel durch das Konzept des vorwirkenden Grundrechtsschutzes behoben werden kann. 122 So wird es teilweise angenommen. Menschliches Leben werde degradiert, wenn es unter den artifiziellen Umständen der Eizellspende gezeugt werde. 123 Die Verdinglichung der Erzeugung menschlichen Lebens, „welche aus Sicht des Samenspenders nicht um der Person des Kindes willen Platz greift, . . . verletze die vorgelagert zu schützende Würde des so erzeugten Kindes“. 124 Hiergegen wird geltendgemacht, dass diesem vorgelagerten Schutz die Wirkkraft der Grundrechte entgegenstehe. Die (vorgeblich würdeverletzende) Handlung erfolge nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem das Würdesubjekt noch gar nicht existiere. Die Konzeption des Art. 6 Abs. 2 GG gehe grundsätzlich davon aus, dass die zu schützenden Kinder bereits geboren sind. Im Mittelpunkt der Argumentation um das so verstandene Kindeswohl stehe mithin ein Subjekt, welches ohne die kritisierten Zeugungsmethoden gerade nicht geboren worden wäre. Damit könne dessen Wohl nicht verletzt sein. 125 Hiergegen lässt sich wiederum denken, dass Grundrechte jedoch möglicherweise dann eine vorwirkende Dimension entfalten, wenn sie in ihrer Funktion als staatliche Schutzeingriffe gebraucht werden. Diese Eingriffe fänden vor der Verletzung 120 BT-Drs. 11/5460, S. 6 f; Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 1, 3 mit den Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren. 121 Bei der Adoption sind dann auch nur konkrete Interessen des Kindes beachtlich, § 1745 BGB. Zum Ganzen siehe MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1745 BGB, Rn 4. 122 Coester-Waltjen, D. (1986), S. 46. 123 Kass, L. (1998), p. 113; Murray, TH. (1996), p. 60. 124 Röger, R. (1999), S. 272 f, 278. 125 Coester-Waltjen, D. (1986), S. 46; Bernat, E. (1989), S. 221; Starck, C. (1986), S. 17; anders dagegen derselbe in v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art 2 GG, Rn 18.
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des Schutzgutes statt, wenn die nachträgliche Aufhebung der Nachteilszufügung den Schaden nicht mehr effektiv beseitigen könnte. Klassischerweise gelte dies für das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fließende Lebensschutzgebot. So schützten bspw. die §§ 218 ff. StGB, wenn nicht schon den aktuellen Grundrechtsträger „Embryo“, so jedenfalls das zukünftige Kind im Sinne vorwirkenden Lebensschutzes. 126 Das Kindeswohl ist per se ein in die Zukunft gerichtetes Konzept. Es nimmt vor allem die Entwicklung des Kindes in den Blick. Insofern hat es eine vorwirkende Komponente. Gleichwohl knüpft es im Grundsatz an den Grundrechtsträger Kind an. Dieses entsteht erst mit der Geburt. 127 Die Frage der Subjektivierbarkeit objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte ist indes weitgehend ungelöst. 128 Das Bundesverfassungsgericht scheint davon auszugehen, dass eine objektiv-rechtliche Schutzpflicht nicht voraussetzt zu ermitteln, ob das objektiv-rechtlich Geschützte selbst Grundrechtsträger ist. Es hat offengelassen, ob der Embryo ab der Nidation selbst Grundrechtsträger ist oder „‚nur‘ von den objektiven Normen der Verfassung“ geschützt wird. 129 Es spricht jedoch viel dafür davon auszugehen, dass auch der so verstandene objektiv-rechtliche Schutz des Rechts auf Leben – mittels einer Schutzpflicht des Staates – voraussetzt, dass das Geschützte Grundrechtsträger sein muss. 130 Verortet man die Herkunft der Schutzpflicht mit der herrschenden Meinung in jedem einzelnen Grundrecht, scheint es zwingend zu sein, dass das Geschützte selbst Grundrechtsträger sein muss. Leitet man Schutzpflichten demgegenüber aus dem Sozialstaatsprinzip oder aus Art. 1 GG (in dem Verständnis, dass Art. 1 GG nicht Grundrecht, sondern ausstrahlendes objektives Verfassungsrecht darstellt) ab, ist eine Grundrechtsträgerschaft nicht nötig. Hilfreich ist auch die saubere Trennung der Begriffe „Schutz des Rechts auf Leben“ und „Schutz des Lebens“. Erstes setzt eine eigene Grundrechtsträgerschaft voraus, während letztes objektiv-rechtlich geschützt werden könnte. Verstünde man das Kindeswohl als Grundrecht des Kindes bedürfte es nach dem Gesagten auch im Falle vorwirkenden Grundrechtsschutzes eines Grundrechtsträgers „Kind“. Daran fehlt es. Das Kindeswohl ist somit kein gegenläufiges Grundrecht des zukünftigen Kindes, sondern ein objektiver Verfassungswert. Grundlage ist nicht eine vorbeugende Wirkung der später einsetzenden Grundrechtsträger126
Ipsen, J. (2001), S. 995; Enders, C. (2003), S. 672. Auch das BVerfG hat offengelassen, ob der Embryo ab der Nidation selbst Grundrechtsträger ist oder „‚nur‘ von den objektiven Normen der Verfassung“ geschützt wird, BVerfGE 39, 1, 41. 127 Enders, C. (2003), S. 672. 128 Siehe dazu Stern, K. (2004), S. 582 f und Alexy, R. (1986), S. 410 ff. 129 BVerfGE 39, 1, 41. Siehe bspw. auch den 1. Leitsatz von BVerfGE 39, 1: „Art. 2 II 1 GG schützt auch das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als selbständiges Rechtsgut“. Zu diesem Verständnis siehe auch Fassbender, K. (2001), S. 2750. 130 Merkel, R. (2001), S. 48 ff.
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schaft und damit ein vorzeitiger Ausfluss zukünftiger subjektiver Rechte, sondern die Rückwirkung auf die tatsächlich geborenen Menschen und ihre Grundrechtspositionen. 131 Selbst wenn man das Ungeborene als Kind im Sinnes des Art. 6 Abs. 2 GG ansähe, 132 bliebe nämlich zu konstatieren, dass es bis weit in eine postnatale Phase nicht in der Lage ist, an seinem Wohl orientierte Entscheidungen zu treffen. Daher ist der Verfassungstext des Art. 6 GG als eine Verpflichtung der Eltern zur treuhänderischen Wahrnehmung der Interessen des Kindes 133 zu lesen, nicht als ein subjektives Recht, das gegen die Eltern in Stellung zu bringen wäre, sondern als ein Grundrecht der Gemeinschaft Familie, in die das Kind eingebettet ist. 134 2. Die Geeignetheit des Verbots Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Verbots der Fremdeizellspende ist zunächst beachtlich, dass das bestehende Totalverbot das Kindeswohl zu wahren sucht, indem es das Kind erst gar nicht entstehen lässt. Fraglich ist, ob dies dem Kindeswohl dient, mithin eine geeignete Erwägung ist. Außerdem gilt es zu klären, wem die Einschätzungsprärogative bezüglich des Kindeswohls zusteht – der innerstaatlichen Gemeinschaft Familie oder der Gesellschaft. a) Das Problem der mangelnden Handlungsoption Es wird die Auffassung vertreten, dass Art. 6 GG dem Staat die Pflicht auferlege, den Kindern eine Familie und verantwortliche Eltern zu vermitteln. 135 Die elterliche Verantwortung für das Kind solle schon auf den Zeitpunkt vor der Zeugung vorverlagert sein. 136 Gespaltene Mutterschaften seien zu verhindern, um das Kindeswohl zu sichern. 137
131 Instruktiv: Ipsen, J. (2001), S. 989 ff., insbesondere S. 993. Ipsen sieht bspw. in der Sepulkralkultur der Menschen eine Pflege objektiver Werte, deren Nichtbeachtung den Verfall allgemeingültiger Werte befürchten ließe. Im Schutz von Embryonen erkennt er eine vergleichbare Situation. 132 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Robbers, G. (1999), Art. 6 II, Rn 155. 133 Das BVerfG spricht von den Eltern als „Freiheitsmittlern des Kindes“, BVerfGE 59, 360, 376, von einem „treuhänderischen, fiduziarischen oder dienendem Grundrecht“, BVerfGE 59, 360, 377; 61, 358, 372, 72, 155, 173; siehe auch Zacher, HF. (2001), § 134, Rn 3 und Harks, T. (2002), S. 719. 134 Di Fabio, U. (2003), S. 994; BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 28. 135 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Robbers, G. (1999), Art. 6 GG, Rn 181. 136 Röger, R. (1999), S. 54. 137 BT-Drs. 11/5460, S. 6 f; Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 1, 3 mit den Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren.
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Gegen eine derartige Einbeziehung von Kindeswohlüberlegungen wird zu Recht geltendgemacht, dass dies ein „argumentum ad absurdum“ darstellt. Dies deshalb, weil das Kind, dessen Wohl im Raume steht, noch gar nicht existiert und, wegen des Verbots der betreffenden Fortpflanzungsmethode, auch nie entstünde. Damit schützte man etwas vor seiner eigenen Existenz. 138 Es gibt kein Recht, nicht geboren zu werden. 139 Auf das „Ob“ seiner Entstehung hat der Einzelne weder Anspruch noch Einfluss. Der Mensch hat auch keine vorwirkenden Rechte auf eine gewisse genetische Grundausstattung. Damit ließe sich das Verbot der heterologen Eizellspende selbst dann nicht rechtfertigen, wenn die körperliche und gesundheitliche Entwicklung so gezeugter Kinder defizitär wäre. 140 Die Verhinderung der Entstehung eines Kindes wegen der befürchteten Gefährdung des Kindeswohls ist folglich eine ungeeignete Erwägung. Schon der Einzelne kann kaum sagen, ob seine Nichtexistenz seiner jeweiligen Existenz vorzuziehen wäre. Jedenfalls kann diese Entscheidung erst recht nicht für andere gefällt werden. b) Prognosespielraum der Familie oder des Staates? Grundsätzlich hat der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsspielraum bei der Bewertung von Gefahren. Er kann Folgenabschätzungen vornehmen und pauschalierende Regelungen erlassen. 141 Vorliegend bestehen jedoch Zweifel an der Tauglichkeit von gesellschaftlichen Erwägungen zum Kindeswohl, auch weil diese notwendigerweise Zukunftsprognosen sind. 142 Wie ausgeführt, ist das Kindeswohl nicht als ein singuläres subjektives Recht des Kindes zu verstehen. Erwägungen zum Kindeswohl sind eingebettet in den Normsinn des Art. 6 GG. Dieser liegt im Respekt vor der Freiheit der Familiengemeinschaft und ihrem Schutz. Regelmäßig wahrt keine andere Instanz die Interessen des Kindes besser als die Eltern. 143 Diese Vermutung ist Basis der Normstruktur des Art. 6 GG und spricht für weitgehend staatsfreie Eigenverantwortlichkeit. 144 Danach kann der Staat zwar in die Indivi138 Bernat, E. (1989), S. 221: „Die Handlungsalternative, die Nicht-Zeugung, beraubt denjenigen, um dessen Wohl man (angeblich) besorgt ist, der Existenz“. Siehe auch CoesterWaltjen, D. (1986), S. 46. 139 Coester-Waltjen, D. (1986), S. 46. 140 Daher lässt sich das Verbot reproduktiven Klonens nicht mit dem scheinbar einleuchtenden Argument belegen, dass die Technik im Tierexperiment bisher katastrophale Ergebnis erbringe, da der Klon ein subjektives Recht auf eine zur Lebensfähigkeit ausreichende genetische Ausstattung nicht hat. Das Argument kann nur Bedeutung entfalten im Rahmen einer gesellschaftlich auferlegten moralischen Pflicht, derlei Experimente ob ihrer Fehlerträchtigkeit zu unterlassen, die sich zu einem objektiv-rechtlichen Gesellschaftsschutz verdichtet. 141 So zur Ehe: BVerfGE 105, 313, 345. 142 BVerfGE 31, 58, 84; 105, 313, 345 bezüglich der Ehe; siehe auch Friauf, KH / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 28 und Höfling, W. (2001), S. 162. 143 BVerfGE 103, 89, 108; 108, 82, 103.
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dualgrundrechte der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG eingreifen, wenn das gegenläufige verfassungsrechtlich geschützte Gut der Familiengemeinschaft dazu zwingt. Dieser Gemeinschaftsschutz kann auch graduell abgestuft sein. 145 Dies bedeutet auf der anderen Seite jedoch nicht die Legitimation zur Verhinderung anderer, von diesem Idealtyp abweichender, Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens. 146 Die freiheitsrechtlich verbürgte Garantie bildet die Basis, die nicht unterschritten werden darf. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag des Art. 6 GG ist ein Förderauftrag. Er legt dem Staat die Pflicht auf, die zu schützenden Rechtsgüter gegenüber den anderen Lebensformen mit einem Mehr zu versehen. Der Förderauftrag wird jedoch nicht dadurch befolgt, indem andere Gemeinschaftsformen reduziert werden, denn dies verletzte deren Freiheitsgarantie. Auch die tradierten und ohne Zweifel bewährten Formen des Zusammenlebens beziehen ihre Legitimation und Schutzwürdigkeit eben nicht allein aus ihrer Tradition, sondern müssen sich im Wettbewerb der Lebenskonzepte fortlaufend bewähren. Hierbei ist es allenfalls zulässig, die erprobten Lebensformen zu fördern, keinesfalls kann dies jedoch durch die Verhinderung neuer Lebensformen erfolgen. „Die individuelle Entscheidung für oder gegen Kinder ist als Ausdruck der Freiheit zu respektieren, aber diejenige für Kinder doch spürbar zu erleichtern. . . . Die öffentliche Gewalt darf nicht einseitig auf neue Formen des Zusammenlebens setzen, die von der Verfassung nicht besonders geschützt sind, die ihre Bewährungsprobe erst noch bestehen müssen. . . . [Sie] muss die traditionellen Formen des Familienlebens pflegen und zugleich neue Formen ermöglichen.“ 147 Für den hier interessierenden Zusammenhang bedeutet dies nun, dass zunächst jede Form des Zusammenlebens von Eltern mit Kindern dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfällt. 148 Das Kindeswohl ist im Grundsatz am besten durch die Gemeinschaft „Familie“ geschützt. Ihr, und nicht dem Staat, obliegt deshalb die Einschätzungsprärogative darüber, wie das Zusammenleben ausgestaltet wird. Verletzungen und Gefährdungen des Kindeswohls können einen staatlichen Eingriff zwar legitimieren; sie müssen wegen des Entscheidungsspielraums der Familiengemeinschaft jedoch hochwahrscheinlich sein. Daher ist Zurückhaltung geboten, wenn der Gesetzgeber bloße Gefährdungen des Kindeswohls annimmt, weil hier zum Entscheidungsspielraum der Familiengemeinschaft das prognostische Unsicherheitsmoment darüber hinzukommt, was die „richtige“ Form von Familienge144
BVerfGE 17, 38, 50; 24, 119, 135 und 150; 33, 236, 238; BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 6; Lecheler, H. (2001), § 133, Rn 42; Zacher, HF. (2001), § 134, Rn 2. 145 Wobei umstritten ist, ob er aufgrund der Wertentscheidung des Art. 6 GG bei der intakten ehelichen Lebensgemeinschaft mit Kindern am höchsten ist; in diesem Sinne Di Fabio, U. (2003), S. 995. 146 BVerfGE 105, 313, 348. 147 Di Fabio, U. (2003), S. 997. 148 Siehe oben.
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meinschaft ist. Bloße Vermutungen über Kindeswohlgefährdungen reichen nicht aus. 149 Der Staat unterliegt einer Pflicht zum Monitoring darüber, ob die „neuen“ Formen des Zusammenlebens für die Kindesentwicklung eindeutig negative Folgen bringen. Dann kann und muss der Gesetzgeber allerdings handeln. Fraglich ist dem gemäß, ob es ausreichend empirische Belege dafür gibt, dass die Kindesentwicklung negativ beeinträchtigt wird, wenn das Kind mittels heterologer Eizellspende gezeugt wurde? Bernat war die Feststellung, „dass der Umstand, dass eine Frau ein Kind austrägt, mit dem sie genetisch nicht verwandt ist, die biologischen Entwicklungsbedingungen dieses Kindes weder stört und gefährdet beziehungsweise verletzt“ im Jahr 1989 eben diese kurze Bemerkung wert, „weil der Uterus nicht spürt, dass die Frau ein genetisch fremdes Kind austrägt“. 150 Stimmt dieser schlichte Befund oder ist die heterologe Eizellspende ein Verfahren, bei dem die so entstandenen Kinder eine morphologisch und physiologisch anormale Entwicklung nehmen und eine signifikant höhere Rate an Beeinträchtigungen vorliegt? Bedauerlicherweise gibt es aus der Zeit nach der Durchführung der ersten Eizellspende im Jahr 1984 relativ wenig Datenmaterial über die tatsächlichen Langzeitauswirkungen dieser Form artifizieller Zeugung. Deshalb müssen Studien über verschiedene andere Formen von ART vergleichend herangezogen werden. Es gibt einzelne Untersuchungen, wie z. B. die von Anthony et al., die die Rate von Fehlbildungen bei IVF-Behandlungen mit der bei „natürlichen“ Schwangerschaften verglichen und signifikant höhere Fehlbildungsraten nicht festgestellt haben. 151 Die Gruppe um Ziebe et al. hat den Einfluss der hormonellen Stimulation auf die Eizelle und den daraus resultierenden Embryo untersucht. Sie konnte einen Unterschied zwischen Embryonen, die exogener Gonadotrophingabe ausgesetzt waren, und Embryonen, deren Mütter einen regulären Menstruationszyklus durchliefen, nicht feststellen. 152 Demgegenüber gibt es andere Studien, wie bspw. die von Koivurova et al., die auf einen schlechteren neonatalen Zustand von IVF-Kindern gegenüber „natürlich“ gezeugten hinweisen. 153 Im Jahr 2003 wurde zum ersten Mal eine Meta-Analyse angefertigt, die den Bezug von Zeugung mittels ART und kongenitalen Fehlbildungen zum Gegenstand hat. Die Gruppe um Hansen et al. untersuchte bis einschließlich März 2003 publizierte Studien, die sich mit der Prävalenz von Geburtsfehlern bei IVF oder ICSI verglichen mit „natürlicher“ Konzeption befassen. Sie fand 25 Studien, die den Kriterien einer Meta-Analyse 149 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 35 kommen indes zum gegenteiligen Ergebnis. 150 Bernat, E. (1989), S. 218. Dazu, dass die Schwangerschaft stets alles andere als konfliktfrei abläuft, weil sie auch die Kompetition zweier Organismen bedeutet, siehe oben. 151 Anthony, S. et al. (2002), pp. 2089. 152 Ziebe, S. et al. (2004), pp. 1457. 153 Koivurova, S. et al. (2002), pp. 1391.
