Das Schlesische Riesengebirge: Die Polonisierung Einer Landschaft Nach 1945 (Neue Forschungen Zur Schlesischen Geschichte, 23) (German Edition) [Aufl. ed.] 9783412207533, 3412207535

Als die polnischen Neusiedler im Fruhjahr 1945 die Riesengebirgsregion im sudlichen Niederschlesien erreichten, fanden s

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Das Schlesische Riesengebirge: Die Polonisierung Einer Landschaft Nach 1945 (Neue Forschungen Zur Schlesischen Geschichte, 23) (German Edition) [Aufl. ed.]
 9783412207533, 3412207535

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Das schlesische Riesengebirge

Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte herausgegeben von joachim bahlcke Band 23

Mateusz J. Hartwich

Das schlesische Riesengebirge Die Polonisierung einer Landschaft nach 1945

Mit einem Geleitwort von Karl Schlögel

2012 Böhlau Verlag WIEN Köln Weimar

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ausschnitt des Plakats zur 840-Jahrfeier von Jelenia Góra (Hirschberg) mit den Festtagen des Riesengebirges (Dni Karkonoszy), 1948

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20753-3

Zum Geleit Kulturelle Aneignungsprozesse größten Ausmaßes waren die zwangsläufige Folge eines durch den Zweiten Weltkrieg aus den Fugen geratenen Europa: Die ethnischen, kulturellen und sozialen Gemengelagen, wie sie sich über Jahrhunderte hinweg vor allem in Zentraleuropa ausgebildet hatten, waren durch Krieg, Flucht, Umsiedlung, Vertreibung und Völkermord gesprengt worden. Abermillionen Menschen, entwurzelt, ihrer ursprünglichen Heimat beraubt, mussten sich in neuen Territorien mit neu zugeschnittenen Grenzen zurechtfinden und ihr Leben neu einrichten. Von diesem Prozess des Sicheinfindens in einer fremden Umgebung, des Sichzurechtfindens mit einer fremden Kultur und schließlich deren Umprägung durch die Neusiedler waren jene Regionen besonders betroffen, die einem radikalen Bevölkerungsaustausch unterworfen waren und in denen Territorium, Staat und Titularvolk systematisch zur Deckung gebracht wurden. Die ehemaligen Ostprovinzen des Deutschen Reiches, die in Jalta bzw. Potsdam 1945 unter sowjetische und polnische Kontrolle gestellt worden waren, gehörten ebenso hierher wie die kresy der Zweiten Polnischen Republik, die der Sowjetunion angegliedert worden waren. Die Beschäftigung mit dieser politischen und kulturellen „Landnahme“, mit deren Verlaufsformen und der Neubildung kultureller Identitäten, deren Erforschung in der Zeit der Teilung Europas unterblieb oder unterbunden war, hat sich in den letzten zwanzig Jahren eindrucksvoll entwickelt. Ihr vornehmliches Feld waren lange und nicht zufällig Quelleneditionen, in denen dieser Vorgang erstmals dokumentiert wurde, einerseits und andererseits eine inzwischen schon bemerkenswerte Zahl von Lokal- und Regionalstudien, die diese epochalen Vorgänge exemplarisch behandelt haben. Das aus einer Dissertation von Mateusz J. Hartwich hervorgegangene Buch schließt an diese in Gang gekommene Arbeit an und betritt in mehrerer Hinsicht Neuland. Hartwich hat das Riesengebirge, genauer: die Riesengebirgsregion, zum Gegenstand. Es handelt sich hierbei nicht um eine Region unter anderen, sondern eine, die im Horizont der Deutschen vor dem Zweiten Weltkrieg eine der klassischen Ferien- und Urlaubsgegenden war, die sich über den in der Moderne aufkommenden Tourismus überhaupt erst konstituiert hatte. Diese Region wurde nach 1945 zur Heimat polnischer Siedler, die freiwillig oder unfreiwillig dorthin gekommen waren und sich diese als neue Heimat aneignen mussten. Auch hier meldete sich nach komplizierten und verschlungenen Wegen die „Riesengebirgslandschaft“ als konstitutiv für ein neues, nun polnisches Identitätsbewusstsein. Anders als in vorausgegangenen Arbeiten, in denen es ebenfalls um die Überwindung der Fremdheit der Angesiedelten gegenüber der neuen Umgebung, um die bald rabiate, bald behutsame Behandlung des vorgefundenen Erbes, um die allmähliche Aneignung und dann Umprägung der vorhandenen Kultur ging, be-

VI

Zum Geleit

schränkt sich Hartwich nicht auf die ausschließlich semiotische Analyse der Transformation – Umbenennung von Orten, Straßen, Reinterpretation der lokalen Geschichte, Entfernung von symbolischen Ikonen der deutschen Vergangenheit und Implementierung von Symbolen der polnischen Kultur. Vielmehr macht er den Tourismus zum Medium der Transformation der Riesengebirgslandschaft und verfolgt diese bis zu jenem Punkt, wo die Neusiedler sich endlich als „Herr im Hause“ fühlen. Im Zentrum von Hartwichs Fragestellung steht somit die Rolle des Tourismus bei der Aneignung der Riesengebirgsregion durch die neuen Einwohner nach 1945. Erleichterte die touristische Bebauung und Wirtschaftsstruktur den Übergang in die neue Zeit und trug sie damit zur Sesshaftwerdung der polnischen Siedler bei? Welche Traditionen, Vergangenheitsbezüge und Narrationen, auch visuelle Ausdrucksformen, wurden über- und angenommen und unter welchen Umständen? Und schließlich: Wer waren die Akteure in diesen Wandlungsprozessen? Der Schwerpunkt der Untersuchung sind die drei Jahrzehnte nach 1945, also jene Zeit, in der die Generation der Neusiedler sich in der Fremde eine neue Heimat aufbauen musste und in der dann die dort geborene Generation aufwuchs. Der Darstellung des Aneignungsprozesses geht ein geschichtlicher Abriss der Entwicklung der Riesengebirgsregion voraus: wie sie zu dem wurde, was sie in der Vorkriegszeit war – eine typische, hoch entwickelte Fremdenverkehrsregion des Deutschen Reiches. Dem folgt als zweiter Teil die Zeit des Bruchs von 1945 bis 1949 mit all ihren gravierenden Folgen für das neue Selbstverständnis der Region im Nachkriegspolen. In einem dritten ausführlichen Teil über die Jahre 1954 bis 1970 wird das Heranwachsen von lokalen Kräften und eines neuen Tourismus nach der Entstalinisierung gezeigt. In einem weiteren Kapitel wird das zunehmend imaginär werdende Bild vom Riesengebirge nachgezeichnet, wie es im Milieu derer, die ihre Heimat durch Flucht, Umsiedlung oder Vertreibung verloren hatten, entstanden war. In einem Ausblick wird die Auflösung der alten Grenzverhältnisse nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende der Parteiherrschaft in Polen und der DDR behandelt. Hartwich konnte sich bei seiner Studie auf einen üppigen Fundus von Quellen und Vorarbeiten stützen. Die Kulturgeschichte hat in den letzten Jahren den Zusammenhang von Landschaft, Tourismus und regionaler Identität gründlich erforscht und einem allzu naiven Verständnis von Landschaft ein Ende gesetzt. Und er konnte sich mit Gewinn auf den erweiterten Interpretationsspielraum beziehen, der durch eine transnationale Perspektive möglich geworden ist. Die Quellenbasis ist vielfältig und vielschichtig. Die Repräsentationen und Selbstbilder des Riesengebirges als eines lieu de mémoire werden vor allem festgemacht an den Publikationen des aufkommenden Massentourismus erst der Vorkriegs-, dann der Nachkriegszeit, an den Erinnerungsbildern und an Topoi, die bildmächtig geworden sind und sich zu literarischen Diskursen verfestigt haben. Es handelt sich um Erinnerungen an die verloren gegangene Heimat der Ausgesiedelten und Vertriebenen und um die Begegnung mit dem Neuen und Fremden der

