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German Pages 343 Year 2018
Dieter Krüger
Das Stinnes-Legien-Abkommen 1918 – 1924 Voraussetzungen, Entstehung, Umsetzung und Bedeutung
Herausgegeben von
Gesamtmetall – Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V.
Duncker & Humblot · Berlin
DIETER KRÜGER
Das Stinnes-Legien-Abkommen 1918 – 1924
Dieter Krüger
Das Stinnes-Legien-Abkommen 1918 – 1924 Voraussetzungen, Entstehung, Umsetzung und Bedeutung
Herausgegeben von
Gesamtmetall – Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V.
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort des Herausgebers Am 12. Juni 2015 feierte Gesamtmetall das 125-jährige Verbandsjubi läum mit einem Festakt in Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck erinnerte in seiner Festrede an das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918: „ Dieses Abkommen bedeutete nicht nur eine Revolution im Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, es war überhaupt der sozialpolitische Gründungskompromiss der ersten deutschen Demokratie. (…) Welche große, auch kulturelle Leistung es gewesen ist, ein Einverständnis zu erzeugen, das der ganzen Gesellschaft nützt, das sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, bei der Neuerrichtung der Demokratie im Westen hat man sich wieder an dieses Kooperationsabkommen erinnert. Man konnte es wiederentdecken, musste es nicht neu erfinden.“
An der Entstehung und Unterzeichnung des Abkommens war Gesamtmetall, genauer gesagt der Gesamtverband Deutscher Metall-Industrieller mit seinen Repräsentanten Anton von Rieppel und Ernst von Borsig direkt beteiligt. Auch deshalb erscheint nun zum 100-jährigen Jubiläum des Abkommens eine von Gesamtmetall herausgegebene historiographische Darstellung dieser für die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen in Deutschland sehr bedeutsamen Vereinbarung. Zugleich ist es wertvoll und lehrreich, sich an den Beginn der Tarif autonomie in Deutschland zu erinnern, denn bis zum heutigen Tag ist die autonome Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch Arbeitgeber und Gewerkschaften keine Selbstverständlichkeit. Beide Seiten mussten sie sich gemeinsam erkämpfen. Und der Erhalt der Tarifautonomie erfordert Kompromisse, die beiden Seiten vieles abverlangen. Heute sind die Tarifautonomie und deren Ausgestaltung, das liberale deutsche Tarifvertragsvertragsrecht, eine Säule der Sozialen Marktwirtschaft. Tatsächlich aber geraten die Bedeutung, das Verständnis, aber auch die Wirkung der Tarifautonomie zunehmend in Bedrängnis. Einerseits sind Tarifverträge inzwischen bisweilen genauso komplex wie die Betriebswirklichkeiten, die sie zu regeln und zu berücksichtigen haben. Und das Tarifniveau ist hoch und muss von den Unternehmen im internationalen Wettbewerb auch erwirtschaftet werden können.
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Vorwort des Herausgebers
Auf der anderen Seite verändert sich die Haltung der Politik gegenüber den im harten Ringen gefundenen Kompromissen. Immer häufiger wird aus sozialpolitischem Sendungsbewusstsein oder diffusem Gerechtigkeitsgefühl heraus in bestehende tarifvertragliche Regelungen eingegriffen. Doch der Prozess der Kompromissfindung kann nur dann dauerhaft Bestand haben, wenn beide Seiten sich sicher sein können, dass die vereinbarte Lösung gilt. Jeder Eingriff in die Tarifautonomie durch den Staat, die Regierung oder das Parlament entwertet sie und führt zu einer gefährlichen Erosion. Niemand kann das ernsthaft wollen. Wir verbinden die Veröffentlichung dieser Geschichte des Stinnes-LegienAbkommens mit der Hoffnung auf eine Rückbesinnung auf die Ziele und den Wert der Tarifautonomie in Deutschland. Gemeinsam mit den Gewerkschaften wollen wir nach Wegen suchen, die Tarifautonomie zu bewahren, zu stärken und ihr zu neuer Bedeutung zu verhelfen – ganz im Sinne von Hugo Stinnes und Carl Legien. Gedankt sei den Mitarbeitern aller Archive, die das Zustandekommen dieses Werkes unterstützt haben insbesondere Frau Dr. Angela KellerKühne vom Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Frau Dr. Eva Moser vom Bayerischen Wirtschaftsarchiv, Frau Mandy Dittrich und Frau Regine Grüner vom Bundesarchiv Berlin, Frau Christa Kaman vom Bundesarchiv Koblenz, Frau Brigitte Kikillus vom Bergbauarchiv, Frau Gerlinde Simon vom MAN-Archiv, Dr. Frank Wittendorfer vom Siemens Historischen Archiv sowie Prof. Dr. Manfred Rasch und Herrn Zielt vom ThyssenKrupp Konzernarchiv. Herr Christoph Roolf M. A. hat das Manuskript lektoriert und Dr. Andreas Beck den Band seitens des Verlages hilfreich und umsichtig betreut. Wir danken Herrn Prof. Dr. habil. Dieter Krüger für seine intensive, anspruchsvolle und vor allem lesenswerte Arbeit.
Dr. Rainer Dulger Oliver Zander Präsident Hauptgeschäftsführer Gesamtmetall Gesamtmetall
Inhaltsverzeichnis I.
Prolog: Berlin, im November 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
II. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Das Stinnes-Legien-Abkommen im Spiegel der Literatur . . . . . . . . . . . 21 2. Ein Erinnerungsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Von den Sozialistengesetzen zum Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst: Arbeitsbeziehungen im kaiserlichen Deutschland 1890–1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Die Dominanz der Schwerindustrie: Unternehmer- und Arbeitgeber verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Modernisierungsdefizite: Staat und Arbeiterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Konkurrenz und Kooperation: die Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Reform als Klassenkampf: die Freien Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . 60 5. Der Kampf um Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6. Der Krieg als Schrittmacher der Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 7. Die Gewerkschaften als Ordnungsfaktor: das Hilfsdienstgesetz von 1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 8. Das Reformprogramm der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18 . . . . . . . . . . . 95 1. Vorsichtige Annäherung: das Problem der Übergangswirtschaft . . . . . . 95 2. Im Zeichen der militärischen Niederlage: die Gewerkschaften als Partner der Großindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Die Revolution als Schrittmacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Die Verhandlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller am 14. November 1918 in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5. Die neue Arbeitsgemeinschaft in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6. Revolutionäre Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 7. Das Abkommen und die Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . 163 8. Von der negativen Integration zur Partizipation: die Sozialpartner im Übergang zur Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Die institutionalisierte Sozialpartnerschaft: Die Zentralarbeits gemeinschaft (ZAG) 1919–1922 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Die Anfänge der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. ZAG und Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) . . . . . . . . . . . . 178 3. ZAG und Reichsregierung: Gemeinwirtschaftspläne . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Tarifverträge und Streiks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
8 Inhaltsverzeichnis 5. Konsolidierung im Zeichen wachsender gewerkschaftlicher Opposition gegen die ZAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6. Staatlicher Gestaltungswille: Reichswirtschaftsrat und Schlichtungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7. Widerstände gegen Angestelltentarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 8. Die ‚Gelben‘: die ZAG als hybride Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 9. Bewährungsprobe: der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . 211 10. Um Löhne und Zulagen: das Problem der Inflation . . . . . . . . . . . . . . . 219 11. Die Kontroverse um die Außenhandelsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 VI. Inflation und Stabilisierung: das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft 1922–1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Gegensätzliche Sanierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Wer trägt die Last? Die Auseinandersetzung um den Achtstundentag . . 254 3. Die Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VII. Bilanz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918, Quelle: Bundesarchiv, R 43/2494/J Reichskanzlei . . . . . . . 16[–20]
Abbildung 2: Streikende Crimmitschauer Textilarbeiterinnen Quelle: Deutsches Historisches Museum, Inv.-Nr.: PK F 55/1852 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Abbildung 3: Anton von Rieppel (1852–1926) Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München/ Bildarchiv port-023122 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Abbildung 4: Paul Heckmann (1849–1910) Gründungspräsident des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller Quelle: Gesamtmetall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Abbildung 5: Carl Legien (um 1910) Quelle: Deutsches Historisches Museum, Inv.-Nr.: F 52/2558 . 55 Abbildung 6: Adam Stegerwald, April 1919 Quelle: Bundesarchiv, N 1780 Bild-001-03 . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abbildung 7: Ewald Hilger (1859–1934) Quelle: Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Inventar-Nr. 027200084001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Abbildung 8: Hugo Stinnes (1870–1924) Quelle: Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Inventar-Nr. 027200180001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abbildung 9: Walther Rathenau, 1921 Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-L40010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abbildung 10: Ernst von Borsig, ca. 1931 Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-12817 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abbildung 11: Albert Vögler, 1941 Quelle: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abbildung 12: Otto Huë (1868–1922) Quelle: Stadt Bochum, Stadtarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Abbildung 13: Alfred Hugenberg (um 1920) Quelle: akg-images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
10 Abbildungsverzeichnis Abbildung 14: Hans von Raumer (um 1930) Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2010-0225-502 . . . . . . . . . . . . 114 Abbildung 15: Der Stahlhof in Düsseldorf (vor 1909) Quelle: Die Architektur des XX. Jahrhunderts – Zeitschrift für moderne Baukunst. Jahrgang 1909, Nr. 83 . . . . . 115 Abbildung 16: Das Continental-Hotel in Berlin um 1905 Quelle: Postkarte [wohl rechtefrei] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Abbildung 17: Novemberrevolution: Auto mit Maschinengewehren des Arbeiter- u. Soldatenrates am Brandenburger Tor, November 1918 Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1970-051-33 . . . . . . . . . . . . . . 123 Abbildung 18: Theodor Leipart (1867–1947) Quelle: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildung 19: Zusatzvereinbarung zum Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918, Quelle: Bundesarchiv, R 43/2494/J, Reichskanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Abbildung 20: Carl Otto Schrey (1853–1932) Quelle: Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft e. V. . . . . . 141 Abbildung 21: Hotel Adlon (um 1926) Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-13848F/Pahl, Georg . . . . . . . . 143 Abbildung 22: Schreiben Beukenberg an Springorum, 16. November 1918 Quelle: thyssenkrupp Konzernarchiv, Signatur. H 2266 . . . . . . 145 Abbildung 23: Anton Höfle, Januar 1925 Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-01314/Pahl, Georg . . . . . . . . . 147 Abbildung 24: Fritz Tänzler (1869–1944) Quelle: Tänzler: Die deutschen Arbeitgeberverbände, 1929 . . . 149 Abbildung 25: Carl Friedrich von Siemens (um 1924) Quelle: Siemens Historical Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abbildung 26: Der Rat der Volksbeauftragten, Februar 1919. Von links: Otto Landsberg, Philipp Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert und Rudolf Wissell Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1977-074-08/Sennecke, Robert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abbildung 27: Felix Deutsch, Mai 1928 Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-05933/Pahl, Georg . . . . . . . . . 162 Abbildung 28: Carl Legien, Radierung von Max Liebermann, um 1920 Quelle: akg-images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abbildung 29: Kurt Sorge (1855–1928) Quelle: Historisches Archiv Krupp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Abbildung 30: Gegendemonstration gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 Quelle: unbekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Abbildungsverzeichnis11 Abbildung 31: Heinrich Imbusch (1878–1945) Quelle: United Archives/TopFoto/Süddeutsche Zeitung Photo . 217 Abbildung 32: Hans von Raumer (um 1920) Quelle: akg-images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abbildung 33: Hermann Bücher (um 1925) Quelle: akg-images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abbildung 34: Folgen der Inflation: Taschen voller Banknoten werden verladen Quelle: akg-images/Fototeca Gilardi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Abbildung 35: Heinrich Brauns (1868–1939) Quelle: KAS, ACDP: Fotoarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abbildung 36: Peter Graßmann (1873–1939), Zweiter Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Abbildung 37: Clemens Lammers, 1927 Quelle: ullstein bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abbildung 38: Hugo Stinnes (um 1922) Quelle: akg-images/TT News Agency/SVT . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Abbildung 39: Paul Silverberg, Oktober 1932 Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-13961/Pahl, Georg . . . . . . . . . 250 Abbildung 40: Von links nach rechts: Generaldirektor von Borsig, Fabrikdirektor Wittke, Generaldirektor Dr. Albert Vögler und Bernhard Otte (Vorsitzender des Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften), 1931 Quelle: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Abkürzungsverzeichnis ADGB
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
AfA
Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände
AS Abschrift BdI
Bund deutscher Industrieller
BdL
Bund der Landwirte
Butib
Bund der technischen und industriellen Beamten
CdI
Centralverband deutscher Industrieller
DeutschLux Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten AG DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
DMV
Deutscher Metallarbeiter-Verband
DNVP
Deutsch-Nationale Volkspartei
DS Durchschrift DVP
Deutsche Volkspartei
GDM
Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller
GO Gewerbeordnung MAN
Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg
OHL
Oberste Heeresleitung
RAG(n)
Reichsarbeitsgemeinschaft / en
RDI
Reichsverband der Deutschen Industrie
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
USPD
Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VBM
Verein der Bayerischen Metallindustriellen
VDA
Verein (ab 1913 Vereinigung) Deutscher Arbeitgeberverbände
VdESI
Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
VDMA
Verband der Deutschen Maschinenbauanstalten
WRV
Weimarer Reichsverfassung
ZAG
Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands
I. Prolog: Berlin, im November 1918 Ein kühler, trüber Tag war der 14. November 1918: Im Berliner Nobelhotel „Adlon“ trat vormittags zwischen zehn und halb ein Uhr der Hauptvorstand des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller (VdESI) zusammen. Geleitet wurde die Sitzung von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes, Ewald Hilger, dem informellen Repräsentanten der oberschlesischen Montanindustrie. Erschienen waren vorwiegend Herren aus Berlin und Umgebung, unter anderen der Protagonist der Berliner Maschinenbauindustrie, Ernst von Borsig, der Siemens-Direktor Otto Henrich, der Geschäftsführer des Centralverbandes deutscher Industrieller (CdI), Max Rötger, der Hauptgeschäftsführer des VdESI, Georg Reichert, aber auch der inoffizielle Führer der westdeutschen Schwerindustrie, Hugo Stinnes. Viele andere hatten sich entschuldigt.1 Die Herren tagten unbehelligt, obwohl nur wenige Tage zuvor in Deutschland eine Revolution stattgefunden hatte. Der Kaiser war von seinem höchsten Militär ins niederländische Exil komplimentiert worden; die Monarchen in den Bundesstaaten standen vor der Abdankung. Überall hatten sich unter der roten Fahne der sozialistischen Arbeiterbewegung Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Der letzte kaiserliche Reichskanzler Max von Baden hatte die Regierungsgeschäfte dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Friedrich Ebert, übertragen. Dieser hatte mit Vertretern der links-sozialdemokratischen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) einen sechsköpfigen Rat der Volksbeauftragten gebildet. Damit setzte sich die Sozialdemokratie an die Spitze dieser seltsamen Revolution: Keiner der verhassten Unternehmer, ihrer leitenden Angestellten oder der unbeliebten Polizisten und Staatsanwälte hing am sprichwörtlichen Laternenpfahl. Zunächst weitgehend unblutig, waltete die Bürokratie des alten Obrigkeitsstaates ebenso weiter ihres Amtes wie die Züge halbwegs pünktlich verkehrten und überhaupt die öffentliche Ordnung nur punktuell gestört war. Die Kontrolle über den uferlosen Schwarzmarkt hatte die öffentliche Verwaltung schon lange verloren. Nur wer hier einkaufen konnte, litt keinen Hunger. Die Sorge ums tägliche Brot angesichts einer fast zusammengebrochenen Versorgung hielt sich die Waage mit der Euphorie, die das Kriegsende bei der physisch wie mental ausgelaugten Bevölkerung, namentlich in den großen Städten, ausgelöst hatte.
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I. Prolog: Berlin, im November 1918
Geschäftsführer Reichert berichtete in der Sitzung des VdESI über seine erfolgreichen Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsamt über Ausfuhrfragen. Der Versammlungsleiter Hilger wollte „hier bald Schluss machen“, um zur „eigentlichen Hauptvorstandssitzung“ überzugehen. Er bedankte sich zunächst bei Stinnes „für das, was er in den Verhandlungen für uns erreicht hat“. „Dass uns die neue Regierung nicht gefällt“, so Hilger weiter, „darüber brauchen wir ebenso wenig zu reden wie darüber, dass wir uns wie ein Mann hinter die Regierung stellen müssen“. Nachdem er lange den Gründer des Kaiserreichs, Otto von Bismarck, zitiert hatte – dessen Schöpfung soeben untergegangen war –, rief Hilger der Versammlung zu: „Ich bin einer der eifrigsten Verfechter des Nichtverhandelns mit den Gewerkschaften von jeher gewesen. Ich habe meinen Standpunkt vollständig aufgegeben. […] Ich stehe heute vor Ihnen als ein aus einem Saulus gewordener Paulus. Wir kommen heute ohne die Verhandlungen mit den Gewerkschaften nicht weiter. […] denn nur durch die Verhandlungen speziell mit den Gewerkschaften können wir Anarchie, Bolschewismus, Spartakusherrschaft und Chaos […] verhindern. Ich bin also der Meinung: wir werden uns heute dazu entschließen, […] die Abkommen, die mittlerweile schon mit den Gewerkschaften getroffen worden sind, hier gutzuheißen.“2
Am Ende taten die Anwesenden wie geheißen. Sie stimmten der namentlich von Stinnes erläuterten Vereinbarung zu, die wenige Vertreter der Großindustrie mit den Spitzenfunktionären der Gewerkschaften bereits vor der Revolution am 9. November 1918 auszuhandeln begonnen hatten. Zeitgleich billigte am 14. November 1918 auch eine Versammlung von Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften das Verhandlungsergebnis. Für die Industrie hatten herausragende Gestalten des Industriebürgertums verhandelt: • Hugo Stinnes (1870–1924), der innovativste Montanindustrielle seiner Zeit, • Hans von Raumer (1870–1965), ehemaliger Beamter und Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen elektrotechnischen Industrie, • Ernst von Borsig (1869–1933), Maschinenbauindustrieller und Vorsitzender des Vereins Berliner Metallindustrieller, • Carl Friedrich von Siemens (1872–1941), Vorstandsvorsitzender der Siemens-Schuckert-Werke, • Walther Rathenau (1867–1922), Aufsichtsratsvorsitzender („Präsident“) der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG) und einer der umstrittenen Intellektuellen des späten Kaiserreichs,
I. Prolog: Berlin, im November 191815
• Anton von Rieppel (1852–1926), Generaldirektor der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) und Vorsitzender des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller. Ihre Kontrahenten waren die machtvollen Vertreter einer Parallelwelt, der das Industriebürgertum die gesellschaftliche und rechtliche Gleichberechtigung bislang versagt hatte: • Carl Legien (1861–1920), Vorsitzender der Generalkommission der (sozialistischen) Gewerkschaften Deutschlands, • Theodor Leipart (1867–1947), Vorsitzendes des (sozialistischen) Deutschen Holzarbeiterverbandes, • Gustav Bauer (1870–1944), Zweiter Vorsitzender der Generalkommission und ab Oktober 1918 Staatssekretär des Reichsarbeitsamtes im letzten kaiserlichen Kabinett, • Alexander Schlicke (1863–1940), Vorsitzender des (sozialistischen) Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) und seit 1916 Abteilungsleiter im Kriegsamt des Preußischen Kriegsministeriums, • Adam Stegerwald (1874–1945), Generalsekretär des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften, • Gustav Hartmann (1861–1940), Vorsitzender der liberalen Gewerkvereine. Am folgenden 15. November 1918 wurde – vermutlich ebenfalls im „Adlon“ – das Abkommen unterschrieben, das als „Stinnes-Legien-Abkommen“ in die Geschichte eingehen sollte. Seine Quintessenz war die Anerkennung der Gewerkschaften durch die Arbeitgeber und die Begründung einer institutionalisierten Sozialpartnerschaft.
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I. Prolog: Berlin, im November 1918
I. Prolog: Berlin, im November 191817
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I. Prolog: Berlin, im November 1918
I. Prolog: Berlin, im November 191819
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I. Prolog: Berlin, im November 1918
Quelle: BArch R 43 / 2494 / J Reichskanzlei
Abbildung 1: Das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918
II. Einleitung Trotz der gegenwärtig abnehmenden Tarifbindung aller abhängig Beschäftigten in Deutschland erscheint es heute selbstverständlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Sozialpartnerschaft bilden. Sie schließt Arbeitskämpfe nicht aus, zielt aber in letzter Instanz auf einen Ausgleich der gegensätzlichen Vorstellungen im gemeinsamen Interesse der Branche oder gar des Wirtschaftsstandorts. Tarifpolitik als Kernbereich dieser Sozialpartnerschaft ist seit 1918 eines der „zentralen Ordnungsprinzipien“3 der deutschen Gesellschaft. Vor hundert Jahren stand das Stinnes-LegienAbkommen für einen Paradigmenwechsel in den Arbeitsbeziehungen und wurde zu einem Meilenstein gesellschaftlicher Modernisierung. Historische Veränderungen sind das Ergebnis langfristiger materieller und geistiger Entwicklungen. Sie bringen unter der Wirkung akuter und spontaner Prozesse einen neuen mind-set und neue gesellschaftliche Institutionen hervor. Dabei werden solche Prozesse in aller Regel als Krise der gesellschaftlichen und / oder politischen Ordnung wahrgenommen. Gegenläufige gesellschaftliche Entwicklungen können den neuen Zustand in Frage stellen, verhindern aber nur selten die Fernwirkung der Veränderung. Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg und die Novemberrevolution 1918 waren das akute Umfeld für die Durchsetzung der Tarif- und Sozialpartnerschaft als Prinzip. Zum tragenden Element der deutschen Gesellschaft wurde die Sozialpartnerschaft erst drei Jahrzehnte später in der westdeutschen Bundesrepublik Deutschland.
1. Das Stinnes-Legien-Abkommen im Spiegel der Literatur Schon ein Jahr nach Abschluss feierte Reichert, Verbandsgeschäftsführer des VdESI, das Stinnes-Legien-Abkommen als „größte soziale Tat seit Bestehen der deutschen Industrie“. Die Arbeitsgemeinschaft sei gerade nicht eine Folge der Novemberrevolution. Vielmehr seien beide „Folge des Krieges“. Allerdings habe die Arbeitsgemeinschaft den „Verlauf der Revolution gemildert“.4 Diesen Standpunkt vertrat 1919 auch die Generalkommission der Freien Gewerkschaften. Sie wollte den Eindruck einer Panikreaktion der Unternehmer auf die Novemberrevolution ebenso vermeiden wie diese selbst.5 Andernfalls hätte man denen Recht gegeben, die
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der Gewerkschaftsführung vorwarfen, sie habe sich für ein sprichwörtliches Linsengericht die Sozialisierung der Industrie abkaufen lassen. Keinesfalls sei das Abkommen ein „Angsterzeugnis der Unternehmerschaft“, so auch 1920 der den Arbeitgeberverbänden zuzuordnende Leibrock. Er feierte es als Friedensschluss zwischen Teilen der Arbeitgeber und Arbeitsnehmer.6 Ähnlich argumentierte die Nordwestliche Gruppe der Eisenund Stahlindustrie in ihrer Festschrift von 1929. Sie bejahte noch fünf Jahre nach deren Scheitern „vorbehaltlos“ die Arbeitsgemeinschaft der gewerblichen und industriellen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands. Freilich sei diese „von den Gewerkschaftsleitern nicht immer richtig verstanden worden“.7 Fritz Tänzler, der langjährige Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (VDA), betonte im selben Jahr, die Arbeitsgemeinschaft habe „auf die damals regierenden Stellen einen bestimmenden und mäßigenden Einfluß ausgeübt“.8 Für Siebert war die Idee der paritätischen Zusammenarbeit 1931 „keineswegs erst eine Errungenschaft der Revolution“. Vielmehr sei der Gedanke bereits vorher in vielen Industriebezirken vertreten worden.9 Zwar hatte der konservativ-revolutionäre Publizist Eduard Stadtler das Abkommen um 1924 mit der „Angstpsychose“ der Unternehmer angesichts der plötzlichen Macht des Proletariates erklärt. Freilich sei diese auf die „Angst“ der „herrschenden Sozialdemokratie […] vor dem gewerkschaftszerstörenden Trieb des Räte-Bolschewismus“ getroffen. Es sei den beiden Parteien der Zentralarbeitsgemeinschaft (ZAG) am Ende nicht gelungen, „die neue Idee zum Lebensprinzip des Neuaufbaus von Staat und Wirtschaft“ zu machen. Dafür machte Stadtler – der 1924 die Bildung eines reaktionären Gegenverbandes zum Reichsverband der Deutschen Industrie betrieb – nicht zuletzt Stinnes als den spiritus rector der Arbeitsgemeinschaft verantwortlich. Ihm warf er vor, nicht auf dem Wege der Diktatur einen Ständestaat durchgesetzt zu haben. Der Hintergrund war Stinnes’ eher defensive Haltung im Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920.10 In eine verwandte Richtung zielte Kauns Deutung von 1938. Die „gestaltende Kraft des Krieges“ habe den Versuch einer „Selbstordnung der beiden Machtgruppen unter Ausschaltung des Staates“ bewirkt. Die ZAG galt ihm als Vorbote der gelenkten Wirtschaft der Diktatur: „die völlige Neuformung des Verhältnisses von Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch die ordnende Macht des Staates“.11 Für den Zeitzeugen Raumer „revolutionierte“ das Abkommen dank des couragierten Handelns von sieben Unternehmern das Verhältnis zwischen Unternehmern und Gewerkschaften. Diese neue Beziehung, so Raumers vergleichsweise zurückhaltendes Resümee im Jahre 1954, habe in den ersten Jahren die „Ordnung“ getragen.12 Noch verhaltener lautete das
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Urteil des Zeitzeugen Leipart, enger Mitstreiter, Freund und Nachfolger Legiens, aus dem Jahre 1929. Die ZAG habe „unentbehrliche Hilfe“ bei der Organisation der Übergangswirtschaft geleistet. Ansonsten hätten sich die Hoffnungen, die Legien mit dem Abkommen verbunden habe, „nicht erfüllt“.13 Der sozialdemokratische Politiker Ludwig Preller deutete die ZAG in seinem enzyklopädischen Standardwerk von 1949 nur noch als „Zeichen für den inneren Wandel im Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern“.14 Karl Dietrich Bracher erkannte 1955 im Stinnes-Le gien-Abkommen dagegen einen der vier Basiskompromisse der Weimarer Republik: neben der Absprache des Rates der Volksbeauftragten mit der Obersten Heeresleitung, der Übernahme des Föderalismus des Kaiserreichs und der Fortsetzung der während des Krieges entstandenen Koalition der Sozialdemokraten mit dem katholischem Zentrum und den bürgerlichen Liberalen.15 Die Interpretation des (Ost-)Berliner Historikers Werner Richter von 1959 folgte dem von Wladimir I. Lenin vorgegebenen zeitgenössischen kommunistischen Erklärungsmuster. Die Zugeständnisse der Unternehmer seien allein dem „revolutionären Ansturm im November“ zu verdanken gewesen. Die „rechten Gewerkschaftsführer“ hätten dagegen den „Monopolherren den unbezahlbaren Dienst“ geleistet, deren Zugeständnisse als Ergebnis der „Zusammenarbeit mit den Konzernherren“ darzustellen. In der „Frage der Macht“ hätten Gewerkschaftsführung und Großindustrie „durch rein demokratische Forderungen“ gemeinsame Sache „im Kampf gegen die Revolution“ gemacht. Die ZAG hatte für Richter folglich einen „konterrevolutionären, arbeiterfeindlichen Charakter“.16 Richter mag sich durch Gerhard Erdmann, ebenfalls ein Zeitzeuge und jahrzehntelang im Dienste der Spitzenverbände der Arbeitgeber, bestätigt gefühlt haben. Er formulierte 1966, „das historische Verdienst“ der Protagonisten habe darin bestanden, Deutschland vor „der bolschewistischen Revolution“ bewahrt zu haben.17 Hartwich betonte 1967 den Bedeutungswandel, dem das Abkommen nach der Revolution und der Errichtung des Rates der Volksbeauftragten unterlegen habe: „Aus der Konzession der Arbeitgeberschaft wurde eine Konzession der sozialistischen Gewerkschaften.“18 Der amerikanische Sozialhistoriker Gerald D. Feldman widmete einen Großteil seines Lebenswerkes der Erforschung der deutschen Gesellschaftsgeschichte im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Er edierte 1973 Quellen zur Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens und publizierte seinen darauf beruhenden Essay zum deutschen Unternehmertum zwischen Krieg und Revolution, der in Grundzügen auf das Jahr 1964 zurückging.19 1985 erschien seine umfassend kommentierte Edition von Quellen zur ZAG.20 Damit wurde Feldman zum Pionier der historio-
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graphischen Erforschung des Stinnes-Legien-Abkommens und der ZAG. In seinen Augen war das Abkommen kurzfristig ein Ergebnis des Widerwillens der Unternehmer gegen die ‚Zwangswirtschaft‘, die sich während des Ersten Weltkrieges entwickelt hatte. Eine kleine großindustrielle Gruppe habe das Abkommen der deutschen Unternehmerschaft aufgezwungen. Sie habe – wenngleich in radikal veränderter Konstellation – langfristig die für das Kaiserreich seit den 1870er Jahren charakteristische Politik der Kombination gesellschaftlicher Interessen fortzusetzen versucht. Der Semikonstitutionalismus hatte es einflussreichen Gruppen und ihren diversen Verbänden ermöglicht, am Parlament vorbei und in direktem Zugriff auf Instanzen des Obrigkeitsstaates Politik zu gestalten. Die Parlamentarisierung vom Oktober und schließlich die Revolution vom November 1918 zwangen zum Paradigmenwechsel. Die Großindustrie habe, so Feldman, bereits kurz zuvor die alte Allianz mit den Großagrariern durch jene mit den Gewerkschaftsführern ersetzt. Die Gewerkschaftsführung ihrerseits habe die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern den Zwangsmaßnahmen eines Staates vorgezogen, von dem vorläufig niemand wusste, in welche Richtung er sich entwickeln werde. Die Gewerkschaften seien zudem überzeugt gewesen, dass kurzfristig nur die Unternehmerschaft den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft zu leisten imstande sei. Der von den Initiatoren der Arbeitsgemeinschaft angestrebte Konsens der Produzenten gegen Staat und Verbraucher sei schließlich immer stärker durch den naturwüchsigen Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlagert worden, je deutlicher die Inflation diesen Ausgleich nicht mehr förderte, sondern belastete. Feldman galt das Abkommen als Etappe auf dem Weg zur langfristigen Integration der sozialdemokratischen Gewerkschaften in die privatwirtschaftliche Ordnung. Für die liberalen und die christlichen Gewerkschaften stand diese ohnehin nie zur Debatte. Das Schicksal der ZAG galt Feldman 1984 als „weiteres Beispiel für die gescheiterten Bemühungen, im modernen Deutschland Verhältnisse zu schaffen, unter denen eine moderne Industriegesellschaft gedeihen konnte“.21 Jürgen Kockas Interpretation des Stinnes-Legien-Abkommens von 1974 stand den zeitgenössischen Deutungen nahe. Er erkannte in ihm das Resultat aus der gesellschaftlichen Entwicklung des Krieges einerseits und der politischen Veränderung durch die Revolution andererseits. Der „Entfremdung […] der Gewerkschaften von ihrer Basis“ entsprungen, sei das Abkommen zum „Bollwerk“ gegen weitere revolutionäre Veränderungen geworden.22 Hier schimmerte die Auffassung durch, die Gewerkschaftsführung hätte für ihre Mitglieder womöglich mehr Veränderung durchsetzen können. Schon Peter von Oertzen hatte zu Beginn der 1960er Jahre
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vermutet, selbst linke und erst recht Mehrheits-Sozialdemokraten hätten die wirtschaftlichen Risiken und die bolschewistischen Gefahren überund ihre eigenen Gestaltungschancen unterschätzt. Er erklärte das aus drei Faktoren: die hergebrachte Fixierung auf Wahlkämpfe, die Überzeugung vom ‚gesetzmäßigen‘ Übergang zum Sozialismus und das Vertrauen, das die sozialdemokratische Führung der überkommen Bürokratie immer noch entgegengebracht habe.23 Ganz ausdrücklich vertrat der Kölner Wirtschafts- und Sozialhistoriker Friedrich Zunkel 1974 diese Auffassung. Die Gewerkschaften hätten ihren Erfolg über- und ihre Gestaltungsmacht unterschätzt. Unterschätzt hätten sie vor allem die Macht, die sie den Unternehmern verliehen hätten, indem sie ihnen die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel garantiert hätten. Vor dem Hintergrund der in der Bundesrepublik zwischen 1951 und 1972 geregelten betrieblichen Mitbestimmung kritisierte Zunkel, die Gewerkschaften hätten „für die Durchsetzung der Mitbestimmung ein Scheitern der Verhandlungen […] riskieren“ sollen. Zugleich räumte er ein, die Gewerkschaftsführung habe mittels Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern den Wiederaufbau bewerkstelligen und das erforderliche Know-how zur Gestaltung einer industriellen Volkswirtschaft erst erwerben wollen.24 Der Stinnes-Biograf Wulf deutete das Abkommen 1979 als Ergebnis des schlichten strategischen Kalküls seines Protagonisten. Auch bei den gewerkschaftlichen Kontrahenten sah Wulf keine „schwächliche Haltung“, sondern die „bewusste Entscheidung für ein begrenztes Ergebnis“ im Lichte der Zweifel beider Seiten an der Ordnungsfunktion des bestehenden Staates.25 Legien betonte stets, die Arbeitsgemeinschaft solle die Arbeiterschaft in die Lage versetzen, künftig eine sozialisierte Wirtschaft zu führen. Wenn sie denn ernst gemeint war, sprach diese Absicht gegen eine begrenzte Erwartung. Ähnlich wie Wulf betonte Gerhard A. Ritter 1980, beide Seiten hätten vor dem Hintergrund der Kriegserfahrung eine bürokratische Demobilmachung ebenso zu vermeiden versucht wie eine in ihren Konturen völlig unklare Sozialisierung; zumal die Gewerkschaften es mit einer gespaltenen politischen Arbeiterbewegung zu tun gehabt hätten.26 Hentschel interpretierte das Abkommen ebenfalls 1980 als „Manifest der Bestätigung […] einer sozialpolitisch-demokratisch abgeschliffenen, einer kapitalistischen Unternehmerwirtschaft, in die man vielleicht auch berechtigte Erwartungen fortgesetzten wirtschaftsdemokratischen Wandels setzen durfte“.27 Billigten Ritter und Hentschel der Gewerkschaftsführung eine angesichts der Zeitumstände angemessene Erwartung an die aktuelle Ordnungsfunktion und die Entwicklungsmöglichkeiten des Stinnes-Le gien-Abkommens zu, urteilte Heinrich August Winkler 1984 deutlich kritischer. Das Abkommen sei zwar in der Absicht geschlossen worden,
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sozialen Konflikten vorzubeugen. Tatsächlich habe es diese jedoch verschärft. Noch deutlicher als Kocka zehn Jahre zuvor warf Winkler den Gewerkschaften vor, sie hätten den Unternehmern gegenüber „viel härter auftreten können“. Sie seien „ohne Sinn“ gewesen, „was die Gründung eines demokratischen Gemeinwesens ihnen abforderte“. Geboten war aus der Sicht Winklers die Sozialisierung bzw. Verstaatlichung des Kohlenbergbaus, nachdem die Revolution die Voraussetzungen dafür geschaffen hatte. Schließlich seien die Eigentümer und Manager der Zechen die „reaktionärste Gruppe des Unternehmerlagers“ gewesen. Mit dem Abkommen hätten die Gewerkschaften diesem Unterfangen von vornherein den Boden entzogen. Winkler erwartete rückblickend – ähnlich wie Zunkel – nicht weniger von den Gewerkschaften, als im Zweifel auf das Abkommen zu verzichten. Gleichzeitig unterstrich Winkler, dass weder die Gewerkschaften noch die Mehrheitssozialdemokratie zum Zeitpunkt der Revolution über irgendwelche Transformationsvorstellungen verfügten.28 In der Interpretation Kluges von 1985 hatte das Abkommen den sozialdemokratischen Regierungen „Rückhalt“ verschafft. Die Unternehmer hätten jedoch, so Kluge im Anschluss an Hans Mommsen, das Abkommen als „Konzession auf Zeit“ verstanden. Die Gewerkschaften hätten insofern einen „Kompromiß gegen die eigene Position“ geschlossen. Die „latenten Ressentiments auf beiden Seiten“ seien nicht überwunden worden.29 Mit deutlicher Pointierung warf Michael Schneider der Gewerkschaftsführung 1987 vor, sie habe mit der Kanalisierung der Rätebewegung dazu beigetragen, „die überkommenen Herrschaftsstrukturen“ und „das Untertanenverhältnis von Bürger und Staat“ zu stabilisieren. Bei allen Verbesserungen, die das Abkommen und die ZAG den Arbeitnehmern gebracht hätten, habe sie zugleich den Unternehmern „die Ausgangsbasen für ihren Aufstieg auch zur politischen Macht“ verschafft. Immerhin räumte Schneider ein, dass sich die Führung der Gewerkschaften „personell und politischqualitativ überfordert fühlte“.30 An welcher Zielvorstellung hätte sich eine alternative gewerkschaftliche Strategie jenseits des – selbst von Rosa Luxemburg als abschreckend empfundenen – bolschewistischen Kriegskommunismus orientieren sollen und können? Winklers und Schneiders Kritik erinnerte an diejenige des DDR-Historikers Richter rund 25 Jahre zuvor. Dieser bezichtigte die mehrheitlich sozialdemokratischen Arbeiter- und Soldatenräte des „Versagens vor der historischen Aufgabe“.31 Vor dem Hintergrund der Rolle der Schwerindustrie am Ende der Weimarer Republik ist der Vorwurf Winklers, Richters und anderer an die Adresse der Gewerkschaften nachvollziehbar. Das Urteil Turners von 1985, die Unternehmer hätten den Arbeitern „Hand in Hand mit den Gewerkschaftsführern ein trojanisches Pferd“
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beschert, mag zunächst ebenso einleuchten wie die Feststellung Hans Mommsens von 1995, das Stinnes-Legien-Abkommen habe eine nur „fiktive Parität der Arbeitsmarktparteien“ begründet.32 Die Legien, Leipart, Schlicke, Stegerwald, dessen Mitarbeiter Friedrich Baltrusch und andere mögen „naiv“ und „gutmütig“ gewesen sein, so Bieber 1981.33 Selbst „Blütenträume“ mögen sie geträumt haben.34 Die offizielle Verbandsgeschichte des VdESI sprach 1934 ebenfalls von „Blütenträumen“ – allerdings solchen der Eisen- und Stahlindustriellen!35 1998 billigte Bieber den Gewerkschaftsführern die Überzeugung zu, dass „ihre Kontrahenten gründlich umgelernt hätten“.36 Weber unterstrich 2010, die Gewerkschaftsführung habe sich bei der Aushandlung des Abkommens „nicht über den Tisch ziehen lassen“. Vielmehr habe sie eine „Interessenidentität“ hergestellt. Die Kontrahenten hätten den Radikalismus als existenzgefährdend abgelehnt und seien sich in der „Wertschätzung von Ordnung und Disziplin“ verbunden gewesen.37 Kolb / Schumann unterstrichen 2013 erneut, es sei der Großindustrie mit dem Stinnes-Legien-Abkommen gelungen, „ihre Einflusssphäre abzusichern, ja z. T. sogar auszubauen“.38 Freilich blieben sie den Nachweis schuldig, wo es den Großindustriellen gelang, ihren Einfluss zu Lasten der Arbeitnehmerorganisationen auszubauen – notabene im Vergleich mit den Verhältnissen vor 1914. Man mag kritisieren, dass die Gewerkschaftsführung ihre Kontrahenten möglicherweise falsch eingeschätzt hat. Aber den gewerkschaftlichen Akteuren fehlte zwangsläufig die retrospektive Einsicht des Historikers. Die Konsequenz aus dem politischen Einfluss der deutschen Schwerindustrie im frühen 20. Jahrhundert wurde 1951 gezogen, allerdings nicht durch Verstaatlichung, sondern durch die Montanmitbestimmung und die Integration in die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Zu diesem Zeitpunkt hatten Kohle und Stahl freilich den Zenit ihrer Bedeutung schon überschritten. Industrielle Staatsbetriebe hatten nach dem Scheitern des Sowjetkommunismus 1990 und im Zeichen des Neoliberalismus der 1990er Jahre jegliche Attraktivität eingebüßt. Eine positive Wertung der Verstaatlichung passte nicht mehr recht in die Zeit. Kaum verwunderlich, findet sich in der Darstellung der deutschen Geschichte, die Winkler erstmals 2000 veröffentlichte, das Verdikt von 1984 nicht mehr. Bereits 1993 hatte er eingeräumt, dass für eine umfassende Vergesellschaftung das Personal gefehlt habe, das die Unternehmer und Manager hätte ersetzen können. Dass die Revolutionsregierung den hochgradig syndizierten Steinkohlenbergbau nicht verstaatlicht hatte, galt ihm aber immer noch als Unterlassungssünde an der jungen Demokratie. 2000 gestand Winkler den Führern der Arbeiterschaft zu, dass die Gewerkschaftsführer 1918 eine angemessene Entscheidung getroffen hatten: „Sie waren auf die Mitwirkung der
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Unternehmer angewiesen, um das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu bringen.“39 Nicht anders dachten die Gewerkschaftsführer, die das StinnesLegien-Abkommen unterzeichneten: „Letzten Endes vertrauten die Mehrheitssozialisten und Gewerkschaftsführer schon seit Beginn der Revolution der Sachkenntnis von Hugo Stinnes und seiner Kollegen“, hatte Feldman schon 1984 nüchtern bilanziert.40 Der Zeitzeuge Rudolf Wissell teilte im Rückblick dieses Urteil. Angesichts der Wirtschaftslage habe er die Sozialisierung für undurchführbar gehalten. Diese Auffassung sei anfangs bis weit in die Reihen der Linkssozialisten hinein vertreten worden.41 Hans-Ulrich Wehler – der vielleicht bedeutendste deutsche Sozialhistoriker der jüngeren Zeit – erkannte 2003 in seiner „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“ in der Sorge vor dem bolschewistischen Umsturz erneut das zentrale Motiv beider Kontrahenten, den „Kriegskorporativismus“ fortzusetzen. Seine Deutung nahm den kritischen Akzent Winklers und Schneiders von 1984 auf, blieb jedoch vergleichsweise widersprüchlich. Dem Stinnes-Legien-Abkommen, so Wehler, habe die „politische Legitimation“ gefehlt. Folglich sei die Autorität des Staates „fraglos untergraben“ worden. Im gleichen Atemzug nannte Wehler das Abkommen ein „Ergebnis der Revolution“, die den Staat fürs erste entmachtet hatte. Gleichzeitig billigte Wehler den Kontrahenten – im Einklang mit früheren Interpretationen – zu, mit ihrer Verständigung die demokratische Staatsform stabilisiert zu haben. Tatsächlich waren sich die Spitzen der Industrie und der Gewerkschaften einig, durch die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung so schnell wie möglich rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Freilich hätten die Unternehmer, so Wehler, die „Notfallallianz“ dann rasch wieder verlassen. Er machte dafür auch die Gewerkschaften verantwortlich, denen er einmal mehr vorwarf, „nicht hart genug verhandelt zu haben“. Härter hätten die Gewerkschaftsführer jedoch erst nach der Novemberrevolution verhandeln können, als zentrale Gegenstände des Abkommens bereits vereinbart worden waren. Womöglich war es aber genau umgekehrt: Der plötzliche politische Zusammenbruch zeitigte ein Gefühl bedrohlicher Ungewissheit. Dagegen versprach das Arrangement mit der Großindustrie Stabilität. Im Unterschied zu Winkler 1984 beschrieb Wehler auch die Zielprojektion nicht, die die Gewerkschaften seiner Ansicht nach hätten verfolgen sollen.42 Martin Becker meinte 2005, das „korporatistische Konzept einer Sozialpartnerschaft“ sei den Gewerkschaften so wichtig gewesen, dass ihnen „die Beibehaltung der kapitalistischen Eigentumsformen verschmerzbar“ erschienen sei.43 Zudem hatten die sozialistischen Gewerkschaften auf ihr gesellschaftspolitisches Programm ja nicht verzichtet. Während Schönhoven 2002 von einem „Zweckbündnis“ sprach, unterstrich der Silverberg-
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Biograph Gehlen 2007 den Charakter des Abkommens als „defensiv motivierte Übergangslösung“.44 Diese habe scheitern müssen, als Staat und Politik ihre alte Bedeutung wiedererlangt hatten und die ZAG – notabene – in beiden Lagern zusehends bekämpft wurde. Der Legien-Biograph Karl Christian Führer sprach 2009 ebenfalls von einer „Abmachung auf Zeit“, aber eben auch von einem „Canossa-Gang“ der Arbeitgeber. Er hob damit auf die erheblichen Konzessionen ab, zu denen die Gewerkschaftsführer die Arbeitgeber ja bereits vor der für alle überraschenden Revolution veranlasst hatten. Wie Kocka sprach auch Führer von einem „Bollwerk“, allerdings gegen den möglichen Versuch der Kommunisten und Syndikalisten, ihre Vorstellungen gewaltsam gegen eine Mehrheit der Bevölkerung und namentlich die Sozialdemokratie durchzusetzen. Denn diese strebten ja eine demokratische Republik an.45 Selbstkritisch gestand Plener 2000 ein, die DDR-Geschichtsschreibung habe das Abkommen überwiegend als „Dienstleistung der Gewerkschaften für die Kapitalinteressen“ denunziert.46 Rudolf Tschirbs fragte 2008, warum viele Historiker den „Blick starr auf die vermeintlich unterdrückten, utopischen Basispotenziale, […] auf den ‚Verrat‘ an den sogenannten ‚ursprünglichen Forderungen‘ gerichtet“ hätten.47 Das Narrativ vom Verrat der Gewerkschaftsführer war freilich nur konsequent, wenn man annimmt, die zeitgenössischen linken Kritiker der Gewerkschaftsführung hätten letztlich nicht nur die spätere Zentralverwaltungswirtschaft, sondern auch die totalitäre Gesellschaftsordnung nach sowjetischem Vorbild angestrebt.48 Hatte Wehler dem Abkommen offenbar keine langfristige Bedeutung für die Arbeitsbeziehungen zugeschrieben, galt es Führer als „Quantensprung“. Mallmann sprach 1990 in seiner Geschichte des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall von einer „Magna Charta der Sozialpolitik“, Hufnagel / Gerke 2000 in ihrer Geschichte der Siegerländer Metallarbeitgeber ähnlich von einer „ ‚Magna Charta‘ der Arbeitsbeziehungen in Deutschland“.49 Für Klaus Schönhoven „präjudizierte“ das Abkommen „wesentliche Teile der Weimarer Sozialordnung“.50 Diesem Urteil schloss sich 1995 Englberger an. Er schrieb der autonom getroffenen „Übereinkunft im Sinne einer Tarifautonomie“ nicht nur den Charakter einer „die Arbeitsordnung der Weimarer Republik vorwegnehmenden Vereinbarung“ zu. Vielmehr weise das Stinnes-Legien-Abkommen bereits „viele Merkmale der gegenwärtigen Arbeitsmarktordnung der Bundesrepublik“ auf.51 Für Höpfner hatte es 2015 „faktisch eine verordnungsgleiche Wirkung“. Die Sozialpartner vereinbarten Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, wenn auch auf dem Boden der „marktwirtschaftlich-liberalen Arbeitsverfassung“.52 Mit seiner Tarifvertragsverordnung vom 23. Dezember 1918 vollzog der Rat der Volksbeauftragten diese Entscheidung nach. Die Unterstellung der Kriti-
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ker, das Abkommen habe die in ihren Augen notwendige Verstaatlichung der Großindustrie verhindert, ist plausibel. Dass die Verstaatlichung des Bergbaus und der Hüttenindustrie zu weniger Streiks, höherer Produktion und mehr politischer Stabilität gesorgt hätte, bezweifelte Führer. Im Gegenteil galt ihm das „wenig rühmliche“ Schicksal der ZAG als Indiz, zu welchen inneren Spannungen eine verstaatlichte Großindustrie im ADGB geführt hätte.53 Ob der Dialog der ZAG mit demjenigen zwischen Management und Belegschaft in großen Staatsbetrieben vergleichbar ist, sei dahingestellt. Man mag das Schicksal der Arbeitsgemeinschaft tragisch nennen. Das Attribut „wenig rühmlich“ wird dem am Ende gescheiterten Versuch und dem damit einhergehenden Lernprozess ebenso wenig gerecht wie Biebers Diktum vom „Siechtum“ der ZAG.54 Deren Bedeutung eher angemessen, wenn auch nicht zwingend zutreffend, war 1987 die Auffassung Peukerts, die Arbeitsgemeinschaft habe „konfliktverschärfend“ auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewirkt.55 Im Gegensatz dazu glaubte Mallmann 1990, nicht nur die Unterzeichner des Novemberabkommens, sondern auch die Protagonisten der Arbeitsgemeinschaft hätten „die Möglichkeit des sozialpartnerschaftlichen Neuanfanges eröffnet“.56 Ähnlich konstatierte 2007 Helga Grebing, die einstige Nestorin der SPD-nahen Historiker, die Gewerkschaften hätten um den Preis der Sozialisierung „den Grund für den modernen Sozialstaat“ gelegt.57 Für Petra Weber gehörte die Arbeitsgemeinschaft „zu den Basiskompromissen der Weimarer Republik“,58 die offensichtlich von Anfang an ähnlich gefährdet war wie die Verfassung selbst. Weber griff damit auf die Interpretation Brachers von 1957 zurück. Die Einschätzung des greisen Hans von Raumer von 1964 kommt dem historiographischen Befund zumindest nahe. Auch ihm galt die ZAG jetzt als Übergangsmaßnahme in einer Zeit fehlender staatlicher Autorität. Mit dem Ende dieser Zeit hätten Regierung und Reichstag sowie schließlich auch der Reichswirtschaftsrat viele Aufgaben der ZAG wieder übernommen. Dieser verblieb nur noch die Regelung der Löhne und Arbeitszeit, über die eine Einigung unter den Vorzeichen der Inflation „nahezu unmöglich“ gewesen sei. Zudem sei mit dem Tod Legiens Ende 1920 eine „starke Persönlichkeit“ ausgefallen, die in der Arbeiterschaft für die Notwendigkeit der Zusammenarbeit hätte wirksam eintreten können. „Radikale Gewerkschafter“ sowie „kleine und mittlere Unternehmer“ hätten ja schon das Stinnes-Legien-Abkommen abgelehnt.59 Die meisten Historiker, die – im Einklang mit den zeitgenössischen Linkssozialisten, Syndikalisten und Kommunisten – der damaligen Gewerkschaftsführung vorwerfen, sie habe den Unternehmern zu große Zu-
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geständnisse gemacht, gehen von einer fragwürdigen Voraussetzung aus. Sie unterstellen, die Unternehmer hätten nach der Novemberrevolution derart unter Druck gestanden, dass sie nahezu unbegrenzt kompromissbereit gewesen wären. Daran meldete Kim Christian Priemel 2008 zu Recht Zweifel an.60 Tatsächlich war, wie Raumer betonte, eine kaum zu quantifizierende Gruppe von Unternehmern und Verbandsmanagern wenig bis gar nicht einverstanden mit dem Abkommen und der Arbeitsgemeinschaft. Allerdings wurde dieser Widerstand im Gegensatz zur öffentlichen Polemik von links kaum öffentlichkeitswirksam. Nicht zu bestreiten ist, dass die weitgehende Verstaatlichung der Produktionsmittel im Rahmen einer sozialpartnerschaftlichen Arbeitsgemeinschaft unmöglich war. Sie hätte nur auf parlamentarischem Wege durchgesetzt werden können, sofern sich eine Mehrheit dafür gefunden hätte. Die Alternative war revolutionäre Gewalt und Bürgerkrieg. Dass die Verstaatlichung der Schwerindustrie die Zerstörung der Weimarer Republik weniger wahrscheinlich gemacht hätte, da Adolf Hitler hier früh Förderer und Fürsprecher fand, ist eine oft nur unterschwellig mitschwingende Annahme. Voraussehen, das sei einmal mehr unterstrichen, konnten die gewerkschaftlichen Protagonisten des Abkommens diese Entwicklung nicht. 1993 machte Winkler den Gewerkschaften noch den denkwürdigen Vorwurf, dass die Volksbeauftragten eine „aktive Sozialisierungspolitik“ gegen sie nicht hätten durchsetzen können, wenn die Revolutionsregierung denn eine solche hätte betreiben wollen.61 2000 kam nun auch Winkler zu der Auffassung, dass der Verlauf der Novemberrevolution kaum anders verlaufen wäre, wenn der Rat der Volksbeauftragten versucht hätte, faits accomplis zu schaffen.62 Die Vorstellung, es habe in der schon damals komplexen Industrie „auf der Basis rätedemokratischer Institutionen zu einem Dritten Weg zum Sozialismus“ kommen können, wenn die sozialdemokratischen Politiker und Gewerkschafter klassenbewusster gehandelt hätten, ist mehr als eine „Illusion“.63 Es ist die romantische Rückprojektion gegenwärtiger gesellschaftspolitischer Hoffnungen und Wünsche, die von der zeitgenössischen Mehrheit der Arbeitnehmerschaft gerade nicht geteilt worden waren. Im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der „Konzertierten Aktion“ und des Stabilitätsgesetzes von 1967 schrieb Erdmann dem Stinnes-Legien-Abkommen 1966 Vorbildfunktion für die Soziale Marktwirtschaft als zeitgemäße Alternative zur Zentralverwaltungswirtschaft zu.64 Der Zeitzeuge Raumer hatte 1964 ausgeschlossen, dass eine Zusammenarbeit wie bei der ZAG wiederholbar sei: „Jeder Versuch einer Zusammenarbeit, bei der die Tarifpartner auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Preise beschränkt blieben, müßte zwangsläufig wieder scheitern.“ Allenfalls bei sehr begrenzten
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Projekten, etwa einer gemeinsamen Hochschule der Sozialpartner, war in seinen Augen eine Zusammenarbeit sinnvoll. Immerhin hielt Raumer eine Institution wie den 1920 errichteten Vorläufigen Reichswirtschaftsrat zur Entlastung des Bundestages für sinnvoll.65 Der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Karl Schiller schickte sich in der Ära der Großen Koalition von 1966 bis 1969 an, genau das zu versuchen, was Raumer wenige Jahre zuvor für nicht wiederholbar gehalten hatte – die institutionalisierte Zusammenarbeit der Sozialpartner. Schillers Projekt war eine Antwort auf die Rezession, die den Nachkriegsboom der 1950er und 1960er Jahre beendete. Es reflektierte die aufkommende Überzeugung, selbst hoch arbeitsteilige, demokratisch und marktwirtschaftlich verfasste Gesellschaften seien dank neuer Informationstechnologie auf wissenschaftlicher Grundlage (operations research) plan- und steuerbar. Freilich unterschied sich die „Konzertierte Aktion“ ganz wesentlich von der ZAG. Das Stinnes-Legien-Abkommen richtete sich gegen einen umfassenden Regelungsanspruch des Staates. Die ZAG wollte die staatliche Gesetzgebung und Wirtschaftspolitik durch den im Vorfeld auszuhandelnden Willen der Sozialpartner konditionieren. Schiller strebte dagegen einen trilateralen Korporatismus an. Die Spitzen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten, moderiert durch den Staat, den Konsens finden, der aus der Krise herausführte. Vor dem Hintergrund der globalisierungsgetriebenen Krise um die Jahrtausendwende versuchte der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Neuauflage unter dem Stichwort „Bündnis für Arbeit“. Als dieses gescheitert war, setzte er die Reform des Sozialstaates („Agenda 2010“) mit den Machtmitteln des Staates gegen die Interessengruppen durch. Daran mag sich der Leser erinnern, wenn unten von Reichskanzler Gustav Stresemann und Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns die Rede sein wird. Vor diesem Hintergrund machte Andrea Rehling 2011 das Stinnes-Le gien-Abkommen und die ZAG – auch bei ihr „das Kind des Krieges und der Revolution“ – zum Ausgangspunkt einer längsschnittartigen Darstellung des liberalen und autoritären Korporatismus in Deutschland bis zum Ende der Konzertierten Aktion. Der vor allem von Sozialwissenschaftlern geprägte Begriff Korporatismus meint die freiwillige oder erzwungene Beteiligung organisierter sozialer Interessen an der institutionellen Regelung und prozessorientierten Steuerung als Antwort auf Krisen und die wachsende Komplexität moderner Gesellschaften. Beide Varianten wurzeln tief im 19. Jahrhundert und reflektieren die Probleme des modernen Kapitalismus.66 Die ZAG stand in dieser Optik für die liberale Variante des Korporatismus.
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Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums des Abkommens veranstalteten die Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte und die Ruhr-Universität Bochum 2008 eine Doppeltagung. Bemerkenswert sind die Abweichungen zwischen dem Tagungsbericht und der 2013 veröffentlichten Druckfassung der Vorträge.67 In seinem Eröffnungsvortrag folgte Schönhoven der von Feldman vorgegebenen Linie. Allerdings betonte er die „zukunftsweisende Bedeutung“ des Abkommens und der ZAG. Es habe dazu beigetragen, dass die Gewerkschaften in gesamtwirtschaftlicher Verantwortung Vorstellungen zur „Zivilisierung des Kapitalismus“ entwickelten, die immer noch aktuell seien.68 Angelehnt an die sozialwissenschaftliche Korporatismus-Debatte erkannte Walther Müller-Jentsch im „Elitenkonsens“ zwischen Großindustriellen und Gewerkschaftsführung den exemplarischen Fall von „Verbändekorporatismus“. Ihm galt dieser als Vorläufer des spezifisch westdeutschen Kapitalismus nach 1945, im Gegensatz zur angloamerikanischen „Marktwirtschaft pur“ der Gegenwart.69 Thomas Welskopp sah in der „Bürokratisierung“ gewerkschaftlicher Spitzenverbände den Grund für „Basisferne“ und die Schwierigkeit, sich auf „neue Herausforderungen“ einzustellen.70 Im Anklang an Wehler und andere unterstellte mithin auch er den Gewerkschaftsführern, sie seien ihren Kontrahenten nicht gewachsen gewesen. Subtiler als Welskopp erkannte Wilfried Rudloff die mentale Annäherung der Gewerkschaftsführer an die staatliche Bürokratie im Zuge ihrer zunehmenden Einbindung in die Institutionen und Gremien der Kriegsfürsorge, Preisüberwachung und Ernährungsbewirtschaftung. Damit habe sich auch der Blick auf die eigenen Mitglieder verschoben, die sie nun gleichsam in staatlichem Auftrag zu verwalten hatten.71 Für Klaus Weinhauer richteten sich die Gewerkschaften infolge des Abkommens an „staatlich-gesamtgesellschaftlichen Perspektiven“ aus und nicht mehr an „lokalen oder regionalen Faktoren“.72 Im Gegensatz zu der – bereits unter politisch linksstehenden Zeitgenossen verbreiteten – Wahrnehmung der Gewerkschaftsführer als eine im Praktizismus erstarrte Funktionärsgruppe betonte Karl Christian Führer erneut das aus idealistischen Motiven und vom Glauben an den gesetzmäßig sich vollziehenden Übergang des Kapitalismus zum Sozialismus gespeiste Engagement Legiens. In seinen Augen war der Gewerkschaftschef überzeugt, dass das Abkommen mit den Unternehmern dem Sozialismus den Boden bereite.73 Allerdings hätten die Gewerkschaften eine spezifische Jugendarbeit versäumt, so Knud Andresen. Folgerichtig blieb ihr Einfluss auf die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen begrenzt.74 Ob für die Unternehmerseite die ZAG mehr war als eine „Notfallallianz“ (Hans-Ulrich Wehler), der man sich bei nächstbester Gelegenheit wieder entledigen wollte, wurde am Fall von Carl Duisberg diskutiert. Werner Plumpe stellte den von der
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Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen auf der Grundlage des demokratischen Staates überzeugten Chemieindustriellen vor. Im Gegensatz zu Duisberg sei die Mehrheit der Arbeitgeber nicht bereit gewesen, so Michael Ruck, „den sozialpolitischen Preis für die Erhaltung der Wirtschaftsordnung“ zu zahlen.75 In der Konsequenz hätten die Gewerkschaften nicht nur die Arbeitsgemeinschaft aufgegeben. Auch ihr Autonomiebestreben gegenüber dem Staat sei immer mehr der Bereitschaft gewichen, die staatliche Zwangsschlichtung von Tarifkonflikten hinzunehmen. Am Ende hätten sich die Freien Gewerkschaften, wie schon im Kaiserreich, auf staatliche Sozialpolitik konzentriert. Gleichwohl seien mit dem Stinnes-Legien-Abkommen und der ZAG, so Jürgen Mittag, eine „zukunftsorientierte Verbindung zwischen parlamentarischer Demokratie und sozialstaatlicher Ausgestaltung“ angestrebt worden.76 Offenbar vor dem Hintergrund der sozialpolitischen Peripetien der Bundesrepublik in den Jahren nach der Jahrtausendwende gaben sich die Tagungsteilnehmer am Ende überzeugt, mit dem Abkommen über die ZAG sei ein „Modell der Sozialpartnerschaft“ und „das Konzept der Mitbestimmung in der parlamentarischen Demokratie“ geschaffen worden, die „erinnerungs- und erhaltenswert“ seien.77
2. Ein Erinnerungsbuch Mittlerweile steht das Jubiläum des Stinnes-Legien-Abkommens an, das vor 100 Jahren geschlossen wurde. Im Sinne des Resümees der Hamburger Konferenz von 2008 soll in der vorliegenden Darstellung an die längerfristigen Voraussetzungen des Abkommens, an die akuten Bedingungen, unter denen es geschlossen wurde, sowie an den Versuch erinnert werden, das Abkommen in der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig umzusetzen. Dabei ist einmal mehr den Gründen nachzuspüren, aus denen dieser Versuch gescheitert ist. Dies geschieht nicht in der Absicht, aus der Geschichte des Abkommens Handlungsanleitungen für aktuelle Entscheidungen abzuleiten. Aber historisches Orientierungswissen schadet nie, wenn Probleme der Gegenwart zu lösen sind. Den heute außerhalb der Zunft der Sozialhistoriker fast vergessenen Organisationen und Persönlichkeiten, ihren Motiven und Handlungsspielräumen, ihrem Ringen um die gemeinsame Schnittmenge ihrer gegensätzlichen Interessen, ihren Visionen, ihren Erfolgen und ihren Niederlagen soll ein historiographisches Denkmal gesetzt werden. In dem vorliegenden Erinnerungsbuch sollen daher, hergebrachtem Verständnis entsprechend, die Akteure möglichst oft selbst zu Wort kommen.
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Die Sozialdemokratie und die ihnen nahestehenden Gewerkschaften zehren vom Nimbus, Fortschritt und Gerechtigkeit zu verkörpern. Zahlreiche ihnen nahestehende und verbundene Historiker betrieben seit den 1960er Jahren die historiographische Erforschung der Arbeiterbewegung. Folgerichtig erreichten die Arbeiterbewegung im Allgemeinen und die Gewerkschaften im Besonderen eine bemerkenswerte geschichtspolitische Präsenz, die erst Ende der 1980er Jahre etwas abflaute. Das Interesse der Arbeitgeberverbände an der Überlieferungsbildung und der geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit war bis in die jüngere Zeit vergleichsweise verhalten.78 Daher sollen in diesem Buch nicht zuletzt die Arbeitgeber zu Wort kommen, wo immer das aufgrund der Quellen- und Literaturlage möglich ist. Gleichwohl mag die Interaktion der beiden Lager anschaulich werden. Ohne vertiefte Betrachtung der Arbeitsbeziehungen im Kaiserreich als dessen historische Voraussetzung wäre die Bedeutung des Stinnes-LegienAbkommens nicht hinreichend zu verstehen. Dieses einführende dritte Kapitel behandelt deshalb: • die Auseinandersetzung um die Anerkennung der Gewerkschaften, • die Kontroverse über die Grenzen des Koalitionsrechts, • den Versuch, Tarifverträge als zwingende Ergänzung des individuellen Arbeitsvertrags flächendeckend durchzusetzen bzw. das genau zu verhindern, • den Aspekt des mentalen Erbes der Kaiserzeit in der Vorstellungswelt der Gewerkschaftsführung als langfristige Voraussetzung ihrer strategischen Entscheidung 1918. Im zentralen, vierten Kapitel werden zum einen die Aushandlung des Stinnes-Legien-Abkommens im Herbst 1818 und die ersten Ansätze zu dessen institutioneller Umsetzung im Angesicht der Kritik sowohl aus der Unternehmer- wie aus der Arbeiterschaft beschrieben. Das Kapitel stützt sich nicht zuletzt auf die Edition Gerald D. Feldmans. Zum anderen wird die Aufnahme der Grundsätze des Abkommens in die Weimarer Reichsverfassung skizziert. So wie das Abkommen ohne seine historischen Voraussetzungen im Kaiserreich nicht zu verstehen ist, bliebe seine Darstellung unvollständig, wenn der Versuch, es in der „Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands“ mit Leben zu erfüllen, nicht behandelt würde. Die folgenden zwei Kapitel sind daher der Geschichte dieser Bemühungen gewidmet. Dafür wurde neben einer weiteren Edition Feldmans vor allem auf den Bestand der ZAG im Bun-
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desarchiv Berlin zurückgegriffen. Im fünften Kapitel wird der verzögerte Aufbau der Organisation der ZAG und deren Positionierung gegenüber dem 1919 gegründeten Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) sowie gegenüber den Gestaltungsvorhaben des Staates beschrieben. Auf mehreren Handlungsfeldern werden die allmähliche Auflösung des Inflationskonsenses der Sozialpartner und der zunehmende Dissens infolge sich verschlechternder geldpolitischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen behandelt. Das sechste Kapitel beschreibt die insgesamt schwachen Anläufe, ein gemeinsames Konzept zur Bewältigung der Inflationskrise zu finden, und das Scheitern der ZAG in der Hyperinflation von 1923. Mit deren Kündigung reagierten die sozialistischen und die liberalen Gewerkschaften auf die Tatsache, dass sie auf die Stabilisierung der Währung kaum mehr Einfluss nehmen konnten. Sie mussten damit rechnen, ihre Glaubwürdigkeit bei den eigenen Mitgliedern zu verlieren, wenn sie weiter an der institutionellen Hülle einer Sozialpartnerschaft festhielten, die inhaltlich nicht mehr existierte. Im siebten Kapitel wird nicht nur versucht, die Umsetzung des StinnesLegien-Abkommens bilanzierend zu deuten. Vielmehr soll der skizzenhafte Ausblick auf die weitere Entwicklung der Arbeitsbeziehungen die mittelfristigen Folgen des Scheiterns der ZAG sowie die langfristigen Folgen des damit verbundenen Lernprozesses der Tarifpartner und des dritten Akteurs, des Staates, aufzeigen. Dabei mag auch der Einfluss des StinnesLegien-Abkommens und der Arbeitsgemeinschaft auf die Anfänge der Wirtschafts- und Sozialordnung der Bonner Republik deutlich werden. Wie überhaupt die Gründergeneration der Bonner Republik – unter ziemlich kluger Moderation der anglo-amerikanischen Besatzungsmacht – eine Antwort war auf die Erfahrungen, die diese Generation mit dem Schicksal der Weimarer Republik gemacht hatte.
III. Von den Sozialistengesetzen zum Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst: Arbeitsbeziehungen im kaiserlichen Deutschland 1890–1917 Im Berliner Hotel „Kaiserhof“ hob der mächtige Centralverband deutscher Industrieller (CdI) am 17. Januar 1904 die „Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände“ aus der Taufe. Erstmals wurde eine reichsweite Koordinierungsstelle verschiedener Arbeitgeberverbände eingerichtet. Am Folgetag gaben die Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter im sächsischen Crimmitschau ihren bereits seit einem halben Jahr andauernden Arbeitskampf bedingungslos auf. Er hatte eine breite Solidarisierungswelle der Gewerkschaften wie der Arbeitgeber mit den jeweiligen Kontrahenten ausgelöst. Die in den Wahlen von 1903 zur zweitstärksten Reichstagsfraktion aufgerückten oppositionellen Sozialdemokraten hatten für die zunächst streikenden, dann ausgesperrten Textilarbeiter Partei genommen. Besorgt hatten die Arbeitgeber im Verlauf des Arbeitskampfes festgestellt, dass die öffentliche Meinung die Sache der Arbeiter mit größerer Sympathie aufnahm als die eigene. Die Hauptstelle war vor diesem Hintergrund als gemeinsame Abwehrorganisation der Arbeitgeber gedacht, die sich von den Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und der öffentlichen Meinung in die Defensive gedrängt sahen. Der Staatssekretär im Reichsamt des Innern (faktisch der Reichsinnenminister), Arthur Graf Posadowsky-Wehner, bewertete in seinem Immediatbericht an Kaiser Wilhelm II. die Neugründung der Arbeitgeber. Die Hauptstelle könne als „festes Bollwerk zur Abwehr maßloser Forderungen der sozialdemokratisch oder gewerkschaftlich verhetzten Arbeiterschaft“ dienen. Nahezu wörtlich übernahm der Graf die Formulierung der Arbeitgeber, dass sie ein „festes Bollwerk […] gegen unberechtigte übermäßige Machtforderungen der sozialdemokratisch organisierten Arbeiter“ geschaffen hätten. Zugleich fürchtete Posadowsky jedoch den Missbrauch der Neuschöpfung, um die Arbeiter an der Ausübung ihres Koalitionsrechtes zu hindern. Dass Arbeiter ihre berechtigten Anliegen vorbringen und durchsetzen konnten, hielt er für notwendig. Andernfalls würde man die Unterschiede zwischen den christlichen und den liberalen (Hirsch-Dunckerschen) Gewerkschaften einerseits und den sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften andererseits einebnen. Davon würden die Sozialdemo-
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Quelle: DHM Inv.-Nr.: PK F 55 / 1852
Abbildung 2: Streikende Crimmitschauer Textilarbeiterinnen
kraten profitieren und Arbeitskämpfe „einen immer stärker ausgeprägten antikapitalistischen Charakter“ annehmen.79 Der Staatssekretär hatte den Kaiser an ein ungelöstes Problem seines Reiches erinnert: die Arbeitsbeziehungen.
1. Die Dominanz der Schwerindustrie: Unternehmer- und Arbeitgeberverbände Auf der Grundlage großer Kohlevorkommen an Rhein, Ruhr, Saar und Oberschlesien hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Grundstoffindustrie entwickelt. Sie lieferte Energie, Eisen und Stahl für die industrielle Entwicklung des Kaiserreichs. Charakteristisch waren der hohe Einsatz von fixem Kapital, viele un- und angelernte Arbeitskräfte, die einer rigiden Fabrikdisziplin unterworfen wurden, sowie das Vordringen von Großbetrieben mit tausend und mehr Beschäftigten, die über erhebliche Kapitalreserven verfügten. An der Spitze standen Eigentümer-Unternehmer wie Alfred Krupp, Hugo Stinnes und August Thyssen, die dem wohlhabenden Wirtschaftsbürgertum entstammten, das
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höchstens ein Prozent der Bevölkerung ausmachte. Daneben traten auch angestellte Unternehmer – meist ebenfalls wirtschafts- oder bildungsbürgerlicher Herkunft – wie Emil Kirdorf, Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG, Paul Reusch, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte, und Friedrich Springorum, Generaldirektor der Hoesch AG, an die Spitze der Unternehmen. Die aus einfachen Verhältnissen stammenden Carl Duisberg, Generaldirektor der Bayer AG, und Heinrich Wilhelm Beukenberg, Vorstandsvorsitzender der Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb, blieben Ausnahmen. Diese Manager standen für den nach der Jahrhundertwende beschleunigten Übergang großer Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft. Ihnen zur Seite traten die Manager der Unternehmer- und Arbeitgeberverbände wie Henry Axel Bueck, Geschäftsführer des sogenannten Langnam-Vereins und des CdI, Raumer, Reichert, Geschäftsführer des VdESI seit 1912, sowie Fritz Tänzler, Geschäftsführer der Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände und später der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (VDA). Die Mehrheit der Unternehmen blieben Personalgesellschaften. Innovative Industrielle trieben die vertikale Konzentration ihrer Unternehmen voran. Sie kombinierten Zechen, Hütten- und Walzwerke und stießen in die Maschinenbau- und verarbeitende Industrie vor, die ihre Grundstoffe verarbeitete.80 Die Produktion großer Stückzahlen bei breiterer Produktpalette und geringeren Transaktionskosten in der Verarbeitungskette boten erhebliche Kostenvorteile. Gleichzeitig verlief eine horizontale Konzentration durch Preiskartelle und Verkaufssyndikate, die stabile und hohe Preise gewährleisteten. Im Gegensatz zu anderen wirtschaftlichen Vereinigungen genossen Kartelle den Vorzug rechtlicher Verbindlichkeit. 1913 war Deutschland so zum weltweit zweitgrößten Stahlerzeuger nach den Vereinigten Staaten aufgerückt; etwa die Hälfte des deutschen Stahls wurde allein im Ruhrgebiet erzeugt. Die immer noch vor allem klein- und mittelbetrieblich organisierte Textilindustrie mit hohem Einsatz von fixem Kapital und wenig qualifizierter Arbeiterschaft teilte die Interessen der Schwerindustrie. In einem latenten Spannungsverhältnis zur dominanten Schwerindustrie entwickelten sich dagegen die Metallverarbeitende Industrie und der Maschinenbau. Sie war ebenfalls eher klein- und mittelbetrieblich geprägt, von einer großen Zahl gut ausgebildeter Facharbeiter abhängig und deutlich stärker als die Grundstoffindustrie exportorientiert. Für sie waren hohe Grundstoff- und Lebensmittelpreise sowie hohe Einfuhrzölle nachteilig. Freilich drangen auch hier Großbetriebe wie die Berliner Lokomotivenfabrik Borsig und die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) an die Spitze der
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Branche vor. Künftige Leitsektoren wie die wissenschaftsbasierte Chemie (Bayer, BASF, Farbwerke Hoechst) und Elektrotechnik (Siemens, AEG) waren noch deutlicher von Großunternehmen mit ausgeprägter Weltmarktpräsenz dominiert. Walther Rathenau, Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau und damit ebenfalls ein Abkömmling des industriellen Großbürgertums, stand für die hochkonzentrierte deutsche Elektroindustrie und deren enge Verbindung mit den Großbanken. Auch Carl Friedrich von Siemens übernahm 1912 die Leitung des Konzerns seines Vaters. Wie Stinnes war Rathenau ein industrieller empire builder, anders als dieser jedoch kein nüchterner, reiner Kaufmann, sondern ein Intellektueller, der an allen kulturellen Zeitströmungen überaus interessiert war.81 Trotz der industriellen Entwicklung blieb das Handwerk, der sogenannte Alte Mittelstand, nach wie vor ein bedeutender Wirtschaftszweig, der freilich den Strukturwandel vom produzierenden zum Dienstleistungsgewerbe zu bewältigen hatte.82 Die Eisen- und Stahlindustrie hatte bereits 1874 den Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller (VdESI) gegründet. Er erfasste nicht nur die Schwerindustrie, sondern im Norden des Reiches auch den Schiffbau und in Süddeutschland Teile des Maschinenbaus. Die personelle und inhaltliche Schnittmenge zwischen dem VdESI und dem 1876 gegründeten CdI war erheblich. Auch hier dominierte die Schwerindustrie. Ende der 1870er Jahre ging diese ein – keineswegs spannungsfreies – gesellschaftspolitisches Bündnis mit den feudalen Großgrundbesitzern ein (was von den Zeitgenossen als „Solidarprotektionismus“ bezeichnet worden ist). Letztere besaßen dank der semikonstitutionellen Herrschaftsordnung des Kaiserreichs einen starken Einfluss auf den preußischen Staatsapparat. Die gemeinsam durchgesetzten Schutzzölle auf landwirtschaftliche und industrielle Grundprodukte erleichterten der deutschen Großindustrie in der Zeit der „Großen Depression“ bis 1890 die Integration in den Weltmarkt. Den Nachteil relativ hoher Lebensmittelpreise nahm man in Kauf. Die Allianz der Schwerindustriellen mit den Großagrariern hatte darüber hinaus eine doppelte Funktion. Sie sollte zum einen ihre gesellschaftliche Machtstellung gegen den wirtschaftlichen Strukturwandel sowie gegen konkurrierende soziale Gruppen absichern. Zum anderen sollte sie den Bestrebungen der Arbeiterschaft nach einer Veränderung der Arbeitsbeziehungen einen Riegel vorschieben. Er wolle in seinem Hause, ebenso wie auf seinem Boden, Herr sein und bleiben,83 hatte Alfred Krupp 1872 seinen Arbeitnehmern verkündet und damit jeder gemeinschaftlichen Regelung der Arbeitsbeziehungen eine kategorische Absage erteilt. In den Zechen an der Ruhr, in Oberschlesien und an der Saar herrschte ein autoritärer Führungsstil. Über die verschiedenen Hierarchiestufen sahen sich
1. Dominanz der Schwerindustrie: Unternehmer-/Arbeitgeberverbände41
die Bergarbeiter oft herablassend behandelt. Das konfrontative Verständnis der industriellen Arbeitsbeziehungen kam überlieferten patriarchalischen Vorstellungen der Rittergutsbesitzer und vieler Handwerker des Alten Mittelstands entgegen. Es beeinflusste nachhaltig das soziale und politische Klima. Bis zur Jahrhundertwende blieb der CdI eher ein Honoratiorenverein, als dass er sich zu einem modernen Interessenverband entwickelte. Bei insgesamt bescheidener personeller Ausstattung konzentrierte er sich zum einen auf die Durchsetzung des Solidarprotektionismus. Zudem verteidigte er die Vorstellung, nach der Arbeiter und Unternehmer einen individuellen schuldrechtlichen Vertrag unter Gleichen schließen. Der Arbeitnehmer schuldete als Gegenleistung für den Arbeitslohn die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeit nach den Vorgaben des Arbeitgebers, ohne weitere Ansprüche an diesen zu erheben. Im Bergbau vermochte der freie Arbeitsvertrag die Arbeiterinteressen kaum zu schützen. Der Staat gab sein Direktionsprinzip und die ständische Arbeitsverfassung nach 1851 auf, die den Bergarbeitern einen erheblichen Schutz gewährt hatten. Die Deregulierung machte die Arbeitgeber zu ‚Herren-im-Hause‘, die den Arbeitnehmern längere Arbeitszeiten, niedrigere Löhne und eine schärfere innerbetriebliche Disziplin diktierten. Umgekehrt konnten die Bergwerksunternehmer dank des geltenden Rechts die Preise durch Kartelle regulieren. Nur durch die Selbstorganisation der Arbeitnehmer konnten diese angemessene Lebensbedingungen durchsetzen. Durch betriebliche Sozialleistungen versuchten die Arbeitgeber, einen Stamm erfahrener und qualifizierter Arbeiter an ihren Betrieb zu binden. Freilich erfolgten die Leistungen freiwillig und waren in aller Regel an Wohlverhalten gebunden. Namentlich an Rhein, Ruhr und Saar versuchten Großindustrielle auch das gesellschaftliche und politische Verhalten ihrer Arbeitnehmer vor den Werkstoren im Sinne der eigenen patriarchalischen Wertvorstellungen zu reglementieren. Dabei war mit dem Aufkommen der Großbetriebe an die Stelle der einst persönlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine betriebliche Hierarchie getreten. Sie fasste die zusehends zergliederten Arbeitsabläufe zu einem komplexen Produktionsprozess zusammen, dem sich der Arbeitnehmer zu unterwerfen hatte. Die Industrie war längst zu einer kollektiven Veranstaltung geworden, in der freilich die Unternehmer meist einseitig die Löhne und Arbeitsbedingungen diktierten – oder dies zumindest für sich in Anspruch nahmen. Es lag auf der Hand, dass der einzelne, zumal der gering qualifizierte Arbeitnehmer für sich kaum in der Lage war, die Inhalte des Arbeitsvertrages – und namentlich die Höhe des Arbeitslohnes – zu beeinflussen. Die „besitzbestimmte Ungleichheit“84 mündete in ein Herrschaftsverhältnis, das von der
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„sozialen Kluft85“ zwischen Unternehmern mit herrschaftlichem Lebensstil und ihren Arbeitern mit meist prekären Lebensverhältnissen symbolisiert wurde. Der CdI erschien als mächtige Interessenvertretung dieses Wirtschaftsbürgertums. Die Regierungen gingen dazu über, den CdI bei Gesetzesvorhaben zu konsultieren. Das erweiterte seinen Einfluss, auch in Fragen der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und der staatlichen Sozialpolitik. Das Leitmotiv blieb allerdings, mit Arbeitnehmervertretungen möglichst nicht verhandeln zu müssen und die Kosten der Sozialpolitik zu begrenzen. Monolithisch war jedoch auch der CdI nicht. Die Grundstoffindustrie an Ruhr und Saar bekämpfte rigoros alle Gewerkschaften und die staatliche Sozialpolitik. Die Löhne sollten sich stets an den schwächsten Firmen der Kartelle und Syndikate orientieren. Die hier zusammengeschlossenen Arbeitgeber konnten Arbeitsniederlegungen eher entspannt entgegensehen, da die Unternehmen im Ernstfall füreinander einstanden. Daher sah man keine Notwendigkeit, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Für diese Gruppe, mit starkem Einfluss auf den VdESI, stand Emil Kirdorf, der bereits erwähnte Generaldirektor des Zechenimperiums Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft. Er war seit 1904 einer der unbeugsamsten Kritiker staatlicher Sozialpolitik. Eine ‚agrarische‘ Strömung hielt dagegen ein gesellschaftspolitisches Engagement für notwendig. Sie setzte auf eine anti-sozialistische Sammlungspolitik im Verein mit der Landwirtschaft und eine maßvolle staatliche Sozialpolitik in konservativer Tradition. Ihr Repräsentant war seit 1905 Ewald Hilger, Generaldirektor der oberschlesischen Vereinigten Königs- und Laurahütte, der am 14. November 1918 seinen Sinneswandel spektakulär inszenieren sollte. Deutlich moderater verhielt sich eine mittelbetrieblich geprägte, auf Export ausgerichtete Gruppe mit Schwerpunkt in Süddeutschland. Bei grundsätzlicher Ablehnung der Sozialdemokratie entwickelten sich hier eine gewisse Kompromissbereitschaft gegenüber den Gewerkschaften und moderate Sympathien für staatliche Sozialpolitik. Für diese Richtung stand vor allem der bayerische Ingenieur und Metallindustrielle Anton von Rieppel, Generaldirektor der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN). Diese Gruppe wies eine Schnittmenge mit den Interessen des 1909 gegründeten Hansa-Bundes für Gewerbe, Handel und Industrie auf. Der CdI, der Bund der Landwirte (BdL) und der gewerbliche Mittelstand beschlossen im August 1913 öffentlichkeitswirksam ein „Kartell der schaffenden Stände“. In Kreisen des konkurrierenden Bundes der Industriellen (BdI) wurde es als „Kartell der raffenden Hände“ zu Lasten der kleinen und mittleren Industrie ironisiert. Im Hansa-Bund hatten sich Handel, Banken und Exportindustrie – letztlich mit begrenztem Erfolg – zusammengetan, um einen liberalen Kontra-
1. Dominanz der Schwerindustrie: Unternehmer-/Arbeitgeberverbände43
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv port-023122
Abbildung 3: Anton von Rieppel (1852–1926)
punkt zur konservativen Sammlungspolitik der Schwerindustrie und Großlandwirtschaft zu setzen.86 Nach der Jahrhundertwende wandelte sich der CdI zum Interessenverband im modernen Sinne, der immer stärker Öffentlichkeitsarbeit betrieb und über finanzielle Zuwendungen an Parteien und andere Verbände politischen Einfluss zu nehmen versuchte. Begrenzt wurde seine Schlagkraft durch eine Parallelinstitution von denjenigen Industriellen und Unternehmern, die ihre Interessen vom CdI nicht hinreichend vertreten sahen. Die Fertigwarenindustrie sah sich einer „Zangenbewegung“ zwischen den Interessen der kartellierten Schwerindustrie und den Großagrariern auf der einen und denen der erstarkenden Arbeiterschaft auf der anderen Seite ausgesetzt. Sie gründete deshalb 1895 den BdI. Seine Schwerpunkte hatte der Verband in Mitteldeutschland, namentlich in Sachsen und Thüringen, und anfangs in Württemberg. An Einfluss auf die staatliche Bürokratie blieb er dem CdI stets unterlegen. Allerdings umwarb er die nach der Jahrhundertwende stärker werdenden Angestelltenorganisationen, versuchte den revisionistischen Reformflügel der Sozialdemokratie zu stär-
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ken und hielt Kontakt mit den bürgerlichen Sozialreformern. Phasen der Annäherung an den CdI, etwa nach den Streiks in Crimmitschau, wechselten mit solchen scharfer Gegensätze, insbesondere als sich der CdI um 1912 wieder stärker dem großagrarischen Bund der Landwirte (BdL) zuwandte. Im Ersten Weltkrieg riefen CdI und BdI den Deutschen Industrierat als Gemeinschaftsorgan ins Leben. Freilich dominierte hier nach wie vor die Schwerindustrie.87 Die Grundströmungen bei den Industrieverbänden bildeten sich auch in den Spitzenverbänden der Arbeitgeber ab, die deren Interessen namentlich gegenüber den Gewerkschaften, aber auch bei der staatlichen Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zu vertreten hatten. Die im 19. Jahrhundert durchgesetzte Gewerbefreiheit beruhte auf der Denkfigur nahezu unbeschränkt konkurrierender Wirtschaftssubjekte, die auf der Grundlage rechtlicher Freiheit und Gleichheit Verträge schließen. Diese Vorstellung trug der Realität nur bedingt Rechnung. Daher räumte § 152 der Gewerbeordnung (GO) von 1869 allen Gewerbetreibenden und Arbeitnehmern das Recht ein, sich zwecks Regelung von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu verabreden und Vereinbarungen zu treffen.88 Selbst die Unternehmer konnten auf die kollektive Wahrung gemeinsamer Interessen nicht verzichten. Das zeigte die Bildung von rechtlich verbindlichen Kartellen und Syndikaten so gut wie die Verbandsbildung. Gute Konjunkturlagen wie zwischen 1895 und 1900, von 1903 bis 1907 sowie zwischen 1910 und 1913 förderten die Streikbereitschaft der Arbeitnehmer. Ihr konnten die Arbeitgeber nur wirkungsvoll begegnen, wenn konkurrierende Betriebe streikende oder ausgesperrte Arbeiter nicht einstellten und auf die Wahrnehmung von Wettbewerbsvorteilen verzichteten. Regionale Arbeitskämpfe am Ende der 1880er Jahre hatten den Arbeitgebern der metallverarbeitenden Industrie ihre Abhängigkeit von qualifizierten Facharbeitern vor Augen geführt. Folgerichtig hatten sie lokale Arbeitgeberverbände gebildet. Von Verbänden namentlich in Berlin sowie Braunschweig, Hamburg, Leipzig und Magdeburg wurde am 19. März 1890 in Berlin der Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller (GDM) gegründet. Es handelte sich um eine vorbeugende Maßnahme mit doppelter Zielsetzung. Man wollte der bevorstehenden Wiederbegründung des sozialdemokratischen Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) im Juni 1891 entgegentreten und sich dabei staatlicher Unterstützung versichern. Der Vorsitzende des GDM, Paul Heckmann, formulierte im Oktober 1891: „Die segensreiche Wirkung des offenen Zusammenhaltens so weiter Kreise der deutschen Metallindustrie hat der, auf Störung des Friedens unter den Arbeitern
1. Dominanz der Schwerindustrie: Unternehmer-/Arbeitgeberverbände45
Quelle: Gesamtmetall
Abbildung 4: Paul Heckmann (1849–1910), Gründungspräsident des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller
gerichteten Agitation bereits ersichtlich gewisse Schranken gezogen und hat sie auch seitens der Regierungsbehörden bereits wiederholt durch practische Bethätigung volle Anerkennung gefunden.“89
Der Vorläufer des DMV war unter dem Sozialistengesetz 1884 verboten worden. Nach Aufhebung der Sozialistengesetze wurde ein reichsweiter Arbeitskampf der Metallarbeiter vorstellbar. Der Kampf gegen die Gewerkschaften – vor allem durch Abkehrscheine (eine Art Arbeitsbescheinigung bei Stellenwechsel) und ‚schwarze Listen‘ missliebiger Arbeiter – gehörte nicht nur zum Repertoire der Arbeitgeber der Schwer- und Textilindustrie. Schon 1890 erstellte der GDM eine Liste „hervorragender Agitatoren“ und baute fortan dieses System aus.90 An Rhein und Ruhr vermochte der GDM kaum Fuß zu fassen. Hier hatte der VdESI 1904 mit seiner Nordwestlichen Gruppe einen eigenen Arbeitgeberverband gegründet. Ihr trat 1908 – als verspätete Reaktion auf den Bergarbeiterstreik von 1905 – der Zechenverband als Arbeitgeberverband des Bergbaus zur Seite. Der Verband ging aus einem Ausstandsversicherungsverein der Zechen hervor, der Entschädigungen strikt an die Auflage band, nicht mit den
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Gewerkschaften zu verhandeln. Über Personen waren die verschiedenen Verbände der westdeutschen Schwerindustrie eng vernetzt. Der Arbeitgeberverband der klein- und mittelbetrieblichen Metallindustrie des benachbarten Siegerlandes versuchte seit 1911, durch steten Informationsaustausch die hier erfolgreichen christlichen und liberalen Gewerkschaften auszubremsen. Der Nordwestlichen Gruppe schlossen sich die Siegerländer Arbeitgeber nicht an, da sie mit den Unternehmen des Ruhrgebiets konkurrierten. Bei vielen seiner regionalen Verbände konnte der GDM indessen seinen anti-gewerkschaftlichen Kurs nicht durchsetzen. 1904 gehörten ihm 26 Regionalverbände an, die für rund 316.000 Arbeitnehmer standen. Ein Streikentschädigungsverein des GDM 1906 stärkte die Widerstandskraft kleiner Arbeitgeber gegen isolierte und für die Gewerkschaften kostensparende Streiks. Auch in anderen Branchen organisierten Regionalverbände Versicherungsgesellschaften für bestreikte Betriebe. Deren Wirksamkeit litt darunter, dass die kapitalstarke Schwerindustrie sich daran nicht beteiligte. Der § 152 GO schloss jede Rechtsverbindlichkeit von Verabredungen und Vereinbarungen aus. Nichtsdestoweniger hatten die Arbeitgeber ihr Mitgliedswesen intensiv geregelt und mit Sanktionen bewehrt. Naturgemäß war das besondere Interesse des einzelnen Betriebes nur selten deckungsgleich mit dem gemeinsamen Interesse eines Gewerbes. Kleinere und mittlere Betriebe verloren nach einem Arbeitskampf oft das Interesse an der Mitgliedschaft und scheuten deren Kosten. Einzelne Unternehmer befürchteten, ihr Beitritt zu einem Arbeitgeberverband könne ihre Arbeiter provozieren. Denn nicht immer waren die ‚schwarzen Listen‘ wirksam, zumal bei Facharbeitern. Einzelne Betriebe waren versucht, auch organisierte Arbeiter einzustellen, wenn sie damit Wettbewerbsnachteile vermeiden konnten. Die Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände versuchten stets ihre Mitglieder zu disziplinieren. Ihre Druckmittel erwiesen sich im Zweifel als wenig wirksam. Die Solidarität der Mitglieder aufrechtzuerhalten, stellte die Verbandsvorstände und ihre Geschäftsführer mithin vor ähnliche Probleme wie die ihrer Kontrahenten auf Seiten der Gewerkschaften. Angesichts des wachsenden Einflusses der Verbände auf den einzelnen Arbeitgeber urteilte ein zeitgenössischer Wissenschaftler schon 1907: „ ‚Herr im eigenen Hause‘ ist er gewesen.“91 Der GDM wähnte in der Errichtung der Hauptstelle den Versuch von CdI und VdESI, den eigenen Verband aufzusaugen. Der CdI sah in der Mitgliedschaft der kleinen und mittleren Industrie eine Schwächung, der GDM dagegen die notwendige Breite eines zentralen Arbeitgeberverbandes. Als solcher wurde er zum „Vorbild zentralisierter Branchenverbände“. Der GDM betrieb, ebenfalls 1904, die Gründung des Vereins Deutscher
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Arbeitgeberverbände (VDA). Gleichzeitig sah sich der GDM zur Professionalisierung seiner Geschäftsführung veranlasst. Die korporativen Träger der Hauptstelle waren neben dem schlagkräftigen eigenen Arbeitgeberverband der Nordwestlichen Gruppe des VdESI verschiedene Verbände des Bergbaus, der Arbeitgeberverband der Saar und nicht zuletzt der Textilindustrie. Manche Regionalverbände der Metallindustrie waren der Hauptstelle beigetreten. Neben dem GDM schlossen sich die Arbeitgeberverbände des Bau- und des Holzgewerbes sowie gemischt-gewerbliche Verbände unter Einschluss von Teilen des Handwerks dem VDA an. 1912 vertrat dieser 51 Verbände mit 1,279 Millionen Beschäftigten; der Hauptstelle gehörten 1913 103 Verbände mit 1,067 Millionen Beschäftigten an. Etwas moderater als die Hauptstelle, verfolgte der VDA grundsätzlich die gleichen Ziele. Folgerichtig beschlossen beide bereits 1904, künftig zusammenzuarbeiten („Kartellvertrag“). Die Kooperation wurde durch mehrere Vertragsveränderungen verdichtet, bis sich beide Verbände 1913 zu einer einheitlichen Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (VDA) zusammenschlossen.92 Die Arbeitgeber wollten sich in „gleicher Weise wie die Gewerkschaften“ organisieren. Die „lückenlose Sperre der streikenden und ausgesperrten Arbeiter“, ein „Streikabwehrfonds“, eine „gemeinsame Rückversicherungskasse“ und „Arbeitsnachweise nach bewährtem Muster“ sollten eine „gewisse Mäßigung“ der Gewerkschaften bewirken.93 Eine der ersten Kampagnen des vereinigten Spitzenverbands war die Abwehr einer Initiative des Haushaltsausschusses des Reichstages. Die Regierung war von diesem aufgefordert worden, Staatsaufträge nur an Firmen zu vergeben, die das Koalitionsrecht respektierten und gleiche Löhne zahlten wie andere Firmen. Vor allem sollten künftig nur solche Unternehmen zum Zuge kommen, die Schlichtungseinrichtungen zur Beilegung von Streitigkeiten mit den Belegschaften akzeptierten. Ferner setzte die VDA die Gründung eines Schutzverbandes gegen Streikschäden und die Abwehr einer öffentlichen Arbeitslosenversicherung auf ihre Agenda.94 Wie eine Studie des „Vereins für Socialpolitik“ schon 1907 festgestellt hatte, sollten die Arbeitgeberverbände das Verhältnis zu den organisierten Arbeitnehmern regeln. Tatsächlich versuchte der relativ homogene Block der Arbeitgeberverbände, diese wo immer möglich zu bekämpfen. Der Arbeitgeberverband der Buchdrucker, der sich die Durchsetzung des Tarifvertrages zur Aufgabe gemacht hatte, war die Ausnahme, die die Regel bestätigte.95
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2. Modernisierungsdefizite: Staat und Arbeiterschaft Das Kaiserreich war eine bürgerliche Gesellschaft mit einer semikonstitutionellen politischen Ordnung. Sie war der Rahmen, in dem sich die Arbeiterorganisationen als Kontrahenten der Unternehmer entwickelten. Die politische Ordnung ergab sich aus dem Kompromiss, den das Bürgertum mit den feudalen Eliten Preußens in der Ära der Reichseinigung eingegangen war. Im engen Verhältnis des CdI zum Großgrundbesitz und der Bürokratie setzte sich dieses Bündnis fort. Die feudalen Schichten hatten im Großgrundbesitz, teilweise auch schon in der Industrie – so die Magnaten in Oberschlesien –, ihre ökonomische Grundlage. Ihr politischer Einfluss ergab sich aus der nahezu exklusiven Stellung des Adels im preußischen Militär und seiner Verankerung im Staatsapparat. Das in sich vielschichtige Bürgertum grenzte sich gegenüber dem Adel, aber namentlich gegenüber der Arbeiterschaft ab. Es fürchtete das umstürzlerische Potenzial der Arbeiterschaft. Zugleich versuchte das Bürgertum, den Arbeitern den eigenen Wertekanon einzuhauchen und sie für den Staat zu gewinnen. Teile des Bürgertums und des Staatsapparates setzten dabei auf Exklusion und Repression der organisierten Arbeiter. Im Gegensatz zu den englischen Bergbauunternehmen, die vergleichsweise pragmatisch mit Gewerkschaften und Schlichtungseinrichtungen umgingen, bekämpften die deutschen Zechen die Gewerkschaften. Sie scheuten weder Kosten noch Mühen, um die kollektive Regelung der Arbeitsbeziehungen zu vermeiden.96 Die politische Ordnung bot vielfältige Möglichkeiten zur Ausgrenzung und Repression. Die Regierungsgewalt des Reiches lag bei den verbündeten Regierungen mit dem preußischen König und deutschen Kaiser an der Spitze. Die Regierungen waren nicht dem Parlament verantwortlich, sondern dem Monarchen. Dass die höhere Beamtenschaft in der Regel den großbürgerlichen und adligen Schichten entstammte, eröffnete Möglichkeiten der Einflussnahme, zumal Manager – etwa die „Bergassessoren“ an der Spitze der Zechen97 – und Verbandsmanager wie Hermann Bücher, Hans von Raumer, Max Rötger und andere ihre Karriere oft im Staatsdienst begonnen hatten. Allerdings beschlossen die Parlamente die Gesetze und den Haushalt. Die zumeist aus der Bürokratie hervorgegangenen Minister und Regierungschefs hatten folglich Parlamentsmehrheiten zu berücksichtigen. Freilich setzten sich die Parlamente der Bundesstaaten in der Regel aufgrund eines plutokratischen Wahlrechts zusammen. Folgerichtig blieb die Arbeiterschaft in Preußen mit seinen industriellen Zentren an Rhein, Ruhr, an der Saar und in Oberschlesien, dessen Abgeordnetenhaus nach dem Drei-Klassen-Wahlrecht gewählt wurde, stets unterreprä-
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sentiert. Zugleich war Preußen der dominante Bundesstaat im Reich, symbolisiert in der bis auf wenige Ausnahmen durchgehaltenen Personalunion von Preußischem Ministerpräsidenten und Reichskanzler. Der Forderung, das Reichstagswahlrecht auf Preußen zu übertragen, widersetzten sich die Führungsschichten. Es gelang ihnen, grundlegende politische und soziale Reformen, nicht zuletzt die überfällige Reform der Arbeitsbeziehungen, bis wenige Wochen vor der Revolution im November 1918 zu verhindern. Um das liberale Bürgertum zu schwächen, hatte Bismarck für den Reichstag einst das gleiche Wahlrecht für alle Männer über 25 Jahre durchgesetzt. Nach der Jahrhundertwende verschaffte das den Sozialdemokraten, unter ihnen auch Gewerkschafter, eine erhebliche Zahl an Abgeordnetenmandaten. Dabei unterstützten sich Linksliberale und Sozialdemokraten bei Stichwahlen. Der Reichstag selbst konnte im Lauf der Jahrzehnte seinen Handlungsspielraum gegenüber dem Bundesrat und der preußischen bzw. der Reichsregierung ausbauen. Dabei prägte nach 1890 zunehmend die Konkurrenz rivalisierender Machtzentren das politische System.98 Das Reichsgericht vertrat die Auffassung, dass die Arbeitgeber genauso schutzbedürftig seien wie die Arbeitnehmer. Es ging sogar so weit, dass es auf Verletzung von § 153 GO erkannte, wenn einzelne Arbeitgeber in Konfliktlagen den Wünschen der Arbeiter nachkamen. Erst um 1906 setzte, ausgehend von einem zivilrechtlichen Senat, eine rationalere Betrachtung ein. Streik und Boykott galten nicht mehr per se als schadensersatzpflichtige Zuwiderhandlung, sondern als Element des wirtschaftlichen Kampfes. Die staatlichen Behörden auf unterer und mittlerer Ebene waren den Repräsentanten der lokalen Oberschichten in der Regel nicht nur mental und vor allem gesellschaftlich eng verbunden. Sie betrachteten den Streik selbst dann als Störung der öffentlichen Ordnung, wenn das Ziel ein Tarifvertrag – also die Befriedung der Arbeitsbeziehungen – war. Streiks galten hier als kleine Revolutionen der undankbaren Arbeiter gegen das natürliche Herrenrecht. Das war „Klassenjustiz“ auch im rechtssoziologischen Sinne. Noch im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg bekämpften Polizeibehörden, Staatsanwälte und Gerichte Arbeitsniederlegungen durch Verwaltungsschikanen und eine extensive Auslegung des Strafrechts bis an die Grenze zur Rechtsbeugung. Die Verteilung von Flugblättern und das Anbringen von Plakaten wurden behindert. Streikposten wurden mittels der Straßenverkehrsordnung als Verkehrshindernis sanktioniert. Polizisten untersagten den Wirten, einschlägige Versammlungen abzuhalten. So diese dann stattfanden, saßen Polizisten als ungebetene Gäste in den Versammlungen der Arbeiterschaft. An den Versammlungen der Arbeitge-
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ber nahmen dagegen Spitzenvertreter von Polizei und Justiz als geladene Gäste teil. Folgerichtig landeten Polizeiberichte über Arbeiterversammlungen häufig bald bei den Arbeitgebern, die damit über die Vorhaben ihrer Arbeitnehmer bestens informiert waren. Schließlich förderte die Verwaltung die Bewaffnung von Betriebsschutzabteilungen. Denn die Gendarmerie stieß oft an personelle Grenzen. Die Polizei erhielt zudem häufiger materielle Zuwendungen der Arbeitgeber. Das preußische Innenministerium sah ein, dass es dem Wunsch der Unternehmer, das Militär gegen streikende Arbeiter einzusetzen, nur im Ausnahmefall nachgeben konnte. Man wollte die Streitkräfte in den Augen wehrpflichtiger Arbeiter nicht diskreditieren. Im Süden verhielt sich der Staat eher gemäßigt, an Saar, Rhein, Ruhr und in Oberschlesien – also in Preußen – oft kleinkariert und schikanös. Östlich von Oder und Neiße waren Gewerkschaften häufig unbekannt. Dazu kam eine laxe Gewerbeaufsicht. Dieses Verhalten der staatlichen Verwaltung in der Fläche förderte das antagonistische Klassenbewusstsein. In der Konsequenz sollte sich die Umsetzung der Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern nach 1918 gerade dort als schwierig erweisen, wo Staat und Arbeitgeber einst einseitig auf die Unterdrückung der organisierten Arbeiterschaft gesetzt hatten.99 Im Gegensatz zu den konservativen Strömungen, die bis in die Nationalliberale und die Zentrums-Partei vertreten waren, setzte eine Minderheit des Bildungsbürgertums100 aus Freiberuflern aller Art, Gymnasiallehrern, Hochschullehrern, höherer Beamtenschaft, Geistlichen, Journalisten und Künstlern auf staatliche Sozialpolitik und allmähliche staatsbürgerliche Gleichberechtigung. Diese heterogene, aber vom Wirtschaftsbürgertum ziemlich klar abgegrenzte Gruppe erkannte die Notwendigkeit, die politische und soziale Ordnung zu reformieren, die eine wachsende Zahl von Menschen fundamental in Frage zu stellen schien. Sie verfügte nicht nur über Einfluss auf die öffentliche Meinung, sondern mit der 1901 gegründeten Gesellschaft für Soziale Reform (GfSR) auch über ein „Sammelzentrum der Anhänger der Reformbestrebungen und Emanzipationsbewegungen“. Die nicht-sozialistischen Gewerkschaften traten der Gesellschaft bei. Folgerichtig standen bürgerliche Sozialreformer auch im Brennpunkt der öffentlichen Kritik der Arbeitgeber und der vergleichsweise wenigen ihnen verbundenen Sozialwissenschaftler. Das Bestreben der Arbeiterorganisationen, sich solidarisch für die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage einzusetzen, wurde von den Sozialreformern grundsätzlich gebilligt. Sie erkannten in der Befriedung und Ordnung der Arbeitsbeziehungen mittels kollektiver Vereinbarungen einen Vorteil auch für die Arbeitgeber. Diese könnten Lohnkosten sicherer kalkulieren, sich vor Unterbietungskonkurrenz schützen, Arbeitskampfkosten
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einsparen und womöglich eine Leistungssteigerung ihrer Beschäftigten erzielen. Im Ergebnis steigender Löhne sei mit einer erweiterten Nachfrage zu rechnen. Die Vorstellung, durch Klassenkampf die bürgerliche Gesellschaft zu überwinden, lehnten die Sozialreformer dagegen strikt ab. Die Kritik an der sozialistischen Utopie wurde von fast allen gesellschaftlichen Gruppen bis weit in die Arbeiterschaft hinein geteilt. Der integrative Ansatz der Sozialreformer und der ihnen verbundenen Vertreter der Bürokratie zielte zunächst auf die Förderung der nicht-sozialistischen Arbeiterorganisationen. Nach der Jahrhundertwende, als diese von ihren sozialdemokratischen Konkurrenten hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl abgehängt worden waren, setzten die Sozialreformer immer deutlicher auf die auf Ausgleich und Reform bedachten Kräfte innerhalb der sozialistischen Arbeiterschaft, nicht zuletzt in den Freien Gewerkschaften.101 Ein Teil der Industriellen und Gewerbetreibenden stand dem integrativen Ansatz der bürgerlichen Sozialreformer zumindest nahe – aus Einsicht, aber vor allem auch aus Interesse. Denn nicht alle Branchen besaßen die strukturellen und materiellen Voraussetzungen, sich wie die Schwerindustrie allen Kompromissen mit ihrer organisierten Arbeiterschaft entziehen zu können. Wie bereits erwähnt, zeigten gerade die künftigen Leit sektoren mit hohem Facharbeiteranteil wie Metallverarbeitung, Elektrotechnik, Chemie sowie das eher klein- und mittelgewerblich strukturierte Druck- und Baugewerbe eine gewisse Verständigungsbereitschaft. Gleichwohl konnte sich kein Arbeitgeber der notwendigen Begrenzung der Lohnkosten und damit auch dem Beitritt zu einer Arbeitgeberorganisation entziehen. Je strikter diese jedoch gegen kollektive Regelungen der Arbeitsbeziehungen auftraten, desto mehr stießen sie auf Unbehagen in der Öffentlichkeit und der Bürokratie. Letztere strebte im staatlichen Gesamtinteresse einen bescheidenen sozialen Ausgleich an. 1904 wollte der preußische Fiskus durch Übernahme der Zeche „Hibernia“ seinen Anteil am Bergbau erhöhen. Stinnes und Thyssen gingen zu Recht davon aus, dass die Regierung der geballten Macht der syndizierten und vertikal integrierten Montanunternehmen entgegentreten wollte. Die Konzernherren bremsten die Regierung durch ein geschicktes Börsenunternehmen aus. 1905 widersetzten sich die preußische und die Reichsregierung der Erwartung der Schwerindustrie, gegen die streikenden Bergarbeiter das Militär einzusetzen. Die Zechen ließen in dieser Erwartungshaltung alle Vermittlungsversuche der Bergbehörden ins Leere laufen. Preußen reagierte stattdessen, gebilligt vom Kaiser, mit einer arbeiterfreundlichen Novelle des Bergrechts. Hiermit wurde eine Forderung vor allem der christlichen und liberalen Bergarbeitergewerkschaften aufgegriffen, die die preußischen Bergwerke dazu verpflichtete, wie seit 1900 schon in Bayern, betriebliche
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Arbeiterausschüsse einzurichten. Die Schwerindustrie sah darin eine Niederlage der Regierung im Kampf gegen die Sozialdemokratie, obwohl die dieser nahestehende Gewerkschaft von den Ausschüssen zunächst keineswegs begeistert war.102 Ebenfalls 1904 hatte sich unter der Schirmherrschaft deutschkonservativer und nationalliberaler Politiker der „Reichsverband gegen die Sozialdemokratie“ gegründet. Gleichsam flankierend zu CdI und BdL betrieb er politische Propaganda. Bei der Regierung stieß das Unternehmen auf Wohlwollen, zumal es dem Reichsverband 1907 gelang, den Wahlkampf der bürgerlichen Parteien wirksam zu unterstützen. Selbst bei den Nationalliberalen und erst recht bei Linksliberalen und Zentrum fand der Verband dagegen wenig Resonanz. Bei den nicht-sozialistischen Gewerkschaften galt der Verband als reaktionär. Auch die Schwerindustrie zeigte sich dem Verband gegenüber eher knauserig.103 Der Grund lag in der Nähe zu den latent industriefeindlichen Konservativen, wie die Weigerung von Stinnes zeigt, dem Reichsverband beizutreten. Der Tenor seiner Absage wirft zugleich ein Licht auf das unsentimentale, nutzenorientierte und selbstbewusste Politikverständnis dieses Großindustriellen, in dem seine spektakuläre Wende von 1918 bereits angelegt war. Er möge, so beschied Stinnes den Protagonisten des Verbandes, die Politiker „der konservativen Partei zu einer anderen Auffassung ihrer Pflichten der Industrie gegenüber [bringen]. Dann werden diese Herren über Opferwilligkeit der Industrie auch nicht zu klagen haben.“ Er zog es vor, sich „die Option nach zwei Seiten vollständig offen zu halten, als uns einseitig an Leute zu binden, die uns gewohnheitsmäßig als quantité négligeable über das Ohr zu hauen pflegen“.104 Das Kaiserreich hatte die bis heute maßgebliche institutionelle Struktur einer Industriegesellschaft zumindest in Grundzügen ausgebildet. Die der anbrechenden Moderne angemessene politische Verfassung wäre die konstitutionelle Monarchie unter Integration aller gesellschaftlichen Parteien und Verbände gewesen. Das Bürgertum in seiner Mehrheit reagierte auf die Partizipationsbestrebungen der Unterschichten jedoch durch Reformverweigerung. Mit zwei daraus entstandenen Modernisierungsdefiziten war das Kaiserreich auf halbem Wege stehengeblieben: die Ungleichheit politischer Repräsentation und die bestenfalls rudimentäre Ordnung der Arbeitsbeziehungen. Beides ging zu Lasten der Arbeiterschaft.