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genügen. Zwei Drittel dieser Studien zeigten ein um 25% oder mehr erhöhtes Risiko für die mittels ART gezeugten Kinder, Geburtsfehler aufzuweisen. 154 Was bedeutet dies nun für die heterologe Eizellspende? Zunächst lassen sich die in der Meta-Analyse gefundenen Ergebnisse nicht eins zu eins für die heterologe Eizellspende übersetzen, weil die Meta-Analyse nur IVF- und ICSI-Prozeduren mit der „natürlichen“ Konzeption verglichen hat. Mangels spezifischer Zahlen sei jedoch die oben genannte Meta-Analyse zur Grundlage der nachfolgenden Überlegungen gemacht. Wichtiger als der spezifische Bezug zur Fremdeizellspende ist nämlich die genaue Betrachtung der kongenitalen Fehlbildungen und ihre Auswirkungen auf die Kindesentwicklung. Die Gruppe um Söderström-Anttila ist eine der Gruppen, die sich um qualitative sog. follow-up Studien verdient gemacht hat. Sie unterscheidet die pränatale von der postnatalen Entwicklung. Mit Bezug zur pränatalen Phase hat sie festgestellt, dass es sehr häufig zu Geburten mittels Kaiserschnitt kommt. Die Anzahl von Frühgeburten ist ebenfalls erhöht. 155 Die Schwangerschaften werden als „high risk pregnancies“ bezeichnet. 156 Demzufolge ist in der ersten Zeit nach der Geburt die medizinische Versorgung der Neugeborenen häufiger nötig und oft aufwändiger als bei „normal“ gezeugten Kindern. 157 Entscheidend für diesen Befund ist jedoch die Tatsache, dass ein hoher Anteil der ART-Schwangerschaften Mehrlingsschwangerschaften sind, aus denen die neonatalen und frühen postnatalen Schwierigkeiten resultieren. 158 Deshalb ist nicht die Fremdeizellspende an sich das Problem, sondern ihre verfahrensmäßige Ausgestaltung. Es ist es wichtig, möglichst nur einen Embryo zu implantieren, um das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft auf das natürliche Maß zu reduzieren. 159 Welche Auswirkungen die pränatalen Beeinträchtigungen auf die postnatale Entwicklung haben, ist dagegen umstritten. Es ist nämlich in einigen Untersuchungen festgestellt worden, dass alle Kinder gesund waren, normale Größe und Gewicht aufwiesen sowie eine unauffällige Entwicklung durchliefen. 160 Sie haben also die anfänglichen Startschwierigkeiten schnell wettgemacht. 161 Eine andere 154
Hansen, M. et al. (2004), pp. 328. Söderström-Anttila, V. et al. (1998 b), p. 2011, sprechen in ihrer Studie, die aufgrund ihres 100%igen Rücklaufs hohe Aussagekraft hat, von Kaiserschnitten in 57% und Frühgeburten in 20% der Fälle, siehe auch die Nachweise bei Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 20 ff. 156 Söderström-Anttila, V. et al. (1998 b), p. 2014. 157 Söderström-Anttila, V. et al. (1998 a), pp. 483, so auch Koivurova, S. et al. (2002), pp. 1391. 158 Koivurova, S. et al. (2002), pp. 1391. Siehe zur Grundsätzlichkeit dieses Problems auch oben. 159 Zum Ganzen siehe oben. 160 Söderström-Anttila, V. et al. (1998 b), p. 2009, 2013. 161 Siehe auch Applegarth, L. et al. (1995), pp. 574 ; Raoul-Duval, A. et al. (1994), pp. 1097; Cederblad, M. et al. (1996), pp. 2052. 155
1. Kap.: Art. 6 Abs. 1 GG
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Studie weist demgegenüber aus, dass mittels IVF oder ICSI entstandene Kinder in den ersten fünf Lebensjahren einen höheren Bedarf an medizinischer Versorgung haben, ohne dass jedoch gravierende Differenzen zu „natürlich“ gezeugten Kindern beständen. 162 Teilweise wird geltendgemacht, dass denkbar sei, dass Kinder aus artifizieller Zeugung in ihrer Entwicklung psychologische und emotionale Probleme hätten. 163 Zu trennen ist hierbei zwischen Problemen, die allein aus der Zeugung mittels Fremdeizellspende resultieren und solchen, die aus der sozialen Tatsache der Entstehung aufgrund heterologer Eizellspende (etwa in Form eines gesellschaftlichen Stigmas) entstehen könnten. Drittens sind die möglicherweise entstehenden Konflikte zwischen den Eltern und dem Kind zu unterscheiden. Im Ergebnis gibt es keine Untersuchung, die bestätigen würde, dass Kinder aus artifizieller Befruchtung per se mehr emotionale Probleme hätten, als „normal“ gezeugte Kinder oder dass sie gesellschaftlicher Verachtung unterlägen. Ihre Entwicklung verläuft grundsätzlich normal. 164 Mit Blick auf die „Qualität von Elternschaft“ wurde in einer neuen Untersuchung festgestellt, dass Mütter, die ihr Kind aufgrund IVF oder ICSI bekommen haben, weniger aggressive Gefühle und ein höheres Maß an elterlicher Fürsorge gegenüber ihren Kindern zeigen, als Mütter, die auf natürliche Weise empfangen haben. 165 Einige Untersuchungen, vor allem aus der Adoptionsforschung aber auch mit Bezug zu Fremdeizellspenden, weisen allerdings – insbesondere in der Pubertät – auf Identitätskonflikte der Kinder hin. 166 Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Probleme – so sie denn tatsächlich existieren – ihre Ursache nicht in der „unnatürlichen“ Fortpflanzung selbst, sondern in dem Schweigen der Eltern haben. 167 Im Ergebnis ist daher nicht nachgewiesen, dass die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin im Allgemeinen und die heterologe Eizellspende im Besonderen per se negative Folgen für die physiologische und psychische Kindesentwick162 Bonduelle, M. et al. (2005), pp. 413. Dies korrespondiert auch mit höheren Kosten für da Gesundheitssystem bei Einlingen aus IVF-Prozeduren, während Mehrlinge aus IVF-Prozeduren gegenüber „natürlich“ gezeugten Mehrlingen keine höheren Kosten verursachen, siehe Koivurova, S. et al. (2004), pp. 2798. 163 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 76 ff. 164 Ponjaert-Kristoffersen, I. et al. (2004), pp. 2791 mit Bezug zum psychologischen Wohlbefinden und der kognitiven Entwicklung 5-Jähriger nach Zeugung mittels ICSI; Leslie, GI. et al. (2003), pp. 2067; Koivurova, S. et al. (2003), pp. 2328; Golombok, S. / Cook, R. et al. (1995), pp. 285; Golombok, S. / Brewaeys, A. et al. (1996), pp. 2324; Snowden, E. / Snowden, R. (1998), pp. 32; Brewaeys, A. / Ponjaert, I. / Van Hall, EV. et al. (1997 b), pp. 1349. 165 Barnes, J. et al. (2004), pp. 1480. 166 Aus der Adoptionsforschung siehe Daniels, KR. (1994), pp. 5. Mit Bezug zur Eizellspende siehe Brewaeys, A. et al. (1997 a), pp. 1591; Shenfield, F. et al. (1997), pp. 392; Blyth, E. et al. (1998), pp. 2339. 167 So auch Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 77.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
lung zeitigen. Es gibt zwar einige Studien, die auf einen solchen Zusammenhang hindeuten; andere widersprechen dem jedoch. Beachtlich ist vor allem, dass sich die postnatale Kindesentwicklung insgesamt als gleichwertig darzustellen scheint. Viele der pränatalen und frühen postnatalen Komplikationen sind darüberhinaus auf das Problem der Mehrlingsschwangerschaft zurückzuführen. Hier ist es wichtig, gesetzlich zu normieren, das Mehrlingsschwangerschaftsrisiko zu minimieren, ohne die Erfolgschancen der Behandlung zu beschränken. 168 Eine eindeutig negative Bilanz der Kindesentwicklung mittels Fremdeizellspende gezeugter Kinder besteht mithin nicht. c) Ergebnis Ein modernes Grundrechtsverständnis sieht die Grundrechte als Rahmenrechte oder Institutionen. Ein solches Verständnis geht von der Effizienz privater Selbstregulierung aus. Es respektiert und fördert gemeinschaftliche Einheiten und ihre Eigenverfassungen. Es akzeptiert die primäre Eigenverantwortung und Rationalität des jeweiligen geschützten Funktionsbereiches und gibt ein staatlicherseits fixiertes Wertverständnis nicht vor. Eine bedeutende Institution des Grundgesetzes und die Basis der Vitalität des Staates ist die Familie. Sie ist der Prototyp einer gemeinschaftlichen Einheit. Daher gilt insbesondere für sie der Primat der Selbstregulierung und Eigenverantwortung, was zu staatlicher Regelungszurückhaltung zwingt. Grundrechte sind zudem vorstaatliche Rechte. 169 Daraus folgt, dass der Staat im Fall der Beschränkung der Grundrechte darlegungs- und beweispflichtig ist, während die Freiheitsbetätigung des Einzelnen das der staatlichen Einschränkung vorausliegende und somit primäre Element ist. 170 Grundrechte wirken demgemäß als Rechtfertigungs- und Begründungszwang für die Staatsgewalt. 171 Die Erwägungen des Gesetzgebers, die zu den Einschränkungen des Fortpflanzungsrechts im Embryonenschutzgesetz führten, lassen sich durch Tatsachen oder hohe Wahrscheinlichkeiten nicht untermauern. Es gibt keinen ausreichenden Beleg dafür, dass die Kindesentwicklung substantiell schlechter verliefe. Die grundgesetzliche Freiheitsvermutung spricht somit gegen das Verbot der Fremdeizellspende, denn „die Rolle des Schiedsrichters über die unterschiedlichen Deutungen der Welt und die Bestimmungen über das gute Leben liegt ihm [dem Staat] nicht“. 172 Deshalb ist die unsubstantiierte Prognose der zukünftigen Aussichten der Familie als günstig oder ungünstig kein tauglicher Rechtfertigungsgrund. 173 168 169 170 171 172
Zum Problem siehe oben. Dreier, H. (1996), Vorbemerkung, Rn 34. Böckenförde, EW. (1974), S. 1530 ff. und Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 44. Dreier, H. (1996), Vorbemerkung, Rn 34 und Kingreen, T. (2004), S. 941. Kingreen, T. (2004), S. 941.
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Unstreitig steht es jedem, der ethische und moralische Bedenken gegen die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin im Allgemeinen und gegen die heterologe Eizellspende im Besonderen hat, frei, diese Verfahren im Fall eigener Infertilität nicht anzuwenden. Dies folgt zwingend aus der Anerkennung des Fortpflanzungsrechts in seiner negativen Ausgestaltung. Hier geht es jedoch um eine staatliche Beschränkung der positiven Fortpflanzungsfreiheit. Nun ist es auf dem Gebiet aufeinanderprallender divergierender ethischer Wertvorstellungen naturgemäß schwierig, einen Ausgleich zu finden, der allen Beteiligten gerecht wird. Der Gesetzgeber muss allerdings versuchen, die gerechteste Lösung zu erreichen. In einem freiheitlichen Staat darf sie nicht diejenige sein, die die Wertvorstellungen eines Teils zugunsten derjenigen eines anderen Teils vollständig opfert. Es ist nicht Aufgabe des Art. 6 GG, alle suboptimalen Formen des familiären Zusammenlebens durch repressive Maßnahmen zu verhindern. Zulässig ist nur die Förderung etablierter Gemeinschaftsformen. 174 Es ist unzweifelhaft erstrebenswert, wenn Kinder in einer harmonischen Familie aufwachsen. Das Kindeswohl lässt sich jedoch nicht allgemeingültig definieren. Es liegt primär in der Hand der Familie. Ob das Familienleben harmonisch und dem Wohl des Kindes zuträglich sein wird, ist eine stets unsichere Zukunftsprognose. 175 Solcherlei Prognosen sind für ein Totalverbot eines Fortpflanzungsmodus untauglich. 176 Mit dem Argument der Sicherstellung des Kindeswohls müsste ansonsten nämlich jede Form suboptimaler Umgebung für das Heranwachsen von Kindern reglementiert werden. 177 Auch der Vorwurf, dass die Eizellspende ein technischer Prozess ist, verfängt nicht. Mütter mittels Fremdeizellspende gezeugter Kinder haben eine strukturell andere Beziehung zu ihrem Kind als „normale“ Mütter. Die Annahme, dass dieser strukturelle Unterschied auf die tatsächliche Kindesentwicklung durchschlage, 173 BVerfGE 31, 58, 84 hier mit Bezug zur Ehe; siehe auch Friauf, KH. / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 28. 174 Siehe oben. 175 Coester-Waltjen, D. (2001), S. 158. 176 Friauf, KH / Höfling, W. / Burgi, M. (2005), Art. 6 GG, Rn 28. Vergleichend sei auch an die sog. Grenzen der Wesentlichkeitstheorie erinnert. Auch die Kindesentwicklung ist ein dynamischer Bereich, der sich nicht durch Gesetz ein für alle mal abschließend regeln lässt, sondern einer laufenden Überwachung und Entscheidungsfindung unterliegen muss. 177 Jackson, E. (2001), p. 174. Ginge man beispielsweise davon aus, dass das Heranwachsen von Kindern ohne Vater das Kindeswohl beeinträchtigte, wäre ein Verbot der Fortpflanzung von Frauen, die nicht in einer festen partnerschaftlichen Beziehung sind, zu erwägen – eine offensichtlich abstruse Forderung. Dass das Kindeswohl Berücksichtigung finden muss, ist unstreitig. Als Beispiel mag das Scheidungsrecht des BGB dienen. Hier findet in § 1568 1. Fall BGB das Kindeswohl Berücksichtigung. Allerdings ist § 1568 BGB eine Ausnahmevorschrift nach der die Scheidung nur dann nicht durchgeführt werden soll, wenn im Interesse der minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise die Aufrechterhaltung der Ehe angezeigt ist. Das allgemeine Interesse der Kinder, dass sich die Eltern nicht scheiden, reicht gerade nicht aus, Palandt, O. / Brudermüller, G. (2000), § 1568 BGB, Rn 2.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
weil die „bloß“ biologischen Mütter diesen Mangel nicht heilen und deshalb dem Kindeswohl nicht genügen könnten, ist jedoch unverständlich, jedenfalls zu weitgehend und deshalb nicht verhältnismäßig. Fertil zu sein, bedeutet andersherum ja auch nicht, ein gutes Elternpaar zu sein. 178 Aus der Art und Weise der Zeugung des Kindes ergibt sich doch kein Rückschluss darauf, ob es stets fürsorgliche und liebende Eltern hat, während es aufwächst. Mit der gleichen Berechtigung ließe sich vermuten, dass die emotional beanspruchende und aufreibende Phase der assistierten Befruchtung Zeugnis darüber abliefert, dass die Beziehung des Paares sehr gefestigt ist. 179 Das so gezeugte Kind ist ein Wunschkind, was von nicht wenigen Kindern nicht behauptet werden kann, die auf natürlichem Wege gezeugt wurden. Im Rahmen der heterologen Eizellspende wird die Einschätzungsprärogative der Familiengemeinschaft daher im Ergebnis über Gebühr eingeschränkt. Die staatliche Intervention durch das Verbot der Fremdeizellspende ist auch aus diesem Grund ungeeignet. 3. Die Erforderlichkeit des strafbewehrten Totalverbots Teilt man die obige Einschätzung von der Ungeeignetheit des Totalverbot der Fremdeizellspende nicht, bleibt zu prüfen, ob das Totalverbot erforderlich ist. Es ist nicht erforderlich, wenn es mildere Regelungen gibt, die das Kindeswohl ausreichend sichern. Die heterologe Eizellspende ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG ohne jede Ausnahme verboten und strafbewehrt. In einem freiheitlich-demokratischen Staat mit dem oben ausgeführten Grundrechtsverständnis sind Totalverbote mit Skepsis zu betrachten. Ein repressives Verbot mit der Möglichkeit der Befreiung und ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sind als mildere Mittel grundsätzlich vorzugswürdig. Jedenfalls wirft ein Totalverbot Zweifel auf, wenn gegenläufige Verfassungsgüter im Raum stehen. Gegenläufige Werte von Verfassungsrang sind im Wege praktischer Konkordanz in Ausgleich zu bringen, wobei das eine Interesse dem anderen nie vollständig geopfert werden darf. 180 Griffig und im Zeitgeist formuliert kann man davon sprechen, dass es darum gehen muss, eine „‚Win-WinSituation‘ im Sinne größtmöglicher gesellschaftlicher und individueller Freiheit herzustellen“. 181
178
Jackson, E. (2001), p. 181. So auch Jackson, E. (2001), p. 172. 180 Hesse, K. (1995), Rn. 293, 317 ff. Kritische Stimmen gegenüber dem Konzept der Abwägung verschiedener Grundrechtspositionen und der daraus abgeleiteten Entscheidungsprärogative des Staates hat es immer gegeben, dazu aus der neueren Literatur Ladeur, KH. (2004). 181 Gostomzyk, T. (2004), S. 949. 179
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Das Embryonenschutzgesetz rechtfertigt das Verbot der heterologen Eizellspende mit Ängsten, dass durch die Aufspaltung der Mutterschaft das Kindeswohl Schaden nähme. Unabhängig davon, dass diese Ängste nicht nachhaltig begründet sind, 182 dürfen sie auch nie einseitig gewichtet werden und den alleinigen Ausschlag geben, das gegenläufige Recht auf Fortpflanzung vollständig zu opfern. Vielmehr ist der Gesetzgeber gefordert, einen institutionellen Rahmen zu schaffen, der das Kindeswohl weitgehend sichert. Er kann dabei bestimmte Techniken zur Aktualisierung des Fortpflanzungsrechts beschneiden, nicht jedoch völlig ausschließen. Schon aus diesen Erwägungen kann festgehalten werden, dass das gegenwärtige Totalverbot nicht haltbar ist. Von Beginn an wird in der Diskussion um die Zulässigkeit der Eizellspende jedoch die Meinung vertreten, dass durch die Möglichkeit der Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische, biologische und soziale das bisher gültige Faktum „Die Mutter ist stets gewiss“ aufgehoben sei und dies ein Verbot der Fortpflanzung mittels Fremdeizellspende rechtfertige. 183 Dem sei zunächst entgegengehalten, dass die biologische und soziale Mutterschaft auch bei der Fremdeizellspende so gewiss ist wie ehedem. Die biologische Mutterschaft ist durch die Schwangerschaft eindeutig gekennzeichnet. Die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu den Eltern erfolgt durch das Gesetz. Aufgehoben ist allein der Zusammenhang zwischen genetischer und biologischer Mutterschaft. Die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu seinen Eltern fußt u. a. auf der Vermutung, dass die genetische, biologische und soziale Einheit der Elternschaft besteht. So normiert § 1592 BGB den sozialen Vater als rechtlichen Vater, ausgehend von der Vermutung, dass der soziale Vater auch der genetische Vater ist. Mutter des Kindes ist gemäß § 1591 BGB die Gebärende, weil im Regelfall die biologische auch die genetische Mutter ist. Beides sind jedoch rechtliche Vermutungen, nicht unumstößliche Fakten. Die Normierung der sozialen Vaterschaft als die maßgebliche, hat historisch noch nie stets den genetischen Tatsachen entsprochen. Bei der Mutterschaft kann nun durch moderne Entwicklungen ebenfalls eine Spaltung auftreten. Dies zwingt zu rechtlichen Zuordnungsregelungen, die zwischen den Geschlechtern durchaus verschieden sein können. Diese notwendigen rechtlichen (Folge-)Regelungen bestehen jedoch. Die Elternschaft ist rechtlich gewiss. Das Totalverbot lässt sich also nicht mit dem Argument verteidigen, dass die Fremdeizellspende unlösbare rechtliche Probleme aufwerfe und daher erforderlich sei. Genauso wie rechtliche Folgeregelungen normiert werden können und müssen, lässt sich auch der Zugang zur Fremdeizellspende ausgestalten. So sollte bspw. die Zulässigkeit der heterologen Eizellspende an den oben genannten medizinischen Indikationen orientiert werden. Es sollte eine Altersbeschränkung bestehen und grundsätzlich nur ein Embryo implantiert werden. 182 183
Siehe oben. Siehe schon Selb, W. (1987), S. 68 ff.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
Das Strafrecht als schärfstes Schwert des Staates darf nur eingesetzt werden, wenn gewichtige Schutzgüter beeinträchtigt sind und das Strafrecht sich zum Schutz dieser Güter eignet. Mildere ebenso geeignete Schutzvorkehrungen dürfen nicht verfügbar sein, die strafbewehrten Verbote dürfen nicht in unzumutbarer Weise in mindestens gleichrangige Rechte anderer eingreifen und sie müssen sich widerspruchsfrei in die Rechtsordnung einfügen. 184 Das Embryonenschutzgesetz unterscheidet zwischen Vaterschaft und Mutterschaft. Es gewichtet die genetische Mutterschaft als hochgradig schützenswert, in dem es die Trennung von genetischer und natürlicherweise folgender biologischer Mutterschaft verhindern will. Die genetische Vaterschaft erfährt dagegen, ob der strafrechtlich ungeregelten heterologen Insemination, einen derartigen Schutz nicht. Tatsächlich besteht jedoch in beiden Fällen der Fakt der Spaltung. In beiden Fällen wird zivilrechtlich, durch die verwandtschaftsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die genetische Elternschaft gegenüber der sozialen Vaterschaft 185 und biologischen Mutterschaft 186 geringer gewichtet. Warum wird dies strafrechtlich genau gegensätzlich bewertet? Der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist das nicht zuträglich. Die zivilrechtlichen Regelungen sind schlüssig. §§ 1591 und 1592 BGB gewichten die genetische Elternschaft insgesamt gegenüber der biologischen bzw. sozialen geringer. Diese Gleichbehandlung 187 differenziert nur im System „Vaterschaft“ und „Mutterschaft“, nicht jedoch zwischen beiden Systemen. Zudem fehlt jede Begründung, warum sich der übermäßig häufig vorkommenden Spaltung der Vaterschaft auf der Ebene des ärztlichen Standesrechts begegnen lassen kann, für die selten vorkommende Fremdeizellspende jedoch ein Strafgesetz nötig sein soll. Der Schutz des Kindes und sein Wohl sind gewichtige Güter. Das Verbot der heterologen Eizellspende ist jedoch weder geeignet noch erforderlich, diese zu sichern. Der Verweis darauf, dass „den Strafbewehrungen eine positiv-generalpräventive Aufgabe zukommt, nämlich die Wertvorstellungen der Bevölkerung wie der unmittelbaren Normadressaten zu festigen und zu prägen mit dem Ziel, nicht der Verführung durch das Machbare zu erliegen“, 188 zeigt ein unangemessenes Maß an Paternalismus. Der Begriff des Kindeswohls ist ob seiner Weite und Unbe184
Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 16. Vater ist gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der Ehemann, gemäß § 1592 Nr. 2 BGB derjenige, der die Vaterschaft anerkennt oder gemäß § 1592 Nr. 3 BGB derjenige, dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist – mithin Regelungen, die im Grundsatz einer normativen Zuweisung entsprechen, dass die soziale Vaterschaft maßgeblich ist. 186 Siehe § 1591 BGB. 187 Gleichheitsrechtlich betrachtet, hätte sie wohlgemerkt auch durch eine beiderseitige Geringergewichtung der sozialen Elternschaft erfolgen können. 188 So der einzige Kommentar zum ESchG von Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 18, mit der Hervorhebung durch mich, die verdeutlichen soll, wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass es Sache des Staates sei, dem Bürger Wertvorstellungen zu diktieren. 185
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stimmtheit schon grundsätzlich nicht geeignet, das Totalverbot zu legitimieren. Es mit strafrechtlichen Sanktionen zu versehen, ist noch weniger zu rechtfertigen. 189 Die strafrechtliche Regelung der Fremdeizellspende als Modus von Fortpflanzung ist eine übertriebene Form der Intervention von Gesellschaft in die Gemeinschaft „Familie“. Diesbezüglich sei abschließend auf die deutlichen Worte des Richters am Bundesverfassungsgericht Di Fabio hingewiesen: „Art. 6 GG schützt die Familiengemeinschaft durch die staatliche Gemeinschaft und zugleich gegen sie. Mit Hilfe der öffentlichen Gewalt soll die Familie als ursprüngliches Gemeinschaftsleben vor allzu heftigen Zugriffen der rein zweckrationalen Gesellschaft bewahrt werden, zugleich hat die öffentliche Gewalt – ihrerseits zweckrational handelnd – so wenig wie möglich in der Familie zu suchen. Zwischen dem Schutz der Kinder und der Freiheit der Eltern steht der Staat, etwa das Familiengericht, im Sinne einer ultima ratio, nicht als täglicher Moderator und Schlichter. . . . Der allzu sehr von der pathologischen Ausnahme her Denkende wird sein Heil im Staat oder in anderen kollektiven Mächten suchen und mit vermehrten subjektiven Rechten, Jugendämtern, Sozialeinrichtungen und Staatsanwälten die gesellschaftliche Kontrolle über die freie Gemeinschaft immer weiter ausdehnen wollen.“ 190 4. Ergebnis zur Rechtfertigung des Totalverbots aus Gründen des Kindeswohls Das strafbewehrte Totalverbot der Fremdeizellspende lässt sich mit dem Argument der Gefährdung des Kindeswohls wegen der Gefahr mehrfach gespaltener Mutterschaft nicht rechtfertigen. Das Kindeswohl ist zwar ein gegenläufiger Verfassungswert, der aber nicht als subjektives (Gegen-)Recht des zukünftigen Kindes, sondern als treuhänderisches Recht der Familiengemeinschaft zu verstehen ist. Deshalb hat auch die Familie die Einschätzungsprärogative. Eine substantiell schlechtere Kindesentwicklung wird teilweise behauptet, ist jedoch nicht belegt. Diese Behauptungen, basierend auf Vermutungen, sind wegen der Einschätzungsprärogative der Familie ungeeignet zur Begründung eines staatlichen Verbots. Jedenfalls aber ließe sich den mit der Fremdeizellspende einhergehenden Befürchtungen durch ein Präventivverbot mir Erlaubnisvorbehalt Rechnung tragen. Die Strafbewehrung ist ebenfalls nicht erforderlich, weil schon Regelungen auf der Ebene des ärztlichen Standesrechts ausreichen. Das bestehende Totalverbot der Fremdeizellspende ist somit gemessen an der gesetzgeberischen Begründung sowohl ungeeignet als auch nicht erforderlich und daher verfassungswidrig.