Zum Geleit

VII

selbst vertriebenen und angesiedelten Polen. Die Quellenbasis umschließt offizielle Verlautbarungen zur Entwicklung und Steuerung des Tourismus ebenso wie Protokolle und Dokumente der lokalen Aktivisten für die Regeneration des Tourismus, schließlich die Perspektive der Staatssicherheit, die auf dieses Territorium ein ganz besonderes Augenmerk richtete. Nicht zuletzt gehören dazu auch Gespräche und Begegnungen sowie Interviews, die die konträren oder komplementären Sichtweisen von Heimatvertriebenen dokumentieren. In seiner notwendigen, aber zwingenderweise kurzen Vorgeschichte werden die wesentlichen Momente in der Erzeugung der Kulturlandschaft Riesengebirge erfasst. Sie ist gebunden an die Anfänge als Wander- und Ausflugsort im 18. Jahrhundert, vor allem aber an die Ästhetisierung und Zivilisierung von Landschaft als Pendant zu Urbanisierung und Industrialisierung. Verschiedene charakteristische Aspekte wie die Auswirkungen der Eisenbahn, die Rekrutierung eines neuen, relativ wohlhabenden mittelständischen Publikums, die Entwicklung einer Infrastruktur aus Verkehr, Unterhaltung, Hotellerie, und die Erzeugung einer touristischen Region unweit der Reichshauptstadt werden ebenso berührt wie die Integration des Tourismus in den Heimat- und Nationalisierungsdiskurs in all seinen verschiedenen Ausprägungen (deutsche Heimat, Bismarcktürme, Rübezahllegende) und die ambivalente Modernisierung in der Zeit von organisiertem KdF-Massentourismus und Automobilisierung. Zusammen genommen ergibt sich ein ziemlich dichtes Bild von jener Riesengebirgslandschaft aus Naturschönheit, leichter Akzessibilität und Infrastruktur des Komforts, die der Region weit über 1945 hinaus ihren Nimbus verschafft hatten. Damit ist auch das Feld vorbereitet, in dem sich nach 1945 die polnischen Neusiedler – zunächst noch in erzwungener Kohabitation mit den noch nicht ausgesiedelten und noch nicht vertriebenen Deutschen – zurechtfinden mussten. Hartwich zeichnet das aus einer mittlerweise sehr entwickelten Forschung bekannte Bild der wilden Landnahme, des Chaos und der Improvisation für die Region nach und führt dann die Schritte der Übernahme und Wiederinbetriebnahme des Tourismus, aber auch des nachhaltigen Exorzismus am germanischen Geist der Region, also die Polonisierung der Riesengebirgslandschaft, vor. Dies wird sehr genau nachgezeichnet anhand der literarischen Diskurse (Rübezahl), der Massenliteratur der Tourismusindustrie (Prospekte, Plakate, Postkarten) und der zentral gesteuerten Umkodierung der Landschaft (Umbenennungen, Entdeutschungsaktionen, Löschen der städtischen Textur, Übermalen und Uminterpretieren). Vor allem aber kommt hier die Wiederinbetriebnahme bzw. der Neuaufbau des ganzen touristischen Komplexes – von der Erstellung von Fremdenführern bis zur Neustrukturierung des Tourismus – zur Geltung. Deutlich wird dabei, wie sehr das reiche touristisch-infrastrukturelle Erbe in den neuen Westgebieten und die ganze Instabilität und Unsicherheit des Grenzgebietes nebeneinander koexistierten. Es waren die Menschen vor Ort, die sich als die nachhaltigsten Aneigner verstanden und wirksam wurden, während die von oben gesteuerten Kampagnen zu den „wie-

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Zum Geleit

dergewonnenen Westgebieten“ den Prozess des allmählichen Wurzelschlagens eher torpedierten. Jetzt kam ein vorsichtiges Herantasten der lokalen Bevölkerung an das überlieferte Erbe, der Versuch einer neuen Narration jenseits bzw. neben dem starren, ideologischen Rahmen der offiziellen Propaganda in Gang. Auf der höchsten Ebene der für Tourismus zuständigen Gremien wurden Lockerungen beschlossen, die etwas mit Devisenbeschaffung, Zulassung von Privatunterkünften und Modernisierung der Infrastruktur zu tun hatten. Aber damit wurde auch eine eigentümliche Dialektik in Gang gesetzt, die das sichtbare deutsche Erbe, die Kulturschicht wieder auf die Tagesordnung setzte. Deutsche Touristen, meist Vertriebene, kamen zu Besuch; nolens volens entfalteten Orte wie Jagniątków (Agnetendorf ) oder der Rübezahl-Topos eine neue Strahlkraft. Die schiere materielle Präsenz des Vergangenen, der Fundus an Bildern, die die Attraktivität der Region als Tourismus-Region ausmachten, entfalteten eine kaum kontrollierbare Eigendynamik. Renovierung verfallender Häuser und Ingangsetzung einer neuen Regionalgeschichtsschreibung, Kult der Völkerfreundschaft und Begegnung mit den Besuchsreisenden aus der DDR und vor allem Westdeutschland sowie das Entstehen eines touristischen Milieus als Hort der Privatwirtschaft, ja sogar eines neuen Kapitalismus – all dies spielte hier zusammen bis zu dem Punkt, an dem sich die neu erwachte TourismusRegion ihre eigene Identität zu erschaffen begann. Für Hartwich symbolisiert das UFO von Witold Lipiński, die nicht in deutschem und nicht in polnischem, sondern in internationalem Stil errichtete Baude auf der Schneekoppe, das eigentliche Ende der Rivalität von Polonizität und Germanizität und den Beginn einer neuen und eigenständigen Identität. Komplementär dazu verhält sich das Kapitel, in dem Hartwich die Bilder der verlorenen Heimat im westdeutschen Vertriebenenmilieu rekonstruiert. Er kann zeigen, wie außerordentlich langlebig sich das Riesengebirge als deutsche Landschaft in den Köpfen halten konnte, auch über die reale Veränderung der realen Landschaft hinweg. Je mehr das alte Bild schwand, desto imaginärer wurde es. Der Autor konstatiert „zwei Schlesienbilder“, eines aus der Vorgeschichte und eines aus der Gegenwart. Eigentümlicherweise fungierten alte Topoi wie Rübezahl und Gerhart Hauptmann als Vermittlungsinstanzen und Katalysatoren der neuen Identität. Hartwich kann am Material nachweisen, wie sehr das konservierte Riesengebirgsbild der Heimatvertriebenen und die Neuinterpretation in der Riesengebirgsregion selbst insgeheim korrespondierten und letztlich zusammengehörten. So entfaltet das Riesengebirge aufs Neue den Zauber, dem frühere Generationen schon anheimgefallen waren – woher sie gekommen sein mögen und woher sie in Zukunft kommen werden. Karl Schlögel

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 1 2 4 6 7 10 14

I

1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forschungsstand und Forschungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Tourismusforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Erinnerung, Identitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Regionalforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodischer Zugang und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II.

Die Riesengebirgsregion vor 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kulturelle Zeugnisse von der Erschließung der Region bis 1700 . . 2. Der regionale Strukturwandel vom 17. bis 19. Jahrhundert. . . . . . 3. Nutzung und Nation: Landschaftswahrnehmung im 19. und frühen 20. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regionale Vermittler: Die Rolle des Riesengebirgsvereins . . . . . . . 5. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III.

Der Bruch (1945–1949) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7.

8.

9.

16 16 18 22 34 45

46 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ankunft – Ausweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Gesellschaftliche Realität in den Westgebieten . . . . . . . . . . . . . . . 55 Die Neuorganisation des Fremdenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Literarische Diskurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Exkurs: Die Polonisierung Rübezahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Die Aneignung der Landschaft in den Medien . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.1. Reiseführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6.2. Fotografien / Postkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 6.3. Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die Umkodierung der Landschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 7.1. Namensänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 7.2. Sichtbare Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Veränderte politische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 8.1. Das Grenzregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 8.2. Die Zentralisierung des Fremdenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . 97 8.3. Tourismus und Wirtschaft in der Riesengebirgsregion . . . . . . 101 8.4. Die Grenzen des Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

X

IV.