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3. Konkurrenz und Kooperation: die Gewerkschaften Gewerbe und Industrie rekrutierten ihre Facharbeiter vor allem aus dem Handwerk. Die Masse der ungelernten und angelernten Arbeiter stammte aus der ländlichen Überschussbevölkerung. Hier wurden Löhne gezahlt, die zunächst kaum mehr deckten als die Kosten des unmittelbaren Lebensunterhalts. Die Reallöhne stiegen, bei starken Unterschieden nach Region und Qualifikation, nur allmählich. Die Löhne und das Beschäftigungsverhältnis unterlagen zudem erheblichen konjunkturellen Schwankungen. Die Arbeitszeiten waren lang. Noch um 1910 arbeitete man in der Metallindustrie zwischen zehn und zwölf Stunden täglich, Samstag einschließlich. Dabei experimentierten einzelne Unternehmer wie der württembergische Unternehmer und Erfinder Robert Bosch bereits erfolgreich mit dem Achtstundentag, den sich die Sozialisten auf die Fahnen geschrieben hatten. Namentlich die Arbeit an den Feuerstellen war belastend. Während gesuchte Facharbeiter wie die Former in den Gießereien oder handwerklich versierte Arbeiter im Maschinenbau bei guter Konjunktur durchaus versuchen konnten, eine bessere Entlohnung durchzusetzen, war das für die leicht zu ersetzenden Hilfsarbeiter kaum möglich. Bei schlechten Konjunkturlagen verbilligte und vermehrte sich das Arbeitsangebot. Der Arbeitnehmer sah sich zu seiner Existenzsicherung gezwungen, zu sinkenden Löhnen länger zu arbeiten. Nur staatliche Sozialpolitik und solidarisches Handeln konnte die inverse Reaktion des Arbeitsmarktes bremsen und eine Verbesserung des Lebensstandards bewirken. Der § 152 GO erlaubte auch den Arbeitern die Bildung von Koalitionen. Allerdings stellte deren rechtliche Unverbindlichkeit die Arbeitnehmer vor noch größere Probleme als die Arbeitgeber. Fiel es schon der kleineren Zahl von Arbeitgebern oft schwer, eine notwendige Schnittmenge ihrer unterschiedlichen Interessen herzustellen, so galt dies erst recht für die vielen Arbeiter mit ihren durchaus unterschiedlichen Qualifikationen, kulturellen, religiösen und ethnischen Prägungen sowie Lebensverhältnissen. Über das allgemeine Strafrecht hinaus, das Erpressung sanktionierte, schränkte § 153 GO die Ausübung des Koalitionsrechtes durch die Arbeiterschaft ein. Denn jede Art von körperlichem, verbalem und sozialem Zwang, sich Koalitionen anzuschließen und ihren Beschlüssen Folge zu leisten, stand unter Strafe. Selbst Beleidigung galt in diesem Zusammenhang als Offizialdelikt. Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft war ebenso unverbindlich wie die Teilnahme an einem Streik. Arbeitswillige – häufig aus dem Ausland angeworben – konnten kaum daran gehindert werden, einen Streik zu brechen. Folgerichtig liefen die §§ 152
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und 153 GO letztlich auf eine „Koalitionsduldung“ in Verbindung mit dem Schutz der „negativen Koalitionsfreiheit“ hinaus. Jede unabhängige Gewerkschaft erkannte darin zwangsläufig eine Diskriminierung gegenüber den Arbeitgebern.105 Die Geburtsstunde der Gewerkschaften um 1868 hatte deutlich vor derjenigen der Arbeitgeberverbände geschlagen. Ferdinand Lassalles Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV) wollte auf dem Wege des allgemeinen und gleichen Wahlrechts die Arbeiterinteressen über den Staat durchsetzen. Öffentliche Betriebe sollten für Beschäftigung sorgen. Gewerkschaften dienten allein der Mobilisierung der unorganisierten Arbeiter für die politischen Ziele des ADAV. Die marxistische Sozialdemokratische Arbeiterpartei betrieb den Aufbau unabhängiger Gewerkschaften. Sie schrieben sich die solidarische Verbesserung der Lebensbedingungen auf die Fahnen, lehnten jedoch den bestehenden Staat ab. 1875 schlossen sich beide Richtungen zu den Freien Gewerkschaften und zu einer Partei zusammen. Max Hirsch und Franz Duncker gründeten die liberalen Gewerkvereine – bald „Hirsch-Dunckersche“ genannt. Sie strebten nach einer Besserung der Lage der Arbeiter auf dem Boden der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Aktiv waren hier qualifizierte Handwerksgesellen und Industriearbeiter der Textil-, metallverarbeitenden und Maschinenbau-Industrie. Bei ihnen standen Bildung und genossenschaftliche Selbsthilfe im Vordergrund, obwohl sie Streiks nicht grundsätzlich ablehnten. Ihre regionalen Schwerpunkte besaßen die liberalen Gewerkschaften in Mittel- und Ostdeutschland, später auch in Westdeutschland. In Metropolen wie Berlin und anderen Großstädten wurden sie nach 1890 von den Freien überrundet, die letztlich eine ähnliche Arbeitergruppe ansprachen: Handwerker und Facharbeiter. Dabei waren qualifizierte, berufsstolze Industriearbeiter einerseits gewerkschaftsaffin und andererseits skeptisch gegenüber ihren ungelernten und angelernten Kollegen. Die Freien wurden – anders als die liberalen Gewerkschaften – Opfer der Sozialistengesetze. Der Reichstag beschloss erstmals 1878 das Verbot aller sozialdemokratischen Organisationen. Parallel initiierte Bismarck eine staatliche Sozialpolitik, um einen minimalen Lebensstandard sicherzustellen. Im Gegenzug erwartete er von Seiten der Industriearbeiter größere Loyalität. Die Unterdrückung bremste die Entwicklung der sozialistischen Arbeiterbewegung, zerbrach sie jedoch nicht. Die abnehmende Zahl der Landarbeiter, die Veränderung des Handwerks und das Aufkommen der Großbetriebe förderten die Organisationsbereitschaft der Arbeiterschaft. Zudem war das kaiserliche Deutschland zwar ein Obrigkeitsund bürgerlicher Klassenstaat, aber eben auch ein Rechtsstaat und keine Diktatur. Sozialdemokratische Politiker kandidierten weiter für Parlamente,
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Quelle: DHM, Inv.-Nr.: F 52 / 2558
Abbildung 5: Carl Legien (um 1910)
ebenso wie Gewerkschafter dies für Vertretungskörperschaften in den Ortskrankenkassen taten. Auch als Unterstützungsvereine konnten Gewerkschaften überleben. Gleichwohl trug die tägliche Repression zum Entstehen eines Klassenbewusstseins in der Arbeiterschaft bei. Das galt in besonderem Maße, wenn sich Arbeiter bereits aus der Arbeiterschaft und nicht mehr aus verelendeten Handwerkern oder ländlichen Unterschichten rekrutierten. Der große Bergarbeiterstreik von 1889 vor dem Hintergrund einer guten Konjunktur löste eine gewerkschaftliche „Organisationseuphorie“ aus. Bismarcks Entlassung im März 1890 ging mit dem Ende der Sozialistengesetze und einer kurzen Phase sozialer Reformen einher. Am Ende trug die staatliche Sozialpolitik zur Besserung der Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft bei, die freilich ihren Wunsch nach sozialer Partizipation und staatsbürgerlicher Gleichberechtigung nur umso lauter erhob. Denn jetzt setzte der Aufstieg der Sozialdemokratie und ihrer Freien Gewerkschaften ein.106 Der gewerkschaftliche Aufschwung begann mit einem konjunkturellen Abschwung und einer Reihe gescheiterter Arbeitskämpfe. Die Freien Ge-
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werkschaften reagierten auf die Niederlagen mit einem rationaleren Streikverhalten, mit der Durchsetzung von Zentralverbänden bei Erhaltung der Ortskartelle und mit der Koordination der Verbände durch die Generalkommission der Freien Gewerkschaften. Der 1861 geborene Drechsler Carl Legien hatte es mit 26 Jahren dank außergewöhnlicher Disziplin, Bildungswillen, Selbstbewusstsein und eines – zeittypisch eher autoritären – Charismas an die Spitze des Drechslerverbandes geschafft. Jetzt verhalfen ihm glückliche Umstände an die Spitze des neuen Gremiums, dem er bis zu seinem Tod 1920 vorstand. Seine Nachfolge im erfolgreichen Holzarbeiterverband trat sein Freund Theodor Leipart an. Legien sollte aus der Generalkommission die schlagkräftige Zentrale der Freien Gewerkschaften machen. Die Organisationserfolge der Freien, die sich am katapultartigen Wachstum der Mitgliederzahlen von 300.000 (1890) auf 2,5 Millionen Mitglieder (1913) unschwer ablesen lassen, vollzogen sich unter seiner Ägide. Als besonders modern erwies sich – neben dem Holzarbeiterverband mit 1913 100.000 Mitgliedern – der im Sommer 1891 gegründete DMV mit 500.000 Mitgliedern im Jahr 1913. Im Gegensatz zu anderen Verbänden, die auf eine Facharbeitergruppe fixiert waren, organisierte der DMV die gelernten und ungelernten Arbeiter einer Wachstumsbranche. Allerdings unterlag die Metallindustrie gegenläufigen Tendenzen. In der Hüttenindustrie konnte der DMV kaum Fuß fassen, da hier die Bedeutung der handwerklichen Qualifikation angesichts der Zergliederung der Arbeitsprozesse zurückging. Im Maschinenbau blieb der Facharbeiteranteil stabil oder nahm sogar zu. Durch Vertrauensleute fasste der DMV in den Betrieben Fuß. Die Bauarbeitergewerkschaft mit 1913 320.000 und, als Spätstarter, die Transportarbeitergewerkschaft mit im gleichen Jahr 200.000 Mitgliedern wuchsen ebenfalls zu bedeutenden Arbeiterorganisationen auf. Mit jeweils nur rund 100.000 Mitgliedern blieben die Erfolge bei den Bergleuten und Textilarbeitern bescheiden. Hier wirkte sich zum einen der Kampf der Groß- und Grundstoffindustriellen gegen die Gewerkschaften, zum anderen das Organisationsverhalten der weiblichen und ungelernten Arbeiter aus. Gerade in Regionen mit niedrigem Organisationsgrad genossen die Arbeitgeber die Unterstützung der lokalen Behörden. So stand den Arbeiterorganisationen an Rhein und Ruhr ein Kartell von Spitzenbeamten vom Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und den Landräten bis hin zu den – auf der Grundlage des ungleichen Wahlrechts gewählten – Bürgermeistern gegenüber. Es war dem Wirtschaftsbürgertum eng verbunden und vertrat dessen Interessen gegenüber den sozialreformerischen Anwandlungen der Berliner Bürokratie. Insgesamt zogen die Freien Gewerkschaften an der liberalen Konkurrenz mit 106.000 Mitgliedern im Jahr 1913 deutlich vorbei. Selbst die Christlichen
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Gewerkschaften, die sich seit den 1890er Jahren herausbildeten, blieben mit 1913 340.000 Mitgliedern deutlich zurück.107 Vor dem Hintergrund der in den 1880er Jahren erlittenen Repressionen hatte die Sozialdemokratie die marxistische Utopie übernommen. Demnach mündeten die im Kapitalismus angelegte Entwicklung zum Unternehmeroligopol einerseits und der Klassenkampf des solidarischen Proletariats, das am Ende die absolute Bevölkerungsmehrheit stellte, andererseits gleichsam naturgesetzlich in eine als konfliktfrei imaginierte klassenlose Gesellschaft. Grundsätzlich teilten die Freien Gewerkschaften das Parteiprogramm der Sozialdemokratie, zumal der Kampf der Arbeitgeber, der Polizei und Justiz gegen die Gewerkschaften und der Einsatz für und gegen Lohnerhöhungen als Klassenkampf wahrgenommen werden konnte.108 Die gewerkschaftliche Praxis bestand jedoch im Ausbau der Verbände, des Unterstützungswesens und der Genossenschaften sowie im Kampf für die Verrechtlichung der Arbeitsbeziehungen auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung. Hierin unterschieden sich die Freien kaum von ihren Konkurrenten. Die liberalen Gewerkschaften erklärten sich dagegen für weltanschaulich neutral und verfolgten über die staatsbürgerliche Gleichberechtigung hinaus keine gesellschaftsverändernden Ziele. Phasenweise wurde ihnen ein wirtschaftsfriedliches Verhalten, also die Ablehnung von Arbeitskämpfen, unterstellt. In einem ähnlichen Ruf standen auch die Christlichen Gewerkschaften. Sie organisierten namentlich die katholischen Arbeiter, die die Freien kaum erreicht hätten. Die Christlichen empfanden die sozialdemokratischen Gewerkschaften als Instrumente, um die Arbeiter für die Ziele der Sozialdemokratie einzuspannen, deren Weltanschauung sie ablehnten. Die Christlichen orientierten sich an der katholischen Zentrumspartei und teilten deren positive Einstellung zur Monarchie. Unter den Vorzeichen nationaler Machtstaatspolitik sahen sie eine grundsätzliche Interessenidentität zwischen Arbeitgebern und -nehmern. Auch die Reform des Wahlrechts war für sie, anders als für die Freien und die liberalen Gewerkschaften, zunächst kein zentrales Anliegen. Sie unterstützten die Forderungen bürgerlicher Sozialreformer und forderten wie die liberalen Konkurrenten seit den 1890er Jahren Tarifverträge und Schlichtungsstellen. Im äußersten Fall waren die Christlichen auch zu Arbeitskämpfen bereit, um einen gerechten Lohn für den Arbeiter und seine Familie durchzusetzen. Obwohl sie mit den liberalen Gewerkschaften zusammenarbeiteten, galten diese bei den Christlichen als zu zahm gegenüber den Arbeitgebern. Gerade weil sie nicht den Klassenkampf im Munde führten, sah Kirdorf 1906 in den Christlichen Gewerkschaften den gegenüber den Freien weitaus gefährlicheren Gegner. Die gewerkschaftsfeindliche Einstellung von Teilen des Bürgertums machte
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nicht einmal in katholisch geprägten Gegenden vor den katholischen Gewerkschaften Halt. So sahen sich die Christlichen von der Justiz ähnlich ungerecht behandelt wie die Freien. Obwohl sich Freie, Christliche und liberale Gewerkschaften in der täglichen praktischen Arbeit annäherten, blieb ihr Verhältnis, vor allem in Arbeitskämpfen, gespannt. So hatten die Christlichen den Bergarbeiterstreik von 1905 unterstützt, während sie beim Bergarbeiterstreik von 1912 nicht mitzogen, weil sie in ihm den Versuch der Freien sahen, ihre Organisation an die Wand zu drücken. Das sorgte für Erbitterung der im Alten Verband organisierten sozialdemokratischen Bergarbeiter. Sie mussten einsehen, dass im Ruhrrevier ohne die Christlichen kein erfolgreicher Streik möglich war. Freilich stießen Ansätze des Alten Verbandes zur Zusammenarbeit mit den christlichen Kollegen häufig auf Skepsis in Kreisen der sozialdemokratischen Partei. Der Schreinergeselle Adam Stegerwald sah sich in den 1890er Jahren erheblichem Druck seiner Arbeitskollegen ausgesetzt. Sie wollten ihn zum Beitritt zu dem von Leipart geführten sozialdemokratischen Holzarbeiterverband bewegen. Obendrein wurde er als praktizierender Katholik gehänselt. Stegerwald wandte sich deshalb den christlichen Arbeiterorganisationen zu. Nach deren reichsweitem Zusammenschluss wurde er 1902 im Alter von 28 Jahren zum Generalsekretär der Christlichen Gewerkschaften gewählt. Damit spielte er dort eine Rolle, die sich mit derjenigen Legiens bei den Freien vergleichen ließ.109 Seit 1905 bildeten sich aus konfessionellen und national-konservativen Arbeitervereinen die sogenannten wirtschaftsfriedlichen Werkvereine. Für diese Betriebsgewerkschaften bürgerte sich der aus Frankreich stammende Begriff ‚Gelbe‘ ein. Da sie Streiks ablehnten, wurden sie von den Arbeitgebern, deren Verbänden und häufig auch von den lokalen Behörden unterstützt. Die Unterstützung bestand nicht zuletzt in zinslosen Darlehen und großzügigen Sozialleistungen an die Mitglieder, mit denen die gewerkschaftlichen Selbsthilfeeinrichtungen kaum konkurrieren konnten. Berlin war eine Hochburg des DMV. Als die dortigen Betriebe von Siemens 1903 Arbeiterausschüsse zuließen, versuchte der DMV sie zu nutzen, um jenseits von Lohn- und Arbeitszeitfragen Einfluss auf die Betriebsführung zu nehmen. Die Geschäftsleitung reagierte darauf mit der Gründung von Unterstützungsvereinen auch in anderen Werken. Sie waren politisch neutral, aber unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Schließlich gehörte die Mehrheit der Beschäftigten einschließlich Mitgliedern der Sozialdemokratie diesen Vereinen an. Streiks fanden hier nach 1906 nicht mehr statt. MAN in Augsburg stellte 1906 ausgesperrte Arbeiter ein, wenn sie schriftlich versicherten, keiner Gewerkschaft anzugehören. Fast die Hälfte der Belegschaft trat einer Be-
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Quelle: BArch N 1780 Bild-001-03
Abbildung 6: Adam Stegerwald, April 1919
triebsgewerkschaft bei. Auch der 1904 von Konservativen und Nationalliberalen gegründete „Reichsverband gegen die Sozialdemokratie“ förderte die Gründung nationalliberal und konservativ ausgerichteter Werkvereine, so in den Magdeburger Gruson-Werken unter Leitung von Kurt Sorge und in anderen Werken des Krupp-Konzerns. Die Unterschiede zwischen den patriarchalischen Werkvereinen bei Krupp und denjenigen bei Siemens reflektierten die politischen Unterschiede zwischen CdI und BdI. Den um 1907 einsetzenden reichsweiten Zusammenschluss der Vereine sahen einige Arbeitgeber eher mit Skepsis. Freilich konkurrierten auch hier mehrere Spitzenorganisationen. Unterschiedlich waren auch die Gegner der ‚Gelben‘. Im Ruhrgebiet – wo Paul Reusch nach dem Bergarbeiterstreik die Gründung der ‚Gelben‘ vorantrieb – waren es vorwiegend die Christlichen, in Magdeburg und Berlin die Freien und in der süddeutschen Metallindustrie die liberalen Gewerkschaften.110 Folgerichtig sollten sich alle drei Richtungen 1918 einigen, die ‚Gelben‘ nicht in das Stinnes-Legien-Abkommen und die Arbeitsgemeinschaft mit den Arbeitgebern aufzunehmen.
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4. Reform als Klassenkampf: die Freien Gewerkschaften In Deutschland vollzog sich nach 1890 ein beispielloser wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und vor allem kultureller Aufstieg des deutschen Bürgertums, der unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg seinen Zenit erreichte. Die Zunahme der industriellen Arbeiterschaft und die wachsende Bedeutung ihrer Organisationen wurden als offensichtlich unvermeidliche, aber gleichwohl gefährliche Entwicklung wahrgenommen. „Politisch geduldet, aber gesellschaftlich geächtet“: Auf diese Weise hatten bedeutende Teile der organisierten Arbeiterschaft – aber eben immer noch eine Minderheit der Arbeiterschaft – eine ausgesprochene Parallelwelt von Gewerkschaften, Genossenschaften und Vereinen auf dem Boden der als feindlich wahrgenommenen bürgerlichen Gesellschaft errichtet. Die Überwindung dieser Gesellschaftsordnung war der Kern der Vorstellung vom Klassenkampf. Mit ihr grenzten sich die sozialistischen Teile der Arbeiterklasse vom Bürgertum ab, das ihr die Teilhabe verweigerte. Große Teile des Bürgertums sahen sich in ihrer Sorge vor dem Umsturz und in ihrer Entschlossenheit zur Reformverweigerung bestätigt. Die Arbeiterklasse war freilich ein vielschichtiges Gebilde. Die Erfahrung gesellschaftlicher Diskriminierung durch das zusehends exklusiver lebende Bürgertum, die bisweilen verächtliche Behandlung in den Fabriken und die schikanöse Drangsalierung durch örtliche Behörden waren nur ein Aspekt des Klassenbewusstseins. Hinzu kam die Erfahrung verbreiteter Armut namentlich im Alter und der Abhängigkeit vom Auf und Ab der Konjunkturen. Ein sozialer Aufstieg war für die meisten und vor allem auch für ihre Nachkommen nahezu ausgeschlossen. Bereits die teure höhere Schulbildung war das Nadelöhr vor dem Aufstieg zu gehobenen gesellschaftlichen Positionen. Mit der Zunahme der Angestellten verloren selbst die ‚Privatbeamten‘ ihren herausgehobenen Status, zumal vor dem Hintergrund drastischer Reallohneinbußen während des Ersten Weltkrieges. Allerdings eröffneten die verschiedenen Organisationen der Arbeiterschaft, namentlich die Arbeitersekretariate der Gewerkschaften und die Konsumgenossenschaften, einer Minderheit den Aufstieg in Ämter und Funktionen. Die Arbeiterbewegung unterlag wie die Verbände der Arbeitgeber vor allem nach der Jahrhundertwende der Professionalisierung. Die Anfänge der Gewerkschaftsverwaltung waren meist kümmerlich. Aber neben die zahllosen ehrenamtlichen Funktionsträger traten jetzt zunehmend ‚Gewerkschaftsbeamte‘. Diese kandidierten für parlamentarische Mandate und hatten diese teilweise über längere Zeiträume inne. Es waren in der Regel nicht die einfachen Industriearbeiter, sondern die Handwerker
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mit langjähriger Organisationserfahrung, die hier aufstiegen. Die großindustriellen Verhältnisse kannten sie häufig nicht mehr aus eigener Berufspraxis. Gustav Bauer, Friedrich Ebert, Legien, Leipart, Stegerwald, Rudolf Wissell und andere waren nur die Spitze einer gar nicht so kleinen Gruppe. Nahezu unvermeidlich stellten sich auch hier erste Differenzen zwischen der Masse einfacher Mitglieder und den Funktionären ein. Diese erreichten in der Regel den Lebensstandard mittlerer Staatsbeamter. Im Falle Legiens bedeutete das nur ein gut doppelt so hohes Gehalt wie ein durchschnittlich entlohnter Arbeiter, freilich nach sehr bescheidenen Anfangsjahren. In das bürgerliche Milieu aufgenommen wurden die Funktionäre nicht. Sie blieben vorläufig ihrer ‚Klasse‘ verhaftet.111 Die Arbeiterschaft konzentrierte sich in bestimmten Wohnquartieren. Namentlich in den großen Industriestädten an der Ruhr, in Berlin, Magdeburg und in Sachsen entstanden proletarische Milieus als harter Kern der sozialdemokratischen Gegenwelt. Hier gaben häufig jüngere, politisierte Arbeiter den Ton an. Dagegen vermochten die Freien Gewerkschaften in ländlichen Industriegebieten kaum Fuß zu fassen. Eher kamen hier die christlichen und liberalen Gewerkschaften zum Zug. Die allmähliche, wenn auch im Vergleich zum Industriebürgertum disproportionale Verbesserung der Lebenssituation der Arbeiterschaft förderte die Organisationsbereitschaft. Verschiedene Faktoren standen einem einheitlichen Klassenbewusstsein entgegen. Neben der Religion wirkten sich die landsmannschaftliche oder gar ethnische Zugehörigkeit – denkt man etwa an den Berufsverband der polnischen Arbeiter an der Ruhr und in Oberschlesien oder die eingewanderten italienischen Arbeiter –, die Lebenssituation im ländlichen oder städtischen Raum, aber vor allem die berufliche Qualifikation auf das Selbstverständnis der Arbeiter aus. Im Übrigen entwickelten die Gewerkschaften, wie die Verbände der Arbeitgeber, ein organisatorisches Eigeninteresse gegenüber ihren Mitgliedern. Wer mit der Gegenseite und der Regierung verhandeln wollte, musste kohärent auftreten, die Erfolgschancen von Kampfmaßnahmen nüchtern kalkulieren und Verlässlichkeit signalisieren. Zwangsläufig kam es zwischen Funktionären und Mitgliedern, zwischen den einzelnen Verbänden, zwischen Partei und Gewerkschaften zu unterschiedlichen Vorstellungen, wie das Klassenbewusstsein in der konkreten gesellschaftlichen Situation politisch umzusetzen sei. Teile der Arbeiterschaft waren überdies empfänglich für ein an der Betriebszugehörigkeit orientiertes Gemeinschaftsgefühl oder nationalistische Töne. Diese wurden nicht zuletzt von der Schwerindustrie in der Hoffnung angestimmt, damit Reformforderungen der Arbeiterschaft zu konterkarieren. Die Vorstellung, eine zunehmend homogene Arbeiterklasse werde nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus eine klassenlose Gesellschaft
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durchsetzen, begeisterte Herzen und Köpfe. Unter den Bedingungen eines semikonstitutionellen politischen Systems und der überwiegend als exklusiv und zum Nachteil der arbeitenden Bevölkerung wahrgenommenen Gesellschaftsordnung entfaltete diese Idee enorme Strahlkraft. Sie förderte die Wahl- und Organisationserfolge der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften. Diese überrundeten, wie gezeigt, ihre liberalen und christlichen Wettbewerber. Letztere konzentrierten sich auf die Durchsetzung von Tarifverträgen als Kern praktischer Gewerkschaftsarbeit. Die Freien hegten dagegen lange Zeit ein distanziertes Verhältnis zu Tarifverträgen, wie sie die Buchdrucker vereinbart hatten. Denn Tarifgemeinschaften setzten die zumindest vorläufige Anerkennung der Arbeitgeber als Eigentümer der Produktionsmittel voraus, wie umgekehrt sich die Arbeitgeber eine gewisse Einschränkung ihrer unternehmerischen Dispositionsfreiheit gefallen lassen mussten. In diesem Sinne verstanden Legien und Leipart Tarifverträge als ‚Fabrikkonstitutionalismus‘, also als Mitbestimmung über kollektive Verhandlungen über Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen in einer Branche und / oder Region. Auch betriebliche Arbeiterausschüsse wurden allmählich als Instrument der Tarifpolitik genutzt. Tarifverträge unterstellten zwangsläufig ein beschränktes gemeinsames Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, das sich an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Betriebe und der Branche ausrichtete. Das schloss Arbeitskampfmaßnahmen nicht aus, in denen die Kontrahenten ihre Positionen absteckten, um sich am Ende in einem Vertrag zu vereinbaren. Dieser bestätigte die Vertragspartner in ihren Rollen und stärkte die Funktionstüchtigkeit der auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftsordnung. Für liberale und christliche Gewerkschafter war genau das der Sinn ihres Strebens, gingen sie doch von gemeinsamen Wertvorstellungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf der Grundlage der bestehenden Gesellschaftsordnung aus. Ganz anders verhielt sich das bei marxistischen Sozialdemokraten. Für sie war der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit nicht nur unüberbrückbar, sondern dominierte – zumindest in der Programmatik – alle anderen nationalen, kulturellen und landsmannschaftlichen Gegensätze. Ihr Anliegen war die Überwindung, nicht die Reform des bestehenden Systems mit dem Ziel seiner Anpassung an den technologisch-wirtschaftlichen Wandel. Wer jedoch für Tarifverträge kämpfte, entfernte sich vom Vorhaben, die bestehende Gesellschaftsordnung zu überwinden. In einer Grundsatzrede aus dem Jahr 1900 versuchte Legien diesen Widerspruch aufzulösen. Er betonte die hergebrachte Distanz der Gewerkschaften gegenüber der sozialdemokratischen Partei. Das hatte im Falle Legiens sogar eine persönliche Note. Er war dem langjährigen Par-
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teivorsitzenden August Bebel – nicht zuletzt aufgrund seiner schon in den 1890er Jahren unbefangenen Kontakte zum Bürgertum – herzlich unsympathisch. Zudem standen sich hier zwei klassische ‚Alphatiere‘ gegenüber. Alle Gewerkschaften, so Legien, bedürften einer politischen Vertretung in den gesetzgebenden Körperschaften, im Falle der Freien also der sozialdemokratischen Partei. Wie diese seien die Freien Gewerkschaften überzeugt, „daß zwischen Capital und Arbeit eine unüberbrückbare Kluft besteht“, der nur durch „Beseitigung der Lohnarbeit“ überhaupt aufgehoben werden könne. Folgerichtig kritisierte Legien die Hirsch-Dunckerschen Konkurrenten, die an der Lohnarbeit in einer bürgerlichen Gesellschaft festhielten. Die „Propaganda“ für das politische Ziel ihrer Überwindung galt ihm jedoch als Aufgabe der Partei. Dagegen seien die Gewerkschaften „bestrebt, durch die Macht ihrer Organisation den Arbeitsvertrag zu ihren Gunsten zu gestalten“, auf dass die Arbeiterschaft „widerstandsfähiger und damit geeigneter zur endgiltigen Lösung der socialen Frage“ werde. Nur durch ihre Distanz zur Politik seien die Gewerkschaften in der Lage, auch Arbeiterinnen und Arbeiter anderer weltanschaulicher Prägung zu organisieren. Dabei trete in der gewerkschaftlichen Taktik der Streik für eine Tarifgemeinschaft zunehmend an die Stelle des spontanen Streiks gegen Lohnsenkungen oder für Lohnerhöhungen. Folgerichtig bauten die Gewerkschaften Streikkassen auf. Gleichwohl stünden die Gewerkschaften, so Legien, weiter auf dem „Boden des Classenkampfs“.112 Die Frage nach Wesen und Ziel des Klassenkampfs beschäftigte vor allem die sozialdemokratischen Politiker. Der langjährige Parteivorsitzende August Bebel und der führende Theoretiker Karl Kautsky waren davon überzeugt, der Kapitalismus werde einst gleichsam naturgesetzlich zusammenbrechen. Während man auf den großen „Kladderadatsch“ (Bebel) wartete, führte man den Klassenkampf als Kampf um Reformen. Die Kritiker dieser programmatisch revolutionären, praktisch reformistischen Politik, eine Minderheit um Eduard Bernstein, rechneten nicht mehr mit dem Zusammenbruch, sondern mit der Evolution des Kapitalismus. Sie erklärten die klassenlose Gesellschaft zur ethischen Leitidee derjenigen, die Schritt für Schritt, Parlamentsdebatte für Parlamentsdebatte, Tarifvertrag für Tarifvertrag und Schlichtungsverhandlung für Schlichtungsverhandlung um die Teilhabe der Arbeiter am wirtschaftlichen Aufschwung und um deren allmähliche Gleichberechtigung im Klassenstaat kämpften. Der Klassenkampf wandelte sich zum politischen Einsatz für gleiche Rechte der Arbeiterschaft im bestehenden bürgerlichen Staat, von dem man Neutralität gegenüber den gegensätzlichen gesellschaftlichen Interessen erwartete.
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Der sogenannte Revisionismus begeisterte jedoch eher bürgerliche Sozialreformer als die Funktionäre der Gewerkschaften. Für deren tägliches Geschäft besaß die akademische Debatte darüber, wie sich der Sozialismus (irgendwann) einstellen werde, kaum Bedeutung. Denn konkrete Transformationsszenarien entwickelte weder die eine noch die andere Strömung. Ausschlaggebend war das trotz der Konjunkturzyklen stetige Wirtschaftswachstum in den vier friedlichen Jahrzehnten nach der Reichsgründung. Die Arbeiterschaft verelendete nicht, sondern verzeichnete eine allmähliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Nicht nur das Sozialprodukt war gewachsen, sondern dank Gewerkschafts- und Sozialpolitik auch der absolute Anteil der Arbeiterschaft daran. Solange dieser Anteil größer zu werden versprach, galt jeder Gedanke an einen gewaltsamen Umsturz als abwegig. Der von einer linken Minderheit um Rosa Luxemburg geforderte Massenstreik zur Durchsetzung politischer Ziele war zwar weniger akademisch. Er barg jedoch das Risiko einer sozialen Autodynamik, die nicht mehr zu steuern war. Am Ende hätte man eine gewaltsame Auseinandersetzung mit der Staatsmacht und damit die Existenz der Gewerkschaften aufs Spiel gesetzt. Schon ein ganz gewöhnlicher Streik war unter Umständen schwierig zu steuern, wie Legien anlässlich des Bergarbeiterstreiks von 1905 erkannte. Ein Massenstreik zur Durchsetzung einer Wahlrechtsreform nach dem belgischen Vorbild von 1893 stieß im Parteivorstand auf Sympathien, in der Generalkommission dagegen auf Skepsis. Die Leitung des DMV warnte 1906 vor einer „Überschätzung der eigenen Kraft“ und einer „Unterschätzung der des Gegners“. In ihren Augen werde „das Vertrauen der Gewerkschaftsmitglieder zu ihren durch die Wahl berufenen Leitungen“ durch die Vertreter des politischen Massenstreiks „systematisch untergraben“. Eine kleine Minderheit von Syndikalisten organisierte sich dagegen bewusst auf lokaler Grundlage außerhalb der zentralistisch ausgerichteten Sozialdemokratie. Hier galt der kompromisslose Klassenkampf durch politische Streiks als Tagesaufgabe auf dem Weg in eine herrschaftslose Gesellschaft lokaler Produktionsgemeinschaften. Es blieb daher bei der eigentümlichen Verbindung von Reformismus und unbestimmten Zukunftserwartungen, von „revolutionärem Attentismus“ und „negativer Integration“.113 Denn das Bürgertum schloss die Arbeiterbewegung von der Übernahme staatlicher Verantwortung aus. Viel zu spät (erst 1916) sollte ein Sozialdemokrat in ein hohes Regierungsamt berufen werden. Folglich konnte sich das Amalgam aus Doktrinarismus und Praktizismus kaum auflösen. Kein Wunder, dass sich sozialdemokratische Gewerkschaftsführer 1918 an die Maxime halten sollten, die sie an die Spitze ihrer Organisationen gebracht hatte: an die Reform
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und das Streben nach Anerkennung als legitimer Kontrahent des Industriebürgertums. Zudem hatte sich mit den gewerkschaftlichen Organisationserfolgen das Verhältnis zur Sozialdemokratischen Partei gewandelt. Das Mannheimer Abkommen mit dem Parteivorstand von 1906 sicherte der Generalkommission nicht nur die Führungsrolle in den Freien Gewerkschaften. Der Reformismus prägte als Grundzug die Politik der Sozialdemokratie, derweil die Debatten ihrer Theoretiker die Gewerkschafter kaum berührten.114
5. Der Kampf um Tarifverträge Der junge Kaiser Wilhelm II. – dessen Name bald für Glanz und Elend einer Epoche stehen sollte – verkündete 1890 einen „Neuen Kurs“ sozialpolitischer Reformen, um 1896 wieder auf die Bekämpfung des ‚Umsturzes‘ einzuschwenken. Denn seine Sozialpolitik hatte den Aufstieg der Sozialdemokratie so wenig aufgehalten wie die Bismarcks. Immerhin war neben einigen Arbeitsschutzgesetzen und Verbesserungen der Sozialversicherungen auch die Möglichkeit zur Einrichtung von paritätischen Gewerbegerichten auf kommunaler Grundlage geschaffen worden. Sie mussten freilich von beiden Konfliktparteien angerufen werden. Damit war ein Format für die Schlichtung von Arbeitskonflikten geschaffen, das 1901 für Gemeinden mit über 20.000 Einwohnern verbindlich wurde. Ein konjunktureller Aufschwung in den letzten Jahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts belebte die Streikbereitschaft. Die Arbeitgeber versuchten, durch längere Kündigungsfristen in den Arbeitsverträgen die Arbeitnehmer im Fall eines spontanen Streiks ins Unrecht (‚Kontraktbruch‘) zu setzen. Daher lehnten die Arbeitnehmer solche Kündigungsfristen meist ab. Streiks begannen häufig mit der kurzfristigen Kündigung nach wenigen Stunden. Zum Leidwesen der Unternehmer entwickelten die Gewerkschaften im Zuge ihrer Organisationserfolge nach der Jahrhundertwende auch ihre Arbeitskampftaktiken. Neben den spontanen Streik aus einem Betrieb heraus traten von den Gewerkschaften gesteuerte Arbeitsniederlegungen. Kurze Streiks hintereinander mit längeren Pausen sowie die Kündigung wichtiger Facharbeitergruppen veranlassten die Arbeitgeber zu Aussperrungen, die von der Öffentlichkeit meist mit Skepsis aufgenommen wurden. Die Metallindustrie setzte dennoch seit 1904 gezielt und mit Erfolg auf das Mittel der teilweisen oder flächendeckenden Aussperrung. Mit Streikposten und fortlaufender Information in den Gewerkschaftszeitungen über die Streikverläufe versuchten die Gewerkschaften die Anwerbung von Arbeitern durch bestreikte Betriebe zu verhindern und die Solidarität der Streikenden aufrechtzuerhalten. Dass Streikposten häufiger zu
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drastischen Methoden der Nötigung und der Verrufserklärung griffen, um Arbeitswillige abzuschrecken, lag in der Natur von Arbeitskämpfen in einer rechtlichen Grauzone. Die Arbeitgeber spielten häufiger den Klassenkampf als Motiv der Ausstände als ‚Trumpfkarte‘ aus. Aber in aller Regel waren Arbeitszeiten, Löhne und nicht zuletzt der Wunsch nach Tarifverträgen die wesentlichen Motive der Streikenden. Dazu kam der Wettbewerb unter den Gewerkschaftsrichtungen um den erfolgreichsten Weg zu besseren Konditionen. Bemerkenswert waren Streiks in den Berliner und Leipziger Gießereien 1897. Vermittelt durch das Gewerbegericht trafen sich in Berlin immerhin Vertreter von GDM und DMV, während die Arbeitgeber in Leipzig ein solches Treffen ablehnten, auch wenn dadurch Aufträge und Kunden verloren gingen. Die Streiks scheiterten in beiden Fällen, da auch Borsig in Berlin unnachgiebig geblieben war. Wieder kamen ‚schwarze Listen‘ zum Einsatz und daneben auch Arbeitsvermittlungsstellen (‚Arbeitsnachweise‘) der Arbeitgeber. Die Verbände forderten die Mitglieder auf, nur solche Arbeiter einzustellen, die von diesen Nachweisstellen vermittelt wurden. Um 1900 und 1903 gelang es den Metallarbeitgebern, durch wohlorganisierte Aussperrungen in Hamburg, Iserlohn und wiederum in Berlin Streiks abzuwehren.115 Offenkundig war die 1899 im Reichstag gescheiterte sogenannte Zuchthausvorlage nicht notwendig, mit dem die Reichsregierung die Durchsetzung von Arbeitsniederlegungen weiter zu erschweren versucht hatte. Der Gesetzentwurf sah vor, Streikposten härter zu bestrafen, wenn sie Arbeitswillige oder unorganisierte Arbeiter unter Druck zu setzen versuchten. Die Generalkommission bewährte sich jetzt als Koordinator der öffentlichen Kampagne der Freien Gewerkschaften gegen den Gesetzentwurf. Die Christlichen Gewerkschaften lehnten ihn ebenso strikt ab wie die bürgerlichen Sozialreformer und Teile der bürgerlichen Öffentlichkeit.116 Die Episode ist unter drei Aspekten bedeutsam. Zum einen war die Schnittmenge beim Interesse an der Reform der Arbeitsbeziehungen zwischen christlichen und sozialistischen Gewerkschaften jenseits der gegensätzlichen Weltanschauungen erheblich. Zweitens deutete sich eine Entwicklung an, die 1916 in die sogenannte ‚Hilfsdienstachse‘ des Reichstages münden sollte. Vor allem aber war, zum dritten, der Klassencharakter des Kaiserreichs nicht so, wie Teile des Industriebürgertums und der feudalen Schichten das gerne gehabt hätten. Dafür war nicht nur die bereits erwähnte Reaktion des preußischen Staates auf den Bergarbeiterstreik von 1905 ein Indiz. In Bayern forderte der DMV 1905 die 56-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich.
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Die bayerische Metallindustrie reagierte mit einer wirksamen Aussperrung. Der Vorsitzende des bayerischen Ministerrates organisierte Verhandlungen zwischen den Kontrahenten. Den Arbeitgebern war die staatliche Einmischung nicht angenehm, zumal die Regierung offenkundig einen Tarifvertrag anstrebte. Sie wies ihre Gewerbebeamten zum Leidwesen des CdI, aber auch des Verbandes der Bayerischen Metallindustriellen (VBM) ausdrücklich an, Tarifverträge zu fördern. Die Industriellen unterstellten den Gewerkschaften, mittels Tarifverträgen und Organisationszwang leistungsnivellierende Zeitlöhne statt der Akkordlöhne durchsetzen zu wollen. Ihr Ziel sei es, die Übermacht der eigenen Organisationen gegenüber denen der Arbeitgeber zu erlangen. Der VBM verband seine Eingabe an die bayerische Regierung mit den für das Interesse der Branche charakteristischen Seitenhieben gegen den sozialliberalen Münchener Sozialwissenschaftler Lujo Brentano, gegen die Schwerindustrie sowie gegen die in ihren Augen gegenüber den Großbetrieben nachteilige Wirtschaftspolitik Bayerns zugunsten der Klein- und Handwerksbetriebe.117 In den Augen der deutschen Metallindustriellen hatten die englischen Gewerkschaften mit Tarifverträgen zu Lasten der Produktivität einen zu großen Einfluss erlangt. Daher lehnte man Tarifverträge in Deutschland ab. Gleichzeitig trafen die Arbeitgeber untereinander immer wieder Absprachen über Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen – wenn man so will, also einseitige Tarifvereinbarungen. Die Metallarbeitgeber machten kaum Zugeständnisse. Die Forderungen der Gießereifacharbeiter beantwortete der GDM mit der Androhung einer Gesamtaussperrung, die sich der DMV nicht leisten konnte. Dass Arbeiter zu einer schriftlichen Erklärung genötigt wurden, keiner Gewerkschaft anzugehören, nahm die Öffentlichkeit kritisch auf. Aber selbst die geringen Zugeständnisse an die Arbeiterschaft galten dem Verein der Eisengießereien als zu weitgehend. Die größeren Streiks der Jahre 1907 bis 1909 verloren in der Regel die Metallarbeiter. Gleichwohl schlossen regionale Metallarbeitgeberverbände mit dem DMV Abkommen über Lohn- und Arbeitsverhältnisse. Die Tagesarbeitszeit näherte sich jetzt der 9,5-Stunden-Marke. Der Staat griff insofern ein, als er bei der Verkürzung der Wochenarbeitszeit voranging und Staatsaufträge an die Industrie mit der Auflage verknüpfte, dass soziale Mindeststandards eingehalten würden. Beides wollte er möglichst von Tarifverträgen verbürgt sehen. Dagegen hielten die Nordwestliche Gruppe und der 1908 gegründete Zechenverband eisern am 10-StundenArbeitstag fest. In Verbindung mit der faktischen Verweigerung des Koalitionsrechtes führte dies verbreitet zu Bummelei, Sabotage und hoher Fluktuation. Seit 1907 gerieten auch die Angestelltenverbände des sogenannten Neuen Mittelstandes118 – namentlich der freigewerkschaftlich
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orientierte Bund der technischen und industriellen Beamten (Butib) – in den Blick des GDM und der Nordwestlichen Gruppe. 1911 streikten Techniker und machten dabei die Erfahrung, dass die Arbeitgeber ihnen nach außen verständnisvoll, nach innen aber ziemlich kompromisslos gegenübertraten. Die Unternehmer wollten den Eindruck vermeiden, dass ihre ‚Beamten‘ zu den Arbeitnehmern gehörten, ohne dafür teure Zugeständnisse zu machen. Ein kurioser Nebeneffekt war, dass ausgesperrte Techniker bei Kommunalverwaltungen anheuerten; dort versuchten sie prompt, die Vergabe von Aufträgen an Unternehmer, die sich ihren Anliegen gegenüber einst als unzugänglich erwiesen hatten, zu verhindern. Die gute Konjunktur nach 1910 brachte neue Arbeitskämpfe in der Metallindustrie mit sich. Sie wurden jetzt häufiger durch Verhandlungen mit den Gewerkschaften einschließlich des DMV beigelegt. Dabei erwiesen sich die Androhung und Durchführung von Aussperrungen als wirksam. Freilich machte dem GDM immer wieder die Weigerung einzelner Verbände zu schaffen, sich an Aussperrungen zu beteiligen. Insgesamt zeichnete sich in den Arbeitskämpfen in der Metallindustrie ein Trend zu rationaleren Formen der Auseinandersetzungen um Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen ab. Dagegen war der Bergarbeiterstreik von 1912 wiederum eher Klassen- als Arbeitskampf, denn die Ruhrindustriellen suchten bewusst die Machtprobe.119 In Berlin weitete sich 1910 ein zunächst unbedeutender Streik in einer zum Montan-Imperium von Stinnes zählenden Kohlenhandlung zu den sogenannten Moabiter Unruhen aus. Nicht zuletzt Stinnes selbst hatte dafür gesorgt, dass 1.000 Polizisten mit Schusswaffen gegen die Streikenden vorgingen.120 Im ländlichen Siegerland kamen die hergebrachten paternalistischen Arbeitsbeziehungen erst allmählich ins Rutschen. 1911 beklagte der Landrat das „Verhetzen der Arbeiter“ durch christliche und liberale Gewerkschaftsfunktionäre. Zu Recht sahen die Arbeitgeber in deren Eintreten für den 10-Stunden-Arbeitstag den Versuch, ihre Arbeitnehmer in den eigenen Gewerkschaften zu organisieren. Sie drohten mit dem Anschluss an die Nordwestliche Gruppe. Ihre Kontrahenten auf der Seite der Gewerkschafter hatten ihrerseits den niedrigen Organisationsgrad der ländlich geprägten Arbeiterschaft in Rechnung zu stellen. Als eine Walzendreherei vor der Wiedereinstellung streikender Arbeiter die schriftliche Erklärung forderte, keiner Gewerkschaft anzugehören, ging es um das Prinzip des Koalitionsrechts. Der in seiner lokalen Dimension beschränkte Arbeitskampf gewann durch seine Medialisierung eine erhebliche Bedeutung. Streikbrecher und Arbeitswillige wurden massiv unter Druck gesetzt. Am Ende verloren die Streikenden den Arbeitskampf. Zum einen hatten die Arbeitgeber kleine Zugeständnisse gemacht. Zum anderen wirkten sich
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Gegensätze zwischen den Formern, die den Freien Gewerkschaften angehörten, und den übrigen Streikenden aus. Nicht einmal der 10-StundenArbeitstag wurde hier erreicht. Die Siegerländer Metallarbeitgeber gründeten jetzt einen klein- und mittelbetrieblich geprägten Arbeitgeberverband. Der Nordwestlichen Gruppe hatte man sich dann doch nicht anschließen wollen. Zu groß war die Sorge, von den mächtigen Konkurrenten im nahen Ruhrgebiet in der eigenen unternehmerischen Autonomie eingeschränkt zu werden. Tarifverträge lehnte der neue Regionalverband jedoch ebenso rigoros ab wie die Nordwestliche Gruppe. Nicht verhindern konnten sie indessen, dass die Gewerkschaften in den Ortskrankenkassen und in den Gewerbegerichten auf paritätischer Grundlage mitwirkten.121 Die Arbeitgeber mit dem GDM an der Spitze bauten seit der Jahrhundertwende professionelle eigene Arbeitsnachweise auf. Neben dem Bergbau, dem Hüttenwesen und dem Baugewerbe wies die Metallindustrie um 1910 die größte Dichte von Arbeitgebernachweisen auf, die wiederum in großen Städten ihren Schwerpunkt besaßen. Zugleich traten die Arbeitgeber gegen die Forderung bürgerlicher Sozialreformer auf, die öffentlichen Arbeitsnachweise auf kommunaler Grundlage auszudehnen, da hier in aller Regel Arbeitgeber- und -Arbeitnehmerorganisationen gleichberechtigt (‚paritätisch‘) mitwirkten. Die Industrie wollte diese Nachweise nur für Kleinbetriebe und Hauspersonal akzeptieren. Angesichts der Mitwirkung der Arbeitnehmer naheliegend, wollten öffentliche Nachweise Arbeitsuchende entweder gar nicht oder nur beschränkt an bestreikte Betriebe vermitteln. Dagegen ging es den Arbeitgebernachweisen gerade umgekehrt um die Vermittlung Arbeitswilliger an bestreikte Betriebe. Dagegen sollten neben Vertragsbrüchigen und straffällig gewordenen Arbeitern eben auch sozialdemokratische Arbeiter, Streikposten und Streikführer in den Mitgliedsfirmen „gesperrt“, das heißt auch nach Beendigung von Arbeitskämpfen nicht beschäftigt werden. Die Chance, dass eine Beschwerde gegen die Sperrung erfolgreich sein würde, war angesichts fehlender Vertretung der Arbeitnehmer gering. Insgesamt dienten diese Nachweise also weniger der „Arbeitsvermittlung“ als der „Kontrolle und Sichtung der Arbeiterschaft“, so das zeitgenössische Urteil. In der Metallindustrie trat dieser Zweck hinter dem zurück, die benötigten Fachkräfte zu vermitteln. Freilich zweifelten zeitgenössische Beobachter in dieser Hinsicht an der behaupteten Leistungsfähigkeit der Arbeitgebernachweise.122 Die Mehrheit der Arbeitgeber scheuten mithin keine Mühe, um ein zentrales Anliegen aller drei Gewerkschaftsrichtungen zu vermeiden: die kollektive Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge. Vor allem das Druckgewerbe hatte sich schon früh dem Trend entzogen. Es gründete bereits 1869 einen Arbeitgeberverband. Nach ersten Anläufen
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nach 1873 vereinbarte er mit den Gewerkschaften 1896 einen reichsweiten Tarifvertrag mit umfangreichen Abmachungen zu Arbeitszeiten und -bedingungen sowie einem Kontroll- und Schlichtungswesen bei Streitigkeiten. Die Buchdrucker waren eine Handwerkerelite, deren Interessen eine hohe Schnittmenge mit denen ihrer Patrone aufwiesen. Ihnen ging es um auskömmliche Arbeits- und Lebensbedingungen, nicht um die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft. Ganz anders als in der Schwerindustrie waren es hier gerade die Großunternehmen, die vor der Jahrhundertwende in tarifvertraglich vereinbarten Löhnen ein Instrument erkannten, sich die Konkurrenz von Kleinunternehmern vom Halse halten, die mit niedrigen Löhnen arbeiteten. 1911 waren bereits 80 Prozent aller Betriebe tarifgebunden. Ansonsten kam es vor allem in klein- und mittelbetrieblichen Branchen mit schwachen Arbeitgeberverbänden und / oder hohem Anteil qualifizierter Facharbeiter zu Tarifverträgen, namentlich im Holz-, Leder-, Papier-, Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe, in der Leicht- und Fertigwarenindustrie und vor allem im Baugewerbe. In letzterem arbeitete 1914 immerhin schon die Hälfte der Arbeiter unter tarifvertraglichen Bedingungen. Größere Betriebe ab 100 Beschäftigten waren freilich nur zu etwa fünf Prozent tarifvertraglich gebunden. Im Bergbau, in den Hütten und den Textilfabriken existierten nahezu keine Tarifverträge. Insgesamt arbeiteten vor 1914 nur etwa 14 Prozent der Arbeiter in einem tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnis.123 In der Metallindustrie war der Trend langsam, aber stetig. 1912 verzeichnete der GDM Tarifverträge der Gießereien in den Bezirken Aachen, Berlin, Chemnitz, Dresden, Karlsruhe, Nürnberg, Stuttgart. Dazu kamen eine Reihe von Tarifverträgen mit einzelnen Firmen sowie in Baden / Pfalz, Frankfurt am Main, Hamburg, Nürnberg, München und Thüringen Abmachungen für die Metallindustrie.124 Die meisten bürgerlichen Sozialreformer erblickten in Tarifverträgen den Königsweg, um den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit systemkonform einzuhegen. Dagegen begründeten die Arbeitgeber ihre Ablehnung mit dem Argument, der Kampf um Tarifverträge führe gerade nicht zur Befriedung im Verhältnis von Kapital und Arbeit, vielmehr seien sie Instrumente des Klassenkampfs. Allerdings wollte man ja auch mit den christlichen und liberalen Gewerkschaften keine Tarifverträge abschließen. Dem „autoritären Herrenstandpunkt“ des CdI, der grundsätzlich am eindimensionalen Diktat der Löhne festhielt, folgten jedoch keineswegs alle Unternehmer. So begann der GDM schon 1904 seine Haltung zu ändern. 1905 stellte er seinen Regionalverbänden frei, Tarifverträge abzuschließen. 1907 legte der GDM einheitliche Verfahren für Tarifvertragsverhandlungen fest. Der CdI nahm das kommentarlos hin. Nach vorsichtiger Kritik
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des Geschäftsführers des CdI, Henry Axel Bueck, billigte Rieppel (GDM) andererseits eine grundsätzliche Stellungnahme des CdI gegen Tarifverträge. Tatsächlich beteiligten sich vereinzelt sogar Mitglieder des CdI an Tarifverträgen. Im BdI gab es ohnehin mehr Befürworter von Tarifverträgen als im CdI, aber eben auch zahlreiche Scharfmacher dagegen. Nachdem 1904 in der Aachener Textilindustrie ein Schlichtungsausschuss beschlossen worden war, zog 1907 auch die Berliner Metallindustrie nach. Konnten die je drei Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sich nicht einigen, wurde ein unparteiischer Schiedsrichter bestimmt. Beide Seiten verpflichteten sich, auf Kampfmaßnahmen zu verzichten. Borsig, über Jahrzehnte der Nestor der Berliner Metallindustriellen,125 und Emil Garvens namens der Metallindustriellen schlossen 1910 einen Tarifvertrag mit allen drei Gewerkschaftsrichtungen für die Hamburger Werften. Er verhinderte freilich nicht, dass es 1913 zu einem vom DMV zunächst nicht gebilligten Streik der norddeutschen Werftarbeiter kam, der zu erheblichen Spannungen zwischen Gewerkschaftsführung und regionaler Basis führte. Im Baugewerbe versuchten die Gewerkschaften 1910 sogar, einen reichsweiten Tarifvertrag samt Schlichtungseinrichtung zu verhindern. Selbst im VDA bestand nach der Vereinigung 1913 die Neigung, Gewerkschaften im Kleingewerbe anzuerkennen. Tarifverträge sollten spontanen Streiks bei schwachen Arbeitgebern vorbeugen. Der GDM hatte sich mit dieser Entwicklung auf den Weg von der „Kampforganisation“ zum „Regelungsverband“ gemacht. Dass der Weg noch weit war, belegen die „Allgemeinen Vorschriften“ des GDM in der Fassung von 1912.126 Diese listeten „Forderungen der Arbeitnehmer oder ihrer Organisationen“ auf, „die grundsätzlich abzulehnen und mit allen Mitteln zu bekämpfen sind“: • die Teilnahme an sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Kundgebungen; Teilnehmer waren drei Tage auszusperren, • Tarifverträge, • Mindestlöhne, • Abschaffung der Akkordarbeit, • Entlassung oder Nichteinstellung den Belegschaften unangenehmer Mitarbeiter, • Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer, • Unangemessene Verkürzung der Arbeitszeit. Bei Verhandlungen der Bezirksverbände mit der Arbeitnehmerseite sollte die Einschaltung von Behörden, Gewerbegerichten und anderen nur nach Genehmigung durch den Ausschuss des GDM erfolgen. Selbst ge-
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genüber staatlichen Auftraggebern sollte eine Streik- und Aussperrungsklausel durchgesetzt werden, die den Schadenersatz im Falle nicht erbrachter Leistungen aufgrund von Arbeitskonflikten ausschloss. Die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweis war untersagt, die Arbeitgebernachweise waren dagegen zu fördern. Stellenanzeigen durften weder in „arbeitgeberfeindlichen“ noch in Zeitungen geschaltet werden, in deren Verbreitungsgebiet gestreikt oder ausgesperrt wurde. Schließlich war ein Aussperrungs-Automatismus vorgesehen. Demnach hatte die Gesamtaussperrung zu erfolgen, wenn 50.000 Arbeiter mehr als acht Wochen lang aufgrund eines einheitlichen Vorgehens ausgesperrt wurden. Rechtlich bewegten sich Tarifvertragsparteien also in einer Grauzone. In das Blickfeld der Rechtswissenschaft rückte das Tarifvertragsrecht erst um die Jahrhundertwende. Bis 1904 behandelte das Reichsgericht in Leipzig Tarifverträge als Koalitionen nach den §§ 152 und 153 GO, d. h. sie waren völlig unverbindlich. Bezeichnend für ihr Lavieren zwischen den Interessen der Industrie und denen der Gewerkschaften lehnte die Reichsregierung eine Regelung des Tarifvertragsrechts ab, die der Deutsche Juristentag 1908 forderte. Gleichzeitig neigte die Bürokratie dazu, die Vergabe von Staatsaufträgen von einer tarifvertragsfreundlichen Haltung abhängig zu machen, wogegen wiederum die Arbeitgeber Front machten. Mit dem Urteil des Reichsgerichts von 1910 wurden Tarifverträge zwar rechtsverbindlich, doch blieb die Haftungsfrage unklar. Auch blieben tarifvertragswidrige Einzelarbeitsverträge mit tarifgebundenen Arbeitnehmern prinzipiell gültig. Mit dem Reichsvereinsgesetz von 1908 wurden die Gewerkschaften zu politischen Vereinen erklärt, was Legien hatte vermeiden wollen. Zwar war der Zwang weggefallen, den Behörden Mitgliederlisten zu übergeben. Dafür mussten alle Jugendlichen den Gewerkschaften fern bleiben. Immerhin bot das Gesetz in einigen Regionen die Grundlage für den Ausbau der Organisationen. Anläufe der Reichsregierung, paritätische Arbeitskammern zu errichten, versandeten dagegen. Im Namen der Koalitionsfreiheit hatten die Arbeitgeber eine wirksame Kampagne gestartet. Denn solche öffentlich-rechtlichen Körperschaften hätten nicht nur den Trend zu Tarifverträgen und Schlichtungsstellen beschleunigt, vielmehr hätten sich die Arbeitgeber kaum mehr der Anerkennung der Gewerkschaftsvertreter als Verhandlungspartner entziehen können.127 Die Christlichen Gewerkschaften beklagten sich immer wieder bei den Vertretern der Reichsregierung, dass diese in der Frage der Rechtsfähigkeit der Gewerkschaften, der Arbeiterkammern und der Schlichtungseinrichtungen für Arbeitskonflikte hinhaltend reagierten. Fast noch energischer als die Freien traten die Christlichen der konservativen Sammlungspolitik des „Kartells der schaffenden Stände“ entgegen. Ihr Einfluss in der
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Zentrumspartei reichte allerdings nicht aus, um hier politischen Druck zu entfalten, im Gegenteil. Seit 1910 hatte der CdI – unter Mitwirkung des Hauptausschusses ‚gelber‘ Werkvereine – wieder den besseren Schutz der Arbeitswilligen gefordert. Die VDA unternahm 1913 einen neuen Anlauf, Streikposten gesetzlich verbieten zu lassen. Ein entsprechender Antrag der Konservativen scheiterte an der Reichstagsmehrheit. Der CdI beklagte, „daß die Mehrheit der bürgerlichen Parteien auch dieses Mal dem wiederholt bekundeten Verlangen des Unternehmertums und der wirtschaftsfriedlichen Arbeiterschaft […] nicht Rechnung getragen hat“.128 So sperrig sich die bürgerlichen Parteien erwiesen, so willfährig zeigte sich die bürgerliche Justiz und Verwaltung in der Fläche. Sie verfolgten die Streikposten eher noch härter als zuvor. Am Vorabend des Krieges veranstaltete die Gesellschaft für Soziale Reform (GfSR) am 10. Mai 1914 eine öffentliche Kundgebung, in der die bürgerlichen Sozialreformer und die drei Gewerkschaftsrichtungen ihren Schulterschluss gegen die konservative Sammlungspolitik demonstrierten.129 In den Vorkriegsjahren hatte ein „beispielloser Organisationsprozess der Arbeitgeber“ stattgefunden, der die Erfolge der drei Gewerkschaftsrichtungen mehr als austarierte. Gleichwohl kam es nur selten zu einer Tarifpartnerschaft, die einer Industriegesellschaft angemessen gewesen wäre. Im Gegenteil: Es entwickelte sich, ausgehend von der Schwerindustrie, eine „Arbeitgebermilitanz“, vor deren Hintergrund sich die Gewerkschaften „festbissen in dem mühseligen Kampf um Anerkennung und tarifvertragliche Regelungen“. Die „Arbeitermilitanz“130 konzentrierte sich immer stärker auf die Reform des Wahlrechts. Denn nur die angemessene politische Repräsentation der Arbeiterschaft versprach einen Wandel. Das Arbeitsrecht des Kaiserreichs blieb ebenso „kompliziert und verworren“131 wie sein politisches System. Raumer, der Zeitzeuge, betonte im Rückblick auf den Stand der Arbeitsbeziehungen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs: „Schwere Konflikte schienen im Anzug.“ Mit dem Kriegsausbruch „beginnen […] fast schlagartig die Wandlungen, die das gesamte Gefüge der sozialen Beziehungen umformten“.132
6. Der Krieg als Schrittmacher der Veränderung Nichts belegt die faktische Integration der Arbeiterschaft in das Kaiserreich – trotz ausstehender staatsbürgerlicher Gleichberechtigung und gesellschaftlicher Anerkennung – eindeutiger als die Entscheidung der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften, sich uneingeschränkt auf die Seite des vermeintlich oder tatsächlich bedrohten Staates zu stellen. Zwar wurde die öffentliche Begeisterung über die Mobilmachung und nament-
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lich in der Arbeiterschaft nicht überall geteilt. Auch die Entscheidung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, für die von der Reichsregierung beantragten Kriegskredite zu stimmen, kostete eine Minderheit von Abgeordneten einige Überwindung. Aber die Euphorie des sogenannten August erlebnisses schien alle Bedenken fortzuspülen. Ein politischer Massenstreik gegen den Krieg war schon unter diesen Umständen kaum denkbar. Zudem hätte der Staat unter dem in Kraft gesetzten Belagerungsrecht jeden Versuch im Keim erstickt, ohne dass damit vermutlich mehr erreicht worden wäre als die Zerschlagung der sozialistischen Gewerkschaften. Alle gesellschaftlichen Kräfte versprachen sich vom sogenannten Burgfrieden im Zeichen der gemeinsamen Kriegsanstrengung die Erfüllung ihrer gegensätzlichen Hoffnungen. Bürgertum und Unternehmer hofften, ein glorreicher Sieg werde ihnen nicht nur kolossale Geschäfte bescheren, sondern auch die Arbeiterschaft von ihren Forderungen nach politischer Gleichberechtigung und wirtschaftlicher Mitbestimmung abbringen. Die Arbeiterschaft erwartete so ziemlich das Gegenteil, nämlich die baldige Erfüllung ihrer Forderungen als Gegenleistung für die eigene Kriegsanstrengung. Auch der Obrigkeitsstaat erlebte eine bemerkenswerte Nachblüte. Die Scharfmacher der Interessenverbände hatten ihre Trommelstöcke aus der Hand gelegt, die Parteien die Politik zunächst suspendiert und die Gewerkschaften auf Arbeitsniederlegungen verzichtet. Die Reichsleitung konnte mithin auf ein Morgenrot ihrer ‚Politik der Diagonale‘ zwischen den Reformforderungen der Arbeiterschaft und den ihr nahestehenden Strömungen des Bürgertums einerseits und der schwerindustriell-konservativen Kombination der Reformverweigerer andererseits hoffen. In allenfalls homöopathischen Dosen sollte sich der Obrigkeitsstaat in Richtung einer konstitutionellen Monarchie verändern. Zudem übernahm das Militär in Person der Befehlshaber der Stellvertretenden Generalkommandos die Macht in der Fläche. Der Belagerungszustand verlieh ihnen weitgehende Befugnisse, für deren Ausübung sie – mit Ausnahme der bayerischen Befehlshaber – letztlich direkt dem Kaiser verantwortlich waren. Nicht nur die Arbeiter, auch die Unternehmer und selbst das preußische Kriegsministerium sollten die Macht der Generale noch kennenlernen. Der Krieg mit seinem hohen Material- und Munitionsverbrauch traf die deutsche Volkswirtschaft reichlich unvorbereitet. Im August 1914 bauten Walther Rathenau und sein ehemaliger Ingenieur Wichard von Moellendorff unter dem Dach des preußischen Kriegsministeriums eine Kriegsrohstoffabteilung auf. Diese setzte allmählich eine umfassende Bewirtschaftung der Rohstoffe durch, um den Bedarf der wachsenden Rüstungsproduktion zu decken. In der Folge bildeten sich zahllose Kriegsgesellschaften mit öffentlichen Funktionen, in denen sich die Industriellen unter
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staatlicher Aufsicht selbst verwalteten. Mittels der mit den staatlichen Beschaffungsstellen verzahnten Selbstverwaltungsgremien waren es nun administrative Entscheidungsprozesse, die zunehmend den Markt ersetzten. Davon profitierte vor allem die rüstungsrelevante Schwer- und Großindustrie, und zwar gleich in vierfacher Hinsicht. Ihre Branchen verbuchten einen höheren Anteil am Gesamtproduktvolumen. Sie zogen Beschäftigte aus weniger kriegswichtigen Sparten ab, und der Konzentrations- und Rationalisierungsprozess hielt weiter an. Die Kriegsgewinne waren erheblich und wurden kaum abgeschöpft, trotz der anfangs zurückhaltenden Preispolitik der Beschaffungsstellen. Die Spitzenverbände der Industrie bildeten bereits am 8. August 1914 einen lockeren Kriegsausschuss. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Abwehr von Plänen zur Besteuerung von Kriegsgewinnen. Im Vorfeld des Hilfsdienstgesetzes entstand am 26. Oktober 1916 ein Deutscher Industrierat mit Vertretern des CdI, des BdI und des Chemieverbandes, der jedoch von eher marginaler Bedeutung für die industrielle Interessenpolitik war. Der CdI war auf den Wunsch Rieppels eingegangen, Branchenverbände zu bilden. Er wollte vermeiden, dass die Grundstoffindustrie die Kriegslasten überproportional auf die verarbeitende Industrie abwälzte. In Anlehnung an die Kriegswirtschaftsorganisation wurden daher im Industrierat Fachgruppen für die diversen Branchen gebildet. Die Fachgruppe Eisen und Stahl wurde von der Nordwestlichen Gruppe beherrscht. Nichtsdestoweniger blieben die Preise umstritten, die die Verarbeitungsan die Grundstoffindustrien zu zahlen hatten. Selbst ein kleinerer Regionalverband wie die Siegerländer Metallarbeitgeber wandelten sich jetzt endgültig „vom Honoratiorenclub zum Dienstleistungsbetrieb“. Der Verbandsgeschäftsführer „trat als ein autorisierter Sachwalter unternehmerischer Interessen auf, der nach außen hart den Standpunkt der Arbeitgeber vertreten und nach innen streng die Verbandsdisziplin der Mitgliedsunternehmen einfordern mußte“.133 Zu Kriegsbeginn nahm zunächst die Arbeitslosigkeit zu. Die Gewerkschaften büßten aufgrund der Einberufung ihrer Mitglieder und / oder durch fehlende Beitragszahlungen bis 1916 rund 60 Prozent ihrer Mitglieder ein. Schon aus diesem Grund kamen Streiks kaum in Frage. Recht bald stellte sich jedoch Facharbeitermangel ein. Militär und Industrie konkurrierten um das knappe Personal. Bestimmte Facharbeitergruppen wurden in eher unsystematischer Weise von der Front an ihre Werkbänke zurückbeordert. Das preußische Kriegsministerium richtete zu Jahresbeginn 1915 eine Abteilung für Arbeiterfragen ein, um eine geordnete Verteilung des Personals zwischen Industrie und Militär herbeizuführen. Die ‚reklamierten‘ Soldaten scheuten bisweilen den Kontakt zu den Gewerk-
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schaften aus Sorge, andernfalls wieder an die Front geschickt zu werden. Die Rüstungsbetriebe beschäftigten zunehmend un- und angelernte Arbeitskräfte, namentlich Frauen und Jugendliche. Teilweise wurden diese zu Lasten von Handwerk und Kleinindustrie in die rüstungsrelevanten Branchen ‚umgeschichtet‘. Unzureichende Unterstützung veranlasste die Soldatenfrauen, Arbeit in der Rüstungsindustrie zu suchen. An die Stelle der Gewerkschaftsmitglieder traten häufig Arbeiter und Arbeiterinnen ohne die handwerkliche Qualifikation sowie ohne die Disziplin und den Wertehorizont langjähriger Gewerkschaftsmitglieder. Gleichzeitig taten Teile des unteren und mittleren Funktionärskorps der Gewerkschaften Dienst an der Front, während die Gewerkschaftsführung meist den Geburtsjahrgängen der 1860er und 1870er Jahre angehörte. Deren Funktion in den Arbeiterorganisationen hielt auch das Militär für wichtiger als ihren Einsatz als Landsturmmänner in zweitklassigen militärischen Verwendungen. Schon darin waren die allmähliche Entfremdung und ein Generationengegensatz zwischen Gewerkschaftsführung und Arbeiterschaft angelegt.134 Die Gründung einer Kriegsarbeitsgemeinschaft der Unternehmer und Gewerkschaften in der schon vor dem Krieg tarifvertragsaffinen Holzindustrie im August 1914 blieb ein Solitär. Leipart sah darin ein Vorbild für alle anderen Branchen. Die Generalkommission der Gewerkschaften schlug den Arbeitgeberverbänden im September 1914 deshalb die Ausweitung auf alle Branchen vor, erhielt jedoch keine Antwort. Nur vereinzelt und regional stimmten die Arbeitgeber der Zusammenarbeit bei der Arbeitsbeschaffung und bei der Fürsorge für Kriegsinvalide zu. In der Berliner Metallindustrie führte der Facharbeitermangel zu einem Wettbewerb unter den einschlägigen Rüstungsbetrieben um qualifizierte Arbeiter. Borsig verlangte die Einschränkung der Freizügigkeit, d. h. Arbeiter sollten nur mit Zustimmung ihres bisherigen Arbeitgebers zu einem anderen Betrieb wechseln dürfen. Der DMV warnte das Kriegsministerium, dieser Forderung nachzugeben. Für das Militär war eine Schiedsstelle die logische Konsequenz eingeschränkter Freizügigkeit. Prompt verhandelten Militär, Innenverwaltung und der GDM unter Hinzuziehung von Arbeitnehmervertretern, um im Februar 1915 den Kriegsausschuss der Metallbetriebe Groß-Berlins einzurichten. Unter Vorsitz der Arbeitgeber entschieden diese gemeinsam mit Vertretern aller wichtigen Gewerkschaften und der militärischen Beschaffungsstelle wöchentlich über die Gewährung von Abkehrscheinen, die es den Arbeitern erlaubten, den Betrieb zu wechseln. Häufig wurde dem wechselwilligen Arbeiter jedoch ein höherer Lohn zugestanden. Nur in Dresden wurde nach dem Berliner Muster verfahren. Das Militär machte die Freiwilligkeit zur Voraussetzung paritätischer
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Schiedshöfe und kündigte zugleich amtliche Schlichtungsstellen an, wo sich diese Freiwilligkeit nicht einstellen sollte. Die Berliner Metallindustriellen führten Ansätze von Schlichtungseinrichtungen aus der Vorkriegszeit fort. Sie schufen, so der Zeitzeuge Reichert 1919, „das Vorbild für die paritätischen […] Schiedsausschüsse“, die ein Jahr später mit dem Hilfsdienstgesetz flächendeckend eingeführt werden sollten. Der Zechenverband verweigerte sich allen Initiativen des Kriegsministeriums, Schlichtungsstellen einzurichten. Der GDM war 1916 entschlossen, sich nur dort an paritätischen Ausschüssen zu beteiligen, wo die örtlichen Verhältnisse – wie in Berlin – dies zwingend erforderten.135 Ein Vorstoß des DMV, mit dem GDM eine zentrale Arbeitsgemeinschaft zu bilden, wurde von diesem zurückgewiesen, was der Geschäftsführer der VDA, Fritz Tänzler, ausdrücklich begrüßte. Im ländlichen Siegerland suchten die Gewerkschaftssekretäre im Januar 1915 ebenfalls den Kontakt zu den Arbeitgebern. Auch hier ging der Facharbeitermangel mit zunehmender Teuerung und Lebensmittelknappheit einher, was sich zwangsläufig in Lohnforderungen niederschlug. Der regionale Arbeitgeberverband der Metallindustrie lehnte alle Verhandlungsersuchen ab und organisierte wie gehabt die Abwehr der Lohnforderungen. Freilich wurde es immer schwerer, die Verbandsdisziplin aufrecht zu erhalten. Plötzlich interessierten sich auch militärische Stellen und die Gewerbeinspektion für die nach wie vor kursierenden ‚schwarzen Listen‘. Im Verlauf des Krieges kam es dann auch in zahlreichen anderen Regionen zu Schlichtungsausschüssen. Die Arbeitgeber veröffentlichten zwar noch 1915 gemeinsam mit den wirtschaftsfriedlichen ‚Gelben‘ eine Resolution, aber besonders in Süddeutschland bröckelte die Unterstützung der Wirtschaftsfriedlichen.136 Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg empfing am 3. März 1915 Vertreter aller Gewerkschaftsrichtungen. Es war ein Signal. Die Ächtung der Gewerkschaftsführer hörte auf, und der Einfluss der Generalkommission nahm zu. Die Reichsregierung und namentlich die süddeutschen Regierungen waren ja schon vor 1914 geneigt, der mehrheitlich reformorientierten Arbeiterschaft kleine Zugeständnisse zu machen, um sie von den revolutionären Strömungen zu trennen und sie in den Staat zu integrieren. Die Regierung war sich im Klaren, dass sie den Arbeiterorganisationen über kurz oder lang mehr bieten musste als anerkennende Worte für deren patriotische Gesinnung. Zunächst verkündete sie vage Versprechungen einer Neuorientierung. Immerhin reagierte die preußische Regierung Anfang 1915 auf eine Eingabe der Bergarbeitergewerkschaften. Sie verpflichtete die Zechen, den Arbeiterausschüssen Mitwirkungsmöglichkeiten in Lohn- und Arbeitszeitfragen einzuräumen. Zugleich wurden die Bergämter angewiesen, Arbeitskonflikte zu schlichten. Der CdI und
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die Nordwestliche Gruppe hatten jedoch so wenig wie der BdL ihre Haltung zu den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie geändert. Im Gegenteil sahen Kirdorf, Reusch und andere die Haltung der Reichsregierung mit großen Bedenken. Der BdI und die verarbeitende Industrie und ihre politischen Vertreter im linken Flügel der Nationalliberalen waren dagegen bereit, auch mit den freien Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Sie erwarteten jedoch, dass diese zur Sozialdemokratie auf Distanz gingen. Die Gewerkschaftsführung ihrerseits hielt den Rückfall der Arbeitgeber und Regierung in die alte Ausgrenzungspolitik nach dem Kriege für unwahrscheinlich. Die Arbeiterabteilung des Kriegsministeriums galt dem Kriegsausschuss der Industrie als Einfallstor der ungeliebten bürgerlichen Sozialreformer, die paritätische Arbeitsbeziehungen anstrebten. Die Abteilung sorgte als erstes dafür, dass Reklamierte nicht schlechter bezahlt wurden als normale Arbeiter. Zum Leidwesen der Arbeitgeber schloss das Kriegsministerium Lohnerhöhungen keineswegs aus. Die flächendeckende Schaffung eines Strangs von Schlichtungsausschüssen, wie die Gewerkschaften ihn forderten, lehnte das Kriegsministerium zwar ab. Aber 1916 versuchte die Arbeiterabteilung, Kriegsausschüsse nach dem Modell der Berliner Metallindustrie in allen Stellvertretenden Generalkommandos durchzusetzen. In den Augen vieler Gewerkschafter kamen die Kriegsausschüsse den jahrelang geforderten Schlichtungseinrichtungen zumindest nahe. Sie waren tatsächlich das einzige Mittel, die Fluktuation einzudämmen, wenn man ein Zwangssystem vermeiden wollte, das den meisten Arbeitgebern lieber gewesen wäre. Den schärfsten Widerstand gegen die Ausdehnung des Berliner Modells, die auch Borsig ablehnte, entfalteten der VdESI und der Zechenverband. Hier meinte man, die Gewerkschaften würden die Mitbestimmung über Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen durch die Hintertüre einführen wollen, um vor allem den Einfluss der eigenen Funktionäre zu stärken. Blieb das Kriegsministerium hart, so konnten die Unternehmer doch den einen oder anderen Kommandierenden General auf ihre Seite ziehen. Am Ende musste das Kriegsministerium vor den Befehlshabern im Ruhrrevier und in Schlesien kapitulieren. Zumindest dort hielt das hergebrachte Bündnis zwischen Arbeitgebern und Verwaltung auch unter veränderten Vorzeichen stand. Folgerichtig beantworteten Arbeitgeber Lohnforderungen mit der Drohung, die Arbeiter einzuberufen und an die Front zu schicken. Die Generalkommandos schikanierten immer mal wieder Gewerkschaftsversammlungen. Dass die Reichstagsmehrheit die Forderung aufgriff, ein öffentliches Nachweiswesen zu schaffen, war ein Erfolg der Zusammenarbeit der drei Gewerkschaftsrichtungen in dieser Frage. Das Militär hatte vereinzelt
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solche Nachweise eingerichtet. Die Arbeitgeber versuchten im Gegenzug, ihre eigenen Nachweisstellen von gewerkschaftlichem Einfluss freizuhalten. Am Ende existierten in den süddeutschen Ländern paritätische Arbeitsvermittlungen, in Preußen dagegen nicht. Regionalen staatlichen Auskunftsstellen zur Koordination der einzelnen Arbeitsnachweise wurden immerhin Beiräte der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen angegliedert. Denn die angestrebte zentrale Steuerung des Einsatzes der immer knapperen Arbeitskräfte war ohne diese Koordination nicht zu leisten. Ähnlich verhielt es sich mit der Forderung der Gewerkschaften, das Reichsvereinsgesetz zu reformieren. SPD, Liberale und Zentrum unterstützten die Forderung. 1916 bat die Generalkommission die Sozialdemokraten, einem Kompromiss zuzustimmen. Zwar galten die Gewerkschaften nicht mehr als politische Vereine, mussten sich aber außen- und verfassungspolitischer Stellungnahmen enthalten. Jugendliche durften ihnen jetzt beitreten. Zu diesem Zeitpunkt war der Burgfrieden zerbröselt. Kirdorf und die politische Rechte hatten eine Kampagne gegen die Novelle orchestriert. Das Bestreben der Militärs war es, den Krieg zu gewinnen; Arbeitskämpfe galt es zu vermeiden. Die Gewerkschaften, wollten als Gegenleistung für ihren Kriegsbeitrag institutionelle Pflöcke für die Zukunft einrammen. Genau das wollte die Schwerindustrie vermeiden137. Die Forderung nach höheren Löhnen und die Suche nach besser bezahlter Beschäftigung waren die direkte Konsequenz der sich verschlechternden Ernährungslage und der Kriegsfinanzierung. Die Regierung hatte so gut wie keine Vorkehrungen getroffen, um das von Agrarimporten abhängige Land vor den Folgen einer alliierten Seeblockade zu schützen. Nur langsam und gegen zähen Widerstand der Landwirtschaft und der Bundesstaaten wurde eine Lebensmittelbewirtschaftung eingeführt. Steigende Lebensmittelpreise, Unterversorgung und Schwarzhandel waren die Folge. Rüstungsbetriebe begannen, auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel für ihre Arbeiter zu erwerben. Bezeichnend für den rapiden Ansehensverlust der zivilen Verwaltung, forderten die Gewerkschaften einen militärischen ‚Ernährungsdiktator‘. Geschaffen wurde 1916 ein ziviles Kriegsernährungsamt, das Lebensmittel immerhin nach physiologischen Notwendigkeiten zuzuteilen versuchte. Stegerwald wurde in seinen Vorstand berufen. Freilich sah sich das neue Reichsamt auf den Unterbau der allgemeinen Verwaltung der Bundesstaaten angewiesen. Am Lebensmittelmangel, zu dem sich bald der Mangel an Konsumgütern des mittelfristigen Bedarfs gesellte, änderte sich nichts. Die Regierung finanzierte den Krieg, da die Kriegsanleihen bei weitem nicht ausreichten, mit Darlehenskassenscheinen ohne Golddeckung. Ein erheblicher Anteil des Sozialprodukts wurde im buchstäblichen Sinne
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verpulvert. Dem abnehmenden Bestand an Gütern und Vermögenswerten entsprach ein negativ reziprok wachsender Bestand an preistreibenden Nominalwerten. Folgerichtig schlug der Trend allmählich steigender Reallöhne in der Vorkriegszeit während des Krieges und namentlich in der zweiten Kriegshälfte ins Gegenteil um. Zugleich nivellierten sich die Löhne. Zwangsläufig forderten die Gewerkschaften Lohnerhöhungen. Die rüstungswichtigen Unternehmen lehnten diese nicht grundsätzlich ab, da sie sie über Preiserhöhungen wieder hereinholten. Die Arbeitgeber fürchteten indessen, dass das einmal erreichte Lohnniveau nach Kriegsende kaum mehr rückgängig zu machen sei.138 Die Burgfriedenspolitik der Sozialdemokratie und der Führung der Freien Gewerkschaften stieß zunehmend auf Kritik in den eigenen Reihen. Die deutsche Industrie nahm den Krieg als Angriff auf den Wirtschaftsstandort Deutschland wahr. Sie forderte umfassende Annexionen, um das Reich nicht nur machtpolitisch, sondern auch gegen einen künftigen Wirtschaftskrieg zu sichern. In Ansätzen teilten die Mitglieder der Generalkommission Legien, Leipart, Robert Schmidt und andere Gewerkschaftsführer die Logik ihrer Kontrahenten. In einer Flugschrift vom Mai 1916 rechtfertigte die Generalkommission ihre Kriegspolitik mit dem Argument, die deutschen Gewerkschaften seien auch Ergebnis des „blühenden deutschen Wirtschaftsorganismus“.139 Das nährte die Überlegungen im Unternehmerlager, am Patriotismus vieler Arbeiter anzuknüpfen. Die Aussicht auf umfangreiche Annexionen und deren Vorteile für die Arbeiterschaft sollte dieser den Verzicht auf Reformen nahelegen. Umgekehrt deutete eine Minderheit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion um Karl Liebknecht, Hugo Haase und andere den Krieg als wirtschaftlich motivierten Präventivkrieg des Deutschen Reiches. Sie stießen damit auf erbitterte Kritik der Gewerkschaftsführer, die die Gruppe öffentlich der Parteispaltung bezichtigten und den Vorstand der Sozialdemokratischen Partei um Friedrich Ebert unterstützten. 1916 spaltete sich die Fraktion, und im April 1917 gründete die Opposition ihre eigene Partei, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD).140 Auf dem Verbandstag des DMV im Juni 1915 waren erste Zweifel an der Burgfriedenspolitik und am defensiven Charakter des Krieges formuliert worden. Der Vorstand unter Schlicke wurde zwar bestätigt. Aber seit 1916 bildete sich im DMV der Kern einer Gewerkschaftsopposition mit Schwerpunkten in Berlin und Leipzig. Sie war auch Ausdruck der durch den Krieg erschütterten gewerkschaftlichen Strukturen in den Betrieben und vor Ort. Die innergewerkschaftliche Opposition forderte die Mitglieder auf, das Funktionärskorps der Freien Gewerkschaften zu bekämpfen. Tatsächlich wechselte der eine oder andere Funktionär die Seiten. In Ber-
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lin hatte eine Gruppe „Revolutionärer Obleute“ praktisch die Führung der Berliner Metallarbeiter übernommen. Sie initiierte einen dreitägigen Streik von 50.000 Berliner Arbeitern gegen die Verurteilung Liebknechts wegen Hochverrats. Der Gewerkschaftsführung, die politische Streiks ablehnte, war die Kontrolle offenkundig entglitten. Das untergrub ihre Position gegenüber den Militärbehörden, die mit ihrer Hilfe Streiks gerade verhindern wollten. Die Gewerkschaftsführer nahmen informelle Kontakte zu den Behörden auf. Das Kriegsministerium hielt die Generalkommandos zu einem subtilen Vorgehen gegenüber den Streiks an. Allerdings handelte sich die Gewerkschaftsführung, namentlich August Müller, den Verdacht ein, sie würde ‚Rädelsführer‘ der wilden Streiks den Militärbehörden zwecks Einberufung melden. Außerdem forderte die Gewerkschaftsführung Zugang zu den Großbetrieben, um dort gegen die Opposition aufzutreten, was das Militär teilweise unterstützte. Die wachsende Kluft zwischen Basis und Führung im DMV sollte sich 1919 in der Absage des DMV an die Arbeitsgemeinschaft mit den Arbeitgebern auswirken. Auch die Bergarbeiter an der Ruhr streikten im August 1916, allerdings um höhere Löhne angesichts steigender Preise und steigender Gewinne der Unternehmen. Der Kommandierende General mahnte die Zecheneigner, die Anliegen der Arbeiter und ihrer Vertreter nicht zu ignorieren. Bei den Christlichen Gewerkschaften kam es dagegen zu keiner vergleichbaren inneren Opposition. Jedoch ergriff nach einer patriotischen Welle zu Kriegsbeginn ab 1916 eine Friedenssehnsucht auch deren Mitglieder. Stegerwald und seine Mitstreiter hielten gegen die programmatischen Vorstellungen der Freien am Gedanken der Volksgemeinschaft, an der Monarchie und am Privateigentum fest. Aber die Zeichen standen auf Annäherung an die Führungskader der Freien.141
7. Die Gewerkschaften als Ordnungsfaktor: das Hilfsdienstgesetz von 1916 Im Sommer 1916 zeigte sich, dass Deutschland auf den industriellen Abnutzungskrieg, den es mittlerweile führte, nicht vorbereitet war. Mit der neuen Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff verband sich bis weit in die Arbeiterschaft hinein die Hoffnung auf eine umfassende Mobilisierung aller materiellen und personellen Ressourcen des Reiches, um wieder in die Offensive gehen zu können. Namentlich Stinnes und Duisberg unterstützten diese Pläne. Ein neu zu schaffendes Preußisches Kriegsamt sollte in enger Abstimmung mit der neuen OHL die gesamte Rüstungswirtschaft einschließlich Einsatz und Ernährung der Arbeiterschaft koordinieren. Eine Verdoppelung und
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Verdreifachung der Rüstungsproduktion („Hindenburgprogramm“) sollte die schwindenden personellen Ressourcen des Militärs kompensieren. Bei der Vorbereitung des Programms wurden erhebliche Spannungen zwischen Militär und Industrie deutlich. Letztere verlangte neben der Erschließung neuer Arbeitskräftereserven die Rückbeorderung von Facharbeitern aus dem Heer in die Produktion. Ein zentrales Anliegen nicht nur vieler Industrieller, sondern auch der Militärverwaltungen war die hohe Fluktuation der Beschäftigten, die zu erheblichen Reibungsverlusten führte. Manche Arbeitgeber erwarteten zudem eine restriktivere Haltung des Militärs gegenüber Lohnforderungen. Das wurde vom Kriegsministerium verhalten aufgenommen. Die OHL forderte gegen den Widerstand der Reichsregierung eine umfassende Dienstpflicht der Bevölkerung einschließlich der Frauen. Alle Augen richteten sich jetzt auf das Kriegsamt. Die Gewerkschaften und rechten Sozialdemokraten erwarteten eine Mitwirkung eigener Vertreter im Kriegsamt und eine bessere Ernährung der Arbeiterschaft. Die Industriellen waren bereits durch den Magdeburger Krupp-Direktor Sorge im Kriegsamt vertreten und freuten sich über die Rückstufung der Abteilung für Arbeiterfragen in dessen Hierarchie.142 Der Chef des neuen Kriegsamtes, General Wilhelm Groener, entwarf die Grundzüge eines „Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst“. Die gesamte männliche Bevölkerung im Alter von 15 bis 60 Jahren sollte zur Arbeit in kriegswichtigen Betrieben und Verwaltungen verpflichtet werden, soweit sie nicht zum Wehrdienst einberufen worden war. Diese umfassende Mobilisierung war in der zivilen Bürokratie umstritten. Hier fürchtete man den gestaltenden Einfluss des Reichstages. Am liebsten hätte man daher die Maßnahme auf dem Verordnungsweg umgesetzt. Aber die OHL bestand auf einem regulären Gesetz. Sie war zwar zum wichtigen politischen Akteur aufgerückt, aber offenkundig wenig vertraut mit dem Spielraum des Parlaments und mit den politischen Möglichkeiten der Parteien. Das Militär hatte sich im Interesse der Kriegführung an die beschränkte Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gewöhnt. Folgerichtig war es bereit, die Belange der Gewerkschaften aller drei Richtungen zu berücksichtigen. Immerhin sollten diese nichts Geringerem zustimmen als der Aufhebung der Freizügigkeit. Mit der Zuweisung an kriegswichtige Betriebe verloren die Arbeitnehmer die Freiheit der Berufswahl, der Wahl und des Wechsels des Arbeitsplatzes. Die Regierung hegte Bedenken, durch Zugeständnisse die Arbeitsbeziehungen nach dem Krieg zu präjudizieren. In den Vorverhandlungen im November 1916 zeigten sich die bekannten Unterschiede. Der Metallindustrielle Rieppel begrüßte Schlichtungsausschüsse, Hilger und Beukenberg, Manager der Schwerindustrie, lehnten
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sie ab. Hilger wollte lieber auf die Einschränkung der Freizügigkeit verzichten, als Ausschüsse einzurichten. Dass diese nur für die Kriegszeit beschlossen werden sollten, überzeugte die Schwerindustrie nicht. Sie wollte den Gewerkschaftssekretären keine Plattform bieten, um die Belegschaften gegen die Arbeitgeber aufzuwiegeln. Da ein Militär den Vorsitz in den Hilfsdienstausschüssen übernehmen sollte, willigten die Manager schließlich widerstrebend ein. Die Generalkommission, vertreten durch Legien und den zweiten Vorsitzenden, Bauer, erhob keine grundsätzlichen Einwände gegen den Gesetzentwurf. Sie forderten jedoch Arbeiterausschüsse in allen Betrieben, die reichsweite Einrichtung von Schlichtungsausschüssen sowie unbeschränkte Koalitionsfreiheit für die Arbeiter in Staatsbetrieben und in der Landwirtschaft. Die Arbeitgeber sollten mit den Vertretern der Arbeiter verhandeln und sie damit anerkennen. Dass das geplante Gesetz „auf militärische Basis“ gestellt werde, begrüßten Legien und Bauer in einer Verbandskonferenz im November 1916 als Vorteil. Bei den Militärs habe man „stets weitgehenderes Verständnis gefunden“ als in der zivilen Bürokratie.143 Stegerwald brachte das Dilemma des Kriegsamtschefs auf den Punkt: „Legien, Bauer, Hartmann und ich haben keinerlei Entgegenkommen gezeigt, so daß […] Groener vor der Wahl stand, entweder es mit den gesamten Gewerkschaften zu verderben oder gegenüber der Großindustrie in eine sehr unbehagliche Situation zu kommen. Er hat sich nunmehr zu der letzteren Möglichkeit entschieden […].“144 Zugleich steht diese Äußerung für die starke Annäherung der drei Gewerkschaftsrichtungen einschließlich derjenigen der Angestellten im Kampf für erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten.145 Groener entschloss sich zum Leidwesen des Staatssekretärs des Innern, Karl Helfferich, den latenten Kampf der Arbeitgeber gegen die Gewerkschaften zu beenden, deren Führer in die Kriegswirtschaftsorganisation einzubinden und so die Arbeiterschaft unter Kontrolle zu halten. Der Gesetzentwurf reflektierte noch Helfferichs Bestreben, Zugeständnisse an die Gewerkschaften zu umgehen. Zwar akzeptierte der Bundesrat die paritätische Zusammensetzung der Schlichtungsausschüsse, aber keine weiteren Forderungen der Gewerkschaften. Der Reichstag seinerseits ergriff die Gelegenheit, einen Teil der Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, den er mit dem Ermächtigungsgesetz vom Kriegsbeginn beschränkt hatte. Das Parlament schuf so „die Voraussetzungen für eine massive Interessenpolitik der Gewerkschaften“. Im Haushaltsausschuss formulierte Legien die Voraussetzungen für eine Zustimmung der Sozialdemokraten: Arbeiterausschüsse in allen Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten, paritätische Schlichtungsausschüsse, die Wahl der Arbeitervertreter in diesen Ausschüssen auf Vorschlag der Ge-
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werkschaften und schließlich die Ausdehnung der Koalitionsfreiheit auf die Staatsbetriebe und die Landwirtschaft. Sozialdemokraten, Linksliberale und Zentrum sowie einzelne Vertreter des Kriegsamtes ventilierten eine Beschneidung der Kriegsgewinne, die die Stilllegung nicht kriegswichtiger Betriebe und die Zuweisung von Arbeitskräften an die Rüstungsindustrie kompensieren sollte. Wenigstens diese Forderung konnte die Regierung den Abgeordneten ausreden. Die Sozialdemokraten verlangten – gegen anfängliche Widerstände auch in den Reihen bürgerlicher Abgeordneter – das Recht der dienstverpflichteten und reklamierten Arbeiter, ihren Arbeitsplatz wechseln zu dürfen, wenn andere Betriebe deutlich bessere Löhne boten. Am Ende traten nur die Konservativen und die Vertreter der linken Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft als Gegner des Hilfsdienstgesetzes auf. Im Gegenzug zu einigen Zugeständnissen – sie verzichteten auf Arbeiterausschüsse in den Staatsbetrieben, aber nicht in der Landwirtschaft – konnten sich die Sozialdemokraten mit ihren Forderungen im Wesentlichen durchsetzen. Die Regierung nahm frustriert zur Kenntnis, dass ihnen die Sozialdemokraten das Heft aus der Hand genommen hatten und sich dabei bürgerlicher Unterstützung erfreuten. Die Gewerkschaften waren vom Staat formell anerkannt worden. Das schlug sich nicht zuletzt in der Berufung von Schlicke in das Kriegsamt nieder, der dort fortan als Leiter der Abteilung für Arbeiterangelegenheiten wirkte. In der ‚Hilfsdienstachse‘ aus Mehrheitssozialdemokratie, Linksliberalen, Zentrum und Teilen der im Allgemeinen industriefreundlichen Nationalliberalen zeichnete sich eine regierungsfähige Mehrheit ab. Ein schlechtes Omen war jedoch, dass eine Minderheit der sozialdemokratischen Abgeordneten sich der Stimme enthielt oder erst gar nicht zur Abstimmung erschienen war. Die hergebrachte Disziplin löste sich auf. Zudem war das Gesetz auch in den Gewerkschaften kein Selbstläufer. Es musste den Mitgliedern gegen die Kritik der Gewerkschaftsopposition erst als Fortschritt oder wenigstens erträglicher Kompromiss vermittelt werden. Den Appell der Generalkommission, der „vaterländische[n] Organisationspflicht“ entspreche die „gewerkschaftliche Organisationspflicht“,146 konnten wiederum die Arbeitgeber nur als beunruhigendes Signal empfinden. Dennoch war die Mitwirkung der Belegschaften an der Betriebsführung mittels Arbeiterausschüssen ein Erfolg. Allerdings waren die Ausschüsse auch für Lohn- und Tariffragen zuständig und konnten sich an die Schlichtungsausschüsse wenden. In den vielen Branchen ohne Tarifverträge und ohne Anerkennung der Gewerkschaften fehlte den betrieblichen Arbeiterausschüssen der Rückhalt der Branchengewerkschaften. Das eröffnete den jeweiligen Betriebsleitungen einen erheblichen Einfluss auf die Ausschüsse. Die ur-
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sprüngliche Absicht der umfassenden Mobilisierung aller verfügbaren Arbeitskräfte für die Rüstungsproduktion war dagegen verwässert worden. Die Rechte der Bundesstaaten blieben weitgehend gewahrt. Auch das stand einer streng an der Effektivität orientierten Rüstungsproduktion entgegen, wie sich bald zeigen sollte. Die Absicht, die Fluktuation der Arbeitskräfte zu beschränken, hatte sich fast in ihr Gegenteil verkehrt. Die Spirale aus Lohnerhöhungen, Preiserhöhungen und Kriegsgewinnen nahm Fahrt auf. Sie stand für einen stillschweigenden Inflationskonsens zwischen Militär, Industrie und Gewerkschaften, dem sich die Landwirtschaft durch Schwarzhandel anzupassen versuchte.147 Während der Konferenz aller Richtungsgewerkschaften und Angestelltenverbände traten sowohl Groener als auch Helfferich auf. Das dokumentierte die wachsende Integration der Gewerkschaftsführung in das politische System des Kaiserreiches. Bauer unterstrich für die Generalkommission die Vorteile des Gesetzes. In allen kriegswichtigen Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten waren Arbeiter- und Angestelltenausschüsse einzurichten. Diese hatten das Recht, bei Konflikten mit der Betriebsleitung die Gewerbegerichte oder den Schlichtungsausschuss anzurufen. Das Recht, zwecks höherer Löhne und besserer Arbeitsbedingungen zu kündigen, blieb erhalten und wurde auf Reklamierte erweitert. Der Dienstpflichtige konnte sich an einen paritätischen Schlichtungsausschuss unter Leitung eines Offiziers wenden, wenn sein bisheriger Arbeitgeber die Ausstellung eines Abkehrscheins verweigerte. Frauen und Jugendliche bis 16 Jahren wurden nicht dienstverpflichtet. Die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Ausschüssen einschließlich des Feststellungsausschusses, der über die Kriegswichtigkeit von Betrieben und die Dienstpflichtigkeit von Personen entschied, wurden nicht gewählt, sondern auf Vorschlag vom Kriegsamt berufen. Bauer sah darin einen „Schönheitsfehler“. Gleichwohl sei der Herr-im-Hause-Standpunkt der Unternehmer im Grundsatz gebrochen worden. Bauer hoffte auf die Einsicht der Arbeitgeber, sich nicht dauerhaft Schlichtungseinrichtungen verweigern zu können. Deren Vorsitzender Hartmann betonte für die liberalen Gewerkschaften den Erfolg, dass nun auch die Schwerindustrie und die Landwirtschaft Arbeiterausschüsse einrichten müssten. Damit werde auch die überholte Gesindeordnung obsolet. Schon skeptischer fürchtete Siegfried Aufhäuser, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft (sozialdemokratischer) Angestelltenverbände (AfA), dass seine Klientel nun in die Rüstungsindustrie einberufen werden würde. Immerhin hatten die Angestellten erstmals eine Vertretung im Betrieb erhalten. Die Arbeiterausschüsse förderten eine Schicht betrieblicher Interessenvertreter, die auch Druck auf die Gewerkschaften ausüben konnten. Józef Rymer von der Polnischen Berufsverei-
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nigung, die vor allem mit den Christlichen Gewerkschaften konkurrierte, galt das Hilfsdienstgesetz gar als „bittere Pille“, die geschluckt werden müsse. Stegerwald mahnte die loyale Umsetzung des Gesetzes und die loyale Zusammenarbeit der Gewerkschaftsrichtungen gleichermaßen an. Schlicke ließ sich schließlich noch seine Verwendung im Kriegsamt bestätigen.148 Wenn der württembergische sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Karl Hildenbrand verkündete, das Hilfsdienstgesetz habe endlich die Erfolge gebracht, für die man jahrzehntelang vergeblich gekämpft habe,149 brachte er damit die Auffassung von Legien und der Mehrheit der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer zum Ausdruck. Nicht die Revolution, sondern die Reform war der Kern sozialdemokratischer Politik seit Jahrzehnten. Das Hilfsdienstgesetz war ein Paradigmenwechsel und eine Etappe auf dem Weg zur Modernisierung des Reiches. Die fortschreitende Zusammenarbeit mit den christlichen und liberalen Konkurrenten lag auf dieser Linie. Bei den Metallarbeitern bestand seit 1916 eine lockere Arbeitsgemeinschaft. In anderen Branchen, namentlich im Bergbau, blieb es bei mentalen Reserven gegenüber den anderen Gewerkschaftsrichtungen. Der gemeinsame Gegensatz gegen die ‚Gelben‘ förderte wiederum die Zusammenarbeit. Die Abneigung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer gegen Streiks und ihre Hoffnung auf friedliche Schlichtung von Streitigkeiten entsprachen dem Kurs, den die Christlichen gerade während des Krieges bevorzugten. Dabei wuchs auch deren Sorge über die unzureichende Ernährungslage. Die wachsende Annäherung der Freien Gewerkschaften an die GfSR mündete 1917 im Beitritt zu diesem im Kern bildungsbürgerlichen Verein.150 Der eigentliche Zweck des Gesetzes, die Umsetzung des HindenburgProgramms, blieb unterdessen auf der Strecke. Nur mit Mühe bekam das Kriegsamt eine Kohlenkrise und eine Transportkrise in den Griff. Unter anderem wurden 125.000 Facharbeiter von der Front zurückbeordert und die Stilllegung von Betrieben zugunsten der Großindustrie vorangetrieben. Namentlich die süddeutschen Staaten sahen darin eine Gefährdung ihrer Industrie und leisteten Widerstand. Einzelne Unternehmen scheuten sich nicht einmal, Stellenangebote in der ungeliebten Gewerkschaftspresse zu annoncieren; so dringend suchte man nach Facharbeitern. Unterdessen gestaltete sich die Erfassung der Hilfsdienstpflichtigen zäh, und mancher Dienstpflichtige entzog sich der Einberufung. Es zeigte sich, dass bislang ungenutzte Arbeitskräftereserven kaum erschlossen werden konnten. Vielmehr wurde das vorhandene Potenzial zugunsten der unmittelbar kriegswichtigen Produktion umverteilt. Dabei konkurrierte das Heer mit seinem wachsenden ‚Verbrauch‘ an gesunden und qualifizierten Männern unmit-
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telbar mit der Rüstungsindustrie. Anfang 1918 arbeiteten 1,2 Millionen kriegsverwendungsfähiger Männer in der Industrie. Die Erweiterung des administrativen Unterbaus des Kriegsamtes und die Einrichtung des Kriegsernährungsamtes änderten auch nichts an der katastrophalen Ernährungslage im Winter 1916 / 17. Folgerichtig musste der projektierte Ausbau neuer Produktionskapazitäten bald zurückgefahren werden. Es zeigte sich, dass die Vorsitzenden der Hilfsdienst-Ausschüsse in den Regionen, in denen die Schwerindustrie dominierte, häufig zugunsten der Arbeitgeber entschieden. Der DMV sah in den Ausschussvorsitzenden dann auch reine Unternehmervertreter. Das wusste die Gewerkschaftsopposition in ihrer grundsätzlichen Kritik am Hilfsdienstgesetz zu nutzen. In Württemberg wurden die Vorsitzenden der Schlichtungsausschüsse dagegen zur Neutralität angehalten. Umstritten zwischen Gewerkschaften und Unternehmern war auch die Neuwahl der Arbeiterausschüsse. Denn bereits bestehende Ausschüsse konnten weitergeführt werden; nur waren die Gewerkschaften hier oft schwach vertreten. Dennoch nutzten der DMV und andere Gewerkschaften die Arbeiterausschüsse, um endlich Zugang zu den Betrieben zu finden. Die Bildung der Angestelltenausschüsse versuchten die Betriebe häufig zu verzögern. Die Großindustriellen in Oberschlesien, an der Saar und die rheinisch-westfälische Schwerindustrie sowie die Leichtindustrie am Rande des Reviers sowie Krupp blieben bei ihrer harten Linie, mit den Gewerkschaften nicht zu verhandeln. Für sie kamen nur die ‚gelben‘ Gewerkvereine als Verhandlungspartner in Frage. Dem Versuch, die ‚Gelben‘ möglichst zahlreich in den Ausschüssen zu platzieren, war jedoch kein großer Erfolg beschieden. Enttäuscht registrierten die Schwerindustriellen, dass der Reichstag und letztlich auch das Kriegsamt hier mehr oder weniger auf Seiten der Gewerkschaften standen und die ‚Gelben‘ ignorierten. Im Unterschied zu den Schwerindustriellen verständigte sich der VBM unter dem Einfluss von Rieppel mit den Gewerkschaften und ließ die ‚Gelben‘ fallen. Diese versuchten sich durch drastisch höhere Beiträge von ihrer Abhängigkeit von den Arbeitgebern zu emanzipieren, die ihrerseits nach weniger kompromittierenden Wegen der finanziellen Unterstützung suchten. Letztlich drifteten die ‚Gelben‘ als Splittergruppe in der Arbeitnehmerschaft zunehmend zur politischen Rechten. Symptomatisch für die Unzufriedenheit der Arbeitgeber mit dem Hilfsdienstgesetz, dem Wandel der Militärbehörden im Verhältnis zu den Gewerkschaften („Referenz vor dem König Mob“) und dem Desinteresse Groeners an den ‚Gelben‘ war die Philippika Hilgers und anderer im VdESI im Juni 1917. Ähnlich verhielt sich der Zechenverband.151 In einem Treffen mit Militärs, unter anderen mit einem Vertrauten Ludendorffs, forderten Wilhelm Beumer, Geschäftsführer sowohl des Langnam-Vereins
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Quelle: montan.dok 027200084001
Abbildung 7: Ewald Hilger (1859–1934)
(„Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“, gegründet 1871) wie der Nordwestlichen Gruppe, der Bayer-Manager Duisberg, der Krupp-Direktor Alfred Hugenberg, die Schwerindustriellen Kirdorf, Reusch, Paul Silverberg (Generaldirektor der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlebergbau), Springorum, August Thyssen, Albert Vögler, Generaldirektor der DeutschLuxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG (DeutschLux), Fritz Winkhaus, Generaldirektor des Köln-Neuessener Bergwerksvereins, im August 1917, den § 9 des Hilfsdienstgesetzes aufzuheben. Beumer und Kirdorf kritisierten die Überschätzung der Gewerkschaften im Allgemeinen und namentlich durch die Behörden sowie die „Zurücksetzung“ der ‚Gelben‘ zugunsten der „Kampforganisationen“.152 Die Arbeitgeber wollten die Fluktuation der dienstpflichtigen Arbeiter einschränken, die die Rüstungsbetriebe auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften durch attraktive Lohnofferten selbst anheizten. Zudem wurden wechselwillige Arbeiter wieder unter Druck gesetzt. Der VdESI verbot seinen Mitgliedern, Auskünfte über erzielbare Löhne zu erteilen. Auch die OHL liebäugelte damit,
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das Gesetz aufzuheben und durch militärische Zwangsmaßnahmen zu ersetzen.153 Gegen den Verschleiß der materiellen und personellen Ressourcen des Deutschen Reichs halfen weder das Hindenburg-Programm noch das Hilfsdienstgesetz. „Bahnbrechende Bedeutung“ hatte dieses jedoch für die künftigen Arbeitsbeziehungen. Jahrzehntealte Forderungen der Gewerkschaften und der bürgerlichen Sozialreformer nach betrieblichen Arbeitnehmerausschüssen und einem Instanzenzug von Schlichtungseinrichtungen wurden erfüllt. Der Ausbau von Tarifverträgen lag auf der Linie dieser Entwicklung. Auch dank des Hilfsdienstgesetzes verzeichneten die unabhängigen Gewerkschaften einen stetigen Mitgliederzuwachs. Die Freien verbesserten sich zwischen 1916 und 1918 von 965.000 auf 1,6 Millionen, die Christlichen von 174.000 auf 393.000 und die Liberalen Gewerkvereine von 58.000 auf 114.000 Mitglieder. Der DMV organisierte die Rüstungsarbeiter und verdoppelte seine Mitgliederzahl nahezu.154 Allerdings war der jetzt erreichte Stand in den Arbeitsbeziehungen ein Provisorium. Die Gewerkschaften konnten davon ausgehen, dass Teile der Arbeitgeber versuchen würden, nach dem Krieg so weit wie möglich zum Status quo ante zurückzukehren. Nur Teile der Unternehmerschaft hatten gelernt, die unabhängigen Gewerkschaften als Verhandlungspartner nicht nur widerwillig zu akzeptieren, sondern in ihrer Ordnungsfunktion zu begreifen. „Die Industrie müsse hier umlernen“, so der Braunkohlenindustrielle Paul Silverberg im Juli 1917, „und sehen, dass es am besten sei, wenn die Arbeiter straff organisiert seien und unter gewerkschaftlicher Disziplin stünden.“155 Der arbeitsrechtliche Rückschritt war aus der Sicht des Jahres 1917 nur dann zuverlässig auszuschließen, wenn die Parlamentarisierung des Reiches gelang. Dann würde sich der Status quo nachhaltig gesetzlich verankern lassen. Die anstehende Kürzung der Brotrationen versuchte die Reichsregierung durch das Versprechen einer Wahlrechtsreform zu kompensieren. Die Osterbotschaft des Kaisers vom 7. April 1917 vertröstete die Arbeiterschaft jedoch weiter auf eine Reform nach dem Krieg. Streiks der Rüstungsarbeiter in Berlin und Leipzig im April 1917 nahmen unter dem Einfluss der linken Massenstreikpropaganda erneut politischen Charakter an. Den Kommandierenden Generalen war freie Hand gegeben worden, das Belagerungsrecht gegen Streikende anzuwenden. Die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre sahen sich wieder mit einem erheblichen Kontrollverlust konfrontiert, da es ihnen schwerfiel, ihre Kriegspolitik gegenüber der Kritik der neugegründeten USPD zu rechtfertigen. Ebert und andere Funktionäre der Mehrheitssozialdemokratie billigten insgeheim das
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schärfere Durchgreifen gegen streikende Arbeiter in der Hoffnung, damit der linken Opposition beizukommen. Freilich hielt sich mancher General nicht mit feinsinnigen Unterscheidungen zwischen Mehrheits- und Unabhängigen Sozialdemokraten, rechten Gewerkschaftsführern und Vertretern der linken Gewerkschaftsopposition auf. Die Generalkommission drohte daher dem Militär, ihre Unterstützung zu entziehen, und wandte sich an die OHL. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die Gewerkschaftsführer an ihrer Unterstützung der Kriegspolitik festhielten. Ludendorff seinerseits drängte mittlerweile auf direkte Gespräche zwischen den Industriellen und den Gewerkschaften über die künftige Übergangwirtschaft. Schlicke hatte im April 1917 der Generalkommission noch vorgeworfen, sich den Behörden zu sehr anzubiedern. Jetzt stand er als leitender Angehöriger des Kriegsamtes gleichsam stellvertretend für die Politik der Gewerkschaftsführung als ‚Arbeiterverräter‘ in der Kritik. In einer Verbandstagung des DMV im Juni 1917 erhielt er zwar noch einmal ein Vertrauensvotum, denn nahezu die Hälfte der Delegierten waren Funktionäre. Erstmals wurde, wenn auch mit knapper Mehrheit, mit Robert Dißmann ein zweiter Berichterstatter durchgesetzt, der sich kritisch mit dem Rechenschaftsbericht Schlickes auseinandersetzte. Die linke Opposition hatte mit ihrer Forderung, zum Klassenkampf zurückzukehren, unter den einfachen Mitgliedern erheblich Boden gutgemacht. Die Befürworter des Hilfsdienstgesetzes mussten sich harte Kritik anhören. Adolf Cohen wurde als Urheber des Hilfsdienstes und Legien von Dißmann als „Scharfmacher“ kritisiert. Die Verteidiger der Kriegspolitik führten nicht zuletzt die dank der Abkehrscheine erzielten erheblichen Lohnsteigerungen ins Feld. Die von den Leipziger Metallindustriellen eingeräumten Zugeständnisse – die Wochenarbeitszeit wurde auf 52 Stunden reduziert und Teuerungszulagen gewährt – waren freilich das Ergebnis der von der DMV-Führung abgelehnten Aprilstreiks. Im DMV verstärkte sich ein Trend, der im Sommer 1919 kulminieren sollte. Hilger und andere sahen ihre von Anfang an gehegten Bedenken bestätigt, dass die Gewerkschaften dank der neuen institutionellen Möglichkeiten die Arbeiter im eigenen Organisationsinteresse zu immer neuen Forderungen aufwiegeln würden. Tatsächlich eilten Bergarbeiterfunktionäre im Sommer 1917 nach Oberschlesien, um wilde Streiks unter Kontrolle zu bringen. Sie versuchten die Arbeiter zu organisieren, um geregelte Verhandlungen mit den Arbeitgebern in Gang zu bringen. Unter Führung von Hilger – der den Kommandierenden General auf seiner Seite wusste – verweigerten sich die Arbeitgeber. In einer Zwickmühle steckte auch der Kriegsamtschef. Politische Streiks wollte Groener nicht dulden, gegen Lohnerhöhungen hatte er nichts einzuwenden. Er stellte den Gewerkschaften im März 1917 eine
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„befriedigende Lösung“ in Aussicht.156 Die Unternehmer forderten einerseits hartes Vorgehen, wollten andererseits aber nicht einmal ihre streikenden Arbeiter zum Kriegsdienst eingezogen sehen. Die Militarisierung ihrer Betriebe, d. h. deren Leitung durch einen Offizier, passte ihnen naturgemäß ebenfalls nicht, obwohl Streiks damit verboten gewesen wären. Die von Groener geplante Revision der Regelungen zum Wechsel des Arbeitsplatzes lag eher auf ihrer Linie. Im Kriegsamt wurde zugleich eine Einhegung der Lohn-Preis-Spirale durch eine schärfere Kontrolle der Preise für Eisen und Stahl erwogen. Obendrein forderte Groener von der OHL, ihren in der Arbeiterschaft zunehmend verabscheuten Annexionismus zu mäßigen. Im August 1917 wurde der in den Augen von Schwerindustrie und OHL zu gewerkschaftsfreundliche General abberufen. Neben der OHL hatten der Chemieindustrielle Duisberg und vermutlich auch Stinnes seinen Sturz betrieben. Die Wertschätzung, die Groener bei den Metallindustriellen Rieppel und Borsig genoss, konnte das Zusammenwirken seiner mächtigen Gegner nicht aufwiegen. In den Augen der Gewerkschaften war es der Industrie gelungen, einen um Kompromisse mit der Arbeiterschaft ernsthaft bemühten Verhandlungspartner auszuschalten. Im Monat zuvor hatte auch Bethmann-Hollweg sein Amt als Reichskanzler verloren. Beukenberg, Duisberg, Kirdorf, Reusch, Rieppel und Springorum finanzierten den Alldeutschen Verband. Sie begrüßten namens des VdESI im September 1917 die Gründung der Vaterlandspartei, da man anderer Meinung sei als „die sogenannte Reichstagsmehrheit“.157 Tatsächlich verband die Propaganda dieser außerparlamentarischen Opposition den Annexionismus und den Kampf gegen politische und soziale Reformen mit der Ablehnung des Hilfsdienstgesetzes. Sie pflegte zudem enge Kontakte mit der OHL und trat der ‚Hilfsdienstachse‘ des Reichstages entgegen. Die Vaterlandspartei wurde vom CdI, vom VdESI, von der Schwer- und Chemieindustrie, vom Großgrundbesitz und einigen Banken finanziell gefördert. Die Industriellen sollten sich im Sommer 1918 wieder zurückziehen, denn das Engagement für die Trommler gegen Reformen und für den ‚Siegfrieden‘ ließ sich kaum mehr mit den immer engeren Kontakten mit den Gewerkschaften vereinbaren. Gemeinsam mit dem liberalen, sozialreformerischen Bildungsbürgertum gründeten die liberalen und die christlichen Gewerkschaften im Dezember 1917 den Volksbund für Freiheit und Vaterland. Die Freien Gewerkschaften schlossen sich nur teilweise an; der DMV verweigerte sich. Aus der Großindustrie unterstützte nur der württembergische Industrielle Robert Bosch die Neugründung. Der Volksbund wünschte zwar einen deutschen Sieg, lehnte aber Annexionen ab. Er strebte die Parlamentarisierung an, hielt jedoch an der Monarchie fest.
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Trotz formal breiter Massenbasis war der Volksbund der rechten Propaganda kaum gewachsen. Dagegen lavierte die Reichsregierung – nach kurzem Zwischenspiel ab November 1917 unter Georg von Hertling als Reichskanzler und Preußischer Ministerpräsident – weiter zwischen den Forderungen der ‚Hilfsdienstachse‘ des Reichstages und der festen Absicht der Rechtsparteien, nach dem siegreichen Krieg zu den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen von vor 1914 zurückzukehren. Die Berufung Stegerwalds als erstem Arbeitervertreter in das Preußische Herrenhaus war unter diesen Umständen eher Ausdruck des Weiterlavierens als ein wirksames Symbol.158
8. Das Reformprogramm der Gewerkschaften Im Sommer 1917 hatten sich die Gewerkschaftsrichtungen auf gemeinsame Grundsätze zur Demobilmachung und zur Wiedereingliederung der Arbeiter in die Produktion geeinigt. Unter anderem sollte die Arbeitsvermittlung gesetzlich geregelt, eine Arbeitslosenunterstützung geschaffen und der Instanzenzug der Schlichtungsausschüsse unter dann zivilbehördlicher Leitung erhalten werden. Die Freien Gewerkschaften verbanden die Vorstellungen zur Übergangswirtschaft mit einem sozialpolitischen Arbeitsprogramm. Es beinhaltete neben einigen sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen – Volkshygiene, Wohnungsfürsorge, den Abbau der Lebensmittelzölle und indirekten Steuern sowie eine einheitliche Sozialversicherung – die rechtlichen und institutionellen Grundlagen der Arbeitsbeziehungen einer modernen Industriegesellschaft:159 • unbeschränktes Koalitionsrecht, • Rechtsverbindlichkeit von Tarifverträgen, • Arbeiterausschüsse in allen Betrieben ab 20 Beschäftigten, • Schlichtungsstellen in allen Instanzen (von der Gemeinde bis zum Reichseinigungsamt), • paritätische Arbeitskammern, • ein einheitliches Arbeitsrecht, • ein Reichsarbeitsministerium mit einem Unterbau an Reichs- und Landesarbeitsämtern, • eine öffentliche Arbeitsvermittlung mit paritätischer Besetzung, • internationale Sozialpolitik sowie, als besonders brisante Forderung, • den 9-Stunden-Arbeitstag mit allmählichem Übergang zum Achtstundentag.