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Siehe oben, so an anderer Stelle auch Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 4. 190 Di Fabio, U. (2003), S. 996.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
II. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung als Schranke des Fortpflanzungsrechts? Es wird behauptet, dass dem Kind die Tatsache seiner Zeugung mittels Fremdeizellspende in der Regel nicht mitgeteilt werde. Dies führe zu einem Geheimnis in der Familie und gefährde das Kindeswohl. 191 Selbst wenn dies der Fall wäre, ließe sich das Totalverbot nicht rechtfertigen, weil mildere Möglichkeiten, dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu genügen, denkbar sind. So könnte der Zugang zur Fremdeizellspende bspw. an die Bedingung geknüpft werden, dass die Spenderin ihre personellen Daten preisgeben muss. Fraglich ist daher nur, ob das Kenntnisrecht ein Verbot der anonymen Fremdeizellspende rechtfertigen kann. Dann müsste ein solches Verbot verhältnismäßig, mithin geeignet und erforderlich sein. 1. Die Darstellung des Streitstandes Die Herleitung des Kenntnisrechts aus den Grundrechten ist nach wie vor umstritten. 192 Teilweise werden Art. 1 Abs. 1 GG, 193 Art. 2 Abs. 1 GG 194 oder eine Verbindung beider Grundrechtsnormen als Grundlage gesehen. 195 Nach dem Bundesgerichtshof beinhalte das Kenntnisrecht das Recht des Kindes „auf Feststellung seiner blutsmäßigen Abstammung, das als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedes Menschen durch Art. 1 und 2 GG geschützt ist“. 196 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sichere das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde jedem einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne: „Das Verständnis und die Entfaltung der Individualität [ist] mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt neben anderen die Abstammung“. 197 Dementsprechend normiere Art. 1 GG und Art. 2 GG eine staatliche Schutzpflicht, für die Gewährleistung dieser konstitutiven Bedingungen zu sorgen. 198 Dabei verleihe Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG jedoch 191
Golombok, S. (1997), pp. 375. Siehe die Darstellung bei Marian, S. (1998), S. 95 f. 193 Mansees, N. (1988), S. 2984; Starck, C. (1986), S. 24; Laufs, A. / Uhlenbruck, W. (2002), Rn 371. 194 BVerfGE 35, 41, Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 84 ff; Waibl, K. (1986), S. 217; Balz, HP. (1980), S. 16. 195 BVerfG NJW 1997, 1769; JZ 1989, 335; Marian, S. (1998), S. 110. 196 BGH NJW 1982, 381, 382. 197 BVerfGE 79, 256, 268f; 90, 263 ff.; 96, 56 ff. 198 BVerfGE 96, 56, 64. 192
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kein Recht auf Verschaffung der Kenntnis der eigenen Abstammung gegen den Staat, sondern schütze nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen. 199 Zivilrechtliche Ausgestaltung dieser Grundsätze ist § 1618 a BGB. 200 Die Rechtsprechung und die ihr folgende herrschende Literatur werden teilweise heftig kritisiert. Gegen sie wird geltendgemacht, dass die Kenntnis der eigenen Abstammung keineswegs der einzige oder bestimmende Faktor für die Findung der eigenen Identität sei. 201 Das Bundesverfassungsgericht hätte im Gegenteil früh daraufhingewiesen, dass „das Interesse des Kindes, als eheliches Kind in der Familie aufzuwachsen, . . . sein Interesse an der genauen Feststellung seiner Abstammung“ im Allgemeinen überwiege. 202 Es wird im Weiteren die Verknüpfung von genetischem Code und Persönlichkeit kritisiert, denn es sei problematisch, wenn der Begriff der Abstammung auf die Kenntnis der genetischen Herkunft beschränkt werde. 203 Das Kind erbe von jedem Elternteil nur die Hälfte der genetischen Anlagen. Der Wert der Kenntnis der eigenen Abstammung auf der Ebene der Genetik sei wegen der unüberschaubaren Kombinationsmöglichkeiten gleich null, es sei „eine Erkenntnis ohne einlösbaren Erkenntniswert“. 204 Wegen der durch crossing-over und andere Prozesse möglichen Kombinationsvielfalt könne aus den Anlagen der Eltern nicht auf die endgültige Konstitution des Kindes geschlossen werden. 205 Es sei auch nicht ersichtlich, woher das Bundesverfassungsgericht die sozialwissenschaftlich keineswegs belegte Gewissheit nehme, die Kenntnis der genetischen Abstammung sei „ein konstitutiver Faktor für die Entfaltung der Individualität“ und besitze eine „Schlüsselstellung für die Individualitätsfindung“. 206 Das wahre Interesse richte sich nämlich nicht auf die rein biologischen Daten, sondern auf die hinter diesen Daten stehende Person. Wenn jedoch diese Person zum Kind niemals eine sozial-affektive Beziehung hatte und sich nach der geltenden Rechtslage keinerlei rechtliche Wirkungen aus der ausschließlich genetischen Beziehung ergeben, 207 sei es zweifelhaft, ob die Kenntnis der Identität des genetischen Erzeugers für das Kind identitätsfördernd wirke. 208 Außerdem sei die Ausbildung der individuellen Charaktereigenschaften und Begabungen nicht ausschließlich das Produkt der genetischen Vorgaben. Vielmehr würden sie 199
So auch nochmals ausdrücklich in BVerfGE 96, 56, 63. LG Passau NJW 1988, S. 144; LG Münster FamRZ 1990, S. 1031; LG Münster NJW 1999, S. 726; Palandt, O. / Diederichsen, U. (2000), Einf vor § 1591 BGB, Rn 3; Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 92; Wanitzek, U. (2001), S. 368 f. 201 Wanitzek, U. (2001), S. 370. 202 BVerfGE 38, 241, 251. 203 Deichfuß, H. (1991), S. 124; Frank, R. (1988), S. 113; Hassenstein, B. (1988), S. 120. 204 Hassenstein, B. (1988), S. 121. 205 Hassenstein, B. (1988), S. 122. 206 Koch, E. (1990), S. 573. 207 § 1591 BGB bestimmt die Gebärende, nicht die Eizellspenderin zur Mutter. 208 Wanitzek, U. (2001), S. 372. 200
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durch persönliches Erleben und Erziehung determiniert. 209 Eine Überbewertung der genetischen Merkmale könne zu eugenischen Tendenzen 210 bis in die Nähe nationalsozialistischer Abstammungskonzeptionen 211 führen. Tatsächlich existiert vor allem in den USA ein freier Markt für Samen- und Eizellen, auf dem hohe Summen für Eizellen von „guten“ Spenderinnen geboten werden. Es wird aktiv mit besonders klugen oder starken Spenderinnen geworben. 212 Ein weiterer Vorwurf gegen ein umfassendes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung betrifft die Tatsache, dass das zugrundeliegende Motiv weniger der Wunsch nach dem Schließen einer emotionalen Lücke sei, als häufig der Verfolgung finanzieller Interessen diene. 213 Schließlich sei bedenklich, dass der Schutz der Familie der Eizellspenderin gegen die Offenbarung ihrer Identität beiseite geschoben werde, nur weil die Eizellspenderin entscheidend an der Zeugung beteiligt sei. Die Eizellspenderin müsse die Störung des Familienfriedens zwar nicht deshalb dulden, weil sie an einem moralisch anstößigen Fortpflanzungsverfahren beteiligt war, aber deshalb, weil sie mit der Zeugung des Kindes den Verursachungsbeitrag geleistet habe. 214 Hierfür trage sie soziale und ethische Verantwortung. 215 Hiergegen wird geltendgemacht, dass die „punktuelle verfassungsrechtliche Akzentuierung“ des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung „geeignet [sei], das Gesamtkonzept einer harmonischen Neuordnung des Abstammungsrechts empfindlich zu stören“. 216 Außerdem scheine diese Argumentation deshalb verfehlt, weil das verantwortungsbegründende Element nicht die Zeugung an sich sei, sondern der Willensakt eine Familie zu gründen. Dieser fehle bei der Spenderin gerade. Gegen die Kritik an der Rechtsprechung zum Kenntnisrecht wird nun wiederum vorgebracht, dass das Bundesverfassungsgericht keinesfalls von biologischen Vorgaben ausgehe. Es stelle vielmehr auf die psychologischen Aspekte der Identitätsfindung ab, 217 denn es führe aus, dass „die Kenntnis der Herkunft dem Einzelnen unabhängig vom Ausmaß wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bietet“ und „der Persönlichkeitswert der Kenntnis nicht vom wissenschaftlichen Kenntnisstand hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen Erbanlagen und Persönlichkeits209
Mansees, N. (1988), S. 2985 und Hassenstein, B. (1988), S. 122. Frank, R. (1992), S. 1367. 211 Ramm, T. (1996), S. 994. 212 Siehe hierzu auch Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 85. 213 In dieser Hinsicht den Auskunftsanspruch einschränkend auch Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 96. 214 So – ausdrücklich ohne Wertung – Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 95. 215 Giesen, D. (1989), S. 369 und Mansees, N. (1988), S. 2987. 216 Gaul, HF. (1997), S. 1443. 217 Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 90. 210
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bildung abhänge“. 218 Das Gericht mache deutlich, dass es ihm nicht darum gehe, dem Kind die Möglichkeit zu eröffnen, anhand der elterlichen Anlagen eigene Begabungen zu entdecken oder schlechten Charaktereigenschaften entgegenzuwirken. Es gehe vielmehr darum, dem Kind die Chance zu geben, durch die Kenntnis der Eltern, die Lücke im Wissen um die eigene Abstammung zu schließen: 219 „Der Mensch ist erst durch die Verknüpfung mit seinen Vorfahren und seinen Nachfahren in Vergangenheit und Zukunft sinnvoll in die Welt eingeordnet.“ 220 Gegen das Argument der ausschließlich finanziellen Beweggründe für die Aktivierung des Kenntnisrechts wird angeführt, dass man dieses finanzielle Streben nicht überbewerten solle. Es sei in gerichtlichen Urteilen überrepräsentiert, weil es den Beteiligten schwer falle, dem Gericht die in Wahrheit zugrundeliegenden persönlichen Motive mitzuteilen. 221 2. Stellungnahme Die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 1989 zur Verknüpfung der „sinnvollen Einordnung in die Welt“ und Abstammung überzeugen nicht. Es lässt weitgehend die Begründung und den Verweis auf empirische Daten vermissen, warum der Mensch seine Abstammung unbedingt kennen müsse. Die Entscheidung aus dem Jahr 1994 formuliert ebenfalls recht vage. 222 Es finden sich Formulierungen wie: „Die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, kann den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern.“ 223 Das umfangreiche Gutachten von Pichlhofer / Groß / Henke zur Problematik der heterologen Eizellspende ist diesbezüglich ebenfalls nicht eindeutig. Einerseits führt es aus, dass „das Wohlbefinden des Kindes und der Familien nicht in erster Linie von den genetischen Verwandtschaften abhängt, sondern vielmehr von der Qualität von Elternschaft“. 224 Die entscheidenden Faktoren für das Wohlbefinden eines Kindes seien „der starke Wunsch [der Eltern] nach Elternschaft sowie auf Dauer angelegte harmonische und unterstützende Beziehungen“ und nicht, „die sexuelle Orientierung, die Zahl der Eltern oder die genetische Verwandtschaft“. 225 Ande218
BVerfG JZ 1989, 336. Marian, S. (1998), S. 100. 220 OLG Stuttgart FamRZ 1955, 271, zitiert in der Revisionsentscheidung des BGH in FamRZ 1956, 147. 221 Marian, S. (1998), S. 105. 222 So auch Marian, S. (1998), S. 101, die trotzdem ein grundsätzliches Erkennen der Bedeutung des Wissens um die eigene Herkunft bezüglich der eigenen Sozialisation in der Rechtsprechung des BVerfG feststellt. 223 BVerfG FamRZ 1994, 882. 224 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 78. 225 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 76 unter Verweis auf Pennings, G. (1999). 219
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rerseits wird in dem Gutachten behauptet, dass „die Bedeutung über das Wissen von Herkunft häufig unterschätzt werde“ sowie „Herkunft und Abstammung die Grundlage von Vergesellschaftung und essentiell sowohl für die Identitätsbildung als auch die Verortung innerhalb eines Familien- und Verwandtschaftsgefüges“ seien. 226 Es gibt unzählige Kinder, die ihre wahre Abstammung nie erfahren haben. Zu denken ist bspw. an die Kinder, die Folge außerehelichen bzw. außerpartnerschaftlichen Geschlechtsverkehrs sind. 227 Auch die vielen Kriegswaisen nach den beiden Weltkriegen sind zum erheblichen Teil in anderen Familien großgezogen worden. Diese Beispiele belegen jedenfalls, dass es „notfalls also auch ohne Kenntnis der eigenen Abstammung geht“. 228 Die Befürworter des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung verweisen nun genau auf diese faktische Grenze eines jeden Kenntnisrechts. Wenn die Informationen nicht erlangbar seien, dann müsse es auch ohne sie gehen. Dies bedeute jedoch noch lange nicht, „dass es gut gehe“. 229 Hingewiesen wird auf ein entsprechendes Bedürfnis der Betroffenen nach Vaterschaftstests, das sich in einschlägigen Anzeigen in Boulevardzeitungen sowie diversen Fernsehsendungen manifestiere. Dem lässt sich aber entgegenhalten, dass dieses Bedürfnis wohl eher auf Seiten der (vermeintlichen) Väter zu sehen und häufig mit dem monetären Aspekt der Unterhaltszahlungspflicht verbunden ist. Wie dem auch sei: Konstitutiv für die Persönlichkeitsbildung kann das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung jedoch nicht sein, denn die Mitglieder der beispielhaft genannten Personengruppen waren sehr wohl in der Lage, sich zu Persönlichkeiten zu entwickeln. Das Interesse, seine leiblichen Eltern kennen zu lernen, ist nämlich vor allem dann wenig ausgeprägt, wenn das Kind sich in seiner sozialen Familie geborgen fühlt. 230 Denn Abstammung ist wie Familie kein rein biologisches, sondern ein rechtliches, soziales und kulturelles Konzept. 231 So hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr auch festgestellt, dass „für die Entwicklung des Kindes aber neben seiner Abstammung und neben der Qualität der Beziehung zu seinen jeweiligen Bezugspersonen das Wissen und die Gewissheit von maßgeblicher Bedeutung [ist], zu wem es gehört, welcher Familie es zugeord226
Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 86. Im Zuge der Diskussion um das neue Gendiagnostikgesetz und das Verbot „heimlicher Vaterschaftstests“ geht man davon aus, dass ca. 10% der Kinder nicht vom sozialen Vater stammen. 228 Ramm, T. (1989 a), S. 1595 und Frank, R. (1988), S. 120. 229 Marian, S. (1998), S. 102 unter Verweis auf BVerfG JZ 1989, 336 und Reinke, B. (1991), S. 104. 230 Frank, R. (1988), S. 120. 231 Wanitzek, U. (2001), S. 22 f., 135 ff, 371; Häberle, P. (1998), S. 699 ff; Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 79. 227
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net ist und wer als Mutter oder Vater Verantwortung für es trägt“. 232 Die Kritik richtet sich damit zu Recht gegen die Überbewertung der genetischen Disposition und die Vernachlässigung der sozial-affektiven Beziehung und der Sozialisation des Kindes. Betrachtet man nun die sozialen Aspekte von Familien nach assistierter Reproduktion wird diesen unabhängig von der genetischen Verwandtschaft eine enge Eltern-Kind-Beziehung attestiert. 233 Somit bleibt: Fortpflanzung begründet Familie. Das Kindeswohl oder unter dem Begriff des Kindeswohls firmierende vermeintliche singuläre Rechte des Kindes sind nicht isoliert gegen das Fortpflanzungsrecht in Stellung zu bringen, sondern nur verbunden mit dem Familienwohl zu sehen. 234 Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist nämlich nicht mit dem Kindeswohl gleichzusetzen. 235 Es können sich im Gegenteil Konflikte aus der Geltendmachung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und dem Kindeswohl ergeben. Deshalb kann das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung beschränkt werden, wenn es eindeutige Erkenntnisse gibt, dass die Geltendmachung des Rechts dem Kind Schaden zufügen würde. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung determiniert das Kindeswohl nicht abschließend. Es ist in das Konzept des Kindeswohls einzubetten. Diesbezüglich ist dann wieder die weitgehende Einschätzungsprärogative der Familie zu beachten. Daher ist es im Ergebnis richtig, dass keine Verpflichtung zur Mitteilung, sondern nur ein Anspruch auf Schutz vor der Vorenthaltung erlangbarer Kenntnis durch staatliche Institutionen besteht. 236 Das Kindeswohl besteht als treuhänderisches Recht der Eltern vollumfänglich ab der Geburt des Kindes. Das Kenntnisrecht ist dagegen jedenfalls in den frühen Jahren der Kindesentwicklung für die Entwicklung und Identitätsbildung des Kindes unerheblich. Das Interesse des Kindes seine Abstammung zu erfahren, wird – wenn überhaupt – erst ab einem gewissen Alter relevant. Es ist Teil der Entwicklung zu einer Persönlichkeit und lässt sich als anwachsendes Recht begreifen. Ganz grundsätzlich ist das Kenntnisrecht auch deshalb eine ungeeignete Erwägung, das Totalverbot der Fremdeizellspende zu rechtfertigen, weil ihr – wie bereits oben ausgeführt – die unzulässige Annahme zugrundeliegt, dass die Nichtexistenz der (möglicherweise) problembelasteten Existenz vorzuziehen sei. Jedenfalls ist das bestehende Totalverbot der Fremdeizellspende nicht erforderlich, weil 232
BVerfG, 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01 vom 9. 4. 2003, Rn 60. Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 76 unter Verweis auf Golombok, S. / Murray, C. (1999). 234 Anders dagegen Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Einl zu §§ 1589 ff BGB, Rn 91 und 95. 235 So auch schon BVerfGE 38, 241, 251. 236 BVerfG NJW 1997, S. 1769, 1770. Siehe auch die Darstellung bei Busse, B. (1988), S. 185 f, der gleichwohl im Ergebnis für einen Auskunftsanspruch des Kindes plädiert. 233
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es mildere Mittel gibt, dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung Rechnung zu tragen. 237 Zunächst zeigt dies schon die Zulässigkeit der sog. Inkognitoadoption, § 1747 Abs. 2 Satz 2 BGB. Sie liegt vor, wenn die Annehmenden den leiblichen Eltern nicht bekannt sind. 238 § 1758 BGB gewährleistet im Weiteren die Geheimhaltung der nichtleiblichen Abstammung. Das Wohl des Kindes aber auch das Interesse des Annehmenden gebietet es nämlich, sie gegen Nachforschungen der leiblichen Eltern zu schützen. Gleichwohl ist es zulässig, dass das Familienbuch der leiblichen Eltern die Annahme ausweist. 239 Die Geburtsurkunde weist nur die Adoptiveltern aus, § 62 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG). 240 Es besteht ein grundsätzliches Schweigegebot für Dritte. Die Adoption darf nur offenbart werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht 241 oder der Annehmende und das Kind kumulativ zustimmen. 242 Diese Regelungen betreffen zwar nicht den Anspruch des Kindes auf Aufklärung über seine Herkunft. Allerdings bleiben das Jugendamt und die Adoptionsvermittlungsstelle zur Verschwiegenheit verpflichtet, über die Inkenntnissetzung des Kindes entscheiden allein die Adoptiveltern. Die Nichtaufklärung stellt keinen Verstoß gegen das Kindeswohl dar. 243 Für die Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen der Fremdeizellspende wäre schließlich eine Dokumentationspflicht des Arztes denkbar. 244 Man könnte außerdem regeln, dass die Spenderin zwar nicht vollständig identifizierbar ist, ihre genetischen Daten jedoch bei der Spende erfasst werden. Gegen diese Lösung der sog. „non-identifying information“ wird zwar eingewendet, dass damit dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht umfassend Rechnung getragen werde. 245 Das Kenntnisrecht ist jedoch, wie ausgeführt, nicht abwägungsresistent. Als gegenläufige Rechtsgüter von Verfassungsrang kommen der Schutz der bisherigen Familie, 246 der Schutz der Familie der Eizellspenderin sowie die Belange des Arztes in Betracht. Deshalb kann eine rechtliche Pflicht der Eltern, dem 237
Siehe oben. MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1747 BGB, Rn 15. 239 MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1758 BGB, Rn 1. 240 Personenstandsgesetz vom 3. 11. 1937 (RGBl. I 1937 S. 1146) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 211 –1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 14 G. vom 21. 8. 2002 (BGBl. I S. 3322). 241 MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1758 BGB, Rn 3. Beispiele hierfür sind die Vorlage der Abstammungsurkunde bei Eheschließung, § 1307 Satz 2 BGB i. V. m. § 5 Abs. 1, § 62 Abs. 1 PStG, und die Ermittlung wegen erheblicher Straftaten oder Krankheiten, für welche die Abstammung entscheidend ist. 242 Palandt, O. / Diederichsen, U. (2000), § 1758, Rn 2. Bis zum 14. Lebensjahr des Kindes entscheidet gemäß § 1746 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB allein der Annehmende als gesetzlicher Vertreter, siehe auch MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1758 BGB, Rn 3. 243 MüKo / Maurer, HU. (2002), § 1758 BGB, Rn 9. 244 Staudinger, J. / Rauscher, T. (2004), Anh zu § 1592 BGB, Rn 25. 245 Schmidt-Didczuhn, A. (1989), S. 230 und v. Sethe, H. (1995), S. 90. 238
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Kind den Fortpflanzungsmodus mitzuteilen, keinesfalls bestehen. Ein absolutes Kenntnisrecht ist dem geltenden Personenstands- und Familienrecht daher auch fremd. 247 Erst die Abwägung der jeweiligen Grundrechte im konkreten Fall führt zu einem Ergebnis. Hierbei haben die Gerichte einen weiten Spielraum. 248 Vor allem dann, wenn es bei der Geltendmachung des Kenntnisrechts bspw. ausschließlich um monetäre Aspekte geht, muss das Elternrecht keinesfalls zwangsläufig zurücktreten. 249 Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung scheidet damit als gegenläufiges singuläres Recht des Kindes gegen die Fortpflanzung seiner Eltern aus. Seine Verletzung bewirkt insbesondere nicht zwingend eine Verletzung des Kindeswohls. Das Kindeswohl ist ein dem Kenntnisrecht übergeordnetes Konzept, das vielfältigen Einflussfaktoren unterliegt. Als einer dieser Faktoren kann das Kenntnisrecht gelten. Zudem kann es das Totalverbot der Fremdeizellspende jedenfalls deshalb nicht rechtfertigen, weil das Verfahren der heterologen Eizellspende so ausgestaltet werden kann, dass anonyme Spenden ausgeschlossen sind. III. Die Institutsgarantie und der wertleitende Charakter des Art. 6 Abs. 1 GG als Schranke der Fortpflanzungsfreiheit? Gegen die Fremdeizellspende werden neben den oben behandelten (untauglichen) Erwägungen zum Kindeswohl und dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung vielfältige andere Bedenken geltendgemacht, die das bestehende Totalverbot ebenfalls nicht rechtfertigen können. Beispielsweise wird behauptet, dass sich psychologische Probleme ergäben. Dies zum einen dann, wenn die Empfängerin im Rahmen der IVF-Behandlung 250 ein Kind bekäme, nicht aber die Spenderin. Zum anderen aber auch dann, wenn sowohl Spenderin als auch Empfängerin trotz der Eizellspende ein Kind nicht bekämen – dann würde die Spenderin das Gefühl entwickeln, ihre Eizellen seien nicht gut genug. Die Empfängerin dagegen fühle, ein zweites Mal versagt zu haben. 251 Sähe das Kind der Spenderin ähnlich, könne sich die Spenderin zu ihm 246
Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der Eltern sowie der Familienfrieden aus Art. 6 Abs. 1 GG. 247 Deichfuß, H. (1991), S. 127; ders. (1988), S. 113; Frank, R. (1988), S. 114. 248 BVerfG NJW 1997, S. 1769. 249 Marian, S. (1998), S. 106 unter Hinweis auf das Urteil des LG Essen FamRZ 1994, 1347. 250 Der Großteil der Eizellen wird von Frauen gespendet, die sich einer IVF-Behandlung unterziehen und dabei überzählige Eizellen abgeben. 251 Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 7 und Berg, G. (2001), S. 145f.