Inhalt

Bewegte Zeiten (1954–1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformbestrebungen im polnischen Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rückkehr der deutschen Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Der Beginn der Familienzusammenführung (1955) . . . . . . . . 3.2. Der Reiseverkehr aus Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. DDR-Tourismus in Polen in den fünfziger Jahren als Politikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Wem gehört Gerhart Hauptmann? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine Region erwacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Reformbestrebungen von unten: „Hirschberger Thesen“ (Tezy Jeleniogórskie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Die Institutionalisierung der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Grenzen des Aktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4. Angewandte Geschichte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Wege der Freundschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Moderne Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 117 126 127 129 133 137 144 145 150 155 162 167 179 187

V.

Gegenansichten: Das Bild der Heimat im Vertriebenenmilieu . . 188

VI.

Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

VII. Zusammenfassende Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 217 VIII. Turystyka a oswajanie krajobrazu w Karkonoszach po 1945 roku (Zusammenfassung in polnischer Sprache) . . . . . . 224 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Unveröffentlichte Manuskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Gesprächspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Am Anfang stand eine Reise. Im August 2005 besuchte ich eine Freundin in Slowenien. Zusammen fuhren wir zum ‚Hausberg‘ ihrer Heimatstadt Kranj (Krainburg), zur Šmarjetna Gora (646 Meter), von wo wir eine schöne Aussicht auf die Umgebung hatten. So schön sie auch war, sie sagte mir nichts: Die ansehnliche Landschaft der slowenischen Voralpen war für mich eine reine touristische Sehenswürdigkeit, ohne persönliche Bezüge. Ein Jahr später bestieg ich zum ersten Mal die Schneekoppe (1.602 Meter) – als Reiseleiter für eine Familie aus Süddeutschland. Bis dahin war der höchste Gipfel der Sudeten für mich eine gewöhnliche Touristenattraktion und ihre Anziehungskraft für die älteren deutschen Reiseteilnehmer etwas befremdlich. Als wir jedoch oben angelangt waren und den herrlichen Ausblick genießen konnten, der durchschnittlich lediglich an etwa 60 Tagen im Jahr möglich ist, änderte sich meine Sicht. Das mag der Moment gewesen sein, als in mir die Überlegung zu reifen begann, meiner Heimatregion eine wissenschaftliche Untersuchung zu widmen. Seitdem besuchte ich das Riesengebirge mehrere Male und nutzte oft die Gelegenheit, auf die Schneekoppe zu gehen. War ich bisher der Überzeugung, Urlaub heißt ans Mittelmeer zu fahren, und Bergtouristik sei nichts für mich, begann ich am Wandern Gefallen zu finden. Als ich dann im September 2007 zum ersten Mal vom Chojnik (Kynast, 627 Meter) auf die Vorgebirgslandschaft rund um Jelenia Góra (Hirschberg) hinunterblicken konnte, erfasste ich markante Punkte in der Landschaft und war imstande, die Umgebung zu identifizieren. Ich wusste, was ich sah. Diese subjektive Spurensuche war Teil des Erkenntnisprozesses und half, ein anfangs vage formuliertes Forschungsprojekt zum Zusammenhang von Geschichte, Identität und Reisen, von mir „Histourismus“ genannt, zu konkretisieren. Diese Dissertation wäre ohne die Unterstützung und Betreuung seitens Prof. Karl Schlögels nicht entstanden, dessen Hinweise einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Arbeit hatten. Tomasz Przerwa hat diese Arbeit seit Anfang an begleitet und durch seinen Expertenrat immer wieder bereichert. Viele interessante Diskussionen und konstruktive Hinweise verdanke ich Gregor Thum, Philipp Ther, Piotr Sroka, Dominik Pick, Christian Lotz, Andrew Demshuk, Maximilian Eiden, Piotr Geise, Hasso Spode, Claudia Müller, Claudia Kraft, Krzysztof Ruchniewicz und Przemysław Wiater. Ein ganz besonderer Dank geht an meine Kolleginnen und Kollegen vom früheren Berliner Kolleg für Vergleichende Geschichte Europas, insbesondere Luminita Gatejel, Benno Gammerl, Joachim Häberlen, Martina Krocová, Soňa Mikulová, Agnes Arndt, Christiane Reinecke und Zdenek Nebřenský. Prof. Manfred Hildermeier, der seitens des BKVGE die Betreuung übernommen hat, und Prof. Arnd Bauerkämper als Leiter des Kollegs danke ich ebenfalls sehr. Ein kollektiver Dank geht an die Organisatoren, Teilnehmer und

XII

Vorwort

Diskutanten zahlreicher Tagungen, auf denen dieses Forschungsprojekt im Allgemeinen und in seinen Einzelaspekten präsentiert wurde. Unterstützt wurde die Forschung durch die Hilfsbereitschaft und das Wohlwollen von Mitarbeitern aller am Ende dieser Arbeit aufgeführten Institutionen, wobei ein besonderer Dank Herrn Ivo Łaborewicz vom Staatsarchiv in Jelenia Góra (Hirschberg) gebührt. Ohne die finanzielle Unterstützung der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Deutschen Nationalstiftung und des Deutschen Historischen Instituts Warschau in Form von Stipendien wäre diese Arbeit nie entstanden. Nicht zuletzt danke ich Herrn Prof. Joachim Bahlcke und dem Böhlau-Verlag für die Möglichkeit zur Publikation in der Reihe, gefördert aus den Mitteln des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Abschließend danke ich Herrn Rafael Sendek für die Hilfe bei der Endredaktion des Manuskripts. Am Schluss sei meiner Familie für die großartige Unterstützung gedankt, vor allem meiner Frau Anna und meiner Tochter Helena, denen ich diese Arbeit widme.

I.

Einleitung

1.

Fragestellung

Diese Arbeit untersucht die Wandlung der Riesengebirgsregion nach 1945. Im Mittelpunkt steht die „Aneignung“ einer Landschaft durch Besiedlung, Bewirtschaftung und die diskursive ‚Polonisierung‘ ihrer Identität. Die Studie schließt somit an Forschungen zur polnischen Übernahme von Städten in den früheren deutschen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg an und versucht, jene Prozesse auf eine Landschaft zu beziehen. Die Arbeit analysiert den Umgang mit einer geographisch vorgegebenen und menschlich (kulturell) gestalteten Topographie. Die Frage von Identitäten in der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte ist bisher meistens anhand von Literatur analysiert worden, was ein semiotisiertes Verständnis von Landschaft (Erinnerungs-, Bezugs- oder generell Kulturlandschaft) nach sich zog. In dieser Studie sollen Faktoren wie Transport, Bebauung und Geographie eine größere Rolle spielen. Für die untersuchte Region ist der Fremdenverkehr in seiner strukturellen und historischen Dimension von zentraler Bedeutung und sollte daher im Fokus stehen. Diese Schwerpunktsetzung erlaubt eine Gewinn bringende methodische Erweiterung der Analyse von Aneignungsprozessen. Zu den zentralen Fragen der Arbeit gehören: Erleichterte die touristische Infrastruktur den Übergang in die neue Zeit und trug sie damit zur Sesshaftwerdung der polnischen Siedler bei? Wie verhielten sich die subjektiven Identitätsstrategien der neuen Bewohner zu den offiziellen Diskursen? Welche regionalen Eigenarten, Traditionen, Vergangenheitsbezüge, Narrationen und auch visuellen Ausdrucksformen wurden im Laufe der Zeit über- und angenommen und unter welchen Umständen? Und schließlich: Wer waren die Akteure in diesen Wandlungsprozessen? Der Fokus geht somit ausdrücklich weg von politischen und administrativen Prozessen hin zu einer Analyse der Alltagswelten der neuen Bevölkerung und der regionalen Entwicklung in ihrer ,langen Dauer‘.