8. Das Reformprogramm der Gewerkschaften93
Eine Veränderung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung wurde dagegen nicht gefordert, zumal diese von den beiden anderen Richtungen abgelehnt worden wäre. Der VdESI konterte schon im August 1917160 und die VDA im März 1918 mit diametral entgegengesetzten Forderungen. Die „beschleunigte Wiedereinsetzung der freien Privatwirtschaft“ sollte mit der Aufhebung des Hilfsdienstgesetzes und namentlich der „Schlichtungsausschüsse und Schlichtungsstellen“ einhergehen. Die Rückkehr der Demobilisierten in ihre früheren Beschäftigungsverhältnisse sollte ohne „gesetzliche Verpflichtung zur Wiedereinstellung“ geregelt werden. Der Individualarbeitsvertrag als Teil der Gewerbefreiheit dürfe „nur aus beiderseitigem Willen“ durch Kollektivabsprachen ergänzt werden. Der Gesetzgeber habe daher „von einer ‚gesetzlichen Regelung‘ abzusehen“. Keinesfalls sollte die Vergabe öffentlicher Aufträge mit sozialpolitischen Klauseln versehen werden. Arbeitsnachweise der Arbeitgeber seien zu fördern statt zu benachteiligen. Mindestlöhne wurden ebenso abgelehnt wie allgemeine Höchstarbeitszeiten. Man kritisierte die anstehende Aufhebung des § 153 GO. Schon jetzt seien die „Arbeitsbereiten“ nur unzureichend gegen die „Kampfgewerkschaften“ geschützt. Die „zwangsweise Unterwerfung unter die Entscheidung außenstehender Stellen“ im Fall von Arbeitskämpfen, also die staatliche Zwangsschlichtung, galt als unannehmbar. Ähnlich äußerte sich der Zechenverband. Die GfSR reagierte im April 1918 mit einem entgegengesetzten Katalog, der die zentralen Forderungen der Gewerkschaften bündelte. Der Schulterschluss der Gewerkschaftsführung mit dem reformbereiten Bürgertum war so wegweisend wie die Formierung der Rechten.161 Als der Reichstag die Abschaffung des § 153 GO beschloss, folgte ihm die Regierung Hertling. In der Industrie sprach man dagegen von regelrechtem Terrorismus, dem jetzt die Tür geöffnet worden sei. Auch die Forderung der Gewerkschaften nach paritätischen Arbeitskammern griff die Regierung auf. Das Projekt war noch 1910 an der Wählbarkeit von Gewerkschaftsvertretern gescheitert. Als der Reichstag begann, den Entwurf der Regierung zugunsten der Gewerkschaften umzubauen, vollzogen VDA und CdI im Frühjahr 1918 eine bemerkenswerte Wende: Sie wollten das Gesetz jetzt mitgestalten und kritisierten das Desinteresse der bürgerlichen Reichstagsabgeordneten an dem Projekt. Der Entwurf blieb am Ende jedoch liegen. Auch die im vorparlamentarischen Raum geführte Debatte über ein Tarifrecht zeitigte am Ende kein Ergebnis. Die Bilanz an nachhaltigen Reformen fiel mit der Novelle des Vereinsrechtes und der Abschaffung des § 153 GO mager aus. Die Fortschritte bei der Integration der Gewerkschaften und der Regelung der Arbeitsbeziehungen gingen vor
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allem vom Militär aus. Das waren zweischneidige Erfolge, denn die Gewerkschaftsführung geriet in den Ruf des Erfüllungsgehilfen des Militärs. Dabei waren dessen Maßnahmen zwangsläufig nur für die Dauer des Krieges vorgesehen. Von der Regierung und der zivilen (Ministerial-) Verwaltung hatten die Arbeitnehmer offenbar nicht mehr viel zu erwarten. Dagegen stellten sich einige bislang unbeugsame Großindustrielle auf Gespräche mit den Gewerkschaften ein.162
IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18 1. Vorsichtige Annäherung: das Problem der Übergangswirtschaft Nur ein Mann mit dem Prestige von Hugo Stinnes konnte es wagen, am 22. März 1917 im „Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund“ die unerhörte Frage zu stellen, ob mit den Gewerkschaften nicht nur über Kriegsziele, sondern auch über Wirtschaftspolitik zu sprechen sei. Die Montanindustriellen lehnten das vorläufig ab. In Berlin debattierten in der von Walther Rathenau und Robert Bosch gesponserten „Deutschen Gesellschaft 1914“ Spitzenbeamte, Unternehmer, Diplomaten, Journalisten, Professoren und Künstler über die politische Zukunft des Landes. Hier griffen zwei Männer im Frühjahr 1917 die Frage des künftigen Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften auf. Der ehemalige Gärtnergeselle August Müller hatte zu diesem Zeitpunkt eine erstaunliche Karriere vom Gewerkschaftssekretär und sozialdemokratischen Journalisten zum (in Zürich) promovierten Nationalökonomen und Vorstandsmitglied des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften hingelegt.163 Am 1. Juni 1916 war er als erster Sozialdemokrat überhaupt in ein Regierungsamt, nämlich in den Vorstand des Kriegsernährungsamtes, berufen worden. 1917 sollte er gar zum Unterstaatssekretär in der zum Reichsamt aufgewerteten Zentralbehörde aufrücken. Hermann Schumacher war Professor für Nationalökonomie an der Universität Bonn. Seine Nähe zur Schwerindustrie lag auf der Hand. Er hatte im Herbst 1914 für Stinnes eine Denkschrift erstellt, die die Schwerindustrie der Reichsregierung vorlegte. Schumacher begründete darin umfangreiche Annexionsforderungen gegenüber Belgien, Frankreich und Russland. Im Ergebnis ihrer Unterhaltungen vereinbarten Müller und Schumacher ein Treffen mit Stinnes. Dieser interpretierte das Interesse der Gewerkschaften an Kontakten in der ihm eigenen selbstbezogenen Sichtweise als Ausdruck ihrer Sorgen vor einem Kompromissfrieden zu Lasten deutscher Wirtschaftsinteressen.164 Nach einem Treffen Müllers mit Stinnes im Mai kam es am 9. August 1917 zu einer ersten Konferenz der Gewerkschaften mit den Schwerindustriellen. Neben Müller und Schumacher waren für die Industrie Stinnes,
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18
Quelle: montan.dok 027200180001
Abbildung 8: Hugo Stinnes (1870–1924)
Krupp-Direktor Hugenberg sowie die Bergwerksmanager Kirdorf und Fritz Winkhaus gekommen. Fast noch prominenter waren die Freien Gewerkschaften beteiligt: Bauer als Zweiter Vorsitzender und Schmidt als Mitglied der Generalkommission, Schlicke als Vorsitzender des DMV und Leipart als Vorsitzender des Holzarbeiterverbandes. Stinnes wollte jetzt ausloten, ob die Industrie mit Hilfe der Gewerkschaften rasch zu einer staatsfreien Friedenswirtschaft zurückkehren könne. Denn seit etwa einem Jahr wurde in Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit über die Demobilmachung der heimkehrenden Soldaten und der Rüstungswirtschaft diskutiert. Die Industrie lehnte mehrheitlich eine Fortsetzung der durch Staat und öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungsorgane gelenkten Kriegswirtschaft ab. Nur wenige teilten die Überlegungen des AEG-Präsidenten Rathenau und Wichard von Moellendorffs, eine syndizierte Wirtschaft auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Selbstverwaltung zu errichten. Ihre technokratischen Gemeinwirtschaftsvorstellungen waren eine Absage an die Marktwirtschaft, weniger an den Privatbesitz von Produktionsmitteln. Ihre
1. Vorsichtige Annäherung: das Problem der Übergangswirtschaft97
Pläne reflektierten sowohl die Erfahrungen mit der durch Selbstver waltungskörper gelenkten Kriegswirtschaft als auch die Herkunft ihrer Autoren aus der hochkonzentrierten deutschen Elektroindustrie. In der Sozialdemokratie erfreuten sich diese Vorstellungen mangels eigener wirtschaftspolitischer Konzepte gewisser Sympathien. Eine durch Selbstverwaltungskörper gelenkte Wirtschaftsordnung bot immerhin Ansätze zur Sozialisierung. Die Gewerkschaften liebäugelten eher mit fiskalischen Monopolbetrieben zum Abtragen der Staatsschuld. Diese hatten den Charme, dass in den Monopolverwaltungen und Kontrollorganen voraussichtlich auch Arbeitervertreter sitzen würden. Außerdem hätten Monopole dem Einfluss des Reichstages und damit dem der Parteien der ‚Hilfsdienstachse‘ unterlegen. Darüber hinaus dachten die Gewerkschaften weder an die Abschaffung der Kapital- und Grundrente noch an die grundsätzliche Überwindung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Mit den beiden anderen Gewerkschaftsrichtungen wäre eine drastische Einschränkung der Privatwirtschaft ohnehin nicht zu machen gewesen. Die Fortsetzung der gelenkten Wirtschaft über die Kriegszeit hinaus erschien auch manchen Beamten und Militärs naheliegend. Stinnes fürchtete die ordnungspolitischen Pläne Rathenaus und Moellendorffs mehr als die vagen Vorstellungen der Sozialdemokratie. Dagegen standen bei den Gewerkschaften die grundlegende Reform der Arbeitsbeziehungen und die Wiedereingliederung der demobilisierten Arbeitnehmer eindeutig im Vordergrund ihrer Überlegungen zur Übergangswirtschaft. Im Juli 1917 lud das Reichsamt des Innern Vertreter der Arbeitgeber- und Angestelltenorganisationen zu einer Besprechung von „Grundlinien“ ein, welche die Arbeitsgemeinschaft kaufmännischer Verbände dazu vorgelegt hatte. Die Arbeitgeber fürchteten den „gesetzlichen Zwang“ zur Wiedereinstellung der Heimkehrer.165 Der Berliner Metallindustrielle Borsig ließ im März 1918 im GDM, um diesen „gesetzlichen Zwang zu vermeiden“, eine freiwillige Verpflichtungserklärung der Betriebe beschließen. Diese sah vor, ihre früheren Arbeitnehmer wieder einzustellen.166 Stinnes setzte wie viele Unternehmer zu diesem Zeitpunkt noch auf einen deutschen Sieg als Grundlage zur Lösung der meisten sozialen und politischen Gegensätze. Unter diesen Vorzeichen erkundete er die mögliche Unterstützung der Gewerkschaften für seine Annexionspläne in Lothringen und Belgien. Die SPD-Fraktion – mit Schmidt und Bauer als deren Angehörige – hatte indessen im Juli 1917 zusammen mit den anderen Fraktionen der ‚Hilfsdienstachse‘ eine Reichstagsresolution verabschiedet, die zum Verständigungsfrieden aufrief. Dagegen unterstützten Stinnes und andere Industrielle die Siegfriedenspropaganda der Vaterlandspartei. Folgerichtig blieb es zunächst bei dieser ersten Fühlungnahme. Allerdings signalisierte
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Beukenberg, Geschäftsführer des Langnam-Vereins und der Nordwestlichen Gruppe, im September 1917, dass wohl für eine gewisse Übergangszeit die staatliche Wirtschaftslenkung beizubehalten sei. Zu den künftigen Verhandlungen über soziale Aspekte der Demobilmachung wollte er zwar Gewerkschaftsvertreter hinzuziehen. Freilich dachte er dabei auch an Vertreter der ‚Gelben‘.167 Anlässlich der Bildung des Reichswirtschaftsamtes am 23. Oktober 1917 schlug die Auseinandersetzung über die künftige Übergangswirtschaft hohe Wellen. Der VdESI war bereit, in der sozialpolitischen Abteilung Gesetzesvorhaben auch mit Vertretern der Gewerkschaften zu verhandeln, solange die ‚Gelben‘ einbezogen würden. Sich mit diesen zusammenzusetzen, hatten die Gewerkschaften im Kriegsamt jedoch abgelehnt. Das VdESI-Vorstandsmitglied Hilger unterstrich, dass die Bereitschaft zu Verhandlungen mit den Gewerkschaften nur für diese Beiräte gelte, er ansonsten jedoch auf seinem Standpunkt beharre: „Ich verhandle mit Gewerkschaftssekretären überhaupt nicht, […] nicht in Arbeiterfragen.“168 Vor diesem Hintergrund kam es am 3. Dezember 1917 – angeblich auf deren Initiative – zu einem erneuten Treffen von Stinnes „mit den Gewerkschaftsleuten“ im Berliner Hotel „Continental“.169 Weitere Gespräche folgten im Winter 1917 / 18. An ihnen nahmen nun auch der Stinnes-Intimus Vögler und Legien, Chef der Generalkommission, teil. Parallel kam es zu ersten Kontakten mit der Berliner Elektroindustrie. Der Geschäftsführer ihres Zentralverbandes, Raumer, hatte hier für die verarbeitende Industrie die Initiative übernommen. In seinem Haus, mit erlesener chinesischer Kunst und beeindruckender Bibliothek ausgestattet, verkehrte „alles, was Rang und Namen hatte“ und „Menschen aus allen Ländern“, so ein Zeitzeuge. Walther Rathenau brillierte hier mit seinen Gedanken, und das „Wirtschaftsgenie“ Stinnes fiel durch seine nachlässige Kleidung auf. Kein Wunder, dass Raumer und sein weltläufiges Haus zur Drehscheibe der anstehenden Verhandlungen wurde. Nicht nur der landadelige Zeitzeuge war beeindruckt vom Ambiente des Hauses. Auch Legien und andere Gewerkschaftsführer dürften sich kaum dessen Faszination entzogen haben.170 Wie Raumer im Rückblick betonte, wollte er die „Schwerfälligkeit der Verbände“ vermeiden. „Umständlichen Verhandlungen“ gedachte er durch die „Initiative einiger weniger führender Männer“ zu entgehen.171 Das hieß, er wollte CdI, BdI, VDA und andere umgehen. Dagegen waren die beiden führenden Elektrokonzerne mit Rathenau, Aufsichtsratsvorsitzender, und Felix Deutsch, Vorstandsvorsitzender der AEG, sowie Carl Friedrich von Siemens, Vorstandsvorsitzender der Siemens-Schuckert-Werke, prominent vertreten. Sie waren die Schwer gewichte im Zentralverband der deutschen elektrotechnischen Industrie,
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Quelle: BArch, Bild 183-L40010
Abbildung 9: Walther Rathenau, 1921
der im März 1918 gegründet wurde. Borsig vertrat den Verein der Berliner Metallindustriellen. Auch bei diesen klandestinen Kontakten mit Legien, Bauer und Wilhelm Jansson, Redakteur des „Correspondenzblatts“ der Generalkommission, wurde die Haltung der Gewerkschaften zu den Plänen von Verwaltung und Militär zur Übergangswirtschaft erkundet. Die Gewerkschaftsführer trugen ihre sozialpolitischen Forderungen vor, wurden jedoch erneut auf Reformen nach einem siegreichen Krieg vertröstet. Stinnes schmiedete angesichts der Friedensverhandlungen mit Russland Pläne für Annexionen und zur wirtschaftlichen Durchdringung des Ostens.172 Die Gewerkschafter konnten kaum auf der Grundlage derartiger Aussichten verhandeln. Viele ihrer Mitglieder waren es leid, von Kaiser und Reichsregierung auf Reformen in einer unbestimmten Zukunft vertröstet zu werden. Mit einer ausgedehnten Streikwelle im Januar 1918 reagierte die hungernde Bevölkerung nicht nur auf die faktisch zusammengebrochene staatliche Lebensmittelbewirtschaftung. Jetzt standen die Forderungen nach Beendigung des Krieges, nach voller Koalitions- und Versammlungs-
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freiheit und nach Wahlrechtsreformen im Vordergrund. Es waren mehr denn je politische Streiks, die die Christlichen und die liberalen Gewerkschaften ablehnten. Die Generalkommission erklärte sich für politisch neutral. Der DMV-Führung schlug eine Welle der Empörung aus den eigenen Reihen ins Gesicht, als sie die streikkritische Linie der Generalkommission rechtfertigte. Selbst die Christlichen verschärften jetzt ihre Forderung nach politischen Reformen. Im Sommer 1918 sollte Stegerwald in der Frage der Wahlrechtsreform sogar den Streit mit der in dieser Frage gespaltenen eigenen Zentrumspartei wagen. Die VDA veröffentlichte, wie gehabt, gewerkschaftskritische Artikel. Nach der Einberufung von Zehntausenden zum Kriegsdienst und der Verurteilung von 200 Arbeitern zu Haftstrafen flauten die Streiks ab. Gleichwohl war es unübersehbar, dass die Spannungen zwischen Führung und der sich politisierenden Basis der Freien Gewerkschafen zunahmen. USPD und die Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gewannen namentlich unter Bergarbeitern weiter an Boden. Bisher nicht organisierte Arbeiter, Jugendliche und Frauen strömten in die Gewerkschaften. Anders als ihre Funktionäre waren die neuen Mitglieder nicht von der Disziplin der Vorkriegszeit geprägt. Die Kontrolle der Gewerkschaftsführung lockerte sich; ihre Argumente für die Fortsetzung ihrer Kriegspolitik verloren an Überzeugungskraft. Die Berliner Obleute des DMV gehörten bereits fast alle der Opposition an. In der Konsequenz war eine Erklärung gegen diese im DMV nicht mehr durchsetzbar. Und nur mit Hilfe der Militärbehörden konnte die Führung des DMV 1918 den Versuch vereiteln, in einer außerordentlichen Verbandstagung den Vorstand abzuwählen. Kein Wunder, dass im Sommer 1918 in den Gewerkschaften auch erste Proteste gegen die OHL laut wurden.173 Angesichts von Anfangserfolgen der letzten deutschen Offensive an der Westfront beschwor der Bergwerksmanager Vögler im April 1918 die gemeinsamen Interessen von Arbeitgebern und -nehmern. Tatsächlich griff die behördliche Unterdrückung von Streiks immer öfter ins Leere. Gleichwohl lehnten viele Schwerindustrielle, namentlich die oberschlesischen Magnaten, Verhandlungen mit den Gewerkschaften weiter ab. Während viele Arbeitgeber die Gewerkschaften unterschiedslos für die vermeintliche Aufwiegelung der Arbeiterschaft verantwortlich machten, suchten die Behörden zunehmend den Kontakt zu den Gewerkschaftsführern, ohne deren Wünschen wirklich entgegenkommen zu können. Als die Offensive an der Westfront gescheitert war, nahm Raumer im Sommer 1918 den Faden wieder auf. Die Diskurskultur in der Hauptstadt war eine andere als an der Ruhr. In Berlin begegneten sich bürgerliche Sozialreformer der GfSR, Manager, Unternehmer, Gelehrte und hohe Beamte immer wieder
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Quelle: BArch, Bild 102-12817
Abbildung 10: Ernst von Borsig, ca. 1931
in den verschiedenen Clubs und Gesellschaften. Gelegentlich fanden solche Gesprächsforen ihre Fortsetzung in den Häusern der Berliner Gesellschaft, wie dem Raumers, der als ehemaliger preußischer Beamter und Verbandsmanager über Verhandlungsgeschick verfügte. Ohnehin hatte die verarbeitende Industrie schon seit längerem eine flexiblere Haltung gegenüber den Gewerkschaften bezogen als die unbeugsame Schwerindustrie. Raumers Vorstoß wurde von den Maschinenbauindustriellen Ernst von Borsig und Rieppel sowie von den Elektroindustriellen Felix Deutsch, Vorstandsvorsitzender der AEG, und Siemens gebilligt. Dagegen schien Stinnes nicht eingeweiht gewesen zu sein. Mit Unterstaatssekretär Müller und Emil Guggenheimer, Syndikus der MAN, besprach Raumer in seinem Haus Pläne zur Einrichtung eines Schlichtungswesens, das Arbeitskämpfen in der Zeit der Übergangswirtschaft vorbeugen sollte. Guggenheimer schickte Raumer den Text eines Abkommens, das der Verband Bayerischer Metallindustrieller im Mai 1908 mit den Metallgewerkschaften vereinbart hatte. Für die Gewerkschaften hatten seinerzeit auch Georg Reichel (DMV) und Gustav Hartmann (liberaler Gewerkverein) unter-
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zeichnet, die bald wieder in Kontakt mit den Unternehmern treten sollten. Die Verhandlungen hätten sich, so Guggenheimer, seinerzeit „lange hingezogen“ und seien „zuletzt an einer mehr formellen Weigerung der freien Gewerkschaften“ gescheitert.174 Zehn Jahre später waren die Überlegungen wieder aktuell. Die zunächst auf eigenes Risiko sondierenden Arbeitgebervertreter hatten sich den konkreten Anliegen genähert, die den Gewerkschaftsführern am Herzen lagen. Zu regelrechten Verhandlungen über die Gestaltung der Übergangswirtschaft konnten sich die Unternehmer jedoch immer noch nicht aufraffen. Dabei war ihr „Haß auf die kontrollierte Wirtschaft auf Fiebertemperatur“ angestiegen.175 Dies schloss Verhandlungen zwischen Gewerkschaftern und Unternehmern nicht grundsätzlich aus. So sprach Paeplow, Chef der sozialistischen Bauarbeitergewerkschaft, im September 1918, moderiert vom Reichswirtschaftsamt, mit den Vertretern des Baugewerbes über Teuerungszulagen und einen reichsweiten Tarifvertrag. Die Kontrahenten versicherten sich wechselseitig, dass man gezwungen sei, immer mehr zu verlangen, als man erwarten könne. Das diente einerseits natürlich der Herstellung einer günstigen Gesprächsatmosphäre. Andererseits war es auch ein Indiz, wie stark die Verbände durch ihre veröffentlichten Forderungen den eigenen Spielraum begrenzten. Die angestellten Verbandsmanager waren selten Unternehmer, sondern in aller Regel Juristen und oft ehemalige Spitzenbeamte.176 Das galt vor allem für den CdI und die VDA. Sie wurden von den Protagonisten der Großindustrie aus den kommenden Verhandlungen weitgehend herausgehalten. Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, war Raumer.
2. Im Zeichen der militärischen Niederlage: die Gewerkschaften als Partner der Großindustrie Am 27. September 1918 durchbrachen die Briten die Stellungen der sogenannten ‚Siegfried-Linie‘. Die OHL forderte die Reichsregierung auf, unverzüglich Waffenstillstandsverhandlungen einzuleiten. Alle Hoffnungen, mit einem Sieg mehr oder minder zu den Vorkriegsverhältnissen zurückkehren zu können, waren geplatzt wie Seifenblasen. Am 2. Oktober 1918 traf sich Raumer im Hause Müllers mit Legien, Bauer und Schlicke. Legien war von den Verhandlungsofferten Raumers so angetan, dass er schon darin einen Erfolg sah, „daß wir alle vier Wochen zwanglos um einen Tisch sitzen“.177 Am folgenden 3. Oktober bestellte der Kaiser den liberalen badischen Thronfolger Prinz Max von Baden zum Reichskanzler. Seine Aufgabe lautete, im Benehmen mit der Reichstagsmehrheit faktisch eine parlamentarische Regierung zu bilden. Friedrich von Payer von der
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linksliberalen Fortschrittlichen Volkspartei war schon unter Hertling Vizekanzler und behielt das Amt. Das Reichsamt des Innern übernahm Karl Trimborn vom Zentrum. Der Reichskanzler nahm weitere Sozialdemokraten und Gewerkschafter in die Regierung auf, so Philipp Scheidemann als Staatssekretär ohne Geschäftsbereich, den Gewerkschafter Bauer als Leiter des Reichsarbeitsamtes und August Müller als Unterstaatssekretär des Reichswirtschaftsamtes; Robert Schmidt wurde Unterstaatssekretär im Kriegsernährungsamt. Herrin des Verfahrens bei diesen Berufungen waren die sozialdemokratische Reichstagsfraktion und deren Vorsitzender Ebert, der auf eine rasche Entscheidung gedrängt hatte. Kaum überraschend, standen die Kandidaten in der Kritik der Gewerkschaftsführer. August Müller galt inzwischen als eher gewerkschaftsfern. Man hätte Robert Schmidt vorgezogen. Die Generalkommission nominierte ihren zweiten Vorsitzenden als Chef des Arbeitsamtes. Legien hatte erwartet, dass man zunächst ihm das Amt des Staatssekretärs im Reichsarbeitsamt antrug, jedenfalls aber die Angelegenheit mit ihm bespreche. Er drohte deshalb mit seinem Rücktritt vom Vorsitz der Generalkommission. Die Vorständekonferenz vom 4. Oktober offenbarte einige Gründe, warum Legien nicht gefragt worden war. Seine Nominierung galt als inopportun, da er zu sehr mit der Kriegspolitik der Gewerkschaftsführung identifiziert wurde. Nach Auffassung von Bauarbeiterführer Paeplow fehlten ihm auch die „glatten Manieren“ für ein Ministeramt. Schlicke wiederum misstraute Legiens Neigung zum Alkohol. Am Ende konnte die Generalkommission ihren Vorsitzenden zum Verbleib auf seinem Posten bewegen – zumal er selbst zu Recht dieses Amt für wichtiger hielt als den Posten des Leiters des Reichsarbeitsamtes.178 Die Koalition des Hilfsdienstgesetzes und der Friedensresolution hatte mithin die Regierungsgeschäfte übernommen. Nur konsequent führte sie nun das gleiche Wahlrecht in Preußen und die Parlamentsverantwortlichkeit der Regierung ein. Den Sozialdemokraten und Gewerkschaften fiel im Zeichen des militärischen Zusammenbruchs in den Schoß, wofür sie seit Jahrzehnten vergeblich gestritten hatten. Entsprechend verfolgte der neue Staatssekretär des Reichsarbeitsamts, Bauer, eine Sozialpolitik, die die evolutionäre Linie der Generalkommission fortsetzte. Allerdings trat die Reichstagsmehrheit ein vergiftetes Erbe an. Ihre Protagonisten sollten die „Verwaltung der Konkursmasse“ übernehmen, so Legien, die die Bürokratie und das Militär des Obrigkeitsstaates, getrieben von den Trommlern für Siegfrieden und Annexionen, hinterlassen hatten. Die OHL schob die Verantwortung für die Waffenstillstandsverhandlungen den zivilen Politikern zu einem Zeitpunkt zu, an dem es für einen Verständigungsfrie-
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den zu spät war. Die sozialdemokratische Fraktion habe sich entschlossen, so betonte Legien im Gewerkschaftsvorstand, die Verantwortung für die Abwicklung des Krieges zu übernehmen wie zuvor für dessen Führung.179 In der Absicht, eine Kapitulation ebenso zu vermeiden wie eine Revolution, suchten Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführung die Zusammenarbeit mit dem Bürgertum. Nicht nur für die Christlichen, auch für die Freien Gewerkschaften stand die Abschaffung der Monarchie zunächst nicht auf der Tagesordnung. Die Schwerindustrie nahm an, die neue Regierung werde sich nur vier bis fünf Wochen im Amt halten. Manche hätten den Zusammenbruch des Staates vorhergesehen, so VdESI-Geschäftsführer Reichert im Rückblick nach drei Monaten. Aber von einer bevorstehenden Revolution habe man nicht ausgehen können.180 „Straff und einheitlich organisiert“ wollten die Arbeitgeberverbände im Oktober 1918 namentlich dem Reichsarbeitsamt entgegentreten. Sie unterstellten ihm, dass es in „Riesenschritten“ alle sozialistischen Forderungen umsetzen werde.181 Nicht nur Rathenau und Duisberg glaubten zu diesem Zeitpunkt noch, durch energischen militärischen Widerstand („Massenerhebung“, „Erhebung des Volkes“) die Entente zu günstigeren Bedingungen für einen Waffenstillstand bewegen zu können. Um der OHL die Parlamentskontrolle zu ersparen, wollte Rathenau dem Kriegsministerium, das womöglich zu einem Verteidigungsamt auf Reichsebene umzugestalten war, einen Kriegsausschuss angliedern. Dieser sollte „den bürgerlichen und sozialen Elementen der neuen Regierung Rechnung“ tragen.182 Auch DMV-Chef Schlicke blieb hinsichtlich der Friedensverhandlungen „Optimist“.183 Die Initiative gegenüber den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern im Sommer 1918 war von Raumer ausgegangen, als die Kriegsaussichten vermeintlich noch günstiger standen. Die Gewerkschafter hätten dies als Beweis empfunden, so Raumer, dass die Verhandlungsbereitschaft der Unternehmer einem „aufrichtigen Wunsch“ entsprach und nicht „durch die gewandelten Zeitumstände veranlaßt war“. Wissell, ein Zeitzeuge, meinte in der Rückschau, die Arbeitgeber der verarbeitenden Industrien hätten bei der Zusammenarbeit in den Hilfsdienstausschüssen die „gewerkschaftlich geschulten Arbeitervertreter kennen und offenbar auch schätzen gelernt“.184 Raumer hielt Verhandlungen jetzt für „ungemein eilbedürftig“. Die Lage verschiebe sich immer deutlicher zu „Ungunsten“ der Arbeitgeber. „Gleichberechtigtes Verhandeln“ bedeute „keine Konzession, sondern eine Notwendigkeit“. Seinen Kollegen vom Bergbau traute Raumer diese Einsicht nicht zu. Er fürchtete, dass die Zechenvertreter den Gewerkschaften „schärfere Bedingungen“ stellen und damit die Berliner Verhandlungen nur stören könnten. Legien hatte Raumer in dieser Sorge bestätigt. Daher legte Raumer Stinnes nahe, das Ergebnis der Berliner
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Quelle: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft
Abbildung 11: Albert Vögler, 1941
Verhandlungen abzuwarten. Trotz der Dringlichkeit kam es erst zwei Wochen später zur nächsten Runde mit den Gewerkschaftern. Offenbar wollte Raumer Siemens Zeit geben, daran teilzunehmen oder wenigstens einen Vertreter zu entsenden. Der Beauftragte sollte über ein „gewinnendes Wesen“ und die notwendige „Freiheit des Blicks“ verfügen. Die Forderung nach habitueller und mentaler Flexibilität warf ein Licht auf den Geist, in dem Raumer verhandeln wollte. Der GDM-Vorsitzende Rieppel arbeitete eine schriftliche Grundlage für die Verhandlungen aus. Siemens und Raumer als Verhandlungsführer stützten sich auf die Expertise Rieppels, die er aus seinen langjährigen Erfahrungen in den Arbeitsbeziehungen im Allgemeinen und im Umgang mit den Gewerkschaften im Besonderen bezog.185 Lag die Initiative bis dahin bei der Metall- und Elektroindustrie, änderte sich das am 9. Oktober 1918. Die Nordwestliche Gruppe des VdESI billigte in ihrer Versammlung im Düsseldorfer „Stahlhof“, dass Stinnes und Albert Vögler Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufnahmen. Die führenden Vertreter der Schwerindustrie machten sich jetzt Sorgen
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Quelle: Stadt Bochum, Stadtarchiv
Abbildung 12: Otto Huë (1868–1922)
über den Autoritätsverlust des Staates und des Bürgertums. Dessen Schwäche war offenkundig. Zum einen hatten Krieg und Inflation bereits an den privaten Vermögen und den festen Einkünften aus Gehältern und Honoraren gezehrt. Zum anderen hatte die Propaganda der Rechtsparteien das Bürgertum politisch gespalten. Während die einen sich der Einsicht in die Notwendigkeit politischer Reformen nicht länger zu verschließen vermochten, lehnten die anderen diese vehement ab.186 Das seit Jahrzehnten bewährte Bündnis der Schwerindustrie mit dem feudalen Großgrundbesitz – und dessen Vertretern im preußischen Staat und Militär – zur Verteidigung der gemeinsamen Interessen schien keine Zukunft mehr zu haben. Im Gegenteil: Diese Gruppierung des Industriebürgertums hatte angesichts ihrer bisherigen gewerkschaftsfeindlichen Haltung den wachsenden Einfluss der Arbeiterschaft am meisten zu fürchten. Wie Stinnes am 12. Oktober dem Zechenverband berichtete, hatte er am Vortag mit Otto Huë, dem spiritus rector des Alten Verbandes, verhandelt – und offenbar auf dessen Initiative hin. An dem Gespräch nahmen auch der Vorsitzende des Verbandes, Hermann Sachse, und zwei Vertreter
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des DMV teil. Ihre zentrale Forderung war die Anerkennung der Gewerkschaften durch die Arbeitgeber. Daneben sollte über Überschichten, Lohnfragen, die paritätische Verfassung von Arbeitsnachweisen und die Weigerung der Arbeitgeber verhandelt werden, Abkehrscheine anzuerkennen. Allerdings bestand Huë darauf, die ‚gelben‘ Gewerkvereine von den Verhandlungen auszuschließen, was Stinnes zunächst ablehnte. Huë hatte sich schon frühzeitig öffentlich gegen annexionistische Kriegsziele ausgesprochen. Jetzt versicherte er den Gesprächspartnern, so berichtete es zumindest Stinnes, dass die Arbeiterschaft einen „schmachvollen Frieden“ ablehnen werde. Huë habe für diesen Fall sogar den Ausbruch des furor teutonicus in Aussicht gestellt. Tatsächlich waren selbst die sozialistischen Gewerkschaften bis in den November hinein nicht bereit, einen Frieden um jeden Preis zu akzeptieren.187 Gleichwohl hatte der Bergarbeiterführer mit der – an Rathenaus levée en masse gemahnenden Formulierung –, so sie denn gefallen ist, die Kriegsmüdigkeit der Arbeiterschaft unterschätzt. Huë sei besorgt gewesen, so Stinnes weiter, dass sich die „bolschewistischen Gedanken“ der pazifistisch gesonnenen USPD unter den Gewerkschaftsmitgliedern verbreiten könnten. Die doppelte Sorge der Gewerkschaftsführer vor dem Diktat der Siegermächte und dem Bolschewismus boten den Unternehmern Anknüpfungspunkte. Am Ende hatte Stinnes Huë dazu gebracht, dass alle drei Bergarbeitergewerkschaften einschließlich des Polnischen Berufsverbandes den Zechenverband am 12. Oktober darum baten, über die vorher zwischen beiden vereinbarten Gegenstände zu verhandeln.188 Anders als früher ließ der Zechenverband die Bitte nicht unbeantwortet. Am 14. Oktober 1918 verhandelten zunächst der Geschäftsausschuss und am Folgetag der Vorstand des Zechenverbandes. Der Vorsitzende Alfred Hugenberg betonte, dass man angesichts der „militärischen Lage“ und der faktischen Parlamentarisierung besser dem „gesetzlichen Zwange“ zuvorkomme und freiwillig verhandle. Allerdings war er entschlossen, so gut wie keine „positiven Zugeständnisse“ zu machen. Stattdessen erwarteten Hugenberg, Stinnes, Winkhaus, Beukenberg, Kirdorf und die anderen Montanindustriellen, dass die Gewerkschaften ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Bergbaus gerecht werden mögen. Das hieß konkret, dass sie Streiks zu verhindern hatten. Darüber hinaus hegten sie die wenig realistische Erwartung, dass die Gewerkschaften die Arbeiterschaft zum Verteidigungskampf anhielten, sollten die Gegner unannehmbare Friedensbedingungen stellten. Es wurde ein gemeinsamer Widerstand von Arbeitgebern und Arbeitern ventiliert, zu dem die betrieblichen Arbeiterausschüsse aufrufen sollten.189 Wie Raumer es vorhergesehen hatte, war die Kompromissbereitschaft dieser Gruppe begrenzt.
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Quelle: akg-images
Abbildung 13: Alfred Hugenberg (um 1920)
Am 18. Oktober 1918 kam es zu offiziellen Verhandlungen des Zechenverbands mit den Vertretern des Alten Verbandes, des Gewerkvereins der Christlichen Bergarbeiter, des Polnischen Berufsverbandes und des (liberalen) Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereins. An der Spitze standen Sachse und Huë sowie Heinrich Imbusch, Vorsitzender der christlichen Bergarbeiter. Den Zechenverband vertraten unter anderen Kirdorf, Stinnes und Hugenberg. Letzterer übernahm mit Zustimmung der Gewerkschafter die Leitung der Konferenz. Die Debatte über die von den Gewerkschaften erhobenen Lohnforderungen nahm bereits den Charakter von Verhandlungen über einen Manteltarifvertrag an. Dabei räumten die Arbeitgeber kaum mehr ein, als ohnehin vorgesehene Lohnerhöhungen vorzuziehen, nachdem die Erhöhung der Kohlenpreise bereits beschlossen worden war. Überstundenzuschläge und Mindestlöhne lehnten sie dagegen ab. Die christlichen Bergarbeiter forderten Mindestlöhne, um der Arbeiterfluktuation entgegenzuwirken. Die Zechen hatten – unter Umgehung des Hilfsdienstgesetzes – ein Abkommen vorgezogen, keine Bergarbeiter einzustellen, die bisher bei anderen Zechen beschäftigt waren. Die Arbeitgeber
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behaupteten, auf das „Sperrabkommen“ einzelner Zechen keinen Einfluss zu haben. Die Forderung nach dem 8-Stunden-Arbeitstag für Frauen und Schwerstarbeiter wiesen sie mit dem Hinweis zurück, dass Arbeitszeitverkürzungen während des Krieges nicht in Frage kämen. Auch in den übrigen Fragen kamen die Gewerkschafter kaum weiter. Stinnes vertröstete sie in der Frage der Parität bei den Arbeitsnachweisen auf eine gesetzliche Regelung. Die Existenz von ‚schwarzen Listen‘ bei den Nachweisen der Unternehmer wurde ebenso bestritten wie die bevorzugte Lebensmittelversorgung der Mitglieder der wirtschaftsfriedlichen Gewerkvereine und der Angestellten. Allerdings schlugen die Arbeitgeber ein gemeinsames Vorgehen beim Kriegsernährungsamt vor, um die Lebensmittelversorgung zu verbessern. Das Problem der „Zwangsbewirtschaftung der wichtigsten Lebensmittel“ stand in der Pressemitteilung des Zechenverbands denn auch im Vordergrund. Damit wurde für die Erfüllung der Anliegen der Arbeiterschaft der Staat in die Pflicht genommen, von dem man wusste, dass er damit überfordert war. Gänzlich unvereinbar war die Haltung beider Seiten zu den ‚gelben‘ Gewerkvereinen, die an den laufenden Verhandlungen wohlweislich nicht beteiligt worden waren. Die Gewerkschaften erwarteten, dass diese „Statisten“, so der Vertreter der Christlichen, auch in Zukunft nicht als Arbeitnehmervertreter am Verhandlungstisch sitzen sollten. Die Unternehmer wiesen diese Forderung mit „Entschiedenheit“ zurück. Beukenberg und andere Vertreter der Schwerindustrie sahen in den von ihnen unterstützten Werkvereinen eine Antwort auf die Erwartung, bei der Organisation der Übergangswirtschaft mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Sogar Verständigungsausschüsse hatte man mit den ‚Gelben‘ gegründet.190 Die Behörden hatten sich oft dem Druck der Gewerkschaften gebeugt und die von den Arbeitgebern finanziell geförderten Werkvereine benachteiligt. Sobald letztere als gleichberechtigte Arbeitervertreter anerkannt wurden, konnten die Industriellen damit rechnen, dass ihre Interessen auch in den Beiräten und Arbeiterausschüssen vertreten wurden. Dass die Gewerkschaften genau dies verhindern wollten, lag auf der Hand. Die Zusammenarbeit bei der Reichsverteidigung behandelten die Gewerkschafter zunächst dilatorisch. Offenbar sollte der Gegenseite keine Handhabe geboten werden, die Debatte über konkrete Forderungen auf die lange Bank zu schieben.191 Das Ergebnis der Gespräche war mithin mager, sieht man davon ab, dass der Zechenverband seinen Mitgliedern wie versprochen empfahl, die für Dezember vorgesehenen Lohnerhöhungen schon jetzt auszuzahlen.192 Die Generalkommission ihrerseits war dennoch froh, dass die Bergbaumanager überhaupt mit den Gewerkschaften gesprochen hatten. Sie meldete im Kern zutreffend, aber
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gleichwohl etwas euphorisch: „Der Zechenverband erkennt die Gewerkschaften an!“193 Die geschickte Regie von Stinnes zeigte sich, als am selben 18. Oktober Huë, Georg Reichel, der Zweite Vorsitzende des DMV, und Karl Spiegel, Bezirksleiter des DMV für Rheinland und Westfalen sowie SPDReichstagsabgeordneter für den Wahlkreis Arnsberg, mit Vögler und Stinnes in dessen Haus in Mülheim an der Ruhr zusammenkamen. Schlicke war verhindert.194 Die Gewerkschaftsvertreter forderten „unbedingt“ die Einführung des Achtstundentages. Die Arbeiterausschüsse mehrerer Großbetriebe des Reviers hatten formell die 56-Stunden-Woche gefordert. Stinnes konnte seine Verhandlungspartner davon überzeugen, dass angesichts der zahlreichen Probleme, vor denen die einzelnen Betriebe vermeintlich oder tatsächlich standen, nur eine „allmähliche Einführung“ in Frage komme. Die Gewerkschafter stimmten zu, „Demobilmachungsfragen“ in den Vordergrund künftiger Verhandlungen zu rücken. Das Problem brannte beiden Seiten auf den Nägeln. Denn zwei Tage zuvor hatte das Reichswirtschaftsamt den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer seine Absicht mitgeteilt, die Demobilmachung nicht den Fachverbänden der Industrie, sondern den örtlichen Kriegsämtern anzuvertrauen. Kaum verwunderlich angesichts der bekannten Abneigung der Industrie gegen staatliche Lenkung, war das Vorhaben bei dem Maschinenbauindustriellen Borsig und dem Textilindustriellen Frowein gleichermaßen auf Widerspruch gestoßen. Letzter hatte schon am 10. Oktober geäußert: „Lieber ist es mir, wenn die Gewerkschaften die Sache alleine machen als die Kriegsamtsstellen. […] Wenn man ihnen die Demobilmachung anvertraut, so werden wir innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen.“195 Die Vertreter der Arbeiterschaft pflichteten der Kritik der Industriellen an der Kriegsbürokratie bei. Ausschlaggebend war das Interesse der Gewerkschafter an der geordneten Wiedereingliederung der von der Front zurückkehrenden Arbeiter. Nur wenn alle wieder Beschäftigung fänden, könne der „drohende Bolschewismus […] niedergehalten werden“. Die Hüttenbetriebe sollten die weiblichen Arbeiter entlassen – was kein Problem für die Arbeitgeber darstellte. Im Ergebnis wurde erneut eine Einladung der Gewerkschaften an die Arbeitgeber vereinbart, diesmal an die Adresse der Nordwestlichen Gruppe des VdESI. Dem Wunsch der Gewerkschafter, nicht auf der Mitwirkung der ‚Gelben‘ zu bestehen, entsprachen die Arbeitgeber. Künftig wollte man diese jedoch zu Verhandlungen heranziehen, was die Gewerkschafter zunächst so hinnahmen. Vögler äußerte sich „sehr befriedigt“ über die „ganz vernünftige Weise“, in der die Gewerkschaften offenbar mit der Industrie zusammenarbeiten wollten. „Kennzeichnend war die grosse Sorge der Gewerkschaften vor dem Bolschewismus. Dieser fin-
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det nach Ansicht von Hue [sic] seine Hauptstütze in tausenden von Deserteuren, die z. B. auch in Essen herumsitzen.“ Aus Sorge vor späterer Strafverfolgung würden diese „eine Art Anarchie“ anstreben.196 Dass die Demobilmachung die Mitwirkung der Gewerkschaft und damit deren Anerkennung als Organisation zwingend voraussetzte, war die Quintessenz der Rede des Direktors der Siemens-Schuckert-Werke, Otto Henrich, am 20. Oktober 1918.197 Zuhörer waren mit Borsig, Deutsch, Rieppel, dem Vorsitzenden des Vereins Deutscher Ingenieure Conrad Matschoss, dem AEG-Direktor Georg Klingenberg und dem MAN-Direktor Otto Gertung führende Vertreter der ‚neuen‘ Industrien. Stinnes erhielt einen Abdruck des Redemanuskriptes. Die Regierung sei, so Henrich, von der Forderung der OHL nach Waffenstillstandsverhandlungen überrascht worden. Die Hoffnung, dass der amerikanische Präsident Woodrow Wilson für einen günstigen Verständigungsfrieden zu gewinnen sei, habe sich als „Irrtum“ erwiesen. Folgerichtig erwartete Henrich entweder die „Abrüstung“ oder einen „Endkampf“, sollte ein Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen nicht zu haben sein. In beiden Fällen könne man kaum den überkommenen staatlichen Kriegswirtschaftsapparat „allein weiter wirtschaften lassen“. Die Regierung verfüge über kein „sachverständiges […] Organ“. Daher schlug Henrich einen „Wirtschaftsstab“ mit Repräsentanten der Schwer-, der verarbeitenden, der chemischen und der Textilindustrie vor. An die Spitze wollte Henrich praktischerweise Stinnes stellen. Mit den Befugnissen eines Vizekanzlers ausgestattet, sollte dieser sich des Reichsamtes für Wirtschaft und des preußischen Kriegsministeriums bedienen. Allerdings setze das einen grundsätzlichen Wandel in der Einstellung der Industrie voraus, die „politisch belastet“ sei, so Henrich an die Adresse der unbeugsamen Schwerindustriellen. Zum einen sollte die Industrie sich auf den Boden der parlamentarischen Regierung stellen. Dazu war tatsächlich nur ein Teil der Unternehmer bereit. Der BdI begrüßte die parlamentarische Regierung; der CdI schwieg. Zum zweiten, so Henrich weiter, sollten die Unternehmer auf ihre Kriegsgewinne weitgehend zugunsten des Reiches verzichten. Andernfalls werde man der Industrie unterstellen, nur zugunsten ihrer Kriegsgewinne für den „Endkampf“ einzutreten. Zum dritten seien „Zugeständnisse an die Arbeiter […] notwendig“, wolle man deren Einsicht erreichen, „daß Industrie und industrielle Arbeiter gleiche Interessen haben“. Die Anerkennung der Gewerkschaften und der „Ausgleich der beiderseitigen Interessen“ war die zwingende Voraussetzung. Scheidemann, Erzberger und Bauer, so beschloss Henrich seinen Vortrag, hätten dann nur noch „dafür zu sorgen, daß die Gesamtregierung den Wirtschaftsstab einsetzt und ihn mit den nötigen Vollmachten ausrüstet“.
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Diese Überlegungen atmeten nicht nur das verlorene Vertrauen der Industriellen in die Funktionstüchtigkeit des Staates. Wie Rathenau und Moellendorf war auch Henrich von der technokratischen Überzeugung durchdrungen, man könne Staat und Gesellschaft wie einen Konzern auf einen dominierenden Zweck hin so planmäßig organisieren, dass kaum Reibungsverluste entstünden. Brisant war seine Forderung, die Unternehmer mögen auf große Teile ihrer Kriegsgewinne verzichten. Kaum verwunderlich, dass Stinnes diese latente Kritik an der Schwerindustrie kaum zusagte. Er schrieb auf das Redemanuskript Henrichs:198 „Aus den Ausführungen des Herrn H. könnte m. E. gefolgert werden, daß die Industrie nicht den an sie gestellten Anforderungen entsprochen hätte. M. E. wäre es nötig zu betonen, daß eine solche Annahme oder Folgerung nicht richtig sein würde. Ist der Geist des Heeres nicht durch die Zustände im Innern zermürbt worden?“
Nicht nur das Militär, auch die Industrie begann, die Verantwortung für den verlorenen Krieg gesellschaftlichen Kräften zuzuschreiben, die dem Heer angeblich in den Rücken gefallen waren.199 Hatte Rathenau zu Monatsbeginn noch von einer Massenerhebung schwadroniert, so erwiesen sich alle Überlegungen, mit Unterstützung der Gewerkschaften einen ‚Endkampf‘ gegen die Entente zu führen, mittlerweile als Hirngespinste. Schon Mitte des Monats trieb den AEG-Präsidenten nur noch die Sorge vor Bürgerkrieg und Bolschewismus um. Dieser sei mit Gewalt allein nicht zu bekämpfen. Im Gegenteil, man gieße damit nur Öl ins Feuer. Rathenau glaubte nicht, dass die Sozialdemokraten „die Massen in der Hand behalten“ könnten; das sei bereits bei den Streiks nicht gelungen. Der Ausgang des Krieges, das eigene Schicksal, das der Angehörigen in der Heimat, die Kriegsgewinne, die Ernährungslage und „das Bewußtsein gelockerter Disziplin“ würden zu einem eruptiven Ausbruch führen. Da die Verwaltung noch nicht mit der „Privatwirtschaft“ über die Demobilmachung verhandelt habe, war Rathenau wie Henrich davon überzeugt, diese werde die anstehende Aufgabe nicht bewältigen. Dabei hänge von der geordneten Demobilmachung das „Bestehen unserer Zivilisation“ ab. „Ein dauerndes Zusammenarbeiten mit der Industrie […], die in Ausschüssen zusammengefaßt werden müßte, ist erforderlich.“ Rathenau skizzierte einen Aufgabenkatalog, wie die zurückflutenden Arbeitskräfte unterzubringen, zu beschäftigen und zu ernähren seien. Zunächst sollten die Kriegsgefangenen und die weiblichen Arbeitskräfte freigesetzt werden. Ferner sollten verkürzte Schichten und staatlich finanzierte Programme für Beschäftigung sorgen. Schließlich wollte er diejenigen verzögert aus dem Heer entlassen, die vorläufig nicht zu beschäftigen waren. Um dennoch mögliche Unruhen und Kämpfe zu bewältigen, wollte Rathenau „zuverläs-
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sige Bürgerorganisationen unter der Leitung von Offizieren, unter der Mitwirkung von Beamten und Gendarmen“ schaffen. Auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sollte angesichts des vorsehbaren Widerstands der Sozialdemokraten am besten der „privaten Initiative“ überlassen werden.200 Zugleich sah Rathenau in Stinnes „den einzigen Mann von Format in Deutschland“, der leider „nur für sich und seine Hausmacht“ arbeite.201 In diesem Fall waren die Geschäftsinteressen von Stinnes jedoch nahezu deckungsgleich mit denen der gesamten Großindustrie. Die Initiative, über die Umstellung der Industrie auf die Friedenswirtschaft zu verhandeln, sollte einmal mehr von den Gewerkschaften ausgehen. Mit Rathenau war sich Stinnes einig, „die Berliner Gewerkschaften in diesem Sinne zu bearbeiten“. Die Gewerkschafter würden „vollkommen anerkennen, daß es ihnen unmöglich sei, selbst die Regierung zu übernehmen“. Sie würden folgerichtig von der Regierung verlangen, „Männer, die das deutsche Wirtschaftsleben beherrschen“, in das Kabinett aufzunehmen.202 Stinnes vermutete also bereits vor der Revolution, dass die sozialdemokratischen Gewerkschafter und Politiker sich die Führung der Industriegesellschaft nicht zutrauten. Er war entschlossen, diese Schwäche der Kontrahenten zu nutzen. In der unter Gewerkschaftsführern nicht ohne Grund grassierenden „Furcht, daß in Deutschland russische Zustände Einkehr halten könnten“, erkannten die Metallindustriellen Borsig und Rieppel ein weiteres starkes Motiv, die Zusammenarbeit mit den Unternehmern zu suchen.203 Noch im Schweizer Exil hatte Lenin den Vorsitzenden der Generalkommission als „schmutzigen Abschaum“ beschimpft.204 Vor dem Hintergrund der Erschöpfung einer kriegsmüden Bevölkerung hatten sich die russischen Bolschewiken unter seiner Führung am 7. November 1917 in St. Petersburg an die Macht geputscht. Mit der Auflösung der frei gewählten Konstituante im Januar 1918 begann die Unterdrückung der russischen Sozialdemokratie. Dass ihnen die eigene Mitgliedschaft in den Januarstreiks 1918 teilweise entglitten war, die linke Opposition erheblichen Einfluss besaß und die russischen Bolschewiken fest mit einer Revolution auch in Deutschland rechneten, konnten die deutschen Sozialdemokraten durchaus als Menetekel verstehen.205 Am 22. Oktober 1918 lud Raumer Bauer, Legien, Leipart und Schlicke sowie Borsig, Deutsch, Rathenau, Rieppel und C. F. von Siemens in sein Berliner Privathaus ein. In der „familiäre[n] Enge“ des kleinen Herrenzimmers kamen sich die Arbeiterführer und die Großindustriellen der verarbeitenden Industrie rasch näher. Man habe sich, so erinnerte sich Raumer, auf die Anerkennung der Gewerkschaften durch die Industrie und den Grundsatz der Parität in der künftigen Zusammenarbeit, namentlich in den Arbeitsnachweisen und Schlichtungsinstanzen, geeinigt. Ebenso sei
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Quelle: BArch, Bild 183-2010-0225-502
Abbildung 14: Hans von Raumer (um 1930)
man über den Abschluss von Tarifverträgen und sogar die Distanzierung der Industriellen von den ‚Gelben‘ übereingekommen.206 Am 24. Oktober trafen sich Borsig, Deutsch, Henrich, Hugenberg, Raumer, C. F. von Siemens und Max Töwe, Geschäftsführer des GDM, im Berliner Hotel „Continental“. Die Versammlung beschloss, Borsig für den GDM, Hugenberg für die rheinisch-westfälische Kohlen- und Schwerindustrie sowie Vögler für die Nordwestliche Gruppe zu beauftragen, Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen und zu koordinieren. Unter diesen Vorzeichen waren die „Allgemeinen Vorschriften“ des GDM in der Fassung von 1912 nicht mehr zu halten. Der Vorstand des GDM informierte die Bezirksverbände, die ihre möglichen Änderungswünsche mitteilen sollten. Am 26. Oktober wurde Borsig durch Beschluss des Vorstands des GDM unter Leitung von Rieppel förmlich ermächtigt, über folgende Gegenstände zu verhandeln:207 • die Anerkennung der Gewerkschaften, • den Abschluss von Tarifverträgen,
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Quelle: Die Architektur des XX. Jahrhunderts – Zeitschrift für moderne Baukunst. Jahrgang 1909, Nr. 83
Abbildung 15: Der Stahlhof in Düsseldorf (vor 1909)
• die Ausgestaltung der Arbeitsnachweise, um ihnen den Kampfcharakter zu nehmen, • die Einführung einer zeitweiligen Arbeitslosenunterstützung. Ebenfalls am 26. Oktober suchte auch die Nordwestliche Gruppe unter Leitung von Beukenberg im Düsseldorfer „Stahlhof“ nach einem ersten Abgleich der Positionen mit allen drei Metallarbeitergewerkschaften hinsichtlich der künftigen Zusammenarbeit in der Übergangswirtschaft. „Arbeit, Brot und Unterkunft“ für die aus dem Militär und der Rüstungsproduktion zu entlassenden Arbeitskräfte waren das zentrale Anliegen von Schlicke. Paritätische Arbeitsnachweise, die Schlichtungsausschüsse des Hilfsdienstgesetzes sowie Arbeitsgemeinschaften der Arbeitgeber und -nehmer als Verhandlungspartner der staatlichen Behörden bildeten den institutionellen Kern seiner Vorschläge. Das befürchtete Überangebot an Arbeitskräften wollte Schlicke durch die Einführung von drei 8-Stunden-Schichten entschärfen, was letztlich auf den 8-Stunden-Arbeitstag hinauslief.
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Dagegen hoffte Stinnes auf dem Weltmarkt bald „wieder im Sattel sitzen“. Er nahm an, dass etwa ein Jahr nach der Demobilmachung eine Nachkriegshochkonjunktur einsetzen werde. In der Folge erwartete er eher einen Arbeitskräftemangel als einen -überschuss. In jedem Fall wollte Stinnes ungeachtet der deutschen Niederlage den niedrigen Außenwert der Mark, die vergleichsweise niedrigen Löhne und die angestrebte Deregulierung der deutschen Wirtschaft zu einer Exportoffensive nutzen. Damit verband er die Absicht, weitere Unternehmen der verarbeitenden Industrie und der Energiewirtschaft an seine schwerindustrielle Basis anzugliedern. Seine Ausführungen bestätigten, was Siemens bereits zu Jahresbeginn 1918 sorgenvoll prophezeit hatte: „Die Schwerindustrie hat große Neigung, sich auch auf das Gebiet der Fertigindustrie auszudehnen. Thyssen ist ja schon recht weit vorgegangen, auch Stinnes fängt an, diese Pläne zu ventilieren. Es wäre dann natürlich sehr leicht möglich, daß der Verdienst noch mehr auf den Gebieten der Roh- und Halbfabrikate liegt. Wir stehen nunmehr in dem Zeitalter der Konzentration […]. Ob sie später zu einem Staatssozialismus führen wird, das kann man natürlich heute noch nicht beurteilen.“208
Wollte Stinnes diese Pläne verwirklichen, benötigte er unter den gegebenen Umständen vor allem die Bereitschaft der Gewerkschaften, auf eine erhebliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu verzichten. Das Lohnniveau war dann vor dem Hintergrund der schleichenden Inflationierung zweitrangig. Der Vertreter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine unterstrich freilich die Verbitterung in der Arbeiterschaft. Man habe um der Kriegsanstrengung willen lange Arbeitszeiten hingenommen und fühle sich heute dafür bestraft. Für die Schwerstarbeiter am offenen Feuer sei die 8-Stunden-Schicht sogar eine „Gesundheitsfrage“. Huë hielt für die Übergangszeit eine Verkürzung für unumgänglich, wolle man „die Anarchie vermeiden“. Die Unternehmer beharrten darauf, dass Arbeitszeitverkürzungen vom Wettbewerb auf dem Weltmarkt abhingen.209 Dem wollten sich dann auch weder Huë noch sein Kollege von den Christlichen Gewerkschaften ganz verschließen und signalisierten Kompromissbereitschaft. Naturgemäß war über die katastrophale Ernährungslage zu sprechen. Viele Unternehmen hatten die Versorgung ihrer Beschäftigten aus Schwarzmarktkäufen auf Initiative des Kriegsernährungsamtes im Januar 1918 aufgegeben und damit die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft geschürt. Man war sich rasch einig, dass man dieses Problem bei Fortdauer der alliierten Blockade selbst gemeinsam kaum werde lösen können. Heikel war die Zukunft der wirtschaftsfriedlichen Gewerkvereine. Reusch, Generaldirektor der Gutehoffnungshütte, hatte Beukenberg, den Vorsitzenden der Nordwestlichen Gruppe, ermahnt, diejenigen nicht zu
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desavouieren, die „bisher noch allein treu zum Arbeitgeber gehalten“ hätten.210 Stinnes und seine Kollegen erkannten in der Beteiligung der ‚Gelben‘ an den künftigen Verhandlungen eine „Anstandspflicht“. Genauso folgerichtig sah der DMV-Vorsitzende Schlicke in den Wirtschaftsfriedlichen keine Arbeitervertreter. Immerhin stellte er den Arbeitgebern anheim, die ‚Gelben‘ – gleichsam als Vertreter der eigenen Seite – an den künftigen Verhandlungen zu beteiligen. Stinnes akzeptierte sofort, da man so nicht gezwungen war, die ‚Gelben‘ fallen zu lassen.211 Reusch hatte er bereits im Vorfeld mit dem Hinweis zu beruhigen versucht, man werde „vielleicht nur einige Zeit getrennt mit Werkvereinen und Gewerkschaften verhandeln“.212 Der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG („DeutschLux“), Vögler, triumphierte voreilig: „Gestrige Besprechung mit Gewerkschaftsführern sehr gut verlaufen. Die Wirtschaftsfriedlichen werden an den nächsten Verhandlungen teilnehmen.“213 Raumer empfing gemeinsam mit Henrich die Gewerkschaftsvorsitzenden Legien und Stegerwald am 30. Oktober 1918 bei „Rotwein und Zigarre“.214 Dabei einigte man sich über die Grundsätze einer paritätischen Zusammenarbeit bei der Demobilmachung und über ein entsprechendes Reichsamt. Siemens und Rathenau erhielten jeweils ein Ergebnisprotokoll der Besprechung. Diese gleichsam kollegiale Behandlung der einst verfemten Gewerkschaftsführer jetzt und wohl auch schon bei den vorangegangenen Kontakten wird ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Die Gewerkschaftsführer mögen sich über die Nachhaltigkeit des Sinneswandels einiger ihrer Kontrahenten in Illusionen gewiegt haben.215 Den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Einzelgewerkschaften schilderte Legien am 1. November in vergleichsweise blumigen Worten, die Industriellen hätten eingesehen, dass ihre bisherige Haltung gegenüber den Gewerkschaften ein Fehler gewesen sei. Sie seien jetzt bereit, im Sinne einer Zusammenarbeit bei der Demobilmachung die Gewerkschaften anzuerkennen und die ‚Gelben‘ fallen zu lassen. Zwar wurden „Bedenken“ gegen die plötzliche Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern laut. Am Ende billigten die Vorstände jedoch gegen zwei Nein-Stimmen den Auftrag, eine Vereinbarung auszuhandeln.216 Damit hatten Legien und die anderen Unterhändler gleichsam die Prokura, auf die Raumer und Stinnes – zumindest hinsichtlich der zentralen Unternehmerverbände – glaubten verzichten zu können. Die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaftsführer hatte freilich Grenzen. Der vom Vorsitzenden des DMV, Schlicke, den Ruhrindustriellen angebotene Kompromiss zur Beteiligung der ‚Gelben‘ war bei den Gewerkschaften nicht mehrheitsfähig, wie Raumer bei einem Besuch beim Vorsitzenden der Generalkommission am 2. November feststellte. Die
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Bergarbeitergewerkschaften hatten gegenüber dem Zechenverband auf Ausschluss der ‚Gelben‘ bestanden. Selbst Satzungsänderungen der Wirtschaftsfriedlichen waren kaum geeignet, den Widerwillen gegen sie zu mildern. Allenfalls auf lokaler und regionaler Ebene wollten die Gewerkschaften die ‚Gelben‘ dulden. Der vergleichsweise gewerkschaftsfreundliche Verein Bayerischer Metallindustrieller beschloss ebenfalls am 30. Oktober, parallel Verhandlungen aufzunehmen. Sein Vorsitzender Rieppel war überrascht von der Intransigenz der Gewerkschaften, genössen die ‚Gelben‘ in Bayern doch ein gewisses Ansehen. Tatsächlich war auch die Südwestliche Gruppe des VdESI nicht bereit, die ‚Gelben‘ fallen zu lassen. Er habe, so Rieppel, Staatssekretär Bauer doch so verstanden, dass eine Zusammenarbeit an der Beteiligung der ‚Gelben‘ nicht scheitern werde. Genau das zeichne sich jetzt jedoch ab, so die Warnung Raumers an die Adresse von Stinnes.217 Scheiterte die Unterstützung der Gewerkschaften, stand auch das zentrale Anliegen auf dem Spiel, die Demobilmachung nicht der Staatsbürokratie zu überlassen. Rathenau wollte diese so ins Werk setzen, „daß die Privatwirtschaft es selbst übernimmt, alle nötigen Erhebungen über vorliegende Beschäftigung, Aufnahmemöglichkeit von Arbeitskräften in den einzelnen Betrieben, Unterkunftsfragen vorzunehmen, daß sie es ferner übernimmt, sowohl die Arbeiter in organischer Weise auf die einzelnen Betriebe zu verteilen, wobei einem jeden Betrieb seine eigenen Leute zuzuteilen sind, und gleichzeitig die Aufträge in derjenigen Menge und Spezifikation zu verteilen, daß ohne Erschütterung die Kriegsarbeit in Friedensarbeit umgestellt werden kann.– Mit einem Wort: Es soll angestrebt werden, daß die Privatwirtschaft geschlossen der Behörde gegenübertritt und zusammengefaßt der Behörde ihre Bedürfnisse und ihre Aufnahmefähigkeit mitteilt, daß andererseits Menschen, Materialien, Aufträge und Subventionen, falls solche erforderlich sein sollten, von ihr sachgemäß verteilt werden.“218
Am 3. November 1918 berichtete die „Arbeitgeberzeitung“ erstmals über Kontakte der Nordwestlichen Gruppe mit den Gewerkschaften.219 Am 5. November 1918 kamen Borsig, Deutsch, Henrich, Rathenau, Raumer, Stinnes und Vögler mit Siegfried Aufhäuser, Vorsitzender der (sozialdemokratischen) Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA), mit Legien, Anton Höfle, Direktor des (christlichen) Deutschen Technikerverbandes, Franz Neustedt, Vertreter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, Stegerwald und Paul Eisner für die christliche Arbeitsgemeinschaft der kaufmännischen Verbände im Berliner Hotel „Continental“ zusammen. Offensichtlich waren die Gewerkschaften durch die Hinzuziehung der Angestelltenorganisationen bestrebt, ihren Kontrahenten in der Frage der ‚Gelben‘, bei denen sich nicht zuletzt Angestellte engagiert hatten, eine
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Quelle: Postkarte
Abbildung 16: Das Continental-Hotel in Berlin um 1905
möglichst breite Arbeitnehmerfront entgegenzustellen. Schon im August 1918 hatten die Arbeitgeber eine „fortschreitende Radikalisierung“ der Angestelltenverbände beklagt. Die ‚Gelben‘, so Legien, seien ohne die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber und ohne deren Druck auf die Belegschaften, diesen beizutreten, gar nicht lebensfähig. Das wurde zwar von den Arbeitgebern bestritten. Aber Legien beharrte darauf, die Generalkommission könne den Gewerkschaftsmitgliedern die Beteiligung der ‚Gelben‘ nicht vermitteln und würde andernfalls nur „den radikalen Gegnern der freien Gewerkschaften“ Munition für deren Agitation liefern. Ohnehin informierte die Gewerkschaftsführung ihre Mitglieder nur sehr vorsichtig über ihre Kontakte mit den Industriellen. Eine Anerkennung der ‚Gelben‘ hätte die Verhandlungsführer, vor dem Hintergrund der Kritik der linken Gewerkschaftsopposition, in den Augen der Mitglieder diskreditiert. Am Ende wollte Legien den Industriellen ermöglichen, ihr Gesicht zu wahren. Er war überzeugt, dass die ‚gelben‘ Konkurrenten zerfielen, wenn die Unternehmer ihre finanzielle Förderung ebenso einstellten wie die Gewährung von Vorteilen an deren Mitglieder. Nur wenn die ‚Gelben‘
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sich ein halbes Jahr auch ohne diese Förderung durch die Arbeitgeber würden halten können, war Legien bereit, die Wirtschaftsfriedlichen als „Organisationen der Arbeitnehmer“ an der geplanten Arbeitsgemeinschaft zu beteiligen. Damit war die letzte Hürde genommen. Mit ihrer „Arbeitsgemeinschaft für die Aufgaben der Abrüstung und der Überführung der Kriegswirtschaft in die Friedenswirtschaft“ wollten die Sozialpartner der Regierung ihr Konzept diktieren. Es folgte im Wesentlichen den von Rathenau inspirierten Vorstellungen Henrichs. Ein Reichsamt mit umfassenden Vollmachten gegenüber allen Behörden der Länder, des Reichs und gegenüber dem Militär sollte mit diesen „in reibungsloser Weise“ zusammenarbeiten. Neben dem Staatssekretär des neuen Amtes sollte auch ein Mitglied des Kriegskabinetts in dessen Leitung delegiert werden, um Kompetenzstreitigkeiten bereits im Ansatz mit der Autorität des Kriegskabinetts zu verhindern. Die „Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ sollte sich zur „Mitarbeit und Eingliederung zur Verfügung“ stellen.220 Damit waren noch vor der Revolution die „rechtlichen Grundgedanken“ des späteren Abkommens – insbesondere die wechselseitige Anerkennung, die Parität im bilateralen Verhältnis und eine gewisse Dauer der Zusammenarbeit – vorweggenommen.221 Am selben 5. November, als die Großindustriellen mit den Spitzen der Arbeitnehmervertreter in Berlin verhandelten, veröffentlichte die VDA ein Rundschreiben zur Zusammenarbeit bei der Demobilmachung.222 Sie bekräftigte den Grundsatz, dass die Demobilisierten unbedingt wieder einzustellen seien. Außerdem sorgte sie jetzt für eine Dokumentation bestehender Tarifverträge. Zugleich äußerte sie die Überzeugung, „daß auch die Kampfgewerkschaften ihren Widerstand gegen die Heranziehung der wirtschaftsfriedlichen Arbeiterorganisationen bei der gemeinsamen Arbeit zurückstellen müssen“. Es sei die „Pflicht der Arbeitgeberverbände“, die ‚Gelben‘ heranzuziehen. Als Leiter des künftigen Demobilmachungsamtes empfahl sich der Artillerieoffizier Josef Koeth – ein Protegé Rathenaus.223 Er personifizierte die Erfahrung des Militärs bei der Organisation der Kriegswirtschaft. Koeth hatte 1915 die Leitung der von Rathenau aufgebauten Kriegsrohstoffabteilung im preußischen Kriegsministerium übernommen. Kein Freund von langfristigen Überlegungen wirtschafts-, währungs- und gesellschaftspolitischer Natur, dafür ausgestattet mit der erforderlichen Entschlussfreudigkeit seiner Profession, hatte er die Wirtschaft dem Zweck untergeordnet, die notwendigen Rüstungsgüter bereitzustellen. Er war stets bereit, den Preisvorstellungen der Unternehmer ebenso entgegenzukommen wie den Lohn- und sonstigen Forderungen der Arbeiterschaft. Die Stabilität der Währung und der öffentlichen Haushalte war nachran-
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gig. Mit derselben Einstellung wollte er die Demobilmachung angehen. Er kritisierte die in seinen Augen betulichen Übergangspläne des Reichswirtschaftsamtes. Industrielle und Gewerkschafter einigten sich auf Koeth, dessen Zustimmung Raumer offenbar noch in den späten Abendstunden einholte. Dass ein Offizier die im Kern zivile Aufgabe der Rekonversion übernahm, spiegelte das Misstrauen der Sozialpartner gegen die zivile Verwaltung. Raumer konnte Rieppel melden, die Verhandlungspartner hätten in der Frage der Demobilmachung „völlige Übereinstimmung“ erzielt. Am Morgen des 6. November trug Raumer das Verhandlungsergebnis in Form einer Eingabe in die Reichskanzlei.224 Rathenau berichtete ebenfalls, dass das Abkommen mit den Arbeitnehmern „vor der Perfizierung“ stehe.225 Mit Vizekanzler Payer vereinbarte Raumer einen Gesprächstermin für Stinnes, Legien, Rathenau und Stegerwald als Vertreter der neuen Arbeitsgemeinschaft noch am selben Tag. Payer erklärte sich jedoch für unzuständig. Für den Abend wurde eine dreistündige Besprechung organisiert, an der seitens der Regierung der Reichskanzler, die Angehörigen des Kriegskabinetts und die Staatssekretäre teilnahmen. Die Reichsregierung war zunächst nicht willens, sich über das Reichswirtschaftsamt und die legislativen Befugnisse des Bundesrates hinwegzusetzen und auf die Schnelle ein „selbständiges Reichsamt mit fast diktatorischen Befugnissen“ zu schaffen. Die den Liberalen angehörenden Regierungsmitglieder fürchteten, die hastige Errichtung eines weiteren Ressorts werde die ohnehin geschwächte (Ministerial-)Verwaltung weiter beeinträchtigen. Rathenau warnte Payer, die Bundesstaaten würden bald nicht mehr existieren, wenn man nicht handle. Und Legien drohte, Industrie und Arbeiterschaft würden die Demobilmachung nicht unterstützen, sollte die Regierung die Einrichtung der geforderten Reichsbehörde verweigern. Die Regierung knickte ein. Damit wurde nicht nur der Staatssekretär des Reichswirtschaftsamtes, sondern auch dessen Unterstaatssekretär Müller ausgebremst. Am Abend des folgenden 7. November verhandelten der Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Siegfried Graf von Roedern, der Unterstaatssekretär Müller und Ernst von Simson, Beamter im Reichswirtschaftsamt, mit den Vertretern der Unternehmer die Details der Verordnung, die der Bundesrat beschließen sollte. Man einigte sich auf den Vorschlag Roederns, Koeth zum Stellvertreter des Reichskanzlers in Demobilmachungsangelegenheiten sowie zum Preußischen Demobilmachungskommissar und Mitglied des Kriegskabinetts zu machen. Mit diesen verschiedenen Hüten ausgestattet, sollte Koeth sich sowohl des Reichswirtschaftsamtes als auch seines Demobilmachungsbüros bedienen.
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Im Interfraktionellen Ausschuss des Reichstages wurden am selben Tag noch der Vorsitzende des Hansa-Bundes, Jakob Rießer, und der KruppDirektor Otto Wiedfeldt als Alternativen zu Koeth gehandelt. Im Kriegskabinett trug Roedern am folgenden 8. November das Verhandlungsergebnis vor. Insbesondere Payer und der linksliberale Staatssekretär ohne Portefeuille Conrad Haußmann kritisierten die gefundene Lösung. Erwogen wurde, Wiedfeldt zum Leiter des Reichswirtschaftsamtes zu ernennen. Die Verhandlung war bereits von den Ereignissen in Kiel überschattet, und die Personalie blieb liegen.226 Das änderte nichts mehr an der Entscheidung für Koeth. Reichert bezeichnete das gemeinsame Auftreten der Unternehmer und Gewerkschaften später als überraschendes Novum, dem die Regierung habe nachgeben müssen.227 Ein Querschuss gegen die Vereinbarung mit der Reichsregierung kam für die Vertreter der Industrie unerwartet aus den eigenen Reihen. Von Borsig erfuhr Raumer, dass Max Rötger, einst Vorsitzender des KruppDirektoriums, gemeinsam mit seinem Kollegen Heinrich Friedrichs vom BdI beim Reichskanzler gegen die Abmachung der Unternehmer mit der Reichsregierung Protest eingelegt hatten. Tatsächlich telegrafierten Rötger und Friedrichs am 8. November namens des Deutschen Industrierates an Reichskanzler Max von Baden. Die Verhandlungen hätten sich „auf einen kleinen Kreis von Personen“ beschränkt, „die von Seiten der Industrie nicht als die berufenen Vertreter der Gesamtindustrie anerkannt werden können“. Sie baten, auch dem Industrierat die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.228 Stinnes und Raumer setzten Rötger fernmündlich unter Druck; er sollte seinen Protest zurücknehmen. Dieser bekräftigte indessen seine Auffassung, dass der „Vertretung der Gesamtindustrie“ und damit den hinter ihr stehenden Unternehmen bei einer derart „tiefgreifenden Massnahme“ die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei.229 Borsig, Deutsch, Henrich, Rathenau, Raumer, Stinnes und Vögler hatten die zentralen Unternehmerverbände tatsächlich zu Statisten gemacht. Das widersprach nicht nur deren organisatorischem Eigeninteresse. Die Protagonisten der Großindustrie hatten auch die Masse der kleinen und mittleren Unternehmen, die immer noch die Mehrheit der Arbeitgeber bildeten, vor vollendete Tatsachen gestellt. Naturgemäß waren hier die Bedenken gegen die plötzliche Wende von der Konfrontation zur Kooperation nicht geringer als auf Seiten der Gewerkschaften. Aber deren Führer hatten eben für ihre Bevollmächtigung gesorgt. Dass die „Organe der Arbeitgeberverbände […] nicht ordnungsgemäß befragt werden konnten“, erklärte Tänzler später – nicht unbedingt überzeugend – mit den schwierigen Verkehrsverhältnissen.230 Immerhin war es zweifelhaft, ob die beiden Unternehmerverbände die gebotene Wende in der gebotenen Zeit hätten
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Quelle: BArch, Bild 146-1970-051-33
Abbildung 17: Novemberrevolution: Auto mit Maschinengewehren des Arbeiter- u. Soldatenrates am Brandenburger Tor, November 1918
vollziehen können. Die Großindustriellen hatten dies jedenfalls ausgeschlossen. Damit stellte sich über kurz oder lang die Frage nach der Zukunft der beiden im Industrierat nur oberflächlich koordinierten Verbände. In der eigenen Wahrnehmung hatten die Großindustriellen die erforderliche Form der Demobilmachung, so Raumer, gegen einen „Wust bürokratischer Voreingenommenheit“ durchgesetzt. Man war nicht bereit, „verletzte Eitelkeit“ zu berücksichtigen und sich „weiter der Führung des Herrn Rötger anzuvertrauen“.231 Stinnes kündigte für sich und seine Unternehmen „Konsequenzen“ an.232 Vergleichsweise reibungslos vollzog sich der Wandel beim GDM. Die Vorsitzenden Rieppel und Borsig begründeten in einem Rundschreiben am 8. November 1918233 die künftige Vereinbarung mit den Gewerkschaften, und Geschäftsführer Max Töwe erläuterte die Änderung der „Allgemeinen Vorschriften“ des Verbandes. Im Gegensatz zu ihrer bislang gültigen Fassung von 1912 waren jetzt Verhandlungen von Organisation zu Organisation „erwünscht“. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in den Bezirken war folgerichtig in Zukunft zulässig. Keinesfalls sollte jedoch
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der einzelne Arbeitgeber mit den Organisationen der Arbeitnehmer verhandeln. Tarifverträge sollten geschlossen, dabei aber nur leistungsbezogene Löhne vereinbart werden. Die Arbeitsnachweise sollten künftig paritätisch geführt werden. Eher skeptisch sah man die Chancen der ‚Gelben‘. Man wolle „die Wirtschaftsfriedlichen nach Möglichkeit […] beteiligen“. Borsig wurde ermächtigt, bindende Zusagen zu machen, die den bislang geltenden „Allgemeinen Vorschriften“ widersprachen. Zugleich galt deren Änderung als gebilligt. Raumer freute sich am 16. November, dass es gelungen war, „trotz Ausbruch der Revolution die Ernennung von Koeth durchzusetzen“.234 In seinem neuen Amt bestätigt wurde dieser eher beiläufig am 10. November 1918 durch den Rat der Volksbeauftragten. Müller übernahm am 14. November die Leitung des Reichswirtschaftsamtes. Sein ‚kaiserlicher‘ Vorgänger wurde entbunden, nachdem er schon am 2. November 1918 sein Rücktrittsgesuch eingereicht hatte.235
3. Die Revolution als Schrittmacher Zwischenzeitlich hatten sich die Rahmenbedingungen erneut dramatisch verändert. Ohne Absprache mit dem Reichskanzler bereitete die Marineleitung am 28. Oktober 1918 das Auslaufen der Hochseeflotte zu einem letzten Gefecht mit dem britischen Gegner vor. Sie hätte damit das Waffenstillstandsgesuch der Regierung konterkariert. Eine Meuterei der Matrosen setzte den ‚Endkampf‘-Phantasien ein rasches Ende. Damit war die klassische revolutionäre Lage eingetreten, in der die ‚unten‘ nicht mehr wollten und die ‚oben‘ nicht mehr konnten. In Kiel bildete sich am 4. November ein Arbeiter- und Soldatenrat, mit dem die kriegsmüden Soldaten und Arbeiter unter Führung des nach Kiel geeilten Gustav Noske faktisch die Aufsicht über die örtlichen Behörden übernahmen. Besorgt registrierte Rathenau an jenem 6. November, als er in Berlin über die Demobilmachung verhandelte, dass die Hamburger Werftarbeiter in den Streik traten, um sich mit den Kieler Soldaten und Arbeitern zu solidarisieren.236 Der DMV veröffentlichte noch einen Aufruf gegen spontane Kundgebungen. In den kommenden Tagen verbreiteten sich jedoch die Arbeiter- und Soldatenräte wie ein Lauffeuer. Noch am Morgen des 9. November 1918 meldete Reichert optimistisch: „Die Arbeitsgemeinschaft zwischen Industrie und Gewerkschaften läuft gut. Die Leitung der Demobilmachung kommt in beste Hände. Schwere Unruhen sind nicht zu befürchten.“237 Am 10. November verkündete die „Arbeitgeberzeitung“ die „grundsätzliche Wandlung ihres seither eingenommenen Standpunktes“ und erwartete, die Arbeiter mögen dies durch Vertrauen honorieren.238 Tatsächlich hatte
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der Kaiser schon am Ende des 9. November abgedankt. Scheidemann hatte die Republik und Karl Liebknecht die Sozialistische Republik ausgerufen. Der Zechenverband regierte prompt. Am 10. November forderte er seine Mitglieder auf, Arbeitslosigkeit unter den aus der Rüstungsindustrie und dem Heer zurückkehrenden Belegschaftsmitgliedern unbedingt zu vermeiden.239 Die Mehrheitssozialdemokraten setzten sich an die Spitze der Bewegung. Der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert übernahm die Regierungsgeschäfte. Er bildete am 10. November einen Rat der Volksbeauftragten, nur vage legitimiert durch die Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte und nur vage gestützt von der Zusage des kaiserlichen Militärs, seine Regierung zu schützen. Außer Ebert selbst gehörten dem Gremien Scheidemann, Noske sowie drei Vertreter der USPD an. Die Reichsämter mit ihren Staatssekretären führten unter Aufsicht des Rates die Geschäfte fort. Nicht die sozialdemokratischen Organisationen der Arbeiterschaft hatten die Revolution ‚gemacht‘, sondern die kriegsmüden Soldaten und Arbeiter. Nicht der Kapitalismus war zusammengebrochen, sondern das politische System des Kaiserreichs. Dabei funktionierten dessen Einrichtungen, Verwaltungen, Kirchen, selbst große Teile der Armee einfach weiter. Die sozialdemokratischen Politiker traten als Konkursverwalter des Kaiserreichs an. Zugleich hatten sie jetzt die Erwartung ihrer Anhänger auf einen politischen und gesellschaftlichen Neubeginn zu erfüllen. Das eröffnete zumindest die Chance, die bestehende Gesellschaftsordnung umzubauen. Die Freien Gewerkschaften und namentlich die Funktionäre des DMV waren gut in den lokalen Räten vertreten. Diese wollten die staatliche Verwaltung dann in aller Regel auch nicht ersetzen, sondern sie ganz im Sinne des Rates der Volksbeauftragten beaufsichtigen und unterstützen.240 Schwerer hatten es die liberalen und die Christlichen Gewerkschaften, die wiederum in katholischen Gegenden durchaus Vertreter in den Arbeiter- und Soldatenräten stellten. Noch schwerer hatten es die ‚Gelben‘. In Magdeburg und anderen Orten lösten die Arbeiter- und Soldatenräte sie auf und zogen ihre Kassen ein. Sogar Menschenjagden kamen vor. Die ‚Gelben‘ appellierten am 17. November an den „Reichskanzler Ebert“, er möge „Koalitionszwang“ und „Terrorismus“ per Erlass verbieten, und erinnerten an eine entsprechende Zusage von Staatssekretär Bauer. Sie erhielten den schnöden Bescheid, man habe dies zur Kenntnis genommen.241 Die sozialdemokratische Parteiführung hatte ihren Gewerkschaften nahegelegt, sich während der Revolution zurückzuhalten. In den Hochburgen der Gewerkschaftsopposition in Hamburg, Bremen, Mülheim an der Ruhr und anderen Orten herrschte dagegen eine ausgesprochen feindselige Stimmung gegen die Gewerkschaftsfunktionäre.242 Selbst dem
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intransigenten Generaldirektor der Gutehoffnungshütte, Reusch, wurde allmählich mulmig. Die Gewerkschaftsführer hätten ihre Mitglieder nicht mehr im Griff, fürchtete er am 12. November.243 Den abgedankten Monarchen weinten Stinnes, Rathenau, Hilger, Duisberg, Bosch und andere kaum eine Träne nach; sie waren pragmatische Unternehmer. Am weitesten ging vielleicht AEG-Präsident Rathenau, der „die Vernichtung des alten militärisch-feudalen Systems […] für so wertvoll“ hielt, „daß alle Nachteile in Kauf genommen werden müssen“.244 Bayer-Chef Duisberg brachte es auf den Punkt. Als er sah, „daß das Kabinettsystem abgewirtschaftet hatte, habe ich die Umstellung auf das parlamentarische […] begrüßt […] und gehe, wo es möglich ist, Hand in Hand mit den Gewerkschaften und suche zu retten was zu retten ist. Sie sehen, ich bin Opportunist und passe mich den Verhältnissen an.“245
Gerade dieser Opportunismus barg nach dem Umsturz ein Risiko für die Gewerkschaftsführer, wie Rathenau unschwer erkannte. Er fürchtete, die Verhandlungspartner könnten ihre Glaubwürdigkeit bei den eigenen Mitgliedern verlieren, wenn sie jetzt mit den Unternehmern als herausragenden Vertretern der früheren Klassengesellschaft eine besitzstandswahrende Vereinbarung trafen. Legien versicherte Rathenau, die Gewerkschaftsführer seien sich des Problems bewusst. Aber man wolle durch die Arbeitsgemeinschaft mit den Industriellen im Interesse der Arbeiterschaft Arbeitslosigkeit und Elend vermeiden. Die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft sei auch nach Übernahme der politischen Macht ein Unternehmen von Monaten, wenn nicht von Jahren. Im Übrigen sehe man in dem Abkommen einen Schritt zur Vorbereitung der Sozialisierung. Folgerichtig machten sich Raumer und Leipart nach kurzer Unterbrechung an die Formulierungen des Abkommens. Dabei widersetzten sich die Arbeitgeber beharrlich den Forderungen der Gewerkschaften; schließlich bildete der 8-Stunden-Arbeitstag die letzte Hürde.246 Die Revolution setzte die Industriellen nun doch unter Zugzwang, wie die dringende Bitte des Montanindustriellen Vögler belegt, ihm die Statuten der in Rede stehenden Arbeitsgemeinschaft zu senden. Er hoffte „unsere Leute mit Hinweis auf diese Verhandlungen ruhig zu behalten“.247 Der Zechenverbandsvorsitzende Hugenberg forderte, „den Schwerpunkt der Entscheidungen nicht in [den] Berliner Zentralausschuss, sondern in die Ausschüsse der Reviere zu verlegen“.248 Rathenau hatte schon in seinen Überlegungen zur Demobilmachung die Verkürzung der Arbeitszeit vorgeschlagen. Er plädierte jetzt dafür, den künftigen Sozialpartnern in der Stunde ihres Sieges den Achtstundentag zuzugestehen.249 In Düsseldorf verhandelte Beukenberg als Vorsitzender des VdESI unterdessen mit den Gewerkschaften über eine moderate Verkürzung der Samstagsarbeits-
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Quelle: AdsD / Friedrich-Ebert-Stiftung
Abbildung 18: Theodor Leipart (1867–1947)
zeit bei vollem Lohnausgleich. Sie wurde schließlich zum 16. November 1918 eingeführt. An den Hoch- und Koksöfen sollte im Laufe von ein bis zwei Monaten die 8-Stunden-Schicht eingeführt werden. Die generelle Einführung des Achtstundentags erfordere Investitionen in neue Hochöfen. Dagegen könnten die Maschinenbaubetriebe die 8-Stunden-Schicht leichter umsetzen. Die Vertreter der Gewerkschaften, so Beukenberg, hätten zugestanden, dass aus Gründen der „Wettbewerbsfähigkeit“ die 8-StundenSchicht international zu vereinbaren sei. Er bat Stinnes, das in den Berliner Verhandlungen zu berücksichtigen. In ihrem Rundschreiben unterstrich die Nordwestliche Gruppe am 16. November diesen Vorbehalt. Die Gewerkschaftsvertreter hatten das folgenschwere Zugeständnis womöglich unter dem Eindruck der bereits während des Krieges angelaufenen Bemühungen internationaler Gewerkschaftsgremien um ein entsprechendes Abkommen über sozialpolitische Mindeststandards gemacht.250 Im Übrigen billigte Beukenberg namens der Nordwestlichen Gruppe als deren Vorsitzender und auch im Namen von Hoesch-Generaldirektor Springorum die Abmachungen über das Demobilmachungsamt – und damit mittelbar auch
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das geplante Abkommen über die Arbeitsgemeinschaft mit den Gewerkschaften.251 Auch Duisberg begann in den Leverkusener Bayer-Werken unverzüglich mit dem neu gebildeten Betriebsrat über den Achtstundentag, Teuerungszulagen und anderes zu verhandeln.252 Im ländlichen Siegerland hatten sich die Metallarbeitgeber am 11. November unbehelligt durch die revolutionären Ereignisse zusammengefunden, um eine Verhandlungskommission zu bilden. Bereits am nächsten Tag vereinbarten sie mit den drei Gewerkschaften den Neunstundentag für männliche und den Achtstundentag für weibliche Arbeitnehmer bei vollem Lohnausgleich. Die endgültige Einführung des Achtstundentags wollte man auch hier von der internationalen Vereinbarung abhängig machen. Alle demobilisierten Arbeiter sollten wieder eingestellt werden. Dagegen gestanden die Arbeitgeber weder die Entlassung bestimmter, bei den Belegschaften unbeliebter Angestellter noch die Teilnahme von Gewerkschaftsvertretern an den Sitzungen der Arbeiterausschüsse zu. Den Einfluss der Arbeiterschaft auf die Betriebsführung lehnte man ab. Im Übrigen arbeiteten die Unternehmer mit den Arbeiter- und Soldatenräten bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammen.253 In der Berliner Metallindustrie scheiterten dreimonatige Verhandlungen im Januar 1919 an der Ablehnung der Arbeitnehmervertreter, die auf eine baldige Sozialisierung hofften. Es folgten endlose Verhandlungen unter staatlicher Vermittlung, Streiks, Aussperrungen. Erst im November 1919 wurde ein Kompromiss erzielt.254 Unterdessen schrieb Stinnes am 12. November über die Schlussverhandlungen zum Abkommen:255 „Anbei finden Sie im Wortlaut das Abkommen mit den Gewerkschaften, das soeben erzielt wurde. Nächsten Freitag Morgen soll es vollzogen werden und nachmittags von der 6 Männer Regierung genehmigt werden. Ebert ist über die Verhandlungen unterrichtet. Man verlangte heute vielfach ganz unverständige Dinge. Leider fehlte mir außer einer kleinen Assistenz von Rathenau jede Unterstützung. Es war gut, daß Legien zugegen war. Mit ihm läßt sich vernünftig paktieren. Teilnehmer waren Rathenau, Deutsch, Henrich, C. F. v. Siemens, H. v. Borsig, Dr. Tänzler, Legien, Leipart und Stegerwald u. v. Raumer. Letzterer ist ein kluger Mann. Es ist eigentlich bedauerlich, daß man früher mit den Leuten nicht verhandeln konnte, ohne unsere Verbände zu sprengen. Heute würden wir besser stehen, wenn wir früher zusammen gegangen wären. Ich kann versichern, daß mehr als erreicht resp.[ektive] verhindert wurde, nicht zu erhalten war. K. [oeth] war lange bei mir. Er hat mit L.[egien] u. Lpt. [d. i. Leipart] gesprochen. Letzterer wird bei ihm gleich morgen eintreten [in das Demobilmachungsamt?]. Er ist sehr sorgenvoll. Alles wird davon abhängen, daß die Zusammensetzung der Soldatenräte relativ rechts gerichtet bleibt, daß man mit ihnen und den Gewerkschaften arbeiten kann, und daß die Nationalversammlung schnellstens
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kommt. Bitte senden Sie Kopie der Anlage an die dort in Betracht kommenden Herren u. desgl.[eichen] Kopie dieses Briefes u. der Anlage an meinen Sohn Edmund oder Herrn Thoms.“
Das Schreiben atmete zwar den Zugzwang, unter dem alle Teilnehmer standen. Dass die Unternehmer dennoch hart verhandelt hatten, wird ebenfalls deutlich – von Panik keine Spur! Stinnes und Rathenau hatten sich durch den Umsturz nicht ins Bockshorn jagen lassen. Stinnes soll seinen Kontrahenten erklärt haben, so Raumer:256 „Sie haben heute die politische Macht, aber ich unterschreibe nichts, was ich nicht auch unter veränderten politischen Verhältnissen dem Geiste nach halten kann.“ Dass das Novemberabkommen unter dem „Zwange der revolutionären Verhältnisse“ zustande gekommen sei, galt der „Arbeitgeberzeitung“ zu Recht als „irrige Annahme“. Die Revolution habe nur den Preis für die Arbeitgeber erhöht.257 Stinnes’ Erkenntnis, dass man mit den Gewerkschaftsführern besser schon früher verhandelt hätte, kam jedoch reichlich spät. Dass man mit den Arbeitgeberverbänden Strukturen geschaffen hatte, deren Zweck darin bestand, gerade nicht zu verhandeln, sondern die Gewerkschaften zu bekämpfen, war eine immerhin bemerkenswerte Einsicht. Sie mündete in die Absicht, in der künftigen Arbeitsgemeinschaft den Dialog zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden selbst zu institutionalisieren. Freilich hingen die Chancen der Umsetzung von der allgemeinen politischen Entwicklung ab. Nur die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung konnte wieder staatliche Legitimität schaffen. Dass der Rat der Volksbeauftragten das Abkommen „genehmigen“ sollte, war eher eine Reminiszenz an den untergegangenen Obrigkeitsstaat. Nicht nur der Vorsitzende der Generalkommission, Legien, hatte sich den Respekt von Stinnes erworben; auch Raumers Leistung fand seine Anerkennung. Stinnes drängte seine Kollegen von der Schwerindustrie, das Abkommen zu billigen, nachdem in der Frage der ‚Gelben‘ ein Kompromiss gefunden war. Der VDA-Vorsitzende Sorge legte dem Vorsitzenden des Hauptausschusses der wirtschaftsfriedlichen Gewerkvereine nahe, diese sollten sich den Gewerkschaften doch etwas annähern, um ihre Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.258 Die Frage des Achtstundentages hatte sich durch die am 12. November veröffentlichte Absicht des Rates der Volksbeauftragten erledigt, ab 1. Januar 1919 den 8-Stunden-Maximalarbeitstag einzuführen. Umgesetzt wurde diese Absicht durch die „Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter“ des Demobilmachungsamtes vom 23. November 1918.259 Nur für die Eisenbahn sowie die Post- und Telegraphenverwaltung konnten in Absprache zwischen Betriebsleitung und
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Arbeitnehmerorganisationen abweichende Regelungen getroffen werden. Ansonsten blieben Ausnahmen vom Achtstundentag an strenge Voraussetzungen geknüpft. Die entsprechende Demobilmachungsverordnung für Angestellte folgte erst am 18. März 1919. Die Revolutionsregierung hatte damit der freien Vereinbarung der Arbeitgeber und -nehmer gesetzesähnlichen Charakter verliehen. Das galt auch für die Verordnungen zur Wiedereingliederung der demobilisierten Arbeiter und Angestellten. Allerdings hatte die Revolution insofern Fakten geschaffen, als sie den interpretativen Spielraum der Ziffer 6 beseitigte und anders als in Ziffer 7 Arbeiterausschüsse bereits bei 20 oder mehr Mitarbeitern vorschrieb. Auch der später vereinbarte Vorbehalt der Internationalisierung des Achtstundentags wurde hier nicht aufgenommen. Allerdings galt die Regelung vorläufig nur für die Phase bis zum Abschluss der Demobilmachung. Ganz auf der von Koeth schon während des Krieges verfolgten Linie und wie vom Stahlwerksverband gefordert, wurden die Höchstpreise für Metalle und Halbzeuge und bald für weitere Produktgruppen aufgehoben. Allerdings wurde damit auch der wachsende Inflationsdruck billigend in Kauf genommen. Diese und die anderen Verordnungen des Rates der Volksbeauftragten wurden durch die die künftige Nationalversammlung mit Gesetz vom 4. März 1919 ex post legalisiert.260 Übermäßig revolutionär war das Programm der Revolutionsregierung nicht. Im Gegenteil war sie – wie die Gewerkschaftsführung mit Blick auf die Unternehmerschaft – überzeugt, ohne die Bürokratie und das Militär des alten Obrigkeitsstaates keinen Staat machen zu können.261 Sie: • hob alle Beschränkungen des Vereinsgesetztes und des Koalitionsrechtes auf, • führte die im Krieg suspendierten Arbeitsschutzgesetze wieder ein, • schaffte die antiquierte Gesindeordnung in der Landwirtschaft ab und • bestätigte die Schlichtungseinrichtungen des ansonsten aufgehobenen Hilfsdienstgesetzes. Damit wurden längst überfällige Reformen durchgeführt. Im Übrigen kündigte der Rat der Volksbeauftragten Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung an. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Sozialdemokratie von einem überwältigenden Wahlsieg in der künftigen Nationalversammlung ausgehen. Dass die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer unter den neuen Machtverhältnissen an einer Vereinbarung mit den Unternehmern festhielten, sollte Stinnes seinen Unternehmerkollegen am 14. November mit der Einsicht der Gewerkschafter erklären,
3. Die Revolution als Schrittmacher131
„daß dasjenige, was jetzt zwangsweise durch eine Regierung eingeführt wird, die eigentlich rechtlich keine Legitimation hat, nicht die Bedeutung hat, wie eine freie Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und der Industrie, das letzte wird bleiben, das erste ist etwas, was wieder aufgehoben werden kann“.262
Die autonome, von staatlicher Regelung zunächst freie Vereinbarung gesellschaftlicher Interessen – für die das Stinnes-Legien-Abkommen stand – lag in der Logik der Orientierung der Sozialdemokratie an demokratisch-rechtsstaatlichen Grundsätzen. Nach einer erneuten Beschwerde ‚gelber‘ Werkvereine in Gelsenkirchen im Dezember 1918, dass der Arbeiter- und Soldatenrat mit der Waffe in der Hand an den Betriebstoren die Gewerkschaftszugehörigkeit prüfe, mahnte Ebert jetzt: „Obwohl die Reichsregierung es als erwünscht bezeichnen muss, dass die Arbeiter sich gewerkschaftlich organisieren, verurteilt sie doch jede Gewaltanwendung zu diesem Zweck. Sie hat als Frucht der deutschen Umwälzung die Vereinsfreiheit, nicht aber den Vereinszwang proklamiert. Auch der Nichtorganisierte hat ein Recht auf Arbeit und darf darin nicht beeinträchtigt werden.“263
Der Arbeiter- und Soldatenrat versicherte, dass man nur in den ersten Tagen der Revolution „Organisationszwang“ ausgeübt habe, dies mittlerweile aber nicht mehr tue. Tatsächlich sollte der (sozialdemokratische) Reichskohlenkommissar auch noch 1919 mehrmals die Versuche von Betriebsräten untersagen, Bergarbeiter zum Beitritt zu den Gewerkschaften zu nötigen.264 Dass die Gewerkschaftsführer den Dekreten einer wackligen Revolutionsregierung nicht vertrauten, wie Stinnes glaubte, war freilich nur eine Seite der Medaille. Die andere war ihr Misstrauen gegenüber der Fähigkeit des Staates, in seinem gegenwärtigen Zustand die Umstellung auf die Friedenswirtschaft ohne die Unterstützung der Unternehmer zu bewältigen. Hinter der Sorge vor Arbeitslosigkeit und Anarchie verbarg sich zudem eine latente Herausforderung der Gewerkschaften durch die vielen lokalen Arbeiterräte und spontanen Entwicklungen vor Ort.265 Sie stellten den überkommenen Anspruch in Frage, die Arbeitsbeziehungen branchenbezogen einheitlich zu regeln. Damit stand zugleich die raison d’être der Gewerkschaften und ihrer Funktionäre auf dem Spiel. Die Bereitschaft der Arbeitgeber, die Gewerkschaftsführung als Vertretung der Arbeitnehmer anzuerkennen und mit ihnen die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen auszuhandeln, rechtfertigte dagegen den Daseinszweck der Gewerkschaften. Genau aus diesem Grund hatten ja die schwerindustriellen Arbeitgeber bislang den Gewerkschaftsfunktionären diese Legitimation gegenüber ihren Mitgliedern verweigert und Verhandlungen abgelehnt. Sie hatten stattdessen ihren Beschäftigten die Mitgliedschaft in den von ihnen gesteuerten Gewerkvereinen nahegelegt, die auf den Arbeitskampf als ultima ratio
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faktisch verzichtet hatten. Jetzt hatte die Schwerindustrie, so Stinnes, jedoch ein „lebhaftes Interesse daran“,266 die gemäßigten Spitzenfunktionäre zu stützen. In diesem Sinne beschied auch Beukenberg seinem Kollegen Reusch, dass die Unterstützung der Gewerkschaftsführer Vorrang hatte vor derjenigen der ‚gelben‘ Werkvereine.267 Die Gewerkschaften waren in der akuten Situation die einzigen Bündnispartner, die aus eigenem Interesse das Abdriften der Arbeiterschaft in das Lager derjenigen verhindern konnten, die sich die Abschaffung des Privateigentums auf die Fahnen geschrieben hatten.
4. Die Verhandlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller am 14. November 1918 in Berlin Am 14. November 1918 kam der Hauptausschuss des VdESI in Berlin zusammen,268 um „zu retten, was irgendwie noch zu retten ist“, so Hilger, der den Vorsitz führte. Hilger zeichnete ein düsteres Bild der Verhältnisse im oberschlesischen Industrierevier. Dass Deutschland und ÖsterreichUngarn während des Krieges den polnischen Staat auf ehemaligem russischem Territorium hatten aufleben lassen, galt Hilger als der „größte Blödsinn“. Denn jetzt sei man allenthalben von „polnischen Banden“ bedroht. Die in Deutschland lebenden polnischen Arbeiter tendierten nach Polen, wo höhere Löhne gezahlt würden. Freilich habe man „blödsinnige Löhne“, für die die Arbeiter aber keine Nahrungsmittel bekämen. Offenbar stieß auch die ethnische Propaganda nationalpolnischer Kräfte bei der starken polnischen Minderheit auf positive Resonanz. Für Hilger stand angesichts des geschwächten Staatsapparates das „Verbleiben von Oberschlesien bei Deutschland“ auf dem Spiel. Freilich hatten die oberschlesischen Schwerindustriellen mit dem polnischen Berufsverband in der Vergangenheit so wenig verhandelt wie mit den deutschen Gewerkschaften. Der polnische Berufsverband hatte das Abkommen noch mitverhandelt und ist unter den unterzeichnenden Verbänden aufgeführt. Ob es, wenn überhaupt, ein Vertreter des Verbandes unterschrieben hat, ist nicht klar. An der künftigen Entwicklung scheint der Verband keinen Anteil mehr gehabt zu haben.269 „Ziemlich gut“, so Stinnes, sah es vergleichsweise in Westdeutschland aus. Hier hätten der Zechenverband und die Nordwestliche Gruppe mit den Gewerkschaften verhandelt, nachdem letztere dies „zufälligerweise“ angeregt hätten. In den Verhandlungen sei deutlich geworden, dass deren Forderungen „verhältnismäßig nicht zu schwer zu erfüllen waren“. Die Frage des 8-Stunden-Arbeitstages habe sich mittlerweile durch die Ankündigung der Regierung erledigt. Nochmals betonte Stinnes die Notwendig-
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keit, die Vereinbarung mit den Gewerkschaften abzuschließen, die dann von der Regierung veröffentlicht werden solle. Auf dieser Grundlage solle dann ein gemeinsamer „Zentralausschuß“ ins Leben gerufen werden. Wie oben dargestellt, hatten die Gewerkschaften ihre Kontrahenten keineswegs ‚zufällig‘ einfach so an den Verhandlungstisch gebeten. Stinnes musste schon bei den ersten Kontakten klar gewesen sein, was er der Masse der Unternehmer zumutete, wenn ausgerechnet er als Protagonist der Großindustrie den Kontakt zu den bislang bekämpften Gewerkschaften suchte, ohne die Unternehmerschaft und ihre Verbände im mindesten darauf vorzubereiten. Aus rechtlicher Sicht war die Ziffer 1 eher eine programmatische Willensbekundung als eine bindende rechtliche Verpflichtung,270 was zumindest Spielräume eröffnete. Jedenfalls sollten am Folgetag neben den Gewerkschaften „möglichst viele Arbeitgeber und auch Personen und Firmen diese Vereinbarung unterschreiben“, um ihm eine gewisse Legitimität zu verleihen. Die Anerkennung der Gewerkschaften ergab sich schlüssig aus dem geplanten Abkommen. Die Schranken der Koalitionsfreiheit nach § 153 GO waren bereits aufgehoben worden. Dagegen gab es in der Frage der ‚gelben‘ Gewerkvereine, die vor allem in Westdeutschland und Berlin, nicht dagegen in Oberschlesien existierten, noch Erklärungsbedarf. Stinnes unterstrich das Zugeständnis, das die Gewerkschaften gemacht hatten. In seiner bewusst etwas übertriebenen Darstellung hatten diese die ‚Gelben‘ als gleichberechtigte Arbeitervertretungen anerkannt, sofern diese sechs Monate ohne Unterstützung der Patrone überleben sollten. In den Verhandlungen mit dem DMV in Düsseldorf habe man zwar mehr erreicht. Der DMV hatte sich bereit erklärt, die ‚Gelben‘ auf der Seite der Arbeitgeber mitverhandeln zu lassen. Im Bergbau hatten die Gewerkschaftsführer hingegen gewarnt, sie würden die Kontrolle über ihre Mitglieder verlieren, wenn man den Arbeitgebern zugestehe, ihre ‚gelben‘ Vereine an den Verhandlungstisch zu bringen. In einer Versammlung der VDA am Vorabend hatten Vertreter der Papierindustrie die Bedeutung dieser Gewerkvereine in ihrer Branche unterstrichen. Es war Tänzler offenbar gelungen, auch ihnen die Einsicht in die Notwendigkeit abzuringen, die ‚Gelben‘ vorläufig nicht mehr zu unterstützen. Der Chef der zu Krupp gehörenden Gruson-Werke, Sorge, schilderte die Verhältnisse im heimischen Magdeburg, um die Bereitschaft der Versammlung zu beflügeln, dem beabsichtigten Abkommen zuzustimmen. Der dortige Arbeiter- und Soldatenrat habe gefordert, den vom Unternehmen bezahlten Sekretär des wirtschaftsfriedlichen Vereins zu entlassen. Ferner sollte dessen Büro auf dem Werksgelände entweder geschlossen oder Geschäftsstellen der Gewerkschaften zugelassen werden. Die Werks-
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leitung habe die „Machtlage“ anerkannt und das Büro geschlossen. Gegenüber den Vertretern der örtlichen ‚Gelben‘ hatte Sorge bezweifelt, dass sie die Sechs-Monats-Karenz ohne Unterstützung überstehen würden. Damit gab er Legien Recht, der genau das erwartete. Freilich hatte Sorge sich nur der ‚Machtlage‘ gebeugt. Die Formulierung legte nahe, dass man die aktuell getroffenen Vereinbarungen auf den Prüfstand stellen wollte, sollte sich diese Voraussetzung wieder ändern. Reusch und andere ließen sich durch das Abkommen freilich nicht von ihrer Treue zu den ‚Gelben‘ abbringen.271 Zunächst galt es jedoch ein Problem zu regeln, das den Anlass gegeben hatte, überhaupt mit den Gewerkschaften zu verhandeln: die Unterbringung der von der Front zurückkehrenden Arbeiter. Das Abkommen sah vor, dass alle Heimkehrer wieder ihre früheren Arbeitsplätze einnehmen sollten. Dagegen wurden Bedenken angemeldet. Viele Unternehmen fürchteten, nach Einstellung der Rüstungsproduktion die Arbeiter nicht beschäftigen zu können. Wie der oberschlesische Hüttenmanager Hilger plädierte auch Stinnes dafür, „daß die Leute übernommen werden, ob man Arbeit für sie hat oder nicht, sonst zertrümmern wir sofort das Abkommen mit der Gewerkschaft“. Das sollte Stinnes zu Jahresende 1918 nicht daran hindern, für seine eigenen Werke Personaleinsparungen zu planen.272 Gustav Krupp sollte 1925 bereuen, dass seine Firma 1918 / 19 ihr Personal aus sozialpolitischen Gründen nicht abgebaut hatte.273 Sorge kommentierte: „Das ist sehr leicht gesagt, aber sehr schwer getan.“ Er fürchtete, die Firma Krupp müsse womöglich 85.000 Arbeiter bezahlen, ohne sie beschäftigen zu können. Immerhin hatte Stinnes auch hier einen Vorbehalt eingebaut. Es könne auch hier eine „force majeure“ verhindern, dass ein Betrieb „seine sämtlichen Leute“ wieder einstelle. Hilger fragte, wie schon mittelfristig Beschäftigungsprogramme finanziert werden könnten: „Aber wo kommt das Geld her?“ Er schnitt das Problem der Finanzierung an, das über die gesamte Kriegszeit nicht gelöst worden war. Gegen Ende der Versammlung beantwortete Hilger die Frage selbst: „Die Geldfrage, überhaupt die wirtschaftlichen gesetzlichen Maßnahmen spielen augenblicklich keine Rolle. Wir müssen zunächst durch das Chaos durch.“ Mit Legien, so Stinnes, sei er sich einig, dass die Arbeitskräfte zunächst den beschäftigten Betrieben zuzuweisen seien. Erst wenn dort die Arbeit ausgehe, sollten die Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich gekürzt werden. „Diese Dinge festzusetzen“, sei Aufgabe des gemeinsamen Zentralausschusses. Die Frage der paritätischen Führung der ArbeitsnachweisBüros wurde als Selbstverständlichkeit gar nicht mehr behandelt. Borsig unterstrich die Fortschritte, die man in der Frage in Berlin bereits erzielt hatte. Es sei mit den Gewerkschaften über paritätische Nachweise verhan-
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delt und die Nachweise der Arbeitgeber mit denen der Gewerkschaften zusammengelegt worden. Ferner habe man eine Schlichtungseinrichtung nach dem Modell des VBM geschaffen. Stinnes machte sich mehr Sorgen, dass die Arbeitskräfte in die Betriebe abwandern könnten, bei denen Arbeitsmangel herrsche. Im Übrigen gab er sich überzeugt, dass binnen eines Jahres ein erheblicher Arbeitskräftemangel eintreten werde. In der Frage, wie Hunderttausende von entlassenen Soldaten oder nicht mehr benötigter Rüstungsarbeiter in eine Friedensproduktion überführt werden konnten, lag das – in der historiographischen Retrospektive gelegentlich unterschätzte – Motiv der Gewerkschaftsführer, auch unter den scheinbar dramatisch zu ihren Gunsten veränderten politischen Rahmenbedingungen weiter die Zusammenarbeit mit den Unternehmern zu suchen. Dass die Arbeiterschaft häufig durch Mangelernährung ausgelaugt, mental erschöpft und zugleich stark politisiert war, verschärfte das Problem der Gewerkschaftsführer. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Januarstreiks 1918 hatten sie den Kontrollverlust und den Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft zu fürchten, sollte es nicht gelingen, rasch reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Von der Regierung erwarteten die Gewerkschaftsführer wenig Hilfe; da waren sie sich mit den Unternehmern einig. Denn sie verfügte nur über die diskreditierte Verwaltung des alten Obrigkeitsstaates, die bei der Nahrungsmittelbewirtschaftung so spektakulär versagt hatte und sich jetzt mit den Arbeiter- und Soldatenräten abstimmen musste. Die Räte beanspruchten in unterschiedlichem Maße exekutive Funktionen und Aufsicht über die Verwaltung vor Ort. Sie standen damit gleichsam quer zum vertikalen Regelungsanspruch der Gewerkschaften im Bereich der Arbeitsbeziehungen. Auch wenn den Räten manche unteren und mittleren Funktionäre angehörten, akzeptierte die Gewerkschaftsführung sie allenfalls als Übergangsphänomen. Noch entschiedener gegen die Räte waren die Hirsch-Dunckerschen und die Christlichen Gewerkschaften, die das künftige Abkommen ja mittragen wollten. Ganz anders als Stinnes, Rathenau und anderen Unternehmern fiel es den Christlichen Gewerkschaftwen ohnehin schwer zu akzeptieren, dass die Räte die Monarchien zur Abdankung gezwungen hatten. Es war allen Gewerkschaftsführern bewusst, dass die technischen und organisatorischen Kompetenzen der Unternehmer in einer komplexen Industriegesellschaft kaum über Nacht von Politikern, Gewerkschaftssekretären und Beamten übernommen werden konnten. Wissell brachte das Problem retrospektiv auf den Punkt: „Wir hatten damals nur sozialistische Theoretiker, doch keine praktischen Wirtschaftsführer, die die Wirtschaft aus langjähriger Erfahrung führen konnten.“274 Legien verstand das Abkommen mit den Arbeitgebern als Etappe auf dem Weg zur Sozialisierung.