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hingezogen fühlen. Gleiches gelte für den Fall, dass das Kind schwer erkranke oder die Empfängereltern verstürben. Beschrieben wird auch, dass die biologische Mutter ein behindertes Kind zur Welt brächte, hierfür sodann die Spenderin verantwortlich machte und sich von dem Kind lossagte. Andersherum könne die genetische Mutter eine Beziehung zu ihrem Kind wünschen und damit Probleme in die Beziehung zwischen biologischer Mutter und Kind bringen. 252 Weiter seien Generationskonflikte zu befürchten; dies gelte insbesondere bei Müttern, die ihr reproduktives Alter bereits verlassen hätten. 253 Bei ihnen sei auch die Gefahr von Geburtskomplikationen (Bluthochdruck, vorzeitige Wehen) besonders hoch. 254 Daneben werden allgemeine Bedenken gegen die Künstlichkeit und Neuartigkeit der Technik formuliert. Sie trage unkalkulierbare Folgen und könne zu Missbräuchen, insbesondere zur Eugenik, führen. Es finde außerdem ein Paradigmenwechsel in der Arzt-Patienten-Beziehung statt, weil mit der Eizellspenderin eine gesunde Frau invasiv behandelt werde. Es bilde sich ein gesellschaftlicher Trend aus, der der Frau den Druck auferlege, ihren Körper und ihre Keimzellen zur Verfügung zu stellen. Mit der Zulassung der Fremdeizellspende würde eine schiefe Ebene betreten, auf der es kein Zurück gebe. Die zunächst noch bestehenden Tabus weichten schleichend auf. 255 Diese Bedenken haben im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung des Art. 6 Abs. 1 GG jedoch keine Relevanz. Der abwehrrechtliche Gehalt des Art. 6 Abs. 1 GG ist (nur) durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar. 256 Zwar kommen die Institutsgarantie und die Funktion als wertentleitende Grundnorm als Anknüpfungspunkte für die genannten Bedenken in Betracht, denn Art. 6 Abs. 1 GG wirkt in drei Richtungen: Neben seiner Funktion als Abwehrrecht ist er Institutsgarantie und wertentscheidende Grundsatznorm. 257 Als Einrichtungsgarantie der Institute „Ehe“ und „Familie“ ist Art. 6 Abs. 1 GG – wie Art. 14 Abs. 1 GG für das Eigentum – ein normkonstituiertes Grundrecht. 258 Art. 6 Abs. 1 GG wird erst durch die Vorschriften des Eherechts inhaltlich bestimmt 259 und schützt im Gegenzug den Kern dieser Vorschriften gegen wesentliche Umgestaltung oder gar Aufhebung. 260 Anders als das Institut der Ehe bestimmt sich die Familie jedoch weniger nach rechtlichen Regelungen, sondern orientiert sich auch 252 253 254 255 256 257 258 259 260
Rn 19.
Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 7. Nieschlag, E. (2001), S. 112 und Katzorke, T. (2001), S. 129. Sauer, MV. (1998), pp. 187. Zum Ganzen siehe Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000). Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 652 und Epping, V. (2004), Rn 424. BVerfGE 31, 58, 68; 105, 313, 344 ff. Epping, V. (2004), Rn 415. BVerfGE 31, 58, 82 f; 105, 313, 345; Epping, V. (2004), Rn 355 ff und 415. BVerfGE 31, 58, 69; 105, 313, 345; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG,
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an der sozialen Wirklichkeit. 261 Familie ist im unveränderlichen Kern die Gemeinschaft mit Kindern. 262 In den Randbereichen unterliegt der Begriff dagegen stärker dem Wandel. Er kann angepasst werden, um neuen Vorstellungen von sozialem Leben Raum zu geben. Nicht nur geänderte Lebensgewohnheiten und soziale Leitbilder sind Faktoren dieses Prozesses, sondern auch neue Möglichkeiten einer biotechnischen „Machbarkeit des Menschen“ im Wege medizinischer, artifizieller Fortpflanzungs- und Reproduktionstechniken. 263 Neben seiner Funktion als Abwehrrecht und Einrichtungsgarantie ist Art. 6 Abs. 1 GG auch eine wertgeleitete Grundsatznorm. Er ist ein Schutzgebot für Ehe und Familie und stellt dem Staat in seiner positiven Ausrichtung die Aufgabe, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen zu bewahren, 264 sondern durch geeignete Maßnahmen zu fördern. 265 Das Bundesverfassungsgericht verknüpft den Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 GG („besonderer Schutz“) jedoch nur mit der Ausformung als objektiver Wertentscheidung, nicht dagegen mit der Institutsgarantie und dem Freiheitsgrundrecht. 266 Art. 6 Abs. 1 GG steigert nicht die Instituts- oder Grundrechtsqualität, sondern betont die Wertqualität. Diese erreicht aber „nicht das Maß an Verbindlichkeit, das der Institutsgarantie oder dem Freiheitsrecht eigen ist“. 267 Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Gemeinschaft Familie unter den Schutz des Staates. 268 Daher ist zunächst denkbar, dass der Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG im Einzelfall als Schranke gegen die Geltendmachung von Individualgrundrechten aus Art. 6 GG fungiert. 269 Art. 6 Abs. 1 GG schützt mit der Ehe und der Familie zwei Institute, die sich bewährt und in schwierigen Situationen gegenüber anderen Gemeinschaftsformen durchgesetzt haben. Gerade diese Erkenntnis ist zugleich 261
Siehe oben die Ausführungen zum persönlichen Schutzbereich und auch BVerfGE 36, 146, 161 f.; v. Münch, EM. (1995), § 9, Rn 13 f; BK / Jestaedt, M. (2004), Art. 6 II und III GG, Rn 53 und Epping, V. (2004), Rn 416. Ob die Regelungen zur Ehe dagegen noch auf einem tatsächlichen Fundament fußen und daher angemessen sind, erscheint insbesonders angesichts der hohen Scheidungsraten zweifelhaft. 262 Siehe oben. 263 Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 9. 264 Benachteiligungsverbot siehe BVerfGE 6, 55, 76; 13, 290, 298 f; 28, 324, 356; 67, 186, 195 f; 87, 234, 256 ff; 99, 216, 232 f; 105, 313, 346; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 665 f; Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 1 f, 6; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 22. 265 BVerfGE 76, 1, 49; 80, 81, 93; 105, 313, 346 und 348; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 666. 266 BVerfGE 6, 55, 72; 76, 1, 49; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 21. 267 BVerfGE 80, 81, 93. 268 Zur für Art. 6 GG maßgebenden Unterscheidung zwischen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ sehr instruktiv Di Fabio, U. (2003), S. 994 f. 269 Di Fabio, U. (2003), S. 995.
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aber auch konstitutives Element des Schutzauftrages des Art. 6 Abs. 1 GG, was bedeutet, dass die Institute dann nicht mehr zu schützen wären, wenn sie sich gegenüber neuen Lebenskonzepten als grob unterlegen erwiesen. Aus dem Schutzgebot kann mithin nur ein Benachteiligungsverbot abgeleitet, 270 aus dem Fördergebot nur ein „positives“ Fördern gefolgert werden, keinesfalls jedoch ein Fördern durch Benachteiligung anderer Gemeinschaftsformen. 271 Somit kann die Fremdeizellspende auch nicht wegen der Einrichtungsgarantie oder des wertleitenden Charakters des Art. 6 Abs. 1 GG eingeschränkt werden. Mit der (beschränkten) Zulassung der Fremdeizellspende würde der Gesetzgeber dagegen nicht gegen das Gebot verstoßen, die Familie zu fördern. Das Institut erführe keinen Schaden, weil ihm keine Förderung entzogen würde. 272 Nun ließe sich denken, dass das Institut der Familie vielleicht nicht durch die heterologe Eizellspende selbst Schaden erführe, man jedoch mit ihrer Zulassung eine schiefe Ebene beträte, auf der logische oder moralische Haltepunkte gegen die Ausweitung ihrer Anwendung nicht mehr definiert werden könnten. 273 Solche Argumente werden als „slippery slope“-Argumente bezeichnet. 274 Sie lassen sich für jeden wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anbringen, jedoch nicht fruchtbar machen. Im Gegenteil erlegen sie dem Staat die Pflicht auf, mögliche Handlungsfelder nicht mit dem Hinweis auf Gefahrenpotentiale pauschal zu verbieten, sondern sich der schwierigen Aufgabe zu stellen, jeden einzelnen Handlungsschritt auf seine möglichen Folgen hin zu überprüfen. 275
270 BVerfGE 6, 55, 76; 13, 290, 298 f; 28, 324, 356; 67, 186, 195 f; 87, 234, 256 ff; 99, 216, 232 f; 105, 313, 346. 271 BVerfGE 105, 313, 347 f. 272 Vgl. BVerfGE 105, 313, 347. 273 Schneider, I. (2003), S. 60. 274 Die häufig anzutreffende deutsche Übersetzung in „Dammbruchargumente“ trifft den Kern nicht, da ja gerade der Vorwurf schleichender Aufweichung bestehender Tabus im Raum steht, siehe Merkel, R. (2002), S. 170. 275 Kollek, R. verteidigt bspw. die Zulässigkeit von „slippery slope“-Argumenten mit dem Hinweis, dass sie jedenfalls dann beachtlich seien, wenn sie „Türöffnerfunktion“ hätten, das heißt, wenn durch sie ein zuvor bestehendes moralisches Tabu gebrochen würde, siehe Kollek, R. (2000 a), S. 49 im Rahmen der Diskussion um die Zulässigkeit der PID. Sie sieht durch die Fremdeizellspende das Tabu gebrochen, gespaltene Mutterschaften zu kreieren. Dies ist jedoch zweifelhaft. Ist die Instrumentalisierbarkeit menschlichen Lebens im Rahmen von IVF-Maßnahmen ein Bruch moralischer Tabus? Woher sollte dieses Tabu kommen, wenn es vor dem Durchbruch der betreffenden technischen Errungenschaft gar nicht möglich war, Mutterschaften aufzuspalten oder menschliches Leben im Reagenzglas zu instrumentalisieren? Möglicherweise handelt es sich um einen Bruch mit den natürlicherund traditionellerweise vorgegeben Reproduktionswegen und der diesbezüglichen Nichtmanipulierbarkeit der menschlichen Natur. Aber sollte damit gleichsam ein moralisches Tabu gebrochen werden? Dieser Nachweis wird regelmäßig nicht erbracht und ist nur geführt, wenn man Unnatürlichkeit mit Amoral gleichsetzt.
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Vielfach wird gegen die Anwendung von Methoden der modernen Reproduktionsmedizin angeführt, dass die Gefahr des Missbrauchs bestehe. So wird bspw. die Eizellspende als ein Einfallstor für private Eugenik angesehen. Befürchtet wird, dass auf einem sich entwickelnden Markt für Gameten nur die Eizellen von Menschen genommen würden, von denen man nach irgendwelchen Kriterien annimmt, dass ihr genetisches Material besonders hochwertig sei. 276 Es bestehe die Gefahr der Kommerzialisierung, vor allem bei Eizellen von jungen, intelligenten und attraktiven Frauen. Menschliche Körpersubstanzen dürften jedoch nicht kommerziell genutzt werden. Das gesetzliche Verbot der Fremdeizellspende erfolgte unter anderem in der Annahme, dass die potentiellen Missbrauchschancen das Fortpflanzungsbedürfnis einiger weniger Menschen überwögen. 277 Das Totalverbot sei gerechtfertigt, weil die Behandlung der Fruchtbarkeitsprobleme weniger Frauen, eine Vielzahl von Folgeproblemen auslöse. Es bestünden viele offene und ungeklärte Fragen. Dies rechtfertige die Nichtzulassung der Fremdeizellspende. 278 Es sei zudem ein allgemeines Axiom, dass wissenschaftlich-technische Innovationen nur dann und so realisiert werden sollen, dass die erkennbaren Probleme, die erzeugt werden, nicht größer sind als die, die gelöst werden sollen. 279 Dieses Axiom überzeugt nicht. Es entspricht nicht den natürlichen Gegebenheiten. Die Natur basiert auf dem Prinzip „trial and error“ und so hat sich auch die menschliche Evolution vollzogen. Es ist wissenschaftlich-technischen Innovationen gerade eigen, dass die durch sie ausgelösten Folgen nicht vollständig vorab abschätzbar sind. Dass viele offene Fragen bestehen, spricht weder für noch gegen ein Verbot. Restriktive Regeln sind unangemessen. Mit Blick auf die internationale Entwicklung sollte die Orientierung an den höchsten wissenschaftlichen Standards erfolgen und nicht an den geringsten. Andernfalls droht der technische Rückschritt. Der technische Fortschritt ist jedoch Voraussetzung für eine fundierte ethische Bewertung. Wer an der wissenschaftlichen Entwicklung nicht teilnimmt, verwirkt seinen Anspruch auf Bewertung der ethischen Fragen. 280 Plastisch drückte es Johannes Groß aus, als er sagte: „Geforscht wird im Ausland, die Ethik wird in Deutschland gemacht.“ 281 Deutschland wird im internationalen Vergleich schon jetzt als ein Volk von Bedenkenträgern wahrgenommen. Die Bezugnahme darauf, dass „einige wenige Härtefälle [die infertilen Paare], eine Vielzahl von Folgeproblemen auslösen“, erstaunt zunächst schon deshalb, 276
Laufs, A. (1998), S. 1753. Siehe zu diesem Verständnis auch Kollek, R. (2000 a), S. 53. 278 Berg, G. (2001), S. 150. 279 Mieth, D. (2001), S. 171. 280 Exemplarisch dagegen für die gegenteilige Auffassung bspw. Hüppe, H. (2001), S. 406, stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des 15. Deutschen Bundestags. 281 Zitiert nach Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 13. 277
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weil sie eine – sonst in der deutschen Debatte verpönte – utilitaristische Erwägung ist. Unverständlich bleibt außerdem, wie und warum die geringe Zahl von Fremdeizellspenden und die noch geringere Zahl daraus resultierender (potentieller) Missbräuche, unsere Gesellschaft in einen unmoralischen Zustand bringen könnte. Die Argumentation allein ausgehend vom „kranken Fall“ ist als Grundlage gesetzgeberischen Handelns sehr bedenklich. 282 Den Betroffenen wird zudem eine Unredlichkeit unterstellt, die empirisch nicht belegt ist. Worin sollte sie auch bestehen? Mittels heterologer Eizellspende gezeugte Kinder sind Wunschkinder, Gefährdungen des Kindeswohls sind weder belegt noch ersichtlich. 283 Im Rahmen artifizieller Reproduktionstechniken wird schließlich häufig die Gefahr positiver Eugenik beschworen. 284 Der Begriff meint Maßnahmen, die zu einer Fortpflanzung genetisch besonders gut ausgestatteter Menschen führen, während negative Eugenik, die Verhinderung der Fortpflanzung von als ungeeignet qualifizierten Menschen meint. Damit häufig verbunden wird behauptet, dass den Menschen durch die artifiziellen Reproduktionsmethoden 285 Optionen geboten würden, die sie quasi-obligatorisch nutzen müssten, weil sie sonst einem Verantwortungszwang vor der Gesellschaft ausgesetzt wären. Insbesondere gelte dies mit Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz behinderter Kinder. So herrsche bereits jetzt ein gesellschaftliches Klima, in dem Mütter, die behinderte Kinder zur Welt brächten, einem Rechtfertigungszwang gegenüber ihren Mitmenschen ausgesetzt seien. 286 Zunächst überzeugt schon nicht, dass Eugenik an sich unethisch oder gar rechtlich bedenklich sei. Bedenklich ist sie dann, wenn sie unter staatlichem Zwang und kollektiv erfolgt. 287 Worin liegt nun aber das eugenische Potential der Eizellspende? M. E. gibt es ein solches nicht; ohne zusätzliche Techniken wie die Präimplantationsdiagnostik ist eine positive Eugenik nicht möglich. Die Bedenken scheinen außerdem konstruiert: Betrachtet man die Schwangerschaftsraten des Deutschen IVF-Registers, so stellt man fest, dass die betreffende Frau sich wenigstens drei- bis sechsmal einer IVF-Behandlung unterziehen müsste, um einen nach bestimmten Eigenschaften ausgesuchten Embryo implantiert zu bekommen. 288 282
So auch schon Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 4: „Die Möglichkeit des Missbrauchs trägt allein noch kein Verbot des rechten Gebrauchs.“ 283 Siehe oben. 284 Siehe bspw. Starck, C. in der FAZ vom 30. 5. 2001, S. 55. 285 Das Argument wird insbesondere im Zusammenhang mit der PID gebracht. 286 Graumann, S. (1999), S. 123 und Kollek, R. (2000˙a), S. 47. 287 Winter, T. (2002), S. 335. 288 Wobei zu bedenken ist, dass die „baby take home rate“ nochmals geringer ist. Siehe zu dieser Analyse auch Kollek, R. (2000 b), S. 114 f. Es verwundert, dass die Autorin an anderer Stelle dann vor einer massenhaften positiven Eugenik warnt, siehe Kollek, R. (2000 a), S. 47.