2.

Forschungsstand und Forschungsprobleme

Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Forschungsliteratur die vielfältigen Ansätze verdeutlichen und ihren Nutzen im Hinblick auf das vorliegende Untersuchungsprojekt erörtern. Der interdisziplinären Anlage der Arbeit entsprechend orientiert sich der Forschungsüberblick nicht an traditionellen Wissenschaftsgebieten, sondern an relevant erscheinenden Themenfeldern mit ihrer jeweiligen Forschungslandschaft.

2

Einleitung

2.1. Tourismusforschung Darüber, ob es eine eigenständige „Tourismuswissenschaft“ bzw. „-forschung“ gibt, besteht selbst unter Fachleuten keine Einigkeit. Auch der englische Sprachgebrauch, tourism studies im Plural, belässt im Kern die Frage offen, ob von einem theoretischen und methodischen Korpus dieser Forschungsrichtung ausgegangen werden kann. Die vorliegende Arbeit geht jedoch von der pragmatischen Feststellung aus, dass Forschungen zum Fremdenverkehr zentrale Aspekte für die Analyse moderner Gesellschaften betreffen wie Sozialpolitik, Freizeitgestaltung, Transport und Mobilität, Dienstleistungsgewerbe, Konsum, Werbung und Gestaltung, aber auch kollektive Identitäten, nation building, Alltagsgeschichte, Interpretation(en) des historischen Erbes, Gebrauch der Geschichte usw. Nicht zu vergessen ist der räumliche Bezug der Tourismusforschung, der für die vorliegende Studie besonders bedeutsam ist.1 Nachdem die Tourismusforschung jahrzehntelang eher aus ökonomischer und sozialgeographischer Perspektive betrieben wurde, kann spätestens mit den Veröffentlichungen von John Urry und Chris Rojek2 von einer „kulturellen Wende“ in diesem Bereich gesprochen werden.3 Im deutschsprachigen Kontext wird zudem auf wichtige soziologische Arbeiten, etwa den Essay von Hans-Magnus Enzensberger, oder die sozial- und kulturhistorische Pionierstudie von Wolfgang Schivelbusch verwiesen.4 Auch wenn wiederholt beklagt wird, dass die Tourismuswissenschaft die Geschichtsschreibung und die Historiker das Tourismusthema noch weitgehend ignorieren,5 kann dennoch in den letzten zehn Jahren von einer bemerkenswerten Zunahme entsprechender Studien gesprochen werden. Dabei lassen sich unterschiedliche Schwerpunktsetzungen beobachten: Kunsthistorisch inspirierte Studien fragen nach der visuellen Seite des Tourismusphänomens; Literaturhistoriker, die auf den reichen und faszinierenden Textkorpus vormoderner Reiseberichte und -beschreibungen zurückgreifen können, befassen sich stärker mit Fragen von Identität bzw. der Konstruktion des ‚Anderen‘, wobei auch

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3

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Crouch, David: Surrounded by Place. Embodied Encounters. In: Coleman, Simon/Crang, Mike (Hg.): Tourism. Between Place and Performance, New York/Oxford 2002, 207–218. Urry, John: The tourist gaze, London 1990; ders.: Consuming Places, London/New York 1995; Rojek, Chris: Capitalism and Leisure Theory, London/New York 1985; ders./Urry, John (Hg.): Touring Cultures. Transformations of Travel and Theory, London 1997. Chaney, David: The power of metaphors in tourism theory. In: Coleman/Crang (Hg.): Tourism, 193–206, hier 193; Podemski, Krzysztof: Socjologia podróży, Poznań 2005 (Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu. Seria Socjologia 40), 74–100. Enzensberger, Hans-Magnus: Vergebliche Brandung der Ferne. Eine Theorie des Tourismus. In: Merkur 12 (1958) 701–720; Schivelbusch, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1977. Penz, Andrea: Inseln der Seligen. Fremdenverkehr in Österreich und Irland von 1900 bis 1938, Köln u. a. 2005 (Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien 13), 12.

Forschungsstand und Forschungsprobleme

3

sozialhistorische Fragestellungen durchaus in den Vordergrund rücken;6 unter dem Blickwinkel des Kulturerbes (heritage) werden empirische, interdisziplinäre, vor allem aber kultur- und sozialanthropologisch beeinflusste Arbeiten zur Verhandlung der Geschichte im heutigen Tourismus vorgelegt;7 schließlich wird der Tourismus als Prätext für sozialhistorische Untersuchungen unterschiedlicher Facetten des gesellschaftlichen Lebens wahrgenommen, die im Grunde nach der Konstruiertheit kollektiver Identitäten, dem Beitrag der Konsumgeschichte und der ideologischen Durchdringung des Alltags in den letzten hundert Jahren fragen.8 Zu nennen sind ferner populäre oder überblicksartige Gesamtdarstellungen der Fremdenverkehrsgeschichte, die sich ebenfalls zunehmend kulturhistorischen Gesichtspunkten zuwenden.9 Vergleichsweise klein ist die Anzahl der tourismushistorischen Studien zur Epoche des tatsächlichen Massenreisens und zur Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.10 Ferner wurden neuere sozial- und kulturhistorische Fragestellungen bisher selten im östlichen Teil Europas untersucht.11 Ein weiteres Desiderat der Tourismusforschung bleibt die Hinwendung zu den ‚Bereisten‘ und die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Touristen und Einheimischen bzw. zwischen Touristen und den bereisten Orten.12 Die vorliegende Untersuchung schließt diese Lücken, indem (1.) der zeitliche Fokus auf die Nachkriegszeit gelegt, (2.) die kultur6 Williams, William H. A.: Tourism, Landscape, and the Irish Character. British Travel Writers in Pre-Famine Ireland, Madison 2008; Robinson, Mike/Andersen, Hans Christian (Hg.): Literature and Tourism. Reading and Writing Tourism Texts, London/New York 2002. Diesem Texttypus ist ferner die laufende Forschungsarbeit von Martina Krocova gewidmet. 7 Grenier, Katherine Haldane: Tourism and Identity in Scotland, 1770–1914. Creating Caledonia, Aldershot 2005 (Studies in European Cultural Transition 30); Cronin, Michael/ O’Connor, Barbara (Hg.): Irish tourism. Image, culture and Identity, Clevedon u. a. 2003 (Tourism and Cultural Change 1); Tucker, Hazel: Living with Tourism. Negotiating Identities in a Turkish Village, London/New York 2003 (Contemporary Geographies of Leisure, Tourism, and Mobility 1). Zu heritage vgl. Peckham, Robert Shannan (Hg.): Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe, London/New York 2003; Tunbridge, John E./ Ashworth, Gregory J. (Hg.): Dissonant Heritage. The Management of the Past as a Ressource in Conflict, Chichester u. a. 1996; Ashworth, Gregory J./Larkham, Peter J. (Hg.): Building a New Heritage. Tourism, Culture and Identity in the New Europe, London/New York 1994. 8 Vgl. hierzu Kapitel II mit weiteren Literaturhinweisen; Baranowski, Shelley/Furlough, Ellen: Introduction. In: dies. (Hg.): Being Elsewhere. Tourism, Consumer Culture, and Identity in Modern Europe and North America, Ann Arbor 2001, 1–31, hier 6–11. 9 Knoll, Gabriele M.: Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub, Darmstadt 2006; Spode, Hasso: Wie die Deutschen ‚Reiseweltmeister‘ wurden. Eine Einführung in die Tourismusgeschichte, Erfurt 2003. 10 Kopper, Christopher M.: The breakthrough of the package tour in Germany after 1945. In: Journal of Tourism History 1 (2009) 67–92. 11 Die Ausnahme bilden punktuell die Beiträge im Sammelband von Gorsuch, Anne E./Koenker, Diane P. (Hg.): Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism, Ithaca/London 2006. 12 Penz: Inseln der Seligen, 287f.