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Die Gewerkschaftsführer wollten sich in der längerfristigen Zusammenarbeit mit den Unternehmern die Fähigkeiten aneignen, um eines Tages sozialisierte Betriebe führen oder zumindest bei der Betriebsführung kompetent mitbestimmen zu können. Damit blieb Legien seiner schon vor dem Krieg geäußerten Überzeugung treu, dass die Gewerkschaftsarbeit die Arbeiterschaft langfristig in die Lage versetzen werde, die Wirtschaft zu sozialisieren275 Der alte Gewerkschaftsführer wird nicht geahnt haben, dass zumindest einer seiner Gegenspieler verwandte Gedanken hegte. Gegen die „Überheblichkeit und Kursichtigkeit, Brutalität und ideenverachtende Schneidigkeit“ der alten Eliten setzte Rathenau auf eine „heranwachsende Arbeiteraristokratie, deren Kinder und Enkel sich die Kenntnisse des bisher herrschenden Bürgertums verschafften und die allmählich gelernt hätten, was Staat, Macht und Vaterland ist“. Erst mit diesen Kindern und Enkeln sei die Großindustrie zu sozialisieren.276 Freilich mag Legien an einen sehr viel kürzeren Zeitraum gedacht haben. Aktuell ging es jedoch darum, Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden. Für die Industrie hatte das Kondominium mit den Gewerkschaften den Vorteil, dass denkbare weitreichende Enteignungspläne sozialistischer Politiker voraussichtlich auf den Widerstand der Gewerkschaftsführer stoßen würden. Nicht zu unterschätzen ist der Respekt, den vielleicht nicht nur Stinnes und Legien füreinander entwickelten. Der naheliegende Vorwurf, der Unternehmer habe den Gewerkschafter korrumpiert, geht an der Tatsache vorbei, dass hier ähnliche Charaktere aufeinander trafen. Der verschlossene, harte, machtbewusste und zweifellos autoritäre Patriarch Legien hatte es gelernt, ein Millionenheer von Arbeitern und ihren Funktionären zu lenken. Er begann seine Karriere in ebenso jungen Jahren wie Stinnes. Dieser nannte schon als Twen einige Rheinschlepper sein Eigen, als Le gien nach langen Arbeitstagen nicht nur Gewerkschaftsbeiträge kassierte, sondern sich im Selbststudium eine Allgemeinbildung erarbeitete. Risikobereit, aber von einer von jeglicher musisch-intellektuellen Anwandlung freien Nüchternheit, war Stinnes konsequent am eigenen Geschäftsinteresse orientiert. Er war dabei nicht weniger autoritär als Legien. Mit diesen Eigenschaften war er zum informellen Führer der westdeutschen Schwerindustrie aufgerückt. Die „Ruhrleute“, so Silverberg 1920, „äussern sich selbst nicht eher, bevor sie nicht den Segen von Stinnes oder Vögler eingeholt haben“.277 Die – keineswegs unumstrittene – Autorität der beiden Männer im jeweiligen Lager war eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen des Abkommens. Respekt gegenüber dem jeweils anderen und seiner Lebensleistung, vielleicht auch eine gewisse wechselseitige Wertschätzung war die Grundlage für dessen Umsetzung.278 Legien attestierte seinem Kontrahenten ein so „hervorragende[s] Sachverständnis in
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wirtschaftlichen Dingen“, dass er den einstigen Annexionisten Stinnes in der Waffenstillstandskommission installieren wollte. Verärgert registrierte er die – politisch durchaus nachvollziehbare – Weigerung Erzbergers und Eberts, diesem Wunsch nachzukommen.279 Auch Raumers Absicht, für Stinnes „bis aufs Messer zu kämpfen“, konnte an der Entscheidung der Regierung nichts ändern.280 Tarifverträge und die betrieblichen Arbeiterausschüsse galten den Gewerkschaften als wichtige Instrumente, um die Arbeitsgemeinschaft in den Branchen und Betrieben umzusetzen. Hier zeigten sich auch in der aktuellen Situation die Grenzen des Entgegenkommens der Unternehmer. „Tarifverträge, wie sie sie [die Gewerkschaften] ursprünglich darinstehen hatten“, eigneten sich nicht für alle Branchen, so Stinnes auf der Sitzung des VdESI. Daher habe man den Begriff „Kollektivvereinbarungen“ mit dem Zusatz „entsprechend den Verhältnissen des betreffenden Gewerbes“ durchgesetzt. Damit war auf der normativen Ebene ein erheblicher Spielraum geschaffen, wie – und sogar ob überhaupt – Löhne und Arbeitszeiten für bestimmte Gewerbe zu vereinbaren waren. Der Rat der Volksbeauftragten sollte den Tarifverträgen, mit Zustimmung der Arbeitgeberverbände, in seiner Verordnung vom 23. November 1918 Rechtsverbindlichkeit verleihen. Auch hinsichtlich der Zuständigkeit der Arbeiterausschüsse konnte Stinnes einen Erfolg melden. Die Gewerkschaften hätten ursprünglich angestrebt, dass der Ausschuss mit dem Unternehmer die „Verhältnisse des Betriebes nach Maßgabe der Kollektivvereinbarungen zu regeln habe“. „Sie [die Gewerkschaften] wollen den Eingriff in den Betrieb haben“, so Stinnes. Man habe den Gewerkschaften gesagt: „Das machen wir nicht. Dann haben sie nachgegeben.“ Nun hatten die Ausschüsse gemeinsam mit dem Unternehmer nur noch „darüber zu wachen“, dass die Betriebsverhältnisse gemäß den Kollektivvereinbarungen geregelt würden. Hilger fand diese Formulierung „außergewöhnlich geschickt gemacht“, denn damit waren die Eingriffsmöglichkeiten der Ausschüsse und ihrer gewerkschaftlich organisierten Mitglieder in die Betriebsführung eingegrenzt. Die vermeintlich oder tatsächlich erheblichen Zugeständnisse der Gewerkschaften sollten wiederum jene Arbeitgeber beruhigen, die dem ganzen Unternehmen skeptisch gegenüberstanden. Die Schlichtungsausschüsse und Einigungsämter sollten, so Hilger, keinen Zwang ausüben, wie Hoesch-Generaldirektor Springorum befürchtete. Vielmehr hätten die Kontrahenten das Recht, nach der Ablehnung eines Schiedsspruches in den Arbeitskampf einzutreten. Weit gravierender war die Vereinbarung des 8-Stunden-Arbeitstages bei vollem Lohnausgleich. Stinnes betonte, auch hier eine gegenüber der gewerkschaftlichen Forderung mildere Formel gefunden zu haben, die Über-
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stunden zuließ. Freilich war die Frage, so Hilger, durch die Absichtserklärung des Rates der Volksbeauftragten zum Maximalarbeitstag vorläufig erledigt. Die Nordwestliche Gruppe wollte zu diesem Zeitpunkt die Schichtlöhne, aber nicht die Akkordlöhne ausgleichen. Stinnes betonte, die Arbeitnehmer hätten der Auffassung zugestimmt, dass der Achtstundentag nur dann aufrecht zu erhalten sei, wenn es gelinge, ihn international zu vereinbaren. Stinnes hoffte, „daß das den Herren die Zustimmung erleichtern wird“. Raumer betonte später, er habe mit Legien im Vorfeld einen Text und den entsprechenden Adressaten ausgehandelt. Die Gewerkschaften hätten zunächst darauf bestanden, auf den Vorbehalt zu verzichten. Sie hätten dann jedoch eingesehen, dass auf die internationale Vereinbarung auf Dauer nicht verzichtet werden könne. Wie vereinbart, ging „pari passu“ zum Abkommen am Folgetag ein von Borsig und Legien unterzeichnetes Schreiben an den Berliner Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte. Dieses Organ beanspruchte eine Art politische Kontrolle des Rates der Volksbeauftragten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer bekundeten in dem Schreiben ihre Übereinstimmung, dass der Achtstundentag bei vollem Lohnausgleich auf Dauer nur aufrechterhalten werden könne, wenn es gelänge, ihn mit den übrigen Industriestaaten zu vereinbaren.281 Das Schrei ben war keineswegs ein „geheimes Zusatzabkommen“,282 auch wenn die Gewerkschaften sich naturgemäß ungern daran erinnerten. Denn die Unternehmer hatten nichts weniger erreicht, als dass die Gewerkschaften selbst die Einführung des Achtstundentags durch den Rat der Volksbeauftragten unter Vorbehalt stellten. In den bewegten Tagen der Revolution mögen die Zeitgenossen die Tragweite des Zugeständnisses der Gewerkschaften nicht wahrgenommen haben. Hilger war zu Recht „dankbar“, dass diese Klausel durchgesetzt werden konnte. Kaum besprochen wurde der Aufbau der künftigen Zentralarbeitsgemeinschaft und ihres organisatorischen Unterbaus. Immerhin sollte der Zentralausschuss strittige Lohn- und Arbeitsverhältnisse regeln, sobald mehr als eine Berufsgruppe betroffen war. Raumer hatte „Grundzüge“ einer Satzung ausgearbeitet.283 Sie sah paritätische Fachgruppen für jeden selbständigen Industriezweig vor. Diese hatten nach einem Schlüssel Vertreter in den paritätischen Ausschuss zu entsenden, der wiederum einen Vorstand wählte. Abschließend betonte Hilger, man sei nicht zusammengekommen, um am Text des Abkommens noch etwas zu ändern, sondern um es zu billigen: „Trotzdem eine ganze Menge harter und schwerer Bestimmungen drin stehen, halte ich sie für viel günstiger als ich erwartet hatte […].“ Im Übrigen standen alle Regelungen auch noch unter dem Vorbehalt „anderer gesetzlicher Regelungen“. Hilger war froh, dass statt ‚weiterer‘ nur ‚andere‘ gesetzliche Regelungen im Text untergebracht
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Quelle: BArch, R 43 / 2494 / J, Reichskanzlei
Abbildung 19: Zusatzvereinbarung zum Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918
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werden konnten. Die Formel ‚weitere‘ hätte gesetzliche Regelungen unterstellt, die das Abkommen im Sinne der Arbeitnehmer weiterentwickelten. Die Formel ‚andere‘ eröffnete unter rechtsstaatlichen Bedingungen die Perspektive, die Regelungen des Abkommens durch Gesetze wieder zurückzunehmen oder einzuschränken. „Sehr wesentlich“ war Hilger ferner, dass auch die Organisationen der Angestellten, vor allem die des Butib, das Abkommen mittrugen. Namens der VDA billigte deren Vorsitzender Sorge den Vorschlag Hilgers, obwohl er umständehalber nicht formal dazu legitimiert sei. Jeder Versuch einer nachträglichen Änderung einer Vereinbarung, der die Arbeiter einmal zugestimmt hatten, würde bei diesen größtes Misstrauen auslösen. Borsig bekräftigte diese Auffassung. Zugleich berichtete er, dass zumindest in Berlin die Gewerkschaften den Arbeiter- und Soldatenräten mit der Warnung entgegengetreten seien, sich völlig zurückzuziehen, wenn diese sich gewerkschaftliche Funktionen anmaßten. Er und ein weiterer Sprecher unterstrichen die notwendige Ordnungsfunktion der Gewerkschaften in den Arbeitsbeziehungen angesichts immer neuer und unterschiedlicher Forderungen der Räte in den einzelnen Betrieben vor Ort. Wie sehr das Problem die Unternehmer umtrieb, zeigte die Mahnung Hilgers, dass das Abkommen zunächst von den Kontrahenten am Folgetag zu unterzeichnen sei, bevor man damit den lokalen Arbeiterräten entgegentrat. Nicht ausschließen wollte Hilger, dass es dabei noch einmal zu Verhandlungen komme, für die er um Vollmacht bat. Die Vorstellung eines Teilnehmers, der Rat der Volksbeauftragten möge weitere Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften bis zur Veröffentlichung des Abkommens untersagen, war der Lage kaum angemessen, wie Stinnes unterstrich. Er unterstellte den Volksbeauftragten der USPD Sympathien für die Forderungen der kommunistischen „Spartacusgruppe“. Man müsse froh sein, wenn Ebert und die übrigen Volksbeauftragten am Abend des Folgetages das Abkommen gegenzeichneten. „Die Stellung der Regierung ist so schwer, auch den Arbeiter- und Soldatenräten gegenüber“, dass man das Abkommen oder seine zentralen Inhalte vorläufig vertraulich behandeln müsse. Nachdem Hilger die einhellige Zustimmung der Versammlung festgestellt hatte, wollte er das Abkommen für den VdESI unterschreiben. Dabei war ihm „ganz Wurst“, dass der VdESI „kein Arbeitgeberverband“ war, solange dieser „mit seiner Wucht hinter der Sache“ stehe. Auch in dieser heiklen Lage wenige Tage nach der Revolution hatte die Schwerindustrie ihren hergebrachten Führungsanspruch keineswegs eingebüßt. Dabei war die Aushandlung des Abkommens, sieht man vielleicht von Stinnes ab, eher von der verarbeitenden und der Elektroindustrie beeinflusst worden.
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Quelle: Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft e. V.
Abbildung 20: Carl Otto von Schrey (1853–1932)
Nach Auffassung von Stinnes blieb „der gesamten deutschen Industrie nichts anderes übrig, als sich zu Arbeitgeberorganisationen zusammenzufinden, denn sonst hat sie keinen Einfluß“. Er forderte, wo immer solche noch ausstünden, Arbeitgeberverbände zu organisieren, „sonst kommen wir unter den Schlitten“. Das war nicht nur eine klare Warnung an alle Industriellen, die ihre unternehmerische Freiheit ungern durch die Mitgliedschaft in Verbänden eingeschränkt sahen. Stinnes forderte faktisch den einheitlichen Arbeitgeber- und Unternehmerverband als Konsequenz aus dem am Folgetag zu unterzeichnenden Abkommen. Dagegen betonte Reichert als Geschäftsführer des VdESI, dass die Eisen- und Stahlindustrie, abgesehen von der Nordwestlichen Gruppe, über keinen Arbeitgeberverband verfüge. Solange der geplante Zentralausschuss nicht über allgemeine wirtschaftliche Fragen verhandle, sehe er auch keine Notwendigkeit, die Organisation des VdESI zu verändern. Mithin klangen auch bei ihm Vorbehalte gegen zu rasche und weitreichende Strukturveränderungen an, wenn der eigene Verband betroffen war. Die mit den Gewerkschaften zu treffenden Vereinbarungen, so betonte Stinnes abschließend, sollten der
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programmatischen Forderung der Gewerkschaften nach „Nationalisierung der Industrie […] den Boden entziehen“. Er hatte von Legien den Eindruck mitgenommen: „Sie werden das also jetzt vertagen. Sie werden ihre sozialistischen Ideen jetzt nicht aufgeben, aber praktisch keinen Gebrauch davon machen.“ Eine von Hilger angeregte Presseverlautbarung verhinderte Stinnes, um den Vertragsabschluss angesichts der die Berliner Gewerkschaften dominierenden Unabhängigen Sozialdemokraten nicht zu gefährden. Gleichwohl griff die Versammlung den Gedanken nochmals auf, ob und wie man die Mehrheitssozialdemokraten gegen die Unabhängigen unterstützen könne. Die Erschütterung darüber, dass „sich das Bürgertum überhaupt nicht rührt, sondern sich alles gefallen lässt“, so Schrey, Vorsitzender des Eisenbahnwagen-Verbands, saß tief. Es wurde über eine vereinigte liberale Partei philosophiert, an der sich sogar die „vernünftigen Sozialisten“ beteiligen würden. Hilger, Rötger und andere waren sich jedoch nicht sicher, ob sie den Mehrheitssozialdemokraten im Rat der Volksbeauftragten damit nicht eher schaden würden. Raumer warnte, dass man alles unterlassen sollte, was den Eindruck erwecke, „wir machen alles nur, […], um nicht unsere Produktionsmittel vergesellschaftet zu bekommen“. Das Abkommen allein sei „ja schon ein grosses Pronunziamento“. Es war am Ende die Persönlichkeit von Stinnes, assistiert von Hilger, der das Abkommen in der straff geführten Sitzung des VdESI durchsetzte und sich dafür die etwas ambivalente Wertschätzung eines gewerkschaftlichen Kontrahenten einhandelte: „Stinnes hatte eine seltene Begabung, sich immer und überall durchzusetzen. Und er wußte über alles Bescheid.“284 Parallel zum VdESI billigten die Gewerkschaftsvorstände am 14. November „einmütig“ das getroffene Abkommen. Zuvor hatte Legien betont, dass man sich auf Wunsch der Parteiführung aus der Revolution herausgehalten habe, aber jetzt müsse man mitwirken. Das Abkommen erfülle alle bisherigen Forderungen der Gewerkschaften. Korrekt erwähnte Leipart den Antrag an die Regierung, sich für eine internationale Vereinbarung über den Achtstundentag einzusetzen. Die Vereinbarung der kommenden Arbeitsgemeinschaft habe man nicht mit zu vielen Details belasten wollen. Man ging jedoch davon aus, dass alle Arbeitgeberverbände beitreten und die Arbeitsgemeinschaft dann als Schlichtungsinstanzen oberhalb der Ebene der Betriebe auftreten würden.285 Schon am 16. November 1918 hielt das „Correspondenzblatt“ der Generalkommission den Kritikern der mit den Unternehmern geschlossenen Vereinbarung entgegen, man dürfe trotz der „so heiß ersehnten Sozialisierung“ keine „Zeit mit sozialistischen Experimenten verlieren“. „Die Rücksicht auf die materielle Existenz der Bevölkerung“ gebiete, in „den gegebenen Produktionsver-
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Quelle: BArch, Bild 102-13848F / Pahl, Georg
Abbildung 21: Hotel Adlon (um 1926)
hältnissen einen möglichst raschen und ungestörten Wiederaufbau des Wirtschaftslebens anzustreben“. Die Behauptung, „der konstitutionelle Betrieb“ sei mit dem Abkommen „zur Tatsache geworden“, war mehr Hoffnung als Realität.286 Das Abkommen wurde am 15. November 1918, so erinnerte sich der Geschäftsführer der VDA, Tänzler, später „von einer größeren Zahl von Herren unterzeichnet, die im Augenblick erreichbar waren und mit ihrer Unterschrift auch die Gewähr für die Durchführung des Abkommens innerhalb ihrer Organisationen übernahmen“.287 Vermutlich kam man im Hotel „Adlon“ zusammen, in dem sich am Vortag der Ausschuss des VdESI versammelt hatte; zu belegen ist das nicht. Tatsächlich vermitteln die unter dem Abkommen versammelten Unterschriften den Eindruck einer etwas zusammengewürfelten Runde. Zum einen finden sich die großen Persönlichkeiten des jeweiligen Lagers. Stinnes unterschrieb für Beukenberg, Hugenberg, Springorum und Vögler. Beukenberg stand für Phoenix, Hugenberg für Krupp und Springorum für Hoesch. Damit waren, sieht man von Thyssen ab, die Spitzen der westdeutschen Schwerindustrie nahezu vollständig vertreten. Auch der einzige Bankier war ihr wohl zuzurechnen. Hilger vertrat nicht nur die oberschlesische Schwerindustrie,
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sondern auch den VdESI. Für die – in ihren Verbänden besonders zersplitterte288 – Textilindustrie stand der Namen des Lausitzer Fabrikanten Franz Avellis, vertreten durch Tänzler. Borsig und Rieppel, der von Raumer vertreten wurde, repräsentierten die Maschinenbauindustrie, namentlich die in Berlin und Bayern. Die beiden Konzerne Siemens und AEG beherrschten die Elektroindustrie. Für sie unterschrieben Siemens, sein Direktor Henrich sowie Rathenau und der Vorstandsvorsitzende der AEG, Deutsch. Raumer als Geschäftsführer des Verbandes der elektrotechnischen Industrie war der Protagonist der Berliner Verhandlungen. Dagegen war die Chemieindustrie, die später loyal zur Arbeitsgemeinschaft stehen sollte, offenbar gar nicht vertreten. Clemens Lammers unterschrieb für die Papierindustrie. Man könnte also von einem Bündnis der ‚alten‘ Grundstoff- mit den ‚neuen‘ verarbeitenden Industrien sprechen. War die zentrale Arbeitgeberorganisation durch deren Vorsitzenden, Sorge, prominent vertreten, blieben die zentralen Unternehmerverbände außen vor. Neben diesen bekannten Persönlichkeiten finden sich kaum oder gänzlich unbekannte Namen wie der Vorsitzende des Eisenbahn-Wagenbau-Verbandes, Schrey, der Berliner Ingenieur und Unternehmer Purschian, der Berliner Klavierfabrikant Paul Westermayer, der bayerische Bankier Dietrich und die völlig unbekannten Emil Franke und Paul Mangers. Letzterer mag ein Unternehmen geleitet haben. Deutlich kleiner war dagegen die Gruppe der Unterzeichner aus dem Arbeitnehmerlager. Allerdings handelte es sich mit Legien, Stegerwald und Hartmann um die Vorsitzenden der Spitzengre mien der drei Gewerkschaftsrichtungen. Pfirrmann und Höfle standen für die sozialdemokratischen und die christlichen Angestelltengewerkschaften. Sommer, der wahrscheinlich ebenfalls für die Arbeitnehmerseite unterschrieb, ist ebenfalls unbekannt. Im Übrigen sollte die Liste der Verbände unter dem Abkommen eine breite Basis im Unternehmerlager signalisieren. Aber weder der CdI, noch der BdI oder der Deutsche Industrierat finden sich in der Liste. Das Dokument wurde noch in der abendlichen Sitzung des Rates der Volksbeauftragten am selben 15. November zur Kenntnis genommen. Die Leiter der Reichsbetriebe wurden angewiesen, es zu beachten. Gleiches empfahl man den Landes- und Kommunalbetrieben. Raumer erinnert rückblickend – und irrtümlich – den 16. November als Tag der Übergabe des Abkommens. „Ein ungeordnetes Gewimmel von Menschen, meist revolutionäre Gestalten“ drängten sich im Vorraum des Rates der Volksbeauftragten. Legien und er hätten sich als die „einzigen“ empfunden, die noch eine Ordnung repräsentierten. Tatsächlich war die Billigung des Abkommens durch die Revolutionsregierung für die Arbeitgeber unter den obwaltenden Umständen ein ungedeckter Scheck, dessen Wert wesentlich
4. Verhandlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller145
Quelle: thyssenkrupp Konzernarchiv, Hoesch-Archiv H / 2266
Abbildung 22: Schreiben Beukenberg an Springorum, 16. November 1918
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davon abhing, ob es ihren Vertragspartnern gelang, die revolutionäre Linke im Zaum zu halten.289 Das Abkommen wurde am 18. November im Reichsanzeiger und in der Presse veröffentlicht.290 Damit hatte es nicht nur „staatlich anerkannten Charakter“,291 sondern bewegte sich wegen seiner Bedeutung für Millionen von Menschen „nahe an der Grenze des öffentlichen Rechts“.292 Die Generalkommission war überzeugt: „Der alte Geist des Scharfmachertums hat dem neuen Geist gegenseitiger Achtung und Vertragsfähigkeit Platz machen müssen und die gelbe Korruption wandert in die Rumpelkammer.“293 Das mag im Lichte der späteren Entwicklung naiv erscheinen. Diese Interpretation war freilich von der sozialdemokratischen Überzeugung durchdrungen, dass sich der vernunftbegabte Mensch der Einsicht in die historische Notwendigkeit nicht auf Dauer entziehen könne. Ob die Arbeitgeber nur eine taktische oder tatsächlich eine strategische Wende vollzogen hatten, war dann zweitrangig, wenn man zugleich gewiss war, dass diese kaum hinter den Status quo würden zurückgehen können. Um das Abkommen umzusetzen, galt es die Zentralarbeitsgemeinschaft samt organisatorischem Unterbau mit Leben zu erfüllen. Bis zur förmlichen Konstituierung sollte ein in Berlin halbwegs leicht erreichbarer Personenkreis als Interimsausschuss der Zentralarbeitsgemeinschaft amtieren. Ihm gehörten für die Unternehmerseite neben Borsig, Henrich, Hilger noch Avellis, ein Textilindustrieller aus Forst, Franz Karl Burgers, Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks AG, und Harry Plate, Präsident des Deutschen Handwerks- und Gewerbetags, an. Die Gewerkschaften waren durch Anton Höfle, Legien, Leipart, Schlicke und Stegerwald, durch Franz Behrens (Zweiter Vorsitzender des Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften), Hartmann (Vorsitzender der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine), Hermann Kube von der Generalkommission, Fritz Pfirrmann vom Bund der technisch-industriellen Beamten und Hugo Sommer vertreten.294 Der Zechenverband handelte noch am Tage der Unterzeichnung des Abkommens. Der Achtstundentag wurde für Untertagearbeiter ab 18. November eingeführt. Der Mindestlohn sollte jetzt vier Fünftel des Durchschnittsverdienstes betragen. Das Sperrabkommen gegen missliebige Arbeiter wurde aufgehoben. Zugleich nahm man die Gewerkschaften in die Pflicht. Diese hatten angeblich versichert, auf die Belegschaften einzuwirken, um eine verminderte Arbeitsleistung zu verhindern. „Eingriffe in die Arbeits- und Betriebsverhältnisse der Zechen“ seien „unbedingt zu vermeiden“.295 Der Zechenverband empfahl bald darauf die „Ablehnung von Zugeständnissen über die Verabredungen des Zechenverbandes mit den Arbeiterverbänden hinaus“ und eine flexible Haltung, indem „man zunächst dem Zwange nachgibt, im übrigen aber die Wiederherstellung des
4. Verhandlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller147
Quelle: BArch, Bild 102-01314 / Pahl, Georg
Abbildung 23: Anton Höfle, Januar 1925
Rechtszustandes sich ausdrücklich vorbehält“.296 Der Arbeitsnachweis des Zechenverbandes wurde in den kommenden Jahren mit den kommunalen Vermittlungen zusammengelegt.297 Die preußischen Staatszechen unterstanden vorläufig einer Revolutionsregierung, die das Handelsministerium dem einzigen bürgerlichen Minister anvertraut hatte. Dessen Ressort wies die Zechen an, den Arbeitgeberverbänden beizutreten. Allerdings sollten sie ihre Mitgliedschaft von einer kurzfristigen Kündigungsfrist abhängig machen. Das lehnte der Zechenverband „mit Rücksicht auf die mit den Arbeiterverbänden geschlossene Arbeitsgemeinschaft“ ab. Er erklärte sich bereit, Satzungsänderungen hinsichtlich Aussperrung und Konventionalstrafen vorzunehmen, und bot ein Kartellverhältnis ohne Mitgliedschaft an. Die Staatszechen liefen Gefahr, dass ihnen Arbeiter und Industrie gleichermaßen mit Misstrauen begegneten, obwohl ihre Interessen im Arbeitsalltag mit denen der privaten Gruben weitgehend identisch waren. Erst im August 1919 billigte die Bergwerksdirektion eine Art außerordentliche Mitgliedschaft im Zechenverband, indem sie „sämtlichen Abmachungen, die der Zechenverband mit
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Arbeiter- und Angestelltenverbänden in der zwischen ihnen gegründeten Arbeitsgemeinschaft getroffen hat oder in Zukunft noch treffen wird, beitritt“. Im Gegenzug sollte „der Zechenverband […] die Bergwerksdirektion fortlaufend über alle die erstgenannte Arbeitsgemeinschaft betreffenden Angelegenheiten und die in ihr gefaßten Beschlüsse in derselben Weise wie die übrigen ihr angeschlossenen Zechen unterrichten“.298 Die Eigenschaft als Staatsbetrieb schloss mithin die Mitwirkung auf der Arbeitgeberbank der Arbeitsgemeinschaft keineswegs aus.
5. Die neue Arbeitsgemeinschaft in der Kritik Die von den Arbeitgebern letztlich improvisierte Unterzeichnung des Stinnes-Legien-Abkommens schaffte die deutlichen Vorbehalte in den Reihen der Industriellen jedoch nicht aus der Welt. „Ich habe gegen den Inhalt ganz erhebliche Bedenken, die aber unter den vorliegenden Verhältnissen zurückgestellt werden müssen“, schrieb Beukenberg an Springorum. Dieser antwortete noch am 19. November, auch er „habe große Bedenken […], weil darin indirekt die Verpflichtung zum Abschluß von Tarifverträgen enthalten ist. Wie solche Verpflichtungen unsererseits eingelöst werden sollen, ist mir einstweilen ein Rätsel.“299 In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der VDA am 18. November 1918300 kritisierte der Textilindustrielle Frowein nicht das Abkommen als solches, sondern die Art seines Zustandekommens. Die Unterhändler hätten „die übrigen Industriezweige […] vor eine vollendete Tatsache gestellt“. Der Vorsitzende Sorge machte das „Durcheinander der Revolutionstage“ dafür verantwortlich, dass man die Verbände beim Abschluss der Vereinbarung nicht habe einbeziehen können. Man habe eben diejenigen zur Unterschrift gebeten, die gerade greifbar waren. VDA-Geschäftsführer Tänzler malte ein düsteres Katastrophenszenario. Das „sogenannte Bürgertum“ habe sich bei „der ersten Revolutionswelle in sämtliche Mauselöcher verkrochen“. Es habe folglich keine Alternative zum Bündnis mit der organisierten Arbeiterschaft gegeben. Dafür habe man „Überzeugungsopfer“ und „wirtschaftliche Opfer“ bringen müssen. Mit „Konzessiönchen“ der Entwicklung hinterherzulaufen, hätte nichts gebracht. Auch VdESI-Geschäftsführer Reichert betonte, man habe angesichts der Umstände eine „wahrhafte Produzentenpolitik“ durchsetzen wollen. Raumer relativierte angesichts des Vorlaufs des Abkommens die Bedeutung der Revolution für dessen Zustandekommen. Sie habe den Abschluss eher behindert als beschleunigt. Tänzler ging es nicht nur um die Abwehr der Spartakisten und Linkssozialisten. Vielmehr sei der Arbeiterschaft jetzt über die Lohnfragen hinaus „Gelegenheit zu geben, Einsicht zu nehmen in die wirtschaftliche
5. Die neue Arbeitsgemeinschaft in der Kritik149
Quelle: Tänzler: Die deutschen Arbeitgeberverbände, 1929
Abbildung 24: Fritz Tänzler (1869–1944)
Lage, in die wirtschaftlichen Zusammenhänge […], um sie dann nicht etwa in Kämpfen zu besiegen, sondern sie zu überzeugen, wo die Grenze liegt, bis zu der sich Sozialpolitik und Wirtschaft vereinigen lassen“. Mit diesem neuen Akzent kam er – bei unterschiedlichen Zielen – der Absicht Legiens entgegen, die Führung der Arbeiterschaft zunächst zur wirtschaftlichen Mitbestimmung zu befähigen. Allerdings unterstrich Raumer – gegen die Befürchtung Froweins und des Vertreters des Baugewerbes –, dass Ziffer 1 des Abkommens den Gewerkschaften kein „Kontrollrecht in wirtschaftlichen Fragen gegenüber dem Arbeitgeber“ einräume. Sorge mahnte, die Industrie könne sich nicht mit der Forderung begnügen, eine Nationalversammlung einzuberufen. Vielmehr müsse sie „an der Spitze stehen und muß teilnehmen an den beiden Arten von Kämpfen, die uns bevorstehen, an den Wirtschaftskämpfen und an den politischen Kämpfen“. Die Versammlung billigte die vorläufige Satzung der künftigen paritätischen Arbeitsgemeinschaft mit dem neuen Bündnispartner.301 Gleichwohl sollte die Formel des § 1, dem zufolge die Arbeitsgemeinschaft „die gemeinsame Lösung aller die Industrie […] berührenden wirtschaftlichen
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und sozialen Fragen“ bezwecke, für Zündstoff in der Unternehmerschaft sorgen, war in diesem Paragraphen doch eine weitreichende Mitbestimmung angelegt. Schon Ende November 1918 kritisierte die Generalkommission Eingriffe der Arbeiter- und Soldatenräte in die Führung der Betriebe. Sie erklärte diese Vorkommnisse mit mangelnder gewerkschaftlicher Schulung und „Verhetzung im anarcho-syndikalistischen Sinne“. In den Kohlerevieren gefährdeten wilde Streiks die „Vertragsfähigkeit der Arbeiter“. Nicht nur gegenüber den Mitgliedern, sondern auch gegenüber der Partei mahnte die Generalkommission die „Pflicht zur Produktivität“ an und warnte davor „ein fein verästeltes Netz empfindlicher, komplizierter Apparate“ in Unordnung zu bringen.302 Ähnlich forderten die Freien Gewerkschaften in einer Kundgebung am 23. November 1918, dass die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiterschaft nicht dem Umbau der politischen Ordnung geopfert werden dürften. Von der Nationalversammlung erwarteten sie die Sicherung und den Ausbau der Ergebnisse der Revolution. Zumindest der mit dem Stinnes-Legien-Abkommen erreichte Stand der Arbeitsbeziehungen sollte Eingang in die künftige Verfassung finden.303 Ähnlich dachte der christliche Deutsche Gewerkschaftsbund.304 Wie schon das Schreiben von Stinnes vom 12. November belegt, erwartete die Großindustrie von der künftigen Nationalversammlung, dass diese zumindest den Status quo gegen weitere Veränderungen absichere. In einer persönlichen und nicht mit den Verbänden abgestimmten Stellungnahme hob der Generaldirektor der Deutsch-Lux Vögler auf den inneren Zusammenhang von Arbeitsgemeinschaft und Nationalversammlung ab. Den Wahlkampf würden die gewerkschaftlich ausgerichtete und die unabhängige Sozialdemokratie weitgehend gegeneinander führen. Das Bürgertum solle als „Arbeitspartei“ die dritte Kraft bilden. Diese habe die zentralstaatliche Republik und die Demokratie anzuerkennen. Über die Zen trumspartei und die Christlichen Gewerkschaften sei „Fühlung zu nehmen mit der gewerkschaftlich gerichteten Sozialdemokratie“. Mit der „Arbeitsgemeinschaft“, über die die Presse bereits berichte, seien die Fäden ja bereits vorhanden. Daran könne man anknüpfen. Zwar dürfe das Bürgertum keinesfalls in der Sozialdemokratie aufgehen. Aber es sei notwendig, „dass sich das Bürgertum restlos auf die Seite der Gewerkschaften schlägt, wenn es gilt, den Radikalismus zu bekämpfen“. In dieser Richtung müsse schnellstens Klarheit geschaffen werden, „damit die Gewerkschaften ihrerseits den Rücken gestärkt bekommen und nicht noch vor der Nationalversammlung die Waffen strecken müssen“. Gelinge das nicht, stünde „der Radikalismus am Ruder“ und das Bürgertum müsse zur „Gegenrevolution“ antreten, die er allen lieber ersparen wolle. Die Konservativen würden
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wohl „auf ihrer monarchischen Grundlage beharren“ und damit aus der bürgerlichen Einheitsfront ausscheiden.305 Vöglers Kollege Springorum stimmte voll zu. Es gelte, alle Bürgerlichen jenseits der Sozialdemokratie unter Außerachtlassung aller früheren Gegensätze zusammenzufassen. Alle nicht-sozialdemokratischen Parteien sollten in den Hauptfragen, die wirtschaftlicher Natur seien, zusammenarbeiten. Komme es dann zur Sozialisierung, würde am Ende eine politische Lage entstehen, an der die derzeitigen „Machthaber“ keine Freude hätten.306 In diesen Überlegungen spiegelten sich nicht nur die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, sondern auch der Kompromisscharakter der künftigen Verfassung. Noch am 20. November 1918 besprachen Wieber von den Christlichen Metallarbeitern, Borsig, Leipart, Schlicke und andere die künftigen Fachgruppen, die bei der Umsetzung der Demobilmachung mitwirken sollten. Koeth billigte Leipart zu, dass diese Fachgruppen paritätisch von Arbeitgebern und -nehmern besetzt werden sollten. Borsig lobte im selben Atemzug die Arbeitsgemeinschaft und kritisierte Sozialisierungspläne. Koeth empfahl, „alles, was geschrieben und gesprochen werde, nicht als bare Münze zu nehmen“. Ebert habe ihm zugesichert, dass vor einer Sozialisierung zunächst die Demobilmachung durchzuführen sei.307 Am 26. und 29. November trat der Vorstand der künftigen Zentralarbeitsgemeinschaft zusammen. Borsig und Legien übernahmen den Vorsitz. Henrich und Stegerwald wurden Stellvertreter, Legien und Raumer übernahmen die Erarbeitung der Vorläufigen Satzung. Die Gewerkschafter erwarteten von den Unternehmern, dass sie nur die bestehenden Arbeiterausschüsse, aber keine sogenannten Betriebsräte akzeptierten. Koeth war in Fortschreibung des Hilfsdienstgesetzes und wohl auch aus Einsicht in die Lage vor Ort bereit, den Arbeiterausschüssen die Vereinbarung der Löhne zu überlassen. Das lehnten beide Parteien jedoch strikt ab. Sorge forderte für die Arbeitgeber, dass Arbeiterforderungen, die über das Abkommen hinausgingen, nur über die Gewerkschaftszentralen eingebracht werden dürften. Einig war man sich auch, dass Eingriffe in die kaufmännische und technische Betriebsführung unzulässig seien.308 Die dürren Worte des Protokolls deuten die krisenhafte Entwicklung an, der sich Gewerkschafter und Unternehmer gleichermaßen gegenüber sahen. Siemens klagte:309 „Leider haben wir aber einige Unruhestifter im Werk, denen es gelang, die Arbeiterschaft aufzuwiegeln […]. Generelle und Sonderbestimmungen des Vollzugsrats erschweren den Gewerkschaften außerordentlich, die Ordnung herzustellen. […] Der einzige Rettungsanker, den wir haben, ist das Generalabkommen […], aber leider haben die Gewerkschaften doch die Führung verloren und ob sie sie wieder erreichen werden in absehbarer Zeit erscheint fraglich. […] Der Regierung fehlt jeder Mut zum energischen Einschreiten […]. Unsere Aufgabe
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Quelle: Siemens Historical Institute
Abbildung 25: Carl Friedrich von Siemens (um 1924)
kann nur sein, aus dem Chaos in ruhigere Zeiten hinüberzuretten, was zu retten ist. Wir arbeiten in engster Fühlungnahme mit den Gewerkschaften, die ja auch nur das Interesse haben, daß die Ordnung nicht ganz verloren geht.“
Siemens glaubte, die Arbeiterschaft erwarte von der Revolution bedeutende Lohnerhöhungen. Gleichzeitig fürchte sie, ihre gegenwärtigen Arbeitsplätze zu verlieren. Genau das sei jedoch erforderlich, um die stillgelegten Betriebe wieder in Gang zu setzen und um die Landwirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen. Siemens rechnete mit einem Heer von Arbeitslosen in Berlin und mit schweren Unruhen. Die Lage spiegelte sich in der Vorständekonferenz der Freien Gewerkschaften am 3. Dezember 1918.310 Legien wollte vor allem den Satzungsentwurf für die Arbeitsgemeinschaft besprechen, nachdem diese selbst im Grundsatz am 14. November gebilligt worden sei. Die Bereitschaft der Einzelgewerkschaften, das Abkommen weiter mitzutragen, trat hinter ihrer Sorge zurück, in der Folge von den Arbeiter- und Soldatenräten absorbiert zu werden. Noch würden die Mitglieder zwar ihre Gewerkschaftsbeiträge bezahlen, so Bauarbeiterführer Paeplow, aber in den Betrieben stimmten
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sie gleichwohl den Wortführern der Linken zu, wenn diese die Gewerkschaften kritisierten. Er hätte sich gewünscht, „daß wir von dieser ganzen Revolution vorläufig noch verschont geblieben wären“. Schmidt beklagte, dass die Räte das Reichsarbeitsamt ebenso ignorierten wie die Gewerkschaften. Bauer erwartete, dass die Räte rasch Schiffbruch erlitten, wenn sie die Betriebsleiter feuerten. Der Vertreter der Bergarbeiter sah in diesen Aktionen nur die logische Folge der früheren schlechten Behandlung. Bauer beabsichtige, die Vereinbarung mit den Unternehmern in einem Tarifvertragsgesetz umzusetzen. Nahezu stoisch forderte der Chef des Reichsarbeitsamtes: „Arbeiten wir ruhig weiter unserer alten Auffassung gemäß.“ Paeplow und andere verlangten eine scharfe Resolution gegen die Räte. Das lehnte Leipart ab. Stattdessen müsse man die eigene Existenzberechtigung durch praktische Arbeit unter Beweis stellen. Angesichts revolutionskritischer Äußerungen wie der von Paeplow komme das wachsende Misstrauen der Mitglieder nicht überraschend. Tatsächlich habe man dank der Revolution weitergehende Forderungen gegenüber den Unternehmern durchsetzen können. Die Forderung von höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten hielt Leipart für berechtigt. Angesichts steigender Mitgliederzahlen sah er auch keinen Grund zum Pessimismus. Wie Legien berief sich auch Leipart auf Koeth, der von einer angesichts der Umstände reibungslosen Demobilmachung spreche. Dem widersprach der Vertreter der Buchbinder. Er sehe nicht, wie die Industrie bei drastisch reduzierten Arbeitszeiten die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt erhalten könne. Er forderte, den „Schreiern“ energisch entgegenzutreten. Am Ende beschloss man, die Arbeiter- und Soldatenräte als politische Organe der Revolution zu akzeptieren, ihnen aber bei wirtschaftlichen Fragen dringend den Rückgriff auf die Gewerkschaften zu empfehlen. Die Gewerkschaften stünden jedoch mittlerweile in dem Ruf, so Paeplow, als „Hemmschuh der Sozialisierung“ zu wirken. Legien hoffte, dass die Mitglieder bald erkennen würden, dass eine Sozialisierung nach dem Rezept der Räte nicht möglich sei. Die Gewerkschaften strebten zunächst die „Demokratie in den Betrieben“ an, um die Sozialisierung herbeiführen, sobald sie zu einer „gewaltigen wirtschaftlichen Macht“ geworden seien. Die wechselseitige Anerkennung und die Arbeitsgemeinschaft beinhalteten ja keine Bestandsgarantie für die Unternehmer. Legien beabsichtigte, am Aufbau der Arbeitsgemeinschaft auch dann festhalten, wenn ihm aus einigen Gewerkschaftsverbänden der Wind ins Gesicht blies. Folgerichtig wollte er bei § 1 des Entwurfs der Statuten der Arbeitsgemeinschaft den Passus „unter billigem Ausgleich der Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ zu streichen versuchen, daran aber nicht
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die Statuten scheitern lassen. Hinsichtlich § 6 sei es, so Legien, fast zum Bruch mit Stegerwald gekommen. Die Christlichen hatten eine durchgehende proportionale Vertretung aller Gewerkschaftsrichtungen gefordert und Leipart zum Kompromiss bewegt. Tatsächlich schlossen sich Christliche und die Hirsch-Dunckerschen am 20. November in einem Deutschen Demokratischen Gewerkschaftsbund (DDGB) zusammen, um überhaupt gegen die mittlerweile rund acht Millionen Mitglieder starken Freien ihre Eigenständigkeit wahren zu können. Das Bündnis hielt nur bis 1919; danach stand der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unter dem Vorsitz von Stegerwald vor allem für die Christlichen.311 Tatsächlich erreichte Legien mit Unterstützung Stegerwalds und Hartmanns sowie Billigung Sorges im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft, dass der beanstandete Passus gestrichen wurde. Damit besaß die neue Organisation ihr vorläufiges Statut.312 Die Vorständekonferenz nahm das vorläufige Statut der Arbeitsgemeinschaft einstimmig an. Leipart, Schlicke, Kube sowie Legien wurden in den Vorstand der Zentralarbeitsgemeinschaft delegiert. In einem Flugblatt313 betonte die Generalkommission ihren Willen, die Volkswirtschaft „auf staatlicher, kommunaler und genossenschaftlicher Grundlage“ zu sozialisieren. Zunächst gelte es jedoch, die Wirtschaft gemeinsam mit den Unternehmen wiederaufzubauen. Parallel hatte der Rat der Volksbeauftragten, der an die Stelle der bisherigen Verfassungsorgane Bundesrat, Kaiser und Reichstag getreten war,314 am 12. November 1918 das Demobilmachungsamt unter Koeth bestätigt. Die Behörden der Bundesstaaten hatten ihm Folge zu leisten. Es nahm in enger Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft in den 18 Fachausschüssen des Amtes seine Geschäfte auf. Das Amt erließ auf der Grundlage der Entscheidungen in den Fachausschüssen bindende Verordnungen zur Lenkung der Wirtschaft. Es setzte seine Entscheidungen mittels Staatskommissaren in den Bundesstaaten durch und bediente sich teilweise der Einrichtungen der Kriegswirtschaft. Das von der Kriegsanstrengung ausgepowerte Reich hatte mit den abzutretenden Gebieten nicht nur einen Teil seiner Rohstoffbasis und seiner Bevölkerung eingebüßt. Es musste obendrein 5.000 Lokomotiven, 150.000 Eisenbahnwaggons und 5.000 Lastwagen sowie die Handelsflotte an die Kriegsgegner in tadellosem Zustand ausliefern. Die Kapitalanlagen in den Feindstaaten waren verloren und standen künftig nicht mehr bereit, um die traditionellen Einfuhrüberschüsse zu kompensieren. Derweil hielten die Kriegsgegner trotz des Waffenstillstandes ihre Seeblockade aufrecht. Damit wurden nicht nur seltene Rohstoffe knapp; die Lebensmittelversorgung verschlechterte sich weiter. Der Kursverfall der Mark verteuerte Importe und begünstigte den Export von Waren, die dem Inlandsmarkt entzogen wurden.315
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Die personelle Demobilmachung, die den Verhandlungsführern des Novemberabkommens großes Kopfzerbrechen bereitet hatte, lief unterdessen ziemlich reibungslos an. Freilich ging sie häufig zu Lasten der Arbeitsproduktivität und der Preisstabilität. Schon am 11. November 1918 hatten sich Betriebsleitung und Arbeiterschaft bei Krupp gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretern auf mehrere Grundsätze geeinigt. Arbeiter aus Holland und Belgien wurden nach Hause geschickt. Frauen wurden zur Kündigung motiviert und ledige Arbeiterinnen in ihre Heimat zurückgeschickt, auch wenn manche „auffallend wenig Verständnis dafür zeigten, daß es unter den veränderten Verhältnissen an der Zeit sei, sich nach Arbeit außerhalb der Fabrik umzusehen“. Immerhin versuchte man Kriegerwitwen und alleinstehende Mütter zuletzt zu entlassen. Dagegen wurden Lehrlinge und Arbeiter, die mit ihren Familien zugezogen waren, ebenso wenig entlassen wie Kriegsbeschädigte. Alle Personen, die am 1. Januar 1914 dem Betrieb angehörten, wurden wieder eingestellt.316 Mit der wachsenden Rätebewegung verbreitete sich die der Gewerkschaftsführung wie der Unternehmerschaft gleichermaßen unbehagliche Forderung nach Sozialisierung. Ein überwiegend von Mehrheits-Sozialdemokraten und Gewerkschaftern gebildeter Rätekongress rief den Rat der Volksbeauftragten am 20. Dezember 1918 dazu auf, unverzüglich mit der Verstaatlichung des Bergbaus zu beginnen. Christliche Gewerkschafter wie Stegerwald zeigten sich jetzt offen für dieses Ansinnen. Selbst einzelne Industrielle der verarbeitenden Industrie waren nicht abgeneigt, sich auf diesem Wege dem Preisdiktat der Grundstoffsyndikate zu entziehen. Der Rat der Volksbeauftragten trat in dieser Frage mit Billigung der Gewerkschaftsführungen jedoch ebenso auf die Bremse wie die Reichsämter. Die sozialdemokratischen Staatssekretäre Müller und Bauer waren sich mit ihren bürgerlichen Pendants Matthias Erzberger und Eugen Schiffer (Reichsschatzamt) einig, den denkbaren Umbau der Wirtschaftsordnung der Nationalversammlung zu überlassen. Moellendorff war zwar von Müller gegen Widerstände des Rates der Volksbeauftragten – und auch erst am 11. Dezember 1918 – als Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsamt installiert worden. Resonanz fanden seine Pläne vorläufig kaum. Dagegen griffen die spontan gebildeten Betriebsräte immer häufiger in die Führung der Betriebe ein. Sie entließen missliebige Angestellte und Manager, forderten sofortige Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen in ihren Betrieben und unterliefen so die von den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge. Für die auf zentrale Organisation und zentrale Absprachen mit den Arbeitgebern orientierte Gewerkschaftsführung war dies eine schlimme Herausforderung. Noch am 23. Dezember 1918 bemühte sich der Rat der Volksbeauftragten, die Rätebewegung zu kanalisieren. Er ver-
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ordnete die Bildung von Arbeiterausschüssen in den Betrieben nach den Vorgaben des Hilfsdienstgesetzes.317 Nicht nur die Führung der Gewerkschaften stand wegen des Abkommens in der Kritik. Raumer erklärte am 22. November 1918 im Vorstand des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie: „Eine wirtschaftspolitische Wirkung ohne Zusammenwirken mit den Gewerkschaften und den Angestelltenverbänden erscheint ausgeschlossen.“ Als notwendige Konsequenz erwartete er einen neuen Spitzenverband der Industrie, da von CdI und BdI „in der ganzen Zeit der Umwälzung nicht das geringste geleistet worden“ sei; im Gegenteil hätten deren Geschäftsführer quergeschossen. Raumer und Siemens ließen sich ein Mandat geben, mit der Maschinenbauindustrie die Gründung eines alternativen Verbandes zu sondieren.318 Töwe hatte bereits Anfang Dezember für den GDM die Satzung der Arbeitsgemeinschaft kritisiert.319 Der Textilindustrielle Avellis stellte am 11. Dezember die Beteiligung seiner Branche an der Arbeitsgemeinschaft in Frage.320 Der Widerstand entfaltete sich im Zuge der Überlegungen zur Gründung eines integrierten Unternehmerverbandes namentlich in den Reihen des CdI.321 Raumer bat Stinnes am 30. Dezember 1918, er möge sich bei Rieppel für eine Reorganisation der Industrieverbände stark machen. An DeutschLux-Chef Vögler berichtete er am selben Tag über eine „Reihe von Konferenzen von Geschäftsführern der dem Zentralverband [d. h. dem CdI] angehörenden Verbände“ unter dem Deckmantel privater Treffen. Nach einem Vortrag Raumers sei „eine sehr lebhafte Polemik“ gegen die Arbeitsgemeinschaft laut geworden. Curt Hoff vom CdI habe „namens der Textilindustrie eine scharfe Absage an die Arbeitsgemeinschaft“ erteilt. Er habe erneut kritisiert, dass der CdI nicht an der Aushandlung beteiligt wurde. Daran anknüpfend habe sich auch Ferdinand Schweighoffer, ebenfalls vom CdI, gegen die Arbeitsgemeinschaft ausgesprochen. Freilich seien die Meinungen geteilt geblieben. Die Papier- und die weiterverarbeitende chemische Industrie seien für die Arbeitsgemeinschaft eingetreten. Die „Chemiker“ würden sich „aufgrund ihrer alten Abneigung“ gegen beide Unternehmerverbände, so Raumer, vermutlich für die Arbeitsgemeinschaft engagieren. Hoff habe wie CdI-Geschäftsführer Rötger die Auffassung vertreten, dass man mit den Arbeitern allenfalls über soziale, aber keinesfalls über wirtschaftliche Fragen sprechen wolle. Offenbar hätten sich beide Herren nicht überlegt, so Raumer, wie diese Auffassung bei den Christlichen Gewerkschaften ankäme, mit denen man doch „zusammen im Wahlkampf arbeiten will“. Das zielte auf Wieber, Vorsitzender der Christlichen Metallarbeitergewerkschaft, der glaubte, dass deren Interessen womöglich von Repräsentanten der Schwerindustrie besser im
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Quelle: BArch, Bild 146-1977-074-08 / Sennecke, Robert
Abbildung 26: Der Rat der Volksbeauftragten, Februar 1919. Von links: Otto Landsberg, Philipp Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert und Rudolf Wissell
Parlament vertreten würden als von den Linksliberalen.322 Rathenau betonte im Januar 1919, die Christlichen Gewerkschaften entwickelten sich „ganz in unserem Sinne“. Er hoffte sogar auf eine Vereinigung der rechten Sozialisten mit den demokratischen Gewerkschaften.323 Bewegte sich die Kritik Hoffs und anderer noch auf der Ebene interner Auseinandersetzungen, sah sich Raumer durch eine Mitteilung Reicherts alarmiert. Danach hätten Schweighoffer und Jacob Herle vom BdI in Koeths Demobilmachungsamt gegen „das Treiben der Arbeitsgemeinschaft“ protestiert. In den Augen Raumers war die Kritik nicht nur durch „Verbandspartikularismus und die Sorge um die Erhaltung der persönlichen Stellung“ motiviert. Vielmehr sei „ein absoluter Gegensatz der politischen Anschauung vorhanden“. Tatsächlich erinnerte die Aktion der Verbandsvertreter noch an den untergegangenen Obrigkeitsstaat, in dessen Amtszimmern die Repräsentanten des CdI stets ein offenes Ohr gefunden hatten. Raumer hatte die neuen Spielregeln verstanden. Einerseits wollte er gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Gewerkschafter Rudolf Wissell („ein kluger und verständiger Mann“) ein Referat über die Arbeitsgemein-
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schaft in der GfSR halten. Wissell war nach dem Ausscheiden der USPDVertreter am 29. Dezember in den Rat der Volksbeauftragten berufen worden. Selbst Beukenberg, Vorsitzender des Langnam-Vereins, setzte auf Wissell. Raumer war sich darüber im Klaren, dass das Unternehmerlager gerade vor dem Hintergrund der Arbeitsgemeinschaft nicht auf seine Verbände verzichten konnte. Unter den „augenblicklichen Machtverhältnissen“ könne man die bestehenden Verbände leicht „vollkommen ausschalten“, indem man die Behörden veranlasse, nur noch mit der Arbeitsgemeinschaft zu verhandeln. Freilich würde „damit die Industrie sich ihre Autorität nehmen […]; man kann die Differenzen nur unter sich ausfechten“. Vor diesem Hintergrund bat Raumer die Nordwestliche Gruppe und den Zechenverband um formellen Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft. Es sei „schnelles Handeln“ erforderlich, andernfalls würden Stinnes und Vögler desavouiert. Er wollte mit der Maschinenbau-, der Chemie- und der Papierindustrie die Befürworter des Abkommens sammeln. Sein eigener Verband der elektrotechnischen Industrie lehne die Ansichten von Hoff und Rötger ohnehin entschieden ab.324 Raumer riet im Zusammenhang mit dem Engagement verschiedener Industrieller in der in Gründung befindlichen Deutsch-nationalen Volkspartei (DNVP), Persönlichkeiten „wie Herrn Rötger nicht auszugraben, da dieser bei seinen völlig veralteten Anschauungen […] der Industrie nur sehr schaden kann“. Raumer empfahl sich dagegen selbst. „Wenn die Sache der Arbeitsgemeinschaft richtig aufgezogen wird“, sah er sich in der Lage, „die Brücke zu der organisierten Arbeiterschaft zu bilden, mit der […] die Deutsch-nationale Volkspartei mehr Berührungspunkte hat als die rein mamonistische Deutsche Volkspartei.“325 Die Revolte der Verbandsmanager gegen das Oktroi der Großindustrie speiste sich aus der Sorge vieler kleiner Unternehmer, dass die Großen sich die plötzliche Hinwendung zu den Arbeitnehmerorganisationen womöglich besser leisten konnten als sie selbst. Überzeugungsarbeit tat not. Nahezu zeitgleich warb daher Reichert mit einem Vortrag vor der Handelskammervereinigung in Essen326 für die Arbeitsgemeinschaft. Die Kritik der Textilindustrie, dass die Arbeitsgemeinschaft die Verbände überflüssig mache, wies er zurück. Das Gegenteil sei der Fall. Zur Arbeitszeitregelung unterstrich er, dass deren dauerhafte Einführung an die Internationalisierung gebunden sei. Sollte diese fehlschlagen, „dann werden wir aus dem Achtstundentag wieder heraus müssen“. Der Zechenverbands-Vorsitzende Hugenberg gab sich überzeugt, dass es zur Internationalisierung nie kommen werde. Zum Missvergnügen der Gewerkschafter erinnerte Reichert auch daran, dass die ‚Gelben‘ keineswegs endgültig ausgeschlossen worden seien.327 Die am 4. Dezember 1918 beschlossene
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Aufbauorganisation sah einen Zentralausschuss, einen geschäftsführenden Zentralvorstand und eine auf die Forderung der Schwerindustrie zurückgehende Satzungskommission vor.328 Neben der Zentralarbeitsgemeinschaft sollten nach ähnlichem Muster Reichsarbeitsgemeinschaften (RAGn) und Bezirksarbeitsgemeinschaften entstehen, die weitgehend autonom über Tarifverträge und Schlichtungen zu entscheiden hatten. Dass die Minderheiten, also die Christlichen und Liberalen Gewerkschaften überall zu berücksichtigen seien, galt Reichert als Vorteil. So könnten die Freien nicht alles beherrschen. Die RAGn bildeten mit ihren Delegierten den Zentralausschuss, dieser wiederum entsandte 24 Vertreter in den Zentralvorstand der ZAG: „So schaffen wir im Aufbau gewissermaßen eine Pyramide, beiderseits von unten bis oben paritätisch zusammengesetzt.“ Unter dem Beifall des Auditoriums zitierte Reichert aus dem „Correspondenzblatt“ der Freien Gewerkschaften und beschwor die Parität als Prinzip der künftigen Sozialpartnerschaft. Noch am Neujahrstag 1919 reagierte Stinnes, den die entstehende ZAG als ihren „Begründer“329 feierte, auf die „Treibereien gegen die Arbeitsgemeinschaft“. Von Vögler forderte er: „Mit dem Unglücksmenschen Rö[t] tger muß endlich Schluß gemacht werden.“ Hugenberg erklärte er: „meine Geduld ist nunmehr erschöpft. Herr Rötger muß gehen oder ich ziehe mich zurück“. Stinnes schickte Vögler und Hugenberg den Wortlaut seines Schreibens an den CdI. Vor dem Hintergrund der Intervention beim Demobilmachungsamt drohte Stinnes mit seinem Rücktritt aus dem CdI und allen ihm angegliederten Verbänden, namentlich aus dem Zechenverband. Er forderte, dass „die Geschäftsführung sofort zurecht gewiesen wird und daß in kürzester Frist eine Neubenennung im Vorsitz eintritt“.330 Hugenberg versuchte zu vermitteln. Er legte Stinnes nahe, einen Briefentwurf hinzunehmen, der gleichzeitig die „Schärfe“ seiner Rücktrittserklärung rügte und ankündigte, Rötger werde eine leitende Stelle im künftigen Reichsverband der Deutschen Industrie übernehmen. Stinnes wies den Briefentwurf zurück.331 Die Erwartung des in seiner Position gestärkten Rötgers, Stinnes möge sich gleichsam entschuldigen, tat dieser als „lächerliche Idee“ ab.332 Tatsächlich sollte Rötger bei den Gründungsveranstaltungen des RDI eine tragende Rolle spielen. Das Rundschreiben der im Industrierat zusammengeschlossenen Unternehmerverbände vom 30. Dezember 1918 betonte zwar die Anerkennung des Stinnes-LegienAbkommens. Zugleich signalisierten sie ihre Skepsis gegen eine Zusammenarbeit auf wirtschaftspolitischem Gebiet.333
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18
6. Revolutionäre Opposition Was Sorge aus Magdeburg und Siemens aus Berlin berichteten, galt erst recht für die Zechen in Rheinland und Westfalen. Die Bergarbeitergewerkschaften versuchten ihrer von der Gegenseite angemahnten Verantwortung gerecht zu werden, indem sie am 26. November 1918 gemeinsam mit den Arbeitgebern an die Bergarbeiter appellierten, die Kohleförderung unbedingt aufrechtzuerhalten.334 Die neue Sozialpartnerschaft war in den Zechen kaum durchzusetzen. Das belegt beispielhaft ein Bericht aus Arbeitgeberperspektive über die Streiks, Versammlungen und Verhandlungen auf der Thyssen-Zeche „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ in Hamborn bei Duisburg.335 Am 9. November 1918 hatte sich der übliche Arbeiter- und Soldatenrat gebildet. Er trat nun neben den Betriebsleitungen und den Gewerkschaftsvertretern als dritter Akteur auf. Eine Gruppe von Arbeitern setzte faktisch eine 7,5-Stunden-Schicht inklusive Einfahrt fest und übte Druck auf kompromissbereite Teile der Belegschaft aus. Dabei zeigte sich in den Augen der Betriebsleitung die geringe Bedeutung, die auf überörtlicher Ebene getroffene Abmachungen vor Ort hatten. Erfüllbar war die Forderung der Arbeiter nach „höflichen Umgangsformen und humane Behandlung durch die Beamten [d. h. die Angestellten]“. Das warf ein Licht auf die früheren Verhältnisse, die sich nun umzukehren begannen. Sachse, Chef der Bergarbeitergewerkschaft (Alter Verband), wies am 4. Dezember 1918 auf einer vom Arbeiter- und Soldatenrat einberufenen Versammlung erhebliche Lohnforderungen als unerfüllbar zurück. Er setzte sich dem Abkommen gemäß für „Verhandlungen von Organisation zu Organisation“ ein und wurde prompt „niedergebrüllt“. Generaldirektor Arthur Jacob berief sich auf das Abkommen und den Rat der Volksbeauftragten, der dieses gebilligt habe. Wie Sachse vertrat Jacob den Grundsatz, es sei von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zu verhandeln; einzelbetriebliche Vereinbarungen über Löhne und Arbeitszeiten seien unzulässig. Demonstrierende Belegschaftsmitglieder setzten die Zechenverwaltung jedoch massiv unter Druck. Weder der Arbeiter- und Soldatenrat noch das Generalkommando VII in Münster konnten eine Garantie für Leib und Leben von Jacob geben. Unter Protest akzeptierte dieser schließlich die Forderungen der Belegschaft, was benachbarte Belegschaften anspornte, nun ebenso aufzutreten. Der Hamborner Arbeiterund Soldatenrat nahm den Erfolg für sich in Anspruch. Ein Wortführer der Arbeiterschaft unterstrich laut einem Bericht, der Erfolg sei „nicht die Arbeit der Arbeiterorganisationen […], sondern die Arbeit des Arbeiterrates, hinter dem die gesamte Arbeiterschaft stand. Langwierige Verhandlungen und Vertröstungen hätten, wie es in den letzten 25 Jahren der Fall war, zu
6. Revolutionäre Opposition161
nichts geführt. Eine kühn vollbrachte Tat ist mehr wert, als tausend schöne Reden. Und so hat man sich entschlossen, durch einen Handstreich die Forderungen durchzudrücken.“
Mit diesen Worten warb er für den Beitritt zu der syndikalistischen Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, die schon lange gegen den Kurs der Freien Gewerkschaften opponierte und jetzt unter den Bergarbeitern der Ruhr Anhänger fand. Das galt namentlich für die rasch aus dem Boden geschossene Industriestadt Hamborn mit ihrer kaum verwurzelten Arbeiterschaft ohne längere gewerkschaftliche Tradition. Allerdings schlossen sich auch radikalisierte Facharbeiter mit längerer Organisationserfahrung der Bewegung an.336 Am Ende forderte jedoch auch der Syndikalist, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Versammlung mehrerer tausend Bergarbeiter wurde mit einer Demonstration unter roter Fahne und bei klingendem Spiel beschlossen. August Thyssen billigte Jacobs Einlenken. Zugleich beklagte er, die Arbeiter verstünden einfach nicht, dass hohe Löhne den Export bremsten, durch den allein die Devisen für die erforderlichen Lebensmittel- und Rohstoffimporte zu besorgen seien.337 Der Gedanke, dass dieses Unverständnis auch Ergebnis der früheren gewerkschaftsfeindlichen Politik gewesen sein könnte, die Tänzler jetzt ändern wollte, kam Thyssen nicht. Die Zeche „Deutscher Kaiser“ war, so die Betriebsleitung, zum „Kriegsschauplatz“ im „Kampf […] der freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften gegen die Organisationen“ geworden, zumal sich neben den Syndikalisten auch die Spartakisten bemerkbar machten.338 Ihr Kampf richte sich „gegen die alten Gewerkschaften der Bergarbeiter, die im Oktober bereits in Verhandlungen mit dem Zechenverband eingetreten waren“.339 Ähnlich sah das die „Arbeitgeberzeitung“.340 Um der sich ausweitenden Streiks Herr zu werden, vereinbarte der Zechenverband mit den Gewerkschaften am 13. Dezember 1918 weitere Lohnerhöhungen. Im Gegenzug versicherten diese, sich für eine Erhöhung des Kohlepreises einzusetzen. Tatsächlich wurden die Preise um 50 Prozent erhöht, was auf der Linie Koeths, dem Chef des Demobilmachungsamtes, lag. Er wollte wie Rathenau bei Lohnforderungen und Arbeitszeiten nachgeben, um weitergehende Forderungen zu vermeiden. Das hinderte Rathenaus Vorstandsvorsitzenden Deutsch nicht daran, genau dagegen Front zu machen. Deutsch musste zur Kenntnis nehmen, dass Koeth sich eben nicht als Gewährsmann der Industrie verstand. Der Krisenmanager war ein intellektueller Offizier, zugleich jedoch Pragmatiker und ein Gegner der Pläne Moellendorffs. Die Weiterbeschäftigung der Industrie und ihrer Arbeiter sowie die Einhegung der Arbeitslosigkeit hatten für ihn Vorrang vor allen Sorgen über die finanzielle Stabilität. Dabei war er je-
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18
Quelle: BArch, Bild 102-05933 / Pahl, Georg
Abbildung 27: Felix Deutsch, Mai 1928
doch nicht bereit, jede Lohnerhöhung postwendend durch Staatsbeihilfen auszugleichen.341 Koeth stand so gut wie die entstehende Arbeitsgemeinschaft für den Inflationskonsens zwischen Industrie und Arbeiterschaft. Rathenau erklärte am 18. Dezember 1918 vor der Generalversammlung der AEG:342 „Wir haben diesen Umschwung begrüßt und glauben an das neue Reich. Wir glauben an die Möglichkeit einer veränderten Ordnung der Dinge, wir sind willig und bereit in Gemeinschaft mit allen ordnenden Kräften am Aufbau unseres Landes mitzuwirken.“
Im gleichen Atemzug warnte jetzt auch er vor der Sozialisierung und zu hohen Lohnforderungen. Selbst im revolutionär gestimmten Berlin war die Konzessionsbereitschaft der Unternehmer nicht unbegrenzt. In Hamborn widerrief Generaldirektor Jacob unter Verweis auf die Vereinbarung von Zechenverband und Gewerkschaften die von ihm unter Druck gemachten Zugeständnisse und musste angesichts der Gefahr für Leib und Leben seinen Posten verlassen. Prompt fiel er bei August Thyssen in Ungnade.343 Kurz vor Jahresbeginn verhandelten die Gewerkschaf-
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ten erneut mit dem Zechenverband. Sachse und Huë versicherten Hugenberg, Fritz Thyssen und anderen, dass sie nach wie vor auf dem Boden des Novemberabkommens stünden. Selbst sie schlossen nun den Einsatz von Truppen nicht mehr aus. Nachdem die Streiks zu Jahresbeginn wieder abgeflaut waren, streikte unter dem Eindruck des Januaraufstandes 1919 wieder eine erhebliche Minderheit der Bergarbeiter. Gefordert wurde die sofortige Sozialisierung des Bergbaus. Selbst der Vorsitzende des Zechenverbands, Hugenberg, erkannte die Zwangslage der Bergarbeiterführer an.344 Der in seinen Zielen diffuse, bürgerkriegsähnliche Januaraufstand in Berlin konnte die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 nicht mehr verhindern. Mit deren Zusammentritt am 6. Februar 1919 endete das revolutionäre Interregnum. Die gespaltene Sozialdemokratie konnte zwar ihr Ergebnis gegenüber den Reichstagswahlen von 1912 verbessern. Mit nur 165 Sitzen für die SPD und 22 Sitzen der USPD wurde die erhoffte Mehrheit jedoch verfehlt. Damit blieb den Sozialdemokraten nur, die ‚Hilfsdienstachse‘ des Weltkrieges mit dem katholischen Zentrum und den Liberalen fortzusetzen. Damit war die Kontinuität auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialordnung vorgegeben. Am 11. Februar bestimmte die Nationalversammlung Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten, der eine Reichsregierung unter Philipp Scheidemann bildete. Die Versammlung war nicht nur Konstituante; sie nahm zugleich die Rolle eines Übergangsparlaments wahr. Damit waren wieder halbwegs legitime staatliche Strukturen entstanden.345 Im Rückblick lag für den Geschäftsführer der VDA dann auch der eigentliche Vorteil der Arbeitsgemeinschaft darin, dass sie den Unternehmern ermöglicht habe, eine für sie und ihren Besitzstand bedrohliche Krise zu überstehen.346 Allerdings konnten die Unternehmer auch nicht mehr zum Status quo ante zurückkehren.
7. Das Abkommen und die Weimarer Reichsverfassung Das zentrale Anliegen der Gewerkschaften war – neben ihrer Anerkennung durch die Arbeitgeber – die flächendeckende Einführung und rechtliche Verankerung der Tarifverträge. Das Reichsarbeitsamt unter Bauer und Unterstaatssekretär Johannes Giesberts, einem christlichen Gewerkschafter und Zentrumspolitiker, arbeitete eine Tarifvertragsverordnung aus. Sie orientierte sich an einem Entwurf, den der sozialdemokratische Jurist und zugleich bedeutende Tarifrechtler, Hugo Sinzheimer, 1916 für die GfSR verfasst hatte. Ohne größere Debatte erfüllte der Rat der Volksbeauftragten mit der „Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Ange-
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stelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten“ vom 23. Dezember 1918347 die Forderung des Deutschen Juristentags von 1908, das Tarifvertragswesen auf „positivrechtliche Grundlage“ zu stellen. Auch die Existenz der Arbeiterausschüsse und Schlichtungseinrichtungen des Hilfsdienstgesetzes wurde damit verlängert. Der Gesetzgeber hatte sich für die „Verbandstheorie“348 entschieden und nahm damit die Kernbotschaft des Stinnes-Legien-Abkommens auf. So mahnte die ZAG den Kieler Arbeiterund Soldatenrat angesichts seiner Eingriffe in die Betriebe, den Grundsatz der „Verhandlung von Organisation zu Organisation“ zu beachten.349 Folgerichtig akzeptierte Legien umstandslos die Forderung Borsigs, dass bei Verhandlungen der Betriebsleitungen mit den Arbeiterausschüssen nicht nur diese die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitgeber ihre Verbände heranziehen konnten.350 Die Tarifverordnung sah vor, dass das Reichsarbeitsamt Abschlüsse auf Antrag auch für Dritte und rückwirkend für verbindlich erklären konnte. Jede der Vertragsparteien oder Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber war antragsberechtigt. Der Rat der Volksbeauftragten hatte den künftigen Reichsarbeitsministern ein erhebliches Machtmittel zur Gestaltung der Arbeitsbeziehungen an die Hand gegeben. Denn mittels Demobilmachungsverordnungen wurden die Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Schlichtung später noch ausgedehnt. Was als Provisorium gedacht war, sollte bis 1934 die arbeitsrechtliche Grundlage der Arbeitsbeziehungen bleiben. Der individuelle Arbeitsvertrag hatte sich künftig in dem tarifvertraglich vereinbarten Rahmen zu bewegen.351 Das Stinnes-Legien-Abkommen war jedoch nicht nur die Quintessenz aus der Entwicklung der Arbeitsbeziehungen im Kaiserreich. Es bildete durch seine institutionelle Umsetzung durch die Spitzenvertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Ausgangspunkt für den „Wirtschaftskompromiss“352 der Weimarer Reichsverfassung. Die „gesetzgebenden Faktoren“ beeilten sich, so Raumer, die „getroffenen Vereinbarungen gesetzlich zu verankern“.353 Das galt eben nicht nur für die Verordnungen des Rates der Volksbeauftragten. Wie Sinzheimer auf dem Parteitag der SPD 1919 betonte, war die Gründung der Arbeitsgemeinschaft eine Etappe auf dem Weg in die Sozialordnung der neuen Verfassung.354 Mit der Anerkennung der Gewerkschaften nach Ziffer 1 des Stinnes-Legien-Abkommens in Verbindung mit dem Verzicht auf jegliche Einschränkung der Koalitionsfreiheit nach Ziffer 2 hatten die Arbeitgeberverbände verbindlich eingeräumt, dass ihnen die Gewerkschaften künftig gleichberechtigt gegenübertraten. Das spiegelte die unbeschränkte Koalitionsfreiheit nach Art. 159 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), nachdem sich die faktische Interpretation der Koalitionsfreiheit im Sinne einer Koalitionsduldung nach § 153 GO noch zu Kaisers Zeiten 1918 erledigt hatte. Zunächst
7. Das Abkommen und die Weimarer Reichsverfassung165
ungeklärt blieb das Spannungsverhältnis des Artikels 159 zu § 152, Abs. 2 der weitergeltenden Gewerbeordnung über die Unverbindlichkeit von Verabredungen der Koalitionen.355 Mit der zumindest vorläufigen Suspendierung der arbeitgebernahen und Betriebs-Gewerkschaften nach Ziffer 3, aber auch mit der Vereinbarung paritätischer Arbeitsnachweise nach Ziffer 5 schworen die Arbeitgeber dem früheren Kampf gegen die Gewerkschaften ab. Im Sinne des Abkommens und der damit vereinbarten institutionalisierten Zusammenarbeit normierte Art. 165, Abs. 1 WRV, dass die Arbeitnehmer „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitwirken“. Der Grundsatz der Parität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie deren „Kollektivautonomie“356 genossen damit Verfassungsrang. Den Arbeitskampf sprach die Verfassung so wenig an wie das Stinnes-Legien-Abkommen, da Streiks in der Entstehungszeit der Verfassung meist von Linkssozialisten, Syndikalisten und Kommunisten ausgingen. Die Arbeitgeber machten Front gegen die Gleichsetzung unbeschränkter Koalitionsfreiheit mit unbeschränktem Streikrecht.357 Statt ein „Streikrecht“ zu schaffen, beließ es die Nationalversammlung bei der „Streikfreiheit“. Folgerichtig sollte die Rechtsprechung künftig weiter dazu neigen, den Streik als Vertragsbruch zu werten. Hatte schon der Rat der Volksbeauftragten einen Koalitionszwang abgelehnt, so stand auch Artikel 159 WRV einem Koalitionszwang entgegen. Darauf hob die Arbeitgeberseite später ab. Streik und Aussperrung galten als zulässig, sollten aber durch die in Ziffer 8 vereinbarten Schlichtungsinstanzen vermieden werden.358 Die Weimarer Verfassung bestätigte zum einen das Institut des bürgerlichen Rechtsstaates mit seinen individuellen Abwehrrechten. Das Eigentum blieb garantiert, bei bloß möglicher Sozialisierung gegen Entschädigung. Zum anderen bestimmte das Volk Form und Inhalt der Ausübung von Staatsgewalt, die nach Art. 1 WRV jetzt nur von ihm ausging. Dabei wurde die politische Partizipation als Wesen der Demokratie mit dem Recht auf wirtschaftliche Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand als Grundgedanke des Sozialstaats verknüpft. Dieser war gerade nicht sozialistisch verfasst, sondern reflektierte den Kompromiss, der schon für das Novemberabkommen ausschlaggebend war.359 Wie die Parteien die politische Partizipation zu organisieren hatten, so waren für die Sphäre der Arbeitsbeziehungen die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften mit Art. 165, Abs. 1 „Verfassungsfaktoren von öffentlichem Rang“360 geworden. Sie hatten nicht nur die Verteilung des wirtschaftlichen Wohlstands in der vom Stinnes-Legien-Abkommen bestätigten, grundsätzlich privatwirtschaftlichen Ordnung auszuhandeln, sondern die Arbeitsbeziehungen
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18
mitzugestalten. Mithin galten Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie gleichsam als Verfassungsauftrag. Dagegen blieb die Sozialisierung – ähnlich wie im Grundgesetz von 1948 / 49 – eine bloße Möglichkeit, die Wirtschafts- und Sozialordnung zu gestalten. Die wechselseitige Anerkennung und der Wille zur paritätischen Gestaltung der Arbeitsbeziehungen nach Ziffer 6 sowie die Gestaltung der Demobilmachung nach Ziffer 4 waren wesentliche Vorgaben für die Arbeit der Nationalversammlung noch vor deren Einberufung. Freilich wollte diese die Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung nicht den organisierten Interessen überlassen und sich allein auf deren im Aufbau befindliche Arbeitsgemeinschaft verlassen. Neben den hergebrachten Aufsichtsrechten wurde dem Staat ein „Warenhauskatalog sozialer Garan tien“361 aufgegeben: der Schutz von Handel und Gewerbe, der Schutz des Mittelstandes und der Kulturschaffenden, die Wohnungsfürsorge und die Schaffung eines umfassenden Sozialversicherungswesens. Sinzheimer erkannte die Gelegenheit, die in Teilen der Arbeitnehmerschaft populäre Forderung nach einem Rätesystem halbwegs kompatibel in die Verfassung einzubauen. In der Konsequenz sahen die Absätze 2 und 3 des Art. 165 WRV einen Instanzenzug von Betriebsräten, Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiterrat vor, die mit den entsprechenden Unternehmerorganisationen zu Bezirkswirtschaftsräten und einem Reichswirtschaftsrat zusammentreten sollten. Diese Mitbestimmungspyramide erinnerte an die öffentlich-rechtlichen Kammern, zumal ihnen „Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse“ übertragen werden konnten. Der Instanzenzug hätte die Arbeitsgemeinschaft vermutlich mediatisiert oder gar vollständig aufgesaugt, wenn er denn verwirklicht worden wäre. Tatsächlich wurden nur Betriebsräte und der Reichswirtschaftsrat geschaffen. Die Betriebsräte hatten zwei Wurzeln. Zum einen existierten bereits die betrieblichen Arbeiterausschüsse des Hilfsdienstgesetzes und ihre historischen Vorläufer. Zu deren Beibehaltung bzw. Schaffung hatten sich die Arbeitgeber mit Ziffer 7 verpflichtet. Zum anderen hatten sich nach russischem Vorbild die revolutionären Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die zumindest vom Grundsatz legislative, exekutive und womöglich judikative Funktionen auf sich vereinigten.362 Sie waren auch in den Betrieben wirksam geworden. Gegen scharfen Widerstand des Unternehmerlagers verabschiedete der Reichstag 1920 ein Betriebsrätegesetz, das in den „Arkanbereich“ unternehmerischer Dispositionsfreiheit zugunsten der Mitbestimmung der Belegschaften eingriff, nachdem man sich mit Ziffer 4 bereits zur Einstellung der demobilgemachten ehemaligen Betriebsangehörigen verpflichtet hatte. § 70 des Betriebsrätegesetzes sah die Vertretung des Betriebsrates im Aufsichtsrat vor. Die §§ 71 und 72 statuierten eine Be-
7. Das Abkommen und die Weimarer Reichsverfassung167
richtspflicht der Betriebsleitung über die wirtschaftliche Lage. Außerdem hatte sich die Betriebsleitung nach § 74 bei betriebsbedingten Kündigungen und Einstellungen mit dem Betriebsrat ins Benehmen zu setzen. Die Zuständigkeit für Tarifverträge verblieb dagegen bei den Gewerkschaften. Das entschärfte den potenziellen Gegensatz zwischen letzteren und den Betriebsvertretungen, die an Rückhalt gewannen. Was systemüberwindend gedacht war, wurde konform umgesetzt. Betriebsräte sind bis in die Gegenwart mit Privatwirtschaft, Demokratie und seinerzeit auch mit der Arbeitsgemeinschaft im Sinne erweiterter Mitbestimmungsfunktionen der Interessenverbände der Arbeitnehmerschaft, aber eben auch der Belegschaften vereinbar. Von den ursprünglichen revolutionären Räten blieb kaum mehr als die Bezeichnung. Mit deutlich erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten setzten sie die früheren Arbeiterausschüsse fort. Der Reichswirtschaftsrat sollte dagegen Teil der Legislative werden. Der vorgesehene Instanzenzug von Räten wurde mangels konkreter Aufgaben in einer weiter vom Privateigentum an den Produktionsmitteln geprägten Wirtschaftsordnung nie verwirklicht. Allerdings nahm die revolutionäre Opposition diese Adaption des Rätegedankens nicht widerspruchslos hin, ganz im Gegenteil!363 Die Auseinandersetzungen um diese – über das Stinnes-Legien-Abkommen hinausweisenden – Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Betrieben sollten weitgehend außerhalb der Arbeitsgemeinschaft geführt werden. Dagegen wurde die Besetzung des Reichswirtschaftsrates in der ZAG beraten. Dass der Reichswirtschaftsrat künftig an der sozial- und wirtschaftspolitischen Gesetzgebung mitwirkte, sollte das Schicksal der künftigen ZAG beeinflussen. Angesichts der anfänglichen Regelung der Arbeits- und sozialen Beziehungen allein durch private Vereinbarung im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft seien, so Raumer im Rückblick, „manchen Politikern der Nationalversammlung schwere Bedenken gegen die sich jeder gesetzlichen Begrenzung entziehenden Zentralarbeitsgemeinschaft“ gekommen. Folglich habe man ein Forum geschaffen, in dem die Beteiligten nicht mehr aufgrund persönlicher Verantwortung, sondern aufgrund eines gesetzlichen Mandats saßen.364 Von paradigmatischer Bedeutung waren die Ziffern 6 und 8 in Verbindung mit Ziffer 7 des Stinnes-Legien-Abkommens. Mit der Vereinbarung obligatorischer Tarifverträge, die auch Abmachungen über Schlichtungsstellen beinhalteten, wurde die Ordnung der Arbeitsbeziehungen endgültig aus der Sphäre des Privatrechts herausgelöst und der Weg in ein kollektives Arbeitsrecht beschritten. Folgerichtig normierte Art. 157 WRV die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechtes. Wie unten noch näher dargestellt wird, schob Reichsarbeitsminister Bauer das Projekt an, das jedoch
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nie verwirklicht wurde. Bis heute existiert kein Arbeitsgesetzbuch. Der individuelle Arbeitsvertrag blieb privatrechtlicher Natur und wurde durch Rechtsprechung und Rechtslehre weitergebildet. Dabei unterlag der privatrechtliche Vertrag jedoch den Vorgaben des kollektiven Arbeitsrechts, namentlich den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. In diesem Sinne ist Arbeitsrecht Beschränkungsrecht, das die privatwirtschaftliche Ordnung einschränkt, aber ihrem Wesen nach erhält.365 Die Verfassung spiegelte die Tarifautonomie nach Ziffer 6 indessen nur schwach im zweiten Satz des Art. 165, Abs. 1, dass die „Organisationen“ der Sozialpartner und „ihre Vereinbarungen […] anerkannt“ werden sollen. Reichsgericht und viele Arbeitsrechtler sahen darin kein unmittelbar geltendes Recht, sondern eine bloß programmatische Äußerung der Nationalversammlung. Deren Umsetzung war durch die Tarifvertragsverordnung gleichsam vorweggenommen worden. Insgesamt ging die Nationalversammlung von der dauerhaften Zusammenarbeit der Sozialpartner auf der Grundlage von Vereinbarungen, namentlich in Form von Tarifverträgen, aus.366
8. Von der negativen Integration zur Partizipation: die Sozialpartner im Übergang zur Republik Das Urteil, die Novemberrevolution sei zu einer Serie von Arbeitskämpfen entartet,367 greift angesichts der Weimarer Verfassung schon in kurzfristiger, vor allem aber in langfristiger Perspektive zu kurz. Gerald D. Feldman hat der frühen Weimarer Republik das Kompliment gemacht, sie habe im schwierigen Kontext von harten Friedensbedingungen und Inflation „the most advanced, albeit not longer most generous, system of industrial relations and social welfare in the world“ hervorgebracht.368 Die für das Kaiserreich bis fast an dessen Ende charakteristische negative Integration der Arbeiterklasse hatte sich in eine weit über das Wahlrecht hinausweisende tatsächliche Partizipation verwandelt. Allerdings handelt es sich um eine über die Interessenverbände vermittelte Mitwirkung Einzelner. Für beides standen die Karrieren von Gewerkschafts- und Parteiführern bis in höchste Staatsämter.369 In ihren Köpfen war die Vorstellung einer konfliktfreien klassenlosen Gesellschaft auf der Grundlage einer in ihren Kernen verstaatlichten Volkswirtschaft zur regulativen Idee für eine mehr oder minder ferne Zukunft mutiert, in der Deutschland wieder über eine funktionstüchtige Friedenswirtschaft verfügen würde. Das StinnesLegien-Abkommen stand so gut wie die neue Verfassung für den breiten Konsens in der Bevölkerung, dass die Wirtschaft nur im Rahmen einer sozialstaatlich eingehegten kapitalistischen Ordnung wiederaufgebaut werden könne, ohne eine alternative Ordnung zu verbauen. Für eine lautstar-
8. Die Sozialpartner im Übergang zur Republik169
ke Minderheit der Arbeiterschaft war dagegen mit der Revolution und der Erschütterung der Bastionen der Großindustrie der Zeitpunkt gekommen, die Unternehmer und ihre Betriebsleitungen zum Teufel zu jagen. Die Leitung der deutschen Großindustrie sollte dann offenbar ein von Räten und / oder staatlichen Instanzen gesteuertes Management übernehmen. Die Gewerkschaftsführung war längst zum Ordnungsfaktor geworden. Das Stinnes-Legien-Abkommen besiegelte diese Funktion eher, als dass es sie selbst hervorbrachte. Folgerichtig wurden Räteherrschaft und Sozialisierung zum systemgefährdenden Albtraum der mehrheitssozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführung; für die nicht-sozialistischen Gewerkschaften galt das ohnehin. Die Gewerkschaftsführung wurde nun von zwei Seiten in die Pflicht genommen: von der politischen Führung, die teilweise den eigenen Reihen entstammte, sowie von den Arbeitgebern. Von diesen erwarteten Staat und Gewerkschaftsführung gleichermaßen den raschen wirtschaftlichen Wiederaufbau. Beide, Staat und Unternehmer, forderten im Gegenzug von den Gewerkschaften die Disziplinierung der Arbeiterschaft. Damit sollte die Gewerkschaftsführung immer stärker zwischen alle Stühle geraten. Denn ihre Mitglieder erwarteten angesichts dürftiger Verhältnisse von ihrer Führung vor allem die Verbesserung, jedenfalls aber die Wahrung des Lebensstandards. Dagegen forderten Staat und vor allem Arbeitgeber von den abhängig Beschäftigten die Bereitschaft, auch nach dem Ende des Krieges im Interesse der Volkswirtschaft weiter erhebliche Lasten zu schultern, statt ihr Heil in einer raschen Verstaatlichung zu suchen. Die Arbeitgeber- und Unternehmerverbände sollten nach einer anfänglichen Schwächephase im Übergang zum RDI vergleichsweise besser wegkommen. Die Verbreitung der Tarifverträge, die Vertretung in den diversen Gremien der Arbeitsgemeinschaft sowie im Reichswirtschaftsrat sowie die Mitwirkung an der Gesetzgebung erforderten funktionstüchtige Verbände. Auch deren Manager mögen sich häufig genötigt gesehen haben, ihre Mitglieder zu disziplinieren. Allerdings dürfte das nur selten öffentlich geworden sein. Immerhin blieben Protagonisten des StinnesLegien-Abkommens aus dem Arbeitgeberlager wie Borsig und Stinnes bis zum Schluss in der ZAG präsent; Sorge sollte von seinem ebenfalls rührigen Nachfolger Heinrich Bücher abgelöst werden.
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18 Tabelle 1 Synopse der Ereignisse im Oktober / November 1918 im Haus von Unterstaatssekretär August Müller in Berlin
2. Oktober
Treffen Hans von Raumer mit Carl Legien, Gustav Bauer und Alexander Schlicke
3. Oktober
Ernennung des Prinzen Max von Baden zum Reichskanzler
9. Oktober
Die Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl industrieller ermächtigt Hugo Stinnes und Albert Vögler zu Verhandlungen mit den Gewerkschaften.
12. Oktober
Stinnes berichtet dem Zechenverband über seine Gespräche mit den Gewerkschaften.
18. Oktober
Verhandlungen des Zechenverbandes mit den drei Bergarbeitergewerk schaften
anschließend
Verhandlungen von Stinnes und Vögler mit Georg Reichel und Karl Spiegel vom Deutschen Metallarbeiterverband
im Hause Stinnes’ in Mülheim an der Ruhr
22. Oktober
Verhandlungen der Arbeitgeber, vertreten durch Ernst von Borsig, Felix Deutsch, Walther Rathenau, Raumer, Anton von Rieppel und Carl Friedrich von Siemens, mit den Arbeitnehmervertretern Bauer, Legien, Theodor Leipart und Schlicke
im Hause Raumers in Berlin
24. Oktober
Treffen von Borsig, Deutsch, Otto Henrich, Alfred Hugenberg, Raumer, Siemens und Max Töwe
im Berliner Hotel „Continental“
3. November
Waffenstillstandsgesuch der Reichs regierung an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Beginn des Matrosenaufstands in Kiel
4. November
Bildung des Arbeiter- und Soldaten rates in Kiel
im „Stahlhof“ in Düsseldorf
8. Die Sozialpartner im Übergang zur Republik171 5. November
Verhandlungen von Borsig, Deutsch, Henrich, Rathenau, Raumer, Stinnes und Vögler mit den Angestellten- und Arbeitervertretern Siegfried Aufhäuser, Legien, Anton Höfle, Franz Neustedt, Adam Stegerwald und Paul Eisner
6. November
Ausbreitung der Arbeiter- und Soldatenräte; Friedrich Ebert fordert den Thronverzicht Kaiser Wilhelms II.
im Berliner Hotel „Continental“
Eingabe der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Übergangswirtschaft bei der Reichskanzlei und erste Verhandlungen mit der Reichsregierung 7. November
Fortsetzung der Verhandlungen mit der Reichsregierung über die Errichtung eines Demobilmachungsamtes
7. / 8. November
Revolution in München
8. November
Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen
9. November
Reichskanzler Max von Baden verkündet eigenmächtig den Thronverzicht des Kaisers und überträgt das Amt des Reichskanzlers an Ebert; Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht rufen die Republik aus; Kaiser Wilhelm II. begibt sich ins Exil.
10. November
Bildung des Rates der Volksbeauftragten
11. November
Unterzeichnung des Waffenstillstands
bis 12. November
Schlussverhandlung über das StinnesLegien-Abkommen zwischen Borsig, Deutsch, Henrich, Rathenau, Raumer, Siemens und Tänzler für die Arbeitgeber und Legien, Leipart und Stegerwald für die Gewerkschaften
12. November
Veröffentlichung des Regierungsprogramms des Rates der Volksbeauftragten (Ankündigung der Einführung des Achtstundentages zum 1.1.1919)
Compiègne (Frankreich)
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IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18
14. November
Billigung des Abkommens durch den Hauptausschuss des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
14. November
Billigung des Abkommens durch die Vorstände der Freien Gewerkschaften
15. November
Unterzeichnung des Stinnes-LegienAbkommens Bestätigung des Abkommens durch den Rat der Volksbeauftragten
18. November
Veröffentlichung des Abkommens im „Reichsanzeiger“
26. / 29. November
Konstituierung des Vorstandes der Zentralarbeitsgemeinschaft
im Berliner Hotel „Adlon“
vermutlich ebenfalls im Hotel „Adlon“
V. Die institutionalisierte Sozialpartnerschaft: Die Zentralarbeitsgemeinschaft (ZAG) 1919–1922 1919 betrug die Industrieproduktion, gemessen am Vorkriegsstand nur noch 37 Prozent. Sie erholte sich 1920 trotz Streiks und Unruhen deutlich. Ab Mitte 1922 begann der Absturz fast auf das Niveau von 1919, um nach dem Währungsschnitt im Herbst 1923 in einer kontinuierlichen Aufwärtsbewegung erst 1929 wieder den Stand von 1913 zu erreichen. Der Anteil von Handel, Verkehr und Dienstleistungen an der Wertschöpfung nahm leicht zu. Dagegen stagnierte der Anteil des produzierenden Gewerbes. Die überwiegend von der Industrie bestimmte Exportquote lag mit 17 Prozent dauerhaft unter derjenigen von gut 20 Prozent im Jahr 1913. Die Landwirtschaft arbeitete wenig produktiv. Ihr Anteil an der Wertschöpfung erreichte erst nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 das Niveau von 1913. Die Getreideproduktion bewegte sich in den frühen 1920er Jahren bei etwa 50 Prozent des Vorkriegsniveaus, um sich erst nach 1925 leicht zu erholen. Das deutsche Lohnniveau war im Vergleich mit anderen Industriestaaten deutlich zurückgefallen. Der deutsche Arbeiter erreichte im Frühjahr 1922 gerade noch etwa die Hälfte der Kaufkraft seines britischen Kollegen. Höchstpreise und Bewirtschaftung für Verbrauchsgüter behinderten die durch den Krieg ohnehin geschwächte Konsumgüterindustrie. Die Mietpreisbindung bei wachsender Geldentwertung verschärfte die Wohnungsnot. Der Krieg, der hohe Wohlstandseinbußen, territoriale Verluste und erhebliche Reparationsverpflichtungen nach sich gezogen hatte, wurde immer dann latent verdrängt, wenn es galt, aktuelle Fortschritte als solche wahrzunehmen. Denn die Zeitgenossen bewerteten die aktuelle Entwicklung in aller Regel mit den Parametern des Jahres 1913 und nicht mit denen Frühjahrs 1919. Jenseits der Frage, ob Deutschland die jährlichen Reparationsraten zahlen und die Gläubigerländer die erforderlichen deutschen Exporte überhaupt aufnehmen konnten, belasteten die Reparationen die politische Kultur. Jede soziale Gruppe, die materielle Opfer bringen sollte, machte die Lösung des Reparationsproblems zur Voraussetzung eigener Anstrengungen. Im Ergebnis einigte man sich zunächst stillschweigend darauf, die Stabilisierung von Währung und Finanzen aufzuschieben, bis eine Lösung in Sicht war. Die Inflation beflügelte den vertikalen und horizontalen Zusammenschluss der Industrie und Banken und depravierte zugleich Teile der Gesellschaft.370 Der Wirt-
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schaftshistoriker Knut Borchardt deutete diese Entwicklung Ende der 1970er Jahre als Folge überzogener Lohnerhöhungen dank staatlicher Schlichtung und einer zu weitgehenden sozialstaatlichen Umverteilung. Er befand sich nahezu im Einklang mit den zeitgenössischen Argumenten der Arbeitgeber. Seine vom angebotsökonomischen Regimewechsel der 1970er Jahre beeinflusste These blieb umstritten.371 In jedem Fall wurde die vereinbarte Arbeitsgemeinschaft unter ungünstigen wirtschaftspolitischen Vorzeichen aufgebaut.
1. Die Anfänge der Organisation Im Dezember 1918 war sich der vorläufige Vorstand einig, dass die ZAG nur die allgemeinen Angelegenheiten zu regeln und als letzte Instanz zu wirken hatte. Sie sollte mit der Regierung und dem künftigen Parlament kommunizieren. Die besonderen Verhältnisse der einzelnen Branchen, insbesondere Löhne und Arbeitszeiten, sollten die RAGn oder deren nachgeordnete Bezirksarbeitsgemeinschaften regeln. Mit der Landwirtschaft und dem Handel waren zwei Wirtschaftsbereiche gar nicht in der Arbeitsgemeinschaft vertreten. Sie sollten entweder selbst eine ZAG bilden oder als RAGn einbezogen werden. Das Handwerk war der ZAG locker verbunden und wollte eine eigene RAG bilden. Die ZAG hatte selbst noch an einer endgültigen Satzung zu arbeiten, von der Einrichtung einer Geschäftsstelle ganz abgesehen.372 Dass sich die Einrichtung der RAGn hinziehen würde, zeichnete sich schon früh ab. Legien und Leipart sahen die von Borsig abgelehnten öffentlich-rechtlichen Arbeitskammern als Druckmittel, sollten einzelne Arbeitgeberverbände den Aufbau der RAGn zu bremsen versuchen. Sie stießen auf den scharfen Widerstand Borsigs, der schon mal mit dem Ende der Arbeitsgemeinschaft drohte. Sachse, Huë und Stegerwald hätten sich für die Kammern ausgesprochen, so Leipart, weil in ihren Augen die Bergbauunternehmer ihre alte Attitüde gegenüber den Gewerkschaften noch keineswegs gänzlich abgelegt hätten.373 Auch im VdESI hatte man den Eindruck, die Gewerkschaften nutzten das Arbeitskammerprojekt als Druckmittel. Es sei, so Reichert, eine „machtpolitische Frage“. Daher müsse man „zu unseren Freunden der Regierung, hingehen, zu Wissell und zu Bauer“, um doch noch eine Verschiebung in der Arbeitskammerfrage zu erreichen. Die ZAG empfahl der Regierung schließlich, das Pilotprojekt von Arbeitskammern für den Bergbau aufzugeben. Die Reichsregierung hielt sich nicht daran und verordnete sie im Februar 1919.374 Max Töwe, Geschäftsführer des GDM, kritisierte im März 1919 „innere Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten“ der Arbeitsgemeinschaft. Deren
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Aufbau sei „kaum über das Anfangsstadium hinausgekommen“. Die Ursache der Stagnation sah Töwe einerseits im Widerstand der industriellen Spitzenverbände gegen die paritätische Behandlung auch wirtschaftspolitischer Fragen durch die Arbeitsgemeinschaft. Andererseits sei die Frage nicht geklärt, ob der Unterbau fachlich nach Branchen oder territorial aufgebaut werden sollte. Tatsächlich lebte hier ein bereits für CdI und BdI maßgeblicher Gegensatz wieder auf. Töwe plädierte für die „scharf durchgeführte fachliche Gliederung“. Aus den Fachgruppen sollten dann auch Zentralausschuss und Zentralvorstand gebildet werden. Anders als VDA und später RDI schwebte Töwe vor, dass die Gremien der Arbeitsgemeinschaft sowohl die sozialen wie die wirtschaftspolitischen Fragen behandeln sollten.375 Adolf Cohen war – neben Curt Hoff für die Industrie – einer der beiden Geschäftsführer der ZAG. Er machte in seinem Vortrag anlässlich der Gründung der RAG Chemie am 28. April 1919 die mangelhafte Organisation der Arbeitgeberseite – trotz zwischenzeitlicher Gründung des RDI – für den schleppenden Aufbau der RAGn verantwortlich. Er appellierte, die RAGn als zentrale Bausteine der Arbeitsgemeinschaft zu erhalten.376 Die Bedeutung des Unterbaus wurde durch die bei der Beratung der endgültigen Satzung getroffene Entscheidung unterstrichen, den Zentralvorstand der ZAG vor allem durch Delegierte der im Sinne Töwes fachlich ausgerichteten RAGn zu besetzen. Jede RAG sollte durch mindestens einen Delegierten vertreten sein. Neben den 14 Delegierten der RAGn kamen drei aus den Spitzenverbänden. Über die Vertreter der Arbeitgeber hatten sich der RDI und die VDA abzustimmen. Komplizierter war es bei den drei Gewerkschaftsrichtungen. Die (sozialistischen) Gewerkschaften waren von 2,5 Millionen Mitgliedern zu Kriegsbeginn auf 7,3 Millionen Mitglieder angewachsen. Dazu kamen noch 610.000 Angestellte im AfABund. Dagegen genossen die Christlichen mit etwa einer Million Mitglieder und gar die liberalen Gewerkvereine mit 225.000 Mitgliedern faktisch Minderheitenschutz in den Gremien der ZAG.377 Hugenberg, Vorsitzender des Zechenverbands, setzte die Verbindlichkeit von Beschlüssen der ZAG für die RAGn durch, wenn diese mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst wurden. Nachdem noch eine weitere RAG (für Öle und Fette) gebildet wurde, wollte man keine weiteren Gruppen mehr zulassen. Die Freien Gewerkschaften lehnten schließlich auch eine eigene Arbeitsgemeinschaft für das Handwerk ab; sie wollten nur einen Handwerksausschuss beim Zentralvorstand akzeptieren. Die Arbeitnehmerseite schlug eine förmliche Empfehlung an Handel und Landwirtschaft vor, eigene Zentralarbeitsgemeinschaften zu bilden, was die Arbeitgeber ablehnten. Möglicherweise wollten sie vermeiden, dass die Gewerkschaften mit einer einheitlichen Haltung in
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Quelle: akg-images
Abbildung 28: Carl Legien, Radierung von Max Liebermann, um 1920
drei Arbeitsgemeinschaften auftraten, in denen die jeweilige Arbeitgeberseite unterschiedliche oder sogar gegensätzliche wirtschaftliche Interessen verfolgten. Die Vertretung der Angestellten auf Arbeitnehmerseite sorgte für „stundenlange Diskussionen“. Reichert scheiterte mit seinem Versuch, in der Satzung ein Hintertürchen für einen späteren Beitritt der ‚Gelben‘ zu öffnen, die am 23. Oktober 1919 mit dem Nationalverband Deutscher Gewerkschaften wieder ein Spitzengremium einrichteten.378 Der Reichsverband des deutschen Handwerks wurde am 9. Dezember 1919 in die ZAG aufgenommen.379 Der Hemmschuh blieb der Aufbau der RAGn. Die rheinisch-westfälische Stahlindustrie kritisierte im Mai 1919 den schleppenden Aufbau ihrer RAG. Borsig mahnte sie zur Geduld in schnelllebiger Zeit. Cohen machte erneut die Arbeitgeber verantwortlich, die im westlichen Deutschland den Aufbau der Gewerkschaften so lange behindert hätten.380 Auch in der ZAG sah Cohen die Verantwortung bei den Arbeitgebern und warnte vor einem Rückzug der betreffenden Gewerkschaftsverbände. Reichert konterte prompt mit dem Hinweis, dass die Arbeitnehmerorganisationen ja eben-
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falls mit „Gegenströmungen“ zu tun hätten. Legien tat diese als lokale Randerscheinungen ab, von denen keine Gefahr ausgehe.381 Im Juli 1919 räumte Reichert ein, dass neben der Textilindustrie auch die Kleineisenindustrie die Parität ablehnte.382 Selbst in der Chemieindustrie stellte sich eine aus Abneigung und Desinteresse gespeiste Strömung ein, die sich aber erst 1921 stärker bemerkbar machen sollte.383 Von nahezu fatalistischer Skepsis geprägt war das Urteil Rathenaus über „die Einsicht der wirtschaftlichen Führer […] im Sinne einer Reform“. Im April 1919 schrieb er über seine Standesgenossen:384 „Ich glaube alle Führer gut zu kennen und mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen zu können, daß, wenn sie alle zusammen eine Körperschaft bildeten, diese es als ihre erste Aufgabe ansehen würde, soweit wie irgendmöglich zu den alten Verhältnissen zurückzukehren. Es ist meines Erachtens nicht eine einzige grundsätzliche Konzession zu erwarten.“
Wenn dem so war, lag hier eine Hypothek für die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft. Vorläufig unterstützten die Industriellen das gemeinsame Unternehmen. Wie Leipart seinen Kollegen bereits Anfang Februar 1919 vortrug, hatte die Industrie die Finanzierung der kostspieligen Geschäftsführung und der Öffentlichkeitsarbeit praktisch vorgestreckt. Die ZAG sollte von den RAGn finanziert werden, deren Ausbau eben stagnierte. Zudem waren die Gewerkschaften in den Augen Leiparts durch den – immerhin schon 44-jährigen – Hans Böckler in der Geschäftsführung der ZAG nicht angemessen vertreten. Säßen auf der anderen Seite „ganz gewiefte Unternehmervertreter“, fehlten ähnlich „gewiefte Gewerkschaftsvertreter“. Der Umgang mit den „Herrenmenschen von gestern“ sei schließlich „ganz etwas anderes, als wenn wir [es] mit unseren Schreinermeistern, Tapezierern und Schneidern zu tun haben“. Leipart bestätigte damit Legiens Auffassung, die Gewerkschaften könnten und müssten in der Arbeitsgemeinschaft von ihren Kontrahenten lernen. Im Übrigen wurde die Decke an qualifizierten Funktionären aus der Vorkriegszeit angesichts vielfältiger Beanspruchung in staatlichen und anderen außergewerkschaftlichen Funktionen allmählich knapp.385 Die Protagonisten der ZAG hatten die Schwierigkeiten beim Aufbau der Organisation unterschätzt. Angesichts der Opposition auf beiden Seiten war die völlig neue Arbeitsgemeinschaft gut vorangekommen, zumal sich auch die Unternehmer bei ihrer eigenen Organisation schwer taten.
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2. ZAG und Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) Die Gründung des RDI war eine Konsequenz des Stinnes-Legien-Abkommens. Das Protokoll der von CdI und BdI veranstalteten Gründungssitzung im Februar 1919 erweckte den Anschein, dass „die Anerkennung der Gewerkschaften als der legitimierten Vertretung der organisierten Arbeiterschaft“ nicht mehr strittig sei. Krupp-Direktor Wiedfeldt nahm dagegen den Eindruck mit, dass weder das Verhältnis zur Arbeitsgemeinschaft, zu den Gewerkschaften noch zur Arbeiterschaft überhaupt geklärt sei. Alles laufe auf ein „Verkleistern vorhandener Gegengensätze“ hinaus.386 Hugenberg warf Rötger und der Verbandsführung des CdI vor, sie hätten den Kritikern der Arbeitsgemeinschaft eine Bühne geboten.387 Namentlich § 1 der Satzung der ZAG, nach der nicht nur soziale, sondern alle wirtschaftlichen Fragen paritätisch zu verhandeln seien, stieß weiter auf Widerstand. Raumer vom Zentralverband der deutschen elektrotechnischen Industrie hatte bei einem Vortrag vor der Ruhrindustrie am 28. Januar 1919 für paritätische Verhandlungen auch über wirtschaftspolitische Fragen geworben. Von der Einsicht der Arbeitnehmervertreter in die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erwartete er eine verantwortungsbewusstere Haltung in der Tarif- und Sozialpolitik.388 Anders die Vertreter des CdI und BdI: Sie machten das Versagen der „gegenwärtigen Machthaber“ dafür verantwortlich, dass man überhaupt auf Augenhöhe verhandeln müsse. Dabei waren sie sich der eigenen Überlegenheit sicher: „Die sozialistischen Führer wissen genau, daß sie ohne die Intelligenz der Unternehmer nicht auskommen können.“ Die einheitliche Organisation der Industrie galt hier nicht nur als Antwort auf die – letztlich gescheiterten – Bemühungen der Arbeitnehmer um eine Einheitsgewerkschaft. Vor allem hoffte man, sich gegen Sozialisierung, Vermögensabgaben und Besteuerung besser verteidigen zu können. Im Ergebnis bekannte sich die Gründungsversammlung zwar zum Stinnes-Legien-Abkommen. Allerdings sollte künftig auf getrennten Bühnen mit den Arbeitnehmern verhandelt werden. Wirtschaftspolitische Probleme waren künftig von den Fachgruppen des RDI mit den betreffenden Gewerkschaften zu verhandeln. Soziale Fragen sollten unter Federführung der VDA in der ZAG diskutiert werden. Der RDI-Vorsitzende Sorge betonte zwar, dass der neue Verband mit der ZAG einverstanden sei. Aber Leipart von der Generalkommission erkannte die Bereitschaft der Unternehmer, paritätisch nur über soziale Fragen zu verhandeln, während sie die Mitbestimmung der Arbeiterschaft in wirtschaftspolitischen Fragen weiterhin ablehnte.389 Der Forderung der Gründungsversammlung, langfristig die VDA mit dem RDI zu verschmelzen, widersprach Tänzler zunächst nicht. Später
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wollte er dann doch an der hergebrachten Arbeitsteilung festhalten. Zum einen hatte sich die Zahl der in der VDA organisierten Verbände durch „forcierte Gründung“390 als Antwort auf die Arbeitsgemeinschaft von 76 (im Jahre 1918) auf 130 (1919) erhöht. Zum anderen waren die Fachgruppen des RDI eher vertikal, die Verbände der VDA hingegen territorial nach Tarifgebieten ausgerichtet. Zudem nahm die Öffentlichkeitsarbeit der VDA in der Demokratie weiter an Bedeutung zu. Weder die ZAG noch die RAGn waren für Tänzler Einrichtungen sui generis, sondern Ableitungen aus Arbeitgeber- und Unternehmerverbänden auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite. Die Arbeitsgemeinschaft sollte also keine Eigendynamik über den Rahmen hinaus entwickeln, der sich aus der Schnittmenge der gegensätzlichen Interessen ergab. Folgerichtig konnte die Arbeitsgemeinschaft in dieser Optik auch nicht den vereinbarten Zweck des Stinnes-Legien-Abkommens gegenüber den Vertragspartnern verkörpern. Das stellte ihre raison d’être als Institution von vornherein in Frage. Immerhin übernahm Krupp-Direktor Kurt Sorge in Personalunion sowohl den Vorsitz in der VDA wie im RDI. Damit war bei fortbestehenden Interessengegensätzen eine gewisse Koordination auf der Seite der Arbeitgeber gewährleistet. Im Unterschied zu diesen blieb die Gewerkschaftsbewegung weiter in drei Richtungen gespalten. Dieser Nachteil sollte sich in der ZAG auswirken. Die Gründungsversammlung des RDI erinnerte in Verbindung mit ihrer Kritik am Achtstundentag an die „Pflicht zur Arbeit“. Zwar ließ sich aus der nur implizit angesprochenen „sittlichen Pflicht“ nach Artikel 163, Abs. 1, der künftigen Weimarer Reichsverfassung kein bestimmter Zeitumfang herleiten. Aber die Arbeitgeber markierten schon zu diesem Zeitpunkt ihr strategisches Ziel, die Arbeitszeiten wieder auszudehnen.391 Reichsarbeitsministerium und Auswärtiges Amt arbeiteten einen Zusatzvertrag zum Friedensvertrag zur Harmonisierung der Sozialpolitik aus. Danach sollte binnen drei Jahren der Achtstundentag eingeführt werden. Nicht nur die VDA meldete „energischen Widerspruch“ an. Bei den Entente-Mächten stieß die Absicht, arbeitsrechtliche Klauseln zu vereinbaren, auf schroffe Ablehnung.392 Am Ende sollten die Pariser Friedensverträge immerhin einige sozialpolitische Postulate beinhalten. Der Versuch der internationalen Gewerkschaftsbewegung, den im sogenannten Washingtoner Abkommen vereinbarten Achtstundentag völkerrechtlich verbindlich durchzusetzen, scheiterte. Die ZAG beschloss am 2. Dezember 1920 die Empfehlung, das Abkommen auf Gegenseitigkeit zu ratifizieren. Deutschland ratifizierte am Ende nicht. Solange Deutschland Reparationen zu leisten habe, lehnten die Arbeitgeber das Abkommen ab.393 Das weiland vom Maschinenbauindustriellen Borsig und von Legien unterzeichnete
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Quelle: Historisches Archiv Krupp
Abbildung 29: Kurt Sorge (1855–1928)
Sonderabkommen zum Achtstundentag wurde unter diesen Vorzeichen zum Bumerang. Die Ablehnung des Washingtoner Abkommens widersprach zumindest dem Geist des Stinnes-Legien-Abkommens. Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Zentralausschusses sollte der RDI-Vorsitzende Sorge im September 1919 wiederholen, dass die Arbeitgeber die ZAG nur bei „paritätischen Sachen“ beteiligen wollten. Dagegen bestand Cohen darauf, dass „in allen Fragen, die die Industrie angehen“, diese allein von der Arbeitsgemeinschaft zu lösen seien. Das hatte auch Auswirkungen auf die Ausarbeitung der Satzung. Hilger und Reichert vom VdESI forderten im März 1919 „schleunigste Durchorganisierung der Arbeitsgemeinschaft“ und die Einberufung des Zentralausschusses schon für April 1919.394 Die Pläne des Reichswirtschaftsministeriums sorgten für Handlungsdruck.