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Auch die mit dem Argument der Eugenik – bewusst oder ungewollt – hervorgerufene Assoziation zu den abstoßenden Praktiken von Medizinern im Dritten Reich geht fehl. Unzweifelhaft sind das Grundgesetz und seine Prinzipien der Staatsgestaltung von den geschichtlichen Erfahrungen und der geistig-sittlichen Auseinandersetzung mit dem vorangegangenen System des Nationalsozialismus geprägt. 289 Indes ging es dem Nationalsozialistischen Regime um die Vernichtung lebensunwerten Lebens und die Schaffung einer deutschen Herrenrasse. Das Handeln stand unter dem Zeichen der diskriminierenden Selektion. Die Nationalsozialisten wollten eine gesunde und starke „arische“ Bevölkerung mit zahlreichen Kindern. Deshalb verboten sie deutschen Frauen die Abtreibung, während sie „nicht-arische“ Frauen zur Abtreibung zwangen. Sofern man der Führungsriege des Dritten Reichs logisches und konsistentes Handeln unterstellen mag, lässt sich schlussfolgern, dass die Nationalsozialisten die Fremdeizellspende von „arischen“ für „arische“ Frauen wohl zugelassen, wenn nicht gefördert hätten. Für „nicht-arische“ Frauen wäre ein Verbot ergangen. Gerade dieses durch den Staat eingeführte selektierende Element war und wäre abstoßendes Unrecht. Bei der heterologen Eizellspende besteht aus den oben genannten Gründen die Gefahr einer Selektion nicht; zumindest jedoch nicht, ohne dass zusätzliche, und daher isoliert zu bewertende, Techniken wie die Präimplantationsdiagnostik Anwendung finden müssten. Daher greift das Argument der Gefahr eugenischer Tendenzen nicht. Folgende rechtspolitische Überlegung sei angefügt: Bei der Präimplantationsdiagnostik sind die späteren sozialen Eltern im Regelfall auch die genetischen Eltern. Bei der heterologen Eizellspende ist regelmäßig der Mann, nicht jedoch die Frau genetisch mit dem Kind verwandt, mithin beträgt die genetische Verwandtschaft 50%. So gesehen wäre die Fremdeizellspende sogar ein milderes Mittel zur Präimplantationsdiagnostik und damit ein Argument, um die Problematik genetischer Selektion bei der Präimplantationsdiagnostik zu entschärfen. Andernfalls müsste man – um in derselben Logik zu bleiben und Wertungswidersprüche zu vermeiden – die Präimplantationsdiagnostik für Paare zulassen, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko aufweisen. 289 Siehe hierzu auch BVerfG, JZ 1975, 214: „Gegenüber der Allmacht des totalitären Staates, der schrankenlose Herrschaft über alle Bereiche des sozialen Lebens für sich beanspruchte und dem bei der Verfolgung der Staatsziele die Rücksicht auch auf das Leben des Einzelnen grundsätzlich nichts bedeutete, hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die den einzelnen Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt aller seiner Regelungen stellt. Dem liegt, wie das BVerfG bereits früh ausgesprochen hat (BVerfGE 2, 1, 12), die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt, der die unbedingte Achtung vor dem Leben des einzelnen Menschen, auch dem scheinbar sozial „wertlosen“, unabdingbar fordert, und der es deshalb ausschließt, solches Leben ohne rechtfertigenden Grund zu vernichten. Diese Grundentscheidung der Verfassung bestimmt Gestaltung und Auslegung der gesamten Rechtsordnung.“
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IV. Die Selbstinstrumentalisierung der Spenderin als Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG? Schon bei der Verabschiedung des Embryonenschutzgesetzes wurden kategorische Einwände gegen die Retortenbefruchtung erhoben. 290 1. Die geltendgemachten Bedenken Der Arzt erhalte eine Schöpferrolle, die die Grenzen menschlicher Verantwortbarkeit überschreite. Der Zeugungsakt werde entwürdigt. 291 Die Frage, ob die Leiblichkeit des Menschen von seinem Willen instrumentalisiert werden dürfe, sei von grundlegender kultureller Bedeutung. Sie könne nicht der individuellen Entscheidung überlassen werden. Die humanen Grundwerte der Menschenwürde und Verantwortung seien nicht disponibel. 292 Die Reproduktionstechnologien degradierten die Frau auf ihre Funktion als Mutter. Damit werde ein altes patriarchalisches Vorurteil bedient. 293 Die Frau werde instrumentalisiert und der Technik verfügbar gemacht. 294 Es werde ein gesellschaftlicher Druck aufgebaut, der infertile Frauen zwänge, ihre Infertilität nicht einzugestehen. 295 Seelenfrieden zu erreichen, indem man alles versuche, sei in der Realität nicht zu haben. Vielmehr sei es so, dass die IVF-Behandlung „das Leben der Beteiligten übernehme“. 296 Insbesondere, aber nicht nur, von feministischer Seite 297 wird das Verbot der heterologen Eizellspende für notwendig erachtet, weil damit ein Schutz der Frauen 290 Siehe hierzu Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 1, 3 mit den Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren. 291 Laufs, A. (1987), S. 89 ff mit weiteren Nachweisen; siehe auch Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B IV, Rn 3. 292 Baumann-Hölze, R. (2001), S. 163. 293 Callahan, J. / Roberts, D. (1996), p. 1211. 294 Corea, G. (1985), p. 15 sieht die Frau als Brüterin unter der Kontrolle von Männern und „Pharmakraten“. In diesem Sinne argumentiert auch der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Regierungsentwurf des Embryonenschutzgesetzes, BT-Drs. 11/8179, S. 1. 295 Tong, R. (1996), p. 138. Siehe zum Ganzen auch statt vieler anderer die Zusammenfassung bei Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 58 ff und 71 ff. 296 Franklin, S. (1997), p. 11. 297 In der feministischen Literatur finden sich jedoch auch gegensätzliche Stimmen, die die modernen Reproduktionsmethoden begrüßen, weil sie den letzten Schritt der gesellschaftlichen Befreiung der Frau von patriarchaler Benachteiligung – die von der biologischen Reproduktionsfunktion als materieller Basis der Frauenunterdrückung ausgeht – darstellten, Firestone, S. (1987), S. 225. Die Autorin vertritt auf S. 219 die Ansicht, dass die Schwangerschaft „barbarisch“ und „eine zeitweilige Deformation des weiblichen Körpers“ sei. Wieder andere gehen aufgrund der modernen biotechnologischen Möglichkeiten von einem qualitativ neuen Naturverständnis aus und begrüßen die „technosciences“
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vor körperlicher Ausbeutung gewährleistet werde. 298 Sei die Spenderin nicht selbst Patientin im Rahmen eines IVF-Programms, werde ein risikoreicher Eingriff bei einer gesunden und fertilen Frau vorgenommen. Dies sei ein Verstoß gegen das Selbstschädigungsverbot. Für den Fall, dass man die Einwilligung der Spenderin als Rechtfertigung des invasiven Eingriffs ausreichen lässt, wird angeführt, dass insbesondere junge Frauen jedenfalls nicht zu einem „informed consent“ fähig seien, weil sie die komplexe Situation nicht vorausschauend überblickten. Nehme die Spenderin an einer IVF-Behandlung teil, in der sie ihre Eizellen abgäbe, stünden ihr bei einem Fehlschlag der Behandlung weitere Eizellen nicht mehr zur Verfügung. Es werde somit ein neuer Eingriff nötig, meist müsse auch hyperstimuliert werden. 2. Stellungnahme Zunächst sei der Einwand betrachtet, dass der Arzt die Spenderin schädige und daher das Gebot des „primum nihil nocere“ verletze, wenn bei der spendenden Frau eine Indikation nicht gegeben und der Eingriff rein fremdnützig sei. 299 Diesbezüglich wird mit Rekurs auf die Schutzfunktion des Art. 1 Abs. 1 GG und die Unverzichtbarkeit der Menschenwürde teilweise angenommen, dass der so vorgenommene körperliche Eingriff wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG stets rechtswidrig sei. 300 Angesprochen ist damit das Problem des sog. Würdeschutzes gegen sich selbst. 301 Problematisch an diesem Konzept ist, dass die Schutzfunktion des Art. 1 Abs. 1 GG gegen seine Grundfunktion – den Schutz der individuellen Autonomie 302 – gekehrt wird. Ein kategorisches Verbot freiwilliger Selbstverzweckung – bis hin zur Selbstschädigung – wäre nicht zu rechtfertigen. 303 Ein Verbot der Selbsttötung bspw. wäre seinerseits ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG. 304 als Erkenntnis und Ausgangspunkt, grundlegende Veränderungen im überkommenen Geschlechterverhältnis vorzunehmen, Haraway, D. zitiert nach Hofmann, He. (2003), S. 90. 298 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 73 ff. 299 EK REM (2002), S. 36. 300 Pichlhofer, G. / Groß, J. / Henke, C. (2000), S. 58 ff und 71 ff. Siehe auch den Rekurs des Gesetzgebers auf die Menschenwürde zum in §§ 17 und 18 TPG strafbewehrten Verbot des Verkaufs von Organen in den Empfehlungen des BT-Gesundheitsausschusses auf BTDrs. 13/8017. 301 Diese Bezeichnung findet sich bei Dreier, H. (2004), Art. 1 I GG, Rn 151. 302 Siehe auch Schroth, U. (1997), S. 1149, 1154, der im Rahmen der Verbotsregelung der §§ 17 und 18 TPG von einer „strafbewehrten Menschenwürdepflicht“ und einem abzulehnenden „harten Paternalismus“ spricht. 303 Das BVerwG hat den Rekurs auf die Menschenwürde aus dem ersten „PeepshowUrteil“ (siehe BVerwGE 64, 274) in seiner zweiten diesbezüglichen Entscheidung ausdrücklich aufgegeben (siehe BVerwGE 84, 314). Für die Unzulässigkeit eines kategorischen Würdeschutzes gegen sich selbst siehe Dreier, H. (2004), Art. 1 I GG, Rn 149 ff.;
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Jedenfalls verstößt die nach Einwilligung der Spenderin durchgeführte Fremdeizellspende, auch wenn die Spenderin nicht an einem IVF-Programm teilnimmt, nicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG. Ethisch ist nicht recht einzusehen, wieso neben dem zwingenden Erfordernis der informierten Einwilligung zusätzlich ein Eigennutzen Voraussetzung des Eingriffs sein sollte. Die Unterteilung des Begriffs „Nutzen“ in die Kategorien „Eigennutzen“ und „Fremdnutzen“ kann ethisch nur für die Entscheidung des Einzelnen Bedeutung haben. In diesem Zusammenhang kann wichtig sein (und regelmäßig ist es wohl auch so), ob die geplante Handlung (auch) dem Handelnden einen Vorteil verschafft. Die Kategorisierung ist jedoch untauglich im Rahmen eines staatlichen Verbots, weil den mündigen Grundrechtssubjekten damit eine moralische Wertigkeit ihres Handelns vorgegeben wird. Konkret gefasst: Es ist nicht einzusehen, warum dem Einzelnen gesellschaftlich vorgegeben werden sollen könnte, dass eine Handlung, die ihm nicht selbst nutzt, weniger ethisch sei, als eine eigennützige Handlung. Konsequenterweise würde dies bedeuten, dass altruistisches Handeln unethisch wäre, sofern es mit einem gewissen Grad an Selbstschädigung verbunden ist – ein nicht nachvollziehbarer Schluss. Rechtlich maßgeblicher Rechtfertigungsgrund des Eingriffs ist allein die Einwilligung; Vorstellungen von der Notwendigkeit eines Nutzens des Eingriffs gehen fehl. Beispielhaft sei auf die Zulässigkeit von kosmetischen Operationen bei zweifelhaftem medizinischen Nutzen oder von sadomasochistischen Praktiken verwiesen. Der Bundesgerichtshof führt zu letzten aus, dass „generalpräventivfürsorgliche Eingriffe des Staates in die Dispositionsbefugnis des Rechtsgutinhabers nur im Bereich gravierender (Körper-)Verletzungen zu legitimieren sind . . . , die in ihrem Gewicht an die in § 226 StGB geregelten erheblichen Eingriffe heranreichen.“ 305 Er sieht die Grenze zur Sittenwidrigkeit der Einwilligung (und damit ihrer Unwirksamkeit gemäß § 228 StGB) „jedenfalls dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird“. 306 Gemessen an diesen Erfordernissen ist die relativ geringe Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens bei der Eizellspende kein Grund, die Einwilligung für unwirksam zu halten. Maunz, T. / Dürig, G. / Herdegen, M. (2005), Art. 1 I GG, Rn 97 und v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 1 I GG, Rn 88 sehen darüber hinaus auch bei der Leih- und Tragemutterschaft die Würde der biologischen und der genetischen Mutter nicht tangiert. Siehe auch die Entscheidung des BGH zu sadomasochistischen Sexualpraktiken in BGH NJW 2004, 2458 ff.. Anders zum Würdeschutz gegen sich selbst jedoch die Entscheidungen des VG Neustadt in NVwZ 1993, 98 zum sog. „Zwergenweitwurf“ und des BVerwG in NVwZ 2002, 598, 602 ff zu Laserspielen. 304 Zur ganz herrschenden Meinung siehe die Nachweise bei Dreier, H. (2004), Art. 1 I GG, Rn 157 und Fn 523. 305 BGH NJW 2004, 2458, 2459. 306 BGH NJW 2004, 2458, 2460.
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Teilweise wird bezweifelt, ob die Spenderinnen überhaupt informiert in die IVFBehandlung und Eizellspende einwilligen könnten. Es bestünde ein gesellschaftlicher und / oder vom männlichen Partner aufgebauter Druck, wonach Kinderlosigkeit nicht zu akzeptieren sei. Eine eigenverantwortliche Entscheidung könne die Frau unter diesen Umständen nicht treffen. 307 Wegen der hohen Fehlerrate und Nebenwirkungen sei die Eizellspende nicht Heilbehandlung, sondern ein Experiment. Dies müsse einen strengeren Maßstab bezüglich des „informed consent“ nach sich ziehen. 308 Hiergegen ist zunächst einzuwenden, dass es unklar bleibt, warum derselbe Vorwurf nicht auch fertile Frauen treffen sollte. Dieser Logik entsprechend unterlägen auch sie dem gesellschaftlichen Druck, Kinder zu bekommen. Tatsächlich ist dies wohl nicht haltbar. Heutzutage entscheiden Frauen – im Idealfall einvernehmlich mit ihrem Partner – über das „Kinderkriegen“ wenigstens gleichberechtigt mit. Abgesehen hiervon, verwechselt diese Sicht der Dinge auch Ursache und Wirkung – die IVF ist nicht Grund des Kinderwunsches, sondern ihre Folge. Außerdem bereuen die Eizellspenderinnen ganz überwiegend die Spende nicht. 309 Die Mehrzahl empfindet die hormonelle Stimulation als problemlos und die Eizellentnahme als „einfach, schnell und schmerzlos“. 310 Die Beschwerden der Spenderinnen gehen eher in die Richtung, dass die Entfernung zur Klinik groß gewesen sei und die Klinik wegen des Screening und Monitoring zu häufig aufgesucht werden musste. 311 V. Ergebnis Gegen die heterologe Eizellspende werden viele Einwendungen erhoben. Sie greifen im Ergebnis nicht soweit durch, dass sie das Totalverbot rechtfertigten. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG stellen somit einen ungerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG dar. Das bestehende Totalverbot ist damit verfassungswidrig. Abschließend seien die mahnenden Worte Fechner’s aus dem Jahr 1987 zitiert: „Mit den umfänglichen Vollmachten sind entsprechende Risiken verbunden. Das verleiht seinem schöpferischen Tun den Wagnischarakter und vermehrt seine Chancen. Das Kriterium der Richtigkeit des Gewagten ist seine Fruchtbarkeit und Beständigkeit. Es 307 Klein, R. (1989), p. 189; Corea, G. (1985), p. 169; Callahan, J. / Roberts, D. (1996), p. 1227; McLean, S. (1999), p. 40. 308 Corea, G. (1985), pp. 99; Callahan, J. / Roberts, D. (1996), p. 1229; McLean, S. (1999), p. 37. 309 Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 803. 310 Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 801. 311 Skoog Svanberg, A. et al. (2003), pp. 2205; Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 801, Kan, AKS. et al. (1998), p. 2765.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
enthüllt sich immer erst im Nachher. Dem Menschen ist eine Phase des Experimentierens gewährt, die er im Wechsel von Versuch und Irrtum nutzt. . . . Das Bewusstsein aber, mit diesem Auftrag gewürdigt zu sein, vermag im einzelnen Menschen wie in den Völkern ungeheure Kräfte auszulösen. Ein krankes Volk schwingt sich dazu nicht mehr auf.“ 312
2. Kapitel
Art. 14 Abs. 1 GG Das Totalverbot der Fremdeizellspende könnte auch gegen die Eigentumsfreiheit verstoßen. Dazu müsste das Verbot zunächst einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen.
A. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff des Eigentums nicht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 90, 903 BGB) zu übernehmen, sondern aus der Verfassung zu bestimmen und insofern eigenständig. 313 Das Gericht führt aber auch aus, dass sich Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergäben. Nach diesen bestimme sich auch, wann ein zur Entschädigung verpflichtender Rechtsentzug vorliege. 314 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG ist damit „die Summe der vom Gesetzgeber gewährten vermögenswerten Rechte“. 315 Dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen jedenfalls das Grundeigentum, das Eigentum an beweglichen Sachen, die sonstigen privaten vermögenswerten Rechte, das geistige Eigentum, das Anteilseigentum, der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb, sowie sozialrechtliche Ansprüche. 316 Eizellen unterfielen demnach dem sachlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn sie bewegliche Sachen wären. Wie oben ausgeführt, besteht Streit 312
Fechner, E. (1987), S. 43. BVerfGE 58, 300, 335. 314 BVerfGE 58, 300, 335 f. 315 v. Münch, I. / Kunig, P. / Bryde, BO. (2000), Art. 14 GG, Rn 59. Damit ist es aber fraglich, ob ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff gewonnen ist, wo doch die inhaltliche Bestimmung des Begriffs dem Gesetzgeber überlassen ist, siehe hierzu Maunz, T. / Dürig, G. / Papier, G. (2003), Art. 14 GG, Rn 38. Zum Problem auch Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 894. 316 Vgl. Dreier, H. (2004), Art. 14 GG, Rn 38 ff; Pieroth, B. / Schlink, B. (2004), Rn 901 ff; Richter, I. / Schuppert, GF. (1996), S. 339 ff. 313
2. Kap.: Art. 14 Abs. 1 GG
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darüber, ob Körperteile des Menschen als Sachen begriffen werden können. Die ganz herrschende Meinung definiert ungetrennte Körperteile nicht als Sachen. Die Eizelle in vivo unterfällt daher nicht Art. 14 Abs. 1 GG. Mit der Trennung vom Körper wird dies teilweise anders beurteilt. Nach ganz herrschender Ansicht haben Eizellen ex vivo selbst zwar keine Personenqualität. 317 Ob sie Teil der Persönlichkeit des Trägermenschen 318 sind oder als dem vormaligen Trägermenschen gehörende Sachen 319 aufgefasst werden, ist jedoch umstritten. 320 Letztlich lässt sich dies nicht abstrakt, sondern nur mit Bezug zum konkreten Handlungsziel und der Verwendungsabsicht bestimmen. Das wesentliche Handlungsziel aller Beteiligten ist die Ermöglichung menschlicher Fortpflanzung. Bei der fortpflanzungswilligen, aber -unfähigen Empfängerin ist das Motiv eindeutig nicht das des bloßen Empfangs irgendeiner Sache. Handlungsleitend ist der Wunsch, ein ganz spezifisches Gut zu erhalten. Gewünscht ist eine Zelle, die sich unter gewissen zusätzlichen Bedingungen zu einem menschlichen Embryo entwickeln kann. Daher ist Art. 14 Abs. 1 GG für die Eizellempfängerin grundsätzlich nicht die rechte Anknüpfungsnorm. Bei der Spenderin kann die Motivationslage dagegen anders sein. Regelmäßig will sie einen Beitrag liefern, damit der infertilen Frau die biologische Mutterschaft möglich wird. 321 Außerdem gibt die Empfängerin eigenes genetisches Material weiter, was im medizinisch-biologischen Sinn ebenfalls Fortpflanzung ist. Mögen Fälle der Art, in denen Eizellspenderinnen in der Weitergabe ihres genetischen Materials eine Perpetuierung ihres Ichs sehen, auch die Ausnahme seien, 322 so widerlegen sie gerade nicht die Verortung des Handelns der Spenderin im Gesamtkontext Fortpflanzung. Dies wird letztlich auch von der eingreifenden Regelung, dem Verbot der Fremdeizellspende in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG, gestützt: § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG verbietet nämlich explizit die Befruchtung. Sie ist nun aber ein Vorgang der menschlichen Fortpflanzung, nicht der Eigentumsübertragung. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verbietet zwar „nur“ das Übertragen einer unbefruchteten Eizelle – aber wozu sollte die unbefruchtete Eizelle derzeit sonst in eine andere Frau verbracht werden als zur Befruchtung? 317 Dreier, H. (2004), Art. 1 I GG, Rn 71; Maunz, T. / Dürig, G. / Herdegen, M. (2005), Art. 1 I GG, Rn 64. 318 BGHZ 124, 52, 55; Brohm, W. (1998), S. 197 ff.; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. / Depenheuer, O. (1999), Art. 14 GG, Rn 148; Höfling, W. (2001), S. 107 ff. 319 Deutsch, E. (1999), Rn 490 ff.; MüKo / Holch, W. (2001), § 90 BGB, Rn 27; Staudinger, J. / Dilcher, H. (1995), § 90 BGB, Rn 15; Staudinger, J. / Jickeli,J / Stieper, M. (2004), § 90 BGB, Rn 20; Taupitz, J. (1992), S. 1092; Keller, R. / Günther, H.-L. / Kaiser, P. (1992), § 1 I Nr. 1, Rn 14. 320 Zum Ganzen siehe oben. 321 Siehe die Motivationslagen der Spenderinnen bei Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), p. 800. 322 Siehe zu dieser Motivation ebenfalls Kalfoglou, AL. / Gittelsohn, J. (2000), pp. 800, 801.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
Mithin ist der grundrechtliche Anknüpfungspunkt regelmäßig in Art. 6 Abs. 1 GG zu finden. 323 Für den Anwendungsbereich des Eigentumsrechts übrig bliebe aber, dass die Spenderin ihre Eizellen wegen eines Entgelts oder sonstiger Vergünstigungen veräußern möchte. Dann beriefe sie sich auf eine vermögensrechtlich geschützte Position im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG. 324
B. Inhalt und Schranken des Eigentums Wie oben bereits ausgeführt, ist Eigentum ohne die gesetzgeberische Definition nicht denkbar. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und Enteignungen (Art. 14 Abs. 3 GG). Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt vor bei einer „generellen und abstrakten Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum i. S. d. Verfassung zu verstehen sind“. 325 Eine Enteignung ist dagegen gegeben, wenn konkrete subjektive Eigentumspositionen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise entzogen werden. 326 Die Enteignung weist Merkmale der staatlichen Güterbeschaffung auf. Sie liegt vor, wenn der Staat gezielt hoheitlich auf konkrete vermögenswerte Rechte zugreift, die für einen konkreten Gemeinwohlzweck benötigt werden. 327 Der Gesetzgeber hat in Anwendung dessen Eizellspenderinnen nicht enteignet, sondern mit dem Verbot der Fremdeizellspende eine Inhalts- und Schrankenbestimmung der kommerziellen Verwertbarkeit der Körpersubstanz Keimzelle normiert.