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Einleitung

wissenschaftliche Methodik der Tourismusforschung für ein Land jenseits des „Eisernen Vorhangs“ angewandt wird und (3.) die Ereignisse aus der Perspektive der betreffenden Region und ihrer Bewohner beschrieben werden. 2.2. Erinnerung, Identitäten Hatte vor gut 20 Jahren Pierre Nora behauptet, es sei so viel von Erinnerung die Rede, weil so wenig davon übrig sei;13 so trifft dies seitdem für die Geschichtswissenschaft – wohl auch unter dem Einfluss von Noras Forschungen – sicherlich nicht zu. Die Veröffentlichungen zu Erinnerungskulturen, Gedächtnisforschung usw. haben – im deutschen Kontext zudem maßgeblich durch die kulturanthropologischen Arbeiten von Jan und Aleida Assmann14 beeinflusst – in den letzten zehn Jahren eine beachtliche Anzahl erreicht. Die inhaltliche und methodische Fixierung auf ursprünglich nationale lieux de mémoire wurde dabei wiederholt hinterfragt und in der Praxis überschritten.15 Forschungs- und Publikationsprojekte der letzten Jahre beziehen sich unter Verwendung des Begriffs „Erinnerungsorte“ und eines leicht abgewandelten Instrumentariums Noras immer öfter auf größere Bezugsräume wie beispielsweise Mittel- oder Nordosteuropa.16 Eine vermeintlich gegenläufige Tendenz zur transnationalen Erforschung von Erinnerung ist ihre Lokalisierung, das heißt die Untersuchung aus der Mikroperspektive.17 Die Relevanz historischer Ereignisse für das Selbstverständnis der Menschen und die Bedeutung ihrer Träger (Bild- und Schriftmedien, Denkmäler, mündliche Überlieferungen) kann nicht allein auf der Ebene nationaler Diskurse 13 Nora, Pierre: Between Memory and History: Les lieux de mémoire. In: Representations 26 (1989) 7–24, hier 7; ders.: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990 (Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek 16). 14 Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992; Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999. 15 François, Etienne/Schulze, Hagen (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 1–3, München 2001. 16 Allein in den Jahren 2007–2008 fanden folgende Tagungen statt: „Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Erfahrungen der Vergangenheit und Perspektiven“, „Erinnerungsorte in Nordosteuropa: national – transnational – europäisch?“, „Erinnerungsgeschichte, Erinnerungsorte, Erinnerungsschichten – Annäherungen an Osteuropa“, „Umkämpfte Vergangenheit: Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik in Ostmittel- und Südosteuropa“ sowie „Transnationale Erinnerungsorte: Nord- und südeuropäische Perspektiven“. 17 Vgl. die Publikationsserie zur Geschichte und Erinnerung im masurischen Dorf Groß Purden: Kardach, Magdalena/Pilecki, Janusz/Traba, Elżbieta: Purda 1900–2006. Portret wsi/ Groß Purden 1900–2006. Das Portrait eines Dorfes, Olsztyn 2008; Traba, Robert/Sakson, Andrzej: Przeszłość zapamiętana. Narracje z pogranicza. Materiały pomocnicze do analizy polsko-niemieckich stosunków narodowościowych na przykładzie warmińskiej wsi Purda Wielka, Olsztyn 2007.

Forschungsstand und Forschungsprobleme

5

untersucht werden. Erst die Dekonstruktion der Metaphern (nach Etienne François äquivalent zu „Erinnerungsorten“) im räumlich begrenzten Kontext unter Berücksichtigung verschiedener zeitlicher Schichten und paralleler (nicht zuletzt nationaler oder religiöser) Narrationen erlaubt weitergehende Schlussfolgerungen über die historische Entwicklung und Praxis von Erinnerungskulturen. Zu den wichtigsten Publikationen dieses Themenbereichs im Kontext Niederschlesiens zählen die Tagungsbände der Reihe „Spotkania Dolnośląskie“ (Niederschlesische Begegnungen), die von Joanna Nowosielska-Sobel und Grzegorz Strauchold an der Universität Breslau herausgegeben werden.18 Vor allem das Gebiet Schlesiens, genauer: Niederschlesiens, hat mittlerweile eine beachtliche Anzahl von Veröffentlichungen zu Erinnerung und Identitäten vorzuweisen, was nicht zuletzt auf ein dichtes Netz grenzüberschreitender Kooperationen zurückzuführen ist. Pionierarbeit leisteten in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts die von Zbigniew Mazur herausgegebenen Sammelbände oder die Ausstellungsprojekte und begleitenden Kataloge der Berliner „Gesellschaft für interregionalen Kulturaustausch“.19 Gesondert sollte auf den Konferenzband „Schlesische Erinnerungsorte“ hingewiesen werden, der auf anschauliche Weise verschiedene Ansätze und Themen, die auch für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sind, zusammengeführt hat.20 18 Nowosielska-Sobel, Joanna/Strauchold, Grzegorz/Kucharski, Wojciech (Hg.): Nazwa dokumentem przeszłości regionu. Tom poświęcony Wielkiemu Profesorowi Stanisławowi Rospondowi, Wrocław 2010 (Spotkania Dolnośląskie 5); Nowosielska-Sobel, Joanna/Strauchold, Grzegorz (Hg.): Piastowsko-komunistyczna satysfakcja? Obchody rocznic historycznych i świąt państwowych na Śląsku po II wojnie światowej, Wrocław 2008 (Spotkania Dolnośląskie 3); dies. (Hg.): Dolnoślązacy? Kształtowanie tożsamości mieszkańców Dolnego Śląska po II wojnie światowej, Wrocław 2007 (Spotkania Dolnośląskie 2); dies. (Hg.): Trudne dziedzictwo. Tradycje dawnych i obecnych mieszkańców Dolnego Śląska, Wrocław 2006 (Spotkania Dolnośląskie 1). 19 Mazur, Zbigniew (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego na Ziemiach Zachodnich i Północnych, Poznań 1997 (Ziemie zachodnie 18); ders. (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten, Wiesbaden 2003 (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund 34); Zybura, Marek: Der Umgang mit dem deutschen Kulturerbe in Schlesien nach 1945, Görlitz 2005 (Impressionen aus der Kulturlandschaft Schlesien 3); Bździach, Klaus (Hg.): „Wach auf, mein Herz, und denke“. Zur Geschichte der Beziehungen zwischen Schlesien und Berlin-Brandenburg von 1740 bis heute. „Przebudź się, serce moje, i pomyśl“. Przyczynek do historii stosunków między Śląskiem a Berlinem-Brandenburgią od 1740 roku do dziś, Berlin/Opole 1995; ders. (Hg.): Die imposante Landschaft. Künstler und Künstlerkolonien im Riesengebirge im 20. Jahrhundert. Wspaniały krajobraz. Artyści i kolonie artystyczne w Karkonoszach w XX wieku, Berlin/Jelenia Góra 1999; ders./Czerner, Olgierd/Herzig, Arno (Hg.): Das Tal der Schlösser und Gärten. Das Hirschberger Tal in Schlesien – ein gemeinsames Kulturerbe. Dolina Zamków i Ogrodów. Kotlina Jeleniogórska – wspólne dziedzictwo, Berlin/Jelenia Góra 2002. 20 Czapliński, Marek/Hahn, Hans Henning/Weger, Tobias (Hg.): Schlesische Erinnerungsorte. Gedächtnis und Identität einer mitteleuropäischen Region, Görlitz 2005.