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3. ZAG und Reichsregierung: Gemeinwirtschaftspläne Der Zentralvorstand der ZAG behandelte im Februar 1919 – nach län gerer Debatte und gegen den Rat des Siemens-Direktors Henrich – die Forderung nach Sozialisierung. Der Gewerkschafter Wissell hatte in der Regierung Scheidemann nicht nur die Leitung des Reichswirtschaftsministeriums übernommen, sondern auch den Ingenieur und Professor für Nationalökonomie Moellendorff zu seinem Staatssekretär gemacht. Damit nahmen die in der Öffentlichkeit diskutierten vagen Sozialisierungsvorstellungen die Form einer selbstverwalteten Gemeinwirtschaft an. Entscheidungen öffentlich-rechtlicher Verbände sollten an die Stelle der marktwirtschaftlich vermittelten Interessen der Wirtschaftssubjekte treten. Die Vorstellung speiste sich aus drei Komponenten. Schon vor dem Krieg veränderten horizontale und vertikale Konzentration die Marktwirtschaft. In der Ausnahmesituation der Kriegs- und Übergangswirtschaft wurde die Marktwirtschaft weitgehend suspendiert. Da der Staat die Wirtschaftssteuerung nicht selbst zu leisten vermochte, bediente er sich der Selbstverwaltungsgremien der Industrie. Als ziemlicher Außenseiter seiner Zunft hatte Rathenau vorgeschlagen, an die Stelle der Enteignung der Produktionsmittel die paritätische und gemeinwohlorientierte Entscheidung von Unternehmern, Gewerkschaften, Verbrauchern und des Staates zu stellen. Ausdrücklich forderte er „die intensivste Beteiligung der Arbeiterschaft an Verwaltung und Ertrag“. Die Arbeitsgemeinschaft bot sich als Grundlage für die öffentlich-rechtliche Syndizierung der Industrie an.395 Die ZAG zog es vor, an der Zusammenarbeit mit dem Demobilmachungsamt und dessen Chef, Koeth, festzuhalten und sich gegenüber den Plänen des Reichswirtschaftsministeriums abwartend zu verhalten. Koeth lehnte das Gemeinwirtschaftsprojekt ab. Seinem Vorschlag entsprechend, wurde das Demobilmachungsamt zum 1. Mai 1919 aufgelöst, da es seine Aufgabe erstaunlich rasch erfüllt hatte. Die verbleibenden Funktionen wurden auf die regulären Ressorts, namentlich das Reichsarbeitsministerium, übertragen.396 Auf der Linie Koeths wähnten Reichert und der VdESI in den Vorstellungen des Reichswirtschaftsministeriums eine „Gefahr“ durch „Zwangsorganisation und Bevormundung der Industrie“. Der Textilindustrielle Avellis, Borsig, Henrich und Hilger schlossen sich den Kassandrarufen an. Der Verzicht auf Wettbewerb werde zu einer „Verflachung“ der Industrie, gar zum „Verzicht auf Export“ führen. Legien hielt dagegen: Das Wirtschaftsministerium strebe durch Organisation preiswertere Produkte an, die Syndikate dagegen die Erhaltung überhöhter Preise. Das bestritt Reichert: Die Verkaufssyndikate beschränkten zwar den Absatz, ihre Mitglieder stünden aber untereinander im Wettbewerb. Für Hans
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Kraemer, einen in der ZAG sehr engagierten Vertreter der Papierindustrie, ging es dem Wirtschaftsministerium vor allem um die Selbstverwaltung, nicht um die staatliche Lenkung der Industrie. Das Bestreben der Gewerkschaften, so Legien, ziele auf „hohe Löhne, kurze Arbeitszeit und niedrige Preise“. Ein Herzensanliegen war ihm die Gemeinwirtschaft also nicht. Rathenau hatte schon vor dem Jahreswechsel diese in der Logik der ZAG liegende Entwicklung kritisiert und geklagt, dass „die Revolution zu einer Lohnfrage geworden“ sei.397 Im Ergebnis der Debatte forderte die ZAG das Wirtschaftsministerium auf, zunächst den Auf- und Ausbau der Arbeitsgemeinschaft abzuwarten. Legien formulierte als Entschluss der ZAG, dass die Arbeitsgemeinschaft weder Ordnungspolitik betreiben noch die „unmittelbare Bewirtschaftung“ übernehmen könne. Vielmehr sollte sie auf der Grundlage ihrer Entschlüsse die Regierung in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen beraten. Sollten jedoch Selbstverwaltungsverbände eingerichtet werden, dann sei eine „Personalunion“ mit den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft anzustreben. In jedem Fall wollte man im Vorfeld in alle Maßnahmen der Ressorts eingebunden werden und ein Verbindungsbüro im Wirtschaftsministerium unterhalten.398 Am 19. März 1919 verhandelte die ZAG direkt mit Wissell und Moellendorf.399 Letzterer wollte mit dem „bürokratischen System“ brechen und „volle Selbstverwaltung“ schaffen. Dazu werde man sich der Organe der Arbeitsgemeinschaften bedienen. Deren rasche Konsolidierung wünsche man ebenso wie ihre Ausdehnung auf die übrigen Sektoren. Gegenüber den Widersachern der Arbeitsgemeinschaft müsse sich der Staat jedoch „neutral“ verhalten. Der RDI-Vorsitzende Sorge unterstrich einmal mehr, dass sein Verband zur Arbeitsgemeinschaft stehe. Gewerkschaftschef Legien gab sich optimistisch, denn das Handwerk sei bereits erfasst, Handel und Landwirtschaft würden folgen. Dagegen wandte Minister Wissell ein, dass die Textilindustrie und andere die Arbeitsgemeinschaft ablehnten. Der Vorsitzende des Holzarbeiterverbandes, Leipart, erwartete, dass das Ministerium die ZAG gegen die Textilindustrie unterstütze. Zugleich bezweifelte er, ob die RAGn den an sie gestellten Ansprüchen genügen könnten. Legien betonte erneut, die RAGn sollten „nicht selbst wirtschaften“. Die Übernahme unternehmerischer Aufgaben strebte er so wenig an wie seine Kontrahenten. Das Reichswirtschaftsministerium wollte als Nächstes die Lenkung des Außenhandels in Angriff nehmen.400 Ein Beirat sollte aus acht Vertretern der Produzenten und je vier des Handels und der Verbraucher gebildet werden, jeweils paritätisch Arbeitgeber und -nehmer. Dazu erwarte man
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Vorschläge. Prompt musste Legien passen, da noch keine Fachgruppe des Handels existierte. Er hielt es für „überflüssig, auch den letzten Konsumenten heranzuziehen“. Dagegen wollte Borsig den Handel am liebsten aus der Arbeitsgemeinschaft heraushalten. Die Gegensätze zu den Produzenten seien zu groß. Diese zu überbrücken, sei jedoch der „Grundgedanke der Arbeitsgemeinschaft“, entgegnete Wissell. Er drohte mit Verordnungen, sollte sich das Handwerk nicht in der Arbeitsgemeinschaft organisieren. Das lehnten Legien und Leipart ab, weil sie weiter an eine eigene Fachgruppe bzw. RAG dachten. Legien hielt die gesetzliche Bildung neuer Organisationen überhaupt für „überflüssig“, wenn die Arbeitsgemeinschaft doch dieselben Fragen behandle. Dem widersprach Reichsarbeitsminister Bauer: „Die Arbeitsgemeinschaft besitzt bei den Arbeitern nicht die erforderliche Autorität, um die gesetzliche Regelung überflüssig zu machen.“ In der Folge würden die „Zwangsorganisationen die freiwillige Organisation der Arbeitsgemeinschaft ablösen“. Die ZAG, drohte Legien, müsse sich darüber klar werden, ob sie unter diesen Vorzeichen überhaupt mitwirken könne. Moellendorffs Bitte, die Arbeitsgemeinschaft möge bis zu einer gesetzlichen Regelung – also gleichsam übergangsweise – tätig werden, war nicht gerade ermutigend. Borsig, Hilger und Sorge waren alarmiert. Die von der Regierung geplanten Organisationen, warnte Sorge, würden das Interesse der Industrie am Aufbau der Arbeitsgemeinschaft im Keim ersticken. Wissell betonte eher defensiv, man habe auf die Vorstellungen der Arbeiterschaft eingehen müssen, um „die radikalen Strömungen […] abfangen zu können“. Moellendorff versicherte, man bezwecke letztlich die „endgültige gesetzliche Anerkennung“ der Arbeitsgemeinschaft. Immerhin gestand Wissell alle Forderungen nach Vorabberatung aller einschlägigen gesetzlichen Vorhaben ebenso zu wie die Einrichtung von Verbindungsbüros der ZAG in den Ressorts. Gegenüber den Gewerkschaftsvorständen bekannte sich Legien weiter zum Grundsatz der Sozialisierung der Produktionsmittel, die mit flächendeckenden Tarifverträgen vorbereitet werde. Die Gewerkschaftsführung sah die Sozialisierung als Aufgabe des Gesetzgebers – also der sozialdemokratischen Partei –, nicht der Gewerkschaften. Legien wehrte sich auch gegen die denkbare Vereinnahmung der Gewerkschaften im Rahmen der Verstaatlichung von Teilen der Industrie. Die Existenz der Gewerkschaften und das Streikrecht hielt er auch im Falle der Verstaatlichung für notwendig. Hinter dem Stichwort „Betriebsdemokratie“ verbarg sich der Wunsch nach umfassender Mitbestimmung über die zwischenzeitlich unter dem Druck der innergewerkschaftlichen Opposition als Instrumente der Gewerkschaften positiv bewerteten Betriebsräte, unabhängig von der Betriebsform.401 Mit wenigen Ausnahmen sollten Mitglieder der sozialisti-
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schen Gewerkschaften in den 1920er Jahren dann auch die Mehrheit in den Betriebsräten stellen.402 Dass Arbeitsgemeinschaft und Betriebsräte den Weg zur Sozialisierung bereiteten, sah die Gegenseite naturgemäß anders. DeutschLux-Generaldirektor Vögler leitete aus der Arbeitsgemeinschaft und der damit einhergehenden Verschiebung der Sozialisierung die Unentbehrlichkeit des Kapitalismus auch in Zukunft ab.403 Da der „in den Arbeitermassen festgewurzelte Gedanken des Rätesystems […] in der Öffentlichkeit von rechts und links unerwartete Zustimmung gefunden“ habe,404 verhandelte nach der ZAG von April bis Juni 1919 auch der RDI mit dem Reichswirtschaftsministerium. Rudolf Frank, der geschäftsführende Vorsitzende des „Vereins zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie Deutschlands“, sowie Kraemer und Lammers von der Papierindustrie befürworteten die Selbstverwaltungspläne. Selbst Beukenberg, Vorsitzender der Nordwestlichen Gruppe des VdESI, zog diese „sehr gemäßigte Form der Sozialisierung“ dem vor, was „viel radikalere Leute“ forderten.405 Reichert („feuilletonistisch, Schlagworte, rednerisches Halbdunkel“) führte die Ablehnungsfront an. Dabei war auch er kein so strikter Gegner jeder Regulierung wie Teile des Handels. Der Textilindustrielle Frowein, stellvertretender Vorsitzender des RDI, erinnerte daran, dass eine Revolution stattgefunden habe und man angesichts veränderter Machtverhältnisse gut beraten sei, einen flexiblen Kurs zu steuern.406 Mit einem ähnlichen Resümee beschloss Wilhelm Meyer, Vorsitzender des VdESI, im Mai 1919 die ungewöhnlich lebhafte und kontroverse Debatte seines Verbandes über die Gemeinwirtschaftspläne. In den Augen des Geschäftsführers Reichert verwandelte das staatliche Vetorecht in den Gremien die vorgebliche Selbstverwaltung in ihr glattes Gegenteil; die Wirtschaft werde „politisiert“. Zudem störte ihn die Einbeziehung von Handel, Abnehmern und Verbrauchern in die Gremien. Dagegen war die ZAG eine reine Produzentenveranstaltung. Folgerichtig berief sich Reichert auf deren Beschluss vom März 1919, der sich gegen die Vermengung von beratenden und ausführenden Funktionen ausgesprochen hatte.407 Die Zusammenarbeit der Industrie mit den Gewerkschaften erfüllte die Schutzfunktion gegenüber ordnungspolitischen Eingriffen des Staates. Die Kritik der Kleineisenindustrie an den Gemeinwirtschaftsplänen hielt der RDI folglich für kontraproduktiv. Naturgemäß sahen die kleinen Unternehmer ihre Autonomie durch eine Selbstverwaltung, in der die Großindustrie den Ton angeben würde, ebenso gefährdet wie durch den wachsenden Einfluss der organisierten Arbeitnehmerschaft. Daher weigerten sie sich teilweise in beleidigender Form gegen die Zusammenarbeit mit der Arbeiterschaft. Der RDI versicherte vor diesem Hintergrund erneut, dass er auf dem Boden der Arbeitsgemeinschaft stehe.408 Wer daran Zweifel
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säe, den wollte Vögler aus dem RDI entfernt sehen.409 Nichtsdestotrotz warf Siemens der Industrie vor, „zu sehr in passiver Obstruktion verharrt“ zu haben. Er sah den Selbstverwaltungsgedanken grundsätzlich positiv. Allerdings habe das Reichswirtschaftsministerium dem „Zwangs- und Planwirtschaftssystem“ und den „politischen Tagesforderungen“ zu sehr Rechnung getragen.410 Das Gespann Wissell / Moellendorff stieß vor allem im Kabinett auf Widerstand, namentlich beim linksliberalen Reichsschatzminister Georg Gothein. Reichsministerpräsident Bauer witterte – nicht ganz grundlos – eine Einigung von Arbeitern und Unternehmern auf dem Rücken der Verbraucher. Die Beschränkung des Handels galt ihm sogar als gefährlich. Er kassierte die Konzeption am 8. Juli. Wissell trat deshalb gemeinsam mit Moellendorff zurück.411 Bemerkenswert war, dass zwei ehemalige Gewerkschaftsführer aufeinander gestoßen waren. Die Gemeinwirtschaftskonzeption hatte am Ende vor allem die Sozialisierungsforderung konterkariert, die auf eine Enteignung mindestens der Zechenbesitzer hinausgelaufen wäre. Der Alte Verband hatte sie unter dem Druck seiner Mitglieder nur halbherzig mitgetragen.412 Angesichts fehlender Alternativen blieb die Arbeitsgemeinschaft die einzige Option jenseits der Rückkehr zur wirtschaftlichen Vorkriegsordnung. Wissell sollte bald auf der Arbeitnehmerbank der ZAG Platz nehmen. Der Wechsel zu Robert Schmidt als neuem Wirtschaftsminister stieß beim RDI keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Bestünden, so Sorge, gegen die „Planwirtschaft schwerwiegende Bedenken“, halte man andererseits eine „gebundene Wirtschaft“ für eine Übergangszeit für unvermeidlich. Legien wollte eine einschlägige Resolution des RDI mittragen, weil sie „nicht allzu viel besage“. Schmidt hatte zunächst kein festumrissenes Programm. Er wollte vor allem den Reichswirtschaftsrat nach Art. 165, Abs. 3 und 4 WRV rasch zum Leben erwecken.413 Bauer hatte als Reichsarbeitsminister im Mai 1919 – entsprechend dem „Kodifikationsauftrag“414 nach Art. 157, Abs. 2 WRV – sein Projekt eines einheitlichen Arbeitsrechts „mit dem Ziele der Schaffung demokratischkonstitutioneller Verhältnisse in den Betrieben“ vorgestellt. Sarkastisch sprach Legien von einem Unternehmen von „weltgeschichtlicher Bedeutung“. Er zog es vor, bestimmte Bereiche schon vorab gesetzlich zu regeln und später zu integrieren. Die RAG Chemie empörte sich im September über die Erwartung der Regierung, sie möge Sachverständige für den Arbeitsausschuss benennen, da dies doch Aufgabe der ZAG sei. Als diese sich an das Ministerium wandte, erteilte ihr der zuständige Beamte eine Abfuhr in bester obrigkeitsstaatlicher Manier. Verbände würden nicht einbezogen, ein Vertreter der ZAG sei mithin nicht „angängig“. Die ZAG
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beschwerte sich beim Reichsarbeitsminister, dass sich dessen Beamte offenbar der Bedeutung der ZAG nicht bewusst seien und die ihr gemachte Zusage einer Beteiligung an Gesetzesvorhaben als für sie nicht verbindlich ansähen. Die ZAG fühlte sich ausgeschlossen; aber das Projekt versandete ohnehin.415 Das Vorhaben eines Betriebsrätegesetzes war dagegen erfolgreich. In der ZAG kam es im Mai 1919 nur kurz zur Sprache; es wurde in anderen Foren verhandelt. Dabei zeigten sich erneut kleinere und mittlere Betriebe weit weniger kompromissbereit als die Großindustrie. Bosch erkannte schon früh den Vorteil der Betriebsräte und Schlichtungsausschüsse. Die Nationalversammlung beschloss das Gesetz im Januar 1920. Der GDM und der Bezirksverband Berlin forderten seine Mitglieder auf, bei der Umsetzung „unter keinen Umständen irgendwelche Zugeständnisse über die gesetzlichen Muß-Bestimmungen hinaus“ zu machen. Mit Strafzahlungen sollten jene Mitgliedsbetriebe belegt werden, die sich nicht daran hielten. Ähnlich reagierte der VdESI.416 In einer zentralen politischen Frage, dem Friedensvertrag, blieb die ZAG unentschieden. Die Siegermächte drohten bei einer Ablehnung des Versailler Vertrages mit der Besetzung des Ruhrgebietes. Fast resignativ glaubte Legien, dass man angesichts der Passivität der Arbeiter den Vertrag wohl annehmen müsse. Dagegen plädierten Hugenberg, Kraemer und Avellis für Ablehnung. Sie hofften, die Entente werde ihren Völkern die Fortsetzung des Krieges nicht zumuten. Friedrich Baltrusch, Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften, schloss sich der Auffassung der Unternehmer an. Am Ende akzeptierte auch Legien den von Reichert verfassten scharfen Entwurf einer Resolution gegen die „Vergewaltigung, Versklavung und schließlich Vernichtung des deutschen Volkes“.417 Die Nationalversammlung akzeptierte dagegen den oktroyierten Vertrag. Dass die ZAG „während der Novemberrevolution die gesamte Wirtschaft“ gelenkt habe,418 ist übertrieben. Richtig ist, dass sich mit Bildung einer demokratisch legitimierten Reichsregierung der Staat als Akteur zurückmeldete und sozialpolitisch an dem anknüpfte, was das Militär im Interesse der Kriegführung begonnen hatte.419 Die sozialdemokratischen Minister einer sozialdemokratisch geführten Koalitionsregierung vertraten Vorstellungen, die keineswegs mit denen der sozialdemokratischen Gewerkschaften deckungsgleich waren. Deren Präferenz, mit den industriellen Arbeitgebern im Rahmen einer Produzentengemeinschaft zusammenzuarbeiten, und zwar auf der Grundlage der freien Vereinbarung gegenüber der hergebrachten Fixierung auf Gesetzgeber und Regierung, war unverkennbar. Das Bestreben der Regierung, notfalls auf gesetzlichem Wege alle anderen Sektoren einzubinden, lehnten beide Partner ab. Besorgt re-
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agierten auch die Länder. In Baden und Sachsen fürchtete man, die ZAG vertrete vorwiegend preußische und Berliner Interessen. Das Reichswirtschaftsministerium forderte die Berücksichtigung regionaler Interessen. Frank, Kraemer und Raumer lehnten den Vorschlag Hoffs ab, Vertreter der Länder zur ZAG zuzulassen. Den RAGn war in ihren Augen die Aufgabe zugedacht, die Länderinteressen zu berücksichtigen.420 Kraemer mahnte vor diesem Hintergrund im Juli 1919, die Arbeitsgemeinschaft „müsse sich energischer betätigen“ und dürfe „das Kabinett nicht alles erledigen lassen“.421 Siemens beklagte in seinem bereits zitierten Schreiben die mangelnde Einsicht der Industriellen, aber auch des RDI in die Notwendigkeit der ZAG. Er warnte: „[…] das Interesse an der Arbeitsgemeinschaft schwindet, sodaß mir von Arbeitnehmerseite schon mehrmals gesagt worden ist, wenn dieser gute Gedanke der Arbeitsgemeinschaft zu Grunde geht und durch ein wahnsinniges Rätesystem ersetzt wird, so ist dies in erster Linie die Schuld der Arbeitgeber, die so wenig Verständnis für die Bedeutung dieser Frage haben.“422
Vögler hielt ebenfalls an der grundsätzlichen Anerkennung der Arbeiterbewegung fest, wie sie in der Arbeitsgemeinschaft zum Ausdruck komme. Die Schwerindustrie solle jetzt selbst „soziale Grundsätze“ aufstellen. Zugleich beklagte er „die unselige Verquickung des Sozialismus mit der Arbeiterbewegung“, der man weiter entgegentreten müsse.423 Dagegen fragte Prinz zu Löwenstein auf der Hauptversammlung des Zechenverbands als dessen Geschäftsführer im Juni 1919 ganz unverblümt, ob „der Gedanke der Arbeitsgemeinschaft überhaupt durchführbar“ sei. Die Regierung werde den „Mißbrauch“ der gegenwärtigen Lage durch die Gewerkschaftsführung begünstigen, die den Willen der Massen durchsetzen wolle. Gegenüber spontanen Zechenbesetzungen reagiere der Staat stets mit Zugeständnissen. Schon die kaiserlichen Regierungen hätten sich mit dem Hilfsdienst- und dem Vereinsgesetz „auf Kosten der vaterländisch gesinnten Arbeiterschaft“ auf „die schiefe Bahn der Konzessionen“ begeben. Am Ende habe die Sozialdemokratie die Front in einen „disziplinlosen Haufen“ verwandelt. Löwenstein betonte, „wie nahe wir am Siege waren, hätte die Revolution uns nicht ihren Dolch in den Rücken gestoßen“.424 Angesichts dieser Realitätsverweigerung hegten die Gewerkschaften berechtigte Zweifel an der Haltung der Bergwerksunternehmer. Freilich nahm auf der anderen Seite eine wachsende Minderheit der Arbeiterschaft die politische und wirtschaftliche Entwicklung mehr denn je durch die Brille des Klassenkampfs wahr.
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V. Die institutionalisierte Sozialpartnerschaft: die ZAG 1919–1922
4. Tarifverträge und Streiks Der Bergbau kam im gesamten Frühjahr 1919 nicht zur Ruhe. Der liberale Gewerkschafter Hartmann beklagte im Januar 1919 unerfüllbare Lohnforderungen im oberschlesischen Bergbau. Polnische und bolschewistische Gruppen versuchten die streikmüden Arbeiter aufzuwiegeln. Der oberschlesische Hüttenmanager Hilger berichtete wiederholt über den spontanen Rauswurf von Angestellten durch die Belegschaften; auch er selbst wurde vertrieben. In Mitteldeutschland zeichneten sich ähnliche Aktionen ab. Im Bundesausschuss der sozialistischen Gewerkschaften wurden Anfang Februar 1919 vergleichbare Vorfälle berichtet. Hilger warnte im April 1919 vor der „offenbaren Einflusslosigkeit der Gewerkschaften“, die die Arbeitsgemeinschaft gefährde.425 Die „Arbeitgeberzeitung“ forderte wieder den „Arbeitswilligenschutz“ und ein „Antistreikgesetz“. Sie zitierte Hartmann, der vor dem Hintergrund der Arbeitsgemeinschaft von einem „Streikunrecht“ gesprochen hatte.426 Ein Aufruf der ZAG an die Bergarbeiter wurde am 30. Januar verabschiedet, nachdem Legien gegen Reichert eine moderatere Fassung durchgesetzt hatte. Dieser hatte ein scharfes Vorgehen gegen „Unruhestifter“ gefordert. Der Aufruf appellierte vor allem an das Pflichtgefühl der Bergarbeiter. Der Alte Verband bezahlte seine auf die Arbeitsgemeinschaft orientierte Politik der Streikvermeidung mit deutlichen Mitgliederverlusten. Zahlreiche Bergarbeiter wandten sich den Syndikalisten zu, die jegliche Vereinbarung mit den Arbeitgebern einschließlich Tarifverträge ablehnten und durch grenzenlose Lohnforderungen die herrschaftsfreie Gesellschaft herzustellen beabsichtigten.427 Unter dem Druck der streikbereiten Arbeiterschaft akzeptierte der Zechenverband die 7,5-Stunden-Schicht einschließlich Seilfahrt für Untertagearbeiter und die Einrichtung von Betriebsräten.428 Im April 1919 fanden die Versuche, mit wilden Streiks die Sechsstundenschicht im Ruhrbergbau durchzusetzen, ihren Widerhall in der ZAG. Zwangsläufig erkannten die Arbeitgeber in dieser „Gewaltherrschaft“ eine Verletzung des Stinnes-Legien-Abkommens.429 Sie waren sich mit den Gewerkschaften uneins, ob dafür die Nachgiebigkeit der Grubenleitungen gegenüber den häufig gewaltsam auftretenden Teilen der Belegschaften oder umgekehrt die Nachgiebigkeit der Gewerkschaften gegenüber den Forderungen der Mitglieder verantwortlich war. Dabei signalisierten die Belegschaften öfter die Bereitschaft, länger zu arbeiten, wenn sie dafür Butter, Kartoffeln und andere Lebensmittel erhielten. Folgerichtig begann die Regierung Lebensmittel zu importieren, ohne damit eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung zu bewirken.430 Otto Schweitzer, Vertreter der sozialdemokratischen Angestellten, räumte ein, dass augenblicklich
4. Tarifverträge und Streiks189
Bolschewisten und Spartakisten die Gruben beherrschten. Er sah den Radikalismus als Folge der früheren Unterdrückung. Das bestritt Hilger, gab aber zu, dass es einst sogar zu körperlichen Misshandlungen gekommen sei. Selbst Gewerkschaftsvertreter forderten staatlichen Schutz für die an Leib und Leben bedrohten Manager vor Ort, eine strafbewehrte Friedenspflicht oder sogar staatliche Schiedsinstanzen. Am Ende einigte die ZAG sich auf einen Appell an das Reichswirtschaftsministerium.431 Die Bergarbeitergewerkschaften hatten die Forderung nach der 6-Stunden-Schicht aufgegriffen, um ihre Mitglieder wieder in den Griff zu bekommen. Der Zechenverband warnte die Grubenleitungen, der Forderung resignativ nachzugeben, und mahnte, unbedingt an der 7,5-Stunden-Schicht festzuhalten. Auch Reichsarbeitsminister Bauer war überzeugt, die Arbeiter erst recht an die Kommunisten zu verlieren, wenn man der Forderung nach sechsstündiger Arbeitszeit pro Tag nachgebe. Nachdem sich Bauer, der Reichskohlenkommissar und der Vertreter des Generalkommandos in Münster ohne die Tarifparteien auf die 7-Stunden-Schicht für die Untertagearbeiter geeinigt hatten, gab der Zechenverband auf und willigte ein. Die Zusage der Gewerkschaften, weitere Arbeitszeitverkürzungen von internationalen Vereinbarungen abhängig zu machen, erwies sich angesichts ihres schwindenden Einflusses auf die Mitglieder als ungedeckter Scheck.432 Die Arbeitsgemeinschaft spielte hier keine Rolle. Im Gegenteil zeichnete sich im Bergbau eine „sukzessive Überformung und Substitution der gesellschaftskorporatistischen Kooperationsstrukturen durch staatliche Regelungen und Garantien“ ab433 – kein gutes Omen für die Tarifautonomie und die ZAG. In der lokalen Arbeitsgemeinschaft in Witten scheuten sich Vertreter des DMV offenbar nicht, ihren Kontrahenten einen Tarifvertrag zu ihren Bedingungen aufzunötigen. Hoff beklagte die Neigung der Arbeiterschaft, „ohne Rücksicht auf die bestehenden Arbeitsgemeinschaften Zugeständnisse durch Anwendung von Gewaltmitteln zu erzwingen“.434 Ruhiger als an Rhein und Ruhr ging es im benachbarten Siegerland zu, wo sich verschiedene Metallunternehmen mit der Forderung konfrontiert sahen, eine einheitliche Schicht von sechs bis halb drei Uhr einzuführen. Im Rahmen der örtlichen Arbeitsgemeinschaft erzielten die christlichen und liberalen Gewerkschaften einen Kompromiss. Danach akzeptierten die Arbeitgeber die Forderung, setzten jedoch Ausnahmen von der Regel durch. Gleichzeitig versuchten die Arbeitgeber immer noch, reguläre Tarifverträge zu vermeiden. Die Gewerkschaften drohten mit Streik, und auch die Angestellten forderten jetzt einen Tarifvertrag. Dieser wurde am 6. Juni 1919 auch zugestanden. Es war eine „Zäsur in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ für diese wie für andere ländliche Regionen. Der regionale
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Metallarbeitgeberverband erfuhr damit eine Aufwertung gegenüber seinen Mitgliedern. Denn diese bedurften jetzt mehr denn je seiner Unterstützung, um Gewerkschaften und Behörden Paroli bieten zu können. Der Siegerländer Verband setzte die Vorgaben der ZAG loyal um und wahrte zugleich Distanz zu den Gewerkschaften.435 Im GDM gerieten die vereinbarten paritätischen Arbeitsnachweise schon 1919 in die Kritik. Freilich müsse man, so lautete das Resümee, jetzt mit diesen leben.436 Aber auch hier sollte sich bald der Staat einschalten. Nach einem ersten Entwurf 1919 wurde schließlich durch Gesetz 1922 in Grundzügen der heute bekannte Instanzenzug der Arbeitsvermittlung mit paritätischen Beisitzern unter behördlichem Vorsitz geschaffen. Tarifvertraglich vereinbarte wie private Vermittlungsstellen wurden nach Übergangsfristen aufgehoben – in den Augen der Arbeitgeber eine Zwangsmaßnahme.437 Entscheidend waren zunächst die Tarifverträge, an die sich viele Arbeitgeber noch gewöhnen mussten. Aspekte, die das gesamte Gewerbe betrafen, wollte der GDM durch reichsweite Mantelverträge, Löhne dagegen auf Bezirksebene regeln.438 Für die traditionell besonders heiklen Gießereien war bereits im Sommer 1919 ein Rahmenabkommen geschlossen worden.439 Angesichts zunehmender Teuerung bevorzugte die GDM-Führung mittlerweile soziale statt reiner Leistungslöhne, was wiederum der DMV ablehnte. Angesichts erheblicher Lohnsteigerungen in Westdeutschland wurde davor gewarnt, den Forderungen der Gewerkschaften „hemmungslos“ nachzugeben. Der GDM-Vorsitzende Rieppel betonte vor dem Hintergrund der Kritik am Stinnes-Legien-Abkommen im GDM im Februar 1920 nach einem – gegenüber der geglätteten Niederschrift aussagekräftigeren – Gedächtnisprotokoll des MAN-Syndikus Guggenheimer:440 „Es sei richtig, dass wir einen zu raschen Wechsel vorgenommen hätten, früher Tarifvertrag ausgeschlossen. Jetzt durchweg angenommen, aber es sei schon früher immer darüber verhandelt worden, ob nicht der Tarifvertrag in der Metallindustrie möglich. […] Es sei während des Krieges notwendig gewesen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzuführen. Dagegen hätten sich die Arbeitgeber gewehrt, sie hätten erklärt, dass man sich mit den Arbeitnehmern nicht auf eine Bank setze. Er [Rieppel] habe sich grosse Mühe um Zusammenführung gegeben. Im November 18 sei das Abkommen getroffen worden, das vorläufige Abkommen sei schon früher getroffen worden. Im November sei es zu spät gewesen. Jetzt sei die Einigung unbedingt nötig. Der frühere Fehler solle nicht wiederholt werden. Er glaube, dass ein grosser Wandel erforderlich sei und dass ein eingehendes Studium nötig. Die Frage des Lohnes und der Lebenshaltung werde getrennt werden müssen.“
Die vom GDM diskutierte Frage des an einem Lebenshaltungskostenindex orientierten Lohns oder Lohnanteils sollte auch in der ZAG für De-
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batten sorgen. Nicht nur die Ermahnung Rieppels, auch die Intervention von Franz Hilbig, Vertreter des Bezirks Ost- und Westpreußen, belegte den anhaltenden Widerstand gegen die ZAG in den eigenen Reihen. „Die Tarifverträge sind widerwillig von der Metallindustrie aufgenommen worden“, so Hilbig. Der Verband für Ost- und Westpreußen lehne Tarifverträge überhaupt ab und werde sich nicht an zentrale Richtlinien halten. Den Beschluss der ZAG werde man ignorieren: „Die Zentralarbeitsgemeinschaft habe überhaupt nichts zu sagen.“ Die loyale Umsetzung der Vorgaben der ZAG war also nicht überall die Regel.441 Der GDM passte seine „Allgemeinen Vorschriften“ mit Beschluss des Ausschusses vom 29. Juni 1920 an die mit der Arbeitsgemeinschaft eingetretene Lage an.442 Die Liste der abzulehnenden Arbeitnehmerforderungen war geschrumpft. Die Akkordarbeit sollte weiter verteidigt, Verkürzungen der Arbeitszeit abgelehnt und die Bezahlung nicht geleisteter Arbeitszeit aus Anlass politischer und gewerkschaftlicher Kundgebungen weiter verweigert werden. Auch über die Einstellung und Entlassung von Personal wollte man sich von den Belegschaften weiterhin nicht hineinreden lassen. Dagegen durfte der einzelne Arbeitgeber mit der Belegschaftsvertretung verhandeln. Sofern Gewerkschaftssekretäre hinzugezogen wurden, sollte dies im Gegenzug auch für Vertreter des Arbeitgeberverbandes gelten. Mit den Gewerkschaften sollte der einzelne Arbeitgeber nur unter Mitwirkung des Bezirksverbandes verhandeln. Die Gesamtaussperrung wurde jetzt sehr detailliert geregelt. Insbesondere wurde die Mitwirkung des Vorstands gestärkt. Der erweiterte Vorstand hatte jetzt das Recht, mit Dreiviertelmehrheit auch ohne vorangegangene Maßnahmen eine Aussperrung für den gesamten GDM zu verhängen. Auch die Chemieindustrie hatte früher Tarifverträge abgelehnt. Seit Dezember 1918 ging der Aufbau einer eigenen Arbeitgebervereinigung Hand in Hand mit dem Abschluss von Tarifverträgen und der Vorbereitung der RAG Chemie. Die Spitzen der Chemieindustrie begrüßten jetzt ausdrücklich die Mitgliedschaft ihrer Arbeiter in den Gewerkschaften, von denen sie einen disziplinierenden Einfluss erwarteten. Der (sozialdemokratische) Fabrikarbeiterverband seinerseits lobte den Sinneswandel der Chemieindustriellen, den er nicht zuletzt auf die partielle Zusammenarbeit während des Krieges zurückführte. Hier gelang es den Kontrahenten, einen reichsweiten Tarifvertrag abzuschließen. Dieser räumte den Arbeitgebern eine hohe Flexibilität nicht nur in der Wochenarbeitszeit ein und beinhaltete ein ausgefeiltes Schlichtungsverfahren. Die Wochenarbeitszeit konnte zwischen 48 und 56 Stunden schwanken. Die Arbeitnehmervertreter der Chemieindustrie hatten viele Argumente der Arbeitgeber akzeptiert.443 Nur in einzelnen Branchen konnten die Gewerkschaften solche,
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bei Arbeitgebern wenig geschätzten Reichstarifverträge durchsetzen. Dem GDM gelang es, diese auf bestimmte Rahmenvereinbarungen – etwa das Gießerei-Abkommen vom August 1919 – zu beschränken. Insgesamt wurden bis Ende 1920 in der gesamten Industrie Tarifverträge geschlossen, die in der Masse aus der Verständigung der Tarifparteien hervorgingen.444 Gleichzeitig konstatierte Meissinger von der VDA eine „Bewegung gegen die Tarifverträge“. Mit aller Macht müsse daher gegen „Auswüchse“ vorgegangen werden.445 Die Achillesferse blieb freilich der Bergbau. Wie Bergbaumanager Winkhaus in den Verhandlungen mit den Bergarbeitergewerkschaften, stellte auch Stinnes im Juli 1919 in der ZAG fest, die Kohlenförderung sei von 340.000 Tonnen im Krieg auf 220.000 Tonnen gefallen. Sie sei damit dramatisch weit von der Friedensproduktion von 360.000 bis 380.000 Tonnen entfernt. Daher müsse der Bergbau stets die höchsten Löhne zahlen und die Bergarbeiter die beste Versorgung mit Nahrungsmitteln und Textilien erhalten. Obendrein sollten an Rhein und Ruhr 100.000 Bergarbeiterwohnungen gebaut werden. Um das zu finanzieren, sollte der Kohlepreis um zehn Prozent erhöht werden. Nur so seien die notwendigen Arbeitskräfte für den Bergbau zu gewinnen und Streiks zu vermeiden. Das war nicht weniger als die Fortsetzung des Inflationskonsenses der Kriegszeit, die der Vorsitzende der Nordwestlichen Gruppe, Beukenberg, und andere wegen der zwangsläufigen Geldentwertung eher kritisch sahen. Eine paritätische Kommission sollte Vorschläge der ZAG ausarbeiten. Sie unterbreitete der Regierung später einen Vorschlag.446 Cohen, Heinrich Löffler, Sekretär des Alten Verbandes, und Neustedt von den liberalen Gewerkschaften stimmten Stinnes ausdrücklich zu. Sie räumten ein, dass radikale Strömungen der Arbeiterschaft den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu verhindern trachteten. Freilich wurde das Bergmann-Heimstättengesetz nur schleppend umgesetzt. Unterdessen verhandelte der Zechenverband mit den Bergarbeitergewerkschaften wieder über die Sechsstundenschicht, da selbst christliche und liberale Gewerkschafter die Forderung unterstützten. Das Reichsarbeitsministerium wollte sie nur auf der Grundlage einer internationalen Vereinbarung akzeptieren. Anfang Dezember 1919 drohte erneut die Stilllegung ganzer Wirtschaftsbereiche, da die Eisenbahn nicht einmal die vorhandene Kohle zu transportieren vermochte. Folgerichtig gelang es dem Vorsitzenden des Alten Verbandes, Sachse, und Löffler auch nicht, die eigenen Mitglieder von der Forderung nach der 6-Stunden-Schicht abzubringen. Die RAG Bergbau, so Cohen kurz vor Weihnachten, sollte es nun richten. Tatsächlich schlossen Zechen und Gewerkschaften in der RAG ein Abkommen, das eine Überschicht pro Woche zum doppelten Lohn ermöglichte. Wieder signalisierten die Bergleute ihre Bereitschaft, für zusätzliche Konsumgüter auch mehr zu arbei-
5. Konsolidierung gewerkschaftlicher Opposition gegen die ZAG193
ten. Das Abkommen wurde in den folgenden Jahren immer wieder erneuert, und auch ein Manteltarifvertrag kam zustande. Gleichwohl blieb die Konsumgüterversorgung selbst für Bergleute schlecht, von Hilfsarbeitern, Kurzarbeitern, Arbeitslosen, gar Nichterwerbsfähigen, Behinderten und anderen ganz zu schweigen.447 Der Inflationskonsens erwies sich einmal mehr als kleinster gemeinsamer Nenner. In diesem Sinne billigte die ZAG auch die Erhöhung der 1917 eingeführten Kohlesteuer. Im März 1920 kritisierten Stinnes und Kraemer, aber auch Bergarbeiterchef Sachse die Eisenbahnverwaltung als „komplett unfähig“. In einer öffentlichen Stellungnahme an den Reichskanzler wollte man der Eisenbahn Dampf machen.448 Friedrich Husemann, stellvertretender Vorsitzender der Bergarbeitergewerkschaft, beklagte im August 1920, dass die vereinbarten Überschichten angesichts der anhaltend schlechten Ernährungslage, der Agitation für die 6-Stunden-Schicht und der ausbleibenden Sozialisierung nur schwer durchzusetzen seien.449 Der sozialdemokratische Reichskohlenkommissar hatte sich nicht gescheut, „Rädelsführer“ mit Sanktionen zu bedrohen, wenn sie gegen die von ihm angeordneten Überschichten agitierten.450 Seit 1921 verhandelte die RAG Bergbau unter fortwährender Einbindung der Regierung über eine zentrale Tarifregelung für die Kohlenzechen, die der Braunkohlenindustrielle Silverberg zu vermeiden suchte. Die Minister Brauns und Schmidt warnten vor erneuten Streiks und Sozialisierungsforderungen. Die Zechen hielten an Kohlepreiserhöhungen als unbedingte Voraussetzung höherer Löhne fest.451 Immerhin wurde auch 1922 unter Mitwirkung des Reichsarbeitsministers noch einmal ein Überschichtenabkommen geschlossen.452 Der Staat sah sich fortlaufend dazu aufgerufen, die Arbeitsbeziehungen dieser Schlüsselbranche zu moderieren. Folgerichtig stand der Bergbau fortan kaum mehr auf der Tagesordnung der ZAG.
5. Konsolidierung im Zeichen wachsender gewerkschaftlicher Opposition gegen die ZAG Anders als Legien glauben machen wollte, war die Ablehnung der Arbeitsgemeinschaft in der Arbeiterschaft mitnichten eine unbedeutende Randerscheinung. Siemens beklagte im Juni 1919,453 die Gewerkschaften seien „hier in Berlin ganz in unabhängige Hände übergegangen. Sämtliche Gewerkschaftsbeamten, auch die, die 20 Jahre und länger tätig waren und sich nicht zur Unabhängigen Partei [USPD] bekannten, sind Knall auf Fall herausgeschmissen worden. Es werden außerordentlich große Erhöhungen der Lohnsätze verlangt.“
Zu den geltenden Tarifsätzen wolle niemand mehr arbeiten. Bei einer Vorkonferenz des DMV im Juni 1919 stieß der stellvertretende Vorsit-
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zende Reichel mit seinem Versuch, die Kriegspolitik des Verbands zu rechtfertigen, auf heftige Kritik von Richard Müller, der führenden Figur der Berliner Metallarbeiter. In dessen Augen sicherte die Arbeitsgemeinschaft nur den Einfluss der Unternehmer. Die Führung des DMV bekam den wachsenden Verschleiß zu spüren, dem sie sich als Ordnungsmacht einerseits und als Adressat der Erwartungen einer Mitgliedschaft ausgesetzt sah, die sich nicht nur drastisch vermehrte, sondern auch immer heterogener geworden war. Kaum besser lief es für Leipart im Holzarbeiterverband. Auch hier wurde die einstige Burgfriedenspolitik des Verbandes hart kritisiert. Da Leipart nur mit 115 von 156 Stimmen im Vorsitz bestätigt wurde, gab er diesen auf. Er ging als Arbeitsminister in die württembergische Landesregierung, um nach dem Tod Legiens am 26. Dezember 1920 den Vorsitz im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) zu übernehmen und damit auch in die ZAG zurückzukehren. Im Gegensatz dazu konnte sich die Führung des Alten Verbandes gegen die innergewerkschaftliche Opposition mit deutlicher Mehrheit durchsetzen. Ihre Hochburg hatten die Gegner der Generalkommission und ihrer Politik jedoch im DMV. Von hier gingen alle kritischen Anträge gegen die Generalkommission aus, die auf dem Kongress der Freien Gewerkschaften vom 30. Juni bis 5. Juli 1919 zu verhandeln waren. Der Kongress vollzog die Namensänderung zum „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund“ und kündigte das ‚Mannheimer Abkommen‘ mit dem SPD-Parteivorstand. Bei mittlerweile drei Arbeiterparteien (SPD, USPD und Kommunistischer Partei Deutschlands) war die Erklärung politischer Neutralität zwangsläufig, wollte man nicht die Spaltung riskieren. Robert Dißmann vom DMV, Mitglied der USPD seit deren Gründung 1917, unterzog den Rechenschaftsbericht der Generalkommission einer scharfen Generalkritik. Wieder ging es vornehmlich um die Kriegspolitik. Aber wer diese kritisierte, lehnte in aller Regel auch die Arbeitsgemeinschaft als Fortsetzung derselben ab. Cohen rechtfertigte die Arbeitsgemeinschaft als notwendige Übergangsmaßnahme bis zur Sozialisierung. Selbst Richard Müller habe ja eingeräumt, dass diese nicht von heute auf morgen durchgeführt werden könne. Die Gewerkschaften müssten zunächst den Nachweis erbringen, dass sich ihr Personal der schon jetzt erheblich gewachsenen Verantwortung würdig erweise, bevor sie noch größere Aufgaben übernähmen. Man komme „vorläufig ohne die Mitwirkung der Unternehmer nicht aus“. Der Redakteur Umbreit begründete in einem Referat, dass das alte Ziel aller Sozialisten nur unter drei Voraussetzungen in Angriff genommen werden könne: Friedensschluss, Demokratie und wirtschaftlicher Wiederaufbau gemeinsam mit den Unternehmern im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft.
5. Konsolidierung gewerkschaftlicher Opposition gegen die ZAG195
Die Sozialisierung könne nur auf parlamentarischem Wege erfolgen. Umbreit erwartete eine gemischtwirtschaftliche, dabei aber unbürokratische Ordnung mit wachsendem Staatseinfluss und umfassender Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Die bestehenden RAGn sollten zu Selbstverwaltungsgremien der betreffenden Branchen mutieren. Kaum anders argumentierte Hilferding. Er trat für die schrittweise Sozialisierung gegen Entschädigungen ein, die ja auch die Verfassung vorsah. Er kritisierte jedoch, dass die Regierung nicht bereits im Winter 1918 / 19 den Bergbau sozialisiert habe, und lehnte die Gemeinwirtschaftskonzeption von Wissell und Moellendorff als Übertragung des Modells der Arbeitsgemeinschaft auf die Wirtschaftsordnung ab. Die Kritiker der Arbeitsgemeinschaft forderten die sofortige Einführung des Rätesystems und einer Planwirtschaft. Sie gaben sich überzeugt, dass die kaufmännischen und technischen Angestellten unter Mitwirkung der Belegschaften problemlos die Unternehmerfunktion würden übernehmen können. Dagegen lehnte man die Zusammenarbeit mit nicht-sozialistischen Gewerkschaften in paritätischen Gremien ab. Genau das war in der Arbeitsgemeinschaft jedoch die Regel. Am Ende billigten die Delegierten mit 420 gegen 181 Stimmen, unter diesen diejenigen von Müller und Dißmann, die Arbeitsgemeinschaft. Die Hoffnungen der unterlegenen Gegner der Arbeitsgemeinschaft richteten sich jetzt auf den Verbandstag des DMV im Oktober 1919. Wahlerfolge der USPD in Berlin und München zu Lasten der Mehrheitssozialdemokratie gingen der Tagung zeitlich voraus. Der Vorstandsvorsitzende Schlicke trat gleich zu Beginn aus dem Vorstand aus. Die Delegierten wählten Dißmann an seiner Stelle und billigten mehrheitlich dessen Absage an die Arbeitsgemeinschaft. Reichel blieb Zweiter Vorsitzender, obwohl er die bisherige Politik der Verbandsführung verteidigt hatte. Die Delegierten waren weder bereit, sich in gewohnter Weise der Autorität der Verbandsspitze zu beugen, noch waren sie willens, diese vollständig abzulösen. Jedenfalls schied die mit 1,6 Millionen Mitgliedern stärkste sozialistische Einzelgewerkschaft aus der Arbeitsgemeinschaft aus. Die am 2. Juni 1919 unter begeisterter Mitwirkung von Reichel gegründete Arbeitsgemeinschaft für die deutsche Eisen- und Metallindustrie überlebte. Der GDM führte sie mit den christlichen und liberalen Gewerkschaften weiter. 1921 gründete sich innerhalb der RAG noch eine Arbeitsgemeinschaft des Maschinenbaus.454 DeutschLux-Generaldirektor Vögler reagierte zunächst alarmiert: „Der Beschluss des Metallarbeiterverbandes ist von einer ungeheuren Tragweite. Wenn diese wichtigste Gruppe austritt, fällt die ganze Arbeitsgemeinschaft zusammen. Die Folgen sind gar nicht auszudenken. Wir würden uns mit Riesenschritten russischen Verhältnissen nähern. Denn ein Paktieren mit den Radikalen ist […] ganz ausgeschlossen.“
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Er wollte bei der nächsten Vorstandssitzung eine klare Stellungnahme der Gewerkschaften verlangen, ob sie an der ZAG festhalten wollten. Er glaubte sogar, Legien sei „umgefallen“ und suche die „Einigung mit den Radikalen“. In diesem Fall müsse man direkt mit dem DMV Kontakt aufnehmen.455 Zwischenzeitlich verlor der Berliner DMV-Bezirk im Herbst 1919 die „Machtprobe“ mit den Arbeitgebern, trotz 160.000 streikender Metallarbeiter.456 Elektroverbandschef Raumer reagierte gelassen. Da „gerade die Arbeitnehmer auf einen baldigen Termin drängten“, an dem der Zentralausschuss sich konstituieren sollte, betrachtete er die Entscheidung des DMV als revolutionstypische „Episode“. Allerdings „müssen wir unter allen Umständen bis zum letzten Ende an der Arbeitsgemeinschaft festhalten, da sie allein uns die Parität im öffentlichen Leben garantiert und weil eine Kündigung unsererseits zu einem Zusammenschluss der gemässigten und der radikalen Arbeiterschaft führen müsste. Im übrigen bin ich nach wie vor der Ueberzeugung, dass die Vernunft in den Kreisen der Arbeiter zunimmt und dass, wenn wir die in revolutionären Zeiten für alle politischen Erfolge erforderliche Kunst des Wartens besitzen, die Arbeitsgemeinschaft binnen Jahresfrist die Macht wird, die wir von ihr hoffen. Die Wahlen in Oberschlesien haben gezeigt, dass nicht nur die Mehrheitssozialisten ungeheuer an Stimmen verlieren, sondern dass auch die Summe der sozialistischen Parteien ein starkes Zurückströmen in das bürgerliche Lager zeigen [sic]. Diese Rückströmung wird von Monat zu Monat sich steigern. Mag die Rückströmung auch noch so stark sein, so kann m.[eines] Er.[messens] auch in einem vernünftig gewordenen Deutschland Politik nur noch gemacht werden unter Zuziehung der Gewerkschaften. Denn die Gewerkschaften in der Opposition bedeuten die dauernde Bedrohung mit dem Generalstreik.“457
Raumer schickte Vögler eine Abschrift seines Schreibens. Dieser spekulierte noch über eine Beschränkung künftiger Verhandlungen auf die Betriebsräte,458 änderte jedoch seine anfängliche Einschätzung. In seinen Augen lief die Kündigung des DMV jetzt auf die „Stärkung der Arbeitsgemeinschaft“ hinaus. Sie habe sich damit von der „rein sozialistischen Politik frei gemacht“.459 Auf völligen Konfrontationskurs ging der DMV tatsächlich nicht. Neben den beiden anderen Gewerkschaften vereinbarte er mit dem GDM am 1. Juli 1920 eine Arbeitsordnung für die Metallindustrie. Mit dem Versuch, Richtlinien zu Einstellung und Entlassung zu vereinbaren, biss der DMV beim GDM aber auf Granit.460 Geschäftsführer Reichert lobte vor der Mitgliederversammlung des VdESI im Dezember 1919 zwar die Arbeitsgemeinschaft, die einen Teil des Rätegedankens aufgenommen habe. Zugleich erinnerte er an die gewerkschaftskritische Denkschrift des VdESI von 1917. Sie schien ihm jetzt, „als ob sie gerade für die heutigen Verhältnisse geschrieben“ sei. Kaum überraschend folgten
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die Klage über den Achtstundentag und die Forderung, die staatliche Kontrolle von Preisen und Löhnen zu beseitigen. Die Ausfuhr sollte dagegen weiter der Kontrolle unterliegen.461 Gegen „die schwersten Bedenken“ der sächsischen Gruppe war die RAG Eisen und Metall im Juni / Juli 1919 gegründet worden. Die erste Ausschusssitzung kam auch erst am 12. März 1920 zustande. Die RAG, so klagte der Vorsitzende der Berliner Metallindustriellen, Borsig, bleibe aufgrund der Entscheidung des DMV ein „Torso“. Denn nur die kleinen christlichen und liberalen Gewerkschaften vertraten die Arbeitnehmerschaft. Reichert beschwor die vereinzelten paritätischen Gremien der Kriegszeit, die freilich nicht zuletzt er und der VdESI vehement bekämpft hatten. Geschickt rührte Reichert an das Trauma vieler Gewerkschaftsführer, indem er Richard Müller vorwarf, er wolle ein Rätesystem nach russischem Vorbild einführen und habe deshalb die Abwendung des DMV von der Arbeitsgemeinschaft betrieben. Tatsächlich wussten die meisten Metallgewerkschafter mit Müllers Räteideen wenig anzufangen. Reichert markierte erneut das Ziel, den Achtstundentag zu überwinden. Darin kam ihm der Vorsitzende der christlichen Metallgewerkschafter, Wieber, entgegen, der in der schematischen Anwendung des Achtstundentags ein „nationales Unglück“ sah. Er bedauerte jedoch im selben Atemzug, dass ein Teil der Arbeitgeber „noch abseits steht“, d. h. die Arbeitsgemeinschaft ablehne. Denn die Christlichen hätten seit jeher das gemeinsame Interesse der Arbeiter und Arbeitgeber betont. Angesichts vieler gemeinsamer Aufgaben wollte Wieber Streiks ebenso vermieden wissen wie Aussperrungen. Er appellierte an die Schwerindustrie, die derzeit wenig Freunde habe, sich künftig mit der Arbeiterschaft gut zu stellen. Der flächendeckenden Verstaatlichung erteilte er eine klare Absage. Selbst der „solidarische Ausgleich“ zwischen Schwer- und verarbeitender Industrie solle in der Arbeitsgemeinschaft gesucht werden.462 Wie die Bemühungen des VdESI und des Vereins der Deutschen Maschinenbauanstalten zeigten, hatte sich an den gegensätzlichen Interessen zwischen Grundstoff- und metallverarbeitender Industrie wenig geändert. Im Gegenteil verschärfte der Preisauftrieb das Problem sogar noch.463 Zumindest Raumer verband mit der Arbeitsgemeinschaft also über die Abwehr akuter linksradikaler Bestrebungen hinaus die strategische Absicht, die Gewerkschaften nachhaltig in die bürgerliche Gesellschaft und den demokratischen Staat einzubinden. Raumer vertrat damit eine ähnliche Position wie Siemens, der anlässlich der Beratung des Betriebsrätegesetzes kritisierte, er habe sich beteiligt, während „die Herren Arbeitgeber durch Abwesenheit glänzten“. Auch wenn eine „Verständigung mit den Kommunistenführern“ nicht zu erwarten stünde, sei es
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„[…] notwendig, daß die Industrie mehr Interesse zeigt und sich an solchen Verhandlungen beteiligt. Die Industrie ist nur immer noch nicht zu der Erkenntnis aufgewacht, daß die Verhältnisse sich geändert haben und daß wir nicht mehr in dem alten Obrigkeitsstaat leben, in dem die Regierung schließlich doch dafür sorgen wird, daß kein zu großer Blödsinn aus der Gesetzgebungsmaschine herauskommt. Wir werden rege Agitation unter den Abgeordneten entfalten müssen, damit die größten Schäden des Gesetzes und vor allen Dingen die weitgehenden Forderungen der Kommunisten abgewendet werden.“464
Am 12. Dezember 1919 fand unter Beteiligung der Reichsregierung, vertreten durch die Minister Schmidt (Wirtschaft), Otto Geßler (Wiederaufbau) und Stegerwald (Volkswohlfahrt), sowie der Vertreter verschiedener Bundesstaaten die konstituierende und am Ende einzige Sitzung des Zentralausschusses statt.465 Leipart war als württembergischer Arbeitsminister zugegen. Legien konnte nach den Gewerkschaftstagungen über die Kritik aus den eigenen Reihen an der Arbeitsgemeinschaft nicht mehr hinweggehen. Er gab den Arbeitgeberverbänden die Schuld, dass die Arbeitsgemeinschaft viel zu spät vereinbart worden sei, um der „ausschlaggebende wirtschaftliche Faktor“ zu werden. Zu spät habe der Aufbau der Organisation der Arbeitsgemeinschaft eingesetzt, zumal es den Arbeitgebern an einem der Generalkommission vergleichbaren Spitzengremium gefehlt habe. Tatsächlich verzeichnete das Protokoll die RAG der Glas-, Leder- und Bekleidungsindustrie noch als „in Bildung begriffen“. Niederlage und Revolution, so Legien, hätten die Arbeiterschaft einem Wechselbad aus Hoffnungslosigkeit und Euphorie ausgesetzt. Beides habe die Skepsis gegen die Arbeitsgemeinschaft und die Illusion einer Sozialisierung der Industrie in kürzester Zeit genährt. Löffler beklagte für die Bergarbeitergewerkschaft die Antipathie des sozialdemokratischen „Vorwärts“ gegen die Arbeitsgemeinschaft. Arbeitgeber und -nehmer hätten bei allen Gegensätzen eben auch gemeinsame Interessen. Der Vorwurf, diese Zusammenarbeit führe zu Preissteigerungen, galt ihm als „Unsinn“. Dagegen kritisierte Wilhelm Beckmann, Vertreter der Angestellten, dass die Regierung sich nicht um die Inflation kümmere. Er verband seine Forderung nach freier Marktwirtschaft mit der eines Indexlohnes. Dass die Angestellten häufig noch radikaler aufträten als die Arbeiter, erklärte er mit der Weigerung vieler Arbeitgeber, auch mit den Angestellten zu verhandeln. Der Papierindustrielle Kraemer sah in der Bewältigung der Kohlennot und der angemessenen Vertretung der ZAG im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat deren vorrangige Aufgaben. Vögler und Raumer teilten die Kritik, dass die Produzenten gegenüber den Verbrauchern benachteiligt seien. Einstimmig forderte die ZAG mehr als die vorgesehenen 28 Delegierten. Die Kohlennot lähmte die gesamte Volkswirtschaft und nicht zu-
5. Konsolidierung gewerkschaftlicher Opposition gegen die ZAG199
letzt die Produktion von Düngemitteln für die Lebensmittelproduktion. Inwieweit die Bergarbeiter dafür verantwortlich waren, blieb umstritten. Der christliche Gewerkschafter Wieber äußerte – im Einklang mit der „Arbeitgeberzeitung“466 – in diesem Zusammenhang erneut verhaltene Zweifel am Achtstundentag. Der Außenhandel stellte ein weiteres zentrales Problem dar. Aufgrund des Kursverfalls der Mark drohte eine Verschleuderung deutscher Exportprodukte. Gleichzeitig war der Erwerb von Devisen zur Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen erforderlich. Die Selbstverwaltungsorgane sollten künftig den Außenhandel kontrollieren. Statt der von der Regierung überlegten Ausfuhrzölle sollte eine Ausfuhrabgabe erhoben werden, die zur Aufbesserung der Sozialrenten zu verwenden sei. Über die zur Verabschiedung anstehende Satzung berichtete Hoff vom RDI, dessen Ausführungen später separat im Druck erschienen.467 Er räumte ein, dass sich die Arbeitgeber einer Arbeitsgemeinschaft lange verweigert hätten. Gleichwohl habe sich nicht zuletzt die Elektroindustrie relativ früh für sie eingesetzt. Raumer sei einer der „Gründer der Arbeitsgemeinschaft“. Freilich sei für die Gewerkschaften, wie Legien selbst betone, die Arbeitsgemeinschaft die Fortsetzung der Tarifvertragspolitik. Dagegen hätten die Großindustriellen lange Zeit keine Veranlassung gesehen, auf ihre Machtstellung zu verzichten. Im gleichen Atemzug wies Hoff die Behauptung, die Großindustrie sei erst unter dem Druck der Revolution die Arbeitsgemeinschaft eingegangen, um die Arbeiterschaft um die Vollsozialisierung zu betrügen, als „Fälschung“ der linken Propaganda zurück. Im Übrigen unterschätzten die zentralistisch aufgebauten Gewerkschaften das Problem, das Stinnes-Legien-Abkommen in den vergleichsweise spezialisierten und dezentralisierten Arbeitgeberverbänden umzusetzen. Hoff variierte dieses Thema später in einem sarkastischen Schreiben an Cohen:468 „Wir im Arbeitgeber-Lager leben im Zustande der Demokratie d. h. in einem Zustande, in dem so ziemlich jeder gefragt und gehört sein will. Sie [die Gewerkschaftsführer] dagegen erfreuen sich auch heute noch eines recht autokratischen Regiments, um das ich Sie persönlich nicht nur unter dem Gesichtspunkte beschleunigter Geschäftsführung von Herzen beneide. […] so setzen sich die Herren vom Gewerkschaftsbund, die größtenteils in Berlin anwesend sind, um einen Tisch und dann heißt es einfach: Du machst dies und Du machst das, und […] fertig ist die Laube. Bei uns dagegen geht es – leider, leider – etwas anders her. Da muss erst mal das Präsidium des Reichsverbandes schlüssig werden. Das kann aber nicht ad hoc geschehen […]. Dann wird die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befragt […]. Gewöhnlich ergeben sich Meinungsverschiedenheiten, die in weiteren Verhandlungen beglichen werden müssen.“
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Hoff übersah geflissentlich sowohl die linke Opposition in den sozialistischen Gewerkschaften als auch die Konkurrenz der Gewerkschaftsrichtungen untereinander. Die Nöte der Verbandsgeschäftsführer hatte er jedoch auf den Punkt gebracht. Genau deshalb hatten die industriellen Protagonisten des Stinnes-Legien-Abkommens die zentralen Verbände seinerzeit umgangen. Immerhin wuchs mit den Verbänden und deren Aufgaben auch die Bedeutung ihrer Geschäftsführer, da die Vorstände der Arbeitgeber- und Unternehmerverbände oft Unternehmer waren, die eigene Betriebe zu führen hatten.469 Zwar sei der Achtstundentag, so Hoff weiter in seinen Ausführungen vor dem Zentralausschuss, „Hauptpunkt des Abkommens“, seine dauerhafte Einführung jedoch an die Internationalisierung geknüpft. Die „Leitung der Produktion und die Verwertung der Produkte“ wies er der Alleinverantwortung der Betriebsleitungen zu. Darüber hinaus sollte „in Zukunft nichts ohne uns, und das, wofür die Selbstverwaltung der Beteiligten geeignet ist, durch uns“ geschehen. In der Sitzung des Zentralausschusses relativierte Hoff jedoch den Grundsatz der „gemeinsamen Lösung aller die Industrie und das Gewerbe Deutschlands berührenden wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen“ nach § 1 der Satzung. Dieses Ziel sei „ein derart hohes, daß es nur selten erreicht werden wird“.470 Damit erklärte Hoff die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei wirtschaftspolitischen Fragen dann doch zu einer Art regulativen Idee. Legien betonte abschließend, dass der Großteil der praktischen Arbeit – vor allem Tarifverträge, Arbeitsbedingungen, aber auch die einst umstrittenen, jetzt paritätisch geführten Arbeitsnachweise – von den RAGn zu erledigen sei.471 Dagegen habe die ZAG vor allem mit Regierung und Gesetzgeber zu verhandeln. Folgerichtig stellten die RAGn 28 Vertreter und die Verbände 18 Vertreter im künftigen Zentralvorstand der ZAG. Die geplanten 14, tatsächlich eingerichteten 12 RAGn waren somit keine eigentlichen Organe der ZAG, sondern Körperschaften sui generis. Die Satzung wurde mit einer Gegenstimme angenommen. Dieser Delegierte hatte nachträglich eine Generaldebatte über die Satzung gefordert, was Frowein als Vorsitzender jedoch ablehnte.472 Damit hatte das Stinnes-Legien-Abkommen nicht nur endlich institutionellen Charakter angenommen. Es wurde nachträglich auch von einer halbwegs repräsentativen Versammlung legitimiert.473 Der Zentralausschuss mag als eine Art „Wirtschaftsparlament“474 gedacht gewesen sein. Es sollte sich bald herausstellen, dass das große Gremium jedoch kaum für fortlaufende Sitzungen taugte, zumal es dann eine Art Parallelveranstaltung zum Reichswirtschaftsrat geworden wäre.
6. Reichswirtschaftsrat und Schlichtungsverordnung201
Der Zentralausschuss erwies sich als eine Art Konstituante, die die Satzung auf der breiten Grundlage der wichtigsten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände verabschiedete. Beratendes und Beschlussorgan der ZAG wurde faktisch deren Zentralvorstand. Tagte er 1919 etwa einmal im Monat, wurde 1920 der Geschäftsführende Vorstand mit den zwei Vorsitzenden, ihren Stellvertretern und den Geschäftsführern immer mehr zur Seele des gesamten Unternehmens. Im ersten Krisenjahr 1922 tagte der Zentralvorstand noch fünf Mal, der Geschäftsführende Vorstand zehn Mal.475 Das Scheitern der ZAG 1924 sollte dann auch nur noch in dem letzteren Gremium verhandelt werden.
6. Staatlicher Gestaltungswille: Reichswirtschaftsrat und Schlichtungsverordnung Im Dezember 1919 legte die Regierung den Gesetzentwurf zur Schaffung eines Vorläufigen Reichswirtschaftsrates vor. Das Verfassungsorgan war eine eigentümliche Kombination älterer Vorstellungen berufsständischer Repräsentation, die auch der RDI guthieß, mit dem Rätesystem. DeutschLux-Generaldirektor Vögler forderte von Reichswirtschaftsminister Schmidt, „Wirtschaft zu treiben ohne Beeinflussung durch die Politik“, was eine Relativierung des Parlaments bedeutet hätte. Der 1920 eingerichtete paritätische Vorläufige Reichswirtschaftsrat lief tatsächlich auf eine Art konsultatives Wirtschaftsparlament hinaus. Es sollte einschlägige gesetzliche Vorhaben begutachten, besaß aber nur eingeschränktes Initiativrecht. Der von der Verfassung vorgesehene territoriale Unterbau wurde nie geschaffen. Schmidt wollte bei der Besetzung des Gremiums auf die Vorschläge der ZAG zurückgreifen. Die Industriellen waren sich einerseits mit ihren gewerkschaftlichen Kontrahenten im latenten Misstrauen gegen Parlamentarier einig, denen vermeintlich oder tatsächlich die erforderliche Sachkenntnis abging. Andererseits wollte man der ZAG auch nicht die Funktionen eines Wirtschaftsparlaments aufbürden.476 Die ZAG sollte mit der gleichen Zahl von Abgeordneten vertreten sein wie die Landwirtschaft. Der Gesetzentwurf sah zudem 16 Vertreter der Endverbraucher und 12 Vertreter der sogenannten Freien Berufe vor.477 Da mithin ein reines ‚Produzentenparlament‘ nicht durchsetzbar war, ging es um eine möglichst starke Vertretung der Produzenten. Der Papierindustrielle Kraemer hatte bereits im Oktober 1919 eine größere Zahl von Abgeordneten gefordert. Der Vertreter der Chemieindustrie, Frank, befürchtete Ende Januar 1920 gar eine Koalition von Landwirtschaft und Verbrauchern gegen die Industrie. Die ZAG beschloss, dass der vorläufige Reichswirtschaftsrat „kein Parlament, sondern eine Organisation der deut-
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schen Wirtschaft sein soll“, mit einer ihrer Bedeutung angemessenen Vertretung von Industrie und Gewerbe. Dabei sollten „die fachlichen Interessenvertretungen in erster Linie zum Ausdruck kommen“.478 Anfang Februar 1920 verkündete Kraemer im Zentralvorstand, er habe im RDI gegen eine Beteiligung am Reichswirtschaftsrat plädiert, da die Industrie nicht angemessen vertreten sei. Die ZAG beschloss, dass die Industrie mit mindestens ebenso vielen Vertretern in den Reichswirtschaftsrat einziehen sollte wie Landwirtschaft, Gartenbau und Fischerei zusammen. Sollte die Landwirtschaft weitergehende Forderungen stellen, wollte man ihr entgegentreten. Das Handwerk sollte genauso paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten sein wie die Industrie. Deren Vertreter wollte die ZAG entsenden. Da die Bundesstaaten im Reichsrat eine Korrektur zugunsten der Industrie- und Handelskammern durchgesetzt hatten, wollte die ZAG die Mitwirkung im Zweifel ablehnen, wenn der Grundsatz der Fach- bzw. Branchenvertretung gegenüber dem von den Industrie- und Handelskammern verkörperten Territorialprinzip nicht angemessen gewahrt werde. Hier war ein regelrechter Konflikt zwischen den Handelskammern und dem RDI aufgebrochen, in dem sich Cohen ganz auf die Seite der Industriellen stellte. Der christliche Gewerkschafter Wieber wollte sich bei der Zentrumsfraktion der Nationalversammlung dafür einsetzen, dass die Bevorzugung der Industrie- und Handelskammern korrigiert werde. Die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter in den Reichswirtschaftsrat delegiert oder gewählt werden sollten, wollte Legien dagegen dem Gremium selbst überlassen. Entscheidend war für ihn, dass keine einschlägige Regelung der Regierung dem Gesetzgeber ohne vorherige Einigung der Sozialpartner vorgelegt wurde. Im April bat der Zentralvorstand Wieber erneut, in der Nationalversammlung auf eine rasche Einberufung des Reichswirtschaftsrates zu drängen.479 Mit zwei Eingaben gestaltete die ZAG den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat mit.480 Anfang Mai 1920 einigte man sich im Rahmen der ZAG, dass der Industrie- und Handelstag als Spitzengremium zehn Arbeitgebervertreter in den Reichswirtschaftsrat entsenden sollte. 13 Arbeitgebervertreter sollten die RAGn und weitere acht VDA und RDI delegieren. Die RAGn delegierten in der Regel ihre Vorsitzenden. Nicht unbedeutend war, dass sich die Kontrahenten über die jeweiligen Vertreter verständigten. Prompt sorgte die Auswahl der Kandidaten für neue Spannungen im Arbeitgeberlager. Dabei wurde deutlich, wie schwach die Stellung des Vorsitzenden Sorge im RDI geworden war. Rasch stellte sich heraus, dass der Vorläufige Reichswirtschaftsrat als Plenum so wenig arbeitsfähig war wie der Zentralausschuss der Arbeitsgemeinschaft. Folgerichtig verlagerte sich auch im Wirtschaftsrat die eigentliche Arbeit in die Ausschüsse. Seit 1923 sollte
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dessen Plenum überhaupt nicht mehr zusammentreten. Gleichsam analog waren die einschlägigen RAGn im 1919 / 20 gegründeten Reichskalirat, Reichskohlenrat und dem Beirat der Elektrizitätswirtschaft vertreten.481 Mit dem Vorläufigen Reichswirtschaftsrat war eine Art Parallelveranstaltung zur ZAG entstanden, die überdies auch Sektoren der Wirtschaft, namentlich Handel und Landwirtschaft, umfasste, die in der Arbeitsgemeinschaft nicht vertreten waren. Sieht man sich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Reichswirtschaftsrat an, so waren alle Protagonisten der ZAG auch hier vertreten: Borsig, Frowein, Henrich, Hilger, Kraemer, Reichert, Siemens, Sorge, Stinnes und Vögler sowie Aufhäuser, Baltrusch, Cohen, Czieslik, Legien, Leipart, Bernhard Otte, Reichel, Schweitzer, Wieber und Wissell. Der „Dualismus der Arbeitnehmerorganisationen“482 galt in gleicher Weise für die Verbände der Arbeitgeber. Das 1919 der ZAG zugestandene Recht, gesetzliche Regelungen vor ihrer Verabschiedung zu begutachten, ging folgerichtig auf den Reichswirtschaftsrat über. Damit büßte die ZAG eine wesentliche Aufgabe ein. Im August 1922 sollten die Gewerkschaftsvertreter dem RDI bestätigen, dass dieser bei der Auswahl der Vertreter der ZAG im Reichswirtschaftsrat mitwirken sollte.483 Ausdruck des zunehmenden Gestaltungswillens des Staates war neben dem Reichswirtschaftsrat auch der Plan einer Schlichtungsverordnung. Vor dem Hintergrund ständiger Streikbewegungen befasste sich bereits die Nationalversammlung mit dem Vorhaben, damit Arbeitskämpfe einzuhegen. Wie Legien im April 1920 in der ZAG mitteilte, werde die Nationalversammlung das Projekt aufgrund seiner Komplexität nicht zum Abschluss bringen. Gleichwohl erarbeiteten Reichsarbeitsminister Bauer und dessen Nachfolger Schlicke einen Gesetzentwurf. An ihm sollte die ZAG, allerdings auch nur die dort engagierten Verbände, mitarbeiten.484 Schon die Verpflichtung, vor etwaigen Arbeitskampfmaßnahmen eine Schlichtung einzuleiten, stellte einen Eingriff in die Tarifautonomie dar. Erst recht galt das für die Möglichkeit der Verbindlichkeitserklärung eines Schlichterspruchs nicht nur wie bisher auf Antrag, sondern „von Amts wegen“.485 Die Arbeitgeberseite begrüßte zwar die Einschränkung des Streiks, wähnte hinsichtlich der Schlichtung jedoch „viel zu sehr Strafprozeßordnung“ am Werk. Gegen die Kritik der Arbeitgeber am Zwangscharakter des Entwurfs betonten die Arbeitnehmer, dass man auf Schiedssprüche und Verbindlichkeitserklärungen nicht verzichten könne. Gleichzeitig fürchtete man um die „Freiheit der Gewerkschaften“ und das Streikrecht. Die Arbeitnehmer waren sich offenkundig selbst uneins. Der Sozialpolitische Ausschuss der ZAG einigte sich auf die Empfehlung, den tarifvertraglich vereinbarten Schlichtungsstellen den Vorrang einzuräumen. Zu einer einheitlichen Haltung in der Frage ‚Streikrecht und Zwangsschlichtung‘
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fanden die Kontrahenten der ZAG jedoch nicht.486 Die Arbeitgeber stellten ein förmliches Streikrecht in Frage, das in keinem Gesetz und keiner Verordnung erwähnt sei.487 Borsig warf dem Staat vor, eine „Mischung von freiwilliger Schlichtung und juristischer Rechtsprechung“ zu schaffen, statt der „Arbeitsgemeinschaft möglichst viel Unterstützung durch Erweiterung ihrer Kompetenzen und ihres Einflusses zu geben“.488 Der ADGB teilte dem Reichsarbeitsministerium im November 1920 mit, dass er aufgrund der anhaltenden Debatte keine Stellungnahme abgeben könne. Die gemeinsame Skepsis gegen die staatliche Regelung reichte nicht aus, um in der ZAG – auf der Basis der tariflich vereinbarten Schlichtung nach Ziffer 8 des Stinnes-Legien-Abkommens – die strittigen Punkte wie Anrufungs- und Abstimmungszwang sowie die Verbindlichkeitserklärung von Schlichtersprüchen zu klären. Die Regierung zog den ersten Entwurf zurück. Im März 1921 befasste sie den Reichswirtschaftsrat mit einem Entwurf, der Strafbestimmungen für den Fall vorsah, dass die Verpflichtung zur Schlichtung nicht beachtet werden sollte. Aber auch hier konnten sich die Sozialpartner nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen.489 Als die Regierung im Sommer 1921 erneut einen Entwurf vorlegte, hatte sie alle Sonderbestimmungen für öffentliche Betriebe gestrichen. Trotzdem blieb der ADGB bei seiner Ablehnung. Die Arbeitgeber monierten die behördliche Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen. Auch bei den Verhandlungen im Reichstag konnten die drei Gewerkschaftsrichtungen durch ihre Vertreter keine wesentliche Verbesserung erzielen.490 Als die Regierung im März 1922 dem Reichstag einen überarbeiteten Entwurf vorlegte, war das Votum von ADGB und AfA-Bund erneut negativ. Die Angelegenheit blieb liegen. Gleichwohl begann der Widerstand der ADGB-Gewerkschaften gegen die Zwangsschlichtung zu bröckeln.491 Der Einsatz der sogenannten Technischen Nothilfe zur Aufrechterhaltung gemeinnütziger Betriebe, die bestreikt wurden, war ein weiteres Feld, auf dem sozialdemokratische Minister und Gewerkschafter gegensätzliche Auffassungen vertraten.492 Der Vorsitzende der Berliner Metallindustriellen, Borsig, kritisierte den Regierungsentwurf und die Konsequenz für die Arbeitsgemeinschaft: „Anstatt dass der Staat bei der Arbeitsgemeinschaft alles angewandt hätte, um dieser Arbeitsgemeinschaft möglichst viel Unterstützung durch Erweiterung ihrer Kompetenzen und ihres Einflusses zu geben, will er Organisationen schaffen, die im Sinne der Bürokratie das Gleiche leisten müssten wie ein solch freiwilliger Zusammenschluß.“493
7. Widerstände gegen Angestelltentarifverträge205
7. Widerstände gegen Angestelltentarifverträge Die 1917 entstandene AfA sowie die Arbeitsgemeinschaften der kaufmännischen und technischen Verbände hatten das Stinnes-Legien-Abkommen unterzeichnet. In der Folge versuchten die Angestelltenorganisationen mit ihren vergleichsweise kleinen Mitgliederzahlen eine angemessene Vertretung in den Gremien der ZAG und RAG sicherzustellen. Der AfABund vertrat 1920 mit 690.000 Mitgliedern fast die Hälfte aller Angestellten. Die Christlichen und Liberalen mussten um ihre angemessene Berücksichtigung kämpfen.494 Im Januar 1919 entschied die ZAG, dass die Unterzeichnung des Abkommens keine Voraussetzung für die Mitarbeit in der ZAG war. Allerdings wurden interessierte Angestelltenorganisationen, sofern es sich nicht um ‚Gelbe‘ handelte, auf den Beitritt zu einem der drei Spitzenverbände der Angestellten verwiesen.495 Außerhalb der drei Gewerkschaftsrichtungen sollte keine Mitarbeit möglich sein.496 Insofern bestand das „Monopol“ der drei Gewerkschaftsrichtungen von Anfang an.497 Freilich scheinen Arbeitgeberverbände zumindest gelegentlich versucht zu haben, die ‚Gelben‘ bei Tarifverhandlungen wieder ins Spiel zu bringen.498 Während die Arbeitgeber Tarifverträge mit der Arbeiterschaft weitgehend akzeptiert hatten, gab es immer wieder Versuche, solche bei den Angestellten zu umgehen. Der Zechenverband verhandelte von Januar bis März 1919 mit den technischen und kaufmännischen Angestelltenverbänden über einen Tarifvertrag und ein Einigungswesen im Rahmen der RAG Bergbau.499 40.000 Berliner Angestellte erstreikten im April 1919 gegen zähen Widerstand auch der Firmen AEG, Borsig und Siemens die Mitwirkung an Personalmaßnahmen.500 Der christliche Gewerkschaftsbund hoffte im Januar 1920, die ZAG fände „Mittel und Wege […], um die Arbeitgebergruppen, welche sich weigern Tarifverhandlungen aufzunehmen, zu solchen zu zwingen“.501 Borsig wies im Oktober 1919 die Forderung kaufmännischer Angestellter nach Mindestgehältern unter Verweis auf das Abkommen zurück. Schweitzer vom Vorstand der AfA kritisierte, dass die Nordwestliche Gruppe zunächst darüber verhandelt, dann jedoch alles abgelehnt habe. Er und Legien räumten zwar ein, dass Mindestgehälter aus dem Abkommen nicht hergeleitet werden könnten. Legien hielt sie gleichwohl für wünschenswert.502 Der GDM betonte im Februar 1920, dass er Tarifverträge sowohl für leitende Angestellte wie für Lehrlinge ablehne.503 Die niederrheinische Metallindustrie und sächsische Arbeitgeberverbände beriefen sich eher spitzfindig auf das Novemberabkommen, das angeblich nur für Arbeiter gelte. Tatsächlich sind in Ziffer 6 nur „Arbeiter und Arbeiterinnen“, nicht etwa Arbeitnehmer genannt. Aber mit Ziffer 12 war vereinbart worden, das Abkommen „sinngemäß“ auch auf
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das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Angestelltenorganisationen anzuwenden. Die VDA warb um Verständnis, dass die Arbeitgeberverbände sich mit Tarifverträgen für Angestellte noch schwertäten, da diese bis zum Abkommen vom November 1918 nicht existiert hätten. Schweitzer insistierte, dass eine Verweigerung mit dem Abkommen unvereinbar sei. Die ZAG wollte mit Tänzler und anderen darüber verhandeln.504 Wenn die „Arbeitgeberzeitung“ klagte, dass „ein großer Teil der deutschen Angestelltenschaft immer weiter ins radikale Fahrwasser“ drifte,505 war der Unwille der Arbeitgeber, mit den Angestelltenorganisationen Tarifverträge abzuschließen, mindestens ein Grund dafür. VDA-Geschäftsführer Tänzler betonte im Oktober 1921,506 kein Arbeitgeberverband weigere sich grundsätzlich, Tarifverträge mit den Angestelltenvertretungen abzuschließen, vielmehr sei der jeweilige Sprengel strittig. Er forderte eine gütliche Einigung zunächst ohne Einmischung der ZAG und mahnte: „Die Arbeitnehmer möchten sich zunächst mit dem begnügen, was bisher auf diesem Gebiet seitens der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände geschehen sei […].“ Damit wollte sich Angestelltengewerkschafter Schweitzer nicht abspeisen lassen. Die ostdeutschen Metallarbeitgeberverbände würden ihren Mitgliedern empfehlen, Tarifverträge auf Betriebsebene abzuschließen. Teilweise werde die Satzung der Verbände so geändert, dass Tarifverträge mit den Angestelltenverbänden ausgeschlossen würden. Jetzt rächte sich die Formulierung von Ziffer 6, die die Arbeitgeber im Fall der Angestellten gegen einen „Zwang zum kollektiven Arbeitsvertrag“ auslegten.507 Schweitzer warnte: „Mit einer dauernden Weigerung der Arbeitgeber könnten sich die Angestellten keinesfalls abfinden, denn dann wäre die ganze Vereinbarung nur ein Fetzen Papier.“ Der VDA- und RDIVorsitzende Sorge setzte auf die „erzieherische Wirkung“ des zentralen Einflusses der ZAG. Im Übrigen verwies er auf den DMV, „der sich weigere, die Vereinbarung vom November 1918 anzuerkennen, und der sich in vielen Fällen weigere, gemeinsam mit den christlichen Gewerkschaften sowie den [liberalen] Gewerkvereinen Tarifverträge abzuschließen“. Tatsächlich kam es offenbar immer wieder zu massivem Streit zwischen örtlichen DMV-Mitgliedern und christlichen Metallarbeitern. Auch liberale und ADGB-Gewerkschaften kamen sich ins Gehege.508 Cohen billigte den anwesenden Arbeitgebervertretern guten Willen zu. Gleichwohl warnte er vor dem Hintergrund des ADGB-Kongresses im kommenden Jahr: „Wenn es so wie bisher weitergehe, dann bräche eines schönen Tages die Zentralarbeitsgemeinschaft zusammen.“ Am Ende einigte man sich, dass eine grundsätzliche Verweigerung nicht mit dem Abkommen vereinbar sei. Die Spitzenverbände der Arbeitgeber sollten auf ihre Mitgliedsverbände dahingehend einwirken und nötigenfalls Vermittlungsdienste anbieten.
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Da die ZAG offenbar wenig bewirkte, forderte der AfA-Bund ein „Schiedsgericht“ und Schweitzer im März 1922 im Zentralvorstand509 eine klare Stellungnahme, dass das Verbot der Arbeitgeberverbände, mit den Angestellten Tarifverträge abzuschließen, gegen Ziffer 6 des Stinnes-Legien-Abkommens verstoße. Während Schweitzer einen Ausschuss forderte, der in einschlägigen Fällen vermitteln sollte, räumte selbst Peter Graßmann, Zweiter Vorsitzender des ADGB, ein, dass die Arbeitgebervertreter über keine Zwangsmittel verfügten, um Beschlüsse der ZAG durchzusetzen. Es bleibe allein die „moralische Einwirkung“. Tänzler und Frowein wollten den Ausschuss folgerichtig nur mit einem Gutachten beauftragen. Der christliche Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften monierte im Sommer 1922 ein Rundschreiben ostdeutscher Arbeitgeberverbände, Angestellte nur noch mit Zustimmung früherer Arbeitgeber einzustellen. Dazu passte die Klage des liberalen Gewerkschafters Neustedt, dass in Magdeburg wieder ‚schwarze Listen‘ geführt würden. Der Geschäftsführende Vorstand setzte im Mai 1922 eine paritätische Kommission ein, die Streitigkeiten bezüglich des Abschlusses von Tarifverträgen schlichten sollte. Misslang dies, sollte die Kommission in einem Gutachten befinden, ob eine grundsätzliche Verweigerung vorliege, die gegen Ziffer 6 des Abkommens verstoße. Bis September 1922 hatte die Kommission ihre Arbeit noch nicht aufgenommen. Im Dezember 1922 wurden gegen die Nordgruppe des GDM Vorwürfe erhoben. Prompt scheiterte im Frühjahr 1923 die für solche Fälle eingesetzte Kommission schon beim ersten Vermittlungsversuch. Die Arbeitgeber hatten sich auf die Formel nach Ziffer 6 des Stinnes-Legien-Abkommens („entsprechend den Verhältnissen des betreffenden Gewerbes“) berufen.510 Sie folgerten daraus, dass eine Pflicht zum Tarifabschluss nicht vorliege, wenn dem die Verhältnisse eines Gewerbes – in diesem Fall der Werften – entgegenstünden. Die Vertreter des GDM und der VDA, Grabenstedt und Meissinger, stellten die Verbindlichkeit des von den „Spitzenverbänden“ geschlossenen Abkommens für die nachgeordneten Arbeitgeberverbände in Frage. „Zwang“ könne hier nicht ausgeübt werden, wie der Austritt des DMV aus der RAG zeige.511 Freilich war zu diesem Zeitpunkt die Krise der ZAG unübersehbar. Tatsächlich beschränkte sich der Einfluss der ZAG auf informellen Druck ohne Weisungsrecht. Die ihr angehörenden Spitzenverbände waren untereinander eine „Einwirkungsverpflichtung“ eingegangen.512 Folgerichtig beklagte der AfA-Bund im Sommer 1923, dass die ZAG „gegen die Starrköpfigkeit der Unternehmer“ noch immer keine Interpretation der Ziffer 6 des Stinnes-Legien-Abkommens habe durchsetzen können.513
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8. Die ‚Gelben‘: die ZAG als hybride Institution Vergleichsweise einig waren sich die Partner in der Frage der ‚Gelben‘. So beantragte im April 1919 der Bund der Bäcker-(Konditor-)Gesellen Deutschlands unter Hinweis auf seinen rein gewerkschaftlichen Charakter, aber auch auf die sechsmonatige Karenz für ‚Gelbe‘ seine Zulassung zur Arbeitsgemeinschaft.514 Im ADGB-Bundesausschuss wurden die Bäckergesellen im Februar 1920 als ‚Gelbe‘ abgelehnt, obwohl Reichsarbeitsminister Schlicke dazu tendierte, sie als Gewerkschaft anzuerkennen.515 Auch die ZAG lehnte die Aufnahme im September 1920 ab. Im Sommer 1921 beantragten die Bäckergesellen erneut ihre Zulassung. Im Gegensatz zu den Arbeitgebern lehnten die Arbeitnehmer jedes Gespräch mit den Bäckergesellen ab. Geschäftsführer Cohen berief sich auf das „Gewohnheitsrecht“, dass jede Gruppe für sich entscheide, welchen Verband der eigenen Spezies sie aufnehmen wolle. Der ADGB-Vorsitzende Leipart verwies die Bäckergesellen erneut an die gewerkschaftlichen Spitzenverbände. Die RAG Nahrungs- und Genussmittel fügte sich diesem Votum und lehnte die Aufnahme ab. Am Ende entschied der Geschäftsführende Vorstand der ZAG, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in ihrer Gruppe entscheiden sollten, welche Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerorganisation aufgenommen werden sollte. Die andere Seite hatte sich herauszuhalten. Das hartnäckige Drängen der Bäckergesellen beantworteten die Gewerkschaftsvertreter mit ebenso hartnäckiger Weigerung.516 Der sozialistische Butib weigerte sich, gemeinsam mit den in ihren Augen ‚gelben‘ Verbänden der kaufmännischen und technischen Grubenbeamten zu verhandeln. Vergeblich wartete der Zechenverband um die Jahreswende 1918 / 19 auf eine Klärung durch die ZAG, die zu dem Zeitpunkt offenbar kaum arbeitsfähig war.517 Den Antrag des Verbandes oberer Bergbeamten auf Zulassung zur ZAG lehnte diese im April 1919 ab. Auch der Verband kaufmännischer Grubenbeamten stieß auf Widerstand.518 Er beschwerte sich im Herbst 1919 bei dem linksliberalen Nationalökonomen und Sozialreformer Lujo Brentano, man möge die ZAG „anweisen“, ihren Verband aufzunehmen. Kurioserweise drohte der Verband, sich einer der Richtungsgewerkschaften anzuschließen, die anders als der eigene Verband politisch nicht neutral seien. In der Tat machte ja die ZAG gerade das zur Voraussetzung.519 Die RAG Bergbau schrieb dem Reichsarbeitsministerium im Februar 1920: „Die Arbeitnehmerseite der Arbeitsgemeinschaft steht auf dem Standpunkt, dass nur solche Verbände in die Arbeitsgemeinschaft aufgenommen werden dürfen, die einer der Berliner Spitzenorganisationen angehören.“520 Der zum „Reichsverband deutscher Bergbauangestellter“ umbenannte Verband zog die Rechtmäßigkeit der
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Forderung in Zweifel, schließlich besitze die Arbeitsgemeinschaft „amtlich-öffentlichen Charakter“. Diese Auffassung vertraten auch die angestellten Chemiker und Ingenieure, deren Bund sich dann aber doch dem christlichen Gewerkschaftsbund der Angestellten anschloss.521 Die Vereinigung der leitenden Angestellten in Handel und Industrie, die im Januar 1920 etwa 6.000 Mitgliederverzeichnete, sah sich ebenfalls von der ZAG auf die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände, den Gewerkschaftsbund der Angestellten oder den Gewerkschaftsbund der kaufmännischen Angestellten verwiesen. Nur wenn sie hier Mitglied wurden, konnten sie erwarten, an Tarifverhandlungen beteiligt zu werden. Dabei ging es der Vereinigung gerade nicht um die „Festsetzung von Bezügen“, sondern um die Mitwirkung an der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. Die Arbeitnehmerorganisationen lehnten die Vereinigung ab, da in ihr „gesetzliche Vertreter der Arbeitgeber“ organisiert seien. Die Vereinigung beharrte darauf, dass ihre Mitglieder Arbeitnehmerstatus besäßen, auch wenn sie naturgemäß von Fall zu Fall ihre Arbeitgeber zu vertreten hätten. Reichsarbeitsminister Schlicke legte der ZAG einerseits nahe, ihre Grundsätze zu überdenken. Andererseits wollte er den Leitenden Angestellten auch keinen Einfluss einräumen, der ihnen nach ihrer zahlenmäßigen Bedeutung nicht zukomme.522 Namens der ZAG lehnte Cohen die Aufnahmegesuche der Grubenbeamten und der Leitenden Angestellten Ende Februar 1920 endgültig ab. Beide verträten Partikularinteressen. Sondertarifverträge für einzelne Gruppen eines Gewerbes wollte er jedoch vermeiden, da dies dem Grundsatz von Tarifverträgen widerspreche.523 So sehr dies aus der Sicht der großen Arbeitnehmervertretungen und womöglich auch der Arbeitgeber einleuchtete, so schillernd war der rechtliche Charakter der Arbeitsgemeinschaft. Die RAG Chemie ventilierte schon 1919 ihre „behördliche Anerkennung“.524 Der ‚gelbe‘ Spitzenverband „Nationalverband Deutscher Gewerkschaften“ hatte mehrere vergebliche Anläufe unternommen, in die Arbeitsgemeinschaft aufgenommen zu werden. Er scheute sich nicht, im November 1920 Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns öffentlich zu attackieren, weil dieser sich im Einklang mit der ZAG weigerte, den Nationalverband zu einschlägigen Beratungen einzuladen. Die Reichsregierung hielt jedoch an ihrer Auffassung fest, dass sie rechtlich nicht verpflichtet sei, die ‚Gelben‘ hinzuzuziehen.525 Das bedeutete freilich nicht, dass der privilegierte Zugang der ZAG mit Verpflichtungen gegenüber der Regierung einherging. Im Oktober hatte Brauns betont, er „habe gegenüber der Zentralarbeitsgemeinschaft als einer rein privaten Organisation keinerlei Zwangsmittel“. Das räumte der Reichsverband der Bergbauangestellten zwar ein, kritisierte jedoch, dass der Reichsarbeitsminister die Arbeitsgemeinschaft gleichwohl „mit öffent-
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Quelle: unbekannt
Abbildung 30: Gegendemonstration gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
lichen rechtlichen Funktionen ausstattet“.526 Der Reichsverband schloss sich 1926, nach dem Ende der ZAG, doch noch dem christlichen Gesamtverband an. In der Rechtsprechung hatte sich die – freilich nicht unbestrittene – Auffassung durchgesetzt, dass es sich bei den ‚Gelben‘ nicht um Koalitionen im Sinne der Verfassung handle.527 Der „Arbeitgeberzeitung“ galt das faktische Monopol der tariffähigen drei Richtungsgewerkschaften im März 1922 als „Organisationsterror“.528 Die ZAG bewegte sich in der während des Krieges entstandenen rechtlichen Grauzone und hatte einen hybriden Charakter angenommen. Sie war weder ein klassischer Verein noch eine öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungseinrichtung nach Art der Handelskammern; erst recht war sie keine Behörde. Für die „Arbeitgeberzeitung“ waren die Gremien „streng genommen nur Kommissionen und keinesfalls neue Verbände“, gleichwohl aber auch keine Tarifgemeinschaft.529 Dennoch hatten die ZAG und die RAGn faktisch öffentlichen Charakter, indem sie wenigstens anfangs an der Gesetzgebung mitwirkten und Vertreter in den Reichswirtschaftsrat entsandten. Nach damals geltendem Recht galt die ZAG möglicherweise „als nicht rechtsfähiger Verein“. Dass der mit Billigung der Arbeitgeber durchgesetzte dauerhafte Ausschluss der ‚Gelben‘ wesentlich zum Scheitern der ZAG beigetragen habe,530 lässt sich anhand des historiographi-
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schen Befundes freilich nicht bestätigen. Richtig ist jedoch, dass Gesetzgeber und Regierung es den Partnern der Arbeitsgemeinschaft überließen, Kriterien der Tariffähigkeit von Verbänden festzulegen.531 Die erste ernsthafte Belastungsprobe hatte die Arbeitsgemeinschaft mit dem Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch vom März 1920 zu bestehen.
9. Bewährungsprobe: der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 Der nach seinen Protagonisten, dem Leiter einer ostpreußischen öffentlich-rechtlichen Kreditanstalt, Wolfgang Kapp, und dem General Walther von Lüttwitz benannte Putsch vom 13. bis 17. März 1920 stellte nicht nur den RDI, sondern vor allem die Arbeitsgemeinschaft vor eine erste „schwere Belastungsprobe“.532 Der Anlass war die bevorstehende Auflösung von Truppenteilen und namentlich der Freikorps. Der Hintergrund war die konterrevolutionäre Stimmung des republikfeindlichen Bürgertums. Die Meuterer verbündeten sich mit rechtsgerichteten Politikern und Beamten. Nicht nur in der reaktionären DNVP, sondern auch in der rechtsliberalen DVP, der politischen Heimat von Stinnes und Vögler, genossen die Putschisten Sympathien. Bekanntermaßen unterhielt auch Stinnes persönliche Beziehungen zu Ludendorff und anderen Persönlichkeiten im Umkreis der Putschisten. Den Putsch lehnte Stinnes allerdings ab. Zum Schutz der Verfassung griffen Legien und der ADGB einschließlich der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände erstmals und konsequent zum Mittel des politischen Streiks. Dagegen wollte sich der DMV ausgerechnet jetzt auf den Standpunkt politischer Neutralität zurückziehen. Der öffentliche Aufruf des ADGB wurde jedoch auch von der Reichsregierung unter Gustav Bauer und von Reichspräsident Ebert nur halbherzig unterstützt. Der Beamtenbund und – ebenfalls nach anfänglichem Zögern – schließlich auch die Kommunisten schlossen sich dem Generalstreik an. Die Christlichen Gewerkschaften verurteilten den Putsch, verweigerten sich jedoch dem Generalstreik. Die Putschisten gaben am Ende auf; zu heterogen waren ihre Zusammensetzung und Ziele.533 Schon am 13. März berieten die industriellen Protagonisten des StinnesLegien-Abkommens und des RDI wie Borsig, AEG-Generaldirektor Deutsch, Henrich, Hilger, Raumer und Sorge die Lage. Raumer teilte den dringenden Wunsch Legiens nach einer Erklärung des RDI gegen die Putschisten mit. Es war offensichtlich, dass der Gewerkschaftsführer unter erheblichem Druck von links stand. Dennoch stieß sein Entschluss zum Generalstreik in dieser Runde auf Kritik. Am Ende erklärte der RDI nur, dass er unabhängig von den politischen Verhältnissen an der ZAG festhalte. Die opake Formel konnte als versteckte Unterstützung der Putschisten
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durch den RDI ausgelegt werden. Daher hatte sich Sorge für eine weitergehende Resolution stark gemacht, war aber namentlich an Hilger und Borsig gescheitert. In der RAG Bergbau kam es am 14. März zu einer Kontroverse zwischen Huë und Stinnes. Dieser wollte eine politische Stellungnahme unter allen Umständen vermeiden. Huë forderte eine Verurteilung des Putsches und wollte Berlin von der Kohlenzufuhr abschneiden. Er beschuldigte Stinnes, Kapp zu unterstützen. Tatsächlich wurde im Interesse einer Beruhigung des Ruhrreviers eine Resolution verabschiedet, dass man von der Regierung Kapp keine Weisungen entgegennehmen werde und die Streiktage den Arbeitern nicht vom Urlaub abgezogen würden. Noch entschiedener wandte sich die RAG Chemie gegen den Putsch. Duisberg hatte sich trotz der finanziellen Förderung, die er der Rechten zukommen ließ, vehement gegen das Unternehmen ausgesprochen. Verärgert über die unklare Haltung des RDI, wollten die Arbeitgeber der Chemieindustrie „Farbe bekennen“ und mit ihren „Arbeitnehmern Hand in Hand gehen“. Die RAG Chemie unterstützte folgerichtig mit einer öffentlichen Erklärung am 15. März den Generalstreik. Der Vorsitzende des Chemieverbandes, Frank, hatte 1919 betont, dass die „Arbeitnehmer restlos auf unserer Seite stehen“. Es gab keinen Grund, die gut funktionierende RAG aufs Spiel zu setzen, womöglich der radikalen Linken Auftrieb zu verleihen und schließlich endlose Streiks zu riskieren.534 Auf eigene Verantwortung, aber namens des RDI konzipierten Sorge und Geschäftsführer Walter Simons am Abend des 15. März ein Schreiben an Legien. Die Unternehmer seien „von den Ereignissen ebenso überrascht worden wie die Arbeiterschaft“. Behauptungen, der Putsch sei von der Industrie finanziert worden, seien „völlig unwahr“. Der RDI „verurteilt mit der Arbeiterschaft entschieden jeden Versuch einer gewaltsamen Regierungs- und Verfassungsänderung“ und „wiederholt sein Bekenntnis zur Zentral-Arbeitsgemeinschaft“.535 Prompt sahen sich Sorge und Simons am Folgetag der Kritik des oberschlesischen Schwerindustriellen Hilger und des mittlerweile in der DNVP engagierten Hugenberg ausgesetzt. Die Mehrheit des Präsidiums des RDI beharrte auf politischer Neutralität, derweil man durchaus Kontakte zu den Putschisten unterhielt. Namentlich Hilger schien wieder in seine frühere Rolle als ‚Scharfmacher‘ zurückzufallen. Borsig und der Verein Berliner Metallindustrieller wollten sogar zwischen Regierung und Putschisten vermitteln. Immerhin konnten Borsig und Siemens-Direktor Henrich den Putschisten deren Absicht ausreden, auf Streikposten zu schießen. Ein veritabler Bürgerkrieg lag nicht im Interesse der Industrie.536 Am 17. März tagte der Zentralvorstand der ZAG.537 Auf den latenten Vorwurf der Arbeitgeberseite, zu schnell und einseitig den Generalstreik
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ausgerufen zu haben, den der RDI nicht habe mittragen können, reagierte Legien kompromisslos. Er werde nicht einmal die legitime Regierung unterstützen, sollte diese Verhandlungen mit den Putschisten aufnehmen. Offenbar war sich Legien der Haltung der von Bauer – seinem früheren Zweiten Vorsitzenden in der Generalkommission – geführten Reichsregierung nicht ganz sicher. Legien hatte in dieser Situation keine Bedenken, den politischen Massenstreik zur Verteidigung der Demokratie einzusetzen. Der Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften, Baltrusch, kritisierte dagegen, dass die Reichsregierung aus Berlin nach Stuttgart ausgewichen war. Er forderte Verhandlungen mit den „tatsächlichen Machthabern“, andernfalls würde sich die ZAG selbst ausschließen und den „politischen Drahtziehern“ des Putsches das Feld überlassen. Er wollte den Akteuren mit einem konkreten Forderungskatalog der ZAG entgegentreten. Das war eine gute Vorlage für Sorge und Simons. Sie forderten Gespräche mit den Putschisten. Cohen warnte, dass die ZAG dann den „letzten Halt in der Arbeiterschaft verlieren“ werde. Der liberale Gewerkschafter Neustedt bestand auf einem gemeinsamen Vorgehen der Arbeitgeber und -nehmer. Legien sah in einer eindeutigen öffentlichen Stellungnahme des RDI gegen den Putsch die Voraussetzung für ein gemeinsames Vorgehen. Auch hinsichtlich eines vollständigen Truppenabzugs aus der Hauptstadt war man sich uneins. Baltrusch glaubte, dass die Sozialdemokratie die linke „Sturmflut“ ohne diese Truppen nicht werde aufhalten können. Hoff schlug daher vor, die Truppen erst allmählich zurückzuziehen. Zugleich sollte ein Forderungskatalog an die Adresse der Regierung der Bevölkerung „moralischen Halt“ geben. Noch während der Sitzung wurde bekannt, dass die Putschisten aufgegeben hatten. Kapp floh nach Schweden – auf den dortigen Landsitz von Stinnes. Nichtsdestotrotz setzte sich die Kontroverse fort. Legien lobte die entschlossene Haltung der RAG Chemie, deren Haltung das Präsidium des RDI hingegen ausdrücklich missbilligte. Er bestand auf dem vollständigen Truppenrückzug. Diese Forderung wollte der RDI keinesfalls mittragen. ZAG-Geschäftsführer Cohen kritisierte die offensichtliche Erwartung der Unternehmer, dass sich die Arbeitnehmer genauso unpolitisch verhalten sollten wie der RDI. Die Widersprüche blieben am Ende ungelöst. Gleichwohl versicherten beide Seiten, an der Arbeitsgemeinschaft festhalten zu wollen. Am Ende verzichteten die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften auf die Fortsetzung des Generalstreiks mit dem Ziel, eine reine Arbeiterregierung durchzusetzen. Legien plädierte vielmehr für die Fortsetzung der Weimarer Koalition.538 Dessen ungeachtet waren auch die Bruchkanten zwischen der entschiedenen Haltung des ADGB einerseits und der vermittelnden Position der
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Christlichen Gewerkschaften andererseits deutlich geworden. Im November 1920 sollte Stegerwald die Distanz zur Demokratie westlichen Typs betonen, der er den Gedanken einer harmonischen Selbstverwaltung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entgegenstellte. Mit diesen ständestaatlichen und am ‚Solidarismus‘ ausgerichteten Vorstellungen grenzten sich Christliche sowohl gegen die schwache liberale wie gegen die starke sozialistische Konkurrenz ab. Baltrusch sprach dieser die Fähigkeit ab, eine solidarische deutsche ‚Volksgemeinschaft‘ aufbauen zu können. Christliche Gewerkschafter besaßen Abgeordnetenmandate nicht nur für das Zentrum, sondern auch für die DNVP und DVP. Mithin konnte kaum überraschen, dass die Christlichen sich während des Putschs bedeckt hielten. Auch programmatisch eindeutig auf dem Boden der demokratischen Republik standen nur die – der linksliberalen DDP nahestehenden – liberalen Gewerkvereine. Sie verstanden sich von jeher als reformorientierte Interessenvertretung. Die Haltung des RDI während des Putsches tadelte nicht nur die Chemieindustrie. Angesichts der eigenen unklaren Haltung bemerkenswert, übte Stinnes scharfe Kritik an der kläglichen Figur, die der RDI gemacht hatte. Immerhin formulierte er jetzt seine Absage an solche Unternehmungen, die nur im Bürgerkrieg enden konnten, wie die erneuten gewalttätigen Unruhen im Ruhrgebiet zeigten.539 Namentlich Duisberg war von Anfang an dieser Auffassung gewesen. Ihren Nachhall fand die Episode zunächst im Vorstand des RDI, dessen Sitzung am 14. April 1920 Guggenheimer knapp protokollierte.540 Der Vorsitzende der RAG Chemie, Frank, warf dem Vorstand dessen Lavieren vor: „Man hätte den Augenblick zum Zusammengehen mit den Arbeitnehmern benützen müssen.“ Nur der Berliner Textilindustrielle Alfred Mann stimmte ihm zu. Frowein hielt eine nachträgliche Erklärung für ausreichend. Dagegen kritisierten Hilger und andere Frank und die Chemieindustrie. Gustav Berger aus Wiesbaden bekannte sich als „Feind der Zentralarbeitsgemeinschaft“. Stinnes mahnte: „Man könne auch nur Geschäfte mit demokratischen Staaten in Zukunft machen.“ Kurz darauf tagte der Zentralvorstand der ZAG.541 Simons bekräftigte für den RDI die Auffassung, dass sein Verband ohne vorherige Abstimmung die einseitige Erklärung des Generalstreiks durch die Arbeitnehmer nicht habe billigen können. Beim Generalstreik habe es sich um einen politischen Streik gehandelt. Man halte auch in diesem Fall an dem „Grundsatz“ fest, für solche Streiks keine Lohnausfälle zu vergüten. Legien forderte die Arbeitgeber auf, sich in dieser Frage wenigstens nachträglich zu bewegen. Andernfalls dürfe man von den Arbeitnehmern wenig Verständnis für die Arbeitsgemeinschaft erwarten. An dieser wollte Stinnes zwar unbedingt festhalten. Die Streiktage bezahlen, wollte er deswegen noch lange nicht. Das sei
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keine „Geldfrage“; vielmehr sei man nicht bereit, den Generalstreik damit nachträglich zu billigen. Man habe den Putschisten ja die Kohlezufuhr gesperrt. Damit sei der „außerordentlich verderbliche Generalstreik“ überflüssig gewesen. Die Arbeitnehmerseite glaubte allerdings nicht, dass man auf die langfristige Wirkung eines derartigen Embargos hätte warten können. Man habe unmittelbar handeln müssen. Wissell – wieder als Vertreter der Arbeitnehmer in der Runde – räumte ein, dass keine rechtliche Verpflichtung vorliege, die Streiktage zu vergüten. Tatsächlich wollten ja auch die Gewerkschaften keine Streikunterstützung für die Generalstreiktage leisten.542 Wissell empfahl den Arbeitgebern, als Gebot politischer Klugheit dennoch zu zahlen. Die Debatte endete zwar mit der Aufforderung an die Arbeitgeber, eine „wirtschaftliche Beihilfe“ zu leisten; sie sollte ihnen aus öffentlichen Mitteln erstattet werden. Aber einzelne Arbeitgeberverbände lehnten auch das ab. So verweigerten sich die Metallindustriellen und die Banken in Berlin.543 Die RAG Chemie empfahl ihren Arbeitgebern, die Streiktage zu vergüten. Die RAG Eisen und Stahl beschloss, einen Vorschuss von 80 Prozent zu zahlen. Abhängig von der Bereitschaft der Regierung, den Vorschuss aus „Reichsmitteln“ zu erstatten, wollte man später über eine „Verrechnung bezw. Rückzahlung“ befinden. Tatsächlich stellte die ZAG am 1. April 1920 einen entsprechenden Antrag bei der Reichsregierung, die RAG Eisen und Stahl folgte am 13. April 1920. Die Regierung sah zunächst die Sozialpartner in der Pflicht, sich darüber zu verständigen. Die Bundesstaaten sperrten sich gegen eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln.544 Siemens war wie die meisten Großindustriellen nach wie vor der Überzeugung: „Den Kernpunkt für die Vertretung der paritätisch zu wahrenden Interessen der gesamten Industrie muß auch weiterhin die Arbeitsgemeinschaft bilden.“545 Krupp-Direktor Wiedfeldt betonte angesichts unzeitgemäßer Vorschläge des konservativen Beamten Otto Graepel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie und Gewerkschaften, man könne „schon zufrieden sein, wenn sich unsere bestehende Arbeitsgemeinschaft halten läßt und wir vielleicht in ihrem Rahmen auch solchen Zielen nachgehen können, wie sie Herr Graepel auf anderem Wege erreichen will“. Im Übrigen könne die Gewerkschaftsführung nicht „darauf verzichten, ihren Leuten Kampfziele aufzustecken. Andernfalls laufen ihnen die Leute davon und die Entwicklung geht über sie hinweg.“546 Im Reichswirtschaftsrat sah die Industrie vorläufig keinen Ersatz für die ZAG.547 Die Schar ihrer Anhänger in den Gewerkschaften bröckelte unterdessen weiter. Die Führung des Fabrikarbeiterverbandes, der immerhin der gut funktionierenden RAG Chemie angehörte, musste auf dem Verbandstag 1920 die Arbeitsgemeinschaft rechtfertigen. Ihr wurde vorgeworfen, sie verhin-
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dere die Sozialisierung und diene den Kapitalisten als Auffangstellung, aus der heraus sie bald wieder gegen die Arbeiterschaft in die Offensive gehen würden. Mit großer Mehrheit wurde die Arbeitsgemeinschaftspolitik gleichwohl bestätigt. Dabei warf der stellvertretende Vorsitzende der RAG, C. Bruns, den Arbeitgebern vor, dass sie häufig Vertreter in die Gremien schickten, die die Parität ablehnten. Duisberg seinerseits betonte im September 1920, dass er unverändert zur Arbeitsgemeinschaft stehe.548 Dagegen wandten sich kleinere ADGB-Gewerkschaften von der ZAG ab. Der Schuhmacherverband hatte der Arbeitsgemeinschaft im April 1920 eine Absage erteilt und sich zum „Klassenkampf“ bekannt. Sein Vorsitzender, Josef Simon, der seit 1917 der USPD angehörte, forderte im November 1920 den Austritt des ADGB aus der ZAG. Diese habe „in allen die Arbeiter betreffenden Fragen versagt“, und die Mitgliedschaft biete der innergewerkschaftlichen Opposition immer „neue Angriffsflächen“. Unterstützt wurde er von Dißmann, dem Vorsitzenden des DMV, und Gustav Sabath, Vorsitzender des ADGB-Ortsausschusses Berlin und Mitglied des ADGB-Bundesvorstands. Fritz Tarnow, Vorsitzender des Holzarbeiterverbandes, begründete eine Resolution, in der die ZAG einmal mehr als vorläufig unentbehrliches und „brauchbares Mittel im Kampf um die Eroberung der wirtschaftlichen Macht und die Sozialisierung der Wirtschaft“ dargestellt wurde. Ihre Bedeutung sei „jedoch zeitlich begrenzt und wird erlöschen, wenn mit der fortschreitenden Organisation der Gemeinwirtschaft andere […] Organe geschaffen werden“. Cohen betonte, dass die ZAG zwar nicht in Tarifverhandlungen eingreifen dürfe, diese jedoch in vielen Gewerbezweigen überhaupt erst durchgesetzt habe. Eine Mehrheit des ADGB-Bundesausschusses von 24 gegen 7 Stimmen – unter anderen die Dißmanns – billigte die Entschließung zugunsten der ZAG.549 Der RDI konterte prompt. Angesichts der Opfer, welche die Arbeitgeber für die Arbeitsgemeinschaft brächten, sei die Auffassung des ADGB, dass die Arbeitsgemeinschaft zeitlich begrenzt sei, durchaus begründet. Vorläufig wolle man jedoch an ihr festhalten.550 Dass auch der Bauarbeiterverband seine RAG verlassen hatte, quittierte die ZAG am 10. Juni mit der Feststellung, dass die RAG dadurch nicht in ihrer Existenz gefährdet sei.551 Den Ausschluss der Einzelgewerkschaften, die die ZAG verlassen hatten, aus dem Dachverband ADGB forderten die Arbeitgeber in diesem Falle ebenso wenig, wie sie das beim Austritt des DMV getan hatten. Denn auch ihre Spitzenverbände hatten kein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedsverbänden.552 Bis 1922 folgten auch die sozialistischen Gewerkschaften der Zimmerer, Maler, Steinsetzer, Fleischer und Kürschner.553 Der Kapp-Putsch hatte der Forderung nach Sozialisierung, vor allem der des Bergbaus, neuen Auftrieb verschafft. Auch die Gemeinwirtschafts-
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Quelle: United Archives / TopFoto / Süddeutsche Zeitung Photo
Abbildung 31: Heinrich Imbusch (1878–1945)
konzeption war plötzlich wieder en vogue. Die Montanindustriellen Stinnes und Vögler reagierten darauf mit der energisch vorangetriebenen Verflechtung der Grundstoff- und der weiterverarbeitenden Industrie sowie mit der Gründung der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union im Dezember 1920. Diese Interessengemeinschaft stellte eine in Deutschland bis dahin nicht gekannte Zusammenballung unternehmerischer Macht dar. Sie mobilisierte intern kurzfristiges Kapital für langfristige Investitionen, moderierte den Gegensatz zwischen Grundstoff- und Fertigwarenproduktion und war eine mächtige Antwort auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerschaft.554 Das war auch den Kontrahenten klar. Georg Werner, Vertreter der Fachgruppe Bergbau des Butib, fürchtete im Oktober 1920 im Reichswirtschaftsrat, dass mit der vertikalen Konzentration „die politischen Rechte durch die wirtschaftlichen Machtverhältnisse annulliert würden“. Nicht nur der christliche Bergarbeiterführer Heinrich Imbusch kritisierte im Zuge der Debatte über die Sozialisierungspläne für den Bergbau die jahrzehntelang feindselige Ablehnung der Zechenunternehmer. Werner mahnte:
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„Dieselben Herren, die Jahrzehnte lang allen unseren Forderungen die starre Verneinung entgegengesetzt hatten, fanden plötzlich den Weg zu uns, und wir haben uns in der Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden. Wir haben in der Arbeitsgemeinschaft mitgearbeitet und haben durch Aufbietung aller Kräfte uns letzten Endes durchgesetzt und einen Bürgerkrieg verhütet […] Wenn es nicht den Eindruck erwecken soll, dass die Unternehmer die Arbeitsgemeinschaft nur eingegangen sind, um dieses Schlimmste im eigenen Interesse zu verhüten, dann müssen diese schon etwas umdenken lernen.“
Der Braunkohlenindustrielle Silverberg und ähnlich Stinnes räumten ein, es sei der „grösste Fehler des Unternehmertums“ gewesen, „die Arbeiterschaft nicht rechtzeitig heranzuziehen und sich die unverbrauchten Kräfte nutzbar zu machen“. Beide sahen in der Kapitalbeteiligung der Belegschaften über Kleinaktien die Alternative zur Sozialisierung. Zudem wollten sie die Betriebsräte nutzen, um qualifizierte Arbeitnehmervertreter zu entwickeln, „die wir in die Betriebsleitungen hineinnehmen können“. Die Gewerkschafter erkannten dagegen in der strikten Trennung der Betriebsführung von der Verfügung über das Betriebskapital den einzig möglichen Weg, um zu einer höheren und preiswerteren Kohleversorgung zu gelangen. Friedrich Edler von Braun, Präsident der Reichswirtschaftsrates, warnte im Einklang mit Silverberg vor den Nachteilen der Besetzung von Unternehmensleitungen nach politischen und administrativen Kriterien und deren nicht gewinnorientierte Betriebsführung. Unverkennbar war für Löffler vom Bergarbeiterverband, „dass hier zwei Weltanschauungen sich gegenüberstehen“.555 Tatsächlich stießen die Mitarbeiterbeteiligungspläne und Stinnes als ihr Propagandist auf harsche Ablehnung der Bergarbeitergewerkschaft.556 Dass Stinnes mit Sozialdemokraten und Imbusch – vermutlich in der sogenannten Verständigungskommission des Reichswirtschaftsrates – vertraulich über mögliche Sozialisierungsszenarien sprach, nahm Wiedfeldt angesichts der Skepsis des Krupp-Konzerns gegenüber Stinnes als „Anzeichen, wie er [Stinnes] geschäftlich und wirtschaftspolitisch, jetzt auch sozialpolitisch absolut führend ist“.557 Wiedfeldts Patron, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, verzichtete freilich auf eine aktive Rolle in der ZAG und überließ Stinnes das Feld.558 Von der Unterstützung des dominierenden Industriellen Stinnes hing das Schicksal der Arbeitsgemeinschaft ab, nachdem sie im Kapp-Putsch mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davongekommen war. Dagegen war die Schwäche der Weimarer Koalition jetzt unübersehbar. Denn die „Führungsrolle“559 des ADGB im KappPutsch hatte insbesondere der SPD nichts genutzt. In den Reichstagswahlen vom Juni 1920 halbierte sich ihr Stimmenanteil nahezu. Mit der Parole „Der Feind steht links!“560 hatten die Arbeitgeber im Vorfeld auch die Mehrheitssozialdemokratie attackiert. Die Ränder wurden gestärkt, und das Bürgertum war deutlich nach rechts gerückt.