C. Die Gefahr von Kommerzialisierung und Handel mit Körpersubstanzen als Rechtfertigung Gegen die Fremdeizellspende wird eingewendet, dass mit ihr die Gefahr einer zunehmenden Kommerzialisierung von Körpersubstanzen einhergehe. 328 Dies ver323
Siehe oben. Siehe hierzu Dreier, H. (2004), Art. 14 GG, Rn 45 unter Bezugnahme auf Austauschverhältnisse am Markt und Kommerzialisierungstendenzen. 325 BVerfGE 52, 1, 27 f; 58, 137, 144 f; 58, 300, 330; 70, 191, 200; 100, 226, 240. 326 BVerfGE 70, 191, 199 f; 72, 66, 76; 74, 264, 280; 79, 174, 191; 100, 226, 239 f. 327 v. Münch, I. / Kunig, P. / Bryde, BO. (2000), Art. 14 GG, Rn 58. 328 EK REM (2002), S. 37. Das Argument der drohenden Gefahr der Kommerzialisierung von Körpersubstanzen wird in der bioethischen Debatte allgemein an prominenter Stelle angeführt und bspw. auch gegen die Lebendspende von Organen und die Zulassung eines regulierten Organhandels eingewandt, siehe hierzu EK ERM (2005), S. 67 ff. 324
2. Kap.: Art. 14 Abs. 1 GG
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kennt die Realität. Einerseits „droht“ die Etablierung eines (globalen) Marktes zum Handel mit Organen oder Keimzellen nicht, ein solcher existiert. 329 Andererseits hat der deutsche Gesetzgeber im Transplantationsgesetz sichernde Regelungen getroffen, die Organhandel in Deutschland wirksam ausschließen. 330 Gegen den Absolutheitsanspruch des Arguments, wonach Körpersubstanzen insgesamt nicht dem Verkauf oder sonstigen entgeltlichen Verfügungen unterliegen dürfen, spricht auch die Rechtslage. Körpersubstanzen, die nicht Organe i. S. d. § 1 TPG sind, im Wesentlichen also Blut, Knochenmark, embryonale und fetale Organe, Gene und sonstige DNS-Teile sowie Keimzellen dürfen straflos verkauft oder sonst entgeltlich abgegeben werden. Für Blut ist dies sogar explizit normiert, weil § 10 Satz 2 TFG die pauschalierte Aufwandsentschädigung zulässt. 331 Das Embryonenschutzgesetz sieht von der Bestrafung der entgeltlichen Samenspende ab. Weitgehend vom Verbot des Handelns ausgenommen sind Körpersubstanzen auch dann, wenn sie als Arzneimittel zu Therapiezwecken bestimmt sind, § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TPG i. V. m. § 2 Abs. 1 AMG. Schließlich ist die entgeltliche Verfügung von Körpersubstanzen immer zulässig, solange der Tatbestand des Handeltreibens nicht erfüllt ist. Der bloße Nachteilsausgleich, die Abwendung wirtschaftlicher Nachteile, reine Dankbarkeitsgaben und die Verschaffung immaterieller Vorteile sind zulässig. 332 Einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG und also eine zulässige Einschränkung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG wird man mithin nur annehmen können, wenn lebensnotwendige, 333 nicht regenerierbare Körpersubstanzen unter ausbeuterischen 334 Umständen entnommen werden. Denn problematisch ist nicht die kommerzielle Verwertung von Körpersubstanzen oder die Existenz eines entsprechenden Marktes an sich, sondern seine Unreguliertheit. Unter Organhandel versteht man deshalb auch definitionsgemäß den unregulierten, nicht einer neutralen Kontrollinstanz unterliegenden Verkauf von Organen. 335 Damit zielt 329 Weltweit sind vor allem China, Indien, Peru, Irak und Ägypten „Geberländer“, in Europa v. a. Moldawien, siehe Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), vor § 17, 18 TPG, Rn 3 und EK ERM (2005), S. 68. Exemplarisch ist auch die Entschließung des Europäischen Parlaments zum Handel mit menschlichen Eizellen vom 10. 03. 2005, P6_TAPROV(2005)0074. Sie ist eine Reaktion auf die Praxis britischer Fertilisationskliniken, rumänische Frauen als Eizellspenderinnen zu gewinnen, wobei unklar ist, ob an diese nur Aufwandsentschädigungen geleistet oder Entgelte gezahlt werden. 330 Sichernd wirkt v. a. die Einrichtung von Lebendspendekommissionen, § 8 Abs. 3 TPG. 331 Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), §§ 17, 18 TPG, Rn 6. 332 Zum Ganzen siehe Schroth, U. / König, P. / Gutmann, T. / Oduncu, F. (2005), vor §§ 17, 18 TPG, Rn 6 ff und §§ 17, 18 TPG, Rn 27 ff. 333 Im Fall von bspw. Blut oder Lymphe bezieht sich dieses Erfordernis auf die Menge der entnommenen Flüssigkeit. 334 D. h. grundsätzlich bei fehlender Einwilligung oder völlig außer Verhältnis stehender Kompensation.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
das Argument im Kern – außer in Form des christlich geprägten Gedankens des menschlichen Körpers als ein Geschenk Gottes, das dem Menschen überhaupt nicht verfügbar sei – weniger darauf, dass Teile des menschlichen Körpers verfügbar geworden sind und verfügt werden. Dies ist schlicht eine Tatsache, hinter die wir nicht mehr zurück können. 336 Ungerecht und daher regulierungsbedürftig sind die unterschiedlichen Erträge, die aus diesen Veräußerungen generiert werden. Die Weigerung, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, wird deshalb auch von vielen Gesundheitsökonomen kritisiert. Sie bemängeln, dass ein unregulierter Organhandel die ungerechte Allokation von Körpersubstanzen befördere. Dies deshalb, weil Gesichtspunkte, wie Einkommensverhältnisse und Bildung, die für den Zugang zu medizinischen Leistungen keine entscheidende Rolle spielen dürften, tatsächlich über den Zugang entschieden. Sie sehen die Lösung aber nicht in einem strikten Verbot der Verfügung über Körpersubstanzen, sondern befürworten Modelle des regulierten „Organhandels“. 337 Gegen diese verschiedenen Modelle werden v. a. gesellschaftspolitische Argumente angeführt. Durch die Zulassung von Transaktionen mit Körpersubstanzen werde das Klima wechselseitigen Respekts der Rechtssubjekte unterminiert. 338 Vormals autonome Personen betrachteten sich nur noch als „wandelnde Organbanken“. 339 Dies lässt jedoch die notwendige Differenzierung zwischen Entgeltlichkeit und anderen Formen von Kompensation vermissen. Letzte, wie der reine Nachteilsausgleich, die Absicherung über eine Risikolebens-, Berufsunfähigkeits- oder Unfallversicherung, die angemessene staatliche Prämierung (z. B. in Form von Prämien und Rabatten bei sonstigen medizinischen Behandlungen oder auch Steuererlass) oder reine Dankbarkeitsgaben des Empfängers, sind rechtlich zulässig und ethisch akzeptabel. Das Totalverbot der Fremdeizellspende ist also wieder einmal nicht erforderlich, weil mit dem Verbot des Verkaufs der Eizellen ein wirksamer Schutz gegen diese Form von Zellhandel bestünde. Auch die Rechtswirklichkeit zeigt, dass der entgeltliche Verkauf nicht zwingende Folge von beschränkt zulässigen Verfügungen über Körpersubstanzen ist, weshalb die pauschale Verwendung des Begriffes „Kommerzialisierung“ im Sinne eines „slippery-slope“-Arguments einmal mehr untauglich ist. Bei der Blutund Organspende erhält der Spender einen Ausgleich für die erlittenen Nachteile. Der männliche Samen ist nach der Gesetzeslage frei verkäuflich. Trotz der jahrzehntelangen Praxis lässt sich eine Erosion der allgemeinen Werte oder eine zunehmende Kommerzialisierung nicht feststellen. Der Vorwurf, dass die Fremdeizellspende der Kommerzialisierung Vorschub leiste, ist aber vor allem 335
EK ERM (2005), S. 68. Dies konstatiert auch Schneider, I. (2003), S. 60. 337 Siehe hierzu insbesondere Breyer, F. (2002), S. 111 ff; Aumann, C. / Gaertner, W. (2004), S. 105 ff. 338 EK ERM (2005), S. 71. 339 Kliemt, H. (1999), S. 271 ff. 336
2. Kap.: Art. 14 Abs. 1 GG
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dann entkräftet, wenn man die heterologe Eizellspende nur für Frauen zuließe, die in einer IVF-Behandlung sind (sog. „paid-egg-sharing“-Modell). Zwar werden auch hiergegen Bedenken geltendgemacht. So wird bspw. befürchtet, dass nur noch Frauen Zugang zu IVF-Behandlungen erhielten, die ihre „überzähligen“ Eizellen abgeben. Diese Vorstellung scheint realitätsfremd, weil sie z. B. das berufliche und finanzielle Interesse der Reproduktionsmediziner ausblendet. Bei zu harten Zugangsvoraussetzungen schmälerten sich nämlich deren Einkünfte. Vor allem jedoch sind Frauen, die selbst eine IVF-Behandlung durchlaufen haben, häufig gern bereit, Eizellen zu spenden. 340 Bedenken gegen diese Form altruistischer Spende, z. B. dergestalt, dass ein sozialer Druck entstünde, 341 lässt sich durch das Erfordernis der freiwilligen Spende Rechnung tragen. In Anlehnung an § 8 Abs. 3 TPG wäre außerdem die Einrichtung einer Ethik-Kommission vorstellbar. Abschließend ist noch einmal zu bemerken, dass übertriebenes Bedenkenträgertum nicht die Leitlinie gesetzgeberischen Handelns sein darf. 342 Als generelle Maxime gilt stattdessen: Sind Missbräuche einer technischen Errungenschaft zu besorgen, muss ein Gesetz die Gefahr des Missbrauches durch entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen bekämpfen und nicht die technische Errungenschaft selbst! Statt die missbräuchliche Anwendung von Reproduktionsmaßnahmen zu verhindern, was der eigentliche Zweck eines Gesetzes zur Regelung von Fortpflanzungstechniken sein sollte, verhindert das Embryonenschutzgesetz die Anwendung einer Reproduktionsmaßnahme, hier der heterologen Eizellspende, gänzlich. Insofern sind auch Forderungen nach einer Fortschrittsmaxime wie sie bspw. Mieth erhebt, wenn er schreibt: „ . . . kein wissenschaftlicher und technischer Fortschritt sollte so realisiert werden, dass die Probleme, die er erzeugt, größer sind als die Probleme, die er löst.“ 343 einerseits berechtigt, wenn er auf das „So“ der Realisierung, mithin die Ausgestaltung des Rahmens der technischen Neuerung, abzielt. Sie sind andererseits aber zu banal als dass sie praktisch umsetzbar wären, wenn sie in die Erkenntnis münden, „das Böse ist zu lassen“. 344 Solcherlei vereinfachende Schwarz-Weiß-Malerei ist sachgerechten Lösungen nicht zuträglich. Jede Neuentdeckung und jede Errungenschaft braucht und verdient eine gewisse Chance. Es muss ihr Zeit der Bewährung gegeben werden. Da der Mensch nicht omnipotent ist, kann er die Folgen seines Tuns eben erst im Nachhinein beurteilen. Dieses „Manko“ sollte nicht beklagt, sondern als Auftrag verstanden werden.
340
Kemeter, P. et al. (1987), pp. 145. EK REM (2002), S. 37. 342 Eine Tendenz, die in Deutschland nicht nur mit Blick auf viele moderne Technologien, sondern auch bezüglich notwendiger Reformen leider überhand zu nehmen scheint. Zu dieser untauglichen Methode der Gewissensberuhigung siehe schon Fechner, E. (1987), S. 58 f. 343 Mieth, D. (1987), S. 28. 344 Mieth, D. (1987), S. 28. 341
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
D. Ergebnis Ein Totalverbot wegen der Besorgnis zunehmender Kommerzialisierung ist nicht erforderlich. Insbesondere Regelungen zum Zugang des Verfahrens der Eizellspende und die entsprechende staatliche Überwachung können Missbräuchen vorbeugen. 345 Die Geschichte hat noch immer gezeigt, dass sich der technische Fortschritt nicht aufhalten lässt. Dann ist es umso wichtiger, diesen zu kontrollieren und ihn nicht dem unkontrollierten Zugriff dubioser Kräfte preiszugeben.
3. Kapitel
Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Das Recht auf Fortpflanzung wird teilweise auch als „Recht auf reproduktive Autonomie“ 346 oder als „Recht auf Nachkommenschaft“ 347 bezeichnet. Die Fortpflanzung ist „nach den Anschauungen des abendländischen Kulturkreises offenbar diejenige menschliche Funktion, deren Ausübung an erster Stelle der freien Entscheidung des Individuums überlassen bleiben muss“. 348 Dies deutet an, dass man das Recht auf Fortpflanzung auch im Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ansiedeln könnte. Die hierzu entwickelten Kategorien der Privat- und Intimsphäre scheinen darüber hinaus einen tauglichen Anknüpfungspunkt zu liefern, denn Fortpflanzung spielt sich regelmäßig im Intimbereich des menschlichen Lebens ab. Es wird daher vertreten, dass das Recht auf Fortpflanzung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleiten sei. 349 Daneben finden sich Meinungen, die das Recht auf Fortpflanzung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiten und durch Art. 6 Abs. 1 GG verstärken. 350
345 Dies ist insbesondere der britische Ansatz: Vornehmlichste Aufgabe des HFEA ist es, eine Überwachungsbehörde zu schaffen. 346 Badinter, R. (1985), S. 196, 198; Ramm, T. (1989 b), S. 866. 347 Kliemt, H. (1979), S. 165, 168. 348 Herzog, R. (1993), S. 52 f. 349 BFH NJW 1998, S. 854 f; Coester-Waltjen, D. (2001), S. 160; Püttner, G. / Brühl, K. (1987), S. 529, 532; Beckmann, R. (2001), S. 169, 172. 350 Maunz, T. / Dürig, G. / Badura, P. (2003), Art. 6 GG, Rn 30; Herdegen, M. (2001), S. 777; Dreier, H. / Gröschner, R. (1996), Art. 6 GG, Rn 124; Röger, R. (1999), S. 37 f.; Neidert, R. / Starz, A. (1999), S. 132. In der Rechtsprechung des BVerfG findet sich ein ähnliches Verhältnis: Das BVerfG siedelt die eheliche Privatsphäre in Art. 1 I GG i. V. m. Art. 2 I GG an und sieht Art. 6 I GG lediglich als Verstärkung, BVerfGE 42, 234, 236 f.