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Einleitung

Diese Arbeit versteht sich nicht als theoretischer Beitrag zur Diskussion über die „Erinnerungsorte“ als solche, versucht aber, übergeordnete Phänomene wie Geschichtspolitik, Gedächtniskultur und Vergangenheitsvergegenwärtigung in ihrer regionalen Ausprägung zu analysieren, und soll den ‚verflochtenen‘ Charakter der Erinnerungskulturen stärker als in den bisherigen Veröffentlichungen herausarbeiten. Der regionale Fokus zieht „zwangsläufig“ eine transnationale Perspektive nach sich,21 die hier zudem bewusst als erkenntnisleitende Methode gewählt wurde. 2.3. Regionalforschung Einen Mangel an historischer Literatur zu Schlesien bzw. Niederschlesien kann man sicherlich nicht konstatieren.22 Als selbstverständlich könnte man mittlerweile bezeichnen, dass die deutsche und polnische Schlesienforschung (zumeist unter Hinzuziehung tschechischer Kollegen) sich seit einigen Jahren immer mehr annähern, was nicht zuletzt durch personelle Kontakte und institutionelle Verschränkungen gefördert wird. Besonders für die Bereiche der Geschichtswissenschaft und der Kulturwissenschaften (Literatur- und Sprachwissenschaft) kann im Großen und Ganzen von der Überwindung früherer politischer Barrieren gesprochen werden, was für die Disziplinen, aber auch für die öffentliche Wahrnehmung dieser Themen von Vorteil ist. Eine bedeutende Entwicklung der letzten Jahre ist die Hinwendung der Historiker zur regionalen Tourismusgeschichte, die sich in den Arbeiten von Tomasz Przerwa, Marcin Dziedzic, Jacek Dębicki oder Jacek Potocki niederschlägt.23 An21 Weber, Matthias: Über die Notwendigkeit einer Standortbestimmung der historischen Schlesienforschung in Deutschland. Zur Konzeption dieses Buches. In: ders./Rabe, Carsten (Hg.): Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. Geburtstag, Würzburg 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens 4), 13–26. 22 Wrzesiński, Wojciech (Hg.): Dolny Śląsk. Monografia historyczna, Wrocław 2006 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2880); Czapliński, Marek (Hg.): Historia Śląska, Wrocław 2002 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2364); Conrads, Norbert: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien, Berlin 1994; Bahlcke, Joachim (Hg.): Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft, Köln/Weimar/Wien 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 11); Weber/Rabe (Hg.): Silesiographia. 23 Przerwa, Tomasz: „Odkryli dla nas piękno gór“. Trzy sudeckie organizacje górskie 1881– 1945: Verband der Gebirgsvereine an der Eule, Waldenburger Gebirgsverband, Zobtengebirgsverein, Toruń 2003; ders.: Wędrówka po Sudetach. Szkice z historii turystyki śląskiej przed 1945 r., Wrocław 2005; Dziedzic, Marcin: Morawsko-Śląskie Sudeckie Towarzystwo Górskie 1881–1945. Próba charakterystyki, Wrocław 2006; ders.: Niemieckie Towarzystwo Gór Orlickich. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 60 (2005) 23–34; Dębicki, Jacek: Kulturowe aspekty sudeckich uzdrowisk obecnego regionu dolnośląskiego w XVII-XVIII wieku, Toruń 2005; ders.: Zagadnienie higieny zdrojowej w dolnośląskich i kłodzkich uzdro-

Methodischer Zugang und Quellenlage

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knüpfend an die reiche Tradition regionaler Forschungen von Geographen und Geographiehistorikern der Universität Breslau,24 hat die jüngere Generation polnischer Historiker einen eigenen Zugang zur schlesischen Tourismusgeschichte gefunden. Durch den Fokus auf sozial- und konkreter: organisationshistorische Fragestellungen (etwa Analyse der Tätigkeit von Gebirgsvereinen) sowie den zeitlichen Zuschnitt (bis 1945) können über die Detailanalyse hinausgehende Impulse für die regionalhistorische Forschung erwartet werden.25 Tatsächlich haben Arbeiten zur (klassisch begriffenen) Kulturgeschichte des Fremdenverkehrs in den Sudeten, speziell im Riesengebirge, eine längere Tradition. Das momentane Standardwerk zur ganzheitlichen Regionalbeschreibung stellt die Monographie des Geographen Marek Staffa von 1996 dar.26 Stärker wissenschaftlichen Lehrbuchcharakter besitzt das Sammelwerk „Karkonosze. Przyroda nieożywiona i człowiek“.27 Die außergewöhnlichste Studie zu diesem Thema wurde allerdings schon 1939 von Hans Poser vorgelegt.28 Seine „Geographischen Studien zum Fremdenverkehr im Riesengebirge“ gelten bis heute als Standardwerk der Anthropogeographie und als Pionierarbeit der Fremdenverkehrsgeographie.29

3.

Methodischer Zugang und Quellenlage

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Riesengebirgsregion. Der räumliche Fokus birgt vielerlei Chancen und Risiken. Naturräume haben eine eigene Geschichte vor der durch Menschen gemachten Geschichte; ein (Kultur)historiker muss sich jedoch mit den Geschichten, die in die Orte eingeschrieben sind, das heißt in materiellen Trägern aufbewahrt, von kulturellen Medien transportiert und nicht zuletzt von Menschen verinnerlicht und neu verwertet werden, auseinandersetzen.30 Eine Landschaft „zu lesen“, aber auch die Notwendigkeit, die nichtmate-

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wiskach sudeckich w XVII–XVIII w. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 55 (2000) 443–458; Potocki, Jacek: Rozwój zagospodarowania turystycznego Sudetów od połowy XIX wieku do II wojny światowej, Jelenia Góra 2004. Ruszczycka-Mizera, Marta: Dorobek naukowy w zakresie geografii regionalnej, http://www. zgrit.uni.wroc.pl/dorobekregionalnej.htm [Zugriff am 4.1.2009]. Hartwich, Mateusz J.: Tourismusgeschichte in Niederschlesien. Oder: Von den Deutschen lernen heißt Reisen lernen? In: Inter Finitimos. Jahrbuch zur deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte 5 (2007) 217–221. Staffa, Marek: Karkonosze, Wrocław 22006 [11996]; ders.: Riesengebirge, Wrocław 1997. Mierzejewski, Michał P. (Hg.): Karkonosze. Przyroda nieożywiona i człowiek, Wrocław 2005. Vgl. ferner Jahn, Alfred (Hg.): Karkonosze polskie, Wrocław u. a. 1985; Šmatlák, Josef/ Zykánová, Jitka (Hg.): Krkonoše – příroda, život, historie, Praha 2007. Poser, Hans: Geographische Studien zum Fremdenverkehr im Riesengebirge. Ein Beitrag zur geographischen Betrachtung des Fremdenverkehrs, Göttingen 1939. Kreisel: Geography of Leisure and Tourism Research, 165. Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, München u. a. 2003, 287f.

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Einleitung

riellen Träger einzubeziehen, gehören sicherlich zu den unabdingbaren Techniken bei einer solchen Auseinandersetzung. Die historische Entwicklung einer Region ist nach Matthias Weber eine „zwangsläufig transnationale“,31 womit der länderübergreifende Bezug der Arbeit fast schon begründet wäre. Dies gilt vielleicht umso mehr für eine Grenzregion mit wechselnden staatlichen Zugehörigkeiten, kulturellen und materiellen Schichten unterschiedlicher Herkunft sowie dem Transfer von Menschen und Ideen in ihrer Geschichte.32 Der Bruch bzw. die Brüche in der Geschichte der Riesengebirgsregion machen sie zudem zu einer ‚europäischen‘ per se, so dass diese Studie jenseits des regionalen Fokus auch einen Beitrag zum entstehenden europäischen Geschichtsbewusstsein darstellen soll.33 Neben einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen, die inhaltlich und methodisch zu Rate gezogen wurden, spielen zeitgenössische thematische Veröffentlichungen in der vorliegenden Untersuchung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Bücher und Artikel zum Tourismus und zur Lokalgeschichte aus den vierziger bis neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts sagen viel über die zeitgenössische Wahrnehmung dieser Themen aus. Daneben galt es herauszufinden, was nicht oder anders als erwartet gesagt wurde. Die anfängliche Erwartung, auffällige Auslassungen oder Umdeutungen in touristischen Publikationen aus dieser Zeit zu finden, hat sich in den allermeisten Fällen nicht erfüllt. In einzelnen Teilen der Arbeit wird auf ‚typisch touristische‘ Erzeugnisse wie Landkarten, Postkarten, Broschüren, Reiseführer usw. zurückgegriffen. Sie werden als charakteristische Zeugnisse ihrer Zeit identifiziert. Vor allem die Abschnitte zu den dreißiger bis fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts gewinnen dadurch viel an Anschaulichkeit. Quantitativ stellen diese Publikationen jedoch einen kleinen Ausschnitt aus dem gesamten Quellenmaterial dar, auch deshalb, weil auf eine dichte Analyse von Sprache, Abbildungen usw. in den meisten Fällen verzichtet wurde. Eine wesentliche Rolle spielt ferner das ikonographische Material. Für einzelne Aspekte wie die Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik ins Riesengebirge wurden jedoch wenig bis gar keine Bildquellen gefunden, so dass eine entsprechende durchgehende Schwer-