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10. Um Löhne und Zulagen: das Problem der Inflation Im Dezember 1919 wurde in der ZAG die Auswanderung von Fachkräften angesprochen. Der VDA-Vorsitzende Sorge machte die unsicheren inneren Verhältnisse, Borsig die „radikalen Treibereien“ dafür verantwortlich. Der Chemieindustrielle Franz Oppenheim wähnte im „Terror“ der Handarbeiter den Grund für die Auswanderung höherer Angestellter. Legien sah in auskömmlichen Löhnen die angemessene Antwort und wurde darin von Hilger unterstützt, der freilich zum Ausgleich Preiserhöhungen verlangte. Zunächst sollte die Landwirtschaft Preiszuschläge für die rechtzeitige Ablieferung von Getreide und Kartoffeln erhalten. Reichsarbeitsminister Schlicke forderte die Arbeitgeber dazu auf, eine Teuerungszulage zu zahlen. Legien suchte den Schulterschluss mit den Arbeitgebern. Während diese eine sozial gestaffelte Teuerungszulage vorschlugen, rechneten die Arbeitnehmer mit einer allgemeinen Preissteigerung. Diese auszugleichen, so VDA-Geschäftsführer Tänzler, sei Sache von Tarifverhandlungen. Legien notierte zunächst eine sozial zu staffelnde Teuerungszulage als Beschluss. Sofort meldeten Vertreter des Baugewerbes und der Zuckerindustrie den Vorbehalt an, dass man diesen Beschluss womöglich nicht umsetzen werde. Ein Arbeitnehmervertreter der Holzindustrie wollte den Beschluss der ZAG mittels Zwangsschlichtung durch die Regierung durchsetzen lassen. Er provozierte den zutreffenden Einwand, die ZAG sei kein „Exekutivorgan“. Auf Vorschlag Raumers wollte sich Legien im Fall des Baugewerbes dafür einsetzen, dass die zusätzliche Belastung der Arbeitgeber wenigstens bei der Bezahlung öffentlicher Aufträge berücksichtigt werde. Die Höhe der Zulage blieb gleichwohl umstritten und sollte noch verhandelt werden, obwohl die Preiserhöhungen zu Jahresbeginn in Kraft treten sollten. Immerhin akzeptierten die Arbeitnehmer die Formulierung, dass die neuen Milliardenlasten der Industrie durch erhöhte Anstrengungen der Arbeitnehmer wettgemacht werden sollten. Was zunächst unverbindlich klang, konnte gegen sie verwendet werden, wenn zusätzliche Anstrengungen ausblieben.561 Die RAG Chemie machte sich sofort an die Umsetzung des Beschlusses und organisierte Verhandlungen vor Ort über die zu zahlende Zulage. Arbeitskämpfe infolge der inflationsgetriebenen Teuerung blieben hier 1920 weitgehend aus. Kleinere Chemiebetriebe und Arbeitgeber anderer Branchen fürchteten dagegen den Lohndruck durch die erfolgreichen Tarifverhandlungen. Im Frühjahr 1921 verhärtete sich auch in der Chemieindustrie die Haltung der Arbeitgeber.562 Die Regierung hatte unterdessen begonnen, Lebensmittel und Verbrauchsgüter für eine Übergangszeit zu subventionieren. Sie hoffte, damit
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eine höhere Arbeitsproduktivität anzustoßen. Der Preisauftrieb begann seit Frühjahr 1920 die Reallohnzuwächse des Vorjahres aufzuzehren.563 Die Industrie forderte im Februar 1920, die Bewirtschaftung aufzuheben, oder wenigstens angemessene Höchstpreise. Freilich war sich der VdESI selbst uneins, ob er nun durch Deregulierung rasch Weltmarktpreise erreichen oder doch an der moderaten Preisbindung festhalten wollte.564 Die Chemieindustrie ventilierte die Festsetzung der Höchstpreise durch ihre Arbeitsgemeinschaft. Cohen prognostizierte, dass in diesem Fall die Preissteigerungen den Lohnerhöhungen davonliefen. Er und Legien erblickten in Nahrungsmittelpreisen, die das Zehnfache der Vorkriegspreise betrugen, die Obergrenze. Darüber hinausgehende Erhöhungen hätten die Unternehmer voll auszugleichen. Der Vorsitzende der liberalen Gewerkvereine, Neustedt, kritisierte den „krudensten Eigennutz“ der Landwirtschaft. Legien sah in bindenden Lieferverpflichtungen die Voraussetzung höherer Preise. Ein Gutsbesitzer betonte dagegen den Kapitalmangel der Landwirtschaft. Selbst der Papierindustrielle Kraemer hielt die vom Zechenverbandsvorsitzenden Hugenberg geforderte vollständige Aufhebung der Bewirtschaftung für unmöglich. Im Mai 1920 wurde im Zusammenhang mit einer Kurzarbeiterunterstützung das Problem diskutiert, dass die Lohngegenüber den Preiserhöhungen zurückfielen. Die Arbeitnehmer hielten angesichts der Preissteigerungen eine Kurzarbeiterunterstützung für erforderlich. Der Malermeister Martin Irl glaubte, dass das Handwerk diese keinesfalls tragen könne. Friedrich Untucht brachte seitens der Arbeitgeber eine freiwillige Abgabe der betroffenen Betriebe ins Spiel. Für Sorge war die Kurzarbeiterunterstützung eine öffentliche Aufgabe. Kraemer plädierte für ein Ende der Erhöhung von Preisen und Löhnen. Im Juni 1920 kritisierte der Vertreter der Angestellten, Schweitzer, ein Rundschreiben des RDI, das sich gegen weitere Lohnerhöhungen ausgesprochen hatte.565 Die „Arbeitgeberzeitung“ forderte gar den Lohnabbau. Ein „vertrauliches, internes Rundschreiben“, so Sorge, verstoße nicht gegen die Grundsätze der ZAG, da es kein offizielles Dokument der VDA darstelle. Legien akzeptierte diesen Standpunkt, zumal Sorge angesichts des Preisniveaus Lohnsenkungen ausschloss. Radikalen Strömungen in der Arbeiterschaft verlieh das Papier der VDA gleichwohl Auftrieb. Im Sommer 1920 sorgte dann der Vorwegabzug von zehn Prozent auf die Einkommensteuer für Unruhen und wilde Streiks, da diese Maßnahme bei den Betroffenen als Lohnkürzung ankam.566 Die Reichsregierung beriet im September 1920 die bedenkliche wirtschaftliche Lage, die sich in steigenden Kurzarbeiterzahlen, hohen Preisen und niedrigem Betriebskapital der Unternehmen niederschlage. Reichsschatzminister Hans von Raumer forderte zwar „ein unerschrockenes Programm auch in sozialen und wirtschaftlichen Fragen“. Die
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Abbildung 32: Hans von Raumer (um 1920)
Überlegungen verloren sich jedoch in der Frage, ob dafür Neuwahlen oder ein Eintritt der SPD in die Regierung erforderlich seien.567 Funktionierte das Bündnis zwischen Chemieindustrie und Fabrikarbeiterverband dank ordentlicher Konjunktur, Innovationen und wachsender Beschäftigung der Branche gut568, nahmen die Bedenken der Arbeiterschaft im Allgemeinen gegenüber dem Bündnis mit den Arbeitgebern zu. Im Januar 1921 diskutierte die ZAG einmal mehr die Preissteigerungen für das Volksnahrungsmittel Kartoffeln. Noch immer kauften Betriebe oder deren Betriebsräte selbst ein, um ihre Arbeitnehmer zu versorgen.569 Die Arbeitgeber erklärten, den Lohnforderungen nicht nachkommen zu können. Nur Lohnabbau oder Mehrarbeit könne den Preisabbau bewirken.570 Gustav Roesicke, Vorsitzender des Bundes der Landwirte, klagte über den Rückgang der Erträge und die Verringerung des Viehbestandes. Die Landwirtschaft schwimme nur deshalb im Geld, weil sie während des Krieges keine Ersatzbeschaffung habe durchführen können. Bei Düngemitteln seien Preissteigerungen eingetreten, die weit über den Erträgen landwirtschaftlicher Produkte lägen. Das wollten weder Cohen und Graßmann als Vertreter des ADGB noch Baltrusch von den Christlichen Ge-
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werkschaften akzeptieren. Die Landwirtschaft habe ihre Hypotheken mit entwertetem Geld getilgt. Die Verbraucherpreise lägen weitaus über der zehnmal so hohen Belastung, gemessen an der Friedenszeit, die Roesicke für die Landwirtschaft beklage. Wenn man der Landwirtschaft gestatte, das Maximum herauszuholen, müsse man das auch den Arbeitnehmern zugestehen. Die Arbeitnehmer forderten angesichts von Reallöhnen, die bei 60 bis 70 Prozent des Vorkriegsniveaus lägen, die Preise für landwirtschaftliche Produkte zu verringern, zumal sich die Erzeuger mittlerweile mit Maschinen eingedeckt hätten. Am Ende beschloss die ZAG auf Initiative der Arbeitgeber eine Resolution, die eine Orientierung der Preise namentlich für Kartoffeln an den Selbstkosten empfahl. Kaum überraschend, war das Problem damit nicht vom Tisch. Georg Schmidt, Vorsitzender der Landarbeitergewerkschaft, erwähnte am 1. April 1921 die von der Regierung geplanten Getreidepreiserhöhungen, die Lohnerhöhungen nach sich zögen. Untucht und andere begrüßten diese Preiserhöhungen, da sie zu höherer Agrarproduktion führen würden, was im Interesse der Arbeiterschaft liege. Zugleich plädierten sie für die teilweise oder gar vollständige Aufhebung der staatlichen Bewirtschaftung und Getreideeinfuhren der Regierung. Dagegen forderten die Vertreter von Arbeitern und Angestellten den Verzicht auf Brotpreiserhöhungen und die Fortsetzung der Bewirtschaftung. Stinnes hielt dagegen an seinem Konzept fest. Er wollte die Bewirtschaftung aufheben. Dass steigende Lebensmittelpreise durch Lohnerhöhungen auszugleichen seien, galt ihm als „selbstverständlich“. ADGB-Chef Leipart zweifelte angesichts der Stellungnahmen der VDA vom Herbst 1920 jedoch genau an dieser Bereitschaft. Immerhin stellte die Arbeitgeberseite Lohnerhöhungen in Aussicht, sollte es zu Preissteigerungen kommen.571 Angesichts anstehender neuerlicher Brotpreiserhöhungen kritisierte Leipart in der ZAG, dass die Landwirtschaft nicht genügend Getreide abliefere und die Bevölkerung sich zu Schwarzmarktpreisen werde versorgen müssen. In der Konsequenz würden die Gewerkschaften bald gezwungen sein, „Forderungen zu erheben, über die die Arbeitgeber vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“. Tatsächlich hatte der ADGB bereits am 5. August, zum Leidwesen der VDA, die Einzelgewerkschaften dazu aufgerufen, Teuerungszulagen einzufordern. Es liege jetzt an den Arbeitgebern, so Leipart, eine Lösung aufzuzeigen. Baltrusch wollte darüber anders als Leipart zunächst im Zentralvorstand verhandeln, was Sorge dankbar aufgriff. Dieser vermisste den Maßstab, mit dem die Rückwirkung der Teuerung gemessen werden könne. Womöglich werde sich an dieser Frage der Lohnanpassung an ständig steigende Preise das Schicksal der Arbeitsgemeinschaft entscheiden. Sorge gab sich eher pessimistisch.
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Abbildung 33: Hermann Bücher (um 1925)
Dagegen sah Leipart jetzt die Arbeitgeber in der Pflicht, eine Lösung anzubieten. Hermann Bücher – der Simons als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des RDI abgelöst hatte, nachdem dieser Außenminister geworden war – schlug einen Appell an die RAGn vor, Streiks in jedem Fall zu vermeiden. Die Arbeitgeberverbände sollten sich ihrerseits an ihre Mitglieder wenden. VDA-Geschäftsführer Tänzler betonte, dass man die Arbeitgeber nicht zu generellen Lohnerhöhungen zwingen könne und dass diese sich einer zentralen Lohnerhöhung widersetzen würden. Er wollte lokal über Lohnerhöhungen verhandeln. Im Zentralvorstand forderten Schweitzer und Baltrusch die am 1. April vereinbarte Teuerungszulage ein. Tänzler und andere Arbeitgebervertreter bezweifelten die generelle Teuerung, waren aber bereit, im Rahmen der Aushandlung von Tarifverträgen darüber zu sprechen. Diese jedoch könne man nicht einfach „über den Haufen werfen“. Vögler befürchtete, die Teuerungszulage werde die Teuerung erst richtig beflügeln. ADGB-Vorstand Graßmann wollte die Tarifverträge im Kern erhalten, aber Teuerungszuschläge vereinbaren. Man habe vergeblich versucht, Preissenkun-
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gen durchzusetzen. Wenn die Landwirtschaft Welthandelspreise zu realisieren versuche, müssten eben auch Weltmarktlöhne gezahlt werden. Andernfalls erhalte der Arbeiter nur ein paar Papiermark aus der Notenpresse mehr. Der Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften, Baltrusch, brachte das Problem auf den Punkt: „Die Preiserhöhungen eilen immer voraus, ehe die Löhne nachfolgen.“ Anders als Stinnes waren die Arbeitnehmervertreter in der ZAG, so Leipart im ADGB-Bundesausschuss, „auch Vertreter der Konsumenten, nicht nur der Produzenten“. Graßmann, aber auch der liberale Metallgewerkschafter Czieslik warnten, die ZAG müsse das Problem lösen, andernfalls sei dies Wasser auf die Mühlen ihrer Kritiker in der Arbeiterschaft. Sorge konterte mit der Bemerkung, auch in den Reihen der Arbeitgeber werde Kritik an der ZAG geübt. Die VDA machte Lohnerhöhungen in der Wahrnehmung der Gewerkschaften davon abhängig, dass produktionshemmende Absprachen beseitigt würden, namentlich hinsichtlich der Arbeitszeiten. Der ADGB wähnte darin eine „Kampfansage“. Er wollte den „arbeiterfeindlichen Bestrebungen“ der VDA entgegentreten. Cohen plädierte im ADGBBundesausschuss gleichwohl für den Erhalt der Arbeitsgemeinschaft. Die ZAG einigte sich am Ende auf eine Empfehlung an die Tarifparteien, über eine Teuerungszulage zu verhandeln. Im Oktober wurden wieder hohe Einzelhandelspreise für Kartoffeln und Fleisch kritisiert. Ende November 1921 stellte die ZAG angesichts einer erfolglosen Eingabe bei der Regierung fest, dass sie die Verbraucherpreise letztlich gar nicht und die Höhe der Löhne in den einzelnen Branchen nur sehr mittelbar zu beeinflussen vermochte.572 Nicht nur die Bergarbeiter setzten höhere Löhne durch, die sich über höhere Energiepreise sofort auf alle Verbraucherpreise auswirkten. Auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst konnten – kritisch beäugt von der ADGB-Führung – deutliche Lohnerhöhungen erzielen, die das Wachstum der Staatsverschuldung beschleunigten.573 Selbst der eher moderate Elektroindustrielle Siemens beklagte im August 1921 die trotz eines berechtigten Kerns übertriebenen Lohnforderungen der Gewerkschaften. Diese versuchten in seinen Augen „die Leidenschaften wieder aufzupeitschen“, um dem abnehmenden Interesse an politischen und gewerkschaftlichen Fragen entgegenzuwirken. Er forderte Reichsarbeitsminister Brauns auf, den Soziallohn zu unterstützen, d. h. eine Bezahlung nach Familienstand und -größe. Tatsächlich erfreute sich der Soziallohn vor allem bei den Christlichen Gewerkschaften einiger Sympathie. Siemens war überzeugt, der ledige Arbeiter verdiene zu üppig.574 Er stand hier für zahlreiche Arbeitgeber, die den Gewerkschaftsführern unterstellten, hohe Lohnforderungen zur Mobilisierung der eigenen
10. Um Löhne und Zulagen: das Problem der Inflation225
Mitgliedschaft einzusetzen. Brauns teilte diese Auffassung. Freilich galt das auch umgekehrt für die Arbeitgeberverbände, die sich durch die Ablehnung von Lohnerhöhungen gegenüber den Mitgliedern profilieren mussten. Dennoch hielten die Unternehmer an der ZAG fest, in der sie mit eben jenen Gewerkschaftsführern verhandelten.575 Borsig – seit 1920 als Nachfolger Rieppels an der Spitze des GDM – kritisierte im Zusammenhang mit der Frage von Soziallöhnen die LohnPreis-Spirale: „Im volkswirtschaftlichen Sinne müsse darauf gedrungen werden, dass die Inflation aufhöre oder eingedämmt werde, dass das Kapital möglichst ausgenützt werde und deshalb dem ledigen Arbeiter weniger gegeben werde als dem mit Familie.“ Allerdings hielt er die im Sinne der Senkung der Faktorkosten notwendigen Soziallöhne nicht für durchführbar. MAN-Syndikus Guggenheimer lehnte sie ebenfalls ab, weil die geringere Leistung älterer Arbeitnehmer besser entlohnt werde.576 Ohnehin sahen sich ältere Arbeitgeber häufig so diskriminiert, dass sich der Sozialpolitische Ausschuss der ZAG 1920 / 21 mit der Forderung nach einer Einstellungspflicht befasste.577 Der GDM war in jedem Fall entschlossen, die von den Gewerkschaften geforderten reichsweiten Tarifabkommen, auch reichsweite Mantelverträge, abzulehnen.578 Die Demobilmachung hatte eine Massenarbeitslosigkeit vermieden, aber einen Sockel an Beschäftigungslosen, mit Notstandsarbeiten Beschäftigter oder Kurzarbeiter nicht verhindern können.579 Im Mai 1920 hatten die Arbeitgebervertreter in der ZAG die Bitte des Reichsarbeitsministeriums abgelehnt, sich an einer Kurzarbeiterunterstützung zu beteiligen. Sorge forderte stattdessen Überstunden im Bergbau. Stünde der Industrie ausreichend Kohle zur Verfügung, müsse auch nicht kurzgearbeitet werden. Die Reichsregierung beharrte im Februar 1921 auf einer von den Sozialpartnern zu finanzierenden Arbeitslosenversicherung. Im März 1921 lehnte sie höhere Sätze der im November 1918 als Demobilmachungsmaßnahme eingeführten Unterstützung für Erwerbslose ebenso ab wie eine Kurzarbeiterunterstützung oder die Reduzierung der Arbeitszeit. Das folgende Kabinett genehmigte immerhin, eine einmalige Zulage zur Erwerbslosenfürsorge zu gewähren.580 Die VDA, der VdESI und namentlich die „Arbeitgeberzeitung“ riefen schon seit dem Vorjahr nach längeren Arbeitszeiten.581 Dagegen schlug Cohen im Juni 1921 erneut Arbeitszeitverkürzungen vor. Für sein Pendant Hoff war das gerade bei den in Phasen des Aufschwungs knappen Facharbeitern undenkbar. Sorge wandte sich gegen generelle Regelungen und bevorzugte stattdessen kurzfristige Absprachen. Dagegen trat Leipart im August 1921 angesichts der Unterstützung kurzarbeitender Kalibergleute vehement für eine generelle Regelung ein. Für Cohen war diese von „ungeheurer Bedeutung“ für die Gewerkschaften.
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Vor dem Hintergrund von Kursgewinnen der Kaliaktien forderte Bergarbeiterchef Sachse Anfang September 1921 eine Tariflohnerhöhung für die Kalibergarbeiter, da deren Löhne zurückgeblieben seien. Zudem sollte eine erhebliche Zahl von Kurzarbeitern durch eine paritätisch von Gewerkschaften, Unternehmen und Staat zu tragende Zahlung unterstützt werden. Kraemer erkannte dagegen in Kursgewinnen kein Indiz für steigende Produktivität. RDI-Geschäftsführer Bücher verwies auf einen Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands der ZAG, der Sonderregelungen für den Kalibergbau ausschloss. Leipart bestand weiter auf einer generellen Regelung der Kurzarbeiterunterstützung. Baltrusch hielt die DrittelLösung für „maßvoll“. Aber selbst das Handwerk sah sich außerstande, Rückstellungen aufzubringen. Ein weiteres Problem war der in der Kriegs zeit geschmolzene Abstand zwischen Facharbeiter- und Hilfsarbeiterlöhnen, für die Leipart die Arbeitgeber verantwortlich machte. Er forderte von den Arbeitgebern zugunsten der Arbeiterfamilien eine bessere Unterstützung von Auszubildenden. Das wollte Hoff immerhin prüfen und den RAGn nahelegen. Die Kurzarbeiterunterstützung akzeptierte die Arbeitgeberseite im Oktober 1921 unter der Voraussetzung, dass die bisherige Erwerbslosenfürsorge des Staates von einer Arbeitslosenversicherung abgelöst werde. Tatsächlich kam diese erst 1927 zustande.582 Am 10. November 1921 diskutierte Reichskanzler Josef Wirth mit den Sozialpartnern den Plan einer Kreditaktion der Industrie, die der Reichsregierung die notwendigen Devisenbeträge verschaffen wollte, um Reparationsforderungen zu bedienen. Stinnes und Silverberg forderten im Gegenzug die privatwirtschaftliche Führung der Staatsbetriebe einschließlich der Eisenbahn, was von den Sozialpartnern gemeinsam ins Werk gesetzt werden könne. In Übereinstimmung mit einer Resolution des ADGB lehnte Cohen den Vorschlag rundweg ab, vorsichtig unterstützt von Baltrusch. Sollte ursprünglich die Privatindustrie für den Kredit bürgen, sollten dies nun die Staatsbetriebe tun. Ausschlaggebend war auch eine wachsende Opposition in den Reihen des RDI gegen die ‚Erfüllungspolitik‘.583 Stinnes sah in der Privatisierung aller staatlichen und kommunalen Betriebe die Möglichkeit, die öffentlichen Haushalte ohne neue Steuern und ohne Belastung der Sachwerte zu stabilisieren. Er wollte „den demokratischen Staat von den Aufgaben […] befreien, die nur der alte Obrigkeitsstaat und auch noch verhältnismäßig schlecht lösen konnte“. Nur unter dieser Voraussetzung war er bereit, „dem Staat eine wirkliche Hilfe angedeihen zu lassen“.584 In den Augen der Gewerkschaften wollte die Großindustrie, nachdem sich alle Sozialisierungspläne in Wohlgefallen aufgelöst hatten, die Gunst der Stunde nutzen, um selbst die bestehenden öffentlichen Betriebe zu
11. Die Kontroverse um die Außenhandelsabgabe227
beseitigen. In der ZAG reagierten sie mit der Forderung nach höheren Löhnen. Ende November 1921 rief Leipart angesichts der „enormen Preissteigerungen auf allen Gebieten“ die Arbeitgeber dazu auf, Lohnforderungen nicht mehr mit dem „bisherigen Widerstand“ zu begegnen. Der ADGB sehe sich ständig Forderungen der aufgebrachten Arbeiterschaft konfrontiert, die eine Einheitsfront aller Arbeiterorganisationen gegen Preiserhöhungen und für die Amnestierung der politischen Gefangenen verlangten. Die „Bewilligung erheblicher Lohnerhöhungen“ galt Leipart als beste Antwort auf die „kommunistische Propaganda“. Der Arbeitgebervertreter warf den Gewerkschaften vor, die Nivellierung der Löhne zu betreiben. Er empfahl die soziale Staffelung nach Familienstand und Qualifikation. Leipart konterte, dass man bereits vor dem Krieg eine Staffelung befürwortet habe. Gegen den Widerstand der Arbeitgeber hätten die Gewerkschaften einen Mindestlohn durchgesetzt, den jene sogleich zum Normallohn erklärt hätten. Angesichts des verminderten Abstands zwischen Fach- und Hilfsarbeiterlöhnen habe man höhere Löhne fordern müssen. ADGB-Vorstandsmitglied Graßmann warf den Arbeitgebern vor, bei schlechter Konjunktur billigere Kräfte einzustellen und teurere verheiratete und / oder gelernte Kräfte zu entlassen.585 Die bereits während des Krieges angelaufene Spirale steigender Verbraucherpreise nicht zuletzt für Grundnahrungsmittel und Textilien drehte sich in den ersten zwei Jahren der Existenz der Arbeitsgemeinschaft immer weiter. Die Sozialpartner fanden darauf letztlich keine andere Antwort als Teuerungszulagen, deren Effekte stets verpufften.
11. Die Kontroverse um die Außenhandelsabgabe Der Wertverlust der deutschen Währung, aber auch die Erwartung hoher Reparationszahlungen des Deutschen Reichs verzerrten die Außenhandelsbeziehungen. Während die Einfuhr von Rohstoffen und Lebensmitteln tendenziell immer teurer wurde, bestand die Gefahr, dass deutsche Industrieprodukte zu Schleuderpreisen – namentlich über die besetzten Gebiete im Westen – exportiert wurden. Andererseits wünschte man auch keine massenhafte Einfuhr von Fertigfabrikaten zu Lasten der deutschen Industrie. Angesichts des beiderseitigen Interesses der Sozialpartner am Wirtschaftsstandort Deutschland wurde der Außenhandel zu einem zentralen Thema des Spitzengremiums. Hatte das Tandem Wissell / Moellendorff 1919 eine eher strikte Lenkung angestrebt, begann Reichswirtschaftsminister Schmidt den Außenhandel zu liberalisieren. Er hoffte, durch Einfuhrbeschränkungen und einen umfangreichen Fertigwarenexport bei gleichzeitigem Verbot des Exports von Rohstoffen, Lebensmitteln und
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Zwischenprodukten die Währung zu stabilisieren.586 Prompt beschleunigte sich der Preisanstieg. Die seit der Kriegszeit bestehenden, dezentralen Außenhandelsstellen waren 1919 in ihren künftigen Kompetenzen sowohl zwischen den Sozialpartnern als auch zwischen dem Reich und den süddeutschen Bundesstaaten umstritten, da die Akteure naturgemäß unterschiedliche Vorstellungen hegten, welche Güter zu welchen Preisen aus- und eingeführt werden sollten. Die Regierung ihrerseits wollte die Kontrolle des Außenhandels nicht vollständig den Selbstverwaltungsgremien überlassen. Ihr Reichskommissar kontrollierte die Außenhandelsstellen. Raumer forderte im August 1919 die Zentralisierung der Exportpreiskontrolle.587 Im Oktober verhandelte die ZAG über die Folgen des schwindenden Außenwerts der Mark. Dabei stellten sich die üblichen Argumentationsmuster ein. VdESIGeschäftsführer Reichert erkannte in den seitens der Regierung künstlich niedrig gehaltenen Preisen die Ursache für den Export zu Schleuderpreisen. Der Papierindustrielle Kraemer beklagte ebenfalls die einseitige Verbraucherpolitik der Regierung. Das Ausland liefere Rohstoffe, die man mit Fertigprodukten zu Dumpingpreisen bezahle, die dann auf dem Binnenmarkt fehlten. Kraemer hätte die Stabilisierung des Außenwerts der Mark als Voraussetzung für eine verbesserte Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie vorgezogen, doch hielt er den weiteren Verfall des Außenwerts für unvermeidlich. Als Vertreter der Grundstoffindustrie fiel Reichert der Rat an die Adresse der Exporteure leicht, lieber mal auf einen Auftrag zu verzichten, wenn dieser nicht zu Weltmarktpreisen vergütet werde. Die Grundstoffindustrie exportierte zu Weltmarktpreisen die Produkte, die im Inland das Angebot für die verarbeitende Industrie verteuerten. Raumer sah die Verantwortung für den Export zu Schleuderpreisen eher bei den Ausfuhrstellen. Vier- bis fünffach höhere Rohstoff- und Lohnkosten im Vergleich zur Vorkriegszeit hätten eine erhebliche Kapitalschwäche der Betriebe bewirkt. Borsig sah gar das Überleben der Großbetriebe gefährdet, da Lohnsteigerungen deren Betriebskapital verzehre. Jansson als Vertreter des ADGB erblickte dagegen in den zu niedrigen deutschen Löhnen die Ursachen für die Verschleuderung deutscher Produkte. Sprach sich Kraemer für die Abschaffung der „Zwangswirtschaft“ aus, argumentierte Jansson gegen die Deregulierung. Weltmarktpreise auf dem Binnenmarkt würden eine Welle von Preiserhöhungen auslösen. Gegen Kraemer hielt Jansson sogar eine gleitende Lohnanpassung für denkbar. Legien gab sich zuversichtlich, dass die Arbeitgeber bei Weltmarktpreisen Lohnzuschläge zahlen würden.588 Die Debatten spiegelte die Haltung des RDI im November. Nur die Schwerindustriellen Stinnes, Reichert und Hugenberg plädierten hier für Weltmarktpreise auf dem In-
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landsmarkt, was Ausfuhrkontrollen erübrigt hätte. Die Mehrheit des RDI forderte von der Regierung, den Außenhandel auch weiterhin auf Selbstverwaltungsbasis zu lenken.589 Eine Arbeitsgruppe der ZAG unter Raumer legte am 18. November 1919 ihre Überlegungen vor. Paritätische Selbstverwaltungsgremien der RAGn sollten sicherstellen, dass grundsätzlich zu Welthandelspreisen exportiert wurde. Die Exportpreise sollten die Rohstoff- und Lohnkosten sowie den Außenwert der Mark berücksichtigen. Ein Reichskommissar sollte als Rekursinstanz über Beschwerden entscheiden. Raumer und Legien waren sich in der Ablehnung der von der Regierung geplanten Exportzölle einig. Stattdessen schlug die Kommission eine Außenhandelsabgabe der Exporteure von fünf Prozent vor, die zur Unterstützung von Invaliden, Rentnern und Geringverdienenden zu verwenden sei. Kraemer erwartete zwar Widerstände des Exporthandels, denn dieser sei der Auffassung, dass Weltmarktpreise nicht erzwungen werden könnten. Gleichwohl empfahl die ZAG schließlich eine Abgabe von maximal fünf Prozent, deren sozialpolitische Verwendung man ebenfalls billigte. Die Regierung erließ eine entsprechende Außenhandelsverordnung. Außenhandelszölle waren damit vom Tisch, und paritätische Außenhandelsstellen wurden aufgebaut – ein Erfolg der ZAG. Als sich der Außenwert der Mark vorübergehend erholte, wirkte die Abgabe jedoch als Exportbremse.590 Der VdESI wollte bei der Regierung die Befreiung von Eisen- und Stahlerzeugnissen beantragen.591 Schon im Mai 1920592 wandte sich Stinnes gegen die Ausfuhrkontrolle und -abgabe, da man im Interesse von Devisen den Außenhandel längst hätte freigeben sollen. Er fühlte sich von der Regierung bevormundet und eingeschränkt. Hatte Kraemer noch ein Ende von Preis- und Lohnsteigerungen gefordert, postulierte Stinnes: „Wir krankten nicht an zu hohen Löhnen, denn wenn man Arbeit verlange, müsse man auch Löhne zahlen, mit denen sich die Arbeiter ernähren könnten. Es müsse in der Industrie mehr geleistet werden.“ Schweitzer und Cohen lehnten für die Arbeitgeberseite die Deregulierung („Manchestertum“) ab. Graßmann erinnerte an die Folgen für die ZAG, wenn die Arbeiterschaft den Eindruck gewönne, in der Industrie keine Zukunft mehr zu haben. Stinnes warnte dagegen, durch falsche politische Eingriffe die Exportfähigkeit der Industrie weiter zu beschränken. Für den sinkenden Außenwert der Mark und die dadurch ausgelösten „enormen Preissteigerungen“ machte er vor allem die Bergarbeiter verantwortlich: „Wenn die Arbeiterschaft nicht bereit sei, mehr Kohle zu fördern, dann ginge die ganze Industrie zugrunde.“ Sachse konterte, die Bergarbeitergewerkschaften seien erfolgreich für Überschichten eingetreten. Durch ihre Ablehnung, sich an einer Kurzarbeiterunterstüt-
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zung zu beteiligen, hätten die „Freunde von Herrn Stinnes“ der ZAG „den schwersten Schlag versetzt“. Der Mahnung Cohens, dass die Arbeiterschaft jegliches Interesse am Gemeinwohl verliere, wenn man ihr nicht helfe, stimmte Stinnes durchaus zu. Er empfahl, dass zunächst der Staat die Kosten der Kurzarbeiterunterstützung übernehmen solle, bis die ZAG eine Lösung gefunden habe. Aber auch diesen Vorschlag lehnte Sorge für die Arbeitgeberseite ab. Tatsächlich hätte die Regierung die Unterstützung vor allem mit Hilfe der Notenpresse finanziert. Für Stinnes waren die Lohnkosten und die Kosten für Unterstützungsmaßnahmen offenkundig nachrangig gegenüber seiner Absicht, die Produktion zu steigern. Die vom Verein der Deutschen Maschinenbauanstalten ultimativ geforderte Aufhebung der Ausfuhrabgabe scheiterte im Reichswirtschaftsrat; allenfalls sollten die Tarife der Abgabe geprüft werden. Legien und die Vertreter der beiden anderen Gewerkschaftsrichtungen stimmten dem zu, wollten aber eine durchschnittliche Abgabe von fünf Prozent auf alle Güterkategorien bewahren. Tatsächlich waren Gewerkschaften und Unternehmer einer Branche für eine Minderung der Abgabe eingetreten, um das gemeinsame Interesse an Beschäftigung und Gewinnen zu sichern. Nachdem die Kritik der Mitglieder an der Außenhandelsabgabe im Jahresverlauf immer lauter geworden war, forderte der RDI im September 1920 den sofortigen Verzicht auf die Abgabe. Der VdESI erklärte sich zwar zum „grundsätzlichen Gegner“ der Abgabe, war aber kompromissbereit. Wie ihm seitens der Regierung geraten worden war, warb der RDI um Unterstützung der ZAG. Der Verband betonte zugleich, dass seine Forderung von den Betriebsräten und Gewerkschaftsorganisationen der betroffenen Industrien unterstützt werde.593 Reichsfinanzminister Wirth warnte die ZAG, dass bei einem Wegfall der Abgabe die Finanzierung der Lebensmittelsubventionen sowie der Erwerbslosen-, Kriegsbeschädigtenund Hinterbliebenenfürsorge gefährdet sei.594 Bei Cohen war durch die einseitige Forderung der Eindruck entstanden, dass der RDI künftig wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen ohne die Mitsprache der Arbeitnehmervertreter treffen wolle. Der RDI-Vorsitzende Sorge räumte eine „starke Erregung“ der Arbeiterschaft ein. Er entschuldigte das einseitige Vorgehen mit organisatorischen Problemen. Wie Hoff und Frowein betonte er das große Interesse der Arbeitgeber am Fortbestehen der Arbeitsgemeinschaft. Die Arbeitnehmer bekundeten ihr „Mißtrauen“. Legien betrachtete den RDI als stillschweigenden Partner des Stinnes-Legien-Abkommens, der sich folgerichtig an die Abmachungen der ZAG zu halten habe. Kraemer forderte die Herabsetzung oder Streichung der Abgabe auf Antrag in Einzelfällen; immerhin sei das Aufkommen aus der Abgabe mit 450 Millionen Mark sehr hoch. Im Übrigen solle
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die Abgabe ausschließlich für Unterstützungsleistungen, aber keinesfalls für die Subventionierung des Brotpreises verwendet werden. Legien und andere Arbeitnehmervertreter wollten an den vereinbarten fünf Prozent grundsätzlich festhalten. Offenbar bestand im Reichsfinanzministerium die Tendenz, die Abgabe gleichsam als Steuer für alle möglichen Zwecke zu verwenden. Schon im Oktober wurde deutlich, dass für die Aufrechterhaltung der Rentenzahlungen statt bislang 250 jetzt 500 Millionen Mark benötigt wurden. Daher billigten auch die Arbeitnehmervertreter, dass sich die ZAG für den ursprünglichen Verwendungszweck einsetzte.595 Im April 1921 waren sich beide Seiten zwar über die Aufrechterhaltung der Außenhandelskontrollen einig, nachdem der erneute Kursverfall der Mark die Regierung veranlasst hatte, Lockerungen wieder zurückzunehmen. Die Gewerkschafter Leipart, Schweitzer und Neustedt bestanden jedoch weiter auf der Abgabe und darauf, sie für soziale Zwecke zu verwenden. Der Angestelltengewerkschafter Schweitzer glaubte, dass die Abgabe das Preisniveau niedrig halte, was Frowein und Hoff für die Arbeitgeberseite bestritten. Letzterer sah die Entente-Staaten, nicht die deutschen Sozialrentner als Nutznießer der Abgabe. Die Frage der von Deutschland an die vormaligen Kriegsgegner jährlich zu zahlenden Reparationen rückte in den Fokus auch der ZAG. Reichsaußenminister Simons hatte schon im Sommer 1920 für die Mitarbeit der Sozialpartner an der ‚Erfüllungspolitik‘ gegenüber den ehemaligen Kriegsgegnern plädiert. Stinnes hatte ihn anlässlich der Konferenz von Spa durch eine herausfordernde Rede an die Adresse der Entente und eine von antisemitischen Zügen nicht freie Polemik gegen die Reparationspolitik der deutschen Regierung konterkariert. Seine Haltung wurde von der Schwerindustrie geteilt. Immerhin hatte sich in den Augen der Arbeitgeber die Arbeitsgemeinschaft mit den Gewerkschaften hervorragend bewährt.596 Jetzt, 1921, forderten die Entente-Mächte ultimativ zwei Milliarden Goldmark zuzüglich 26 Prozent der Exporteinnahmen pro Jahr. Nur durch Kredite, so der Industrielle Kraemer, seien diese Summen aufzubringen. Er berief sich auf niederländische Fachleute, die – zutreffend – vorhersagten, dass die Reparationen zu erheblichen Verwerfungen auf dem Weltmarkt führen würden. Unter diesen Vorzeichen war die Außenhandelsabgabe sinnvoll. Sie beschränkte die Exporte und entlastete den öffentlichen Haushalt, der andernfalls Unterstützungsleistungen anderweitig hätte aufbringen müssen. Insofern deutsche Exporte durch Abtretung eines Teils der Erlöse faktisch behindert wurden, konnten die geforderten Summen in Gold nur durch Kredite des Auslandes und eine galoppierende Staatsverschuldung aufgebracht werden, die über die Notenpresse finanziert wurde. Die deutsche Regierung vermochte den massiven Drohungen mit der
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Besetzung deutscher Industriegebiete kaum mehr entgegenzusetzen als die Furcht der Gläubiger vor dem Bankrott des Schuldners. Hoff setzte in diesem Sinne darauf, die Amerikaner durch galoppierende Inflation und finanzielle Destabilisierung dazu zu bewegen, ihre französischen Verbündeten zur Vernunft zu bringen. Während die Gewerkschaftsvertreter die Forderung der Industrie billigten, Betriebe, die unter deutschen Wirtschaftssanktionen (etwa gegen Polen) litten, aus öffentlichen Mitteln zu entschädigen, lehnte sie die Abschaffung der Ausfuhrabgabe weiter ab.597 Der „sprunghafte Anstieg der öffentlichen Ausgaben“598 für soziale Belange machte die Regierung in dieser Frage zum Verbündeten der Arbeitervertreter in der ZAG. Sie bereitete 1921 / 22 einen Gesetzentwurf vor, nach dem alle Ausfuhren der Abgabe unterworfen worden wären. Die Angelegenheit wurde jetzt zwischen Regierung, RDI und Reichswirtschaftsrat verhandelt. Sie war kein Thema der ZAG mehr.599 Auch das war ein Indiz für den wirtschaftspolitischen Funktionsverlust der ZAG. 1922 nahm die Entwertung der Währung wieder Fahrt auf und setzte die ZAG zusätzlich unter Druck.
VI. Inflation und Stabilisierung: das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft 1922–1924 Die Arbeitsgemeinschaft stand auch für den Konsens der Sozialpartner, die im Krieg begonnene Inflation fortzusetzen, um eine Anpassungskrise im Übergang zur Friedenswirtschaft zu vermeiden. Sinkende Arbeitszeiten bei steigenden Löhnen waren letztlich der Preis, den die Industrie zahlte, um mit Hilfe der Gewerkschaften Eingriffe in die Wirtschaftsordnung zu vermeiden. Da das Angebot an Gütern stets hinter der Nachfrage zurückblieb, konnten höhere Löhne durch höhere Preise kompensiert werden. Viele Güter unterlagen zwar der Regulierung. Dennoch billigte der Staat häufig Preiserhöhungen, zumal wenn sie von beiden Sozialpartnern gefordert wurden. Seit 1922 gingen die Unternehmen dazu über, ihre Preise auf der Grundlage der angenommenen Wiederbeschaffungskosten zu kalkulieren, was den Preisauftrieb anheizte. Freilich waren steigende Löhne und Preise bei geringem Angebot nicht allein für den Inflationsdruck verantwortlich. So wenig wie dem Kaiserreich während des Krieges, so wenig gelang es auch der Republik, durch steuerliche Maßnahmen Kaufkraft abzuschöpfen und ihre Haushalte auszugleichen. Die öffentlichen Haushalte finanzierten sich in wachsendem Maße durch Schatzwechsel – so wie es während des Krieges praktiziert worden war. Die Reichsbank unterstützte nicht nur den Staat über die Notenpresse, sondern gewährte auch der Industrie Kredite. Schon diese Faktoren drückten den Außenwert der Mark. Aber die Krise war nicht nur „hausgemacht“. Dazu kamen Reparationsforderungen in Gold oder Devisen, die über den Außenhandel kaum aufzubringen waren. Denn nicht zuletzt die Vereinigten Staaten betrieben als Gläubigernation zugleich eine Schutzzollpolitik. Freilich war dieser Widerspruch Ausdruck globaler handels- und währungspolitischer Verwerfungen in der Zwischenkriegszeit. Die regierenden ‚Erfüllungspolitiker‘ hofften, durch guten Willen den Reparationsgläubigern die Unerfüllbarkeit ihrer Forderungen vor Augen zu führen. Die meist politisch rechts stehenden Kritiker der Erfüllungspolitik – unter ihnen Stinnes – setzten auf eine Art finanziell-politisches brinkmanship, das heißt auf die Drohung mit dem Staatsbankrott und dem politischen Chaos. Das Entgegenkommen der Reparationsgläubiger hielt sich gleichwohl in Grenzen. Frankreich beharrte auf seinen Forderungen, und Großbritannien machte ein Entgegenkommen von Zugeständnissen der Vereinigten Staaten bei
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VI. Inflation und Stabilisierung: Scheitern der Arbeitsgemeinschaft
Quelle: akg-images / Fototeca Gilardi
Abbildung 34: Folgen der Inflation: Taschen voller Banknoten werden verladen
der interalliierten Verschuldung abhängig. Je weniger sich eine Lösung des Reparationsproblems abzeichnete, desto deutlicher nahm der Druck auf den Außenwert der Währung zu. Nach einer deutlichen Erholung 1920 und 1921 begab sich die Mark ab 1922 wieder auf Talfahrt. Mit dem passiven Widerstand gegen die Besetzung des Ruhrgebietes durch Frankreich und Belgien im Januar 1923 explodierten die Staatsausgaben in einer Hyperinflation mit den charakteristischen Erscheinungsformen: immer schnellere Zirkulation des Geldes, der Mangel an Papiergeld, das stündlich an Wert verlor, der Mangel an Zahlungsmitteln überhaupt, Kapitalflucht ins Ausland, der Übergang der Rechnung in Gold und Devisen, der Rückgang der Investitionen, der partielle Zusammenbruch des Handels, die Einschränkung der Produktion, zunehmende Arbeitslosigkeit und schließlich die Plünderung von Feldern und Lebensmittelgeschäften. Namentlich das Betriebskapital der klein- und mittelständischen Industrie entwertete sich zusehends. Damit ebbte auch die Streik- und Aussperrungswelle ab, die 1922 ihren Zenit überschritten hatte. Es gelang den Arbeitnehmern zunehmend weniger, die Reallohnzuwächse der unmittelbaren Nachkriegszeit zu verteidigen und Reallohneinbußen zu verhindern.600
1. Gegensätzliche Sanierungsvorschläge235
Quelle: KAS, ACDP: Fotoarchiv
Abbildung 35: Heinrich Brauns (1868–1939)
Der Ton, den die „Arbeitgeberzeitung“, das Sprachrohr der Arbeitgeber, gegenüber den Repräsentanten, Einrichtungen und namentlich den Eigenbetrieben der Republik anschlug, wurde seit 1921 zusehends rauer. Der eher konservative Reichsarbeitsminister Brauns mahnte die Industrie im September 1921, nicht die „nationalistische Fronde“ der Rechtsparteien gegen die Reichsverfassung und Reichsregierung zu unterstützen und dadurch das Verhältnis zu den Arbeitnehmern zu gefährden.601
1. Gegensätzliche Sanierungsvorschläge Im November 1921 forderten ADGB und AfA in einer Eingabe an den Reichskanzler Wirth ein Sanierungsprogramm. Der Zentrumspolitiker führte eine Minderheitsregierung unter Beteiligung der Sozialdemokratie. Die Gewerkschaften forderten die „Stilllegung der Notenpresse“ zur Gesundung des Staatshaushaltes, eine die Sachwerte belastende Steuerpolitik, die Sozialisierung des Bergbaus, den Ausbau der Außenhandelskontrolle mit Einfuhrbeschränkungen und eine Erhöhung der Ausfuhrabgabe, um
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VI. Inflation und Stabilisierung: Scheitern der Arbeitsgemeinschaft
Valutagewinne abzuschöpfen.602 Ein tragfähiges Stabilisierungskonzept war das nicht.603 Die Debatte in der ZAG war nur ein Ausschnitt der öffentlichen Auseinandersetzung über eine mögliche Stabilisierung im Spannungsfeld von Inflation und Reparationsforderungen.604 RDI-Geschäftsführer Bücher forderte in der ZAG ebenfalls eine Sanierung der Finanzen. Hatte die ZAG im Oktober 1921 noch die Bereitschaft bekundet, jedes Opfer zu bringen, das nicht auf „Selbstvernichtung“ hinauslaufe,605 so kritisierte Bücher im Januar 1922 die „Erfüllungspolitik bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit“. Das Londoner Ultimatum über 132 Milliarden Goldmark galt ihm als unerfüllbar. Die Debatte verlief jedoch eher richtungslos. Für Bücher grassierte in Europa die Arbeitslosigkeit, da Deutschland zu viel exportiere, aber nicht konsumiere. Wissell glaubte, auch Länder mit starker Währung hätten neue Industrien aufgebaut, die kostengünstiger produzierten als die deutschen Wettbewerber. Zudem seien die Arbeiter steuerlich stärker belastet als andere soziale Gruppen. Der GDMVorsitzende Borsig forderte längere Arbeitszeiten. Dagegen sah Stinnes im Mangel an Betriebskapital infolge der Zwangswirtschaft in der Wohnungswirtschaft und im Bergbau die Ursache für einen Modernisierungsrückstand. Die Zechen waren mit Preiserhöhungswünschen häufiger am Veto des Reichswirtschaftsministeriums gescheitert. Wenn intensiver gearbeitet werde, so Stinnes weiter, bedürfe es keiner verlängerten Arbeitszeiten. Der Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften, Baltrusch, verlangte, dass die Deregulierung auch auf Kartelle und Trusts angewendet werden müsse. Stinnes und die Schwerindustriellen standen genau für diese Konzentration. Der Papierindustrielle Kraemer beklagte im März 1922 einmal mehr die Spirale von Teuerungszuschlägen und Preiserhöhungen, wenn die Menge der produzierten Güter nicht gesteigert werden könne. Er machte dafür die „schematische Anwendung“ des Achtstundentags verantwortlich und forderte zuschlagspflichtige Überstunden. Statt hohe Dividenden zu zahlen, so die Gewerkschafter Baltrusch, Neustedt, Sachse und Umbreit unisono, sollten die Unternehmen in Modernisierung investieren, bevor man an die Verlängerung der Arbeitszeit denke. Der Textilindustrielle Frowein erblickte in mangelhafter Ausfuhrkontrolle, nicht in fehlenden Investitionen die Ursache eines zu geringen Angebots an Textilien.606 Der Entwurf eines Arbeitszeitgesetzes der Regierung wurde im Laufe des Jahres 1922 im Reichswirtschaftsrat und nicht in der ZAG debattiert. Die Arbeitgeberverbände wähnten hinter den Lippenbekenntnissen der Autoren zur Tarifautonomie eine „polizeistaatliche und engherzig bürokratische Regelung“.607 Tatsächlich war die Haltung differenzierter. Der Metallindustrielle Bosch und RDI-Geschäftsführer Bücher plädierten für eine flexible Umsetzung des Achtstundentags, die Schwerindustriellen
1. Gegensätzliche Sanierungsvorschläge237
Stinnes und Thyssen – im Einklang mit dem VdESI – jetzt für die Verlängerung der Arbeitszeit. Baltrusch und der christliche DGB gestanden den Arbeitgebern zu, dass während des Achtstundentags nicht intensiv genug arbeitet werde. Selbst in der Sozialdemokratie befürwortete eine Minderheit die Ausweitung der Arbeitszeit. Ein Indiz war das Plädoyer des ADGB-Vorsitzenden Leiparts für und des ZAG-Geschäftsführers Cohen gegen ein unbedingtes Festhalten am Achtstundentag vor dem Reichswirtschaftsrat.608 Die Gewerkschafter vertraten jedoch die vom ADGB-Bundesausschuss verfolgte Linie. Er hatte im Dezember 1921 den Achtstundentag zum „Mittelpunkt des Arbeitsrechts“ erklärt. Im März 1922 wies er jeden Versuch der Aufweichung zurück. Durch Innovation könne mehr Produktivität erzielt werden als durch verlängerte Arbeitszeiten. Rückständige Betriebe könnten nur aufgrund der Valutagewinne noch mit Gewinn betrieben werden.609 Der Versuch des ADGB, die ZAG einzuschalten, um einen Streik der mitteldeutschen Bergleute abzuwenden, scheiterte an der Weigerung von Hoff und Borsig, bergbauspezifische Fragen zu verhandeln. Die ZAG dürfe sich nicht zum Schiedsrichter aufschwingen. Folgerichtig wurde die Angelegenheit der RAG Bergbau zugewiesen.610 In der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung gerieten die Gewerkschaften mit ihrem Festhalten am Achtstundentag allmählich gegenüber den Arbeitgebern ins Hintertreffen.611 Die süddeutschen Metallindustriellen lösten im Frühjahr 1922 mit ihrem Vorstoß, die Wochenarbeitszeit von 46 auf 48 Stunden zu verlängern, einen wochenlangen Arbeitskampf aus. Sie beantworteten Streiks – die vom GDM finanziell unterstützt wurden – mit weiträumiger Aussperrung. Für Leipart stand damit „das Interesse der gesamten deutschen Arbeiter auf dem Spiel“. Auf Sympathie in der Öffentlichkeit stieß der Streik jedoch kaum. Die in einer Gruppe zusammengeschlossenen süddeutschen Verbände der Metallindustrie bestanden gegenüber dem Reichsarbeitsministerium auf der 48-Stunden-Woche und beriefen sich auf die christlichen Gewerkschaften, die sich damit schon abgefunden hätten. Die Vermittlungsversuche des Reichsarbeitsministers Brauns scheiterten. Er konnte sich nicht zwischen seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Verlängerung der Arbeitszeit, seiner Sorge vor den politischen Konsequenzen eines entsprechenden Schlichtungsangebotes und seinem Unwillen entscheiden, sich mit einem verbindlichen Schlichterspruch über die Tarifautonomie hinwegzusetzen. Am Ende machten die Arbeitgeber unter dem sanften Druck der bayerischen Regierung das Zugeständnis, dass die Arbeiter für die 48. Stunde einen Überstundenzuschlag erhielten.612 Die Gewerkschaften hätten, so der Vorsitzende des hessischen Bezirksverbandes der Metallindus-
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triellen, Georg Büchner, „mit einer Zähigkeit gekämpft, wie man es nicht für möglich gehalten hätte“. In der Konsequenz forderte Büchner alle Bezirksverbände auf, gegebenenfalls die 48-Stunden-Woche durchzusetzen. Borsig notierte „den vollständigen Sieg der Arbeitgeber“. Zwar habe man „dem Gegner eine Brücke gebaut“, aber „nicht aus Gold, sondern aus Talmigold“. Dabei waren Querschüsse aus den eigenen Reihen gekommen, da Metallunternehmen aus anderen Bezirken um Facharbeiter im Konfliktgebiet warben.613 Der Sieg der Arbeitgeber in Süddeutschland ermöglichte auch den Berliner Metallarbeitgebern, die dort 1921 vereinbarte 46,5-Stunden-Woche zu überwinden. Der DMV hatte unter seinen Mitgliedern keine hinreichende Zustimmung zu einem Streik gefunden.614 Die Papierindustrie folgte nach einem Schiedsspruch im August 1922.615 Der VdESI forderte jetzt, die Vereinbarung zum Achtstundentag im Stinnes-Legien-Abkommen zu revidieren.616 Der Geschäftsführer des Zechenverbands, Löwenstein, betonte im Bergbau-Verein,617 die Zechen hätten sich 1918 zwar „sofort loyal auf den Boden des Arbeitsgemeinschafts-Gedankens gestellt“. Mittlerweile sehe man jedoch, „daß das im Jahre 1918 gelegte Fundament nach und nach zu zerbröckeln beginnt“. Löwenstein wähnte die Industrie in einem Zweifrontenkampf gegen die „Folgen der Erfüllungspolitik“ und den „Marxismus, der mit seinen Forderungen dem deutschen Unternehmertum […] das Rückgrat brechen will“. Pauschal qualifizierte er nahezu die gesamte Sozialpolitik von der Steuerpolitik über das Betriebsräte- und Arbeitsnachweisgesetz, die Schlichtungsverordnung bis zum Washingtoner Abkommen als arbeitgeberfeindlich ab. Die RAG Bergbau kranke an „übertriebene[n] Forderungen“ der Gewerkschaften. Im Gegensatz zu diesen müssten die Arbeitgeber „nicht nur Arbeitgeber- und Werksinteressen, sondern auch die Belange der gesamten Volkswirtschaft verfechten“. Verhandlungen bedeuteten nur noch „Zeitvergeudung“: „Man ist daher dazu übergegangen, von vornherein die oberste Stelle, also den Reichsarbeitsminister, um die Entscheidung in Lohnfragen anzugehen. Von […] von gegenseitigem Verständnis getragenen Verhandlungen kann kaum noch die Rede sein, da ja die Lohnfragen, deren Regelung doch schließlich 90 % des eigentlichen Daseinszwecks der Arbeitsgemeinschaft ausmacht, sie [die RAG Bergbau] nicht mehr beschäftigen.“
Die Rede Löwensteins stand für die wachsende Entschlossenheit der Schwerindustrie, ihre Zurückhaltung in der Sozialpolitik im Allgemeinen und in der Arbeitszeitfrage im Besonderen aufzugeben. Das sollte sich ab Herbst 1922 zeigen. Das Attentat auf Außenminister Rathenau am 24. Juni 1922 beantworte ten die Gewerkschaften mit großen Demonstrationen. ADGB-Chef Leipart
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scheute sich in dieser Situation nicht, selbst mit den Kommunisten in Kontakt zu treten und eine Amnestie für alle verurteilten Linken zu fordern.618 Das Eis für die Protagonisten der Arbeitsgemeinschaft im ADGB wurde immer dünner. Selbst im Fabrikarbeiterverband wurden die Stimmen lauter, die der ziemlich erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft mit der Chemieindustrie eine Absage erteilen wollten.619 Auf dem Kongress der ADGBGewerkschaften im Juni 1922 stimmte eine Mehrheit der Delegierten für den Antrag, aus der ZAG auszutreten. Allerdings vertrat diese Mehrheit der Delegierten nicht die Mehrheit der Mitglieder, so dass der Antrag gescheitert war. Nur noch eine dünne Mehrheit der Einzelgewerkschaften trage das Engagement in der Arbeitsgemeinschaft mit, so Leiparts Schlussfolgerung im Bundesausschuss. Der Grundsatz der Parität mit den Arbeitgebern werde von einer starken Minderheit in Frage gestellt, die keine Wirtschaftsdemokratie wünsche und dafür die Unterstützung zahlreicher Delegierter erhalten habe. Er und Wissell warnten, dass man den Reichswirtschaftsrat verlassen müsse, sollten sich die Gewerkschaften entschließen, die ZAG aufzugeben. Denn die dortigen Abgeordneten würden von der ZAG bestimmt. Womöglich würden die christlichen und liberalen Gewerkschaften die ZAG dann allein fortsetzen. Seitz, der Vorsitzende der Buchdrucker, und andere wollten vermeiden, dass die Frage der Arbeitsgemeinschaft zu einer Entscheidung für oder gegen den ADGB-Bundesvorstand führte. Mit der Existenz des Reichswirtschaftsrates habe sich die ZAG ohnehin fast erledigt. Die DMV-Vorsitzenden Dißmann und Reichel betonten in diesem Sinne, dass der DMV in der ZAG nicht mehr mitarbeiten könne, weil diese von der Mehrheit der Mitglieder abgelehnt werde. Gleichwohl werde man in anderen Gremien paritätisch mit den Arbeitgebern zusammenarbeiten. Im Widerspruch dazu stand freilich das Plädoyer des DMV für reine Arbeiterkammern statt paritätischen Arbeitskammern. Am Ende wurde die Frage des Verbleibs des ADGB in der ZAG nicht entschieden.620 Dass es 1922 vermehrt zu örtlichen Reibereien zwischen den einzelnen Gewerkschaftsrichtungen kam, tat ein Übriges, die Arbeitsgemeinschaft zu schwächen. Naturgemäß drangen die Arbeitgeber darauf, dass die Christlichen und Liberalen nicht von den ADGB-Gewerkschaften ausgebremst wurden.621 Selbst in der RAG Chemie begann die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen 1922 zu schrumpfen.622 Nachdem der Kohlenpreis von 468 Mark pro Tonne am 1. März auf 1.208 Mark pro Tonne am 1. Juli 1922 gestiegen war,623 überschritt die Feinunze Gold im August 1922 den Preis von 1.000 Papiermark nachhaltig. Der Zweite Vorsitzende des ADGB, Graßmann, und Baltrusch warnten am 15. August 1922, „daß die Zentralarbeitsgemeinschaft ihre Berechtigung verliere, wenn sie in der augenblicklichen Lage völlig versage“.624
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Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung
Abbildung 36: Peter Graßmann (1873–1939), Zweiter Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
Einen Tag später schilderte Bücher Stinnes seine Eindrücke vom Zustand der ZAG.625 Cohen sei zwischenzeitlich krankheitsbedingt aus der ZAG ausgeschieden. An seine Stelle sei Franz Spliedt getreten. Dieser leitete die Sozialpolitische Abteilung des ADGB-Vorstandes. Daneben hätten noch Graßmann und Baltrusch die Arbeitnehmerseite vertreten. Aber: „Von der Arbeitgeberseite, wie immer in den letzten Sitzungen, ich allein. (Die Vereinigung [d. i. die VDA] drückt sich systematisch vor diesen Verhandlungen und oft müssen Gegenstände von der Tagesordnung abgesetzt werden, weil sie ohne Anwesenheit der Vereinigung nicht behandelt werden können.) Das macht natürlich einen schlechten Eindruck.“
Die VDA hatte im Vorjahr die Mitgliedsverbände an ihren Alleinvertretungsanspruch gegenüber der ZAG und der Reichsregierung erinnert,626 um sich jetzt faktisch aus der ZAG zu verabschieden. Graßmann habe, so berichtete Bücher weiter, nach Erledigung der Tagesordnung gefragt, wie denn die ZAG „den völligen Zusammenbruch verhüten“ könne. Offenbar sei die Gewerkschaftsleitung selbst unsicher. Auch finanziell gehe es den
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Gewerkschaften nicht gut. Sie müssten zu viele Funktionäre bezahlen. Seiner, Büchers, Auffassung, dass die Gewerkschaften „einen neuen Gedanken“ finden müssten, andernfalls sie in sich zusammenfallen würden, sei nicht widersprochen worden. Er habe immer wieder den Versuch gemacht, mit den Gewerkschaften über die wirtschaftliche Lage zu sprechen, diese hätten jedoch stets die Lohnfrage in den Vordergrund gestellt. So könne man jedoch keine Wirtschaftspolitik machen. Gleichwohl bedürfe diese der Zustimmung der „Massen“. Die Gewerkschaften hätten diese freilich nur durch „radikale Redensarten und Phrasen hinter sich gebracht“. Auch die „Arbeitgeberzeitung“ erhob den Vorwurf, dass die Gewerkschaften versuchten, durch Lohnforderungen die Mitglieder zu mobilisieren, den Rückgang an Mitgliedern zu bremsen und den Wettbewerb mit den konkurrierenden Gewerkschaftsrichtungen zu führen.627 Die Industrie müsse, so Bücher weiter, die Forderung erheben, dass die Gewerkschaften „die Industriellen als wirtschaftspolitische Führer anerkennen“. Dagegen lese er in der sozialdemokratischen Presse nur von „Stinnesierung“, „Stinnesknecht“, „Auspowerer“,628 obwohl doch „Stinnes mehr Arbeitern Brot verschafft hätte als die Gewerkschaftsführer alle zusammengenommen“. Seine, Büchers, Gesprächspartner hätten dagegen ihre Wertschätzung für Stinnes bekundet und versichert, sie stünden nicht hinter der Pressekampagne gegen diesen. Ein Wirtschaftsprogramm der Industriellen würden sie durchaus unterstützen, wenn es eine für sie akzeptable Form habe. Der Geschäftsführer des RDI hielt die Lage mithin für günstig, im Geschäftsführenden Vorstand der ZAG eine Debatte darüber anzustoßen. Stinnes taufte im Mai 1922 in Gegenwart des Reichspräsidenten Ebert eines seiner Schiffe auf den Namen „Carl Legien“. Die Führung des ADGB war der Zeremonie offenbar ferngeblieben.629 Angesichts des schwindenden Konsens in der ZAG beschwor Stinnes mit dieser Geschichtspolitik die einst erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Gewerkschaftsführung. Unausgesprochen unterstellte er, Legien habe einst, anders als seine gegenwärtigen Nachfolger, die Notwendigkeit verstanden, sich mit den Arbeitgebern zu einigen und dafür substanzielle Zugeständnisse zu machen. In der Arbeiterschaft stieß diese Instrumentalisierung mit dem Segen des (sozialdemokratischen) Reichspräsidenten auf Skepsis. Stinnes gab weiteren Neubauten derselben Klasse die Namen seiner Unternehmerkollegen Emil Kirdorf und Albert Vögler. Andere Schiffe ließ Stinnes auf Hindenburg, Ludendorff und Tirpitz taufen. In den Augen vieler, namentlich jüngerer Arbeiter wird diese fragwürdige Aufwertung das Ansehen des verstorbenen Gewerkschaftsführers eher beschädigt haben, galt er doch als Protagonist der Kriegs- und Nachkriegspolitik der Mehrheitssozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften. Kommunisten und Syndikalis-
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ten konnten ihr Narrativ bestätigt sehen, dass die sozialdemokratische Führung die Arbeiterklasse an das Großkapital verraten habe.630 Im Juni 1922 analysierte der RDI-Vorsitzende Bücher in einem öffentlichen Vortrag und im Vorstand seines Verbands das Problem der Verschuldung Europas gegenüber den Vereinigten Staaten. Er erkannte den Zusammenhang zwischen deutschen Reparationsschulden und der Verschuldung der Reparationsgläubiger untereinander und gegenüber den Vereinigten Staaten. Vor dem Krieg seien passive Zahlungsbilanzen durch Dienstleistungen und Kapitalrückflüsse ausgeglichen worden. Diese Auslandskapitalien seien verlorengegangen. Sie müssten nun durch Anleihen ersetzt werden, um die Währung zu stabilisieren. Die Anleihen seien dann aus Einnahmen des Staates zu bedienen, der auf inflationsfinanzierte Haushaltsdefizite verzichten und seine Eigenbetriebe sanieren solle. Auf der Basis einer stabilen Währung könne Deutschland dann wieder exportieren. Allerdings werde sich dann das Problem der allenthalben wachsenden Zollmauern auswirken. Das setzte das Ende der dem Reich auferlegten einseitigen Meistbegünstigung voraus. Wenn Deutschland dann unter gleichen Bedingungen produziere wie das Ausland, müsse es freilich mehr arbeiten: „Die Notenpresse ist dann stillgelegt, und die Differenz ist nur zu erzielen durch Arbeit, Arbeit und wieder Arbeit.“ Ergänzend sollten die Kohlenbewirtschaftung und die Mietpreisbindung aufgehoben werden. Bücher stieß damit bei Kraemer, Stinnes, Silverberg, Vögler und anderen auf positive Resonanz.631 Mit ähnlicher Zielrichtung forderte auch der VdESI die Beseitigung der Ausfuhrabgabe und die Korrektur der Lohnpolitik.632 Im neu eingerichteten Sonderausschuss des RDI für ein Wirtschaftsprogramm plädierten die Montanindustriellen Silverberg und Vögler für ein Ende der bisherigen ‚Erfüllungspolitik‘. Folgerichtig lehnte Silverberg eine amerikanische Anleihe ab. Die Bevölkerung, so Vögler, sehe keinen Sinn darin, mehr zu arbeiten, wenn dies nur der Entente zugutekomme. Für Silverberg trugen die Gewerkschaften die Verantwortung dafür, dass für immer weniger Arbeit immer mehr bezahlt werden müsse. Die „Überwindung der Arbeitsunlust“ stand für Silverberg an erster Stelle. Vögler wollte „der Regierung mit aller Deutlichkeit klar machen, dass die jetzige Tarifpolitik aufhören muss. Mehrbezahlung muss Mehrleistung zur Voraussetzung haben.“ Er forderte stabile Löhne für mindestens zwei bis drei Monate – kein geringes Opfer, wenn die Inflation galoppierte. Auch der stellvertretende RDI-Vorsitzende Frowein erkannte in einer veränderten Tarifpolitik die Voraussetzung der Währungsstabilisierung. Allerdings genoss diese für ihn Vorrang vor der Durchsetzung längerer Arbeitszeiten, was Silverberg genau umgekehrt sah. Dessen Forderung, reichsweite Tarifverträge zu untersagen, den Einfluss der Gewerkschaften in den einzelnen Betrieben
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zu beenden und jeden Koalitionszwang zu verbieten, was doch sehr an § 153 GO erinnerte, kratzte bereits an den Grundsätzen des Stinnes-Le gien-Abkommens. Silverberg setzte auf betriebliche Vereinbarungen und, wie Stinnes, auf Belegschaftsaktien. Duisberg warnte vor einem antigewerkschaftlichen Kurs; man werde einen Bergarbeiterstreik nicht lange durchhalten. Silverberg glaubte dagegen, mit der Bevorratung von Kohle und Lebensmitteln sowie den Sicherheitsmaßnahmen der Regierung einen Streik durchstehen zu können. Offenbar hatte die erfolgreiche Niederschlagung von Arbeiteraufständen im Ruhrgebiet das Selbstbewusstsein der dortigen Unternehmerschaft gestärkt. Für den Geschäftsführer des Verbandes der Elektroindustrie, Raumer, konnten dagegen längere Arbeitszeiten „nur mit Hilfe der öffentlichen Meinung“ durchgesetzt werden. Er wollte die Presse bis hin zu linken sozialdemokratischen Journalisten gezielt ansprechen. Das wiederum hielt Vögler für „ausserordentlich gefährlich“. Silverberg wollte die „Sünden der sozialistischen Regierung“ und die „Sünden der sozialistischen Gewerkschaften“ anprangern. Zugleich hoffte er, das Ohr sozialdemokratischer Wissenschaftler zu finden. Für die Arbeitgeber räumten der Vertreter der Papierindustrie, Lammers, und der Vertreter der Chemieindustrie, Frank, immerhin ein, dass sich die Arbeitsleistung in der verarbeitenden Industrie etwas gebessert habe. Frank beklagte „den Mangel an wirklichen Führern auf der Arbeitnehmerseite, wodurch ein Zusammenwirken ausserordentlich erschwert werde“. Gleichwohl wollte er an der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsführern festhalten. Dem Geschäftsführer der RAG Chemie war deren Dilemma geläufig: „Ich glaube, dass viele dieser Leute von unseren Ideen nicht weit entfernt sind, aber dass sie es nicht wagen, mit diesen ihren Gedanken an die Öffentlichkeit zu treten. Die Angst vor der Strasse ist bei ihnen zu gross.“ Daher wollte er mit ihnen nicht, wie von Raumer empfohlen, in der ZAG verhandeln, „sondern hier in ganz kleinem Kreis“. Clemens Lammers wollte dabei „den Eindruck weichlichen Packtierens [sic]“ mit der Sozialdemokratie vermeiden. Selbst bei Kompromissen müsse der „industriellwirtschaftliche Stempel unverkennbar bleiben“. Das Plädoyer des Vertreters der Papierindustrie für den Erhalt eines industriellen Mittelstandes und gegen den von der Großindustrie ausgehenden Konzentrationsprozess war ein Indiz, dass sich die Sorgen der kleinen und mittelständischen Unternehmen über die Folgen der Inflation mehrten. Dagegen profitierte das Firmenkonglomerat von Stinnes und Siemens – vorläufig – von der freizügigen Kreditpolitik der Reichsbank und war zugleich in der Lage, über seine internationalen Verbindungen erforderliche Devisen aufzubringen. Angesichts fortschreitender Geldentwertung setzte im Sommer 1922 eine ernste Kreditkrise ein. Ein Vertreter der sächsischen Textilindustrie
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Quelle: ullstein bild
Abbildung 37: Clemens Lammers, 1927
warnte im September, dass die Betriebe angesichts des Kapitalmangels bald ihre Produktion einstellen müssten. Die Reichsbank begann erneut, in großem Stil Handelswechsel zu diskontieren.633 Und Stinnes forderte, dass die Reichsdruckerei statt täglich 1,9 Milliarden Mark den doppelten Betrag an Papiergeld bereitstellen solle. Er verfolgte jetzt eine klare Priorität: „Erst muss die Mehrarbeit kommen, dann die Stabilisierung der Valuta an dem Tage, wo man sicher ist, das Reparationsproblem gelöst [zu] haben.“ In diesem Sinne forderte Silverberg die Überwindung der „Faulheit“ als dem wesentlichen Grund der inneren Probleme. Wilhelm Cuno, Generaldirektor der HAPAG-Schifffahrtslinie und ab November 1922 Reichskanzler, sprach sich für die „Trennung der Wirtschaft von der Politik“ aus. Kaum verwunderlich resümierte Bücher die Debatten des Sonderausschusses mit der Feststellung, dass zunächst die individuelle Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zu steigern sei.634 Damit hatte der RDI eine Richtungsentscheidung getroffen. Die Kosten der Stabilisierung sollten zunächst vor allem den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Die Sozialpartner versteiften sich zusehends auf den Erhalt
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bzw. die Abschaffung des Achtstundentags. Damit erodierten die Grundlagen der Zusammenarbeit der Arbeitgeber mit den in der ZAG verbliebenen Gewerkschaften. Stinnes hatte sich für die „bewusste und gezielte Politik der Nichtstabilisierung und Konfrontation“ mit Frankreich entschieden.635 Er war weit in jenes Fahrtwasser zurückgesteuert, das er angesichts der drohenden Niederlage im Weltkrieg verlassen hatte. Dagegen war der Generaldirektor der Gutehoffnungshütte, Reusch, seiner Position treu geblieben. Wie Wetterleuchten mutet seine Kritik an den auf europäischen Ausgleich orientierten Ausführungen Büchers an. Ihm ging es um die „Wiedererstarkung“ Deutschlands: „die Hauptsache ist doch, dass wir erstarken! Die anderen sollen sehen, wie sie zurecht kommen!“ Bücher möge „ruhig eine Attacke auf den Achtstundentag reiten“, wenigstens aber dessen „schematische Durchführung“ kritisieren. Aber: „Nicht durch ein gemeinsames Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmer kann die Arbeitsunlust bekämpft werden, sondern nur durch eine starke Regierung, die den Mut hat, energisch und rücksichtslos durchzugreifen. Wir haben in Berlin keine Regierung, sondern nur verschiedene Büros, an deren Spitze mehr oder weniger fähige Bürochefs stehen. Wir haben eine Fabrik für Gesetze, die von einem grossen Teil der Bevölkerung nicht beachtet werden, weil die Regierung keine Autorität hat und [nicht] stark genug ist, ihren Willen durchzusetzen.“636
Am 5. Oktober 1922 hatte Vizekanzler Bauer mit den Spitzenverbänden und Vertretern der ZAG die anstehende Verdoppelung der Brotpreise diskutiert. Wie VDA-Geschäftsführer Tänzler später in der ZAG schilderte, wollte Bauer durch eine Erklärung der ZAG der „Beunruhigung der Bevölkerung“ vorbeugen. Bauer empfahl den Arbeitgebern, trotz der schwierigen Lage in manchen Gewerbezweigen, eine Teuerungszulage, wie die Regierung sie für die öffentlichen Bediensteten plane. Die Arbeitgeber signalisierten verhaltene Bereitschaft. Allerdings mahnte Tänzler, die bisherigen Zuschläge seien bereits an die Grenze des Erträglichen gegangen. Leipart fragte nach der Stabilisierung der Währung. Bauer machte diese von der Regelung der Reparationen abhängig. Er betonte, „daß uns zur Stabilisierung der Mark jedwede Mittel fehlen“. Im Sinne Büchers wollte sich der Vorsitzende des Verbandes der Chemieindustrie, Frank, mit den Gewerkschaften über eine „Hebung der Leistung unserer Wirtschaft“ verständigen. Falls es dabei nicht nur wieder um die Aufweichung des Achtstundentags gehe, war Leipart dazu bereit. Der Vorsitzende der Holzarbeitergewerkschaft, Tarnow, kritisierte die „Preisdiktatur“ der Kartelle und Syndikate, die sich an den erwarteten Kosten für Rohstoffe und Löhne ausrichteten. Entsprechend müssten auch die Arbeitnehmer automatische Lohnerhöhungen erhalten. Die einst als Ordnungsfaktor geschätzten Kartelle waren auch öffentlich in die Kritik geraten. Aber die Regierung blieb
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Quelle: akg-images / TT News Agency / SVT
Abbildung 38: Hugo Stinnes (um 1922)
hier am Ende untätig. Die Sitzung endete mit dem Resümee Bauers, dass die Arbeitgeber bereit seien, „auf dem Wege des friedlichen Ausgleichs“ über eine Teuerungszulage zu verhandeln. In der ZAG lehnte Tänzler die von Bauer geforderte Erklärung der ZAG ab. Dagegen bestanden die ADGB-Gewerkschafter Graßmann und Spliedt auf einer Erklärung, um Streiks gegen den verzögerten Lohnausgleich vorzubeugen. In einer Eingabe unterstrichen die Spitzen aller drei Gewerkschaftsrichtungen am 31. Oktober 1922 die Pflicht von Regierung und Parlament, die Währung zu stabilisieren. Denn die Inflation führe alle Tarif- und Lohnverhandlungen ad absurdum. Zudem begünstige der Direkteinzug der Steuern bei den Beschäftigten im Vergleich zu den nachträglich zu entrichtenden Steuern der Unternehmen, Gewerbetreibenden und Freiberufler die „besitzenden Klassen“.637 Freilich war der Besitz eines großen Teils der Mittelschicht in Kriegsanleihen oder andere Anlagen geflossen, die durch die Inflation bereits erheblich entwertet worden waren. Auch der Unterhalt von Hausund Grundbesitz war in Zeiten regulierter Mieten bei anhaltender Inflation eher eine Bürde als eine Einnahmequelle.
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Provokativ rief Stinnes am 9. November 1922 – also am vierten Jahrestag der Novemberrevolution – vor dem Reichswirtschaftsrat „sämtlichen Deutschen“ zu: „Menschenskinder, man kann keinen Krieg verlieren und zwei Stunden weniger arbeiten wollen.“ Zur Behebung der „Unproduktivität“ forderte er die Rückkehr zum Zehnstundentag für die nächsten 15 Jahre ohne Lohnausgleich. Da diese Forderung vorhersehbar Arbeitskämpfe auslösen würde, sollten für „lange Zeit Lohnkämpfe und Streiks ausgeschlossen“ bleiben, bis wieder eine aktive Zahlungsbilanz erreicht sein würde. Gleichzeitig warnte er vor einer kurzfristigen und zu hohen Stabilisierung der Währung durch rigorose Abwertung aller Nominalwerte.638 Stinnes trug diese Forderungen dem Reichswirtschaftsrat und nicht der ZAG vor. Dass er den Reichswirtschaftsrat zunehmend als „Resonanzkörper“639 nutzte, war ein Indiz für die abnehmende Bedeutung der ZAG. Kein Wunder, dass die im März 1922 von der ZAG beschlossene Kommission zur Beilegung von Tarifstreitigkeiten kaum vorankam. Die Arbeitgebervertretungen seien sich noch nicht sicher, so klagte der AfA-Bund, ob sie sich überhaupt beteiligen wollten. Tänzler bestritt dies zwar, zweifelte aber daran, ob die Kommission von einzelnen Gewerkschaften überhaupt anerkannt würde.640 Tatsächlich wurde in der „Arbeitgeberzeitung“ die Auffassung vertreten, dass Ziffer 6 des Stinnes-Legien-Abkommens eine Vereinbarung und kein privatrechtlicher Vertrag sei, der die nachgeordneten Arbeitgeberverbände zwingend zum Abschluss von Tarifverträgen verpflichte.641 Der Rede von Stinnes folgte der Vorstoß Büchers im Zentralvorstand der ZAG. Am 10. und 11. November 1922 versuchte er die Arbeitnehmer für seine Reformvorschläge zu gewinnen.642 Er kritisierte, „daß wir mehr verzehren und verbrauchen, als wir produzieren“. Der Verfall des Außenwerts der Mark galt ihm als Indiz für den allgemeinen Verfall des Staatswesens und der Volkswirtschaft, ausgelöst durch die Folgen des Versailler Vertrages und die Umstellungen der Wirtschaft nach der Revolution. Er forderte die sofortige Stabilisierung der Währung und die Rückkehr zur Marktwirtschaft. Die einzelnen Branchen sollten von den Beteiligten selbst kontrolliert werden. Bücher sah darin die künftige Aufgabe der ZAG. Seine Forderung nach Deregulierung wurde vom christlichen Gewerkschafter Baltrusch unterstützt. Die Verstaatlichung sei nicht „der Weisheit letzter Schluß“; im Gegenteil seien wohl eher die Staatsbetriebe zu entbürokratisieren. Allerdings forderte der christliche Gewerkschafter die umfassende Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter in allen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, in Syndikaten, Kartellen und Trusts. Der Vorschlag von Stinnes und Silverberg, Belegschaftsaktien auszugeben, begrüßte er naturgemäß im Sinne der christlichen Vorstellung von der
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grundsätzlichen Interessenidentität von Unternehmern und Arbeitern.643 Der Achtstundentag war für Baltrusch „kein Dogma“. Sofern dieser gesetzlich als Normarbeitstag festgelegt werde, könnten vor Ort flexible Lösungen ausgehandelt werden. Wirksame Schlichtungsinstanzen sollten Streiks entgegenstehen. Allerdings müssten die Unternehmer „den Herrim-Hause Standpunkt auch innerlich preisgeben“. Denn nicht nur Gruppen der Arbeitnehmerschaft lehnten die Arbeitsgemeinschaft ab, sondern auch Unternehmer stünden „dem Gedanken kühl gegenüber“, wie der Widerstand gegen die paritätische Mitwirkung der Arbeitnehmer in den öffentlich-rechtlichen Kammern belege. Tatsächlich neigten auch Sozialdemokraten der Auffassung Baltruschs zu, dass die von den Arbeitgebern geforderte Leistungssteigerung gerechtfertigt und eine Verlängerung der Arbeitszeiten kaum zu vermeiden sei. Die Kritik des Unternehmerlagers an der ‚schematischen‘ Anwendung des Achtstundentags, unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit, wurde von den Christlichen Gewerkschaften geteilt. Allerdings war der Achtstundentag zum Symbol geworden, das in Frage zu stellen zumindest ein Vertreter der ADGB-Gewerkschaften kaum wagen konnte.644 Für den VDA-Geschäftsführer Tänzler lebte Deutschland von der wirtschaftlichen Substanz. Er führte diese Tatsache auf die „Hemmung der Produktion“ zurück. In seinen Augen waren es die Demobilmachungsverordnungen sowie die Herabsetzung der Arbeitszeit, die für die Produktionsbeschränkung ausschlaggebend waren. Hinter dieser Forderung verbarg sich der seit Sommer 1919 zunehmende Unwille der Unternehmer gegen wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen der Reichsministerien auf der rechtlichen Grundlage der auf sie übertragenen Demobilmachungsvollmachten. Zwar waren diese zum 1. Juli 1920 aufgehoben worden. Aber noch 1922 wurden diejenigen Vollmachten verlängert, die eigentlich durch ordentliche Gesetze ersetzt werden sollten. Förmlich beendet wurde die Demobilmachung erst zum 1. April 1924. Tatsächlich war ein Gutteil der in der Verfassung angelegten Sozialpolitik der Republik durch die befristeten Übergangs- und Ausnahmeregelungen auf dem Verordnungsweg umgesetzt worden.645 Die ZAG hätte hier mit einem gemeinsamen Programm anknüpfen können, dem sich der Gesetzgeber schwerlich hätte entziehen können. In der ZAG forderte Tänzler, die 48-Stunden-Woche für alle Arbeitnehmer zur Regel zu machen. Zudem sollten die Gewerkschaften ihren Widerstand gegen Überstunden aufgeben. Lohnerhöhungen müssten künftig an Mehrleistung gebunden werden. Jede Form von Indexlohn – wie in der RAG Chemie verhandelt646 – lehnte Tänzler daher ab. Der ADGB-Vertreter Graßmann hielt ihm entgegen, dass die Wirtschaft längst zur Fakturie-
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rung in Auslandswährung übergehe, während der Arbeitnehmer mit seiner Papiermark galoppierende Verbraucherpreise zu bezahlen habe, ganz abgesehen vom Direktabzug der Lohnsteuer. Vehement – und gegen Baltrusch gerichtet – warnte Graßmann vor jeder Aufweichung des Achtstundentags. Gegen die Forderung der Deregulierung führten Graßmann und Tarnow die Politik der Kartelle und Syndikate ins Feld, deren Preise sich am unproduktivsten Betrieb orientierten und damit den Preisauftrieb befeuerten. Indem sie zudem den Wettbewerb einschränkten, behinderten sie die Modernisierung der Betriebe. Graßmann unterstellte einigen Unternehmergruppen, dass sie eine Stabilisierung der Löhne ohne Stabilisierung der Währung anstrebten. Das wies der RDI- und VDA-Vorsitzende Sorge zurück. Auch die Industrie sei an der Stabilisierung interessiert, allerdings erst dann, wenn dies ohne Schädigung der Wirtschaft möglich sei. Holzarbeiterchef Tarnow hielt dagegen, dass die Deregulierung das Lebenshaltungsniveau der breiten Masse weiter herabdrücken werde. Offensichtlich setzte sich bei den Gewerkschaften die Erkenntnis durch, dass der Indexlohn, den man früher abgelehnt hatte, kaum mehr zu umgehen war. Die Arbeitgeber unterstellten Reichsarbeitsminister Brauns, mit einer „lohnpolitischen Diktatur“ den Gleitlohn anzustreben.647 Die praktischen Ergebnisse der Debatte der ZAG waren indessen bescheiden. Am 18. November 1922 einigte sie sich auf den Vorschlag Raumers, die Note zu unterstützen, mit der sich die Reichsregierung an die Alliierte Reparationskommission wenden wollte.648 Die Hoffnung des Geschäftsführers des Verbandes der Elektroindustrie, damit der Großen Koalition unter Einschluss der SPD und unter der Führung von Reichskanzler Wirth unter die Arme zu greifen, war zu diesem Zeitpunkt bereits gescheitert. Cuno bereitete eine rein bürgerliche Minderheitsregierung vor. Anfang Dezember bekundete die ZAG erneut die Absicht, sich in die Lösung wirtschaftlicher Probleme einzuschalten. Das hätte eine gewisse Schnittmenge gemeinsamer Interessen vorausgesetzt, die indessen immer kleiner wurde. Selbst in der RAG Chemie machte sich jetzt „Lethargie“ breit.649 Gegen Jahresende 1922 lancierte der Braunkohlenindustrielle Silverberg ein „Wiederaufbauprogramm“. Er rechnete mit einer neuen Initiative der Gewerkschaften zugunsten einer „verschärften Zwangswirtschaft“. Dagegen gelte es, „die allgemeine Stimmung, die gegenüber der sozialistischen Wirtschaftsführung doch bedenklich geworden ist, auszunutzen“ und bald ein Wirtschaftsprogramm des RDI vorzustellen.650 Er formulierte in diesem Sinne einen Forderungskatalog, der auf radikale Deregulierung und Privatisierung aller staatlichen und kommunalen Eigenbetriebe setzte. An die kongeniale Auflösung der Kartelle und Syndikate dachte Silverberg indessen nicht. Im Gegenteil sollten allein die Syndikate die Kohlenpreise
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Quelle: BArch, Bild 102-13961 / Pahl, Georg
Abbildung 39: Paul Silverberg, Oktober 1932
festsetzen. Die Ausfuhr wollte er maximal erleichtern, die Ausfuhr von Lebensmitteln und die Einfuhr von Fertigwaren sowie Luxusgütern jedoch verbieten. Dramatisch waren Silverbergs Forderungen zu den Arbeitsbeziehungen: Abschaffung des Achtstundentags durch Aufhebung aller Demobilmachungsverordnungen, Arbeitswilligenschutz, das Verbot reichsweiter und regionaler Tarifverträge, die alleinige Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte für Arbeitsstreitigkeiten, die Verbannung der Gewerkschaftsvertreter aus den Betriebsräten und ein weitgehendes Verbot der Arbeitslosenunterstützung. Das lief auf die Entmachtung der Gewerkschaften hinaus.651 Nicht nur in der Reichskanzlei galt der Katalog als „grotesk“.652 Der Bayer-Chef Duisberg kritisierte, Silverberg kehre „zum Manchestertum zurück, ohne das Gute zu behalten […], was die letzten Jahrzehnte uns gebracht haben“. Der Verzicht auf jeglichen Staatseingriff hielt er angesichts gegenwärtiger Notlagen für undurchführbar, die Abschaffung der Schlichtungsinstanzen für „gefährlich“. „Stark revolutionierend“ würden Silverbergs Vorstellungen zu den künftigen Arbeitsbeziehungen wirken. Er
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selbst habe „von jeher ein gewisses Gefühl für die Zeiterfordernisse gehabt und habe mich nicht gescheut, hin und wieder nachzugeben und Kompromisse zu schließen. Bisher bin ich mit dieser Taktik ganz gut gefahren.“653 Mit dieser Grundhaltung wurde Duisberg Vorsitzender des RDI, freilich erst 1925, als die kurze Blüte der Weimarer Republik begann. Selbst der stramm konservative Reusch kritisierte, dass Silverberg offenkundig die Nachkriegsentwicklung ignoriere und damit wenig Aussichten habe, sein Programm verwirklicht zu sehen. Nicht zuletzt störten ihn die zahlreichen Verbote in dessen Katalog. Das Verbot von Tarifverträgen galt ihm als Eingriff in die persönliche Freiheit.654 Der RDI bekannte sich dann auch nicht zu den Vorstellungen Silverbergs.655 Dessen Radikalismus stand dennoch für die wachsende Abneigung der Arbeitgeber gegen Kompromisse mit den Gewerkschaften. Der Zechenverband rief in diesem Sinne seine Mitgliedsfirmen am 22. Dezember 1922 dazu auf, weitere Lohnerhöhungen strikt abzulehnen.656 ADGB-Vorstandsmitglied Wissell hatte also allen Grund, im November 1922 in der ZAG an die einst auch von Stinnes beschworene Parität zu erinnern. Nur gleichberechtigt und unter Vorrang des Gemeinwohls könne man die wirtschaftlichen Probleme lösen.657 Denn von der Reichsregierung unter Wilhelm Cuno, das zeigte eine Unterredung mit den Gewerkschaften kurz vor dem Jahresende 1922, hatten die Gewerkschaften wenig zu erwarten.658 Auch die von Baltrusch angesprochene Frage der Handelskammern belegte die abnehmende Kompromissbereitschaft der Unternehmer. Nachdem die Frage, wie der Unterbau des Reichswirtschaftsrates nach Art. 165 WRV einzurichten sei, offen geblieben war, forderten die meisten Gewerkschaften gleichsam als Ersatz paritätische Industrie- und Handelskammern. „Nach längeren und zum Teil unerfreulichen Verhandlungen“ – in denen die Arbeitnehmervertreter offenbar mit der Kündigung der ZAG gedroht hatten – schlug RDI-Geschäftsführer Hoff einen Kompromiss vor. Grundsätzlich getrennte Gremien – also die Industrie- und Handelskammern auf der einen und Arbeitskammern auf der anderen Seite – sollten fallweise als Beschlussgremien zusammentreten. Namentlich Hoff und dem RDI wurde daraufhin vorgeworfen, dass man damit letztlich die Parität mit den Arbeitnehmern akzeptiert habe. Im Vorstand des RDI betonte Reusch, er sei zwar „ein Freund der Arbeitsgemeinschaften“, man dürfe sich dadurch aber nicht unter Druck setzen lassen. Vielmehr müsse man „kämpfen und das durchsetzen, was man erreichen könne“. Auch der Chemieindustrielle Duisberg kritisierte, einige Mitglieder des Vorstandes des RDI hätten „in persönlichen Besprechungen schon die Parität zugestanden“. Er frage sich, was die Arbeitnehmervertreter denn in den Kam-
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mern wollten, die keine sozialpolitischen Aufgaben hätten und deren wirtschaftspolitische Aufgaben kaum von größerer Bedeutung seien. Im Mai 1922 betonte der RDI in einem Rundschreiben, die Forderung nach paritätischen Handelskammern sei von ihm „mit derselben Schärfe abgelehnt worden wie vom Deutschen Industrie- und Handelstag“.659 Folglich wiesen Duisberg und Karl Hermann, Vertreter des Handwerks, auch in der ZAG im Dezember 1922 die Forderung nach integrierten Kammern zurück; getrennte Kammern sollten nach dem Vorbild der Arbeitsgemeinschaft zusammenarbeiten. Selbst die christlichen Gewerkschafter Franz Röhr und Baltrusch befürchteten, dass reine Unternehmerkammern dazu angetan seien, „den Einfluss der Arbeitnehmer gänzlich auszuschalten“. Eine Einigung wurde folgerichtig auch hier nicht erzielt.660 An der Planung eines Arbeitszeitgesetzes wollte sich die ZAG aufgrund der negativen Erfahrungen in der Vergangenheit schon gar nicht mehr beteiligen.661 Der Reichswirtschaftsrat hatte 1922 entsprechende Gesetzentwürfe der Regierung behandelt. Da sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter hier nicht hatten einigen können, stimmte die Regierung im Februar 1923 der Verlängerung der Demobilmachungsverordnung, bezogen auf die Arbeitszeiten, zu.662 Im Vorfeld hatten die VDA sowie Stinnes und der Generaldirektor der Gelsenkirchener BergwerksAG, Kirdorf, für mehr Produktion durch Überschichten geworben, die über Tarifverhandlungen und die RAG erreicht werden sollten. Reichs arbeitsminister Brauns berichtete im August 1922 über den Abschluss mehrerer Überschichtenabkommen. Allerdings sahen sich die Bergarbeitergewerkschaften einer derart heftigen Agitation der Syndikalisten ausgesetzt, dass Brauns sogar erwog, den Notverordnungsartikel 48 WRV einzusetzen.663 Weil Deutschland mit seinen Sachleistungen, die zeitweilig an die Stelle von Reparationszahlungen getreten waren, in Rückstand geraten war, besetzten Frankreich und Belgien im Januar 1923 das Ruhrgebiet, um die geförderte Steinkohle zu beschlagnahmen. Deutschland reagierte mit passivem Widerstand („Ruhrkampf“), den es mit der Notenpresse finanzierte. Stinnes hatte eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften vereinbart und Rückendeckung erbeten, sollte er gezwungen sein, mit den Franzosen zu verhandeln. Gleichzeitig beharrte er auf seinem Standpunkt, dass auch in diesem Fall Streiks nicht zu bezahlen seien.664 Der gemeinsame Gegner schien die Sozialpartner wieder zusammenzuschweißen. In der ZAG wurde eine „Ruhrhilfe“ beschlossen. Die Unternehmer wollten die vierfache Summe aufbringen, die ihre Belegschaften spendeten. Bei Tarifverhandlungen sollten beide Seiten Rücksicht auf die neue Lage nehmen. Schon am 1. März 1923 musste man einräumen, dass das Vorhaben vielfach an
1. Gegensätzliche Sanierungsvorschläge253
den örtlichen Gewerkschaftskartellen scheiterte. Insbesondere DMV-Vertreter agitierten gegen die Gemeinschaftsaktion. Leipart machte dafür das Verhalten der Gegenseite bei Lohnverhandlungen verantwortlich. Borsig kündigte an, dass die von der Berliner Metallindustrie aufgebrachten Beträge nicht mehr dem geplanten Gemeinschaftsfonds zufließen sollten. Trotzdem wollte man weiter zu Spenden aufrufen. Im April 1923 stellte man fest, dass statt der geplanten 25 Milliarden Reichsmark nur fünf Milliarden aufgebracht worden seien. Cohen räumte für den ADGB das Versagen der Gewerkschaften ein, nicht ohne den Arbeitgebern eine Mitverantwortung zuzuschreiben. Sein Kollege Spliedt warf auch dem Handwerk vor, versagt zu haben. Wissell hielt einen weiteren Aufruf zugunsten der gemeinsamen Ruhrhilfe für sinnlos. Gegen vier Stimmen, unter anderen der Cohens und derjenigen des liberalen Gewerkschafters Neustedt, folgte die ZAG der Empfehlung von Leipart und Wissell, die eingegangenen Spenden an das von Reichspräsident und -kanzler aufgelegte „Deutsche Volksopfer für Rhein und Ruhr“ zu überweisen.665 Trotz dieser Querelen verabschiedete die ZAG anlässlich des Urteils eines französischen Militärgerichts gegen Gustav Krupp eine Resolution. Sie warf der Besatzungsmacht vor, mit „brutalsten Zwangsmassnahmen und willkürlichen Gerichtsurteilen […] gegen unsere Wirtschaftsführer und die Arbeitnehmerschaft“ vorzugehen.666 Die am 20. Januar 1923 gegründeten Vereinigten Vaterländischen Verbände Deutschlands und ihre Bitte an den RDI um finanzielle Unterstützung sorgten für zusätzliche Irritationen. Es handelte sich um einen namentlich von Fritz Geisler, einer Führungsfigur der ‚gelben‘ Berufsverbände, geschaffenen Dachverband reaktionärer, völkischer, antisemitischer, jedenfalls republikfeindlicher Vereine. Die „Arbeitgeberzeitung“ hatte Geisler schon 1920 ihre Spalten geöffnet. Der 300.000 Mitglieder starke Nationalverband Deutscher Berufsverbände bildete den harten Kern des Verbandes. Borsig beklagte eine gefälschte Darstellung des Rundschreibens, mit dem der RDI die Bitte des Vereins an die Mitglieder weitergeleitet hatte, in der sozialdemokratischen Presse. Tatsächlich hatte der RDI die Bitte des Vereins mit der Bemerkung an die Mitglieder weitergereicht, dass nichts Nachteiliges über den Verein bekannt sei. Sofern eine finanzielle Unterstützung beabsichtigt sei, möge diese an den entsprechenden Arbeitsausschuss weitergereicht werden. Naturgemäß empfand der ADGBVorsitzende Leipart dies als zumindest „indirekte Unterstützung“.667 Der Verein engagierte sich nicht nur im Ruhrkampf, sondern auch gegen den angeblichen Defaitismus von Sozialdemokraten, Zentrumspartei, Linksliberalen und Gewerkschaften. Zu seinen innenpolitischen Zielen gehörte eine Arbeitsgemeinschaft der Arbeitnehmer mit den Arbeitgebern auf
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korporativer Grundlage. In Verbindung mit seiner Agitation gegen den ‚Klassenkampf‘ empfahl sich der Nationalverband als konservative Alternative zu den Gewerkschaften und deren kriselnde ZAG mit den Unternehmern.668 Die durch den Ruhrkampf ausgelöste Hyperinflation stellte die Funktionstüchtigkeit von Staat und Wirtschaft in Frage. Selbst den Kommunisten wurden die Lebensmittelkrawalle und Hungerrevolten der Bevölkerung unheimlich.669 Immer dringlicher wurde die Frage: Wie sollten Währung, öffentliche Haushalte und Betriebe stabilisiert werden?