3. Kap.: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
191
A. Die Entwicklung und Funktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zunächst in der zivilrechtlichen Literatur entwickelt worden. 351 In seiner Grundkonzeption war es auch den Verfassern des Bürgerlichen Gesetzbuches bekannt. Sie nahmen es jedoch nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch auf. Auch das Reichsgericht lehnte die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. 352 Erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entwickelte der Bundesgerichtshof das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB und leitete es aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ab. 353 Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt. 354 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist somit in erster Linie ein Institut richterlicher Rechtsfortbildung. 355 Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet zunächst das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. 356 Es ist das Hauptfreiheitsrecht 357 und umfasst nach ständiger Rechtsprechung das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und die allgemeine Handlungsfreiheit. 358 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich als ein passives Recht verstehen, das „wie der Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 GG zeigt, ein Element der freien Entfaltung der Persönlichkeit 351
Schon Ende des vorletzten Jahrhunderts hat Gareis begründet, dass es ein Recht des Menschen an seinem Körper gebe. Voraussetzung seiner These ist, dass der Mensch – zumindest gedankenlogisch – in Subjekt und Objekt getrennt werden kann. Daraus folgend forderte er ein Recht des freien Menschen als Herrschafts- und Persönlichkeitsrecht über sich selbst. Den heute gebräuchlichen Begriff des Persönlichkeitsrechts formte v. Gierke. Auch Kohler verlangte die Anerkennung eines Persönlichkeitsrechts analog einem Sachenrecht, um dem Einzelwesen individuellen Schutz zukommen zu lassen, Nachweise bei Schünemann, H. (1985), S. 39 ff. 352 RGZ 51, 369, 373; 69, 401, 403; 113, 413, 414. Gleichwohl hat das RG diesen Zustand als unzulänglich empfunden und häufig über die bestehenden enumerativen Persönlichkeitsrechte (§ 12 BGB; §§ 17 ff HGB; §§ 12 ff. KunstUrhG) Schutz gewährt, vgl. die Darstellung bei Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 7 und Jarass, HD. (1989), S. 857 ff. 353 BGHZ 13, 334, 338. Siehe auch die Darstellung bei Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 7 und Brandner, HE. (1983), S. 689 ff. 354 BVerfGE 34, 269, 281 f.; 35, 202, 220; 54, 148, 153; 72, 155, 170; 79, 256, 270; 82, 236, 269; 90, 263, 270. 355 BVerfGE 27, 1, 6; BGHZ 13, 334, 337; 24, 72, 79; 27, 284, 287; Brandner, HE. (1983), S. 689 ff; Jarass, HD. (1989), S. 857, 858; Degenhart, C. (1992), S. 361 f. 356 BVerfGE 6, 389, 432 ff. 357 Maunz, T. / Dürig, G. / Di Fabio, U. (2003), Art. 2 I GG, Rn 8. Die allgemeine Handlungsfreiheit ist „umfassender Ausdruck der persönlichen Freiheitssphäre und zugleich Ausgangspunkt aller subjektiven Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“, BVerfGE 49, 15, 23. 358 BVerfGE 6, 32, 41; 6, 389, 432; 27, 344, 350; 32, 373, 378; 33, 367, 376; 34, 238, 245; 34, 269, 281, 44, 353, 372; 47, 46, 73; 49, 286, 298; 65, 1, 42; 79, 256, 268; 80, 367, 373; 89, 69, 82.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
enthält, das sich als Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs von dem ‚aktiven‘ Element dieser Entfaltung, der allgemeinen Handlungsfreiheit, abhebt“. 359 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt als ein unbenanntes Freiheitsrecht 360 im Gegensatz zur allgemeinen Handlungsfreiheit das „Sein der Person im Unterschied zum Tun“. 361 Seine Aufgabe ist es, „die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsrechte nicht abschließend erfassen lassen“. 362 Für das allgemeine Persönlichkeitsrecht als subjektives Recht ist allein Art. 2 Abs. 1 GG bestimmend. 363 Die inhaltliche Bestimmung und Reichweite wird durch Art. 1 Abs. 1 GG als programmatische Leit- 364 und Interpretationsrichtlinie 365 geleistet. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat einen offenen Tatbestand, der der fortlaufenden Konkretisierung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt. 366 Dies hat zu einer breiten Kasuistik geführt, aus der sich als zwei grundsätzliche Fallgruppen das Recht auf private Lebensgestaltung (oder auch Recht auf Privatheit) und das Recht auf Selbstdarstellung (oder auch Recht auf informationelle Selbstbestimmung) herauskristallisiert haben. 367 Während das Recht auf Privatheit die Privat-, Geheim- und Intimsphäre als Rückzugsraum 368 im Wesentlichen vor Ausspionierung und sonstiger Störung schützt, 369 betrifft das Recht auf Selbstdarstellung sowohl das Verhalten gegenüber der eigenen Person (Recht auf Identität), 370 als auch das Verhalten gegenüber Dritten. Das Recht auf Identität umfasst das Recht auf selbstbestimmte Sexualität. 371
359
BVerfGE 54, 148, 153 f. BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170; Dreier, H. (1996), Art. 2 I GG, Rn 50 ff.; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 2 GG, Rn 5. 361 Sachs, M. / Murswiek, D. (1999), Art. 2 GG, Rn 59; Vgl. auch Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 18; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 2 GG, Rn 14. 362 BVerfGE 54, 148, 153. 363 BVerfGE 27, 344, 350; 32, 373, 378; 33, 367, 376; 34, 238, 245; Sachs, M. / Murswiek, D. (1999), Art. 2 GG, Rn 63; v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 2 GG, Rn 5; Jarass, HD. (1989), S. 857; Degenhart, C. (1992), S. 361. 364 Dreier, H. (1996), Art. 2 I GG, Rn 50. 365 v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 2 GG, Rn 15, 54f. 366 Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 21. 367 Vgl. Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 30 f. 368 Schmitt Glaeser, W. (2001), § 129, Rn 33. 369 BVerfGE 27, 344, 350 f.; 32, 373, 379; 33, 367, 374; 44, 353, 372. 370 Richter, I. / Schuppert, GF. (1996), S. 82. 371 BVerfGE 47, 46, 73. 360
3. Kap.: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
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B. Die Fortpflanzung als Teil allgemeinen Persönlichkeitsrechts? Die Abgrenzung zwischen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist schon deshalb nicht einfach, weil Familiengemeinschaft selbst Privatsphäre ist. 372 Der Intim- und Sexualbereich des Menschen steht als Teil seiner Privatsphäre unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 373 Jedermann hat das Recht, „seine Einstellung zum Geschlechtlichen selbst zu bestimmen“. 374 Hierzu gehöre die Freiheit der Fortpflanzung und die Wahl geeigneter medizinischer Fortpflanzungshilfen. 375 Das Bundesverfassungsgericht verortet den Abbruch der Schwangerschaft als die negative Form der Fortpflanzungsfreiheit ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 376 Auch der Bundesgerichtshof hat jedenfalls für die homologe Spermaspende entschieden, dass die Normen des Persönlichkeitsrechts einschlägig seien. Zur Begründung hat er wie folgt ausgeführt: „Ebenso wie die zur Befruchtung entnommene und zur Reimplantation bestimmte Eizelle verkörpert das konservierte Sperma für seinen Rechtsträger die im Streitfall einzige Möglichkeit, seine körperlichen Funktionen zur Hervorbringung von Nachkommen, denen er seine genetischen Erbinformationen weitergibt, zur Geltung zu bringen. Dieser Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit im deliktischen Schutzbedürfnis ebenso wie im deliktischen Schutzzweck muss nach Auffassung des Senats auch in den deliktsrechtlichen Folgen Rechnung getragen werden. Zu solcher die § 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1 BGB [a. F.] erweiternden Rechtsanwendung auch in diesem Fall legitimiert das Persönlichkeitsrecht des Rechtsträgers, das durch die Vernichtung der Spermakonserve nicht anders und nicht geringer betroffen ist als das Persönlichkeitsrecht der Frau durch die Vernichtung einer ihrem Körper entnommenen und zur Reimplantation bestimmten Eizelle.“ 377
372
Di Fabio, U. (2003), S. 994. BVerfGE 47, 46, 73. 374 BVerfGE 47, 46, 73. Siehe auch v. Mangoldt, H. / Klein, F. / Starck, C. (1999), Art. 2 GG, Rn 77 und ders. (1986), S. 18. 375 Ramm, T. (1989 b), S. 861, 870; Püttner, G. / Brühl, K. (1987), S. 529, 534; Anknüpfung an das allgemeine Persönlichkeitsrecht (mit allerdings gänzlich anderen Schlussfolgerungen) auch bei Röger, R. (1999), S. 33. 376 BVerfG JZ 1975, S. 208 f: „Die Rechtsordnung darf nicht das Selbstbestimmungsrecht der Frau zur alleinigen Richtschnur ihrer Regelungen (den Schwangerschaftsabbruch betreffend) machen.“ 377 BGH NJW 1994, 128. 373
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
I. Subsidiarität Gegen die Verortung der Fortpflanzungsfreiheit im allgemeinen Persönlichkeitsrecht spricht aus systematischen Gründen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber einer spezielleren Norm (wie Art. 6 Abs. 1 GG) subsidiär ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht teilt den Auffangcharakter des Art. 2 Abs. 1 GG. Weist eine Norm den spezielleren Gewährleistungsinhalt auf, so ist sie anzuwenden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies im Verhältnis von Art. 6 Abs. 1 GG zu Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG jedenfalls mit Bezug zum Institut der Ehe so gesehen. 378 Wie oben ausgeführt, weist Art. 6 Abs. 1 GG in seiner klassischen Funktion als Abwehrrecht für das Fortpflanzungsrecht den spezielleren Gehalt auf. Eines Rückgriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht bedarf es schon aus diesem Grund nicht. II. Historie Gegen die Einordnung des Rechts auf Fortpflanzung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht spricht auch die historische Analyse. Fortpflanzung ist kein postkonstitutionelles Phänomen. Sie ist seit jeher vitale Basis des Staates. 379 Daher und auch aus der Erfahrung mit der Rassengesetzgebung der NS-Diktatur dürfte dem Verfassungsgeber die Bedeutung freier Fortpflanzung bewusst gewesen sein. Es ist deshalb anzunehmen, dass das Recht auf Fortpflanzung (irgendwo) grundrechtlich verbürgt ist. Das Institut des Persönlichkeitsrechts hat indes eine grundrechtliche Normierung nicht erfahren, obwohl es in der juristischen Literatur schon seit fünfzig Jahren diskutiert wurde. Somit spricht auch der historische Zusammenhang gegen die Verortung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. III. Finalität und Normfunktion Im Zusammenhang mit der Bestimmung des Status humanbiologischen Materials wurde herausgearbeitet, dass eine abstrakte Statuszuweisung taugliche Ergebnisse nicht liefern kann. 380 Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zur Vernichtung einer Eigenspermaspende auf die Motivation zur Spende abgestellt. Bei der heterologen Spende von Keimzellen sah er die Weitergabe eigener genetischer Daten nicht als das bestimmende Motiv. Daraus ist zu folgern, dass bei heterologen Spenden die Normen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Anwendung finden. 381 Handlungsleitendes Motiv der heterologen Eizellspende ist regelmäßig das Ermöglichen von Fortpflanzung, gelegentlich die 378 379 380
BVerfG NJW 1993, 3058. Isensee, J. / Kirchhof, P. (1992), § 115, Rn 222 ff. Siehe oben.
3. Kap.: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
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Kommerzialisierung von Körpersubstanzen, nicht jedoch die Perpetuierung eigener Persönlichkeit. Auch dies spricht gegen die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt zudem das freiheitliche Handeln des Individuums in den Mittelpunkt der Betrachtung. Fortpflanzung war und ist jedoch ein Mehrpersonen- und damit gemeinschaftliches Konzept in dem Sinne, dass sie in ihrer Durchführung regelmäßig und in ihrem Resultat zwangsläufig mehrere Personen voraussetzt und betrifft. Fortpflanzung ist auch nicht, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, primär auf Selbstverwirklichung des Einzelnen gerichtet, welche aufgrund ihrer Allumfassendheit staatlicher Reglementierung bedarf. Fortpflanzung schafft kleine gemeinschaftliche Strukturen und Einheiten innerhalb der Gesellschaft und nimmt daher von vornherein die Konsequenzen eigener weitgehend staatsfreier Verantwortungsbereiche in den Blick. Kurz gefasst lässt sich sagen, dass Fortpflanzung zwangsläufig mehrpolig ist, während das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein zweipoliges Abwehrrecht gegen staatliche Intervention ist. Auch dies spricht gegen die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Teilweise wird aber vertreten, dass zwischen dem natürlichen Fortpflanzungsvorgang und dem artifiziellen Vorgang der In-vitro-Fertilisation differenziert werden müsse. 382 Die Fortpflanzungsfreiheit umfasse die Freiheit, über das „Ob“ der Fortpflanzung zu entscheiden. 383 Fraglich sei, inwieweit das „Wie“ der Fortpflanzung ebenfalls von dem Recht auf „reproduktive Autonomie“ umfasst ist. Unter dem Hinweis auf den allgemeinen Rechtsgedanken der Selbstbestimmung des Sexualverhaltens wird dem „Wie“ der Fortpflanzung in der Literatur überwiegend und zu Recht keine Beachtung geschenkt. 384 Teilweise wird jedoch zwischen der von der natürlichen Zeugung ausgehenden „inneren Ausrichtung“ der Fortpflanzung und der „äußeren Intimität und Privatheit ihrer Ausführung“ unterschieden. 385 Nach dieser Meinung führe die „innere Ausrichtung auf Fortsetzung eigenen Personenseins im Zusammenhang mit der äußeren Intimität und Privatheit ihres Vollzugs“ zu einer „Verstärkung der Schutzwürdigkeit“ des Fortpflanzungsvorgangs. Dies verorte ihn „im Kernbereich des Persönlichkeitsrechts“. 386 Eine solche „Verstärkung der Schutzwürdigkeit“ fehle bei der künstlichen Reproduktion, die 381 So in der Analyse bspw. Marian, S. (1998), S. 235 f. Sähe man schon die Weitergabe genetischer Daten als Fortpflanzung, wäre auch der heterologen Keimzellspende eine „eigene“ Fortpflanzung durchaus anzunehmen, mit der Folge, dass das Persönlichkeitsrecht Vorrang genösse. 382 Röger, R. (1999), S. 33. 383 Ramm, T. (1989 b), S. 870. 384 Ramm, T. (1989 b), S. 870; Dworkin, R. (1994), S. 148, Starck, C. (1986), S. 18. 385 Röger, R. (1999), S. 33; ders. auch (2000), S. 74 f. 386 Röger, R. (1999), S. 36.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
„nicht mehr sexuell im soziologischen Sinne“ sei und „zwangsläufig unter Einbeziehung eines ganzen Teams von dritten Personen“ stattfinde. Wegen der identischen inneren Ausrichtung sei die Freiheit der Fortpflanzung zwar immer noch auf Persönlichkeitsverwirklichung ausgerichtet. Sie sei jedoch nicht mehr im inneren intimen Bereich anzusiedeln, sondern „ob ihres zwangsläufigen umfassenden Sozialbezugs“ in einem „äußeren“, weniger stark geschützten Bereich. 387 Damit ist die grundlegende Frage in der modernen Reproduktionsmedizin gestellt: Soll der Mensch im Rahmen seiner natürlichen Ausstattung verharren? Es scheint, dass gar nicht die real bestehenden Gefährdungen, die mit der Einführung der neuen Technik einhergehen mögen, die Ablehnung derselben begründen. Vielmehr reicht schon die schlichte Tatsache, dass die Technik neu ist. Geht es um die modernen Methoden der Reproduktionsmedizin, wird zum Beispiel der Begriff „Miracle Baby“ kaum verwendet, während der Term „Designer Baby“ in aller Munde ist. Häufig wird auf Aldous Huxley’s „Brave New World“ oder Mary Shelley’s „Frankenstein“ Bezug genommen. Nicht zuletzt dadurch wird ein Bild von Forschern und Medizinern aktiviert, dass diese unter einen nicht rationalen Generalverdacht stellt. Die tief verwurzelte Skepsis vieler Menschen gegen „Neues“ findet ihren Ausdruck in der Wertung, dass die neue Technik „unnatürlich“ und daher abzulehnen sei. Ist dieser Schluss richtig? Der Versuch, diese Frage erschöpfend zu klären, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Einige kurze Gedanken seien gleichwohl erlaubt: Der Mensch ist in seinem Kampf ums Dasein nicht eben gut ausgestattet, allerdings durch seine Denkfähigkeit entschädigt. 388 Ob die Fähigkeit zur Kultur im Gegensatz zur Natur steht oder ob dieses Vermögen Teil des Urgrundes 389 und somit der Natur selbst ist, ist Gegenstand uralter Debatten. M. E. ist das Schaffen des Menschen, das seinen Ausdruck in der künstlichen Bearbeitung seiner Umwelt und in seiner Kultur (wie Musik, Malerei, Poesie usw.) findet, gleichzeitig Teil seiner Natur. Der Mensch ist darauf angelegt, seine (natürlichen) Grenzen ständig auszutesten und zu erweitern. Insofern ist all sein Handeln so natürlich wie künstlich zugleich. Zwischen Natur und Künstlichkeit besteht nicht der kategorische Unterschied, der häufig impliziert wird. Ein anderes Verständnis ist 387
Röger, R. (1999), S. 36 schreibt hierzu: „Die künstliche, ihrer Art nach zwangsläufig (sozial) unsexuelle, unter bewusster Einbeziehung Dritter außerhalb eines intimen Rahmens ablaufende Fortpflanzung ist dagegen wesentlich stärker der Sozialsphäre zugewandt. Sie kann daher deutlich intensiver einem staatlich reglementierenden Einfluss unterzogen werden; und dies nicht nur wegen der aus ihrer Technizität folgenden besonderen Gefährdungen, sondern vor allem deshalb, weil sie selbst weniger stark menschenwürdegeprägt und weniger dem Persönlichkeitskern zuzuordnen ist.“ 388 Fechner, E. (1987), S. 42. 389 „Ein Stück Spätschöpfung aus dem Urgrund des Seins“, so Fechner, E. (1987), S. 42.
3. Kap.: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
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auch weitgehend kontraintuitiv. Zudem stellte sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen „erlaubter Natürlichkeit“ und „unerlaubter Künstlichkeit“. Denn ist nicht auch jede Behandlung von Krankheiten unnatürlich? Oder ist sie es erst in dem Moment, wo durch Forschung entwickelte „künstliche“ Medikamente eingesetzt werden? Mit Blick speziell auf die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin wird geltendgemacht, dass die Unnatürlichkeit darin zu sehen sei, dass der Mensch in den (natürlichen) Prozess seiner Konzeption eingreife. Abgesehen von den oben dargestellten Bedenken gegen den Einwand der Unnatürlichkeit generell, ist fraglich, ob dies eine neue Entwicklung ist. Dies kann man kaum bejahen. Im Gegenteil: Der Mensch versucht seit jeher, den reproduktiven Prozess zu steuern. 390 Er hat dies jahrhundertelang vor allem durch die Regeln über die Ehe getan. Damit einher ging die Regulierung sexueller Beziehungen. Die Fragen des „Ob“ und des „Wie“ von Fortpflanzung dürfen nicht vermischt werden. Prägend für die Beurteilung der Fortpflanzungsfreiheit ist allein die „innere Ausrichtung“. Bei der Fortpflanzung geht es nicht um Sexualität, sondern um die Weitergabe von Genen, die teilweise Perpetuierung von Persönlichkeit und die Gründung der Gemeinschaft Familie. Der Geschlechtsverkehr ist dagegen primär die Befriedigung des Geschlechtstriebs. Damit wird eine Verantwortung, die über den Moment und die Beteiligten hinausginge, gerade nicht begründet. Das Sondervotum der Richter am Bundesverfassungsgericht Mahrenholz und Sommer stellt hierzu entsprechend kurz und bündig fest, dass es „zu den spezifischen Grundbedingungen menschlichen Seins gehört, dass Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen“. 391 Die Tatsache, dass bis zur Entwicklung der modernen Reproduktionsmethoden der Geschlechtsverkehr mit der Zeugung von Kindern regelmäßig verbunden war, bedeutet ja nicht, dass Paare nicht schon immer zwischen dem Geschlechtsverkehr als Lustgewinn und demselben als Mittel der Fortpflanzung getrennt hätten. Schließlich sind Verhütungsmittel als Ausdruck der „negativen Fortpflanzungsfreiheit“ 392 allgemein anerkannt und werden seit Jahrtausenden verwendet. Diskriminierend, widersprüchlich und zynisch ist es darüber hinaus, den betroffenen, unter ihrem Zustand leidenden Paaren vorzuhalten, dass ihre Fortpflanzung weniger „menschenwürdegeprägt“ und daher staatlichen Eingriffen leichter zugänglich sei. In anderen Publikationen verficht Röger das Lebensrecht und den absoluten Würdeschutzes des In-vitro-Embryos (beginnend mit dem Vorkernstadium, jedenfalls aber ab der Verschmelzung der Vorkerne). Aber wäre der In390 Bayertz, K. (1994), p. 21 schreibt hierzu: „Der Versuch, Kontrolle über die menschliche Reproduktion auszuüben, ist genauso alt wie die menschliche Rasse.“ 391 BVerfGE 88, 203, 338; zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Schneider, S. (2002), S. 148 f. 392 Ramm, T. (1989 b), S. 861.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
vitro-Embryo nach seiner Logik nicht auch weniger „menschenwürdegeprägt“? Er wurde schließlich durch ein ganzes Team von Ärzten erschaffen und der Prozess ist öffentlich. Nein, Röger kommt genau zum gegenteiligen Schluss: Gerade wegen dieses jammervollen und von Menschenhand geschaffenen Zustands, sei der Invitro-Embryo besonders schützenswert. Diese beiden Argumentationen erscheinen mir unvereinbar und zeigen ein bedenkliches, weil beliebiges, Verständnis von Lebensschutz. Im Ergebnis bleibt: Sexualität und Fortpflanzung sind und waren stets entkoppelt, insbesondere ist die Sexualität für die Fortpflanzung kein determinierender Faktor. Das Argument der Unnatürlichkeit greift daher nicht durch, denn der Schluss vom Modus der Fortpflanzung auf die Gewährleistung guter Elternschaft oder gar gelingendes Leben des zukünftigen Kindes ist nicht tragfähig. IV. Ergebnis Aus den oben genannten Gründen scheint mir weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die allgemeine Handlungsfreiheit geeignet, das Recht auf freie Fortpflanzung sinnvoll zu erfassen.
4. Kapitel
Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Wie festgestellt, greift das Embryonenschutzgesetz in mehrere grundrechtliche Freiheitsverbürgungen ein. Gleichwohl findet sich im Gesetz kein entsprechender Hinweis. Das Grundgesetz ordnet jedoch in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ein Zitiergebot an. Verstößt das Embryonenschutzgesetz damit auch formal gegen die Verfassung? Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist eine formelle Grundrechtssicherung mit mehreren Funktionen: Der Gesetzgeber soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass er durch das betreffende Gesetz neue Eingriffsmöglichkeiten in Grundrechte schafft (Warn- und Besinnungsfunktion). Dem Gesetzesanwender soll die Grundrechtsverkürzung bewusst gemacht werden (Hinweisfunktion) und der betroffene Grundrechtsträger soll von der freiheitsrechtlichen Einschränkung in Kenntnis gesetzt werden (Informationsfunktion). 393 Der Anwendungsbereich der Norm ist umstritten. Unstreitig nicht anwendbar ist das Zitiergebot auf vorkonstitutionelle Gesetze. 394 Gleiches gilt hinsichtlich 393
Dreier, H. (1996), Art. 19 I GG, Rn 16.