31 Weber: Über die Notwendigkeit, 16. 32 Hartwich, Mateusz J.: Wie schreibt man eine transnational orientierte Geschichte einer polnischen Provinz um 1956? In: Arndt, Agnes/Häberlen, Joachim C./Reinecke, Christiane (Hg.): Vergleichen, Verflechten, Verwirren? Europäische Geschichtsschreibung zwischen Theorie und Praxis, Göttingen 2011, 169–189, hier 171. Zur Grenzthematik vgl. François, Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hg.): Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M./New York 2007. 33 Hartwich: Wie schreibt man, 171 (mit weiteren Literaturhinweisen). Vgl. ferner Hartwich, Mateusz J.: Ausstellungs-Rezension zu: Europe – It’s Our History 01.05.2009–05.08.2009, Wrocław (Breslau), Polen. In: H-Soz-u-Kult, 25. Juli 2009, http://hsozkult.geschichte.huberlin.de/rezensionen/id=123&type=rezausstellungen [Zugriff am 5.9.2011].

Methodischer Zugang und Quellenlage

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punktsetzung nicht gewährleistet war. Auch wenn die Arbeit keine visual history des Tourismus im Riesengebirge beabsichtigt, nimmt die visuelle Seite der beschriebenen Aneignungsprozesse eine bedeutende Stellung innerhalb der Untersuchung ein.34 Das Gros der Quellen stellen ‚klassische‘ Originaldokumente verschiedener Institutionen dar. Dazu zählen Akten der lokalen Verwaltung, zentraler Stellen, regionaler Einrichtungen und Organisationen auf unterschiedlichen Ebenen. Dabei wird keine vollständige Repräsentativität oder Symmetrie etwa im Hinblick auf das Verhältnis „zentral – regional – lokal“ bzw. „deutsch – polnisch“ beansprucht. So war es für die Untersuchung der Probleme bei der Übernahme der Region durch polnische Neuankömmlinge nach dem Zweiten Weltkrieg unerlässlich, Akten der lokalen Verwaltung heranzuziehen, während übergeordnete Prozesse lediglich durch Verweise auf die vorhandene Forschungsliteratur angesprochen werden. Umgekehrt konnten Veränderungen der Tourismuspolitik in Polen nach 1954 nur durch eine Untersuchung zentraler Diskussionen dargestellt werden. In beiden Fällen erwies sich das Aktenstudium als in höchstem Maße spannend, was anfängliche Vorbehalte gegenüber offiziellen Dokumenten eines totalitären Systems zu überwinden half. Eine spezifische Quellengattung stellen zudem Dokumente der Staatssicherheitsdienste der Volksrepublik Polen und der DDR dar. Jenseits der bekannten Problematik bei der Verwendung dieser Quellen und deren Glaubwürdigkeit, nicht zuletzt des ethischen Aspekts, konnten sie Aufschlüsse über die zeitgenössische Wahrnehmung der beschriebenen Ereignisse durch die Behörden liefern. In geringerem Ausmaß als geplant wurden Interviews mit Zeitzeugen durchgeführt. In einem frühen Stadium der oral history-Forschung stellte sich heraus, dass das Erinnerte durch spätere Schichten (siebziger und achtziger Jahre) oder gar durch aktuelle Entwicklungen überlagert wurde. So wurde etwa deutlich, dass das Bild der Deutschen (bzw. der Polen) und die Stellung zum historischen Erbe größtenteils vom ‚Versöhnungsnarrativ‘ der neunziger Jahre dominiert wurde – unabhängig davon, ob die Befragten eine solche Stellung schon früher eingenommen hatten. Dennoch waren die zahlreich geführten Gespräche – sei es als bis zu zweistündige Interviews oder kurzer Austausch am Telefon – eine wertvolle Bereicherung und ein Korrektiv des gesammelten Materials. Eine chronologische Liste der Gespräche findet sich im Anhang. Für ihre Bereitschaft, mir bisweilen sehr persönliche Auskünfte zu geben, gebührt meinen Gesprächspartnern mein besonderer Dank. Die subjektive Perspektive der Zeitgenossen wurde durch Befragungen ergänzt, die während dreier für das Schlesische Museum durchgeführter Tagesexkursionen 34 Lübbren, Nina/Crouch, David (Hg.): Visual culture and tourism, Oxford/New York 2003; Pagenstecher, Cord: Der bundesdeutsche Tourismus. Ansätze zu einer Visual History: Urlaubsprospekte, Reiseführer, Fotoalben, 1950–1990, Hamburg 2003 (Studien zur Zeitgeschichte 34); Paul, Gerhard (Hg.): Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006.

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Einleitung

im April und September 2008 sowie im Februar 2009 vorgenommen wurden. Dabei wurde den Reiseteilnehmern, größtenteils Bewohnern der Region um Görlitz, ein Fragebogen ausgeteilt, den sie während der Hin- oder Rückreise ausfüllen sollten. So kamen Daten von 45 Personen zusammen, von denen einzelne im Rahmen eines Interviews genauer befragt wurden. Der Fragebogen umfasste folgende fünf Punkte: 1. Wann sind Sie das erste Mal nach Polen (Schlesien) gefahren? 2. Beschreiben Sie die Reise kurz (Datum, Reiseziel, Grund)! 3. Wie gestalteten sich die Kontakte mit Einheimischen? 4. Was ist Ihnen bei Ihrer ersten Reise besonders aufgefallen? 5. Wann fanden weitere Reisen statt und wie verliefen diese? Auf eine gesonderte Darstellung der Ergebnisse in der Arbeit wurde verzichtet, die Schlussfolgerungen wurden aber im Text berücksichtigt. Einen großen Wert für die vorliegende Studie stellten Arbeiten zur Erinnerungskultur und Sozialgeschichte der Vertriebenen in Westdeutschland dar, so dass auf eine gesonderte Quellenrecherche in diesem Punkt verzichtet wurde.35 Laufende und kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekte zu transfer- bzw. beziehungsgeschichtlichen Aspekten der westdeutsch-polnischen Nachbarschaft, insbesondere seit der so genannten neuen Ostpolitik, werden weitergehendere Aufschlüsse liefern als jene, die im Rahmen dieser Arbeit möglich gewesen wären.36 Hier wurde der Forschungsstand durch eine stichprobenartige Untersuchung des Schrifttums für die Riesengebirgsregion und Zeitzeugenbefragungen ergänzt.

4.