2. Wer trägt die Last? Die Auseinandersetzung um den Achtstundentag Im März 1923 verkündete die Reichsregierung ihre Absicht eines generellen Preisabbaus. Im Gegenzug erwartete sie Zurückhaltung bei den Löhnen.670 Am 16. April kritisierte Leipart schon mit Blick auf die am Folgetag stattfindende Sitzung des ADGB-Bundesausschusses den Aufruf der VDA an die Mitgliedsverbände, Lohnerhöhungen für März und April 1923 nicht mehr zuzustimmen. Dies verstoße selbst dann gegen den Geist der ZAG, wenn nicht alle Erhöhungen postwendend durch Preiserhöhungen beantwortet würden. Im Bundesausschuss führte Leipart aus, dass das mittlerweile von dem DVP-Mitglied Johann Becker – Vorstandsmitglied der Rheinischen Stahlwerke Duisburg – geführte Reichswirtschaftsministerium das Ende und teilweise sogar den Rückgang der Preisentwicklung festgestellt habe und vor diesem Hintergrund das Ende der Lohnerhöhungen fordere. Dagegen habe man sofort bei Reichsarbeitsminister Brauns interveniert und eine Art Rücknahme erwirkt. Nichtsdestotrotz habe die VDA ihren Mitgliedern Lohnerhöhungen gleichsam untersagt. Er, Leipart, habe darüber in der ZAG „ernsthafte Worte gesprochen“. Obwohl er darin die Rückendeckung der liberalen und christlichen Gewerkschaften habe, glaubte er in seinem Bemühen um Lohnanpassungen am Ende kaum mehr zu erreichen als eine gewisse Mäßigung der VDA. Die Einzelgewerkschaften fürchteten jetzt einen breiten Lohnabbau, den die konservative Regierung womöglich mittels Verbindlichkeitserklärungen von Schlichtersprüchen durchsetzen werde. Der Bundesausschuss müsse jetzt dem „Wirrwarr und Kuddelmuddel“ im Arbeitsministerium und dem „planmäßigen Vorgehen der Arbeitgeber“ ebenso planmäßig entgegentreten. Die Debatte mündete in das Fazit Leiparts, dass Lohnerhöhungen unvermeidlich seien.671 Damit bestätigte er die Feststellung Büchers, dass den Gewerkschaften in der gegenwärtigen Krise kaum mehr einfalle als der stereotype Ruf nach Lohnerhöhungen. Allerdings traten ihnen die Arbeitgeber
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letztlich mit der ebenso stereotypen Forderung entgegen, die Löhne einzufrieren und die Arbeitszeiten zu erhöhen. Die Debatte des Geschäftsführenden Vorstands der ZAG im April 1923672 behandelte zum einen die Kampagne der VDA, die Ursachen des aktuellen Lohnniveaus und die Einführung eines Indexlohns. Wissell kritisierte, dass die Arbeitgeber aufgrund der Kampagne der VDA reihenweise Schlichtersprüche ablehnten. Laut Georg Brost, Geschäftsführer des christlichen Gesamtverbandes der Angestellten, hatten die Bergarbeiter im Reichsarbeitsministerium eingewilligt, auf eine Lohnerhöhung im März zu verzichten. Das Arbeitsministerium erwarte nun von allen Gewerkschaften dieselbe Zusage. Dagegen war die VDA grundsätzlich gegen Lohnanpassungen. Tatsächlich lehne die pommersche Holzindustrie mit Verweis auf die VDA jede Lohnanpassung ab, so Neustedt, obwohl man von einem Monatslohn von 700 Mark die Kinder nicht mehr angemessen ernähren könne. Otte, Generalsekretär der Christlichen Gewerkschaften, erinnerte an die Forderung an die Adresse des Reichsarbeitsministeriums, dass der Abbau der Preise dem der Löhne vorauszugehen habe. Für Stefan Oppenheimer, Geschäftsführer des Verbandes Berliner Metallindustrieller, war die VDA mit ihren Rundschreiben nur den Wünschen der Regierung nachgekommen. Die Lohnerhöhungen im Februar seien so hoch ausgefallen, dass der Arbeiter damit durchkomme, bis die Preise wieder, wie erwartet, fielen. Es bleibe abzuwarten, ob der neuerliche Kurssturz der Mark Preiserhöhungen nach sich zöge. Tänzler räumte immerhin ein, dass Preissenkungen im Großhandel zu Jahresbeginn 1923 von den Einzelhändlern nicht umgesetzt worden seien. Seitz, Vorsitzender des Buchdruckerverbandes, betonte einmal mehr die Diskrepanz zwischen Preis- und Lohnsteigerungen. Seien die Preise für Fertigwaren im Vergleich zur Vorkriegszeit um das 5.800-Fache gestiegen, so sei dies bei den Löhnen nur um das 2.070-Fache der Fall. Für Otte, Generalsekretär des Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften, trugen die Löhne ohnehin nicht mehr in einem der Vorkriegszeit vergleichbaren Maß zu den Produktionskosten bei. Das bestritt der RDI-Geschäftsführer Bücher. Die große Zahl wenig produktiver Arbeitskräfte und die im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich geringere Arbeitsintensität schlügen auf die Preise durch. Vor allem die zahlreichen ungelernten Hilfsarbeiter seien für die Minderleistung verantwortlich. Der GDM-Vorsitzende Borsig argumentierte ähnlich. Die Löhne könnten sogar höher sein, wenn die Arbeitsleistung derjenigen der Vorkriegszeit entspräche. Eine Voraussetzung des Achtstundentags sei doch gewesen, dass die reduzierte Arbeitszeit durch höhere Produktivität wettgemacht würde. Stattdessen benötigten die Betriebe mehr Personal. ADGB-Vorstandsmitglied Wissell wollte das Argu-
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ment nicht gelten lassen. Der Lohn von 140 Arbeitskräften in Deutschland entspreche nicht einmal dem von 100 Arbeitskräften im Ausland. Er und Wilhelm Stähr, Vorstandsmitglied der AfA, sahen zudem in der Verweigerungshaltung der Arbeitgeber einen Grund für die Beunruhigung der Belegschaften, deren mangelnde Leistung und deren gelegentlich überzogene Forderungen. Freilich konnten sich Bücher und Borsig durch Wissells Gewerkschaftskollegen Spliedt bestätigt sehen. In England habe man die Betriebe von „unproduktiven Kräften gesäubert“, im Gegenzug aber hohe Arbeitslosenzahlen in Kauf genommen. In den Augen Ottes begegneten die Arbeitgeber der Forderung der Arbeitnehmer, die Wirtschaftlichkeit der Betriebe durch Investitionen zu verbessern, mit der Gegenforderung, die unproduktiven Kräfte aus den Betrieben zu entfernen. Bücher kritisierte die steuerliche Belastung der Produktion, für die er auch die Gewerkschaften verantwortlich machte, die die Abschaffung der Kohlensteuer stets abgelehnt hätten. Deren Beseitigung hatten sich die Arbeitgeber ebenso auf die Fahnen geschrieben wie die Deregulierung. Otte markierte den Widerspruch zwischen der Forderung der Arbeitgeber nach „Freiheit in der Wirtschaft“ einerseits und den Kartellen andererseits, die ihre Preise ohne Regierungsaufsicht festlegten. Meissinger, der Tarifvertragsexperte der VDA, monierte, dass eine Gewerkschaftsgruppe höhere Löhne durchsetze und alle anderen dann eine Anpassung an das höhere Niveau forderten. Das Ansinnen Wissells, durch eine „gleitende Lohnskala“ die Löhne der Inflation anzupassen, wies Oppenheimer mit dem Argument zurück, damit ignoriere man die Gesetze der Wirtschaft. Schließlich hingen Lohnerhöhungen nicht allein von den Arbeitgebern ab. Zu Recht kritisierte Spliedt, man hätte die Debatte führen sollen, bevor die VDA ihre Rundschreiben herausgab. Allerdings verharrte die Debatte letztlich bei der – durchaus inhaltlich geführten – Kontroverse, ob Lohnerhöhungen gerechtfertigt waren. Zu einer gemeinsamen Lösung des grundsätzlichen Problems, wie die Inflation beendet und die damit verbundenen Lasten zu verteilen waren, kam man dagegen nicht. Im Mai 1923 räumte die Reichsregierung das Scheitern ihrer Preissenkungspläne ein. Der Reichsarbeitsminister teilte der VDA mit, Lohnerhöhungen seien unvermeidlich.673 In der Konsequenz ging es – die Feinunze Gold lag mittlerweile bei weit über einer Million Papiermark – nur noch um die Gestaltung des Indexlohns. Die Reichsregierung erwartete eine Einigung der Sozialpartner.674 Dabei standen die Beschäftigten im Vergleich zu den Beziehern von schleppend angepassten Sozialrenten noch vergleichsweise günstig da.675 Im Geschäftsführenden Vorstand der ZAG warnte Wissell am 23. Juni 1923,676 „die Arbeiterschaft sei im höchsten Maß verbittert“
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über ihre sinkende Kaufkraft. Sie werde in Papiermark entlohnt, während die Wirtschaft zunehmend in Goldmark oder Devisen fakturiere. Die „Stimmung sei so ernst wie seit November 1918 nicht mehr“. Umbreit, ebenfalls vom ADGB, forderte einen Indexlohn, der sich freilich nicht an dem amtlichen Lebenshaltungskostenindex orientieren sollte. Dieser reflektiere stets einen längst überholten Zustand. Stattdessen müsse ein Index aus Lebenshaltungskosten und Großhandelspreisen gebildet werden. Auf dieser Basis sollten automatisch Teuerungszuschläge auf die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auszuhandelnden Grundlöhne gezahlt werden. Für Meissinger und andere konnte von einem „katastrophalen Abgleiten der Löhne“ nicht gesprochen werden. Im Gegenteil seien die Löhne geradezu im Gleichschritt mit dem Dollarkurs und jedenfalls deutlich stärker gestiegen als die Einzelhandelspreise. Verfahre man nach dem Vorschlag von Umbreit, werde sich die Spirale immer schneller drehen, da jeder ein Interesse habe, die Indices anzuheben. Oppenheimer hielt den Vorschlag Umbreits für „politisch bedenklich und gefährlich“. Gleichwohl signalisierten er und Chemieverbandsvertreter Frank Verständigungsbereitschaft. Der AfA-Vorsitzende Aufhäuser und der Gewerkschafter Fritz Kucharsky betonten, dass der Indexlohn nur als Übergangsmaßnahme bis zur Währungsstabilisierung greifen solle. Tatsächlich lag eine gleitende Skala, nach der die Löhne automatisch sänken, wenn die Preise fielen, nicht im Interesse der Gewerkschaften, wie Meissinger zutreffend unterstellte. Dem hielt Graßmann entgegen, dass sich alle drei Gewerkschaftsrichtungen in der Forderung nach automatischen Teuerungszulagen einig seien. Tatsächlich hatten alle drei Richtungen am 1. Juni 1923 die Forderungen des RDI zurückgewiesen, deren Erfüllung der Verband zur Voraussetzung für die Industrie erklärte, die Regierung bei der Erfüllung der Reparationslasten zu unterstützen. Unter dem Einfluss von Stinnes hatte der RDI im Mai 1923 eine umfassende Deregulierung, ein Arbeitszeitgesetz, das sich nur grundsätzlich am Achtstundentag orientieren sollte, und die „Entlastung der Wirtschaft von unproduktiven Löhnen“ gefordert.677 Am Ende der Sitzung bildete die ZAG eine paritätische Kommission zur Beratung eines Indexlohns. Unterdessen betrieb das Reichsarbeitsministerium selbst die Einführung eines Indexlohns und stieß prompt auf die Kritik der Arbeitgeber, die sich an der Berechnungsmethode entzündete. Die Kommission der ZAG tagte im August 1923. Die Gewerkschaften gingen mit dem Vorschlag eines wöchentlich anzupassenden Indexlohnes, der sich an den tatsächlichen Lebenshaltungskosten orientierte, in die Verhandlungen. Dabei bezweifelte Brey, Vorsitzender der Fabrikarbeitergewerkschaft, ob der Index das Problem der Lohnentwertung wirklich
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lösen könne. Tarnow, Vorsitzender der Holzarbeitergewerkschaft, glaubte dagegen, durch Goldmarkbindung gegensteuern zu können.678 Die VDA machte die Angebotsvermehrung durch größere Produktion für den Binnenmarkt und den Export zur Voraussetzung eines größeren Anteils der Arbeitnehmer an der Güterproduktion. Bücher sah durch einen Indexlohn die Rentabilität der Betriebe in Frage gestellt, was Arbeitslosigkeit bewirke. Gegen diese Alternative, also niedrige Löhne oder Arbeitslosigkeit, bestanden Spliedt und Aufhäuser auf einem Index, der sich dann doch an der Goldmarkrechnung orientieren sollte. Bücher mahnte eine gemeinsame Lösung an. Wenn die „Arbeitnehmer das Heft allein in die Hand nehmen und die Wirtschaft führen wollten“, würden sie „Schiffbruch erleiden“. Die Betriebe müssten auch im Interesse der Arbeiter „von unproduktiven Kräften gesäubert“ und die Arbeitslosigkeit dürfe nicht verschleiert werden. Am 1. September 1923 einigte man sich auf einen vier- bis achtwöchigen Grundlohn in Goldpfennigen, der durch einen auszuhandelnden Multiplikator zur Anpassung an die Preissteigerung zu erhöhen war. Die Löhne sollten wöchentlich ausgezahlt werden. Die Gewerkschaftsvertreter zögerten, diesen Kompromiss ihren Mitgliedern zu vermitteln, zumal sich rasch zeigte, dass die Multiplikatoren angesichts der rasanten Geldentwertung in den Wochen bis zur Währungsstabilisierung kaum mehr wirksam wurden.679 Nachdem ein Aachener Schlichtungsausschuss im Juni 1923 dem Stinnes-Legien-Abkommen attestiert hatte, dass aus ihm keinerlei rechtliche Verpflichtung abgeleitet werden könne,680 spiegelte sich der Niedergang der ZAG auch in den Überlegungen im ADGB-Bundesausschuss im Juli und September 1923.681 Im Juli zweifelte Umbreit, ob im Rahmen der ZAG noch eine wöchentliche Lohnanpassung vereinbart werden könne. Keinesfalls seien größere Arbeitsleistungen und eine abschließende Verständigung mit den Entente-Mächten über die Reparationszahlungen Deutschlands allein die Allheilmittel, wie es die Arbeitgeber unterstellten. Die Geldentwertung sei die Konsequenz aus Krieg und Nachkrieg, so Brey. Der Vorsitzende der Fabrikarbeiter glaubte nicht, dass man durch „Lohnpolitik […] der Wirtschaftsmacht des Unternehmertums“ beikommen könne. Die Gewerkschaften verfügten kaum über die Machtmittel, die von Umbreit geforderten Indexlöhne durchzusetzen. Man müsse daher „die Autorität des Staates stärken, um ihn in den Stand zu setzen, den Unternehmerorganisationen und ihren Maßnahmen begegnen zu können“. Damit hatte Brey das Dilemma der Gewerkschaften formuliert, dass mit der klassischen Lohnpolitik allein die Folgen der galoppierenden Inflation für die Arbeitnehmerschaft nicht abzuwenden waren. Kaum überraschend, klagte Spliedt im September erneut, man habe in der ZAG immer wieder
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versucht, „wertbeständige Löhne überall“ durchzusetzen. Aber nicht einmal ein Indexlohn sei überall erreicht worden. Zudem, so der Vorsitzende der Bauarbeitergewerkschaft, Paeplow, werde auch der Indexlohn so spät ausgezahlt, dass Kaufkraftverluste entstünden. Die ZAG hätte, wie vom RDI-Geschäftsführer Bücher in Erwägung gezogen, das Forum sein können, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Auffassung der VDA, dass das Wesen der Arbeitsgemeinschaft nicht im „dauernden Nachgeben der Arbeitgeberseite“ bestehen könne,682 war jedoch kein gutes Omen. Der Vorsitzende des VdESI, Meyer, setzte im Juli 1923 die Einführung des Achtstundentags retrospektiv mit der Beseitigung der Monarchie und der Errichtung der Republik gleich.683 Bei abnehmender Kompromissbereitschaft ihrer Kontrahenten und wachsender Schwäche ihrer Apparate sahen sich die Gewerkschaften wieder auf den Staat verwiesen. Allerdings zeigten die Debatten in der ZAG, dass auch die Arbeitgeber trotz ihrer teilweise vehementen Kritik am Staat ebenfalls wieder stärker auf den Staat setzten. Die Sozialdemokratie hatte ihren einstigen politischen Einfluss eingebüßt. Das Kabinett Cuno zog sich die scharfe Kritik der Gewerkschaften zu. Sie riefen die Regierung auf, den ruinösen Ruhrkampf zu beenden. Während der DMV-Vorsitzende Dißmann im Juli 1923 noch dazu aufrief, die Gewerkschaften müssten „unbedingt versuchen, die Dinge in der Hand zu behalten“, so waren die ‚Dinge‘ den Arbeitnehmervertretern spätestens im Herbst entglitten. Er und Tarnow plädierten für den Übergang zur Goldmarkrechnung auch bei Löhnen. Für ADGB-Chef Leipart blieb im Ergebnis eine Lohngleitklausel der einzige Weg, die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu sichern. Im September brachte der ADGB-Bundesausschuss die politische Konsequenz der währungspolitischen Entwicklung auf den Punkt: „Die Inflation wird zum Totengräber der Republik.“ Die VDA schlussfolgerte – die Feinunze Gold stand jetzt bei zehn Millionen Papiermark –, „trotz besten beiderseitigen Willens“ sei angesichts der „weiteren Zersetzung der Währung und fortschreitender Produktionskrisis“ kein Weg erkennbar, „den Reallohn auch nur einigermassen auf der derzeitigen Höhe zu halten“.684 Die Gewerkschaften bluteten aus und ersuchten den Finanzminister um finanzielle Unterstützung, um überhaupt noch die Gehälter ihrer Funktionäre zahlen zu können.685 Selbst der RDI war in finanzielle Nöte geraten.686 Die Forderung nach Goldlöhnen leuchtete Siemens ebenso ein wie die Tatsache, dass es dabei um die raison d’être der Gewerkschaften ging. Während der VdESI jetzt wieder auf Konfrontationskurs zu den Gewerkschaften ging, warnte Siemens genau davor und plädierte für eine kluge Verbindung von Goldlöhnen mit der Verlängerung der Arbeitszeiten:
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„Die Gewerkschaften bauen ihre Daseinsberechtigung in erster Linie auf den Tarifverträgen auf, durch die Entwicklung der Mark ist, wie Tarnow richtig sagt, der Boden für dieselben entschwunden. Die Kommunisten benutzen diesen Umstand und sagen: ‚Ihr seht was die Tarifpolitik, das Zusammenarbeiten der Arbeitgeber und -nehmer nutzt, dabei könnt ihr verhungern.‘ Die Gewerkschaften haben daher das dringendste Interesse, einen neuen Boden für Tarifverträge zu schaffen. Wir haben also zu entscheiden, ob wir die Gewerkschaften stützen wollen, oder ob es besser vom Arbeitgeberstandpunkt ist, die Macht und den Einfluß derselben zu untergraben. Ich halte an unserer alten Auffassung fest, sie zu stützen; eine gemeinsame Resolution, die aufbaut auf Festsetzung von Papiermarklöhnen mit Ausgleich bei weiter steigendem Dollar durch Abschlags- und Vorauszahlungen u.s.f. ist für die Gewerkschaften unmöglich. Auch wir dürfen eine solche Resolution oder Empfehlung nicht fassen, da uns sonst mit Recht vorgeworfen wird, wir täten nichts gegen die Verelendung, denn es ist Tatsache, daß trotz der getätigten Abschlags- und Vorauszahlungen die Arbeiter nicht genug Geld in die Hand bekommen haben, um das notwendigste tägliche Brot zu kaufen. Also unsere bisher angewandte Methode hat sich als völlig unbrauchbar erwiesen. Die von Herrn Dr. Tänzler am Sonnabend schnell entworfene Resolution bringt zu stark zum Ausdruck, vorläufig muß die Verrechnungsmethode die alte – als die für die Arbeiter katastrophale – bleiben, sie mußte [müsste] zum Ausdruck bringen, daß die bisherigen Methoden versagt haben, daß es unser Wunsch ist, sobald als möglich zur Goldrechnung überzugehen […]. […] Die Massen sind mürbe, sie wollen keinen Aufstand, sie werden jetzt mit verhältnismässig wenig zufrieden zu stellen sein, aber falls sie kein Entgegenkommen, keine Besserung sehen, werden sie revoltieren, denn sie können so nicht weiterleben. Meiner Meinung nach muß der psychologische Moment ausgenutzt werden, um eine vernünftige Entlohnungsskala wieder zu erreichen. […] In den Berufen, in denen länger als 8 Stunden gearbeitet werden muß, darf die Goldlöhnung nicht vor Verlängerung durchgeführt werden, sie muß als Köder benutzt werden. […] Ich habe das Gefühl wir versuchen, gegen einen Strom zu schwimmen, anstelle zu versuchen, seine Kraft so weit wie möglich für uns auszunutzen.“687
Die Überlegungen von Siemens reflektieren die Haltung der Elektround Chemieindustrie. Deren Repräsentanten standen zur Republik und hielten an der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern fest. Selbst die Vorstellung der Gewerkschaftsführung, die Arbeiter müssten sich die erforderlichen Kenntnisse zur Führung von Industriebetrieben aneignen, wurde vereinzelt positiv aufgenommen. Allerdings forderten auch diese Arbeitgeber den Vorrang der Produktions- vor der Sozialpolitik. In den ‚alten‘ Industrien griff dagegen Skepsis gegen die Republik um sich, die den Arbeitnehmern – wenn auch mit Billigung der Arbeitgeber – einen im Kaiserreich nicht gekannten politischen Einfluss eingeräumt hatte.688 Die „Arbeitgeberzeitung“ wähnte den ADGB-Chef Leipart, der beharrlich den Achtstundentag verteidigte, „auf verlorenem Posten“.689 Kaum aussichtsreicher war freilich das Plädoyer des MAN-Syndikus Guggenhei-
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mer, beständige Reallöhne durch ein gemeinsames Produktionsprogramm der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf der Grundlage einer von allen Demobilmachungsverordnungen befreiten Wirtschaft sicherzustellen.690 Die Beendigung des Ruhrkampfs durch Verhandlungen mit Frankreich schien Stinnes die Gelegenheit zu bieten, die im November 1922 erhobene Forderung nach einer Verlängerung der Arbeitszeit durchzusetzen. Der Versuch, dafür die französische Besatzungsmacht einzuspannen, scheiterte, wurde bekannt und verärgerte die Gewerkschaften. Sie weigerten sich nun, längere Regelarbeitszeiten zu akzeptieren. Am 1. Oktober 1923 verkündete der Reichsarbeitsminister – und einstige Vordenker der Christlichen Gewerkschaften – Brauns ohne große Proteste seiner sozialdemokratischen Kollegen Schmidt, Hilferding und anderer im Kabinett: „Der Achtstundentag in der bestehenden Form könne nicht aufrechterhalten werden.“ Namentlich im Bergbau sollte eine Achtstundenschicht einschließlich Seilfahrt eingeführt werden. Die Große Koalition unter Reichskanzler Gustav Stresemann strebte ein Ermächtigungsgesetz an, das der Regierung die Währungsstabilisierung ermöglichen sollte. Es war gleichsam die letzte Chance der demokratischen Republik, die Zerrüttung ihrer Währung und Finanzen zu überleben. Raumer vertrat als Reichswirtschaftsminister die Interessen der Industrie, ohne freilich über deren Forderung nach Deregulierung und Steuer- und Abgabenerleichterung hinaus neue Ideen zu entwickeln. Stinnes forderte jetzt für den Bergbau acht Stunden ohne Seilfahrt. Der Zechenverband testete die Grenze – und verstieß bewusst gegen das Stinnes-Legien-Abkommen. Er beschloss am 30. September 1923, die 8,5-Stunden-Schicht mit Seilfahrt ohne Lohnausgleich ab 8. Oktober 1923 einseitig einzuführen, und dies in Verbindung mit einer Herabsetzung des Kohlepreises um sechs Goldmark je Tonne. Die Bekanntmachung691 schlug bei den Belegschaften „wie eine Bombe“ ein und förderte prompt den Radikalismus unter den Bergleuten. Selbst die bislang flexible Haltung der Christlichen Gewerkschaften zum Achtstundentag verhärtete sich jetzt. Die Regierung trat am 3. Oktober zurück. Die SPD wollte gegen ihre Minister am Achtstundentag festhalten. Die DVP strebte zunächst eine Koalition mit der reaktionären DNVP an. Stinnes veranlasste angesichts einer ungünstigen Presse und des Widerstands der Regierung den Zechenverband am 9. Oktober, seinen Beschluss wieder zurückzunehmen. Im Gegenzug unterstützten die Bergarbeitergewerkschaften die Forderung von Stinnes nach einem erträglichen Kompromiss über die Forderungen der französischen Besatzungsmacht an der Ruhr. Gleichzeitig dachten Stinnes und andere Schwerindustrielle jetzt über eine rechtsgerichtete Diktatur nach, um ihr drakonisches Stabilisierungsprogramm durchzuset-
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zen, was sich bis zu den Sozialdemokraten und Gewerkschaften herumsprach. Mit einer Kompromissformel zur Arbeitszeit setzte Stresemann seine Große Koalition fort, nachdem die DNVP dann doch nicht in die Regierung eintreten wollte. Raumer galt der DVP und Stinnes als zu konsensgeneigt. In der Tat hatte Raumer weniger in der Ausweitung der Arbeitszeit als vielmehr in der deutlich gesteigerten „Leistung je Zeiteinheit“ die Voraussetzung für die Stabilisierung des Ruhrbergbaus gesehen. Das lief vor allem darauf hinaus, die Akkordentlohnung in der Lohnstruktur stärker zu gewichten. War Koeth einst den Gewerkschaften entgegengekommen, trat er als Nachfolger Raumers im zweiten Kabinett Stresemann im Sinne der Zechen sowohl für höhere Produktivität – durch eine veränderte Lohnstruktur – wie für längere Arbeitszeiten ein. Die Sozialdemokraten hatten das Finanzministerium an einen bürgerlichen Fachmann abgegeben – und damit auch den Einfluss auf und die Mitverantwortung für die Sanierung der Währung. Die Regierung bereitete ein Arbeitszeitgesetz vor. Zum Leidwesen von VDA und RDI hielt sie grundsätzlich am Achtstundentag und der 48-Stunden-Woche fest, wollte aber die Kündigung aller tariflichen Vereinbarungen erlauben, die eine Unterschreitung dieser Obergrenze vorsahen. Der Entwurf blieb ergebnislos liegen, da die SPD ihn am Ende nicht mittragen wollte. Die Arbeitgeber im Bergbau hatten mit ihrem einseitigen Vorgehen vor dem Hintergrund der Erosion der Gewerkschaften die ZAG weiter unterminiert, zumal sie im Zuge der Stabilisierung gegen Jahresende auch noch die Löhne senkten. Auf der Grundlage eines auch von der SPD mitgetragenen Ermächtigungsgesetzes erließ Reichsarbeitsminister Brauns am 30. Oktober 1923 eine Schlichtungsverordnung. Das in vorangegangenen Entwürfen enthaltene Gebot, vor Beginn von Arbeitskämpfen die Schlichtung anzurufen, hatte man fallengelassen. Jedoch konnten die paritätischen Schlichtungsausschüsse unter einem unparteiischen Vorsitzenden, der von der „obersten Landesbehörde“, aber in besonderen Fällen auch vom Reichsarbeitsminister eingesetzt wurde, „von Amts wegen“ tätig werden. Der Vorsitzende konnte seinen Schiedsspruch für verbindlich erklären. Auf dieser Grundlage war der Staat in der Lage, auch gegen den Willen der Parteien Tarifverträge durchzusetzen, um Arbeitskämpfe zu verhindern und Arbeitszeiten auszuweiten. In einer Folgeverordnung wurde dem Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses bei Stimmengleichheit faktisch das Recht eingeräumt, mit seiner Stimme einen Schlichterspruch zu fällen. Damit war die Tarifautonomie nachhaltig erschüttert, was sich nicht zuletzt in der sprunghaften Zunahme der Schlichtungstätigkeit des Reichsarbeitsministeriums niederschlug.692 Der Schlichtungsverordnung folgte die Währungsstabilisierung am 15. November 1923. Sie lief letzten Endes auf einen
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Währungsschnitt von 1 Billion Mark zu 1 Rentenmark und 4,2 Billionen Mark zu 1 US-Dollar hinaus. Die Deckung der Rentenmark durch Grundschulden sollte Vertrauen vermitteln, war aber letztlich Kosmetik. Entscheidend war, dass die Reichsbank Schatzwechsel und Handelswechsel nur noch in streng limitiertem Ausmaß diskontierte. 1924 folgte der Übergang zur Goldkernwährung (Reichsmark). Der Währungsumstellung folgte am 29. November 1923 ein von Brauns den Tarifparteien des Bergbaus eher aufgenötigtes als zwischen ihnen moderiertes Überschichtenabkommen, das den Arbeitgebern weit entgegenkam.693
3. Die Kündigung Der ADGB sah sich einer wachsenden Unzufriedenheit in den eigenen Reihen ausgesetzt. Die Forderung nach einem härteren Kurs gegenüber den Arbeitgebern wurde lauter. Gleichzeitig scheuten viele Gewerkschaftsführer den Bruch mit der Regierung Stresemann und ihrem Arbeitsminister.694 Wie der ADGB-Vorsitzende Leipart unterstrich, kam die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der ZAG am 27. November 1923695 auf Initiative der Arbeitnehmer zustande. Da die ZAG in einer Reihe von zentralen Fragen „untätig geblieben“ sei, „obwohl sie satzungsgemäss hätte eingreifen müssen“, seien einige ADGB-Gewerkschaften und der AfA-Bund aus der Arbeitsgemeinschaft ausgetreten. Selbst der liberale Dachverband „Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände“ habe sich dazu entschlossen. Überdies würden seit Monaten bereits Personal und Büros der ZAG abgebaut. In der Arbeiterschaft stünden die Zeichen auf Austritt aus der Arbeitsgemeinschaft. Sie könne wohl nicht mehr lange aufrechterhalten werden; gleichwohl habe sie ja öffentlich-rechtliche Funktionen, wie die Benennung der Mitglieder für den Reichswirtschaftsrat, den Reichskohlenrat, den Beirat der Elektrizitätswirtschaft und andere Gremien. Die folgende Retrospektive Leiparts und die anschließende Debatte waren kaum weniger als ein Abgesang auf den Versuch, eine Sozialpartnerschaft dauerhaft zu institutionalisieren. Die Hoffnungen, die man bei der Gründung gehegt habe, so Leipart, seien angesichts der voraussehbaren „erheblichen Schwierigkeiten“ in beiden Lagern „gewiss nicht überschwänglich“ gewesen. Die Protagonisten beider Seiten hätten nie die notwendige Ruhe gehabt, um die Probleme zu lösen. Im Sommer 1923 hätten die Arbeitgeber dann ihre Offensive gegen den Achtstundentag begonnen. Zunächst habe man Überstunden gefordert, dann längere Regelarbeitszeiten. Das habe den Gewerkschaftsring zum Austritt bewegt, obwohl es gerade die liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften gewesen seien, die gegen Vorwürfe aus der Arbei-
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terschaft an der paritätischen Zusammenarbeit festgehalten hätten. Deren Geschäftsführer Neustedt bestätigte, die „Mißstimmung“ in Arbeiterkreisen sei ausschlaggebend gewesen für den Austritt der liberalen Gewerkschaften. Die Holzarbeiter, so Leipart weiter, hätten den Austritt beschlossen, obwohl ihr Verband als erster 1915 den Gedanken an eine Arbeitsgemeinschaft verwirklicht habe. Die einseitige Verlängerung der Schichten im Bergbau sei ja offenbar von den Vertretern der Arbeitgeber in der ZAG mitgetragen worden. Daher stellten sich für Leipart zwei Fragen: Verstoße das Vorgehen der Zechen gegen das Stinnes-Legien-Abkommen, das bislang nicht gekündigt worden sei? Und könne eine Ersatzorganisation für die ZAG gefunden werden? Der VDA- und RDI-Vorsitzende Sorge konnte die von Leipart geschilderte Entwicklung „unterschreiben“. Die Schuld am „Versagen der Arbeitsgemeinschaft“ sah er in der „überaus ungünstigen Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse“. Wenn die Gewerkschaften den Hauptgrund in der Achtstundentag-Frage sähen, müsse er an den Vorbehalt der Internationalisierung erinnern. Die Auflösung der ZAG hielt Sorge für einen „fundamentalen Fehler“. Deren größter Erfolg sei doch, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelernt hätten, „sich ohne Mißtrauen zu begegnen, ihre oft gänzlich verschiedenen Ansichten auszutauschen und sich zu verstehen und schätzen zu lernen“. Der GDM-Vorsitzende Borsig forderte, dass die ZAG auch künftig das „Gesamtinteresse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vertrete unter möglichster Ausschaltung der Regierung und der Parteien“. Für Sorge lagen die Gründe für die Krise der Arbeitsgemeinschaft in der staatlichen Gesetzgebung, in der fehlenden Durchsetzungskraft der Gewerkschaftsführer gegenüber ihren Mitgliedern und in den Bedürfnissen der Wirtschaft. Namentlich die notwendige Verlängerung der Arbeitszeit stünde den Wünschen der Gewerkschaften entgegen. Borsig bekräftigte, dass eine Lebenshaltung wie vor dem Krieg nicht mehr in Frage komme und Opfer gebracht werden müssten. Genau diese Forderung konnte die Gewerkschaftsführung nach zehn Jahren gesunkenen Lebensstandards ihren Mitgliedern kaum mehr vermitteln. Borsig warf dem DMV und anderen großen Gewerkschaften vor, dass sie die Arbeitsgemeinschaft verlassen hätten, während der GDM als Gründungsmitglied immer an ihr festgehalten habe. Tatsächlich hatte sich die Überzeugung des DMV, dass sich die Zusammenarbeit mit den Unternehmern für die Arbeiterschaft nicht auszahle, immer stärker durchgesetzt, je unverhohlener an die Opferbereitschaft der Arbeitnehmer appelliert wurde. Sorge betonte, die Arbeitgeber beabsichtigten keineswegs, das StinnesLegien-Abkommen zu kündigen, wie die Gewerkschaften unterstellten. Allerdings müsse es auch nicht zwingend in der bisherigen Form erhalten
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werden. Er zog einen Ruhemodus („Vegetieren“) vor, um die Arbeitsgemeinschaft später unter veränderten Bedingungen wiederzubeleben. Otte wertete das als grundsätzliche Bereitschaft der Arbeitgeber, an der ZAG festzuhalten, was auch im Interesse der Christlichen Gewerkschaften liege. Er räumte ein, dass die Arbeitnehmer womöglich zu einem früheren Zeitpunkt mehr Entgegenkommen hätten zeigen sollen, statt jetzt durch die Verhältnisse dazu genötigt zu werden. Der Export sei eingebrochen, und die Binnennachfrage leide unter dem Verschwinden des Mittelstandes. Die breite Masse sei aufgrund der geringen Löhne und der hohen Goldpreise nicht kaufkräftig. Mithin müssten auch die Arbeitgeber Opfer bringen und durch eine Besserung der Löhne zu steigender Nachfrage beitragen. Das war eine Steilvorlage für den RDI-Geschäftsführer Bücher. Er warf den Gewerkschaften vor, nicht rechtzeitig Zugeständnisse in der Arbeitszeitfrage gemacht zu haben. Weder habe die Industrie große Reserven, noch bekomme sie vom Ausland Kredite. Ein weiterer Grund für die gegenwärtige Misere sei, dass dem „Reichsarbeitsministerium unter Aufbau eines Riesen-Apparates dieselben Aufgaben übertragen seien“, die ursprünglich von der ZAG hätten geregelt werden sollen. Das Reichsarbeitsministerium behindere den Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bücher hoffte, dass die zahlreichen Institutionen zur Wirtschaftslenkung bald verschwinden mögen. Er beharrte darauf, dass die ZAG Produzenten- statt Konsumentenpolitik zu betreiben habe. Er ignorierte, dass die Arbeiterschaft die Masse der Konsumenten stellte, die eine mangelhafte Versorgung mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs zwangsläufig als Ergebnis der bisherigen Produzentenpolitik wahrnahmen. Selbst der liberale Gewerkschafter Neustedt unterstrich, dass die ZAG gerade nicht einseitig nur das Interesse der Produzenten im Blick haben dürfe, sondern auch die Bedürfnisse der Konsumenten zu berücksichtigen habe. Nach Aufhebung der „Zwangswirtschaft“ seien die Preise eben nicht gefallen, sondern ständig gestiegen. Die Löhne seien dagegen gesunken. Borsig bestritt nicht, dass die Löhne teilweise zu niedrig seien. Gleichwohl könne die Wirtschaft höhere Löhne nicht tragen und werde auch nur bei längeren Arbeitszeiten gesunden. Erst dann könne die Kaufkraft durch höhere Löhne allmählich gebessert werden. Bücher räumte ein, die Unternehmer müssten sich jetzt maßvoller verhalten als die Gewerkschaften nach der Revolution. Das zielte gegen extreme Forderungen aus den Reihen des RDI, die Schwäche der Gewerkschaften zu nutzen, um möglichst viele Zugeständnisse an die Arbeitnehmer wieder zurückzunehmen. Die Arbeitnehmerseite sah sich jedoch eher herausgefordert. Der Zweite ADGB-Vorsitzende Graßmann warf den Arbeitgebern unter deren Protest vor, sie dächten immer nur an die Wirtschaft, aber nicht an
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die Arbeiter. Er bezweifelte, dass längere Arbeitszeiten die von den Kontrahenten erwartete Mehrleistung erbrächten. Die unterschiedlichen Standpunkte seien „in den Verhältnissen begründet“. Hier schimmerte die im Tagesgeschäft in den Hintergrund getretene Überzeugung durch, dass sozialisierte oder verstaatlichte Großbetriebe letzten Endes doch die Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft eher gewährleisteten als der Dialog mit Unternehmern, die längere Arbeitszeiten forderten. Graßmann glaubte, die Gewerkschaften würden selbst bei Mitgliederverlusten mit dem Druck fertig werden, unter den sie von Arbeitgebern und Kommunisten gleichermaßen gesetzt würden. Das klang freilich eher wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Ungeachtet der kompromissbereiten Haltung seines christlichen Kollegen, formulierte Neustedt die Auffassung aller drei Gewerkschaftsrichtungen, „daß die Arbeitgeber die Gewerkschaften in der Frage der Arbeitsgemeinschaft im Stich gelassen hätten“. Leipart resümierte zutreffend, dass der gute Wille aller Beteiligten nicht ausreiche. Er hoffte, dass der künftig noch zu konstituierende (endgültige) Reichswirtschaftsrat einen Teil der Aufgaben der ZAG übernehmen könne. Tatsächlich blieb es ja bis zum Ende der Republik beim Vorläufigen Wirtschaftsrat. Mit dieser vagen Aussicht vertagte sich der Geschäftsführende Vorstand. Die neue Reichsregierung unter Kanzler Wilhelm Marx hatte den Eindruck, dass der Reichstag nicht mit einem Arbeitszeitgesetz befasst werden wollte. Wirtschaftsminister Koeth forderte eine Arbeitszeitverordnung auf der Grundlage eines Ermächtigungsgesetzes, das die fristgerechte Kündigung der Manteltarifverträge möglich mache. Am 8. Dezember 1923 beschloss der Reichstag ein weiteres Ermächtigungsgesetz. Im Vorfeld hatte Reichspräsident Ebert eine Notverordnung nach Artikel 48 WRV angedroht. Daher stimmte auch die SPD mehrheitlich dem Ermächtigungsgesetz zu. Ebenfalls im Vorfeld hatten Anfang Dezember 1923 die Bergarbeitergewerkschaften angesichts leerer Streikkassen unter Moderation von Reichsarbeitsminister Brauns mit knapper Mehrheit die Einführung der Achtstundenschicht hingenommen, nachdem die Zechen die Entlassung aller Arbeiter angedroht hatten. Die VDA forderte die Rückkehr zu den Arbeitszeiten der Vorkriegszeit. Der DMV wehrte sich im Ruhrgebiet noch bis Februar 1924 gegen die Ausweitung der Wochen arbeitszeit auf 59 Stunden reiner Arbeitszeit. Brauns erließ am 21. Dezember 1923 auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes die Arbeitszeitverordnung. Sie orientierte sich im Wesentlichen am Gesetzentwurf der Großen Koalition.696 Am Grundsatz des Achtstundentages hielt die Verordnung zum Leidwesen von VDA und RDI fest. Zugleich enthielt sie Ausnahmebestimmungen, die es den Ar-
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beitgebern erlaubten, teilweise sogar einseitig Mehrarbeitszeiten festzusetzen. Folgerichtig galt den Arbeitgebern der Zehnstundentag als zulässig.697 Die Verordnung, so resümierte der GDM, ermögliche es, „die Arbeitszeit durch Tarifvertrag bis auf 60 Wochenarbeitsstunden zu verlängern“. Einige Bezirksverbände hatten zwar den Wunsch geäußert, mit dem DMV eine reichsweite Vereinbarung zu treffen. Um dessen Widerstand gegen die Aushöhlung des Achtstundentags nicht noch Auftrieb zu verleihen, überließ man es jedoch den Bezirksverbänden, die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit „gegebenenfalls auf dem Wege des Kampfs durchzusetzen“. Ziel sei nicht die „schematische Verlängerung“. Vielmehr gelte es, die Arbeitszeit auch ohne Zustimmung der Betriebsräte und ohne Bezahlung von Zuschlägen wirtschaftlich zu gestalten und vor allem zum Zweischichtsystem zurückzukehren. Im Ergebnis hätten alle Bezirksverbände eine Verlängerung „teils durch Vereinbarung mit den Gewerkschaften, meist aber durch Schiedsspruch“ erreicht. Im gleichen Atemzug beklagte der GDM die Neuordnung des Schlichtungswesens. Insbesondere der obligatorische Schiedsspruch und die Verbindlichkeitserklärung seien „zum allergrößten Teil der Arbeitgeberschaft nicht günstig“. Auch 1925 sollten die Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit anhalten; teilweise musste man die Verlängerung wieder zurücknehmen.698 Die Chemieindustrie kündigte Anfang 1924 die Arbeitszeitregelung des Reichstarifvertrages und führte den Zehnstundentag und ein Zweischichtsystem ein. Durch Schiedsspruch wurde im Februar die achtstündige reine Arbeitszeit beibehalten. Das war zunächst das Ende bezahlter Pausen. Die Arbeitgeber waren zudem berechtigt, zuschlagsfrei den Neunstundentag einzuführen und in begründeten Ausnahmefällen auch zehn Stunden im Zweischichtsystem arbeiten zu lassen.699 Die Arbeitszeitverordnung stützte die Stabilisierung ebenso wie den Personal- und Gehaltsabbau im Öffentlichen Dienst. Die VDA machte unter dem Schlagwort „Kampf dem Tarifzwang“ Front gegen die Verbindlichkeitserklärung von Schlichtersprüchen. Sie versuchte ein Verbot durchzusetzen, dass Firmen der angeschlossenen Verbände entsprechende Anträge stellten. Firmen, die sich dazu genötigt sahen, wollte man unterstützen. Man boykottierte Schlichtungsausschüsse und musste dafür gesalzene Bußgelder in Kauf nehmen. Zugleich wollte man die Arbeitsgemeinschaft mit den in der ZAG verbliebenen Arbeitnehmerverbänden fortsetzen.700 Für Guggenheimer von der MAN war die „Überspannung des Schlichtungsgedankens wirtschaftsschädigend“. Er stellte die verbindliche Schlichtung, mit denen das Reichsarbeitsministe rium Tarifauseinandersetzungen beilegte, in die Reihe staatlicher Lenkungsmaßnahmen, die teilweise schon aufgehoben worden waren. Gug-
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genheimer machte diese reichlich pauschal für den „Währungszerfall“ verantwortlich.701 Die „Arbeitgeberzeitung“ eröffnete ihr erstes Heft 1924 unter der Parole „Vom Tarifvertrag zur Werksgemeinschaft!“. Die Arbeitsgemeinschaft habe dem Arbeitgeber „nichts gebracht, ihm aber vieles genommen“. Tarifverträge sollten durch innerbetriebliche Regelungen mit den Betriebsräten ersetzt werden.702 Derweil versuchten Borsig, Sorge und Tänzler im Januar 1924,703 die Arbeitnehmer gegen das Instrument der Zwangsschlichtung zu mobilisieren. Borsig beklagte, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei, die Arbeitgeber wollten sämtliche Errungenschaften der Arbeitnehmer zurücknehmen. Tatsächlich werde die ständige Einmischung des Staates das bilaterale Verhältnis verschärfen. Unterstützt von Otte und Neustedt, seinen christlichen und liberalen Kollegen, entgegnete ADGB-Vorstandsmitglied Graßmann, dass die Gewerkschaften freie Tarifvereinbarungen vorzögen, aber angesichts der „augenblicklichen Kämpfe um Lohn und Arbeitszeit“ auf „staatliches Eingreifen“ nicht verzichten könnten. Die Verbindlichkeitserklärung nach Tarifvertragsordnung wollten die Gewerkschaften nicht mehr aufgeben. Dabei warnte Leipart im ADGB-Bundesausschuss angesichts der weiter uneinheitlichen Haltung der Gewerkschaften, die staatlichen Schlichter zu häufig anzurufen.704 Eine wesentliche Voraussetzung des einstigen Stinnes-Legien-Abkommens, nämlich der gemeinsame Wille, die Arbeitsbeziehungen in freier Vereinbarung und weitgehend autonom von staatlichem Einfluss zu regeln, hatte sich für die sozialistischen Gewerkschaften fast ins Gegenteil verkehrt. Tatsächlich barg die Zwangsschlichtung einen Vorteil für die Arbeitnehmer- und die Arbeitgebervertretungen. Sie konnten sich durch kompromisslose Tarifverhandlungen gegenüber den eigenen Mitgliedern als harte Interessenvertreter inszenieren. Blieb der Schlichterspruch dann weit hinter den geweckten Erwartungen zurück, schob man die Verantwortung dafür dem Staat zu. Selbst manche Arbeitgeber wussten die Zwangsschlichtung zu schätzen. Als Wissell – einst Protagonist der ZAG – 1928 das Arbeitsministerium übernahm, war er zum überzeugten Anhänger der staatlichen Schlichtung geworden. Umgekehrt hatte sich diese in der Wahrnehmung der Vertreter der Schwerindustrie zum Objekt äußersten Widerwillens verwandelt, der die Rückkehr zu autoritären Ordnungsvorstellungen begünstigte. Die Verbände der Arbeitgeber ließen zusehends das Verständnis für die Lage der Gewerkschaften vermissen, das etwa ein Siemens besaß. Folgerichtig wurde in den letzten Sitzungen der ZAG im Winter 1924 weniger über die Gründe für das Scheitern der institutionalisierten Partnerschaft debattiert als darüber, was das Scheitern für die künftigen Arbeitsbeziehungen bedeutete.705
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Der AfA-Bund begründete seinen Austritt aus der ZAG am 5. Januar 1924 damit, dass die Arbeitgeber die Grundgedanken des Stinnes-LegienAbkommens schon lange missachteten. Allerdings erklärte der zur AfA zählende Deutsche Werkmeisterbund, dass er den Beschluss nicht mittrage und an der ZAG festhalte.706 Mitte Januar forderten die DMV-Vorsitzenden Dißmann und Reichel im ADGB-Bundesausschuss erneut die Kündigung der ZAG. Der ADGB-Vorsitzende Leipart räumte ein, dass sich diese schon mit dem Gewerkschaftskongress von 1922 „so gut wie erledigt“ habe. Man habe gleichwohl an ihr festgehalten, um die Renaissance der ‚Gelben‘ zu verhindern. Auch Spliedt und Tarnow teilten diese Sorge. Für letzteren war es der Gewerkschaftsbewegung jedoch „unwürdig“, die ZAG „wie einen Kadaver beerdigen zu lassen“. Am Ende wurde gleichsam in einem Atemzug mit einer Entschließung gegen den Kampf der kommunistischen Gewerkschaftsopposition die Kündigung der ZAG beschlossen.707 Leipart bat den RDI am 24. Januar 1924 um eine Sitzung ihres Geschäftsführenden Vorstands. Da „weite Kreise der Unternehmer wirtschaftlich und sozial eine Haltung einnehmen, die unvereinbar mit dem Geist und den Vereinbarungen der Arbeitsgemeinschaft“ sei, kündigte der ADGB die ZAG. Zugleich unterstrich er die Notwendigkeit zum „Zusammenwirken mit dem Unternehmertum“ zur „gemeinsame[n] Regelung der Arbeitsverhältnisse“, die sich aus dem Verfassungsgrundsatz der „gleichberechtigten Mitwirkung in wirtschaftlichen Fragen“ ergebe.708 Graßmann erklärte für den ADGB am 15. Februar 1924 im Geschäftsführenden Vorstand709 die ZAG für gescheitert. Dagegen wollten Baltrusch und Otte an ihr festhalten, galt den Christlichen Gewerkschaften die Arbeitsgemeinschaft doch nach wie vor als wesentliches Element ihres Gewerkschaftsverständnisses.710 Für Borsig war mit dem Ende der ZAG auch das Stinnes-Legien-Abkommen obsolet, da dessen Ziffern 10 und 11 die Gründung der ZAG „gewissermaßen als Ausführungsbestimmungen“ stipulierten. Die Kündigung des Abkommens war in seinen Augen die logische Konsequenz aus dem Austritt großer Teile der Vertragspartner aus der ZAG. Umbreit und Neustedt bestritten den Zusammenhang von Abkommen und ZAG. Graßmann räumte ein, dass beide „verwandt“ seien. Freilich bestehe kein „verfassungsmäßiger Zusammenhang“. Für Otte bildeten beide eine „moralische Einheit“. Neustedt gab zu bedenken, dass mit der ZAG womöglich das Gegenteil des Gewollten erreicht worden sei, nämlich dass sie den Konflikt zwischen Arbeitgebern und -nehmern eher verschärft als gemildert habe. Prinzipiell wollten die liberalen Gewerkschaften am Gedanken der Arbeitsgemeinschaft festhalten, doch sei es sinnlos, Beschlüsse zu fassen, die in der Praxis nicht umsetzbar seien. Graßmann hob auf den Achtstundentag ab. Durch dessen einseitige Auf-
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hebung galt ihm das Abkommen als schwer erschüttert, woraufhin Borsig ihm einmal mehr den von ihm mit Legien vereinbarten Vorbehalt der Internationalisierung vorhielt. Das Beharren aller drei Gewerkschaftsrichtungen war von der Sorge motiviert, die Arbeitgeber könnten versucht sein, zu den Verhältnissen vor Abschluss des Abkommens zurückzukehren. Das blieb Bücher und Tänzler nicht verborgen, die nach den Bedingungen fragte, unter denen sich der ADGB eine Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaft vorstellen könne. RDI-Vorstandsmitglied Riepert regte eine fristgerechte Kündigung der Gewerkschaften an, um während der Kündigungsfrist über eine alternative Einrichtung zu verhandeln. Andernfalls sei es fraglich, ob und wann die Kontrahenten wieder zusammenfänden. Spliedt entgegnete, die Arbeitgeber müssten „sich mit der Tatsache abfinden, daß die Arbeitsgemeinschaft tot sei“. Hinsichtlich Arbeitszeit und Tarifverträgen „müsse der Kampf ausgefochten werden“. Umbreit betonte, „daß es allen schmerzlich sei, die an der Wiege der Arbeitsgemeinschaft gestanden seien, ihr die Lebensfähigkeit abzusprechen“. Das schloss künftig eine fallweise Zusammenarbeit in seinen Augen nicht aus. Dass der ADGB gewillt war, den Kampf auszufechten, belegte eine Große Anfrage („Interpellation“) der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion im Februar 1924.711 Der VDA und namentlich der Schwerindustrie wurde vorgeworfen, das Tarifvertragswesen und die staatliche Schlichtung beseitigen zu wollen und „offene Gesetzessabotage“ zu betreiben. Die Fraktion forderte Maßnahmen gegen den Lohnabbau und die Verlängerung der Arbeitszeiten. Die VDA beharrte dagegen auf ihrer Überzeugung, sie habe mit ihrem Widerstand gegen Lohnerhöhungen die Stabilisierung der Kaufkraft des größten Teils der Bevölkerung überhaupt erst ermöglicht, nachdem der Versuch einer Einigung in der ZAG fehlgeschlagen sei. Auch einer angemessenen Regelung der Arbeitszeitfrage durch die Verordnung vom 21. Dezember 1923 hätten sich die Gewerkschaften beharrlich widersetzt, obwohl nur längere Arbeitszeiten die Gesundung der Wirtschaft bewirken könnten. Natürlich fehlte auch jetzt nicht der Verweis auf die Nebenabrede von Legien und Borsig über die Internationalisierung des Achtstundentags. In den Augen der VDA bestätigte der „dogmatische Widerstand“ des ADGB gegen die Arbeitszeitverlängerung die eigene Haltung. Der Regierung warf man vor, durch ihre Schlichtungs- und Arbeitszeitverordnung „die Arbeitsgemeinschaft zerstört und den Tarifvertragsgedanken unterhöhlt“ zu haben. Das war kein gutes Vorzeichen für die Fortsetzung der Debatte der ZAG im März 1924. Bereits gegen Jahresende 1923 hatte eine neue Welle von Arbeitskämpfen eingesetzt, die das Jahr 1924 zu einem der arbeitskampfintensivsten Jahre der Weimarer Republik machte. Die Industrie konnte die flächendeckende
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Ausweitung des Achtstundentages und die Senkung der Löhne im Bergbau durchsetzen, ohne jedoch ihr Ziel zu erreichen, mehr oder minder zu den Vorkriegsverhältnissen zurückzukehren.712 Der Zweite Vorsitzende des ADGB, Graßmann, bekräftigte im Geschäftsführenden Vorstand der ZAG,713 dass der ADGB aus der ZAG austrete. Otte bekundete, dass die Christlichen weiter an der ZAG festhielten, während die Liberalen in der Sitzung gar nicht mehr vertreten waren. Der ADGB bestand darauf, dass die „Vertragsteilhaberschaft“ am StinnesLegien-Abkommen fortbestehe. Für diese Auffassung sprach, dass die Ziffern 10 und 11 des Abkommens nur den Zentralausschuss als rechtlichen Rahmen vorgaben. Die Zentralarbeitsgemeinschaft wurde jedoch durch die Satzungen vom 4. Dezember 1918 und vom 12. Dezember 1919 konstituiert. Sie konnte mithin „als selbständige, vom Abkommen getrennte Organisation“ interpretiert werden.714 Für Graßmann bestand der nur ein einziges Mal zusammengetretene Zentralausschuss weiter; er könne wieder zusammentreten. Der Zentralausschuss, so Spliedt, könne künftig die Einhaltung des Abkommens überwachen. Das lehnten Borsig und Bücher ab. Für sie hatten der Zentralvorstand und der Geschäftsführende Vorstand den Zentralausschuss ersetzt. Siemens gab zu bedenken, dass Legien einst den Grundsatz der Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Kern des Novemberabkommens und der mit ihm vereinbarten Arbeitsgemeinschaft erklärt habe. Wenn man sich in der Arbeitsgemeinschaft nicht mehr einigen könne, sei auch das Abkommen nichtig. Die Gewerkschaftsführung, so rechtfertigte Graßmann den Entschluss des ADGB, habe die Arbeitsgemeinschaft gegen viele Anfeindungen auf den Gewerkschaftskongressen verteidigt, aber jetzt sei die Mitgliedschaft nicht mehr zu halten. In ihren Augen habe die Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern nichts gebracht. Siemens hielt es wie Bücher für kurzsichtig, dass man die Verständigung zugunsten der seinerzeit auch von Legien abgelehnten staatlichen Regelung aufgegeben habe. Bücher machte darüber hinaus auch den institutionellen Aufbau der Arbeitsgemeinschaft selbst verantwortlich, dass das Prinzip der autonomen Gestaltung der Arbeitsbeziehungen durch die Sozialpartner nur mangelhaft umgesetzt worden war: „Zugrundegegangen sei die Arbeitsgemeinschaft an dem Mangel an Exekutive; alle ihre Befugnisse habe sie delegiert, und zwar einmal an das Reichsarbeitsministerium, zum andern an den Reichswirtschaftsrat. Hätte die Arbeitsgemeinschaft keine Möglichkeit gehabt ihre Verantwortung auf Dritte abzuwälzen, so wäre sie sicher auch in den verschiedenen Fragen zu einer Einigung gelangt.“
Freilich war der Appell an den Staat, der ja nicht nur von den Arbeitnehmern ausging, letztlich Ausdruck der schwindenden Teilidentität der Interessen. Es war nur konsequent, dass Bücher jetzt den Dingen ihren
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Lauf lassen wollte. Seiner versöhnlichen Anregung, man möge „sich künftig vor großen Aktionen gegenseitig orientieren“, stimmten alle zu. Das verbale Trostpflästerchen besiegelte das Ende des im November 1918 so hoffnungsvoll begonnenen Unternehmens. ADGB sowie RDI und VDA notifizierten sich abschließend ihren Auffassungsunterschied. Die Arbeitgeber beharrten auf der fristlosen Kündigung des Abkommens durch die Arbeitnehmerseite. Die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen wurde damit nicht mehr durch die freiwillige Vereinbarung der Sozialpartner, sondern ausschließlich durch die Verfassung und die staatliche Gesetzgebung normiert. Dennoch hielten GDM, RDI und VDA am Gedanken der Arbeitsgemeinschaft auf der Grundlage „der freien Verständigung und der Selbstverantwortlichkeit“ fest, wie der GDM-Vorsitzende Borsig auf der gemeinsamen Jahresversammlung von RDI und VDA im Berliner Hotel „Esplanade“ betonte.715 Ein Treffen der Christlichen Gewerkschaften, unter anderen Imbusch, Otte und Stegerwald, mit den Arbeitgebern, vertreten unter anderen von Reusch und Vögler, im September 1924 verlief ergebnislos. Selbst die Christlichen gerieten wieder in den Ruch, gewerkschaftliche Scharfmacher zu sein.716 In der Konsequenz richteten sich nicht nur die Augen der Gewerkschaftsführer auf den Staat. Vögler galten die vergangenen Jahre jetzt als „Sozialismus“ und „Fehlschlag für den Staat“ – zumindest indirekt eine Absage an die ja auch von ihm mitgetragene Politik der Arbeitsgemeinschaft. Die Autoren eines Sammelbandes der VDA forderten den Staat auf, sich künftig an den vermeintlichen oder tatsächlichen Erfordernissen der Industrie auszurichten. Manche verstanden darunter die Rückkehr zu den goldenen Zeiten ohne Tarifverträge und Schlichtung.717
VII. Bilanz und Ausblick Zunächst hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Stinnes-Legien-Abkommen geschlossen, um eine wirtschaftliche und soziale Anpassungskrise im Übergang von der Kriegs- in die Friedenswirtschaft zu vermeiden. Hier verbuchte die Sozialpartnerschaft ihren größten Erfolg. Die Krise wurde vermieden, indem das quid pro quo „höhere Löhne gegen höhere Preise“ fortgeschrieben wurde. Tatsächlich wurde die Krise jedoch nur verschoben. Der Inflationsboom kippte 1922; die Krise der ZAG begann. Die Hyperinflation von 1923 brachte die Arbeitslosigkeit und das Chaos, das man 1918 / 19 verhindern konnte. Schon zum Jahresende 1922 zeichnete sich ab, dass die Sozialpartner diesmal keinen gemeinsamen Ausweg aus der finanziellen, dann sozialen und wirtschaftlichen, schließlich existenziellen politischen Krise der Republik mehr finden würden. Schon kurz nach seiner Unterzeichnung wurde deutlich, dass eine nicht wirklich quantifizierbare Gruppe von Gewerbetreibenden und Unternehmern das Stinnes-Legien-Abkommen und die im Aufbau befindliche Arbeitsgemeinschaft offen oder verhalten ablehnte. Die Revolte der Geschäftsführer von CdI und BdI war nur die Spitze des Eisbergs. Die Erosion der Zustimmung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter zur Arbeitsgemeinschaft begann bereits 1919. Die Mitglieder beider Lager fügten sich jedoch noch gut zwei Jahre den Vorgaben der großindustriellen und gewerkschaftlichen Protagonisten der Arbeitsgemeinschaft. Dann wurden die kritischen Stimmen lauter und deutlicher. Das Klassenkampfdenken feierte bald fröhliche Urstände – auf beiden Seiten. Dem ständigen Druck der Kommunisten und Syndikalisten auf die Gewerkschaftsführung auf der einen Seite entsprach das vorwiegend instrumentelle Verständnis der Arbeitsgemeinschaft auf der anderen. Viele Arbeitgeber sahen deren Aufgabe vor allem darin, der Arbeiterschaft die vermeintlich oder tatsächlich im Gemeinwohl liegenden Lasten der Stabilisierung in Form von längeren Arbeitszeiten bei niedrigeren Löhnen aufzubürden. Kaum überraschend taten sich die Gewerkschaften da besonders schwer, wo die Unternehmer über Jahrzehnte den Klassenkampf von oben geführt hatten: im Bergbau und in der Schwerindustrie. Bei den Bergarbeitern fanden Syndikalisten und Kommunisten besonders offene Ohren für die Forderung nach immer höheren Löhnen und immer kürzeren Schichten in der Schlüsselindustrie, von der die Energieversorgung
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der gesamten Industrie und Gesellschaft sowie die Erfüllung von Reparationsforderungen abhingen. Der Zechenverband seinerseits ließ wenig Zweifel aufkommen, dass er das Rad der Zugeständnisse wieder zurückdrehen wollte, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Die Forderung der Industriellen nach Privatisierung der Staatsbetriebe als Voraussetzung ihres tätigen Mitwirkens bei der Erfüllung von Reparationsforderungen war kaum anders zu verstehen denn als Gegenoffensive, nachdem alle Sozialisierungsforderungen – nicht zuletzt auch dank der Existenz der ZAG – gescheitert waren. Die Sanierung der Währung bot dann die erwartete Chance, das Rad zugunsten der Arbeitgeber zumindest ein wenig zurückzudrehen. Nicht nur Arbeitgeber und zunächst auch Arbeitnehmer, aber auch mancher Handwerker und manche Landwirte hatten von der Inflation profitiert. Hauptnutznießer war jedoch der Staat. Die Kriegsanleihen des Kaiserreichs waren nach der Hyperinflation nur noch wenige Pfennige wert. Viele Großunternehmen konnten die Inflation nutzen. Sie zahlten ab 1922 deutlich niedrigere Reallöhne und konnten billige Kredite aufnehmen. Aber die Mehrheit der Unternehmer und Gewerbetreibenden spürte bald die negativen Folgen der Geldentwertung und des Kapitalmangels. Im Vergleich zum Jahr 1913 verzeichnete die Industrie 1925 höhere Kapitalanlagen. Namentlich die Chemieindustrie und die Versorger hatten deutlich zugelegt. Allerdings verfügte die Industrie bei einer um ein Drittel gesunkenen Kaufkraft kaum mehr über stille Reserven. Folglich sollte das Ausmaß der inflationär finanzierten industriellen Rekonstruktion auch nicht überschätzt werden.718 Stinnes hatte ein von der Produkt- und Anlagenpalette disparates Imperium zusammengerafft, das nach seinem plötzlichen Tod auseinanderbrach. Insgesamt war der Konzentrationsprozess der Großindustrie jedoch vorangeschritten. Im Vergleich zu den geschwächten Arbeitnehmerorganisationen, die immer noch in drei Richtungen gespalten blieb, war die Großindustrie gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Gesamtgesellschaftlich gesehen, hatte die Inflation eine Nivellierung insofern bewirkt, als die Mehrheit des Bürgertums erheblich an Vermögen eingebüßt hatte und sich in der Lebenshaltung dem Durchschnitt der Arbeitnehmer angenähert hatte. Der Absturz in die Hyperinflation – zu dem das Versagen der Sozialpartner beitrug – traumatisierte breite Kreise der Bevölkerung und machte sie anfällig für Legenden, Verschwörungstheorien und Lebenslügen, welche die politische Kultur der Republik zersetzten.719 1918 / 19 retteten das Bündnis der Unternehmer mit den Gewerkschaften, das Arrangement der Revolutionsregierung mit dem kaiserlichen Militär und der alten Verwaltung und schließlich der Kompromiss im Rahmen
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der Weimarer Verfassung die bürgerliche Gesellschaftsordnung. Dass in der semikonstitutionellen Wirklichkeit des Kaiserreichs der Gedanke des Rechtsstaates tiefe Wurzeln in den Köpfen großer Teile der Sozialdemokratie geschlagen hatte, zeigte sich in der Novemberrevolution. Nicht die proletarische Revolution der in Räten organisierten Arbeiter und Soldaten stand auf dem Programm der meisten sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer, sondern der Grundgedanke der repräsentativen Demokratie, für den man sich während des Kaiserreichs eingesetzt hatte: Jeder Staatsbürger nimmt mit gleicher Stimme an parlamentarischen Wahlen teil, aus denen eine Regierungsmehrheit hervorgeht, die über Verfassung, Politik und Ziele der Gesellschaft entscheidet. Die Sorge vieler Arbeiterführer, dass der Radikalismus über kurz oder lang in Anarchie oder Diktatur münde, mag in der Retrospektive übertrieben erscheinen. Aber Unordnung und schwer kontrollierbare soziale Dynamiken waren den meisten Arbeiterführern mindestens so suspekt wie ihren industriellen Kontrahenten. Denn Disziplin, Organisation und straffe Führung hatten nicht nur die Industrie, sondern auch die sozialistischen Freien Gewerkschaften groß gemacht. Den „Anti-Chaos-Reflex“720 teilte die Mehrheit der Arbeiter- und Soldatenräte und wohl auch die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder. Er resultierte womöglich noch mehr aus der Einsicht, dass der Mensch in einer hoch arbeitsteiligen Industriegesellschaft auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen war, als aus der autoritären Grunddisposition der wilhelminischen Gesellschaft. Die Erwartung vieler Sozialdemokraten, unter demokratischen Verhältnissen eine deutliche Parlamentsmehrheit einzufahren, wurde bereits im Januar 1919 enttäuscht. Folgerichtig fehlte für eine Umgestaltung der Sozialordnung nach sozialdemokratischen Vorstellungen auf dem Wege der Gesetzgebung die legitime politische Voraussetzung. Dennoch ließ sich die Führung der Sozialdemokratie und der Freien Gewerkschaften in ihrer Orientierung auf Demokratie und Rechtsstaat nicht beirren. Immerhin verbaute der „Koalitionscharakter“721 der Weimarer Verfassung die Möglichkeit einer sozialistischen Umgestaltung nicht, sondern hielt sie offen. Legien, Leipart, Stegerwald und die anderen Gewerkschaftsführer konnten sich in der von Stinnes klar auf den Punkt gebrachten Annahme bestätigt sehen, dass ein Abkommen mit der Industrie zunächst die verlässlichere Grundlage bot, im Vergleich zu den vagen Aussichten einer gesellschaftlichen Umgestaltung mit politischen Mitteln. Wer das StinnesLegien-Abkommen im Lichte der gesellschaftspolitischen Möglichkeiten betrachtet, die die Novemberrevolution vermeintlich oder tatsächlich eröffnet hatte, dem mag das Ergebnis kümmerlich erscheinen. Tatsächlich hatten die Verhandlungsführer der Großindustrie noch während des Um-
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sturzes nüchtern kalkuliert, dass sich die Verhandlungsposition ihrer Kontrahenten verbessert hatte. Weitere Zugeständnisse – namentlich der Verzicht auf die ‚gelben‘ Arbeiterorganisationen – waren unvermeidbar, aber im Grunde blieb es beim status quo. Selbst den Achtstundentag konzedierten die Arbeitgeber nur unter Vorbehalt. Ansonsten ging das Abkommen – sieht man von der Vereinbarung einer institutionalisierten Sozialpartnerschaft ab – nicht wesentlich über die Anerkennung des mit dem Hilfsdienstgesetz und der Streichung des § 153 GO erreichten Standes der Arbeitsbeziehungen hinaus. In einem anderen Licht erscheint das Abkommen, wenn man auf die Arbeitsbeziehungen des Kaiserreichs bis zur Verabschiedung des Hilfsdienstgesetzes zurückblickt. Die Sozialpartner diktierten im Zeitfenster von Anfang November 1918 bis Januar 1919 dem Staat die künftige Gestalt der Arbeitsbeziehungen, wie sie dann in die Weimarer Verfassung aufgenommen wurde. Sie vereinbarten die Korrektur der wesentlichen Modernisierungsdefizite, gegen die die Gewerkschaften einen jahrzehntelangen, mühevollen Kampf geführt hatten. Die Anerkennung der Arbeitgeberorganisationen war die Voraussetzung von Tarifverträgen und betrieblicher Mitbestimmung einerseits und der Mitwirkung der organisierten Interessen beider Seiten an der Sozial- und Wirtschaftspolitik des Staates andererseits. Die Arbeitsgemeinschaft institutionalisierte den gemeinsamen Willen der Sozialpartner, die Tarifautonomie mit Leben zu erfüllen und die Arbeitsbeziehungen durch die abgestimmte Haltung gegenüber dem Gesetzgeber und der Regierung maßgeblich mitzugestalten. Damit waren die Sozialpartner dann doch deutlich über den status quo hinausgegangen. Verlängert man den Blickwinkel bis in die Gegenwart, ist es nicht übertrieben, von einem Paradigmenwechsel in den Arbeitsbeziehungen vom 19. in das 20. Jahrhundert zu sprechen. Dass sich der Paradigmenwechsel erst nach der Katastrophe des ‚Dritten Reichs‘ nachhaltig materialisierte, gilt nicht minder für die nach der Novemberrevolution entstandene demokratische Verfassung. Eine gemischtwirtschaftliche Ordnung mit hohem Anteil verstaatlichter Unternehmen und staatlicher Lenkung war als ‚dritter Weg‘ jenseits einer Zentralverwaltungswirtschaft und einer liberalen Marktwirtschaft vorstellbar und verfassungsrechtlich möglich, wenn er denn von einer parlamentarischen Mehrheit gewollt gewesen wäre. Für die Freien Gewerkschaften blieb die Sozialisierung eine regulative Idee künftiger Gesellschaftspolitik, aber keine Tagesaufgabe. Diese lautete: Wiederaufbau mit Hilfe der alten Unternehmer, denen man in der Masse freilich mehr vernunftgeleitete Einsicht in die Notwendigkeit einer kompromissorientierten Sozialpartnerschaft unterstellte, als sie tatsächlich aufbrachten. In der partnerschaftli-
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chen Auseinandersetzung mit ihnen wollten sich die Gewerkschaften die Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen, die eine Mitbestimmung auf Augenhöhe erforderte. Der Staat in der Gestalt von Ministern mit sozialdemokratischer und ausgesprochen gewerkschaftlicher Vergangenheit meldete sich schnell zurück, nachdem die Nationalversammlung gewählt worden war. Die ersten Reichskabinette akzeptierten den hybriden, d. h. öffentlichen Charakter der privat vereinbarten Arbeitsgemeinschaft, den die letzte kaiserliche Regierung nur widerstrebend eingeräumt hatte. Die ZAG war das zentrale Organ sowohl der Spitzenverbände und als auch der paritätischen RAGn der Branchenverbände der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Die RAGn waren gleichsam institutionelle Korsettstangen, um Arbeitskämpfe zwischen diesen Branchenverbänden möglichst zu vermeiden oder wenigstens zu begrenzen. Am Ende scheint vor allem die RAG Chemie gut funktioniert zu haben; über die anderen RAGn ist wenig bekannt. Jedenfalls bedurfte die ZAG ihrer nachgeordneten Gremien, um ihre Beschlüsse durchzusetzen. Es zeigte sich jedoch schon im Frühjahr 1919, dass die ZAG und ihr Unterbau die ihr zugedachte Ordnungsfunktion bestenfalls teilweise erfüllten. Die zu geringe Schnittmenge gemeinsamer Interessen der Sozialpartner, aber auch der zunehmende Widerwille der Mitglieder der ADGBGewerkschaften gegen die Arbeitsgemeinschaft verhinderten einen funktionierenden Korporatismus, wenn man denn diesen Begriff auf die Arbeitsgemeinschaft anwenden will. Die VDA als Spitzenverband der Arbeitgeber zeigte weniger Interesse an der ZAG als der RDI. Bei aller Mühe, sein Gewaltmonopol – auch mit Hilfe der rechtsradikalen Freikorps – durchzusetzen, sah sich der demokratische Staat zunehmend veranlasst, ebenso schlichtend und ordnend in die Arbeitsbeziehungen einzugreifen. Die Reichsregierung bewegte sich zwischen dem „Wunsch nach Selbstverwaltung und dem Zwang zur Staatsführung“.722 Sie akzeptierte die ZAG als Dialogpartner. Zugleich aktivierte sie jedoch den Reichswirtschaftsrat als Element der Gesetzgebung. Dabei wurden hier die industriellen Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig von denselben Personen wie in der Arbeitsgemeinschaft vertreten. Der Gedanke, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit in der ZAG abgestimmten Positionen bereits an den Entwürfen von Gesetzen und Verordnungen mitwirkten, erwies sich unter diesen Vorzeichen rasch als realitätsfremd. Dabei war es nicht zuletzt der ADGB unter Legien, der 1920 einen Erfolg der meuternden Freikorps und die Konterrevolution durch den politischen Massenstreik verhindert hatte, sieht man von der Konfusion auf Seiten der Putschisten ab. Viele Arbeitgeber hätten gern abgewartet, ob diese ihnen womöglich bessere politische Rahmenbedingungen böten als die Republik. Der Beitrag der ZAG zur Rettung der
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Republik blieb daher vergleichsweise marginal. Immerhin die Bewährungsprobe hatte die Arbeitsgemeinschaft – auch dank der RAG Chemie – bestanden. Im Unterschied zu 1918 / 19 waren die ADGB-Gewerkschaften und die ihr nahestehende SPD 1923 deutlich geschwächt. Die ADGB-Gewerkschaften verzeichneten dramatisch sinkende Rücklagen und Mitgliederzahlen. Der ADGB hatte 1924 noch vier Millionen Mitglieder gegenüber 7,8 Millionen im Jahr 1922. Der AfA-Bund sackte von 658.000 auf 447.000 Mitglieder ab. Die Gewerkschaftsführung zahlte für ihre Loyalität gegenüber der Republik den Preis abnehmenden politischen Einflusses. Kaum besser sah es bei den Christlichen und Liberalen aus.723 Die bürgerlichen Reichsregierungen – unter Gustav Stresemann noch mit und unter Wilhelm Marx schon ohne Beteiligung der Sozialdemokratie – bewältigten die Systemkrise der Republik. Ein auf die Reichswehr gestütztes autoritäres Regime wurde vermieden. Dabei wurden die Interessen der Arbeiterschaft zwar nicht gänzlich ignoriert. Aber sie übte keinen nennenswerten Einfluss mehr auf die Gestaltung der Stabilisierung aus. In den Augen einer wachsenden Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern, am Ende selbst in den Reihen der liberalen Gewerkschaften, hatte die Arbeitsgemeinschaft ihren Sinn längst verloren. Denn die Arbeitgeber hatten mit ihrem Widerstand gegenüber Lohnerhöhungen und mit der Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeiten schrittweise Erfolg. Dagegen hatte der Kampf der Gewerkschaften um den Erhalt der Reallöhne und ein gerechteres Steuersystem kaum Früchte getragen. Beide Seiten hatten den Achtstundentag zur Ikone gemacht. Als die Sozialpartner am Ende nur noch um dessen Abschaffung oder Erhalt rangen, schien keine Verständigung im Rahmen der ZAG mehr möglich. Sie degenerierte endgültig zum „unproduktiven Debattierclub“,724 in dem rituell die mehr oder minder gleichen Argumente ausgetauscht wurden. Die ADGB-Gewerkschaften, aber eben auch die kleine liberale Richtung kündigten die ZAG, da sie Gefahr liefen, in den Augen ihrer Mitglieder immer mehr zu Marionetten der Unternehmerverbände zu werden. Seit Lenin warfen Kommunisten, Syndikalisten und teilweise Linkssozialisten den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern vor, das Interesse der Arbeiterklasse verraten zu haben und zu Lakaien des Kapitals geworden zu sein. Den Gewerkschaften ging es indessen um wirtschaftliche Mitbestimmung in einer demokratischen Republik, der kommunistischen Gewerkschaftsopposition dagegen um deren Überwindung. Die Gewerkschaften beharrten trotz Kündigung der Arbeitsgemeinschaft auf dem Fortgelten des Stinnes-Legien-Abkommens. In der Forderung
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kam eine dreifache Sorge zum Ausdruck. Zum einen fürchtete man, die Arbeitgeber könnten angesichts ihrer Stärke die Anerkennung der Gewerkschaften überhaupt wieder zurücknehmen. Zum zweiten witterte man hinter den Bedenken gegen den ‚Tarifzwang‘ die Neigung, in die alte Verweigerungshaltung gegenüber Tarifverträgen zurückzufallen. Drittens wollte man die erneute Förderung ‚gelber‘ Betriebsgewerkschaften verhindern. Andeutungen des GDM-Vorsitzenden Borsig konnten nur als Hinweis auf die ‚Gelben‘ verstanden werden, die sich spätestens 1925 wieder der Wertschätzung der VDA erfreuten. Dass das Reichsgericht den ‚Gelben‘ die Tariffähigkeit zusprach und damit die Ziffer 3 des Stinnes-LegienAbkommens außer Kraft setzte, kam der Renaissance der arbeitgebernahen Arbeiterorganisationen entgegen.725 Der Zechenverband wollte in diesem Sinne die kollektiven Tarifverträge überwinden und durch Werkstarife ersetzen. Seine Politik wirkte stilbildend auch für die Tarifverhältnisse anderer Branchen.726 Die einstigen Protagonisten des Stinnes-Legien-Abkommens, RDI-Geschäftsführer Bücher, Borsig, der Elektroindustrielle Siemens und der VDA-Vorsitzende Sorge waren keineswegs begeistert von der Kündigung der ZAG durch die Gewerkschaften. Sie hätten diese Gesprächsplattform lieber erhalten. Ihre Erwartung, die Gewerkschaftsführung könne ihren Mitgliedern den Verzicht auf den Achtstundentag vermitteln, war angesichts des Drucks der Kommunisten und Syndikalisten nicht realistisch – zumal der Braunkohlenindustrielle Silverberg und selbst der einstige spiritus rector der Arbeitsgemeinschaft, Stinnes, sich mit ihren Stabilisierungskonzepten längst jenseits des Abkommens bewegten. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität war an die Grenzen einer über Jahre häufig schlecht ernährten, schlecht behausten, schlecht bekleideten und phasenweise radikalisierten Arbeiterschaft gestoßen. Das schloss nicht aus, dass einzelne Gruppen der Arbeiterschaft sich besser stellten als der Durchschnitt. Löhne, deren Kaufkraft immer schneller dahinschmolz, waren jedenfalls kaum dazu angetan, den Leistungswillen derjenigen zu fördern, die sich vielfach ihrer mit der Revolution verbundenen Hoffnungen beraubt sahen. Folgerichtig galt den meisten Industriellen die Rückkehr zu den Arbeitszeiten der Vorkriegszeit als Königsweg, um bei allenfalls mäßig steigenden Kosten deutlich mehr zu produzieren. Eine gemeinsame Lösung der Inflationskrise, die Duisberg, Bücher, Borsig, Siemens, vermutlich auch Raumer und andere im Grundsatz anstrebten, hätte in der Logik der ZAG gelegen. Die Verhandlungen im RDI zeigen indessen, dass die Unternehmerschaft am Ende nicht mehr zustande brachte als die Forderung nach längeren Arbeitszeiten und nach einer Regelung der Reparationsfrage. Letzteres lag nun kaum in der Macht der
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Industrie und erst recht nicht in derjenigen der Gewerkschaften. Die ADGB-Gewerkschaften fielen wie VDA und RDI in das hergebrachte Handlungsmuster zurück. Sie reagierten auf steigende Lebenshaltungskosten mit der Forderung nach höheren Löhnen und verweigerten konsequent – und gelegentlich wider besseres Wissen – die Ausweitung der Arbeitszeit. Baltrusch, Imbusch und andere christliche Gewerkschafter signalisierten ihre Bereitschaft, auf die Arbeitgeber zuzugehen und über den Achtstundentag zu verhandeln. Der langjährige Reichsarbeitsminister Brauns teilte die Überzeugung der christlichen Gewerkschaften, dass Unternehmer und Arbeiter als Teile einer ‚Volksgemeinschaft‘ ein grundsätzlich gemeinsames Interesse hätten. Da sich dieses gemeinsame Interesse im Rahmen der autonomen Vermittlung durch die ZAG nicht mehr organisieren ließ, nutzte Brauns die Hebel der Schlichtungs- und Arbeitszeitverordnung, um das virtuelle Gesamtinteresse des Sozialstaates durchzusetzen.727 Die Arbeitgeber beklagten die „Zwangsdiktate“728 des in ihren Augen gewerkschaftsaffinen Ministers. Dagegen erwarteten die Gewerkschaften im Zweifel von der staatlichen Bürokratie mehr Verständnis als von den Arbeitgebern. Die Hoffnung, dass der staatlich durchgesetzte Schlichterspruch womöglich günstiger ausfalle als ein in staatsfreien Verhandlungen erzielter Kompromiss, politisierte die Arbeitsbeziehungen. Fiel der Schlichterspruch ungünstiger aus als erwartet, konnte man gegenüber der Mitgliedschaft die Verantwortung dafür auf die staatlichen Schlichter abwälzen und musste keine unangenehmen Kompromisse mit den Arbeitgebern vertreten. Die Lohnpolitik mutierte aber zur Sozialpolitik, wenn der Staat über die Höhe der Löhne entschied. Jedenfalls sollte die überwiegende Zahl der Schlichtungsverfahren und Verbindlichkeitserklärungen in den folgenden Jahren auf Antrag der Gewerkschaften zustande kommen.729 Dank staatlicher Schlichtersprüche vermochten die Gewerkschaften 1924 / 25 zum Leidwesen des GDM zumindest Lohnerhöhungen durchsetzen, auch wenn sie den Achtstundentag aufgeben mussten.730 Freilich entschied sich der ADGB auch nicht klar für die staatliche Schlichtung, da dies in letzter Konsequenz den Verzicht auf das Streikrecht bedeutet hätte. Bezeichnend für die Unsicherheit des ADGB in der Frage der behördlichen Zwangsschlichtung, handelte der ADGB 1924 zwar mit der VDA ein Abkommen aus, das wieder auf freie Kollektivvereinbarungen setzte. Aber die Einzelgewerkschaften ratifizierten das Abkommen nicht.731 Kontrafaktisch darf zumindest erwogen werden, wie ein partnerschaftlicher Weg aus der Krise hätte aussehen können. Auf beiden Seiten war die Einsicht ja vorhanden, dass in Millionen von Arbeitnehmern ein Potenzial künftiger industrieller Führungskräfte schlummerte. Es hätte in
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einem längerfristig angelegten, wechselseitigen Lernprozess der Mitbestimmung und der Rekrutierung für unternehmerische Funktionen gehoben werden können. Dazu wäre freilich mittelfristig eine konsequentere Überwindung des antagonistischen Denkens erforderlich gewesen, bei den Arbeitgebern mehr noch als bei den Gewerkschaftern. Die Arbeitnehmervertreter hätten sich auf dem schmalen Grat zwischen selbstbewusstem Verständnis für die Gegenseite und den Versuchungen eines Seitenwechsels – denken wir dabei an August Müller – zu bewegen lernen müssen. Die Unternehmer hätten sich dem Gedanken öffnen müssen, dass der Besitz privaten Kapitals künftig nicht länger mit mehr oder minder unumschränkter Verfügungsgewalt einhergehen würde. Kurzfristig hätte man sich auf ein auf mehrere Jahre angelegtes Abkommen – vielleicht ein „Bücher-Leipart-Abkommen“ – in Fortschreibung des Novemberabkommens von 1918 einigen müssen, das der Staat in Person des Reichsarbeitsministers Brauns vermutlich mitgetragen hätte. Es hätte eine verbindlich degressive Rückkehr zur 60-Stunden-Woche mit temporärer Lohnzurückhaltung bei rascher Einführung wertbeständiger Löhne und Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital verbinden können. Die Einsicht, dass die Klage der Arbeitgeber über zu hohe Löhne angesichts der wirtschaftspolitischen und allgemeinen Rahmenbedingungen nicht ganz unbegründet war, beschränkte sich ja nicht auf die Retrospektive der Wirtschaftshistoriker. Vielmehr wurde sie auch von Zeitgenossen im Arbeitnehmerlager geteilt. Nur durch die Vereinbarung eines zeitlich beschränkten Lohnabbaus war wohl das Problem zu lösen, dass die Masse der Unternehmen nicht das notwendige Betriebskapital für produktivitätssteigernde Investitionen generieren konnte. Der Staat hätte parallel sofort eine wirksame Arbeitslosenversicherung und Kurzarbeiterunterstützung einzurichten gehabt, die eine vorübergehende Freisetzung nicht mehr benötigter Arbeitskräfte aufgefangen hätte. Sie wäre paritätisch aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu finanzieren gewesen. Was einer solchen Lösung entgegenstand, liegt auf der Hand: die ungelöste Reparationsfrage, die mangelnde Kompromissbereitschaft vieler Arbeitgeber, ihre latente Sehnsucht nach den Verhältnissen der Kaiserzeit, das anhaltende Klassenkampfdenken vieler Gewerkschaftsmitglieder, die Unfähigkeit, eine politisch neutrale Einheitsgewerkschaft zu bilden, und nicht zuletzt der Druck, den die radikale Gewerkschaftsopposition auf die ADGB-Führung ausübte. Zudem hätte eine Lösung 1922 gefunden werden müssen; mit Einsetzen der Hyperinflation war es vermutlich zu spät. In der Wahrnehmung der Linken bestätigte die Politisierung der Arbeitsbeziehungen den Charakter des demokratischen Staates als Klassenstaat. In den Augen konservativer Industrieller, von den reaktionären bis
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rechtsradikalen Strömungen ganz abgesehen, war die Republik ein ‚Gewerkschaftsstaat‘. Eine autoritäre politische Ordnung schien namentlich den Schwerindustriellen wieder attraktiv. Sie sollte nicht mehr auf demokratische Partizipation angewiesen sein und dem Unternehmer wieder weitgehende Handlungs- und Dispositionsfreiheit einräumen. Der zentrale Vorwurf lautete seit jeher, dass die Gewerkschaftsführung die eigenen, nicht die Interessen der Arbeitnehmer vertrete. Dagegen wähnte man das gesamtgesellschaftliche Interesse vor allem in den eigenen Händen gut aufgehoben. Mit Höfle hatte ein Unterzeichner des Stinnes-Legien-Abkommens und mit Bauer der ehemalige Zweite Vorsitzende der Generalkommission, erste sozialdemokratische Arbeitsminister und schließlich Reichskanzler der Versuchung zur Korruption nicht widerstehen können. Das nahm die Rechte als gefundenes Fressen für ihre antisemitisch eingefärbte Polemik gegen die vermeintliche Republik der ‚Bonzen‘ und ‚Schieber‘, die kommunistische Linke als willkommene Munition gegen die Sozialdemokratie.732 Gegen den Trend plädierte ausgerechnet der Braunkohlenindustrielle Silverberg – der 1922 / 23 mit einem radikalen Sanierungsprogramm zu Lasten der Arbeitnehmer aufgetreten war – 1926 wieder für die Republik und eine neue Arbeitsgemeinschaft. Nur die Gewerkschaften konnten seiner Auffassung nach die Arbeiterschaft nachhaltig organisieren, um mit ihrer Unterstützung unternehmerische Ziele gegenüber dem Staat zur Geltung zu bringen. Die ‚Gelben‘, die sich politisch an die DNVP und die DVP anlehnten, hielt er für ungeeignet. 1932 sollte derselbe Silverberg dann wieder auf den reaktionären Franz von Papen setzen. VdESI-Geschäftsführer Reichert und der Montanindustrielle Reusch traten Silverberg entgegen. VDA-Geschäftsführer Tänzler und der GDM-Vorsitzende Borsig setzten wieder auf die ‚gelbe‘ Karte. Tatsächlich kam es auch bis in die Krisenjahre zwischen 1930 und 1932 hinein immer wieder zu Gesprächen der Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Auch Bücher und Raumer ventilierten 1930 einen Neustart. Die Kontakte blieben ergebnislos. Die Schwerindustrie hatte zwar gegenüber den neuen Industrien an wirtschaftlicher Bedeutung eingebüßt, gleichwohl besaß sie gleichsam eine Vetomacht im RDI und anderen Verbänden. Mit dem sogenannten Roheisenstreit von 1928 machte sie Front gegen den Staat im Allgemeinen und dessen Schlichtungspraxis im Besonderen. Die Ablehnung der staatlichen Schlichtung war auch eine Antwort auf die Hoffnung der Gewerkschaften, in Anknüpfung an das Betriebsrätegesetz und den Art. 165 WRV auf gesetzlichem Wege eine „Wirtschaftsdemokratie“ durchzusetzen. Eine gemischtwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit starken gewerkschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten war geradezu das Gegenteil des-
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Quelle: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo
Abbildung 40: Von links nach rechts: Generaldirektor von Borsig, Fabrikdirektor Wittke, Generaldirektor Dr. Albert Vögler und Bernhard Otte (Vorsitzender des Gesamtverbandes C hristlicher Gewerkschaften), 1931
sen, was die Unternehmer anstrebten. Dass der langjährige Arbeitsminister Brauns am Ende die Sympathien beider Seiten verlor, war fast zwangsläufig. Die Weltwirtschaftskrise zeigte dann einmal mehr, dass sich zwischen den angebotsökonomischen Forderungen der Arbeitgeber und den nachfrageorientierten Vorstellungen der Gewerkschaften keine wirkliche Schnittmenge bildete. Die Unternehmer empfanden die Republik immer mehr als, im Interesse der Arbeitnehmer, leistungsfeindlichen Staat. Dahinter verbarg sich häufig die Absage an den von der Verfassung vorgegebenen Sozialstaat. Mit der Notverordnungspolitik des Reichskanzlers Heinrich Brüning trat der Staat unter Wahrung der Form des Tarifvertrages an die Stelle der Tarifparteien.733 Mancher Industrielle begann früh, rechte Gruppierungen finanziell zu unterstützen. Mit Borsig förderte einer der Protagonisten der ZAG nicht nur rechte Freikorps, sondern seit 1922 Adolf Hitler und dessen Partei. Auch Vögler und Fritz Thyssen gehörten zu seinen frühen Finanziers. Kirdorf stieß 1927 kurzzeitig zur NSDAP, um ihr 1934 erneut beizutreten. Hugenberg war längst in die Politik abgewandert. Seit 1928 führte er die
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DNVP als deren Vorsitzender konsequent in das Bündnis mit der NSDAP, wurde von der Schwerindustrie aber kaum mehr als ihr Gewährsmann angesehen. Reusch und Springorum liebäugelten 1932 im Sinne Hugenbergs nur kurz mit einem Bündnis zwischen Nationalsozialisten und Konservativen. Die Industrie geriet vor diesem Hintergrund schon früh in den Verdacht, die NSDAP sei gleichsam ihr Geschöpf. Tatsächlich bedachten die Industriellen die bürgerlichen Parteien mindestens ebenso mit Spenden. Ausgesprochene Freunde Hitlers und der NSDAP wurden die wenigsten Großindustriellen. Ihr Mann war Reichskanzler Papen, der mit Hilfe der Notverordnungen des Reichspräsidenten Hindenburg regierte, die Unabdingbarkeit von Tarifverträgen lockerte und die Weimarer Koalition in Preußen gewaltsam beendete. Sein Nachfolger, General Kurt von Schleicher, stieß vor allem bei Reusch und der Schwerindustrie auf Ablehnung. Denn Schleicher strebte eine von den linken Nationalsozialisten bis zu den Gewerkschaften reichende politische ‚Querfront‘ an. Folgerichtig lehnte er weitere Lohnsenkungen ab und wollte an Tariflöhnen festhalten. Silverberg hoffte seit 1932, mit den Nationalsozialisten gleichsam anstelle der Sozialdemokraten und Gewerkschaften eine neue Arbeitsgemeinschaft zu vereinbaren; der jüdische Industrielle plädierte daher für die Kanzlerschaft Hitlers. Die RDI-Spitze lehnte das zunächst ab. Weniger durch ihre finanziellen Zuwendungen an die Rechte als durch ihre zunehmend feindselige Haltung gegen die Weimarer Demokratie hatte die Schwerindustrie zu deren Untergang beigetragen. Die Großindustrie arrangierte sich bei aller Skepsis gegen dessen Autarkiepolitik schließlich mit der Kanzlerschaft Hitlers und seines Vizekanzlers Papen. Die Verfolgung der linken Parteien und bald auch der Gewerkschaften wurde meist wohlwollend aufgenommen. Denn die Nationalsozialisten zerschlugen zügig die mindestens unbeliebte, wenn nicht verhasste Arbeitsverfassung der Weimarer Republik. Die bis dahin durch die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie den demokratischen Staat in Form von Verträgen und Rechtsnormen gestalteten Arbeitsbeziehungen wurden auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Dessen Inhalt definierte der ‚Führer‘ und beanspruchte zugleich, es in seiner Person zu verkörpern. Für Tariffragen wurden weder die Deutsche Arbeitsfront noch die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation, sondern die staatlichen Reichstreuhänder der Arbeit zuständig. Selbst die 40-Stunden-Woche, allerdings ohne Lohnausgleich und eingeführt zwecks Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, nahmen die Arbeitgeber jetzt hin. Sie wurden zu ‚Betriebsführern‘, aber in dieser Eigenschaft zugleich zu Funktionären staatlicher Wirtschaftslenkung. Die Organisation der Industrie in Wirtschaftsgruppen erinnerte – wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen – an
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den Korporatismus à la Moellendorff. Auch hier blieb der Einfluss der Großindustrie hoch. Die Judenpolitik der Nationalsozialisten, nicht zuletzt die Verdrängung jüdischer Angehöriger des RDI, stieß dagegen nicht zuletzt in der Schwerindustrie auf Kritik. Früher oder später wandelte sich mancher frühere Sympathisant, wie Reusch, Fritz Thyssen, Bücher und Vögler, zum Gegner des Nationalsozialismus.734 Raumer, einst auf Seiten der Arbeitgeber treibende Kraft hinter dem Stinnes-Legien-Abkommen, ließ sich vor Erreichen der Altersgrenze vom Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie vorzeitig pensionieren.735 Er bedankte sich an Silvester 1933 bei Siemens für anderthalb Jahrzehnte der Zusammenarbeit als „Basis freien und unbekümmerten Handelns“. Das Jahresende zwinge ihn, Raumer, „mehr wie sonst […] zu Rückblicken, auch zur Aufstellung menschlicher Gewinn- und Verlust-Rechnungen“. Die Wendungen, mit denen er Siemens Mut für die Zukunft zusprach, deuteten Raumers Sorge über die Gegenwart und seine zutiefst bürgerlichliberale Überzeugung an, dass wirtschaftliche Rationalität die Handlungsspielräume der Politik begrenze:736 „Aber ich bin überzeugt, daß Ihre unbedingte schlichte Sachlichkeit Ihr Unternehmen auch durch diese Stürme steuern wird, wie Sie es doch schließlich durch Krieg, Revolution und Inflation gesteuert haben. Es gibt ja auch eine den Dingen selbst immanente Vernunft und gewisse Wirtschaftsgesetze wirken wie ein Kreiselkompaß.“
Vorläufig bewirkte diese Vernunft jedoch nichts gegen den ideologischen Irrationalismus. Nach 1945 beherzigten die Gewerkschaften ihre Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit. An die Stelle der Richtungsgewerkschaften traten einheitliche Branchengewerkschaften unter dem einheitlichen Dachverband DGB. Die Notwendigkeit von Arbeitgeberverbänden lag für die Gewerkschaften aus zwei zusammenhängenden Gründen auf der Hand. Zum einen benötigte man unter den Vorzeichen der Aufhebung des Preisund Lohnstopps 1948 den Tarifvertragspartner. Zum anderen unterstrich dessen Existenz die Notwendigkeit der eigenen Organisationen: Andernfalls hätten die Interessen der Arbeitnehmer vorwiegend auf betrieblicher Ebene wahrgenommen werden müssen. So fanden die Arbeitgeberverbände in den Gewerkschaften Verbündete gegen die amerikanische Besatzungsmacht. Mit Argusaugen beobachtete diese jede vermeintliche neue Zusammenballung wirtschaftlicher Macht, in der sie eine wesentliche Ursache für Nationalsozialismus und Krieg sah. Arbeitgeber der rheinischwestfälischen Eisen- und Stahlindustrie forderten bereits im November 1945 eine Zusammenarbeit, „wie sie in dem großen Werk der 1918 gegründeten ZAG beabsichtigt war, wie sie aber leider auf dem Boden des
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unfruchtbaren Klassenkampfs nicht gedeihen konnte“.737 Trotz der einseitigen Schuldzuweisung belegt diese Aussage die Fernwirkung des einstigen Lernprozesses. Die Arbeitgeberverbände wünschten stabile und politisch unabhängige Gewerkschaften sowie Betriebsräte nach Weimarer Muster. Auch diese hatten sich im Rückblick bewährt. Weitergehende wirtschaftsdemokratische Vorstellungen und Mitbestimmungspläne der Gewerkschaften lehnten die Arbeitgeber, kaum überraschend, ab – am Ende nur bedingt mit Erfolg, denkt man an das Gesetz über die Montanmitbestimmung von 1951. Folgerichtig kam es früh zu zahlreichen informellen Kontakten zwischen den Tarifpartnern, denen die Aufhebung des Lohn / Preis-Stopps ebenso gemeinsam war wie der Kampf gegen die Demontage von Betrieben als Reparationsleistung.738 Die Amerikaner traten eher für Tarifautonomie ein, während die Briten zunächst die amtliche Lohnfestsetzung beibehalten wollten. Von wirtschaftsdemokratischen Ideen hielten beide Besatzungsmächte nichts. Die deutsche Arbeitsverwaltung der britischen Zone, deren Einfluss sich im Rahmen der Bizone auch auf die amerikanische Zone ausdehnte, plädierte für einen erheblichen Staatseinfluss auf tarifliche Regelungen, der sogar über das Weimarer Vorbild hinausging. Die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sollten Tarifverträge vorbereiten und nach materieller behördlicher Prüfung und Genehmigung umsetzen. Das lehnten beide Tarifparteien ab. Im Zuge der Vorbereitung des Tarifvertragsgesetzes des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes wurde die Tarifautonomie zu Lasten des Staatseinflusses gestärkt. Die gegenüber dem Staat erhobene Forderung der meisten Gewerkschafter nach Tarifautonomie stand freilich im Spannungsverhältnis mit dem Ansinnen einer Verstaatlichung der Großindustrie als Grundlage einer planwirtschaftlichen Ordnung, wie es die Sozialdemokratie und die Theoretiker der Gewerkschaften hegten. Am Ende zeigte sich erneut, dass den Gewerkschaften allgemeinverbindliche Tarifverträge der Einzelgewerkschaften wichtiger waren als die Verstaatlichung der Industrie samt Steuerung der gewerblichen Arbeitsbeziehungen. Sie fügten sich schließlich ebenso wie die Arbeitgeberverbände in eine korporatistische Wirtschaftsordnung, die ohne eine institutionalisierte Sozialpartnerschaft auskam. Anders als in der Weimarer Republik sorgte das Wirtschaftswachstum für einen anhaltenden Diskurs von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat. Zwar kam es auch weiterhin zu Arbeitskämpfen, aber eben auch zu Kompromissen ohne staatliches Diktat. Langanhaltende Streiks wurden zur Ausnahmeerscheinung. Vorschläge zur Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft unter den Stichworten „Konzertierte Aktion“ und „Bündnis für Arbeit“ gingen von der Bundesregierung aus.739
Anmerkungen Zu I. Prolog 1 Vgl. BArch, R 13 / I 92, Bl. 1–4, Hauptvorstand, 14.11.1918; ebd., R 13 I / 155, Stenographisches Protokoll, 14.11.1918. 2 BArch, R 13 I / 155, Bl. 12, 16, Stenographischer Bericht, 14.11.1918.
Zu II. Einleitung 3 Führer (Hrsg.), Tarifbeziehungen, S. 7. 4 Reichert, Arbeitsgemeinschaft, S. 3, 5, 16. 5 Vgl. Protokoll der Verhandlungen des zehnten
Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands, S. 459 f. 6 Leibrock, Arbeitsgemeinschaft, S. 29. Vgl. auch ebd., bes. S. 10. 7 Arbeitnordwest, S. 114 f. 8 Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 149. 9 Siebert, Abkommen, S. 19. 10 Vgl. Stadtler, Reichsverband, S. 5–15 (Zitat S. 8); Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 369–373. 11 Kaun, Geschichte, S. 1 f. Vgl. ebd., S. 3–8. 12 Raumer, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 111. 13 Leipart, Legien, S. 112. 14 Preller, Sozialpolitik, S. 226. 15 Vgl. Bracher, Auflösung, S. 21–23. 16 Richter, Gewerkschaften, S. 255, 257. 17 Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 99. 18 Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 7. 19 Vgl. Feldman / Steinisch, Origins; Feldman, Unternehmertum. 20 Vgl. Feldman / Steinisch, Industrie. 21 Feldman, Unternehmertum, S. 101. 22 Kocka, Klassengesellschaft, S. 137. 23 Vgl. Oertzen, Betriebsräte, S. 252–255. 24 Vgl. Zunkel, Industrie, S. 195–197 (Zitat S. 195). 25 Vgl. Wulf, Stinnes, S. 104–107 (Zitat S. 104). 26 Vgl. Ritter, Staat, S. 85 f. 27 Hentschel, Geschichte, S. 67. 28 Vgl. Winkler, Revolution, S. 78–84, 715 (Zitate S. 78, 80). 29 Vgl. Kluge, Revolution, S. 72–74. 30 Schneider, Höhen, S. 347 f. 31 Richter, Gewerkschaften, S. 247. 32 Turner, Großunternehmer, S. 26; Mommsen, Dilemma, S. 215. 33 Bieber, Gewerkschaften, S. 815. 34 Mommsen, Dilemma, S. 212.
288 Anmerkungen 35 BArch, R 13 I / 13, Bl. 75, Geschichte des VdESI 1874–1934, Manuskript von C. Klein (1934). 36 Bieber, Rolle, S. 50. 37 Weber, Sozialpartnerschaft, S. 192. 38 Kolb / Schumann, Weimarer Republik, S. 14. 39 Vgl. Winkler, Weg, S. 382–384 (Zitat S. 382). Vgl. auch ders., Weimar, S. 47. 40 Feldman, Unternehmertum, S. 102. 41 Vgl. Wissell, Lebensjahre, S. 127–129, 132–134. 42 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 221. 43 Becker, Arbeitsvertrag während der Weimarer Republik, S. 47 f. 44 Gehlen, Silverberg, S. 207; Schönhoven, Entstehung, S. 23. 45 Vgl. Führer, Legien, S. 224–228 (Zitat S. 224, 226). 46 Plener, Vielfalt, S. 25. 47 Tschirbs, Arbeiterausschüsse, S. 262. 48 Vgl. Sabrow, DDR-Geschichtsschreibung, bes. S. 165 f. 49 Führer, Legien, S. 225; Mallmann, Perspektiven, S. 143, Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 213. Erstmals taucht diese Formulierung im „Correspondenzblatt“ der Freien Gewerkschaften 28 (1918), Nr. 49, 7.12.1918, S. 453, auf. 50 Schönhoven, Reformismus, S. 49. 51 Englberger, Tarifautonomie, S. 136 f. 52 Höpfner, Tarifgeltung, S. 96 f. 53 Vgl. Führer, Legien, S. 236–238. 54 Bieber, Rolle, S. 52. 55 Peukert, Weimarer Republik, S. 116. 56 Mallmann, Perspektiven, S. 148. 57 Grebing, Arbeiterbewegung, S. 72. 58 Weber, Sozialpartnerschaft, S. 1098. 59 Vgl. SHA, 14 / Le 713, Aktennotiz J. P. Lüders über ein Zeitzeugengespräch mit Raumer, 9.4.1964 (Zitate). 60 Vgl. Priemel, Unternehmer, S. 314–316. 61 Winkler, Weimar, S. 46. 62 Vgl. Winkler, Weg, S. 484 f. 63 Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 153. 64 Vgl. Erdmann, Geschichte, S. 103. 65 SHA, 14 / Le 713, Aktennotiz J. P. Lüders über ein Zeitzeugengespräch mit Raumer, 9.4.1964. 66 Vgl. Rehling, Konfliktstrategie, S. 14–35 (Zitat S. 14) und mit weiteren Verweisen S. 61 f. Vgl. auch Nautz, Durchsetzung, S. 15–20, 23–26. 67 Vgl. Büttner, Konflikt und Kooperation; Führer (Hrsg.), Revolution und Arbeiterbewegung. 68 Zit. nach Büttner, Konflikt und Kooperation. In der Druckfassung (Schönhoven, Wegbereiter der Demokratie) findet sich die Formulierung nicht mehr. 69 Müller-Jentsch, Gewerkschaften, S. 85, 93. 70 Zit. nach Büttner, Konflikt und Kooperation, und nur noch abgeschwächt in Welskopp, Soziale Voraussetzungen, S. 58 f. 71 Vgl. auch Rudloff, Soziale Lage, S. 113–119. 72 Vgl. Weinhauer, Revolution, S. 198. 73 Führers Beitrag fehlt in: Führer (Hrsg.), Revolution und Arbeiterbewegung. 74 Vgl. Andresen, Arbeiterjugend, S. 166–173. 75 Zit. nach Büttner, Konflikt und Kooperation. 76 Mittag, Chancen, S. 236.
Anmerkungen289 77 Büttner, Konflikt und Kooperation. 78 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 3 f.
Zu III. Von den Sozialistengesetzen zum Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst: Arbeitsbeziehungen im kaiserlichen Deutschland 1890–1917 79 Zit. nach Saul, Staatsinvention, S. 479; Kollmer, Dokumentation, S. 50. Vgl. auch Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 67–69; Kollmer, Dokumentation, S. 14–45; Saul, Staat, S. 103–109; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 12–16, 18–22. 80 Vgl. paradigmatisch Lesczenski, Thyssen, S. 93–103; Rasch, in: Rasch / Feldman (Hrsg.), Briefwechsel Thyssen / Stinnes, S. 13–108, bes. S. 39–72; Feldman, Stinnes, S. 46–59, 75–91, und Feldmans knappe, aber treffende Charakterisierung der Persönlichkeit in Feldman, Disorder, S. 284–287. Zu Stinnes, seiner Familie und seinem Werdegang auch die eher belletristische Schilderung bei Domberg / Rathje, Stinnes. 81 Vgl. dazu Schölzel, Rathenau, S. 41–75. 82 Vgl. Feldman / Homburg, Industrie, S. 27–40; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 35 f.; Schäfer, Bürgertum, S. 81–92. 83 Zit. nach Paul, Krupp, S. 280. 84 Vgl. Becker, Arbeitsvertrag, passim (Zitat S. 51). 85 Kocka, Legitimationsprobleme, S. 16. 86 Vgl. Feldman / Homburg, Industrie, S. 40–42; Hauenstein, Zentralverbände, S. 5, 21–30, 37–39, 42–45, 64–71; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 47–58; Kaelble, Interessenpolitik, bes. S. 61–95, 120–122; Leckebusch, Entstehung, S. 157–161; Rassow, Hansa-Bund, S. 29 f.; Saul, Staat, S. 71–75, 336–348; Stegmann, Erben, S. 135– 143; Ullmann, Bund, S. 234 f.; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 934–938, 990–993; Weisbrod, Arbeitgeberpolitik, S. 110–129. 87 Vgl. Hauenstein, Zentralverbände, S. 45–49; Kaelble, Interessenpolitik, S. 164– 174; Ullmann, Bund, S. 196 f., 235–241 (Zitat S. 236). 88 Vgl. Höpfner, Tarifgeltung, S. 63–75. 89 BWA, V 1 / 460, Heckmann an Buz, 24.10.1891. 90 Vgl. BWA, V 1 / 460, Liste, 21.7.1890, sowie ebd., V1 / 10.1 u. 10.2. passim. Vgl. dazu auch Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 143–154, 213–218; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 99–101. 91 Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 190. Vgl. auch ebd., S. 206–212. 92 Vgl. Arbeitnordwest, S. 13–17, 27–30; Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 82– 84; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 58–70, 114–149, 153–156.; Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 36 (Zitat), 110–123, 263–272, 289–307; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 30–36, 76–95, 128 f., 142–145, 147, 158, 160–170, 266–268; Kollmer, Dokumentation, S. 45, 48–50, 61, 70 f., 102–110, 131 f.; Leckebusch, Entstehung, S. 89–92, 103–108; Mallmann, Perspektiven, 17–25, 35–37, 45–53, 77–80; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 85–98; Saul, Staat, S. 109 f., 112 f.; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 24–29, 34–39, 64–69; Ullmann, Tarifverträge, S. 198 f. 93 BWA, V 1 / 462, Verschmelzung der beiden Spitzenverbände zur Vereinigung der deutscher Arbeitgeberverbände und Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände zur Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, [1913], S. 3 f. 94 Vgl. Kollmer, Dokumentation, S. 131–159. 95 Vgl. Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 20, 22 f. 96 Vgl. dazu Feldman, Kohlenindustrien, S. 301–304.
290 Anmerkungen dazu Przigoda, Unternehmensverbände, S. 304–308. Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 5–9, 109–120; Kocka, Arbeiterleben, S. 383 f., 402–407; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 109 f.; Varain, Gewerkschaften, S. 44 f., Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 848–889, 1000–1004, 1016–1034, 1038–1045. 99 Vgl. Höpfner, Tarifgeltung, S. 82–90; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 280–289; Saul, Staatsintervention, S. 482–486; ders., Staat, S. 226–269; Schröder, Bewältigung (Zitat S. 89); Spencer, Businessmen, S. 462; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 108–110. 100 Vgl. dazu Schäfer, Bürgertum, S. 92–104, 108–111. 101 Vgl. Englberger, Tarifautonomie, S. 85–88, 103–105; Ratz, Sozialreform, passim (Zitat S. 224); Ritter, Soziale Ideen, passim. 102 Vgl. Feldman, Stinnes, S. 92–118; Saul, Staatsintervention, S. 489 f.; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 72–81; Teuteberg, Mitbestimmung, S. 438–453. 103 Vgl. Saul, Staat, S. 115–132. 104 ACDP, 01 / 220, Nr. 014 / 3, Stinnes an Hirsch, 19. und 28.7.1911 (DS). 105 Vgl. Höpfner, Tarifgeltung, S. 33–55, 61 f., 75–77; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 38–40; Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 218–228; Kittner, Arbeitskampf, S. 294– 300; Leuchten, Kampf, S. 23–34; Saul, Staat, S. 211–219, Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 336 (Zitat); Schönhoven, Gewerkschaften, S. 175–177; Schröder, Bewältigung, S. 90. 106 Vgl. Fleck, Sozialliberalismus, S. 41–68, 170–180, 373 f., 527–535; Grebing, Geschichte, S. 22–30; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 88–94; Ritter / Tenfelde, Durchbruch, S. 131–151 (Zitat S. 149); Ritter, Staat, S. 68–78; Schönhoven, Organisationsverhalten, 406 f., 409–413; ders., Gewerkschaften, S. 205–207; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 58–65. 107 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 41–43; Führer, Legien, S. 37, 42 f., 64–68, 92–105, 108–113; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 105 f.; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 60–63; Ritter / Tenfelde, Durchbruch, S. 151–159, 162–165; Schönhoven, Expan sion, S. 268–306, 317–319, 327–331; ders., Organisationsverhalten, S. 403, 413–421; ders., Gewerkschaften, S. 186–191; Spencer, Businessmen, S. 453–463; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 110–114, 160–170, 181–206. 108 Vgl. Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 96–102. 109 Vgl. Altenhöfer, Stegerwald, S. 14 f., 23–32, 36–39; Arbeitnordwest, S. 39 f.; Forster, Stegerwald, 35–64; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 112–114; Ritter, Soziale Idee, passim; Saul, Staat, S. 190 f., 269–271; Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 164–166, 221–235, 266–270, 272–290, 293–296, 298–303, 319–322, 342–344, 360–363; Siegler, Lohnpolitik, S. 50–53, 56–95; Stegerwald, Leben, S. 5 f.; Ullmann, Tarifverträge, S. 153–157, 211; Varain, Generalkommission, S. 41–43, 68 f. 110 Vgl. Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 277–288; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 183 f., 208 f., 234 f., 262 f., 272 f.; Langer, Reusch, S. 62–68; Mallmann, Perspektiven, S. 83–86; Mattheier, Gelbe, S. 28–41, 59–65, 67–80, 88–95, 100–114, 118– 127, 168–174, 181–186, 198 f.; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 81–88; Saul, Staat, S. 133–187; Siegler, Lohnpolitik, S. 97 f.; Spencer, Businessmen, S. 462; Stegmann, Erben, S. 335–338, Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 103 f. 111 Vgl. dazu Tenfelde, Arbeitersekretäre; Schönhoven, Expansion, S. 221–260; ders., Gewerkschaften, S. 231 f. 112 Vgl. dazu Legien, Gewerkschaftsbewegung (Zitate S. 8 f., 17). 113 So der spektakuläre Titel von Groh, Negative Integration. 114 Vgl. Kocka (Hrsg.), Arbeiter und Bürger, S. 326–330; Bieber, Gewerkschaften, S. 46–54; Führer, Legien, S. 58, 60–62, 113, 116–118, 124–134; Grebing, Ar97 Vgl. 98 Vgl.
Anmerkungen291 beiterbewegung, S. 29–50; Höpfner, Tarifgeltung, S. 58 f.; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 41–46; Kaelble / Volkmann, Streik; Klan / Nelles, Flamme, S. 13–42; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 109 (Zitat), 110 f., 114 f., 118–126; Leipart, Legien, S. 28–30, 63 f., 141–144; Opel, Metallarbeiterverband, S. 22–26 (Zitat S. 26), 34–36; Plener, Vielfalt, S. 16–19, 22–25; dies., Leipart, S. 63–66, 82–103; Ritter, Soziale Idee, passim; Schönhoven, Gewerkschaften, S. 193–196, 236–243; Stegmann, Erben, S. 105–113; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 136–159; Teuteberg, Mitbestimmung, S. 490–498; Varain, Gewerkschaften, S. 7–18, 26–35, 48 f.; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 95–97; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 772–790; Ullmann, Tarifverträge, 193–205, 211 f. 115 Vgl. Arbeitnordwest, S. 30–34; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 28 f., 115–126, 133–138, 150–154; Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 239–263; Mallmann, Perspektiven, S. 69–74; Ritter, Staat, S. 78–80; Saul, Staat, S. 83 f.; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 40–46. 116 Vgl. Becker, Arbeitsvertrag, S. 98–110; Führer, Legien, S. 105–108; Varain, Generalkommission, S. 18–22. 117 Vgl. dazu BWA, V 1 / 462, Eingabe des VBM an das Kgl. Bayerische Staatsministerium betr. „Die Bedeutung der Tarifverträge und die Lage der Industrie in Bayern, r.[echts] v.[om] Rh.[ein]“, 2.6.1905 (AS). 118 Vgl. dazu Schäfer, Bürgertum, S. 105–107. 119 Vgl. Arbeitnordwest, S. 50–52; Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 180–190, 323 f.; Knips, Arbeitgeber, S. 66–76, 172–175, 196–204, 217–226, 247–254, 290 f.; Opel, Metallarbeiterverband, S. 28; Saul, Staat, S. 59 f., 63, 77–81, 87–91, 271–273; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 40–46, 51–54. 120 Vgl. Saul, Staat, S. 307 f. 121 Vgl. Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 75–113, 151–153. 122 Vgl. Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 154–180 (Zitat S. 164); ders., Arbeitsnachweise, S. 33 f., 37, 92 f., 163–185; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 138–142, 206–208; Mallmann, Perspektiven, S. 62–64; Saul, Staat, S. 85–87, 91–95. 123 Vgl. Englberger, Tarifautonomie, S. 49 f.; Kessler, Arbeitgeberverbände, S. 197–200; Knips, Arbeitgeberverbände, S. 280–289; Saul, Staat, S. 61–63; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 21–30; Ullmann, Tarifverträge, S. 159–170, 207. 124 Vgl. dazu BWA, V 1 / 462, Abmachungen innerhalb des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller, Stand am 1. April 1912. 125 Vgl. dazu Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 58–63. 126 Vgl. dazu BWA, V 1 / 12, Allgemeine Vorschriften des GDM (§ 30 der Satzung), beschlossen in den Ausschusssitzungen vom 13. Februar und 30. März 1912, 2. Aufl. 1917 (Zitat S. 3). 127 Vgl. Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 76 f., 80; Höpfner, Tarifgeltung, 91– 93, 109–116; Mallmann, Perspektiven, S. 91–93, 97–106 (Zitat S. 106); Opel, Metallarbeiterverband, S. 32 f.; Saul, Staat, S. 64–66; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 217 f.; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S.70–77, 90 f., 95, 99–103; Ullmann, Tarifverträge, S. 105–107, 116 f., 171–184, 187–191, 209, 212 f. (Zitat S. 212). 128 LArchB, A Rep. 226 / 28, CDI, Ausschuss, 1.2.1913. 129 Vgl. Forster, Stegerwald, S. 72–79; Kollmer, Dokumentation, S. 142; Saul, Staat, S. 192 f., 204–206, 219–226, 314–336, 348–352, 383–389; Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 345–348. 130 Feldman, Unternehmer und Arbeiter, aus: Kocka (Hrsg.), Arbeiter und Bürger, S. 215, 217. 131 Becker, Arbeitsvertrag, S. 299. 132 Raumer, Unternehmer, S. 425, 427.
292 Anmerkungen 133 Vgl. Bauer, Kriegsausschuss, S. 79–85, 91 f., 94–96; Feldman, Armee, S. 52– 58; Feldman / Homburg, Industrie, S. 61–64; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 179–183, 188–192 (Zitate S. 191, 194); Kocka, Klassengesellschaft, S. 13, 21–32; Mai, Kriegswirtschaft, S. 176–178; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 234–240; Varain, Gewerkschaften, S. 71–75. 134 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, 73–87, 99–115; Feldman, Armee, S. 68–76; Mai, Kriegswirtschaft, S. 105–118, 133–142; Tänzler, Arbeitgeber, S. 114–116. 135 Vgl. BWA, GDM Rundschreiben Nr. 29, 28.3.1916; Reichert, Arbeitsgemeinschaft, S. 4 (Zitat); Mallmann, Perspektiven, S. 132; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 207–209; Siebert, Abkommen, S. 16. 136 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 125–130; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 155– 171; Leibrock, Arbeitsgemeinschaft, S. 19 f.; Mai, Kriegswirtschaft, S. 182–189; Mattheier, Gelbe, S. 208–212; Plener, Leipart, S. 128; Preller, Sozialpolitik, S. 71; Tänzler, Arbeitgeber, S. 119. 137 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 116–124, 131 f., 150–167, 169–171, 213–218, 244–248; Feldman, Armee, S. 76–93, 110–112; ders., Disorder, S. 73–75; Höpfner, Tarifgeltung, S. 93 f.; Mai, Kriegswirtschaft, S. 176–181; Plener, Leipart, S. 122– 125; Stegmann, Erben, 483–485; Preller, Sozialpolitik, S. 30 f., 62–65; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 118; Teuteberg, Mitbestimmung, S. 505–507; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 30–35; Wachs, Verordnungswerk, S. 121–125. 138 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 192–197, 210–212; Feldman, Armee, S. 94– 107; ders., Disorder, S. 81–85; Kocka, Klassengesellschaft, S. 13–19. 139 Flugschrift, Mai 1916, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 232. 140 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 220–232, 262 f.; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 129–136; Mai, Kriegswirtschaft, S. 123–129; Plener, Leipart, S. 137–145; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 259 f. 141 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 260–295; Feldman, Armee, S. 116–122; Forster, Stegerwald, S. 151–153; Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 379–403; Opel, Metallarbeiterverband, S. 48–50, 54–56; Preller, Sozialpolitik, 29 f.; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 268–280; Varain, Generalkommission, S. 79–88. 142 Vgl. Feldman, Armee, S. 122–168; Mai, Kriegswirtschaft, S. 189–197. 143 Konferenz der Verbandsvorstände, 20.–22.11.1916, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 256 f. 144 Stegerwald an Giesberts, zit. nach Forster, Stegerwald, S. 154. 145 Vgl. Schönhoven, Gewerkschaften, S. 263–267. 146 Aufruf der Generalkommission etc. zum Hilfsdienstgesetz, 8.12.1916, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 261. 147 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 296–300; ders., Entwicklung, S. 96–99, 108–111; Buschak, Metallarbeiter, S. 144 f.; Feldman, Armee, S. 169–206; ders., Disorder, S. 66–69; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 137 f.; Mai, Kriegswirtschaft, S. 179, 192–208 (Zitat S. 198), 222–237; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 109 f. 148 Vgl. Gemeinsame Konferenz von Vertretern der Richtungsgewerkschaften und Angestelltenverbände über das Hilfsdienstgesetz vom 12.12.1916, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 262–298 (Zitat S. 288). Vgl. auch Tschirbs, Arbeiterausschüsse, S. 266; Siegler, Lohnpolitik, S. 96. 149 Vgl. Mai, Kriegswirtschaft, S. 204. 150 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 249–259, 301–303, 306–311, 313–321; Forster, Christliche Gewerkschaften, S. 151–155; Krüger, Morgenrot, S. 35–57; Matt heier, Gelbe, S. 233 f.; Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 409–422, 425–428; Varain, Generalkommission, S. 88–92.
Anmerkungen293 151 Vgl. BArch, R 13 I / 151, Bl. 72–90, Hauptvorstand, 21.6.1917 (Zitat Bl. 75). Vgl. auch Przigoda, Unternehmensverbände, S. 212 f. 152 Vgl. BArch, N 2131 / 11, fol. 319–324, Besprechung im Industrie-Club Düsseldorf, 19.8.1917. 153 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 303–306, 322–328, 339–341; ders., Entwicklung, S. 84–92, 100–102; Feldman, Armee, S. 209–267, 331–339, Feldman / Homburg, Industrie, S. 48 f.; Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 185–187; Mai, Kriegswirtschaft, S. 243–308; Mattheier, Gelbe, S. 186–192, 250 f., 256 f.; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 215 f.; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 286–292. 154 Vgl. Bauer, Kriegsausschuss, S. 99; Feldman, Disorder, S. 80; Mai, Kriegswirtschaft, 309–315; Preller, Sozialpolitik, S. 42 (Zitat). 155 Zit. nach Gehlen, Silverberg, S. 120. 156 Gemeinsame Konferenz von Vertretern der Richtungsgewerkschaften und Angestelltenverbände mit Vertretern des Kriegsamtes und des Kriegsernährungsamtes über die Lebensmittelversorgung, 13.3.1917, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 326. 157 Vgl. BArch, R 13 I / 152, Bl. 2–13, 114 f., Hauptvorstand, 24.9.1917 (Zitat Bl. 6). 158 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 360–367, 498–515, 533–546; Buschak, Metallarbeiter, S. 141–144; Feldman, Armee, S. 267–326, 344–351; ders., Stinnes, S. 505–507; Führer, Legien, S. 199 f.; Hagenlücke, Vaterlandspartei, bes. S. 189–191; Opel, Metallarbeiterverband, S. 61, 65–69 (Zitat S. 67); Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 358–360; Stegmann, Erben, S. 507–511, 516– 519; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 264–267. 159 Vgl. Gemeinsame Eingabe der Richtungsgewerkschaften und Angestelltenverbände an den Bundesrat und Reichstag mit Forderungen zur Übergangswirtschaft, 30.6.1917; Sozialpolitisches Arbeiterprogramm der Freien Gewerkschaften, in: Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 360–370, 407–414. Vgl. auch Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 403–407; Varain, Generalkommission, S. 109 f. 160 Vgl. BArch, R 13 I / 152, Bl. 137–139, VdESI-Hauptvorstand, 24.9.1917. 161 TA, FWH 1338, Denkschrift der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände: Forderungen der Uebergangszeit und Friedenswirtschaft, März 1918. Vgl. auch Leckebusch, Entstehung, S. 67–69; Preller, Sozialpolitik, S. 49 f.; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 216 f.; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 122–128. 162 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 384–402, 405–410, 413–415; Forster, Stegerwald, S. 184–188; Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 119–121; Teuteberg, Mitbestimmung, S. 472–483; Varain, Generalkommission, S. 101 f.
Zu IV. Die Entstehung des Stinnes-Legien-Abkommens 1917 / 18 163 Ehlert, Zentralbehörde, S. 89–91. 164 Vgl. Feldman, Unternehmertum,
S. 111; ders., Stinnes, S. 386–389, 504 f.; ders., Armee, S. 352; Rehling, Konfliktstrategien, S. 50 f.; Zunkel, Industrie, S. 130– 133. 165 DAgZ 17 (1918), Nr. 23, 9.6.1918. 166 Vgl. BWA, V 1 / 12, GDM, Rundschreiben, 19.7.1917; GDM Ausschuss, 22.3.1918 (Zitat). 167 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 369–374; Feldman, Stinnes, S. 460 f., 464– 490, 507; Pomiluek, Beukenberg, S. 254–274; Rehling, Konfliktstrategie, S. 66–70; Zunkel, Industrie, S. 59–129, 133 f.
294 Anmerkungen 168 Vgl. BArch, R 13 I / 152, Bl. 46–54, Hauptvorstand, 24.9.1917 (Zitat Bl. 53). 169 BArch, N 1231 / 27, fol. 438, Stinnes an Hugenberg, 28.11.1917. 170 Putlitz, Unterwegs, S. 34, 36. 171 Raumer, Unternehmertum, S. 428. 172 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 241; Feldman, Unternehmertum, S. 111 f.;
Feldman, Stinnes, S. 507 f.; Pomiluek, Beukenberg, S. 274; Raumer, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 107; Wulf, Stinnes, S. 93 f.; Zunkel, Industrie, S. 133 f. 173 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 441–455, 503–519; Forster, Stegerwald, S. 188–195; Führer, Legien, S. 209–213; Opel, Metallarbeiterverband, S. 70–74; Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 419–421, 434–436; Winkler, Revolution, S. 269–271; Wulf, Stinnes, S. 93 f. 174 Vgl. MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 218, Guggenheimer an Buz, 14.6.1918 (DS) (Zitat), Guggenheimer an Raumer, 02.08.1918 (DS). 175 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 455–471; Feldman, Origins, S. 112; Feldman / Homburg, Industrie, S. 64 (Zitat); Reichert, Entstehung, S. 7; Zunkel, Industrie, S. 170 f. 176 Vgl. Führer (Hrsg.), Tarifbeziehungen, S. 16–18. 177 Raumer, Unternehmertum, S. 428. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 595 f. 178 Vgl. BArch, Nl 2169 / 27, Legien, 22.10.1918; Führer, Legien, S. 73–77, 219–221; Leipart, Legien, S. 81 f.; Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 473–516 (Zitat S. 493). 179 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 546–554; Feldman, Armee, S. 401–412; Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 475 (Zitat); Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 128–130; Varain, Generalkommission, S. 112–114. 180 Vgl. Reichert, Entstehung, S. 7 f. 181 DAgZ 17 (1918), Nr. 41 f., 13. und 20.10.1918. 182 Vgl. Rathenau an Schëuch, 9.10.1918, zitiert nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1795–1797 (Zitat S. 1997); Rathenau, Ein dunkler Tag, Vossische Zeitung, 7.10.1918, zit. ebd., S. 498. Vgl. auch Plumpe, Duisberg, S. 142. 183 Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 487. 184 Wissell, Leben, S. 120. 185 Vgl. Raumer an Siemens, 8. (Zitate) und 14.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 49 f., und dazu Feldman, Unternehmertum, S. 112–114. 186 Vgl. Schäfer, Geschichte, S. 181–184. 187 Vgl. dazu Varain, Generalkommission, S. 119 f. 188 Vgl. Bergarbeiterverbände an Zechenverband, 12.10.1918, Sitzung des Geschäftsausschusses des Zechenverbands, 14.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 52–54 (Zitat); ders., Unternehmertum, S. 113 f.; ders., Stinnes, S. 513 f.; Grebing, Otto Huë. 189 Vgl. Bergarbeiterverbände an Zechenverband, 12.10.1918, Sitzung des Geschäftsausschusses des Zechenverbands, 14.10.1918, Sitzung des Vorstandes des Zechenverbandes, 15.10.1918, Zechenverband an den Verband der Bergarbeiter, 15.10.1918; zit. nach Feldman, Origins, S. 52–56 (Zitate S. 54). Vgl. dazu auch Feldman, Stinnes, S. 513–515; ders., Unternehmertum, S. 113 f.; Pomiluek, Beukenberg, S. 275 f.; Zunkel, Industrie, S. 174–177. 190 DAgZ 17 (1918), Nr. 28, 14.7.1918, Nr. 37, 15.9.1918. 191 Vgl. Verhandlungen des Geschäftsausschusses des Zechenverbandes mit den Vertretern der Bergarbeiterverbände einschließlich Entwurf einer Presseerklärung, 18.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 57–61 (Zitate S. 59 f.); Bieber, Gewerkschaften, S. 597 f.; Pomiluek, Beukenberg, S. 271–273. 192 Vgl. BBA 72 / 1043, Zechenverband, Rundschreiben, 23.10.1918 (AS).
Anmerkungen295 193 Correspondenzblatt 28 (1918), Nr. 44, 2.11.1918, S. 406. 194 Vgl. Vögler, Besprechung mit den Gewerkschaftsführern,
18.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 61 f. (folgende Zitate); ACDP, Nl Stinnes, Nr. 006 / 2, DMV an Nord-West Gruppe, 19.10.1918 (AS); Bieber, Gewerkschaften, S. 598 f.; Feldman, Unternehmertum, S. 114 f.; ders., Stinnes, S. 515 f.; Zunkel, Industrie, S. 177. 195 Kriegskommissionssitzung, 16.10.1918, zit. nach Wachs, Verordnungswerk, S. 20, Anm. 56. Vgl. auch Ehlert, Zentralbehörde, S. 75 f. 196 TA, H 2266, Vögler an Springorum, 18.10.1918. 197 Vgl. Rede Henrichs im Verein Deutscher Ingenieure, 20.10.1918, Henrich an Stinnes, 21.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 63–66 (Zitate S. 65 f.), und dazu Feldman, Unternehmertum, S. 116 f.; ders., Stinnes, S. 117–119; Zunkel, Industrie, S. 179–181. 198 ACDP, Nl Stinnes, Nr. 44 / 3, Henrich an Stinnes, 22.10.1918, hs. Aufsatz von Hugo Stinnes (abgedruckt bei Feldman, Stinnes, S. 519). 199 Vgl. auch das Fazit des Leitartikels „Bankerottpolitik!“ der DAgZ 17 (1918), Nr. 48, 1.12.1918, und bes. „Regierungsweisheit von heute“, ebd. 20 (1921), Nr. 23, 5.6.1921, sowie „Vier Jahre Fronarbeit“, ebd. 21 (1922), Nr. 46, 12.9.1922, und ganz eindeutig in „Herbstzeitlosenpolitik“ in ebd. 22 (1923), Nr. 45, 11.11.1923. 200 Rathenau an Schëuch, 15.10.1918 u. an Staatssekretär Erzberger, 26.10.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1799–1802, 1811–1815 (Zitate passim). Vgl. dazu Schölzel, Rathenau, S. 245–247. 201 So berichtet Harry Graf Kessler, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. II, S. 780. 202 Vgl. Aktennotiz Henrich, 22.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 66 f. (Zitate S. 67), und dazu Feldman, Unternehmertum, S. 117. 203 Vgl. Henrich an Vögler, 22.10.1918, Raumer an Henrich, 24.10.1918, Vorstandssitzung GDM, 26.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 67–69 (Zitat S. 68), und dazu Feldman, Stinnes, S. 519; Zunkel, Industrie, S. 177–179. 204 Zit. nach Führer, Legien, S. 197. 205 Vgl. Zarusky, Zarismus, bes. S. 107–121. 206 Vgl. Raumer, Unternehmer, S. 428 f. (Zitat S. 428); ders., Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 108. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 597, der das Treffen auf den 20.10.1918 datiert. 207 Vgl. Raumer an Henrich, 24.10.1918, Vorstandssitzung GDM, 26.10.1918, Töwe an Siemens, 29.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 66–69; ACDP, NL Stinnes, Nr. 006 / 2, Töwe an Stinnes, 29.10.1918. Vgl. dazu Feldman, Unternehmertum, S. 116–118; ders., Stinnes, S. 518 f.; Zunkel, Industrie, S. 172–174. 208 SHA, A 1502, Siemens an Petri, 19.2.1918. 209 Vgl. auch DAgZ 17 (1918), Nr. 44, 3.11.1918. 210 Vgl. dazu Feldman, Origins, S. 76 (Anm. 15) (Zitat); Langer, Reusch, S. 150 f.; Pomiluek, Beukenberg, S. 276 f.; Wulf, Stinnes, S. 73–80. 211 Vgl. Verhandlungen der Nordwest-Deutschen Gruppe des VdESI mit den Vertretern des DMV, 26.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 69–76 (Zitate S. 70, 72 f., 75); ders., Unternehmertum, S. 118 f.; Feldman / Homburg, Industrie, S. 69 f. 212 ACDP, NL Stinnes, Nr. 006 / 2, Stinnes an Reusch, 21.10.1918 (DS). 213 SHA, 11 / Lg 736, Telegramm Vögler an Henrich, 27.10.1918. 214 Putlitz, Unterwegs, S. 33. 215 Vgl. Raumer an Siemens, 30.10.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 76 f.; Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1820 f.; Feldman, Unternehmertum, S. 119 f.; Bieber, Gewerkschaften, S. 600 f.; Raumer, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 109.