4. Kap.: Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG
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der speziellen Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG. 395 Schließlich ist die Nennung einer Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG entbehrlich, da die allgemeine Handlungsfreiheit, als Auffanggrundrecht verstanden, von jeder Normierung betroffen ist. 396 Streitig ist hingegen, ob Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG keine Anwendung findet bei bloßer Wiederholung von Grundrechtseingriffen, 397 bei normtextlich vorbehaltlosen Grundrechten, 398 bei den allgemeinen Gesetzen des Art. 5 Abs. 2 GG, 399 der Berufsfreiheit 400 und der Eigentumsgarantie. 401 Schließlich hat das Bundesverfassungsgerichts den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG mit seinem Nichtannahmebeschluss zu den Verfassungsbeschwerden gegen § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG stark eingeschränkt. Hierzu hat es zunächst ausgeführt, dass „das Zitiergebot als Formvorschrift eng auszulegen sei“ und „den Gesetzgeber in seiner Arbeit nicht unnötig behindern dürfe“. 402 Zudem bedürfe es eines „zielgerichteten (finalen) und unmittelbaren Eingriffs“ in das betreffende Grundrecht, den das Bundesverfassungsgericht in der parallel gelagerten Fallgestaltung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG nicht zu erkennen vermochte. 403 Ohne im Einzelnen auf diese durchaus kritikwürdige Rechtsprechung einzugehen, ist für die hier vorliegende Arbeit zu konstatieren, dass die grundrechtlichen Verbürgungen des Art. 6 Abs. 1 GG (da vorbehaltloses Grundrecht), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit (da jeweils Auffanggrundrecht) 404 sowie der Eigentumsfreiheit nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallen. Nach der Rechtsprechung 405 ist wohl auch 394 BVerfGE 2, 121, 122; 5, 13, 16; Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (2003), Art. 19 I GG, Rn 51. 395 Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (2003), Art. 19 I GG, Rn 53; Dreier, H. (1996), Art. 19 I GG, Rn 20. 396 BVerfGE 10, 89, 99; 28, 36, 46; 64, 72, 80; Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (2003), Art. 19 I GG, Rn 57; Dreier, H. (1996), Art. 19 I GG, Rn 20. 397 So BVerfGE 5, 13, 16; 15, 288, 293; 16, 194, 199; 28, 36, 46; 35, 185, 189; 61, 82, 113, da andernfalls die Arbeit des Gesetzgebers unnötig behindert würde und Art. 19 I 2 GG als bloße Formvorschrift eng ausgelegt werden müsse; a. A. Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (2003), Art. 19 I GG, Rn 57. 398 So BVerfGE 83, 130, 154; a. A. Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (2003), Art. 19 I GG, Rn 58; Dreier, H. (1996), Art. 19 I GG, Fn. 73 mit der zutreffenden Begründung, dass sonst die vorbehaltlosen Grundrechte formell leichter einschränkbar wären als die mit Gesetzesvorbehalt versehenen. 399 BVerfGE 28, 282, 289, 291; 33, 52, 77; 44, 197, 201, 64, 72, 80. 400 BVerfGE 7, 377, 404; 13, 97, 122; 28, 36, 46; 64, 72, 80. 401 BVerfGE 21, 92, 93; 24, 367, 396; 64, 72, 79. 402 BVerfG 1 BvR 2181/98, 1 BvR 2182/98, 1 BvR 2183/98, Entscheidung vom 11. 8. 1999, Rn 55, vgl. auch BVerfGE 28, 36, 46. 403 BVerfG 1 BvR 2181/98, 1 BvR 2182/98, 1 BvR 2183/98, Entscheidung vom 11. 8. 1999, Rn 56 f; zur Kritik siehe Gutmann, T. (1999), S. 3388. 404 Siehe hierzu schon Maunz, T. / Dürig, G. (2003), Art. 2 I GG, Rn 3.
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
ein finaler Grundrechtseingriff nicht gegeben, 406 so dass jedenfalls aus diesem Grund Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG keine Anwendung findet. Das Embryonenschutzgesetz verstößt somit nicht gegen das Zitiergebot.
5. Kapitel
Exkurs – Stellungnahme zu den verfassungsrechtlich unbeachtlichen Bedenken Es wird behauptet, dass der Fall auftreten könne, dass die biologische Mutter nach der heterologen Eizellspende ein behindertes Kind zur Welt bringt und sich von dem Kind lossage. Dies ist jedoch kein spezifisches Problem des Fortpflanzungsmodus, sondern eines des Umgangs mit der Tatsache, ein behindertes Kind zu gebären. Dieses Risiko besteht unabhängig vom Reproduktionsmodus. (Scheinbar) sinnstiftend ist der Einwand nur, wenn man unterstellt, dass es der Mutter aufgrund des mangelnden genetischen Bezuges leichter falle, sich von dem Kind loszusagen. Hierfür fehlt allerdings jegliche nähere Begründung. Primär entscheidend für das Mutter-Kind-Verhältnis ist die biologische und soziale Bindung. Sodann spielt die persönliche Einstellung der jeweiligen Mutter zu dem Fakt, ob sie ein behindertes Kind aufziehen kann und will, eine Rolle, mithin eine Gegebenheit, die wiederum unabhängig vom Fortpflanzungsmodus ist. Schließlich ließe sich der beschriebenen Gefahr auch durch die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik begegnen. Die demographische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland ist ebenfalls ein Belang, der im Rahmen der Funktion des Art. 6 GG zu würdigen ist. Bevölkerungspolitische Erwägungen anzustellen, gilt zwar teilweise als verpönt und auf die vorgeblich indoktrinierte Bevölkerungspolitik der DDR oder – schlimmer noch – des Dritten Reiches verwiesen. Gleichwohl ist auch unter dem Grundgesetz die Familie „Keimzelle des Staates“: 407 „Art. 6 GG will den Fortbestand unserer politischen Gemeinschaft sichern, weitgehend unabhängig davon, welche kulturellen Auffassungen zu Kindern und Familienleben gerade vorherrschen oder sich in Zukunft bilden.“ 408 Soll heute die Elterngeneration durch ihre Kinderzahl vollstän405 BVerfG 1 BvR 2181/98, 1 BvR 2182/98, 1 BvR 2183/98, Entscheidung vom 11. 8. 1999, Rn 55. 406 Zur Kritik und dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Verständnis siehe unten. 407 Siehe statt vieler aus der neueren Literatur Scholz, R. / Uhle, A. (2001), S. 396; Diederichsen, U. (2000), S. 1842, der auf die Konzeption von Ehe und Familie im Rahmen des Art. 6 GG als Basis der Erneuerung der Population verweist.
5. Kap.: Exkurs
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dig ersetzt werden (sog. Bestandserhaltung), muss jede Frau im Durchschnitt 2,08 Kinder gebären. 409 In Deutschland beträgt die Geburtenquote derzeit 1,38 Kinder je Frau. 410 Unser Land wird daher einerseits wesentlich auf die Zuwanderung von Migranten angewiesen sein. Andererseits sind Maßnahmen zu begrüßen, die auf eine Anhebung der Geburtenrate auf die Nettoreproduktionsziffer zielen. 411 Eine andere Art der Betonung der Unzulässigkeit der heterologen Eizellspende ist zu sagen, dass es angesichts der vielen Kinder weltweit, die unter schwierigen Umständen leben, unmoralisch wäre, auf künstlichem Weg, neue Kinder in die Welt zu setzen, anstatt sich um die existierenden zu kümmern. 412 Warum dieser Vorwurf bezüglich der moralischen Verantwortung für die vernachlässigten Kinder der Welt allerdings nur die infertilen Paare treffen sollte, ist nicht einzusehen. 413 Abschließend sei folgender Hinweis erlaubt: Das Embryonenschutzgesetz hat formal der gesamtdeutsche Gesetzgeber verabschiedet. Die (entscheidenden) Diskussionen diverser Fachgruppen und Kommissionen, die Erstellung der Entwürfe, sowie die Arbeit des federführenden Rechtsausschusses fanden jedoch lange vor der Wiedervereinigung statt. 414 Auch das formelle parlamentarische Beschlussverfahren ging in einer Zeit über die Bühne, in der vor allem die Menschen in den neuen Bundesländern – bei aller Bedeutung der Materie – verständlicherweise andere Sorgen hatten. Ohne pauschalieren zu wollen, meine ich, dass die Einstellung und Denkweise vieler Menschen in den neuen Bundesländern bezüglich des Schutzes embryonalen und fötalen Lebens, nicht zuletzt aufgrund der geringen Bindung an den christlichen Glauben, anders sind als in den alten Bundesländern. Dies zeigte sich auch in der hohen Akzeptanz der in der DDR geltenden 408
Di Fabio, U. (2003), S. 997. Von einfacher Bestandserhaltung spricht man, wenn von 1.000 Frauen eines Geburtenjahrgangs bis zu ihrem 49. Lebensjahr wiederum 1.000 Mädchen geboren werden, auch sog. Nettoreproduktionsziffer. In diese Berechnung fließt auch die Sterblichkeit ein. Daher hat sich die Nettoreproduktionsziffer von 3,44 im Jahre 1880 auf nunmehr 2,08 geändert, zu allem siehe BiB (2004), S. 19. 410 BiB (2004), S. 23. 411 Um Einwänden zuvorzukommen, sei ausdrücklich klargestellt, dass es natürlich nicht die Schuld der Frauen ist, dass die demographische Entwicklung in Deutschland ist, wie sie ist. Vielmehr ist dies ein gesamtgesellschaftliches Problem, an dem die Männer mindestens genauso beteiligt sind. Das Argument soll jedoch den gesamtgesellschaftspolitischen Zusammenhang aufzeigen. Wie sehr gesellschaftspolitische Ereignisse die Geburtenquote beeinflussen, hat zuletzt die Phase nach der Wiedervereinigung gezeigt. In Ostdeutschland sank die Geburtenrate von 1,52 im Jahre 1990 auf 0,77 im Jahre 1994. Dies ist die niedrigste Geburtenhäufigkeit, die jemals in der Welt gemessen wurde! 412 “The world does not need babies any more, at least not very many of them”, Smith, P. (1995), p. 113. Der Welcome Trust fand Hinweise, „dass die Adoption, die sozial vorzugswürdige Lösung für das Problem der Infertilität sei”, The Welcome Trust (1998), p. 27. 413 Morgan, D. (2001), p. 235. 414 Chronologie bei Keller, R. / Günther, HL. / Kaiser, P. (1992), B III, Rn 6 ff. 409
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4. Teil: Die freiheitsrechtliche Prüfung
Fristenlösung sowie bei der Diskussion um die Abtreibungsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Auch die Studie von Brähler / Stöbel-Richter belegt die unterschiedliche Einstellung einmal mehr deutlich. 415 Im Einigungsvertrag war dem Gesetzgeber eine mehrjährige Übergangsphase zur Anpassung des Abtreibungsrechts eingeräumt. 416 Die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs naheliegende Änderung des Embryonenschutzgesetzes erfolgte nicht, ohne dass sich dies aus der Verschiedenartigkeit der Materie rechtfertigen würde. Abschließend stelle ich deshalb die These auf, dass das Embryonenschutzgesetz eine gesamtdeutsche Meinungsbildung nicht reflektiert und auch aus diesem Grund revisionsbedürftig ist.
415 Brähler, E. / Stöbel-Richter, Y. (2004), S. 14: 18,2% der befragten Ostdeutschen gaben an, dass menschliches Leben für sie erst mit dem Ende des dritten Schwangerschaftsmonats beginne, bei den Westdeutschen waren nur 7,2% dieser Ansicht. Auch die Quote von Schwangerschaftsabbrüchen ist in Ostdeutschland mit ca. 280 je 1.000 Lebend- und Totgeborenen zwar fallend, aber immer noch wesentlich höher als in Westdeutschland, wo sie bei ca. 170 liegt, siehe BiB (2004), S. 32. 416 Art. 31 IV Einigungsvertrag sieht eine Frist zur Schaffung eines einheitlichen Abtreibungsrechts bis zum 31. 12. 1992 vor.
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Sachverzeichnis Acht-Zell-Stadium 25, 28, 86 Adoption 20, 112, 117 – Inkognitoadoption 172 Adoptionsvermittlungsgesetz 48, 50, 113 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 191 – als individuelles Freiheitskonzept 195 Androgenones 29 assistierte Reproduktionstechnologie (ART) 37 baby-take-home-rate 19, 44 –45 Biopatentrichtlinie 129 Blastomere 28 Blastozyste 32 – 33, 51 Blutspende 120 Chromosom 23 Deutsches IVF-Register 19 Differenzierungsverbot – als Anknüpfungsverbot 105 – Erforderlichkeit 112 DNS 24 Dreier-Regel 43, 51 Ehe und Familie 139 – Entkopplung 141, 149 Eierstockspende 123 Eigennutzen 182 Eigentum – Begriff 184 – Enteignung 186 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 186 Einheit der Rechtsordnung 164 Einmaligkeit der Schwangerschaft 132 Einwilligung – und Sittenwidrigkeit 182
Eizellspende – heterolog 20 – homolog 20 – Indikationen 38 – Verbot 48 Elternrecht 141 Elternschaft – gespaltene 111, 113 Embryo 50 – Status 55 Embryoblast 28 Embryonenschutzgesetz 46 Embryonentransfer 49 Ersatzmutterschaft 113 Eugenik 178 Familie 135 – Begriff 139 – Beistandsgemeinschaft 140 – Einrichtungsgarantie 137 – Fürsorgeverhältnis 142 – Institutsgarantie 174 – und Abstammung 142, 146 – und Eigenverantwortung 160 – und Lebenspartnerschaft 145, 148 – und Singles 144 – Wertentscheidung 175 Fehlbildungen bei IVF-Behandlungen 157 Fertilisation – natürliche 27 Follikelpunktion 42 Fortpflanzung – und Sexualität 197 Fortpflanzungsmedizingesetz 47 Fortpflanzungsrecht 140 – Eingriff 150
220
Sachverzeichnis
– personeller Schutzbereich 138 – sachlicher Schutzbereich 134, 136 – und Allgemeines Persönlichkeitsrecht 190, 193 – und artifizielle Reproduktion 195 – und Eigentum 185 – und Strafrecht 164 Furchungsteilung 28 Gentranskription 28 Gleichheitsgrundsatz – Schutzbereich 119 Gynogenones 29 Heilbehandlung – Paradigmenwechsel 135 hormonelle Stimulation 41 humanbiologisches Material – Status 65 Hyperstimulationssyndrom 41 In-vitro-Fertilisation (IVF) 37 In-vitro-Maturation (IVM) 35, 42, 110 Indikation – kriminologische 60, 62 Inhalts- und Schrankenbestimmung 151 Insemination – heterologe 102 Institutsgarantie 134, 141 intrauteriner Fetozid 46 Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) 30, 110 Keimblatt 26 Keimzelle 23, 26 – Grundrechtsunfähigkeit 98 – primordial 26 – Status 65, 77 Keimzellspende – operative Eingriffstiefe 109 Kinderlosigkeit – ungewollte 54 Kindeswohl 114, 118 – als objektiver Verfassungswert 153
als verfassungsimmanente Schranke 151 Einschätzungsprärogative 155 Geeignetheit 155 postnatale Phase 158 pränatale Phase 158 psychologische Probleme 159 und vorwirkender Grundrechtsschutz 152 Kommerzialisierung 138, 186 – und „slippery-slope“-Argument 188 Körper – Eigentumsrecht 70 – Intentionsmodell 73 – Persönlichkeitsrecht 70 – Überlagerungstheorie 72 Körperzellen 23 Kryokonservierung 21
– – – – – – –
Lebensbeginn 78 Leihmutterschaft 113 Mehrlingsschwangerschaft 46 Meiose 24 Menopause – vorzeitige 38 Menschenwürde 59 – Abgrenzung 61 – Abwägungsresistenz 59 – Beziehungsmodell 62 – personeller Schutzbereich 80 Missbrauchsgefahr 177, 189 mitochondriale DNS 24 Mitose 24 Mutterschaft – biologische 113, 117 – gespalten 48 nichteheliche Lebensgemeinschaft 143 Oogenese 27 Oozyte 26 Organhandel – Regulierung 187
Sachverzeichnis Organlebendspende 125 – Spenderkreis 126 – Subsidiarität 125 paid-egg-sharing-Modell 188 Parthenogenese 29, 32 – 33, 84 Paternalismus 164 Pluripotenz 25 Polkörperchen 27 Polkörperdiagnostik 58 Praktische Konkordanz 162 Präimplantationsdiagnostik 58, 179 Prinzip der extensiven Grundrechtsauslegung 136 Prognosespielraum 114 Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung 166 – non-identifying information 172 – Reichweite 170 – und Familienwohl 171 Recht auf Leben – Entwicklungskontinuum 85 – Identität 93 – 94 – personeller Schutzbereich 78 – Potentialität 89 – Spezies-Argument 82 Risiko-Nutzen-Analyse 131 Single-Embryo-Transfer 51 „slippery slope“-Argument 176
221
Sozialstaatsprinzip 116 Spermatogenese 27 Spermatozoen 26 Stammzelle 31 – adult 25 – embryonal 25, 31 – pluripotent embryonal 26 – totipotent 50 Stammzellgesetz 50 Sterilität 35 Subjektivierbarkeit objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte 153 Technizität 161 Tissue Engineering 25 Totalverbot – Erforderlichkeit 163 Totipotenz 25, 92 Transfusionsgesetz 120 Transplantationsgesetz 122 Trophoblast 28, 92 Vaterschaft – anfechtbare 114 verfassungsimmanenten Schranke 137 Vorkern 28, 82 Würdeschutz gegen sich selbst 181 Zitiergebot 198 Zygote 28
Jahrbuch fçr Recht und Ethik Annual Review of Law and Ethics Band 15 (2007) Herausgegeben von B. Sharon Byrd Joachim Hruschka Jan C. Joerden
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Jahrbuch fuÈr Recht und Ethik, Band 15 Annual Review of Law and Ethics, Volume 15 B. Sharon Byrd, Joachim Hruschka, Jan C. Joerden (Hrsg.)
Duncker & Humblot ´ Berlin
XII, 742 S. 2007 h978-3-428-12610-1i A 104,±
Themenschwerpunkt:
Medizinethik und -recht Der vorliegende Band des Jahrbuchs fuÈr Recht und Ethik / Annual È berblick zu geben uÈber Review of Law and Ethics versucht einen U die gegenwaÈrtige Diskussion medizinethischer und medizinrechtlicher Fragen. DafuÈr konnte erfreulicherweise eine Reihe namhafter Autorinnen und Autoren gewonnen werden. Die BeitraÈge befassen sich sowohl mit schon seit laÈngerer Zeit diskutierten, aber keineswegs abgeschlossenen Problemstellungen als auch mit durch die medizintechnische Entwicklung ganz neu entstandenen Fragen. This volume of the Jahrbuch fuÈr Recht und Ethik / Annual Review of Law and Ethics is devoted to the topic of medical law and ethics. A number of authors provide an overview of current discussions on medical issues from legal and ethical perspectives. The papers consider both issues that have been discussed for some time and are still quite current today. They also discuss new problems raised through modern medical development in technologies.
Duncker & Humblot ´ Berlin
Internet: http://www.duncker-humblot.de
The Law and Ethics of Medicine
Schriften zum Úffentlichen Recht 1064 Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung uÈber Grundlage, Gegenstand und Grenzen der parlamentarischen Kontrolle unter besonderer BeruÈcksichtigung der ministerialfreien RaÈume und der Privatisierung. Von J. Schmidt. 485 S. 2007 h978-3-428-12458-9i A 98,± 1065 Judikatives Unrecht. Subjektives Recht, Beseitigungsanspruch und Rechtsschutz gegen den Richter. Von M. HoÈûlein. Frontispiz; 274 S. 2007 h978-3-428-12340-7i A 74,± 1066 Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht. Von S. Reis. 333 S. 2007 h978-3-428-11982-0i A 78,± 1067 Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor. Von H. Gersdorf. 71 S. 2007 h978-3-428-12581-4i A 28,± 1068 Die BekaÈmpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum. Unter besonderer BeruÈcksichtigung des § 14 Abs. 3 LuftSiG und der strafrechtlichen Beurteilung der ToÈtung von Unbeteiligten. Von M. Ladiges. 557 S. 2007 h978-3-428-12436-7i A 86,± 1069 Staat ± Wirtschaft ± Gemeinde. Festschrift fuÈr Werner Frotscher zum 70. Geburtstag. Herausgegeben von G. H. Gornig, U. Kramer, U. Volkmann. Frontispiz; 848 S. 2007 h978-3-428-12565-4i Geb. A 98,± 1070 Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG. Wider die sog. Einheitsthese. Von K. Haghgu. 455 S. 2007 h978-3-428-12370-4i A 88,± 1071 Kosten- und Haftungsrisiken der Gemeinden bei SchaÈden aus flurnahen WasserstaÈnden. Von R. Tillmanns und S. Beyer. 115 S. 2007 h978-3-428-12530-2i A 78,± 1072 FoÈderale Privatrundfunkaufsicht im demokratischen Verfassungsstaat. Verwaltungsund verfassungsrechtliche Analyse der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Von D. Westphal. 664 S. 2007 h978-3-428-12318-6i A 98,± 1073 Der oÈffentlich-rechtliche Beauftragte. Ein Beitrag zur Systematisierung der deutschen Variante des Ombudsmannes. Von J. Kruse. 320 S. 2007 h978-3-428-12392-6i A 78,± 1074 Das SpannungsverhaÈltnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes. Von F. GraÈfin Nesselrode. 306 S. 2007 h978-3-428-12419-0i A 76,± 1075 Sonntagsschutz und Ladenschluû. Der verfassungsrechtliche Rahmen fuÈr den Ladenschluû an Sonn- und Feiertagen und seine subjektiv-rechtliche Dimension. Von W. Mosbacher. Tab.; 417 S. 2007 h978-3-428-12409-1i A 68,± 1076 Grundlegung einer ordoliberalen Verfassungstheorie. Die Grundbegriffe des Grundgesetzes in ordoliberaler Interpretation, entwickelt am Beispiel des Verbotes rechtsextremistischer Versammlungen wegen GefaÈhrdung der oÈffentlichen Ordnung. Von J. Schaefer. 703 S. 2007 h978-3-428-12372-8i A 98,± 1077 Eheschutz und Lebenspartnerschaft. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Lebenspartnerschaftsrechts im Lichte des Art. 6 GG. Von M. SchuÈffner. 789 S. 2007 h978-3-428-12438-1i A 98,± 1078 Erstplanungspflichten im System des Planungsrecht. Von A. Ingold. 385 S. 2007 h978-3-428-12539-5i A 78,± 1079 Freiheit des Glaubens und Systematik des Grundgesetzes. Zum GewaÈhrleistungsgehalt schrankenvorbehaltloser Grundrechte am Beispiel der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Von U. Vosgerau. 230 S. 2007 h978-3-428-12427-5i A 58,± 1080 Die Beteiligung Privater an der Erledigung oÈffentlicher Aufgaben. Eine Untersuchung ihrer verfassungs- und verwaltungsrechtlichen MoÈglichkeiten und Grenzen. Von T. LaÈmmerzahl. 271 S. 2007 h978-3-428-12619-4i A 68,±