296 Anmerkungen 216 Vgl. Konferenz der Verbandsvorstände, 1.11.1918, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 516–525 (Zitat S. 518). 217 Vgl. Raumer an Siemens nebst Anlage, 30.10.1918, Raumer an Stinnes, 2.11.1918, Rieppel an Raumer, 6.11.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 76–78 nebst Anm. 4; Mattheier, Gelbe, S. 296. 218 Rathenau, Briefentwurf für Raumer an Legien, 28.10.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1819. 219 Vgl. DAgZ 17 (1918), Nr. 44, 3.11.1918. 220 Vgl. Raumer an Rieppel, 6.11.1918 nebst Anlage, Reichert an Beukenberg, 16.11.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 79–81 (Zitate S. 80); DAgZ 17 (1918), Nr. 35, 1.9.1918; ebd. 17 (1918), Nr. 44, 3.11.1918. Vgl. auch Wachs, Verordnungswerk, S. 15–17. 221 Vgl. Siebert, Abkommen, S. 18 f. 222 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 311, VDA-Rundschreiben: Demobilmachung, 5.11.1918. 223 Vgl. dazu Rathenau an Schëuch, 9.10.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1797. 224 Vgl. Raumer an Rieppel, 16.11.1918 in: Feldman, Origins, S. 82 f. (Zitat S. 82); Raumer, Unternehmer, S. 429 f., Textentwurf: Aufhäuser, Borsig, Deutsch, Paul Eisner, Henrich, Höfle, Legien, Neustedt, Rathenau, Stegerwald, Stinnes, Le gien u. a. an Prinz Max von Baden, 6.11.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1826 f. 225 Rathenau an Cuno, 6.11.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1825. 226 Vgl. Matthias / Morsey (Bearb.), Regierung Max von Baden, S. 569 f., 586–589; Raumer an Rieppel, 16.11.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 82 f. (Zitat S. 82); ders., Unternehmertum, S. 119 f.; ders., Stinnes, S. 523 f.; Bieber, Gewerkschaften, S. 603 f.; Wachs, Verordnungswerk, S. 18–26; Zunkel, Industrie, S. 181–188. 227 Vgl. Reichert, Entstehung, S. 9. Ähnlich Leipart, Legien, S. 107. 228 ACDP, NL Stinnes, Nr. 014 / 2, Telegrammabschrift Hugenberg vom 19.11.1918. 229 ACDP, NL Stinnes, Nr. 014 / 2, Rötger an Stinnes, 9.11.1918, nebst DS eines Schreibens Industrierat an den Reichskanzler, 9.11.1918. 230 Tänzler, Arbeitgeber, S. 146. 231 Raumer an Rieppel, 16.11.1918 zit. nach Feldman, Origins, S. 82 f. (Zitat S. 83). 232 ACDP, NL Stinnes, Nr. 014 / 2, Stinnes an Rötger, 9.11.1918 (DS). 233 Vgl. MANA, Nl Guggenheimer, GDM-Rundschreiben, 8.11.1918. 234 Raumer an Rieppel, 16.11.1918, zit. nach Feldman, Origins, S. 82 f. (Zitat S. 83) 235 Vgl. Miller (Bearb.), Regierung der Volksbeauftragten, Bd. 1, S. 27, 57, Anm. 38; Ehlert, Zentralbehörde, S. 82. 236 Vgl. Rathenau an Cunow, 6.11.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 1825. 237 Zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 67. 238 DAgZ 17 (1918), Nr. 45, 10.11.1918. 239 Vgl. TA, DHHU 2336, Rundschreiben, 10.11.1918. 240 Vgl. Kluge, Revolution, S. 62–65. 241 Vgl. BArch, R 43 / 2494 / j, Bl. 5–7, Hauptausschuß nationaler Arbeiter- und Berufsverbände Deutschlands an Reichskanzler Ebert, 17.11.1918 (Zitat), nebst AS Hauptausschuß an Staatssekretär Bauer.
Anmerkungen297 242 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 567–574, 586–591; DAgZ 18 (1919), Nr. 3, 19.1.1919; Mattheier, Gelbe, S. 297. 243 Vgl. Tschirbs, Tarifpolitik, S. 44. 244 Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. V / 2, S. 2022. Vgl. auch Wachs, Verordnungswerk, S. 7 f. 245 Duisberg an Merk, 31.10.1918, zit. nach Feldman, Unternehmertum, S. 124. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 566 f.; Scholtyseck, Bosch, S. 94. 246 Vgl. Leipart, Legien, S. 107; Zunkel, Industrie, S. 189–194. 247 ACDP, NL Stinnes 006 / 2, Telegramm Vögler an Stinnes, 11.11.1918. 248 ACDP, NL Stinnes 006 / 2, Telegramm Hugenberg an Stinnes, 11.11.1918. 249 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 606–608; Leipart, Legien, S. 108; Schölzel, Rathenau, S. 249; Zunkel, Industrie, S. 191–194. 250 Vgl. dazu Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 115–118. 251 Vgl. ACDP, 01 / 220, Nr. 006 / 2, Beukenberg an Stinnes, 12.11.1918, Rundschreiben Nordwestliche Gruppe, 12.11.1918. 252 Vgl. Plumpe, Duisberg, S. 145 f. 253 Vgl. Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 207–209. 254 Vgl. Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 80–96. 255 ACDP, 01 / 220, Nr. 006 / 2, Stinnes an Beukenberg, 12.11.1918. 256 Zit. nach Raumer, Unternehmer, S. 430. 257 DAgZ 17 (1918), Nr. 52, 29.12.1918. 258 Vgl. Mattheier, Gelbe, S. 297. 259 Vgl. Steitz, Quellen, S. 74–76. 260 Vgl. Stahlwerksverband. Verhandlungen am 21.11.1918, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 200–206; Feldman, Probleme, S. 623–630; Feldman / Homburg, Industrie, S. 69 f., 72 f.; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 44; Pomiluek, Beukenberg, S. 324 f.; Wachs, Verordnungswerk, S. 147–164, 181–185. 261 Vgl. Miller (Bearb.), Regierung der Volksbeauftragten, Bd. 1, S. 37 f.; Grebing, Arbeiterbewegung, S. 68–70. 262 Stenographisches Protokoll über die Hauptvorstandssitzung des VdESI vom 14. November 1918 zu Berlin, zit. nach Feldman, Origins, S. 88. 263 BArch, R 43 / 2494 / j, Bl. 26, Ebert an Arbeiter- und Soldatenrat Gelsenkirchen (Entwurf), 14.12.1918. Vgl. ebd., Bl. 25, Bezirksverband der Werkvereine Gelsenkirchen an Ebert, 10.12.1918, Bl. 25, und ebd., Bl. 27, Arbeiter- und Soldatenrat an Ebert, 17.12.1918. 264 Vgl. BArch, R 43 / 2494 / j, Bl. 27, Arbeiter- und Soldatenrat an Ebert, 17.12.1918; BBA 32 / 4280, Zechenverband, Rundschreiben, 24.7., 9.8. und 19.9.1919. 265 Vgl. auch Varain, Generalkommission, S. 121–123, 146; Richter, Gewerkschaften, S. 304–307. 266 Zit. nach Feldman, Stinnes, S. 526. 267 Vgl. Pomiluek, Beukenberg, S. 279 f. 268 Vgl. BArch, R 13 I / 155, Bl. 1–135, Stenographisches Protokoll über die Hauptvorstandssitzung des VdESI vom 14. November 1918 zu Berlin sowie die Edition von Feldman, Origins, S. 86–102 (Zitate passim). Vgl. auch Feldman, Stinnes, S. 524–528; Varain, Generalkommission, S. 126 f. 269 Vgl. dazu Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 105 f. 270 Vgl. dazu Siebert, Abkommen, S. 40 f. 271 Vgl. Feldman, Stinnes, S. 528; Langer, Reusch, S. 174 f. 272 Vgl. dazu Feldman, Stinnes, S. 554. 273 Vgl. Stremmel, Krupp, S. 186. 274 Wissell, Leben, S. 133.
298 Anmerkungen 275 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 592–595; Führer, Legien, S. 236; Leipart, Legien, S. 35 f. 276 Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. II, S. 770. Ähnlich ebd., S. 829. 277 BArch, N 1013 / 136, fol. 4, Silverberg an Kruse, 17.9.1920. 278 Vgl. Leipart, Legien, S. 69, 110, 177. 279 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 21–27, Zentralausschuss, 11. und 19.12.1918 (Zitat); Feldman / Steinisch, Industrie, S. 73 f.; Feldman, Stinnes, S. 547–550. 280 BArch, Nl Hugenberg, fol. 228, Raumer an Stinnes, 14.12.1918 (A). 281 Vgl. BArch, R 43 / 2494 / j, Bl. 1, Borsig / Legien an Vollzugsrat, 15.11.1918, f. Zum Vollzugsrat vgl. Gusy, Reichsverfassung, und Feldman, Origins, S. 102 S. 49 f. 282 So Gusy, Reichsverfassung, S. 356. 283 Vgl. dazu Raumer an Rieppel, 16.11.1918 (Anlage), zit. nach Feldman, Origins, S. 83 f. 284 So in der Retrospektive Wissell, Leben, S. 123. 285 Vgl. Konferenz der Verbandsvorstände, 14.11.1918, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 529–537 (Zitat S. 534). 286 Zur Sicherung der Übergangswirtschaft, in: Correspondenzblatt 28 (1918), Nr. 46, 16.11.1918, S. 417. 287 Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 146. 288 Vgl. dazu Metzner, RDI, S. 126–128. 289 Raumer, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 111. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 613 f. 290 Vgl. Miller (Bearb.), Regierung der Volksbeauftragten, Bd. 1, S. 47. 291 Varain, Generalkommission, S. 125. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 613 f. 292 Sieber, Abkommen, S. 23. 293 Die Vereinbarung mit den Unternehmerverbänden, in: Correspondenzblatt 28 (1918), Nr. 47, 23.11.1918, S. 425. 294 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 608; Sieber, Abkommen, S. 28. 295 BBA 72 / 1043, Zechenverband, Rundschreiben, 15.11.1918. Vgl. auch Dörnemann, Politik, S. 20–22; Spethmann, Ruhrbergbau, S. 98–102. 296 BBA 55 / 2342, Umdruck, o.D. [1918]. 297 Vgl. Przigoda, Unternehmensverbände, S. 260 f. 298 Vgl. BBA 32 / 3879, Preuß. Minister für Handel und Gewerbe, Erlass, 22.11.1918; Staatliche Berginspektion 2 an Staatl. Bergwerksdirektion Recklinghausen, 4.12.1918; Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk an die Kgl. Bergwerksdirektion, 17.12.1918; Zechen-Verband an Staatl. Bergwerks direktion, 29.1.1919 (Zitat); Vermerk, 15.2.1919; Preuß. Minister für Handel und Gewerbe an Bergwerksdirektion Recklinghausen, 21.04.1919; Zechenverband an Bergwerksdirektion, 3.5.1919; Minister für Handel und Gewerbe an Bergwerksdirektion, 8.8.1919; Bergwerksdirektion an Zechenverband, 15.8.1919 (DS) (Zitat). Vgl. auch Przigoda, Unternehmensverbände, S. 268–270. 299 TA, H 2266, Beukenberg an Springorum, 16.11.1918, Springorum an Beukenberg, 19.11.1918 (DS). 300 Bericht über die außerordentliche Mitgliederversammlung am 18. Dezember 1918 in Berlin, in: Mitteilungen der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Nr. 1, 2.1.1919, zit. nach TA, FWH 1339. Vgl. auch Bieber, Gewerkschaften, S. 614–617; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 33–35. 301 Vgl. den Text bei Leibrock, Arbeitsgemeinschaft, S. 144–148. 302 Correspondenzblatt 28 (1918), Nr. 48, S. 439 f., 443.
Anmerkungen299 303 Vgl. Kundgebung, 23.11.1918, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, 537 f. 304 Vgl. Stegerwald, Leben, S. 13 f. 305 TA, H 2266, Vögler an Springorum, 18.11.1918, nebst Anlage DS Vögler an den Vorsitzenden der Nationalliberalen Partei Consbruch, 18.11.1918. 306 TA, H 2266, Springorum an Vögler, 19.11.1918 (DS). 307 TA, FWH 1675, Aufzeichnung einer Besprechung im Kriegsamt unter Leitung von Staatssekretär Koeth, 20.11.1918 (DS). 308 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 1–9; ebd., Bl. 21–23, Zentralausschuss, 11.12.1918; ebd., R 13 I / 93, VdESI, Bl. 68, Hauptvorstand, 1.3.1919. Vgl. auch Richter, Gewerkschaften, S. 297 f. 309 Vgl. SHA, 4 / Lh 299, Siemens an Petri, 27.11.1918 (AS). Vgl. dazu Weber, Sozialpartnerschaft, S. 227. 310 Vgl. Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 539–602 (Zitate S. 542–544, 551, 563, 580); Correspondenzblatt 28 (1918), Nr. 49, S. 456– 458. Vgl. dazu Feldman / Steinisch, Industrie, S. 27–30. 311 Vgl. Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 486–496; Siegler, Lohnpolitik, S. 36–39. 312 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 10–27, Zentralausschuss, 4.12.1918. 313 Vgl. Flugblatt, 3.12.1918, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 599–602 (Zitat S. 601). 314 Vgl. Gusy, Reichsverfassung, S. 42–48. 315 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 21 f., 80; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 55–57; Richter, Gewerkschaften, S. 285–297; Wachs, Verordnungswerk, S. 53–57, 73–75, 97–100. 316 Vgl. HAK, WA 4 / 1428, Bericht über die Demobilmachung der Arbeitskräfte bei der Firma Krupp, erstattet in der Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrats mit der Stadtverwaltung am 19. November 1918. Vgl. dazu auch Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 86 f., S. 92 f.; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 59–64, 68–70. 317 Vgl. Bieber, Gewerkschaften, S. 619–623, 625–634; Ehlert, Zentralbehörde, S. 149–191; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 123–125; Mittag, Chancen, S. 232 f.; zur Person Moellendorffs vgl. Ehlert, Zentralbehörde, S. 91–103. 318 SHA, 4 / Lf 730–1, Vorstandssitzung, 22.11.1918. 319 Vgl. Feldman / Steinisch, Industrie, S. 37. 320 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 21–23, Zentralausschuss, 11.12.1918. 321 Vgl. Feldman / Steinisch, Industrie, S. 32 f.; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 44, 47; Zunkel, Gewichtung, S. 638 f. 322 Vgl. dazu Feldman, Stinnes, S. 530 f. 323 Rathenau an Schairer, 21.1.1919, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 2088. 324 Vgl. ACDP, Nl Stinnes, Nr. 14 / 1, Raumer an Stinnes, 30.12.1918 (AS), nebst Anlage: Raumer an Vögler, 30.12.1918 (AS) (Zitate). Die Darstellung Raumers wird von einem Schreiben Hoffs bestätigt, das von Herle an die Sächsische Gesandtschaft weitergeleitet wurde. Vgl. Richter, Gewerkschaften, S. 263 f.; Pomiluek, Beukenberg, S. 371. Zur Person Wissells vgl. Ehlert, Zentralbehörde, S. 240–250. 325 BArch, Nl Hugenberg, fol. 227 f. (Zitat), Raumer an Stinnes, 14.12.1918 (AS). 326 Vgl. Reichert, Entstehung (Zitate S. 13); Weisbrod, Schwerindustrie, S. 302 f. 327 Vgl. Leipart im Februar 1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, Bd. 1, S. 658. 328 Vgl. Feldman / Steinisch, Industrie, S. 30 f.; Siebert, Abkommen, S. 31.
300 Anmerkungen 329 BArch, 330 ACDP,
R 8104 / 28, Bl. 21–23, Zentralausschuss, 11.12.1918. Nl Stinnes, Nr. 14 / 1, Stinnes an Raumer, an Vögler, an Hugenberg und an CdI, alle 1.1.1919 (alle hs. Konzept). Vgl. dazu auch Feldman, Stinnes, S. 529 f. 331 Vgl. ACDP, Nl Stinnes, Nr. 14 / 1, Hugenberg an Stinnes, 9.2.1919, nebst zwei Briefentwürfen als Anlage (Zitat) und hs. Aufsatz Stinnes, 12.2.1919. 332 Vgl. ACDP, Nl Stinnes, Nr. 14 / 1, Hugenberg an Stinnes, 27.2.1919, nebst zwei Abschriften: Rötger an Hugenberg, 19.2.1919, mit hs. Aufsatz Stinnes (Zitat) und Hugenberg an Rötger, 29.2.1919. 333 Vgl. BArch, R 8104 / 39, Bl. 36, Deutscher Industrierat, Rundscheiben Nr. 14, 30.12.1918. 334 Vgl. Dörnemann, Politik, S. 24 f. 335 Vgl. TA, A 691, Bl. 954–973, Bericht vom 10.12.1918 nebst Anlage (Zitate Bl. 956, 958, 966, 970); ebd., Bl. 997–1000, Presseverlautbarung betr. „Arbeiterunruhen auf den Schachtanlagen der Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ (DS). 336 Vgl. Jenko, Form, S. 180 f., 188 f.; Klan / Nelles, Flamme, S. 63 f.; Spethmann, Ruhrbergbau, S. 123–132; Winkler, Revolution, S. 162–164. 337 TA, A 12608, August Thyssen an Jacob, 16.12.1918. 338 TA, A 691, Bl. 976, Gewerkschaft Deutscher Kaiser an Fritz Thyssen, 16.12.1918. Vgl. auch ebd., Bl. 976, 17.12.1918. 339 TA, A 691, Betriebsbericht der Abteilung Bergbau für den Monat November 1918 (DS) Bl. 1056–1059. 340 Vgl. DAgZ 18 (1919), Nr. 3, 19.1.1919. 341 Vgl. Feldman, Disorder, S. 109–112, 126 f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 44 f.; Schölzel, Rathenau, S. 250. 342 Rede des Präsidenten Walther Rathenau auf der AEG-Generalversammlung, 18.12.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. III, S. 602. 343 Vgl. TA, A 12608, Jacob an August Thyssen, 19.2.1919 (DS). 344 Vgl. Spethmann, Ruhrbergbau, S. 132–139; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 45–49, 52–56, 60 f.; Winkler, Revolution, S. 165 f. 345 Vgl. Gusy, Reichsverfassung, S. 59–62; Winkler, Revolution, S. 135–150. 346 Vgl. Tänzler, Arbeitgeberverbände, S. 150–154. 347 Vgl. Steitz, Quellen, S. 77–83. 348 Höpfner, Tarifgeltung, S. 207, 209. 349 BArch, R 8104 / 28, Bl. 10–27, Zentralausschuss, 4.12.1918. 350 BArch, R 8104 / 28, Bl. 43–49, Zentralausschuss, 27.1.1919. 351 Vgl. Mitteilungen der ZAG, 1920, Nr. 5 (Oktober); Englberger, Tarifautonomie, S. 140–143; Höpfner, Tarifgeltung, S. 207–210, 218–221; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 27 f.; Krüger, Morgenrot, S. 59–62; Nautz, Tarifvertragsrecht, S. 79 f.; Miller (Bearb.), Regierung der Volksbeauftragten, Bd. 1, S. 377, 380; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 140. 352 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 1026. 353 Raumer, Unternehmer, S. 432. 354 Vgl. Rehling, Konfliktstrategie, S. 84; Becker, Arbeitsvertrag während des Weimarer Republik, S. 49. 355 Vgl. Erdmann, in: DAG 13 (1923), S. 148 f. 356 Englberger, Tarifautonomie, S. 138. 357 Vgl. DAgZ 18 (1919), Nr. 22, 1.6.1919. 358 Vgl. Englberger, Tarifautonomie, S. 145; Gusy, Reichsverfassung, S. 358 f.; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 13–17; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 1116; Kittner, Arbeitskampf, S. 431 f. (Zitat S. 431); Meissinger, Tarifvertrag und Organi-
Anmerkungen301 sationszwang, in: DAG (1922), S. 92–95, 11–113; Schneider, Höhen, S. 302 f.; Winkler, Revolution, S. 238 f. 359 Vgl. Gusy, Reichsverfassung, S. 78 f., 342–352; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 1084 f.; Mallmann, Perspektiven, S. 170; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 88–90. 360 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 1114. Vgl. auch Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 18–22; Becker, Arbeitsvertrag während der Weimarer Republik, S. 51 f., 58. 361 Peukert, Weimarer Republik, S. 137. 362 Vgl. Gusy, Reichsverfassung, S. 42 f., 50–54; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 90–92; Winkler, Revolution, S. 203–205, 236 f. 363 Vgl. Bieber, Rolle, S. 55 f. (Zitat S. 55); Biedenkopf, Sozialpolitik, S. 299–301; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 1105–1112; Kittner, Arbeitskampf, S. 418– 420; Mallmann, Perspektiven, S. 171–173; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 24–3, 133 f., 153–167; Oertzen, Betriebsräte, passim; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 95–97, 100–115; Tschirbs, Arbeiterausschüsse, S. 269–271, 278–284. 364 Raumer, Unternehmer, S. 432. 365 Biedenkopf, Sozialpolitik, S. 290–292, 301–303. 366 Vgl. Höpfner, Tarifgeltung, S. 98–101. 367 Vgl. Weber, Sozialpartnerschaft, S. 1099. 368 Feldman, Disorder, S. 106. 369 Vgl. auch Tenfelde, Arbeitersekretäre, S. 51–53.
Zu V. Die institutionalisierte Sozialpartnerschaft: Die Zentralarbeitsgemeinschaft (ZAG) 1919–1922 370 Vgl. Feldman, Disorder, S. 272–284, 301 f.; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 17 f., 29–32, 47 f., 79, 84–86, 94–105; Peukert, Weimarer Republik, S. 122–129; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 514–516. 371 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 501–504; Kolb / Schumann, Weimarer Republik, S. 209–211. 372 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 24–27, 35–37, 43–49, Zentralausschuss, 19.12.1918, 16. und 27.1.1919. 373 Vgl. ADGB-Bundesausschuss, 1.–2.2.1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 662–664, 668–670. 374 Vgl. BArch, R 13 I / 156, Bl. 212–224, Hauptausschuss, 1.3.1919 (Zitate Bl. 214 f.); ebd., R 8104 / 28, Bl. 50–53, ZAG Zentralvorstand, 13.2.1919; Verordnung über die Einrichtung von Arbeitskammern im Bergbau vom 8. Februar 1919, in: Reichsgesetzblatt (1919), Nr. 42, S. 202–215. 375 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 27–43, Rundschreiben Töwe, 18.3. (Zitate) und 25.3.1919. 376 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 59–65. 377 Vgl. dazu Schneider, Höhen, S. 324; Winkler, Revolution, S. 275, 280. 378 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 1–6, 112–114, 134–152, 182–192, Zentralausschuss, 26.11.1918, Satzungskommission, 8. und 30.5.1919, Zentralvorstand, 3.6., 16.6., 9.7., 15. und 23.9.1919; ebd., R 8104 / 37, Bl. 13–15, Vermerk: Gegenwärtiger Stand der Satzung der ZAG, o.D. (Zitat); ADGB-Bundesausschuss, 19. / 20.8.1919, zit. nach Ruck, Quellen, Bd. 2, S. 93 f.; Leckebusch, Entstehung, S. 80 f.; Siebert, Abkommen, S. 32. 379 Vgl. BArch, R 8104 / 29, Bl. 22–29, Zentralvorstand, 9.12.1919.
302 Anmerkungen 380 Vgl. TA, Rundschreiben der Nordwestlichen Gruppe, 12.5.1919. 381 BArch, R 8104 / 28, Zentralvorstand, 20.5.1919. 382 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 153–155, Zentralvorstand, 17.7.1919. 383 Vgl. dazu Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 41, 44, 248 f. 384 Rathenau an Moscherosch, 19.4.1919, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe,
Bd. V / 2, S. 2160. 385 Vgl. ADGB-Bundesausschuss, 1.–2.2.1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 665 f. (Zitate), 669. Vgl. auch Potthoff, Gewerkschaften, S. 180 f. 386 HAK, WA 4 / 2565, Wiedfeldt an Schwarzkopf, 14.2.1920 (DS). 387 Vgl. Hugenberg an Wiedfeldt, 11.2.1919, zit. nach Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 52. 388 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 38. 389 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 50–59, Zentralvorstand, 13. und 25.2.1919. Vgl. auch DAgZ 18 (1919), Nr. 9, 2.3.1919. 390 Preller, Sozialpolitik, S. 197. 391 Vgl. Bericht über die Gründungsversammlung des Reichsverbandes der deutschen Industrie, S. 18–24; ADGB-Bundesausschuss, 1.–2.2.1919, zit. nach Schön hoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 660 f.; DAgZ 18 (1919), Nr. 9, 2.3.1919; Leckebusch, Entstehung, S. 161–166; Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 94–98; Metzner, Reichsverband, bes. S. 124–126, 129–137; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 240–243; Tänzler, in: DAgZ 18 (1919), Nr. 7, 16.2.1919; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 99–104. 392 Vgl. BArch, R 8104 / 40 Beiheft, Bl. 10–21, Rundschreiben der VDA betr. „Besprechung im Auswärtigen Amt“, 4. / 5.3.1919; AdRK, Bd. 1, S. 474. 393 Vgl. BArch, R 13 I / 13, Bl. 79, Geschichte des VdESI 1874–1934 von C. Klein, Manuskript (1934); ebd., R 8104 / 36, Bl. 1, Presseverlautbarung zur ZAGSitzung, 2.12.1920; Leuchten, Kampf, S. 54–75; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 119–123. 394 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 60–62, Kommission, 3.3.1919; ebd., Bl. 68–72, Zentralvorstand, 11.3.1919; ebd., Bl. 188–192, Zentralvorstand, 23.9.1919 (Zitat). 395 Rathenau an Thomas, 10.9.1920, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. V / 2, S. 2462 f. (Zitat). Vgl. dazu auch Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 80–82; Ehlert, Zentralbehörde, S. 250–285, 320–332; Rehling, Konfliktstrategie, S. 72–74; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 113–116. 396 Vgl. Ehlert, Zentralbehörde, S. 193–196; Feldman, Disorder, S. 113–115, 127; ders., Probleme, S. 629–636; Wachs, Verordnungswerk, S. 200–203, 206–214. 397 Rathenau an von Kurowski, 24.12.1918, zit. nach Rathenau-Gesamtausgabe, Bd. V / 2, S. 2068. 398 BArch, R 8104 / 28, Bl. 54–59, 73–78, Zentralvorstand, 25.2. und 18.3.1919 (Zitate). Vgl. auch BArch, R 13 I / 156, Bl. 225–236, VdESI, Hauptausschuss, 1.3.1919. 399 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 79–84, Zentralvorstand, 19.3.1919 (Zitate im folgenden Text); Feldman / Steinisch, Industrie, S. 42–47; Richter, Gewerkschaften, S. 334–340. 400 Vgl. dazu Ehlert, Zentralbehörde, S. 294–304; Feldman, Disorder, S. 139. 401 Vgl. Konferenz der Verbandsvorstände, 25.4.1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 706–756 (Zitat S. 713). Vgl. auch Feldman, Disorder, S. S. 139 f.; Oertzen, Betriebsräte, S. 187–192; Winkler, Revolution, S. 291–293, 420 f. 402 Vgl. Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 197–200.
Anmerkungen303 403 Vgl. DAgZ, 18, 1919, Nr. 11, 16.3.1919. 404 LArchB, A Rep. 226 / 17, RDI-Rundschreiben, 28.4.1919. 405 Beukenberg an Stahlwerksverband, 30.6.1919, zit. nach
Pomiluek, Beukenberg, S. 374. 406 Vgl. Beratungen über die Frage der Selbstverwaltungskörper, 12.6.1919, Berlin 1919 (= Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, H. 3), S. 28 (Zitat), 43 f.; Ehlert, Zentralbehörde, S. 340–343; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 117–122. 407 Vgl. BArch, R 13 I / 156, Bl. 8–112, VdESI-Hauptvorstand, 16.5.1919 (Zitat Bl. 80). Vgl. auch den Auszug in: Feldman / Homburg, Industrie, S. 210–216. 408 Vgl. SHA, 11 / Lg 748, Schweighoffer an Henrich, 28.6.1919, nebst Notiz Christiansen (Verband Württembergischer Metallindustrieller). 409 BArch, N 1231 / 49, fol.70, Vögler an Hugenberg, 30.6.1919. 410 SHA, A 1889, Siemens an Petri, 13.6.1919. 411 Vgl. AdRK, Bd. 1, S. 297–303, Bd. 2, 82–91, 94–97, 102–105; Ehlert, Zen tralbehörde, S. 332–340, 357–377; Feldman, Disorder, S. 153–155; Rehling, Konfliktstrategie, S. 173–176; Wissell, Leben, S. 150–155. 412 Vgl. Dörnemann, Politik, S. 28–44, 54 f. 413 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 153–159, Zentralvorstand, 17. (Zitate) und 23.7.1919. Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 140–143. 414 Becker, Arbeitsvertrag während der Weimarer Republik, S. 62. 415 Vgl. BArch R 8104 / 46, Bl. 5–14, Niederschrift, 19.5.1919 (Zitate); ebd., Bl. 443, ZAG an Reichsarbeitsministerium, 18.8.1919 (AS), ebd., Bl. 439, Reichsarbeitsministerium an ZAG, 17.9.1919 (Zitat); ebd., Bl. 434, ZAG an Reichsarbeitsminister, 27.9.1919 (DS); ebd., R 8104 / 28, Bl. 188–193, Zentralvorstand, 23.9.1919. Vgl. auch Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 12 f. 416 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 118–121, Zentralvorstand, 12.5.1919; BWA, V 1 / 12, GDM, ao. Ausschuss-Sitzung, 27.2.1920 (Zitat); BArch, R 13 I / 13, Bl. 77, Geschichte des VdESI 1874–1934 von C. Klein, Manuskript (1934). Vgl. auch Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 56 f.; Mallmann, Perspektiven, S. 173 f.; Scholtyseck, Bosch, S. 96; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 128–140. 417 BArch, R 8104 / 35, Bl. 10, Wolff’s Telegraphisches Büro, 21.5.1919. Vgl. auch BArch, R 8104 / 28, Bl. 122–133, Zentralvorstand, 20.5.1919; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 74–77. 418 Richter, Gewerkschaften, S. 263. 419 Vgl. Abelshauser, Weimarer Republik, bes. S. 15 f.; Mai, Mensch, S. 36. 420 Vgl. BArch, R 8104 / 29, 18.11.1919, Zentralvorstand, Bl. 1–8; ebd., R 8104 / 45, Bl. 279 f., Reichswirtschaftsministerium an ZAG, 3.12.1919 (AS); AdRK, Bd. 2, 375 f. 421 BArch, R 8104 / 28, Bl. 153–155, Zentralvorstand, 17.7.[1919]. 422 SHA, A 1889, Siemens an Petri, 13.6.1919. 423 Memorandum Vögler, 12.7.1919, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 222. 424 BBA 32 / 3879, Zechenverband, 12. ordentliche Hauptversammlung, 30.6.1919. 425 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 43–47, 54–62, 87–97, Zentralvorstand, 27.1., 25.2., 3.3. und 3.4.1919 (Zitat); ebd., R 13 I / 156, Bl. 116–135, Hauptausschuss, 16.5.1919; ADGB-Bundesausschuss, 1. / 2.2.1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution, S. 640–647. 426 DAgZ 18 (1919), Nr. 10, 9.3.1919; ebd. 19 (1920), Nr. 3, 18.1.1920. 427 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 48 f., Zentralvorstand, 30.1.1919; ADGB-Bundesausschuss, 1. / 2.2.1919, zit. nach Schönhoven, Gewerkschaften in Weltkrieg und
304 Anmerkungen Revolution, S. 639 f., und die Textauszüge bei Richter, Gewerkschaften, S. 320–323. Vgl. Rehling, Konfliktstrategie, S. 98–106, 152. 428 Vgl. BBA 32 / 3879, Registraturvermerk, 28.3.1919; BBA 52 / 2324, Vereinbarung zwischen Zechenverband, Verband der Bergarbeiter Deutschlands, Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands, Polnische Berufsvereinigung, Abt. Bergarbeiter, Gewerkverein der Fabrik- und Handarbeiter H.-D., Abt. Bergarbeiter, Essen, 26.3.1919; Dörnemann, Politik, S. 92 f., 184–188. 429 DAgZ 18 (1919), Nr. 18, 4.5.1919. 430 Vgl. dazu Mai, Mensch, S. 52 f. 431 Vgl. BArch, R 8401 / 28, Bl. 100–105, 107–111, Zentralvorstand, 14. und 24.4.1919. Vgl. dazu Feldman / Steinisch, Industrie, S. 59–61; Feldman, Stinnes, S. 551–553, 572 f.; Richter, Gewerkschaften, S. 343–347; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 62–65, 93; Winkler, Revolution, S. 171–175. 432 Vgl. BBA 55 / 2342, Umdruck, 9.4.1919, Zechenverband, Rundschreiben, 10.4.1919; BBA 73 / 1043, Zechenverband, Rundschreiben, 1.4. und 5.4.1919; TA, Aushang, 26.3.1919, Rundschreiben Zechenverband nebst Aushang, 11.4.1919; AdRK, Bd. 1, S. 154. 433 Przigoda, Unternehmensverbände, S. 270. 434 TA, FWH 1339, Rundschreiben Nordwestliche Gruppe, 24.3.1919. 435 Vgl. Hufnagel / Gerke, Interesse, S. 217–224 (Zitat S. 222). 436 Vgl. BWA, V 1 / 12, o. Ausschuss-Sitzung, 9.5.1919. 437 Vgl. Vgl. DAgZ 21 (1922), Nr. 32, 6.8.1922; ebd., Nr. 36, 3.9.1922; DAG (1922), S. 53–55, 141–143. Vgl. auch Preller, Sozialpolitik, S. 277 f. 438 Vgl. BWA, V 1 / 12, ao. Ausschuss-Sitzung, 27.2.1920 (Zitat S. 6). 439 BWA, V 1 / 12, Gießerei-Abkommen, 19.8.1919. 440 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 311, Aktennotiz, 27.2.1920. 441 Vgl. Priemel, Unternehmer, S. 332 f. 442 Vgl. BWA, V 1 / 12, o. Ausschuss-Sitzung, 29.6.1920; GDM, Allgemeine Vorschriften, beschlossen in der Ausschusssitzung am 29. Juni 1920. 443 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 14–16, 24–35, 45 f., 48, 84–90, 116–118; DAgZ 18 (1919), Nr. 21, 25.5.1919; ebd., Nr. 31, 3.8.1919; Plumpe, Duisberg, S. 146 f., 149–155. 444 Vgl. auch Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 123–125; Mallmann, Perspektiven, S. 158 f.; Preller, Sozialpolitik, S. 246 f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 78–84. 445 DAgZ 20 (1921), Nr. 1, 2.1.1921. 446 Vgl. dazu BArch, R 8104 / 46, Bl. 176–179, ZAG an Reichswirtschaftsminister nebst Anlage, 23.7.1919 (DS). 447 Vgl. Dörnemann, Politik, S. 114–123, 139–145; Feldman, Disorder, S. 221– 223; Mai, Mensch, S. 57 f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 93–100. 448 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 148–152, 156–167, 177–181, Zentralausschuss, 9.7., 23.7., 7.8. und 2.9.1919; ebd., R 8104 / 29, Bl. 9–21, 30–43, Zentralausschuss, 2. und 23.12.1919; BBA 14 / 55, Auszug aus Verhandlungen mit den Bergarbeiterverbänden, 19.9.1919; AdRK, Bd. 3, S. 57; Feldman, Stinnes, S. 567–569, 574. 449 Vgl. Bundesausschuss, 17. / 18.8.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 201–203. 450 BBA 72 / 1043, Zechenverband, Rundschreiben, 25.2.1920. Vgl. auch Przi goda, Unternehmensverbände, S. 280. 451 Vgl. BBA 32 / 3380, Besprechung über Lohnbewegung im Bergbau, 26.8.1921; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 147–171; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 278 f. 452 Vgl. BBA 32 / 3380, Überarbeitsabkommen, 15.6.1922; AdRK, Bd. 5 / 2, S. 1067 f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 103 f. 453 SHA, A 1889, Siemens an Petri, 13.6.1919.
Anmerkungen305 454 Vgl. Protokoll der Verhandlungen des zehnten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands, bes. S. 453–501; Buschak, Metallarbeiter, S. 146–150; DAgZ 20 (1921), Nr. 14, 3.4.1921; Dörnemann, Politik, S. 109–112; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 27–30; Führer, Legien, S. 232–234; Mallmann, Perspektiven, S. 146– 148; Opel, Metallarbeiterverband, S. 86–90, 97–109; Plener, Leipart, S. 170–177, 187; Potthoff, Gewerkschaften, S. 182 f.; Schneider, Höhen, S. 305–307; Swiniartzki, Metallarbeiter-Verband, S. 297–306, 330–335; Rehling, Konfliktstrategie, S. 99– 101; Winkler, Revolution, S. 250; Wissell, Leben, S. 130–132; Zur Sozialisierungsfrage. 455 ACDP, 01 / 220, Nl Stinnes, Nr. 006 / 1, Vögler an Raumer, 22.10.1919 (gezeichnete DS). 456 Vgl. Weber, Sozialpartnerschaft, S. 317–322 (Zitat S. 317). 457 ACDP, 01 / 220, Nl Stinnes, Nr. 006 / 1, Raumer an Stinnes, 12.11.1919. Eine AS ging an Vögler. 458 BArch, N 1231 / 29, fol. 404, Vögler an Hugenberg, 31.10.1919. 459 AdRK, Bd. 2, S. 359. 460 Vgl. BWA, V 1 / 462. Vgl. auch ebd., V 1 / 12, GDM, Ausschuss-Sitzung, 29.6.1920. 461 Vgl. BArch, R 13 I / 114, Bl. 35–40, VdESI-Hauptversammlung, 9.12.1919 (Zitat S. 35). 462 Vgl. BWA, V 1 / 12, Ausschuss-Sitzung der Reichsarbeitsgemeinschaft für die deutsche Eisen- und Metallindustrie, 9.2.1919 (Zitat) und 12.3.1920 (Zitate); Sitzung zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft für die deutsche Eisen- und Metallindustrie, 2.6.1919; GDM, Ausschuss-Sitzung, 9.5.1919; BArch, R 13 I / 94, Bl. 122, VDESIHauptvorstand, 8.7.1919; Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 138; Tschirbs, Arbeiterausschüsse, S. 277. 463 Vgl. BArch, R 13 I / 13, Bl. 71–74, Geschichte des VdESI 1874–1934 von C. Klein, Manuskript (1934). Vgl. auch Buschak, Metallarbeiter, S. 151, 153 f. 464 SHA, A 1889, Siemens an Petri, 13.6.1919. 465 Vgl. Niederschrift Zentralausschuss (Zitate S. 5, 92), Mitteilungen der ZAG, Nr. 2 / 3, Januar 1920. 466 Vgl. DAgZ 18 (1919), Nr. 50, 14.12.1919. 467 Vgl. Hoff, Aufbau (Zitate S. 5 f., 14). 468 BArch, R 8104 / 45, Bl. 264 f., Hoff an Cohen, 21.1.1920. 469 Vgl. dazu Leckebusch, Entstehung, S. 109–111. 470 Niederschrift Zentralausschuss, S. 51. 471 Vgl. dazu Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 88–91. 472 Niederschrift Zentralausschuss, S. 64. Vgl. auch Siebert, Abkommen, S. 33 f. 473 Zur Aufbauorganisation der Arbeitsgemeinschaft vgl. Siebert, Abkommen, S. 34–40; Kaun, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 58–66 und besonders ausführlich Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, passim. 474 Siebert, Abkommen, S. 37. 475 Vgl. auch Kaun, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 68 f. 476 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 160–167, Zentralvorstand, 7.8.1919; Lilla, Reichswirtschaftsrat, S. 20–23 (Zitat S. 22); Tross, Wirtschaftspolitik, S. 204 f.; Rehling, Konfliktstrategie, S. 132 f.; 137–142, 178–183; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 153–155. 477 Vgl. AdRK, Bd. 2, S. 381–383. 478 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 201–204, Zentralvorstand, 6.10.1919; ebd., R 8104 / 29, Bl. 69–72, Geschäftsführender Vorstand, 27.1.1920 (Zitat); Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 155 f.
306 Anmerkungen 479 Vgl. BArch, R 8104 / 29, Bl. 73–88, 101–110, Zentralvorstand, 5.2. und 4.3.1920; ebd., R 8104 / 30, Bl. 213–224, Zentralvorstand, 15.4.1920; Lilla, Reichswirtschaftsrat, S. 23–28; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 158. 480 Vgl. Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 117–122; Siebert, Abkommen, S. 71–76 (mit dem Text der Eingaben). 481 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 146; Siebert, Abkommen, S. 77– 80; Tross, Wirtschaftspolitik, S. 206 f.; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 159 f. 482 Becker, Arbeitsvertrag während der Weimarer Republik, S. 68. 483 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 109–114, Geschäftsführender Vorstand, 15.8.1922. Vgl. auch Lilla, Reichswirtschaftsrat, S. 46–50; Siebert, Abkommen, S. 70 f. 484 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 186–190, Geschäftsführender Vorstand, 20.5.1920; ebd., Bl. 213–224, Zentralvorstand, 15.4.1920. Vgl. dazu Mai, Mensch, S. 44 f.; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 140–142. 485 BArch, R 8104 / 51, Bl. 327 f., Gesetzentwurf einer Schlichtungsordnung, 15.5.1920 (Zitat § 157). 486 BArch, R 8104 / 51, Bl. 271–275, 173 f., 236–241, Sozialpolitischer Ausschuss der ZAG, 23.8.1920 (Zitate) und 2.9.1920, Beschluss, 2.9.1920. 487 Vgl. DAgZ 20 (1921), Nr. 5, 30.1.1921. 488 BArch, N 1013 / 257, Borsig an RDI, 24.5.1922 (Umdruck), fol. 68 f. 489 Vgl. BArch, R 8104 / 40, Bl. 222–239, Vorläufige Beschlüsse der zur Beratung des Entwurfs einer Schlichtungsordnung eingesetzten Kommission, 6.–20.9.1920; ebd., Bl. 207, [ADGB] an Reichsarbeitsministerium, 3.11.1920 (DS); AdRK, Bd. 4, S. S. 502–504, 587–589; Potthoff, Gewerkschaften, S. 185 f.; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 142; Ruck, Bedingungen, S. 242–244. 490 Vgl. Bundesausschuss, 16.–18.8.1921, zit. nach Ruck, Quellen, Bd. 2, S. 365 f.; DAgZ 20 (1921), Nr. 27, 3.7.1921; Potthoff, Gewerkschaften, S. 386; Ruck, Bedingungen, S. 245–248. 491 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 386; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 142, 144; Winkler, Revolution, S. 405. 492 Vgl. Ruck, Bedingungen, S. 249–252; Winkler, Revolution, S. 407–412. 493 BArch, N 1013 / 257, fol. 68–70, Borsig an RDI, 24.5.1922 (Umdruck). 494 Vgl. BArch, R 8104 / 45, Bl. 34 f., 37 f., 21.1., 13.5. und 27.5.1921; ebd., ZAG an RAG-Elektrizitätswerke, 22.3.1921 (DS); ebd., Bl. 79, Gewerkschaftsbund der Angestellten an ZAG, 14.11.1919; Winkler, Revolution, S. 274. 495 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 28–31, 48 f., 145–147, Zentralvorstand, 3.1., 30.1. und 16.6.1919; ebd., R 8104 / 29, Bl. 73–88, 173–185, Zentralvorstand, 5.2. und 10.6.1920; ebd., R 8104 / 30, Bl. 33–48, Zentralvorstand, 7.7.1921. 496 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 139 f., ZAG an Reichsarbeitsminister, 19.1.1919. 497 Vgl. dagegen Siebert, Abkommen, S. 43 (Zitat), der das Monopol erst als Ergebnis der späteren Praxis sieht. 498 Vgl. BArch, R 8104 / 69, Bl. 23 f., Gewerkschaftsbund der Angestellten an ZAG, 3.3.1923. 499 Vgl. TA, DHHU 2336, Rundschreiben Zechenverband, 22.1., 24.1. und 22.3.1919. 500 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 415–417. 501 Vgl. BArch, R 8104 / 45, Bl. 70, Gewerkschaftsbund der Angestellten an ZAG, 30.1.1920. 502 Vgl. ACDP, 01 / 220, Nachlass Stinnes, Nr. 007 / 1, Zentralvorstand, 28.10.1919. 503 Vgl. BWA, V 1 / 12, GDM Ausschuss, 27.10.1920.
Anmerkungen307 504 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 72–78, Geschäftsführender Vorstand, 28.4.1921, ebd., Bl. 1–6, Zentralvorstand, 22.9.1921; ebd., R 8104 / 69, Bl. 66 f., Gesamtverband Deutscher Angestellten-Gewerkschaften an ZAG, 19.10.1922. 505 DAgZ 19 (1920), Nr. 37, 12.9.1920. 506 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 99–105, Geschäftsführender Vorstand, 22.9.1921 (folgende Zitate). 507 Vgl. dazu Siebert, Abkommen, S. 54–58 (Zitat S. 54). 508 Vgl. BArch, R 8104 / 38, Bl. 41, Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands an Cohen, 23.4.1919; ebd., Bl. 305, DMV an Cohen (ZAG), 28.4.1919; ebd., R 8104 / 69, Bl. 16, Neustedt an Spliedt, 14.5.1923. 509 Vgl. BArch, R 8104 / 31, Bl. 122–132, Zentralvorstandssitzung, 30.3.1922 (folgende Zitate); ebd., R 8104 / 69, Bl. 187 f., AfA-Bund an ZAG, 22.3.1922. 510 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 59–62, 109–121, Geschäftsführender Vorstand, 15.5., 15.8. und 1.12.1922; ebd., R 8104 / 39, B. 65 f., Tänzler an ZAG, 17.7.1922, Neustedt an ZAG, 1.7.1922. Vgl. auch Siebert, Abkommen, S. 60–62; Kaun, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 102 f. 511 Vgl. BArch, R 8104 / 69, Bl. 30–35, Kommission zur Behebung von Tarifstreitigkeiten, 25.10.1922. 512 Siebert, Abkommen, S. 26. Vgl. auch ebd., S. 58 f. 513 BArch, R 8104 / 69, Bl. 11, AfA-Bund an ZAG, 12.7.1923. 514 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 63 f., Bund der Bund der Bäcker-(Konditor-) Gesellen an Reichsarbeitsministerium, 15.4.1919. 515 Vgl. Bundesausschuss, 24.–27.2.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 127 f. 516 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 159–162, Geschäftsführender Vorstand, 13.9.1920; Bl. 1–6, 49–53, Zentralvorstand, 30.7. und 22.9.1921; ebd., R 8104 / 31, Bl. 154–168, Zentralvorstand, 8. (Zitat) und 23.1.1922. 517 Vgl. TA, DHHU 2336, Zechenverband an preuß. Handelsministerium, 4.1.1919. 518 Vgl. BArch, R 8104 / 16, Bl. 5, ZAG an Verband oberer Bergbeamten, 13.4.1919 (DS), ebd., Bl. 7, Verband kaufmännischer Grubenbeamten an ZAG, 30.8.1919, Bl. 8, ZAG an Verband, 15.8.1919 (DS). 519 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 132–140, ZAG an Reichsarbeitsminister, 2.1.1919, nebst AS ZAG an Verband kaufmännischer Grubenbeamter, 18.12.1918, Verband an Lujo Brentano, 12.11.1919, Schulze-Gävernitz an Reichsarbeitsministerium, 20.12.1919. 520 BArch, R 3901 / 6497, Bl. 203, RAG Bergbau an Reichsarbeitsministerium, 18.2.1920. 521 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 204–206, Reichsverband an Reichsarbeits minister, 9.3.1920 (Zitat); ebd., Bl. 222–235, 244, Bund angestellter Chemiker und Ingenieure an Reichsarbeitsminister, 28.4. und 18.6.1920. 522 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 180–182, 185, Vereinigung der leitenden Angestellten in Handel und Industrie an Reichsarbeitsminister, 2.2.1920 (Zitate), nebst AS ZAG an Vereinigung, 6.1.1920, Reichsarbeitsminister an ZAG (AS), 25.2.1920; Leibrock, Zentralarbeitsgemeinschaft, S. 106. 523 Vgl. BArch, R 3901 / 6497, Bl. 257–260, Zentralvorstand ZAG an Reichs arbeitsminister, 28.8.1920. 524 Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 103; DAgZ 18 (1919), Nr. 36, 7.9.1919. 525 Vgl. Kabinettssitzung, 16.11.1920, zit. nach AdRK, Bd. 4, S. 287 f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 72 f. 526 BArch, R 3901 / 6498, Bl. 19, Reichsarbeitsminister an Verein christlicher Arbeiter in Siegen, 3.10.1920, ebd., Bl. 80, Reichsverband der Bergbauangestellten an Reichsarbeitsminister, 31.8.1920.
308 Anmerkungen 527 Vgl. Gusy, Reichsverfassung, S. 358. 528 DAgZ 21 (1922), Nr. 12, 19.3.1922. 529 DAgZ 18 (1919), Nr. 37, 14.9.1919. Vgl. auch ebd., Nr. 39, 28.9.1919. 530 Siebert, Abkommen, S. 30 (Zitat), 46–51. 531 Vgl. Nautz, Tarifvertragsrecht, S. 77. 532 So der Vertreter des RDI im Rückblick. BArch, R 8104 / 29, Bl. 129–140,
Zentralvorstand, 29.3.1920. 533 Vgl. Erger, Kapp-Lüttwitz-Putsch, bes. S. 191–206; Feldman, Stinnes, S. 601–605; Opel, Metallarbeiterverband, S. 114–118. 534 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 73 (Zitat Frank), 102 f., 107–109, 138, 141–144; Dörnemann, Politik, S. 154–163. 535 HAK, WA 4 / 2565, Reichsverband der Deutschen Industrie, gez. Sorge als Vorsitzender des Präsidiums und Stinnes als Geschäftsführendes Präsidialmitglied, an Legien, Vorsitzender der Zentralarbeitsgemeinschaft, 16.3.1920 (DS). 536 Vgl. Sorge an Wiedfeldt, 19.3.1920, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 158–162; Vorstandssitzung des Arbeitgeberverbandes der Chemischen Industrie, 12.4.1920, zit. ebd., S. 168–170 (Zitat S. 169); Erger, Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 249; Feldman, Großindustrie, S. 194, 197–204; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 192–197. 537 Vgl. BArch, R 8104 / 29, Bl. 117–128, Zentralvorstand, 17.3.1920 (Zitate); Sorge an Wiedfeldt, 19.3.1920, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 162–167; Feldman, Großindustrie, S. 204–206; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 55–57. 538 Vgl. Verhandlungen der Vorstände von ADGB, AfA, SPD und USPD sowie Ausschuss der Berliner Gewerkschaftskommission über die Fortsetzung des Generalstreiks und die Bildung einer Arbeiterregierung, 22.3.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 143–155; Bundesausschuss, 27.3.1920, zit. nach ebd., S. 161. 539 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 139–141; Feldman, Stinnes, S. 605 f.; Rehling, Konfliktstrategie, S. 213–219; Siegler, Lohnpolitik, S. 44, 175– 181; Schneider, Höhen, S. 315–322; Winkler, Revolution, S. 428–430. 540 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 308, Aktennotiz, 13.4.1920. 541 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 208–224, Zentralvorstand, 15. und 23.4.1920 (Zitate im Folgenden). 542 Vgl. Bundesausschuss, 27.3.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 163. 543 Vgl. Mitteilungen der ZAG, Nr. 4, April 1920; Besprechung im Reichsarbeitsministerium, 12.4.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 168–171. 544 TA, H 321, Notiz Springorum, 30.3.1920. Vgl. auch AdRK, Bd. 2, S. 84–87, 195, 226; Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 142. 545 SHA, A 2017, Siemens an Tschiersky, 26.6.1920. 546 HAK, WA 3 / 228, Wiedfeldt an Beukenberg, 20.10.1920 (DS). 547 Vgl. Rehling, Konfliktstrategie, S. 219 f. 548 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 149–161, 179–183. 549 Bundesausschuss, 2.–4.11.1920, zit. nach Ruck, Quellen, S. 237. 550 Vgl. BArch, R 8104 / 45, Bl. 188, Entschließung des RDI (AS); Kaun, Zen tralarbeitsgemeinschaft, S. 101 f. 551 Vgl. BARch, R 8104 / 30, Bl. 172–185, Zentralvorstand, 10.6.1920. 552 Siebert, Abkommen, S. 26 f. 553 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 183. 554 Vgl. Feldman, Disorder, S. 292–299; ders., Stinnes, S. 634–638, 645–654, 662–666. 555 Vgl. BArch, N 1013 / 135, fol. 103–248, Reichswirtschaftsrat-Unterausschuss zur Sozialisierungsfrage, 25.–27.10.1920 (Zitate fol. 158, 179 f., 215). 556 Vgl. Dörnemann, Politik, S. 218 f.
Anmerkungen309 557 HAK, WA 3 / 228, Wiedfeldt an Baur, 27.10.1920 (DS). 558 Vgl. Stremmel, Krupp, S. 184. 559 Winkler, Revolution, S. 302. 560 DAgZ 19 (1920), Nr. 22, 30.5.1920. 561 Vgl. BArch, R 8104 / 29, Bl. 10–21, 30–47, Zentralvorstand,
2., 23. und 24.12.1919 (Zitate); DAgZ 19 (1920), Nr. 9, 29.2.1920; Feldman, Disorder, S. 196; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 81–83; AdRK, Bd. 2, S. 458 f. 562 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 130–132, 204–210, 214 f., 221; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 89. 563 Vgl. Feldman, Disorder, S. 166–168, 223 f. 564 Vgl. Stenographisches Protokoll, 27.2.1920, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 239–247. 565 Vgl. dazu DAgZ 19 (1920), Nr. 29, 18.7.1920. 566 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 163–185, 191–207, Zentralvorstand, 6.5., 10.6. und 5.8.1920 (Zitate); Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 97; DAgZ 19 (1920), Nr. 23 f., 6. und 13.6.1920; ebd., Nr. 27, 4.7.1920, ebd., Nr. 42, 17.10.1920; Erdmann, Arbeitgeberverbände, S. 129; Feldman, Disorder, S. 224 f., 244; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 84–86; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 480–482. 567 Vgl. AdRK, Bd. 4, S. 163–178. 568 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 202–204, 210. 569 Vgl. ebd., S. 198. 570 Vgl. DAgZ 19 (1920), Nr. 50, 12.12.1920; ebd. 20 (1921), Nr. 10, 6.3.1921. 571 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 93–120, Zentralvorstand, 13.01.u. 1.4.1921 (Zitate). Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 407 f. 572 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 26–32, Geschäftsführender Vorstand, 11.8.1921 (Zitate), ebd., Bl. 17–25, Zentralvorstand, 19.8.1921 (Zitate); R 8104 / 31, Bl. 178– 184, 192–200, Zentralvorstandssitzung, 13.10. und 28.11.1921; ADGB-Bundesausschuss, 16.8.1921, zit. nach Ruck, Quellen, S. 338–382, hier 352–355, 363 (Zitate); Feldman / Steinisch, Industrie, S. 86–88; Feldman, Disorder, S. 408 f. 573 Vgl. Feldman, Disorder, S. 409–413, 421 f. 574 SAH, 4 / Lf 667, Siemens an Brauns, 23.8.1921 (DS). Vgl. auch DAgZ 20 (1921), Nr. 38, 18.9.1921; ebd. 21 (1922), Nr. 36, 3.9.1922; Siegler, Lohnpolitik, S. 183–186. 575 Vgl. Feldman, Disorder, S. 244 f.; Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 230 f.; Rehling, Konfliktstrategie, S. 219–221. 576 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 311, Aktennotiz betr. „GDM-Ausschuss-Sitzung“, 10.5.1921. Vgl. auch Mallmann, Perspektiven, S. 188. 577 Vgl. BArch, R 8104 / 51 passim; Preller, Sozialpolitik, S. 136 f. 578 Vgl. MANA, Nl Guggenheimer, GDM, o. Ausschuss-Sitzung, 30.5.1922. 579 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 90 f.; Mai, Mensch, S. 40–42. 580 Vgl. dazu AdRK, Bd. 4, S. 462 f., 599–603; AdRK, Bd. 5 / 1, S. 34; DAgZ 19 (1920), Nr. 2, 11.1.1920; Feldman, Disorder, S. 232–234; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 58 f., 67 f. 581 Vgl. BArch, R 13 I / 13, Bl. 78 f., Geschichte des VdESI 1874–1934 von C. Klein, Manuskript (1934); ebd., R 13 I / 95, Bl. 55, VdESI-Hauptvorstand, 22.6.1920; ebd., R 13 I / 97, Bl. 5, VdESI-Hauptvorstand, 15.12.1921; DAgZ 19 (1920), Nr. 2, 11.1.1920; Nr. 4, 25.1.1920; Nr. 7, 13.2.1920; Nr. 10, 7.3.1920; Nr. 11, 14.3.1920; Nr. 18, 2.5.1920; Nr. 41, 10.10.1920; Nr. 47, 21.11.1920. 582 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 191–207, Zentralvorstand, 6.5.1920; ebd., Bl. 26–32, 54–59, Geschäftsführender Vorstand, 2.6. und 11.8.1921 (Zitate); ebd., Bl. 7–16, Zentralvorstand, 1.9.1921; ebd., R 8104 / 31, Bl. 192–200, Zentralvorstand,
310 Anmerkungen 13.10.1921; Reichskanzler Fehrenbach an ADGB, 23.3.1921, zit. nach AdRK, Bd. 4, S. 601–603. Vgl. auch ebd., S. 462 f.; Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 242 f.; Preller, Sozialpolitik, S. 278–281, 363–378. 583 Vgl. Besprechung mit Vertretern der Industrie und Gewerkschaften, 10.11.1921, zit. nach AdRK, Bd. 5 / 1, S. 368–373. Vgl. auch ebd., S. 375–378, 383–386; Feldman, Stinnes, S. 718–720, 724 f.; ders., Disorder, S. 358–376; Winkler, Revolution, S. 416; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 224–261. 584 BArch, N 1231 / 27 fol. 397–400, Stinnes an Bücher, o.D. [Herbst 1921] (AS). 585 Vgl. BArch, R 8104 / 31, Bl. 178–184, Geschäftsführender Vorstand, 28.11.1921 (Zitate). 586 Vgl. AdRK, Bd. 2, S. 265–267; Feldman, Disorder, S. 172 f. 587 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 153–155, Bl. 160–187, Zentralvorstand, 17.7., 7. und 22.8.1919. Vgl. auch Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 75, 92 f.; WolffRohé, Reichsverband, S. 168–171 mit weiteren Verweisen. 588 Vgl. BArch, R 8104 / 28, Bl. 205–211, Zentralvorstand, 21.10.1919; ACDP, 01 / 220, Nl Stinnes, Nr. 007 / 1, Zentralvorstand, 28.10.1919 (Zitat). Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 179–185. 589 Vgl. Feldman, Disorder, S. 186 f.; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 171. 590 Vgl. BArch, R 8104 / 29, Bl. 1–8, Zentralvorstand, 18.11.1919; Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 238, 294–298; Feldman, Disorder, S. 242–244; WolffRohé, Reichsverband, S. 172–174. 591 Vgl. BArch, R 13 I / 94, Bl. 2, VdESI-Hauptvorstand, 27.2.1920. 592 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 191–207, Zentralvorstand, 6.5.1920 (Zitate). 593 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 159–162, 186–190, Geschäftsführender Vorstand, 20.5. und 13.9.1920; SHA, 11 / Lg 748, RDI an Arbeitgebermitglieder im Zentralvorstand der ZAG, 25.9.1920; ebd., R 13 I / 95, Bl. 3, VdESI-Hauptvorstand, 21.9.1921 (Zitat); Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 175–178; Feldman, Stinnes, S. 708 f., 712 f. 594 Vgl. SHA, 4 / Lf 539, Wirth an ZAG, 25.9.1920 (AS). 595 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 143–158, Zentralvorstand, 28.9.1920 (Zitate); ebd., Bl. 129–142, Geschäftsführender Vorstand, 9. und 29.10.1920; ebd., R 8104 / 36, Bl. 4, Presseverlautbarung zur ZAG-Sitzung, 2.12.1920; Mitteilungen der ZAG, Nr. 5, Oktober 1920. 596 Vgl. dazu DAgZ 19 (1920), Nr. 36, 5.9.1920; Feldman, Stinnes, S. 623–633. 597 Vgl. BArch, R 8104 / 30, Bl. 79–92, Zentralvorstand, 8.4.1921; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 63–73. 598 Abelshauser, Weimarer Republik, S. 17. 599 Vgl. AdRK, Bd. 7, S. 17–22; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 180–184.
Zu VI. Inflation und Stabilisierung: das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft 1922–1924 600 Vgl. Feldman, Disorder, S. 418–420, 453–459, 577–597, 640–658, 669–671; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 39–54; Peukert, Weimarer Republik, S. 122 (Zitat); Schneider, Höhen, S. 335. 601 Vgl. BArch, R 8104 / 45, Bl. 171–175, RDI an ZAG, 17.10.1921 nebst AS RDI / VDA an Brauns, 16.9.1921, Brauns an [Bücher], 29.9.1921 (Zitat). Vgl. auch Preller, Sozialpolitik, S. 254. 602 Vgl. Vorstände ADGB / AfA an Reichskanzler, 21.11.1921, zit. nach Ruck, Quellen, S. 397–399 (Zitat S. 398). 603 Vgl. Schneider, Höhen, S. 335 f.
Anmerkungen311 604 Vgl. Feldman, Disorder, S. 465–490. 605 BArch, R 8104 / 31, Bl. 192–200, Zentralvorstandssitzung, 13.10.1921. 606 Vgl. BArch, R 8104 / 31, Bl. 122–132, 143–153, Zentralvorstand, 27.1.
und 30.3.1922 (Zitate); Tschirbs, Tarifpolitik, S. 143–147. 607 DAgZ 21 (1922), Nr. 33, 13.8.1922. Vgl. ebd., Nr. 35, 27.8.1922. 608 Vgl. BArch, R 13 I / 116, Bl. 11, 16, VdESI-Hauptversammlung, 2.5.1922; DAgZ 21 (1922), Nr. 49, 3.12.1922; Leuchten, Kampf, S. 83–114; Preller, Sozial politik, S. 210. 609 Vgl. Bundesausschuss, 13.–17.12.1921 (Zitat) und 28. / 29.3.1922, zit. nach Ruck, Quellen, S. 438, 504 f. 610 Vgl. BArch, R 8104 / 31, Bl. 133–137, Zentralvorstand, 28.2.1922. 611 Vgl. Feldman, Disorder, S. 610–612. 612 Vgl. BWA, V 1 / 15, Vorstands-Sitzung des Vereins Bayerischer Metallindus trieller, 25.4.1922; ebd., Rundschreiben des Industrievereins Augsburg, 26.5.1922; Bundesausschuss, 2. / 3.5.1922, zit. nach Ruck, Quellen, S. 522 (Zitat). 613 BWA, V 1 / 460, GDM Ausschuss-Sitzung, 1.6.1922 (AS) (Borsig-Zitat); MAN-Archiv, Nl Guggenheimer, o. Ausschuss-Sitzung, 30.5.1922. Vgl. auch Schneider, Höhen, S. 337–339. 614 Vgl. Feldman / Steinisch, Weimarer Republik, S. 364–381; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 96–100; Mallmann, Perspektiven, S. 190–192. 615 Vgl. DAgZ 21 (1922), 20.8.1922. 616 Vgl. DAgZ 21 (1922), Nr. 19, 7.5.1922. 617 BBA 16 / 186 64, ordentliche Generalversammlung Verein für die bergbau lichen Interessen, 20.5.1922. 618 Vgl. Plener, Leipart, S. 192–198; dies., Vielfalt, S. 19–21. 619 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 278–288. 620 Vgl. Bundesausschuss, 19.–23.6.1922, zit. nach Ruck, Quellen, S. 578–588. Vgl. auch Rehling, Konfliktstrategie, S. 163–165. 621 Vgl. BArch, R 8104 / 45, Bl. 167 f., Hoff an Cohen, 23.3.1922, Cohen an Hoff, 31.3.1922 (DS); Siebert, Abkommen, S. 87; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 117 f. 622 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 256–263. 623 Vgl. Feldman, Disorder, S. 426. 624 BArch, R 8104 / 119, Bl. 109–114, Geschäftsführender Vorstand, 15.8.1922. 625 ACDP, 01 / 220, Nl Stinnes, Nr. 006 / 6, Bücher an Stinnes, 16.8.1922. Vgl. Feldman, Stinnes, S. 772 f. 626 Vgl. BBA 14 / 90, VDA, Rundschreiben, 25.5.1921. 627 Vgl. DAgZ 21 (1922), Nr. 32, 6.8.1922; ebd., Nr. 39, 24.9.1922. 628 Vgl. dazu Feldman, Stinnes, S. 654 f. 629 Vgl. Otto Thiel, Arbeitsgemeinschaft und Gewerkschaftsbewegung, in: Der Deutsche, Nr. 157, 15.7.1922, zit. nach BArch, N 1013 / 257, fol. 189. 630 Vgl. Feldman, Stinnes, S. 768; Rehling, Konfliktstrategie, S. 220; Wulf, Stinnes, S. 451. 631 Vgl. MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 267 / 1, Vortrag Bücher vor dem Zweckverband nordwestdeutscher Wirtschaftsvertretungen und der Handelskammervereinigung in Essen, 6.6.1922 (Zitat); ebd., RDI-Vorstandssitzung, 28.6.1922; Vorlage des Geschäftsführenden Präsidialmitglieds Dr. Bücher, RDI, Juni 1922, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 328–332. 632 Vgl. BArch, R 13 I / 13, Bl. 59 f., Geschichte des VdESI 1874–1934 von C. Klein, Manuskript (1934). 633 Vgl. Feldman, Disorder, S. 450 f., 604.
312 Anmerkungen 634 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 267 / 1, Sonderausschuss für ein Wirtschaftsprogramm, 21.7.1922; Sonderausschuss, 9.8.1922, zit. nach Feldman / Homburg, S. 332–343 (Zitate S. 332, 340 f.); Vorstand RDI, 6.9.1922, zit. ebd., S. 313–323 (Zitate S. 322 f.); BArch N 1031 / 312, fol. 3 f., Aktennotiz Bücher, o.D. Vgl. auch Paul Silverberg, Wiederaufbau der Wirtschaft, 26. Dezember 1922, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 324–327; Feldman, Stinnes, 758–760, 771 f., 803 f., 824–829; Gehlen, Silverberg, S. 215 f.; Neebe, Großindustrie, S. 29; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 305–310; Wulf, Stinnes, S. 432 f. 635 Feldman, Stinnes, S. 758. 636 MANA, Nl Guggenheimer, Nr. 267 / 1, Reusch an Bücher, 30.8.1922 (AS). 637 Vgl. Besprechung bei Vizekanzler Bauer über Lohnfragen, 5.10.1922, zit. nach Ruck, Quellen, S. 689–691 (Zitate); Gewerkschaftliche Spitzenverbände an Reichskanzler, Reichsministerien und Parteien des Reichstages zur Stabilisierung der Mark, 31.10.1922, S. 692–694 (Zitat S. 693); ACDP, Nl Stinnes, Nr. 007 / 1, 4, Geschäftsführender Vorstand, 14.10.1922 (Zitate). Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 302–305. 638 Vgl. Stinnes, Markstabilisierung (Zitate S. 6, 9, 11), und dazu Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 316 f. 639 Feldman, Stinnes, S. 633. Vgl. auch ebd., S. 791–796. 640 Vgl. BArch, R 8104 / 69, Bl. 150 f., 154, Tänzler / Meissinger an ZAG, 1.9.1922, Süß an ZAG, 22.8.1922. Vgl. auch ebd., passim. 641 Vgl. DAgZ 21 (1922), Nr. 50, 10.12.1922. 642 Vgl. Zentralvorstand, 10. / 11.11.1922, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 174–185 (Zitate). Vgl. auch ebd., S. 97–104; Rehling, Konfliktstrategie, S. 166– 169; BArch, R 8104 / 31, Bl. 71–98. 643 Vgl. dazu Siegler, Lohnpolitik, S. 190 f. 644 Vgl. Mai, Mensch, S. 59 f.; Siegler, Lohnpolitik, S. 195 f. 645 Vgl. dazu Wachs, Verordnungswerk, S. 218–230; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 71 f. 646 Vgl. dazu Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 273–275. 647 Vgl. Schneider, Höhen, S. 334 f.; DAgZ 21 (1922), Nr. 9, 26.2.1922 (Zitat). 648 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 67–70, Geschäftsführender Vorstand, 18.11.1922, und dazu AdRK, Bd. 5 / 2, S. 1168. 649 Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 301. 650 BArch, N 1013 / 312, fol. 117, Silverberg an Bücher, o.D. 651 Vgl. BArch, N 1013 / 313, fol. 3–9, Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft. Vgl. auch bei Feldman / Homburg, Industrie, S. 324–328, und dazu Weber, Sozialpartnerschaft, S. 564–567. 652 Kempner an Hamm, 6.1.1923, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 328. 653 BArch, N 1013 / 313, Duisberg an Silverberg, 12.1.1923. 654 Vgl. BArch, N 1013 / 313, fol. 102–106, Reusch an Silverberg, 18.1.1923. 655 Vgl. auch Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 299–301; Feldman / Steinisch, Industrie, S. 104 f.; Feldman, Stinnes, S. 841 f.; Gehlen, Silverberg, S. 235– 243; Neebe, Großindustrie, S. 29–33; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 318–320. 656 Vgl. BBA, BBA 32 / 3380, Zechenverband, Rundschreiben, 22.12.1922. 657 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 67–70, Geschäftsführender Vorstand, 18.11.1922. 658 Vgl. AdRK, Bd. 6, S. 95–100. 659 Vgl. MANA, Nr. 267 / 2, RDI, Vorstandssitzung, 29.3.1922 (Zitat); ebd., RDI an Guggenheimer, 19.5.1922, nebst Bericht Hoff, Gemeinschaftsarbeit zwischen Handelskammern und Vertretungskörperschaften der Arbeitnehmer (Bericht über die Verhandlungen zwischen den Spitzenverbänden und dem Vorläufigen Reichswirt-
Anmerkungen313 schaftsrat), o.D. (AS) (Zitat) und Rundschreiben des Zweckverbandes nordwestdeutscher Wirtschaftsvertretungen, 3.5.1922 (AS); ebd., RDI, Rundschreiben, 9.5.1922 (Zitat). Vgl. auch Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 163–167. 660 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 56–58, Geschäftsführender Vorstand, 4.12.1922 (Zitat). 661 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 46–49, Geschäftsführender Vorstand, 21.12.1922. 662 Vgl. AdRK, Bd. 6, S. 218 f., bes. Anm. 6. 663 Vgl. Siemens, Hist. Archiv, 4 / Lf 724–2, VDA an Siemens, 16.11.1922; AdRK, Bd. 5 / 2, S. 1067–1069, 1084 (Kabinettssitzung, 8.9.1922). Vgl. auch Przigoda, Unternehmensverbände, S. 281. 664 Vgl. Besprechungen anlässlich der Ruhrbesetzung, 8.–10.1.1923. Bericht Knoll / Wissell, zit. nach Ruck, Quellen, S. 733–742. Vgl. auch AdRK, Bd. 6, S. 236 f. (Anm.); Feldman, Stinnes, S. 842–849. 665 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 26–33, 34–43, Geschäftsführender Vorstand, 24.1. und 1.3.1923; Geschäftsführender Vorstand, 16.4.1923, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 192 f. Vgl. auch BArch, R 8104 / 119, Bl. 8–14; Aufruf, in: DAG 13 (1923), S. 33; Schneider, Höhen, S. 339–342; Wolff-Rohé, Reichsverband, S. 327 f. 666 HAK, WA 4 / 2055, Bl. 350, Stellungnahme des RDI zu dem Werdener Urteil, 19. Mai 1923. Vgl. auch Stremmel, Krupp, S. 185. 667 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 8–14, 26–33, Geschäftsführender Vorstand, 1.3. und 16.4.1923 (Zitat). 668 Vgl. Diehl, Vaterlandspartei, bes. S. 620–622; DAgZ 19 (1920), Nr. 21, 23.5.1920. 669 Vgl. Weber, Sozialpartnerschaft, S. 586–590. 670 Vgl. Pressenotiz, 6.3.1923, Erklärung der Reichsregierung, 10.3.1923, zit. nach AdRK, Bd. 6, S. 295 f., 301 f. 671 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 8–14, Geschäftsführender Vorstand, 16.4.1923; Bundesausschuss, 17. / 18.4.1923, zit. nach Ruck, Quellen, S. 810–838 (Zitate S. 829, 832). Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 674. 672 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 15–25, Geschäftsführender Vorstand, 23.4.1923 (Zitate); Feldman, Disorder, S. 675 f. 673 Vgl. Ministerbesprechung, 25.5.1923, zit. nach AdRK, Bd. 6, S. 505 f. 674 Vgl. Kabinettssitzung, 26.6.1923, zit. nach AdRK, Bd. 6, S. 612 f. 675 Vgl. Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 135–138. 676 Vgl. Geschäftsführender Vorstand, 23.6.1923, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 185–189. Vgl. auch BArch, R 8104 / 31, Bl. 1–7 (folgende Zitate). 677 Vgl. RDI an Reichskanzler, 25.5.1923, zit. nach AdRK, Bd. 6, S. 508–513 (Zitat S. 513). Vgl. auch Winkler, Revolution, S. 576 f. 678 Vgl. Feldman, Disorder, S. 677–679; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 177–179. 679 Vgl. BArch, R 8104 / 126, Bl. 292–307, Verhandlungen der paritätischen Kommission, 20.8.1923, nebst Anlagen; ebd., Bl. 370–373, Richtlinien zur Lohnfrage, 1.9.1923. Vgl. auch Feldman, Disorder, S. 738, 755. 680 Vgl. Siebert, Abkommen, S. 23 f. 681 Vgl. Bundesausschuss, 4. / 5.7. und 7. / 8.9.1923, zit. nach Ruck, Quellen, S. 870–894, 908–932 (Zitate S. 877, 881, 923, 927). 682 DAgZ 22 (1923), Nr. 32, 12.8.1923. 683 Vgl. BArch, R 13 I / 118, Bl. 14, Mitgliederversammlung, 4.7.1923. 684 BArch, R 8104 / 126, VDA an ZAG, 13.9.1923. 685 Vgl. ADGB an Reichsfinanzminister, 24.8.1923, zit. nach Ruck, Quellen, S. 906 f. 686 Vgl. MANA, Nr. 267 / 1, RDI, Rundschreiben an die Mitglieder des Vorstands, 17.5.1923.
314 Anmerkungen 687 SHA, A 1616, C. F. von Siemens an Borsig, 27.10.1923. 688 Vgl. Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 179; Hufland,
Siegerland, S. 230– 234; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 574 f. 689 DAgZ 22 (1923), Nr. 40, 7.10.1923. 690 Vgl. DAG 13 (1923), S. 289 f. 691 Vgl. dazu BBA 14 / 6, Zechenverband, Rundschreiben, 8.10.1923, nebst Bekanntmachung. 692 Vgl. Reichswirtschaftsminister an Reichskanzlei, 28.9.1923, zit. nach AdRK, Bd. 7 / 1, S. 392 (Zitat), Ministerrat vom 1.10.1923, ebd., S. 417–431 (Zitat S. 429), Kabinettssitzung, 3.10.1923, ebd., S. 455–463; Kabinettssitzung, 30.10.1923, zit. nach AdRK, Bd. 7 / 2, S. 907; Verordnung über das Schlichtungswesen, in: Steitz, Quellen, S. 197–200; Bähr, Staat, S. 191; Englberger, Tarifautonomie, S. 153–159; Feldman, Stinnes, S. 887–890, 894–896, 899–901, 904 f.; ders., Disorder, S. 718 f., 741 f., 745 f.; Feldman / Steinisch, Weimarer Republik, S. 388–406; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 28–42; Leuchten, Kampf, S. 121–135; Milert / Tschirbs, Demokratie, S. 183–185 (Zitat S. 183); Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 144–146; Siegler, Lohnpolitik, S. 196; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 194–220; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 593–597; Winkler, Revolution, S. 625–647, 686–688; Wulf, Stinnes, S. 395–406; 433–449. 693 Vgl. Przigoda, Unternehmensverbände, S. 282 f. 694 Vgl. Feldman, Disorder, S. 756 f. 695 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 65–82, Geschäftsführender Vorstand, 27.11.1923 (Zitate im Folgenden). 696 Vgl. AdRK, Bd. 8 / 1, 1, 103 f., 138; Berichte Crull über die ArbeitnordwestVorstandssitzung in Essen, 7.11. und 7.12.1923, zit. nach Feldman / Homburg, Industrie, S. 362–368; Rundschreiben des VdESI, 17.12.1923, in: Steitz, Quellen, S. 217– 219; DAgZ 22 (1923), Nr. 43, 28.10.1923; Feldman / Steinisch, Weimarer Republik, S. Leuchten, Kampf, S. 135–139; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 308–314; Winkler, Revolution, S. 679–684. 697 Vgl. DAgZ 22 (1923), Nr. 3, 20.1.1924. 698 BWA, V 1 / 459, GDM-Geschäftsbericht 1924, S. 10 f., 18. Vgl. ebd., Geschäftsbericht 1925, S. 12–14. Vgl. auch Feldman / Steinisch, Weimarer Republik, S. 408–412. 699 Vgl. DAgZ 23 (1924), Nr. 13, 6.4.1924; Berkel, Arbeitsgemeinschaftspolitik, S. 319. 700 Vgl. SHA, 4-Lf 718, Rundschreiben VDA, 25.2.1924 (Zitat S. 3); DAgZ 23 (1924), Nr. 4, 27.1.1924. 701 MANA, K 65 / 218, Guggenheimer an Endres, 17.1.1924 (DS), nebst Denkschrift „Um den Schlichtungszwang“ (Zitate). 702 DAgZ 23 (1924), Nr. 1, 6.4.1924. Vgl. ebd., Nr. 5, 3.2.1924. 703 Vgl. BArch, R 8104 / 119, Bl. 50–54, Geschäftsführender Vorstand, 10.1.1924. Vgl. dazu Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 325–330; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 146. 704 Vgl. Kukuck / Schiffmann, Gewerkschaften, S. 126 f., 160–163. 705 Vgl. Bähr, Staat, passim; Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 146 f. 706 Vgl. Siebert, Abkommen, S. 84 f., 87 f. 707 Vgl. Kukuck / Schiffmann, Gewerkschaften, S. 105–113 (Zitate S. 106, 111), 132–135. 708 BArch, N 1013 / 224, fol. 81, ADGB an RDI, 24.1.1924 (Umdruck). 709 Vgl. Geschäftsführender Vorstand, 15.2.1924, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 202–208 (Zitate S. 204–208). Vgl. auch BArch, R 8104 / 119, Bl. 28–38 (Zitat).
Anmerkungen315 dazu Preller, Sozialpolitik, S. 189 f. SHA, 4-Lf 718, An die Mitglieder des Reichstages (Zitate) nebst Anlage: Flugschrift: Was die Arbeitgeber wollen!, und dazu DAgZ 23 (1924), Nr. 9, 2.3.1924. 712 Vgl. Feldman / Steinisch, Weimarer Republik, S. 412–435. 713 Vgl. Geschäftsführender Vorstand, 3.3.1924, zit. nach Feldman / Steinisch, Industrie, S. 209–214 (Zitate S. 209, 213 f.). Vgl. auch BArch, R 8104 / 119, Bl. 1–18. 714 Vgl. Siebert, Abkommen, S. 21–23 (Zitat S. 23). 715 DAgZ 23 (1924), Nr. 13, 30.3.1924. 716 Vgl. Mallmann, Perspektiven, S. 165; Tross, Wirtschaftspolitik, S. 203 f.; Siebert, Abkommen, S. 88–90, 93 f.; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 793 f. 717 Vgl. Staat oder Wirtschaft (Zitat S. 134) und dazu Reidegeld, Sozialpolitik, Bd. 2, S. 150–153. 710 Vgl. 711 Vgl.
Zu VII. Bilanz und Ausblick 718 Vgl. Feldman, Disorder, S. 840. 719 Vgl. Kolb / Schumann, Weimarer Republik, S. 206–209. 720 Kluge, Revolution, S. 31. 721 Ebd., S. 171 f. 722 Preller, Sozialpolitik, S. 227. 723 Vgl. Schneider, Höhen, S. 324. 724 Kittner, Arbeitskampf, S. 413. 725 Vgl. Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 314–325; Hentschel,
Geschichte, S. 90 f.; Schneider, Unternehmer, S. 57–59. 726 Vgl. Tschirbs, Tarifpolitik, S. 479. 727 Vgl. Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 232 f., 338–341. 728 Arbeitnordwest, S. 157. 729 Vgl. Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 226 f., 238–240, 345–350, 374–379; Hentschel, Geschichte, S. 77. 730 Vgl. Mallmann, Perspektiven, S. 196 f.; Rehling, Konfliktstrategie, S. 208–213; Winkler, Revolution, S. 402. 731 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 461. 732 Vgl. Geyer, Kapitalismus, S. 104–111, 144–154, 175–181; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 7, S. 535–538. 733 Vgl. Neebe, Großindustrie, S. 37–49; Peukert, Weimarer Republik, S. 129– 132; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 401–403; Schneider, Unternehmer, S. 61– 63, 68–75, 126–134, 150–160, 168 f.; Tross, Wirtschaftspolitik, S. 204; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 783–819, 839–852; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 246–272, 395– 456, 492–494. 734 Vgl. Becker, Arbeitsvertrag während der Weimarer Republik, S. 382–405; Englberger, Tarifautonomie, S. 252–256, 271–277; Hallgarten / Radkau, Industrie, S. 189–219, 236–254; Hentschel, Geschichte, S. 94–96, 100–102; Neebe, Großindustrie, S. 80–89, 119–126, 142–188, 193–196; Przigoda, Unternehmensverbände, S. 403, 408–416; Reckendrees, Vögler, S. 269–271; Stremmel, Krupp, S. 191–195; Turner, Faschismus; ders., Großunternehmer, S. 38–48, 67–80, 110–123, 174–181, 221–232, 259–328, 337–351, 354–404; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 893–898. 735 Vgl. SHA, 4 / Lf 738, Siemens an Sieg, 13.3.1933; ebd., Zentralverband an Raumer, 25.10.1933 (DS). 736 SHA, 4 / Lf 742–2, Raumer an Siemens, 31.12.1933. 737 Zit. nach Nautz, Tarifvertragsrecht, S. 97. 738 Vgl. Mallmann, Perspektiven, S. 235–256.
316 Anmerkungen 739 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 87–92; Hentschel, Geschichte, S. 234–247; Nautz, Durchsetzung, bes. S. 147–162; ders., Tarifvertragsrecht, S. 96– 114.
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Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie
Bundesarchiv (BArch) N N N R R R R
1013 1231 2169 13 I 43 3901 8104
Nachlass Paul Silverberg Nachlass Alfred Hugenberg Nachlass Carl Legien Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller Reichskanzlei Reichsarbeitsministerium Zentralarbeitsgemeinschaft
Historisches Archiv Krupp Essen (HAK) WA 3 WA 4
Werksarchiv Krupp-Konzern, Korrespondenzmappen Werksarchiv Krupp-Konzern, Akten
Landesarchiv Berlin (LArchB) A Rep. 226
Bestand Borsig
MAN-Archiv (MANA) 1.3.3.3.
Nachlass Nachlass Emil Guggenheimer
Montanhistorisches Dokumentationszentrum beim Deutschen Bergbaumuseum / Bergbauarchiv Bochum (BBA) montan.dok / BBA 14 montan.dok / BBA 16 montan.dok / BBA 32 montan.dok / BBA 55 montan.dok / BBA 72
Zechenverband Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamts bezirk Dortmund Hibernia AG Gelsenkirchener Bergwerks-AG Zeche Waltrop
318 Quellenverzeichnis Siemens Historisches Archiv (SHA) A 4 / … 11 / … 14 / …
Allgemeiner Schriftverkehr Nachlass Carl Friedrich v. Siemens Nachlass Otto Henrich Sonstiges
ThyssenKrupp-Konzernarchiv Duisburg (TA) A DHHU FWH H RSW
August Thyssen-Hütte Dortmund-Hörder-Hütten-Union Friedrich-Wilhelms-Hütte Altarchiv Hoesch Rheinische Stahlwerke
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330 Literaturverzeichnis Weinhauer, Klaus: Lokale Ordnungen versus Arbeitsgemeinschaftspolitik? Arbeitsund Sozialbeziehungen im Hamburger Hafen 1916–1924, in: Führer (Hrsg.), Revolution und Arbeiterbewegung, S. 195–209 Weisbrod, Bernd: Arbeitgeberpolitik und Arbeitsbeziehungen im Ruhrbergbau. Vom „Herr-im-Haus“ zur Mitbestimmung, in: Feldman (Hrsg.), Arbeiter, Unternehmer und Staat im Bergbau, S. 107–162 Welskopp, Thomas: Soziale Voraussetzungen und Bedingungen für die deutsche Gewerkschaftsbewegung im internationalen Vergleich, in: Führer (Hrsg.), Revolution und Arbeiterbewegung, S. 45–59 Winkler, Heinrich August: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918–1924, 2. Aufl. Berlin / Bonn 1985 – Weimar 1988–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, Frankfurt am Main / Wien 1994 (1. Aufl. 1993) – Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, 4. Aufl. München 2002 – (Hrsg.): Weimar im Widerstreit. Deutungen der ersten deutschen Republik im geteilten Deutschland, München 2002 Wissell, Rudolf: Aus meinen Lebensjahren. Mit einem Dokumenten-Anhang hrsg. von Ernst Schraepler, Berlin 1983 Wolff-Rohé, Stephanie: Der Reichsverband der Deutschen Industrie 1919–1924 / 25, Frankfurt am Main 2001 Wulf, Peter: Hugo Stinnes. Wirtschaft und Politik 1918–1924, Stuttgart 1979 Zarusky, Jürgen: Vom Zarismus zum Bolschewismus. Die deutsche Sozialdemokratie und der ‚asiatische Despotismus‘, in: Gerd Koenen / Lew Kopelew (Hrsg.): Deutschland und die Russische Revolution 1917–1924, S. 99–133, München 1998 Zunkel, Friedrich: Industrie und Staatssozialismus. Der Kampf um die Wirtschaftsordnung in Deutschland 1914–1918, Düsseldorf 1974 – Die Gewichtung der Industriegruppen bei der Gründung des Reichsverbandes der deutschen Industrie, in: Mommsen / Petzina / Weisbrod (Hrsg.), Industrielles System, S. 637–647
Personenverzeichnis Aufhäuser, Siegfried
1884–1969
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA)
Avellis, Franz
1869–1920
Textilindustrieller
Baden, Prinz Max von
1867–1929
Reichskanzler
Baltrusch, Georg Friedrich
1876–1949
Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften
Bauer, Gustav
1870–1944
Zweiter Vorsitzender der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Reichsarbeits minister, Reichskanzler (SPD)
Bebel, August
1840–1913
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Becker, Johann
1869–1951
Reichswirtschaftsminister
Beckmann, Wilhelm
geb. 1872
Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Angestelltenverbände (AfA), Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes der Angestellten
Behrens, Franz
1872–1943
Zweiter Vorsitzendes des Gesamtverbandes christlicher Gewerkschaften
Berger, Gustav
n. e.
Unternehmer in Wiesbaden
Bernstein, Eduard
1850–1932
Politiker, sozialistischer Theoretiker
Bethmann-Hollweg, Theobald von
1856–1921
Reichskanzler
Beukenberg, Wilhelm
1858–1923
Generaldirektor der Phoenix AG für Bergwerksund Hüttenbetrieb
Bismarck, Otto von
1815–1898
Reichskanzler
Böckler, Hans
1875–1951
Gewerkschafter, Sekretär der ZAG
Borsig, Ernst von
1869–1933
Maschinenbauindustrieller, Vorsitzender des Vereins Berliner Metallindustrieller, ab 1920 Vorsitzender des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller von 1920–1933
Bosch, Robert
1861–1942
Metallindustrieller und Sozialreformer
Braun, Friedrich Edler von
1863–1923
Präsident des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates
Brauns, Heinrich
1868–1939
Reichsarbeitsminister
Brentano, Lujo
1844–1931
Nationalökonom, Professor an der Universität München
332 Personenverzeichnis Brey, August
1864–1937
Vorsitzender des Verbandes der Fabrikarbeiter
Brost, Georg
geb. 1878
Geschäftsführer des Gesamtverbandes deutscher Angestelltengewerkschaften
Brüning, Heinrich
1885–1970
Reichskanzler (Zentrum)
Bruns, C.
n. e.
Gewerkschafter
Bücher, Hermann
1882–1951
Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
Büchner, Georg
1862–1944
Vorsitzender des Verbandes der Metallindustriellen in Hessen und Hessen-Nassau
Bueck, Henry Axel
1830–1916
Geschäftsführer des Centralverbands deutscher Industrieller und der Hauptstelle der deutschen Arbeitgeberverbände
Cohen, Adolf
geb. 1870
3. Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes; Geschäftsführer der Zentralarbeitsgemeinschaft
Cuno, Wilhelm
1876–1933
Generaldirektor der HAPAG-Schifffahrtslinie, Reichskanzler
Czieslik, Alfred
geb. 1877
Vorstandsmitglied der (liberalen) Gewerkvereine der Metallarbeiter
Deutsch, Felix
1858–1928
Vorstandsvorsitzender der AEG
Dietrich, Hans Christian
1869–1950
Bankier
Dißmann, Robert
1878–1925
Vorsitzender des Deutschen MetallarbeiterVerbandes
Duisberg, Carl
1861–1935
Generaldirektor der Farbenfabriken Bayer AG
Duncker, Franz
1822–1888
Verleger, Gründer der liberalen Gewerkvereine
Ebert, Friedrich
1871–1925
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Mitglied des Rates der Volks beauftragten, Reichspräsident
Eisner, Paul
n. e.
Christlicher Angestelltengewerkschafter
Erzberger, Matthias
1875–1921
Reichsfinanzminister
Frank, Rudolf
1863–1926
Geschäftsführender Vorsitzender des Verbandes zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie
Franke, Emil
n. e.
n. e. [möglicherweise der Berliner Magistrats beamte gleichen Namens, 1880–1945]
Friedrichs, Heinrich
1859–1928
Vorsitzender des Bundes deutscher Industrieller
Frowein, Abraham
1878–1957
Textilindustrieller
Garvens, Emil
1853–1921
Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Arbeit geberverbände
Personenverzeichnis333 Geisler, Fritz
1890[1945]
Vorsitzender des Nationalverbandes deutscher Berufsverbände
Gertung, Otto
1871–1929
Mitglied im Vorstand der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN)
Geßler, Otto
1875–1955
Reichsminister für Wiederaufbau
Giesberts, Johannes
1865–1938
Unterstaatssekretär im Reichsarbeitsamt
Gothein, Georg
1857–1940
1919 Reichsschatzminister
Grabenstedt, Karl
geb. 1877
Geschäftsführer des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller
Graepel, Otto
1857–1924
Landesminister in Oldenburg
Graßmann, Peter
1873–1939
Zweiter Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
Groener, Wilhelm
1867–1939
General, Reichsverkehrsminister
Guggenheimer, Emil
1860–1925
Syndikus und Vorstandsmitglied der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN)
Haase, Hugo
1863–1919
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands / Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Hartmann, Gustav
1861–1940
Vorsitzender des Verbandes deutscher Gewerk vereine (Hirsch-Duncker’sche)
Haußmann, Conrad
1857–1922
Staatssekretär ohne Portefeuille
Heckmann, Paul
1849–1910
Vorsitzender des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller von 1890–1910
Helfferich, Karl
1872–1924
Staatssekretär im Reichsamt des Innern
Henrich, Otto
1871–1939
Siemens-Direktor
Herle, Jacob
1885–1957
Mitglied der Geschäftsführung des Bundes deutscher Industrieller und des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
Hermann, Karl
1886–1933
Generalsekretär des Deutschen Handwerks
Hertling, Georg von
1843–1919
Reichskanzler (Zentrum)
Hilbig, Franz
n. e.
Vertreter des Verbandes der Metallindustriellen Ost- und Westpreußens
Hildenbrand, Karl
1864–1935
Reichstagsabgeordneter (SPD)
Hilger, Ewald
1859–1934
Generaldirektor der Vereinigten Königs- und Laurahütte, Zweiter Vorsitzender des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
Hindenburg, Paul von
1847–1934
Generalfeldmarschall, Reichspräsident
Hirsch, Max
1832–1905
Gründer der liberalen Gewerkvereine
334 Personenverzeichnis Hitler, Adolf
1889–1945
Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Diktator
Hoff, Curt
1888–1950
Mitglied der Geschäftsführung im Centralverband deutscher Industrieller und im Reichsverband der Deutschen Industrie, Geschäftsführer der Zentralarbeitsgemeinschaft
Höfle, Anton
1882–1925
Direktor des (christlichen) Deutschen Technikerverbands und Direktor des Deutschen Beamtenbunds, Reichspostminister
Huë, Otto
1868–1922
Redakteur und Sprecher des Alten Verbandes der sozialistischen Bergarbeiter
Hugenberg, Alfred
1865–1951
Vorsitzender des Zechenverbands
Husemann, Friedrich E.
1873–1935
Vorstandsmitglied des Bergarbeiterverbandes
Imbusch, Heinrich
1878–1945
Erster Vorsitzender des Gewerkvereins der christlichen Bergarbeiter
Irl, Martin
1859–1953
Malermeister
Jacob, Arthur
1871–1934
Bergwerksdirektor der Gewerkschaft Deutscher Kaiser in Hamborn
Jansson, Wilhelm
1877–1923
Redakteur des „Correspondenzblattes“ der Generalkommission der Freien Gewerkschaften
Kapp, Wolfgang
1858–1922
Generallandschaftsdirektor
Kautsky, Karl
1854–1938
Sozialistischer Theoretiker und Politiker
Kirdorf, Emil
1847–1938
Generaldirektor der Gelsenkirchener BergwerksAG
Klingenberg, Georg
1870–1925
Direktor der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft
Koeth, Josef
1870–1936
Reichsminister für wirtschaftliche Demobil machung, Reichswirtschaftsminister
Kraemer, Hans
1870– [1935]
Papierindustrieller
Krupp, Alfred
1812–1887
Gründer der Friedrich Krupp AG
Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav
1870–1950
Aufsichtsratsvorsitzender der Friedrich Krupp AG
Kube, Hermann
1865–1932
Mitglied der Generalkommission der Gewerkschaften u. des ADGB-Bundesvorstands
Kucharsky, Fritz
n. e.
Gewerkschafter
Lammers, Clemens
1882–1957
Rechtsanwalt, Präsidiumsmitglied im Reichs verband der Deutschen Industrie
Lassalle, Ferdinand
1825–1864
Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins
Personenverzeichnis335 Legien, Carl
1861–1920
Vorsitzender der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands
Leipart, Theodor
1867–1947
Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
Lenin, Wladimir I.
1870–1924
Vorsitzender der Kommunistischen Partei Russlands
Liebknecht, Karl
1871–1919
Sozialistischer Politiker
Löffler, Heinrich
1879–1949
Sekretär im Vorstand des (sozialistischen) Bergarbeiterverbandes und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
Löwenstein, Hans Prinz von und zu
1874–1959
Geschäftsführer des Zechenverbands
Ludendorff, Erich
1865–1937
General
Lüttwitz, Walther Frhr. von
1859–1942
General
Luxemburg, Rosa
1871–1919
Politikerin, sozialistische Theoretikerin
Mangers, Paul
1858–1928
[Unternehmer]
Mann, Alfred
n. e.
Textilunternehmer
Marx, Wilhelm
1863–1946
Reichskanzler (Zentrum)
Matschoss, Conrad
1871–1942
Vorsitzender des Vereins Deutscher Ingenieure
Meissinger, Hermann
1884–1958
Leiter der Tarifabteilung der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände
Meyer, Wilhelm
1867–1929
Vorsitzender des VdESI
Moellendorff, Wichard von
1881–1937
Ingenieur, Staatssekretär
Müller, August
1873–1946
(Sozialdemokratischer) Unterstaatssekretär im Reichsernährungsamt, Staatssekretär im Reichswirtschaftsamt
Müller, Richard
1880–1943
Funktionär des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes, Führer der Revolutionären Obleute in Berlin
Neustedt, Franz
geb. 1872
Geschäftsführender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Gewerkvereine (Hirsch-Duncker’sche)
Noske, Gustav
1968–1946
Mitglied des Rates der Volksbeauftragten
Oppenheim, Franz
1852–1929
Chemieindustrieller
Oppenheimer, Stefan
1885–1964
Geschäftsführer des Verbandes Berliner Metall industrieller
Otte, Bernhard
1883–1933
Generalsekretär des Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften Deutschlands
Paeplow, Friedrich
1860–1934
Vorsitzender des Deutschen Bauarbeiterverbands
Payer, Friedrich von
1847–1931
Vizekanzler
336 Personenverzeichnis Petri, Oskar von
1860–1944
Mitglied des Aufsichtsrates der Siemens-Schuckert-Werke
Pfirrmann, Fritz
geb. 1887
Geschäftsführer des Bundes der technischen und industriellen Beamten (Butib), Vorstandsmitglied des AfA-Bundes
Plate, Harry
1853–1939
Präsident des Deutschen Handwerks- und Gewerbetages
Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von
1845–1932
Staatssekretär im Reichsamt des Innern
Purschian, Ernst
geb. 1856
Ingenieur und Unternehmer
Rathenau, Emil
1838–1915
Gründer der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG)
Rathenau, Walther
1867–1922
Präsident (Aufsichtsratsvorsitzender) der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG), Reichsaußenminister
Raumer, Hans von
1870–1965
Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen elektrotechnischen Industrie, Reichsschatz- und Reichswirtschaftsminister
Reichel, Georg
1870–1947
Zweiter Vorsitzender des Deutschen Metall arbeiter-Verbands
Reichert, Jakob
1885–1948
Hauptgeschäftsführer des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
Reusch, Paul
1868–1956
Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte
Riepert, Peter
1874–1939
Vorstandsmitglied im RDI
Rieppel, Anton von
1852–1926
Vorstandsvorsitzender der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN), Vorsitzender des Gesamtverbands Deutscher Metallindustrieller von 1910–1920
Rießer, Jakob
1853–1932
Vorsitzender des Hansa-Bundes für Gewerbe, Handel und Industrie
Roedern, Siegfried Graf v.
1867–1954
Staatssekretär des Reichsschatzamtes
Roesicke, Gustav
1856–1924
Vorsitzender des Bundes der Landwirte / Reichslandbundes
Röhr, Franz
1888–1934
Jurist, Mitarbeiter Adam Stegerwalds
Rötger, Max
1860–1923
Vorsitzender des Centralverbands deutscher Industrieller
Rymer, Józef
1882–1922
Vorsitzender des Polnischen Berufsverbandes
Sabath, Gustav
1863–1952
Mitglied des Bundesvorstands des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und Vorsitzendes des Ortsausschusses Groß-Berlin
Personenverzeichnis337 Sachse, Hermann
1862–1942
Vorsitzendes des Alten Verbandes der sozial demokratischen Bergarbeiter
Scheidemann, Philipp
1865–1939
Reichsministerpräsident
Schlicke, Alexander
1863–1940
Vorsitzender des Deutschen MetallarbeiterVerbandes, Reichsarbeitsminister
Schmidt, Georg
1875–1946
Vorsitzender des (sozialistischen) Deutschen Landarbeiterverbandes
Schmidt, Robert
1864–1943
Mitglied der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften, Reichswirtschaftsminister
Schrey, Carl Otto
1853–1932
Vorsitzender des Eisenbahn-Wagen-Verbandes
Schumacher, Hermann
1868–1952
Nationalökonom, Professor an der Universität Bonn
Schweighoffer, Ferdinand
n. e.
Geschäftsführer des Centralverbandes deutscher Industrieller
Schweitzer, Otto
1886–1933
Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA)
Seitz, Joseph
1864–1928
Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Buchdrucker
Siemens, Carl Friedrich von
1872–1941
Aufsichtsratsvorsitzender
Silverberg, Paul
1876–1959
Generaldirektor der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlebergbau
Simon, Josef
1865–1949
Vorsitzender der (sozialistischen) Schuhmacher gewerkschaft
Simons, Walter
1861–1937
Geschäftsführer des RDI, Reichsaußenminister
Simson, Ernst von
1876–1941
Beamter im Reichswirtschaftsamt und im Auswärtigen Amt, ab 1922 Mitglied des Präsidiums des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
Sinzheimer, Hugo
1875–1945
Rechtswissenschaftler
Sommer, Hugo
n. e.
n. e.
Sorge, Kurt
1855–1928
Vorsitzender des Vereins deutscher MaschinenbauAnstalten, der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände und des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
Spiegel, Karl
1868–1932
Bezirksleiter des Deutschen MetallarbeiterVerbands
Spliedt, Franz
1877–1963
Leiter der Sozialpolitischen Abteilung des Bundesvorstands des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
338 Personenverzeichnis Springorum, Friedrich
1858–1938
Generaldirektor der Eisen- und Stahlwerke Hoesch AG
Stähr, Wilhelm
geb. 1868
Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA)
Stegerwald, Adam
1874–1945
Generalsekretär des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Stinnes, Hugo
1870–1924
Leiter der Hugo Stinnes GmbH und weiterer Unternehmen; zahlreiche Aufsichtsratsmandate (z. B. Vorsitz im Aufsichtsrat der RheinischWestfälischen Elektrizitätswerke)
Stresemann, Gustav
1878–1929
Reichskanzler (Deutsche Volkspartei)
Tänzler, Fritz
1869–1944
Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände
Tarnow, Fritz
1880–1951
Vorsitzender des (sozialistischen) Holzarbeiter verbandes
Thyssen, August
1842–1926
Inhaber eines schwerindustriellen Industrie konglomerats (August-Thyssen-Hütte u. a.)
Thyssen, Fritz
1873–1951
Teilerbe des Thyssen-Konzerns
Töwe, Max
1871–1932
Geschäftsführer des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller (bis 1919)
Trimborn, Karl
1854–1921
Staatssekretär im Reichsamt des Innern
Umbreit, Paul
1868–1932
Chefredakteur des „Correspondenzblattes“ bzw. der „Gewerkschaftszeitung“
Untucht, Friedrich Carl
1870–1939
Steingutfabrikant
Vögler, Albert
1877–1945
Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG
Werner, Georg
n. e.
Steiger, Funktionär im Bund technischer Industrie-Beamten bzw. -Angestellten
Westermayer, Paul
n. e.
Klavierfabrikant
Wieber, Franz
1858–1933
Vorsitzender des Christlichen Metallarbeiter verbandes
Wiedfeldt, Otto
1871–1926
Direktor der Friedrich Krupp AG
Wilhelm II.
1859–1941
König von Preußen und Deutscher Kaiser
Wilson, Thomas Woodrow
1856–1924
Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
Winkhaus, Fritz
1865–1932
Generaldirektor des Köln-Neuessener Bergwerkvereins
Wirth, Joseph
1879–1956
Reichsfinanzminister, Reichskanzler (Zentrum)
Wissell, Rudolf
1869–1962
Reichswirtschaftsminister, Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
Personenregister Aufhäuser, Siegfried 85, 118, 171, 203, 257, 258 Avellis, Franz 144, 146, 156, 181, 186 Baden, Prinz Max von 13, 102, 122, 170 f. Baltrusch, Georg Friedrich 27, 186, 203, 213 f., 221–224, 226, 236 f., 239 f., 247–249, 251 f., 269, 280 Bauer, Gustav 15, 61, 83, 85, 96 f., 99, 102 f., 111, 113, 118, 125, 153, 155, 163, 167, 170, 174, 183, 185, 189, 203, 211, 213, 245 f. Bebel, August 63 Becker, Johann 254 Beckmann, Wilhelm 198 Behrens, Franz 146 Berger, Gustav 214 Bernstein, Eduard 63 Bethmann-Hollweg, Theobald von 77, 91 Beukenberg, Wilhelm 39, 82, 91, 98, 107, 109, 115 f., 126 f., 132, 143, 148, 158, 184, 192 Bismarck, Otto von 14, 49, 54 f., 65 Böckler, Hans 177 Borsig, Ernst von 5, 13 f., 39, 66, 71, 76, 78, 91, 97, 99, 101, 110, 111, 113 f., 118, 122–124, 128, 134, 138, 140, 144, 146, 151, 164, 169–171, 174, 176, 179, 181, 183, 197, 203–205, 211 f., 219, 225, 228, 236–238, 253, 255 f., 264 f., 268–272, 279, 282 f. Bosch, Robert 53, 91, 95, 126, 186, 236 Braun, Friedrich Edler von 218
Brauns, Heinrich 32, 209, 224 f., 235, 237, 249, 252, 254, 261–263, 266, 280 f., 283 Brentano, Lujo 67, 208 Brey, August 257 f. Brost, Georg 255 Brüning, Heinrich 283 Bruns, C. 216 Bücher, Hermann 48, 169, 223, 226, 236, 240–242, 244 f., 247, 254–256, 238 f., 265, 270 f., 279, 282, 285 Büchner, Georg 238 Bueck, Henry Axel 39, 71 Cohen, Adolf 90, 175 f., 180, 192, 194, 199, 202 f., 206, 208 f., 213, 216, 220 f., 224–226, 229 f., 237, 240, 253 Cuno, Wilhelm 244, 249, 251, 259 Czieslik, Alfred 203, 224 Deutsch, Felix 98, 101, 111, 113 f., 118, 122, 128, 144, 161 f., 170, 211 Dietrich, Hans Christian 144 Dißmann, Robert 90, 194 f., 216, 239, 259, 269 Duisberg, Carl 33 f., 39, 81, 88, 91, 104, 126, 128, 212, 214, 216, 250–252, 279 Duncker, Franz 54 Ebert, Friedrich 13, 61, 80, 89, 103, 125, 128, 131, 137, 140, 151, 157, 163, 171, 211, 241, 266 Eisner, Paul 118, 171 Erzberger, Matthias 111, 137, 155 Frank, Rudolf 184, 187, 201, 212, 214, 243, 245, 257
340 Personenregister Franke, Emil 144 Friedrichs, Heinrich 122 Frowein, Abraham 110, 148 f., 184, 200, 203, 207, 214, 230 f., 236, 242 Garvens, Emil 71 Geisler, Fritz 253 Gertung, Otto 111 Geßler, Otto 198 Giesberts, Johannes 163 Gothein, Georg 185 Grabenstedt, Karl 207 Graepel, Otto 215 Graßmann, Peter 207, 221, 223 f., 227, 229, 239, 240, 246, 248 f., 257, 265 f., 268 f., 271 Groener, Wilhelm 82 f., 85, 87, 90 f. Guggenheimer, Emil 101 f., 190, 214, 225, 267 Haase, Hugo 80 Hartmann, Gustav 15, 83, 85, 101, 144, 146, 154, 188 Haußmann, Conrad 122 Heckmann, Paul 44 f. Helfferich, Karl 83, 85 Henrich, Otto 13, 111 f., 114, 117 f., 120, 122, 128, 144, 146, 151, 170 f., 181, 203, 211 f. Herle, Jacob 157, 179 Hertling, Georg von 92 f., 102 Hilbig, Franz 191 Hildenbrand, Karl 86 Hilger, Ewald 13 f., 42, 82 f., 87 f., 90, 98, 126, 132, 134, 137 f., 140, 142 f., 146, 180 f., 183, 188 f., 203, 211 f., 214, 219 Hindenburg, Paul von 81, 86, 89, 241, 284 Hirsch, Max 54 Hitler, Adolf 31, 283 f. Hoff, Curt 156–158, 175, 187, 189, 199 f., 213, 225 f., 230–232, 237, 251 Höfle, Anton 118, 144, 146 f., 171, 282
Huë, Otto 106–108, 110 f., 116, 163, 174, 212 Hugenberg, Alfred 88, 96, 107 f., 114, 126, 143, 158 f., 163, 170, 175, 178, 186, 212, 220, 228, 283 f. Husemann, Friedrich E. 193 Imbusch, Heinrich 108, 217 f., 272, 280 Irl, Martin 220 Jacob, Arthur 160–162 Jansson, Wilhelm 99, 228 Kapp, Wolfgang 211–213 Kautsky, Karl 63 Kirdorf, Emil 39, 42, 57, 78 f., 88, 91, 96, 107 f., 241, 252, 283 Klingenberg, Georg 111 Koeth, Josef 120–122, 124, 130, 151, 153 f., 157, 161 f., 181, 262, 266 Kraemer, Hans 182, 184, 186 f., 193, 198, 201–203 220, 226, 228- 231, 236, 242 Krupp, Alfred 38, 40 Krupp v. Bohlen u. Halbach, Gustav 134, 218, 253 Kube, Hermann 146, 154 Kucharsky, Fritz 257 Lammers, Clemens 144, 184, 243 f. Lassalle, Ferdinand 54 Legien, Carl 6, 15, 23, 25, 27, 30, 33, 55 f., 58, 61–64, 72, 80, 83, 86, 90, 98 f., 102–104, 113, 117–121, 126, 128 f., 134–136, 138, 142, 144, 146, 149, 151, 152–154, 164, 170–172, 174, 176 f., 179, 181–183, 185 f., 188, 193 f., 196, 198 f., 202 f., 205, 211 f., 213 f., 219 f., 228–231, 241, 270, 275, 277 Leipart, Theodor 15, 22, 27, 56, 58, 61 f., 76, 80, 96, 113, 126–128, 142, 151, 153 f., 170 f., 174, 177 f., 182 f., 194, 198, 203, 208, 222–227, 231, 237–239, 245, 253 f., 259 f., 263 f., 266, 268 f., 275
Personenregister341 Lenin, Wladimir I. 23, 113, 278 Liebknecht, Karl 80 f., 100, 125, 171 Löffler, Heinrich 192, 198, 218 Löwenstein, Hans Prinz von und zu 187, 238 Ludendorff, Erich 81, 87, 90, 211, 241 Lüttwitz, Walther Frhr. von 211 Luxemburg, Rosa 26, 64, 100 Mangers, Paul 144 Mann, Alfred 214 Marx, Wilhelm 266, 278 Matschoss, Conrad 111 Meissinger, Hermann 192, 207, 256 f. Meyer, Wilhelm 184, 259 Moellendorff, Wichard von 74, 96 f., 155, 161, 181, 183, 185, 195, 227, 285 Müller, August 81, 95, 101–103, 121, 124, 155, 170, 281 Müller, Richard 194 f., 197 Neustedt, Franz 118, 171, 192, 207, 213, 220, 231, 236, 253, 255, 264–266, 268 f. Noske, Gustav 124 f., 157 Oppenheim, Franz 219 Oppenheimer, Stefan 255–257 Otte, Bernhard 203, 255, 256, 265, 268 f., 271 f., 283 Paeplow, Friedrich 102 f.; 152 f., 259 Payer, Friedrich von 102, 121 f. Pfirrmann, Fritz 144, 146 Plate, Harry 146 Posadowsky-Wehner, Arthur Graf v. 37 Purschian, Ernst 144 Rathenau, Emil 40 Rathenau, Walther 14, 40, 74, 95–99, 104, 107, 112 f., 117 f., 120–122, 124, 126, 128 f., 135 f., 144, 157, 161 f., 170 f., 177, 181 f., 238
Raumer, Hans von 14, 22, 30–32, 39, 48, 73, 98, 100–102, 104 f., 107, 113 f., 117 f., 121–124, 126, 128 f., 137 f., 142, 144, 148 f., 151, 156–158, 164, 167, 170 f., 178, 187, 196–199, 211, 219–221, 228 f., 243, 249, 261 f., 279, 282, 285 Reichel, Georg 101, 110, 170, 193, 195, 203, 239, 269 Reichert, Jakob 13 f., 21, 39, 77, 104, 122, 124, 141, 148, 157–159, 174, 176 f., 180 f., 184, 186, 188, 196 f., 203, 228, 282 Reusch, Paul 39, 59, 78, 88, 91, 116 f., 126, 132, 134, 245, 251, 272, 282, 284 f. Riepert, Peter 270 Rieppel, Anton von 15, 42, 71, 75, 82, 87, 91, 101, 105, 111, 113 f., 118, 121, 123, 144, 156, 170, 190 f., 225 Rießer, Jakob 122 Roedern, Siegfried Graf v. 121 f. Roesicke, Gustav 221 f. Röhr, Franz 252 Rötger, Max 13, 48, 122 f., 142, 156, 158 f., 178 Rymer, Józef 85 Sabath, Gustav 216 Sachse, Hermann 106, 108, 160, 163, 174, 192 f., 226, 229, 236 Scheidemann, Philipp 103, 111, 123, 125, 157, 163, 171, 181 Schlicke, Alexander 15, 27, 80, 84, 86, 90, 96, 102–104, 110, 113, 115, 117, 146, 151, 154, 170, 195, 203, 208 f., 219 Schmidt, Georg 222 Schmidt, Robert 80, 96, 103, 153, 185, 193, 198, 201, 227, 261 Schrey, Carl Otto 141 f., 144 Schumacher, Hermann 95 Schweighoffer, Ferdinand 156 f. Schweitzer, Otto 188, 203, 205–207, 220, 223, 229, 231
342 Personenregister Seitz, Joseph 239, 255 Siemens, Carl Friedrich von 14, 40, 98, 105, 113 f., 116 f., 128, 144, 151 f., 156, 160, 170 f., 185, 187, 193, 197, 203, 205, 212, 215, 224, 259 f., 268, 271, 279 Silverberg, Paul 88 f., 136, 193, 218, 226, 242–244, 247, 249–251, 279, 282, 284 Simon, Josef 216 Simons, Walter 212–214, 223, 231 Simson, Ernst von 121 Sinzheimer, Hugo 163 f., 166 Sommer, Hugo 146 Sorge, Kurt 59, 82, 129, 133 f., 140, 144, 148 f., 151, 154, 160, 169, 178 f., 80, 182 f., 185, 202 f., 206, 211–213, 219, 220, 222–225, 230, 249, 264, 268, 279 Spiegel, Karl 110, 170 Spliedt, Franz 240, 246, 253, 256, 258, 269–271 Springorum, Friedrich 39, 88, 91, 127, 137, 143, 148, 151, 284 Stähr, Wilhelm 256 Stegerwald, Adam 15, 27, 58 f., 61, 79, 81, 83, 86, 92, 100, 117 f., 121, 128, 144, 146, 151, 154 f., 171, 174, 198, 214, 272, 275 Stinnes, Hugo 6, 13 f., 22, 28, 38, 40, 51 f., 68, 81, 91, 95–99, 101, 104–113, 116–118, 121–123, 126–138, 140–143, 150, 156, 158 f., 170 f., 192, 193, 203, 211–214, 217 f., 222, 224, 226, 228–231, 233, 236, 240–247, 251 f., 257, 261 f., 274 f., 279
Stresemann, Gustav 32, 261–263, 278 Tänzler, Fritz 22, 39, 77, 122, 128, 133, 143, 148 f., 161, 171, 178 f., 206 f., 219, 232, 245–248, 255, 260, 268, 270, 282 Tarnow, Fritz 216, 245, 249, 258, 260, 269 Thyssen, August 38, 51, 88, 116, 161 f., 237 Thyssen, Fritz 283, 285 Töwe, Max 114, 123, 156, 170, 174 f. Trimborn, Karl 103 Umbreit, Paul 194, 236, 257 f., 269 f. Untucht, Friedrich Carl 220, 222 Vögler, Albert 88, 98, 100, 105, 110, 114, 117 f., 122, 126, 136, 143, 150, 156, 158 f., 184, 187, 195, 196, 198, 201, 203, 211, 217, 223, 241–243, 272, 283, 285 Werner, Georg 217 Westermayer, Paul 144 Wieber, Franz 151, 156, 197, 199, 202 f. Wiedfeldt, Otto 122, 178, 215, 218 Wilhelm II. 37, 65, 171 Wilson, Thomas Woodrow 111 Winkhaus, Fritz 88, 96, 107, 192 Wirth, Joseph 226, 230, 235, 249 Wissell, Rudolf 28, 61, 104, 135, 157 f., 174, 181–183, 185, 195, 203, 215, 227, 236, 239, 251, 253, 255 f., 268