Begrifflichkeiten

Vor dem Hintergrund der multidisziplinären und transnationalen Herangehensweise sollte die Verwendung bestimmter Begriffe von vornherein erklärt werden. Hierbei wird ausschließlich auf die deutsche Terminologie eingegangen, da die vorliegende Arbeit in dieser Sprache verfasst wurde und alle Nuancen auf den deutschen Wissenschaftsdiskurs bezogen sind. Unter „Tourismus“ ist in dieser Arbeit eine möglichst breite Auslegung des Terminus zu verstehen, die assoziierte Begriffe wie Fremdenverkehr, Freizeitreise, Besuchsreise, Ausflug usw. mit einschließt. Unter diesem Sammelbegriff werden auch die damit zusammenhängenden Aspekte wie Transportwesen, Infrastrukturausbau, Reklametätigkeit, Versorgung mit Lebensmitteln und nicht zuletzt die Fortbewegung zu Erholungszwecken verstanden. Bei Bedarf wird im Text selbst auf das zeit35 Vgl. Kapitel V in diesem Buch. 36 Vgl. vor allem Frieberg, Annika: The project of reconciliation. Journalists and religious activists in Polish-German relations, 1956–1972 [unveröffentl. Diss., 2008]. Den touristischen Aspekt der deutsch-polnischen Kontakte analysierte unlängst Geise, Piotr: Relacje z podróży na wschód od Odry – przegląd literatury okresu przedprzewodnikowego [unveröffentl. Diss., 2009]. Vgl. ferner Dybiec, Joanna: Guidebook Gazes. Poland in American and German Travel Guides 1945–2002, Münster 2004 (Reiseliteratur und Kulturanthropologie 5).

Begrifflichkeiten

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genössische Verständnis dieses Begriffs eingegangen, vor allem dann, wenn divergierende oder bemerkenswerte Interpretationen zu Tage treten. Die Diskussion um die Unterscheidung zwischen „Touristen“ und „Reisenden“, die den modernen Massentourismus seit seinen Anfängen begleitet und oft normativ aufgeladen ist, wird zur Kenntnis genommen.37 Ihre praktische Relevanz für die vorliegende Studie ist allerdings gering. Als „Aneignung“ gilt im hier verwendeten, auf die soziokulturellen Folgen des Bevölkerungsaustausches zugeschnittenen Sinn „ein Prozess im Rahmen des Kulturwandels [...], innerhalb dessen die Adaption der heterogenen Bevölkerung an ihren neuen Wohnort erfolgte. Dabei konnte sie das angetroffene materielle und immaterielle Kulturgut ablehnen oder es annehmen beziehungsweise entsprechend modifizieren oder umkodieren, so dass es in die eigene Kultur integriert werden konnte.“38 In der vorliegenden Arbeit werden im erweiterten Verständnis des Begriffs synonym die Wörter „Sesshaft-“ bzw. „Heimischwerdung“, „Inbesitznahme“ und „Übernahme“ verwendet. Wichtig ist ferner die Feststellung, dass jener Prozess nicht einfach das Sich-zurecht-Finden in der neuen Umgebung bedeutete, sondern auch ihre Umgestaltung anhand eigener Muster. Wenn im Weiteren vom Riesengebirge gesprochen wird, ist damit nicht primär der geographisch definierte Raum zwischen Neuweltpass als westliche Grenze zum Isergebirge und Liebauer Tor im Osten gemeint, sondern eine regionale Konstruktion, die das Hirschberger Tal, besonders die Stadt Hirschberg selbst, mit einschließt. Im Übrigen wird dafür der Begriff „Riesengebirgsregion“ verwendet. Die selbständige geographische Einheit Isergebirge ist dabei bis auf einige östliche Ausläufer rund um Szklarska Poręba (Schreiberhau), die in der vorliegenden Untersuchung punktuell von Relevanz sind, nicht eingeschlossen. Von Fall zu Fall wird jedoch auf andere Verwendungen des Begriffs „Riesengebirge“ verwiesen, zum Beispiel im zeitgenössischen Schrifttum. Auch wenn man über das Riesengebirge nicht einseitig, das heißt den Zusammenhang zwischen nördlichem (schlesischem) und südlichem (böhmischem) Teil außer Acht lassend, schreiben kann, konzentriert sich die vorliegende Studie vordergründig auf den schlesischen Teil der Region. Dies geschieht nicht zuletzt aufgrund praktischer Erwägungen (Sprachkenntnisse, Arbeitsökonomie und Forschungsstand). Im Bewusstsein des künstlichen Charakters dieser Trennung werden jedoch wiederholt Bezüge zwischen beiden Teilen angesprochen und in der Argumentation berücksichtigt. Die Verwendung der Bezeichnungen „schlesisches“ bzw. „böhmisches“ Riesengebirge geschieht bewusst in

37 Spode: Reiseweltmeister, 11; ders.: Tourism Research and Tourism Theory in the German Speaking Countries of Central Europe [unveröffentl. Aufsatz, 2009]; Podemski: Socjologia podróży, 10. 38 Musekamp, Jan: Zwischen Stettin und Szczecin. Metamorphosen einer Stadt zwischen 1945 und 2005, Wiesbaden 2010 (Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt 27), 14 [zit. nach der Manuskriptfassung].

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Einleitung

Abgrenzung zu politisch motivierten Benennungen wie „preußisches“, „deutsches“ bzw. „polnisches“ Riesengebirge und „österreichisches“, „tschechisches“ bzw. „tschechoslowakisches“ Riesengebirge. Ein zentraler Begriff für die vorliegende Untersuchung ist „Landschaft“. In den Geisteswissenschaften erlebte er in den letzten Jahren eine Wiederentdeckung.39 Im Zuge des viel zitierten spatial turn der Geschichtswissenschaft, der „räumlichen Wende“, wird nach gängiger Meinung der Blick auf räumliche Komponenten historischer Vorgänge und ihrer wissenschaftlichen Interpretation wieder geschärft – unter kultur- und sozialhistorischen Gesichtspunkten. Dadurch erfahren einige methodische Ansätze aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine erneute Aufwertung, was etwa angesichts der späteren Instrumentalisierung der Kulturraumdiskurse einerseits nicht unproblematisch ist.40 Andererseits verspricht die so genannte Landschafts- oder auch Umweltgeschichte neue Möglichkeiten einer komplexen historiographischen Verknüpfung räumlicher und zeitlicher Komponenten, die schon die Begründer der Annales-Schule unter dem Terminus „Totalgeschichte“ (histoire totale) im Blick hatten.41 Nicht zuletzt jedoch hat eine aktuelle Entwicklung jenseits des rein wissenschaftlichen Bereichs zur Wiederentdeckung der Landschaft geführt: die spätestens seit den achtziger Jahren intensive Debatte um eine „nachhaltige Entwicklung“ und um Regionen.42 Dabei können wirtschaftsgeographische Ansätze, die zuvor in der Erforschung touristischer Räume dominierten, und sozialwissenschaftlich-kulturelle Fragestellungen in einen konstruktiven Austausch treten. In diesem Sinn hat vor allem die deutsche und US-amerikanische Geschichtswissenschaft frühe Konzeptionen zum Landschafts-, Heimat- und Naturschutz als Vorläufer dieses

39 Hartwich, Mateusz J.: Rezension zu: Blackbourn, David; Retallack, James (Hrsg.): Localism, Landscape, and the Ambiguities of Place. German-Speaking Central Europe, 1860–1930. Toronto 2007. In: H-Soz-u-Kult, 29. November 2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin. de/rezensionen/2008–4–187 [Zugriff am 13.6.2011]; Schlögel: Im Raume; ders.: Kartenlesen. Oder: die Wiederkehr des Raumes, Zürich 2003. 40 Lehmkuhl, Ursula: Historicizing Nature: Time and Space in German and American Environmental History. In: dies./Wellenreuther, Hermann (Hg.): Historians and Nature. Comparative Approaches to Environmental History, Oxford u. a. 2007 (Krefeld Historical Symposia 2), 17–44. 41 Fischer, Norbert: Der neue Blick auf die Landschaft. Die Geschichte der Landschaft im Schnittpunkt von Sozial-, Geistes- und Umweltgeschichte. In: Archiv für Sozialgeschichte 36 (1996) 434–442. 42 Kreisel, Werner: Geography of Leisure and Tourism Research in the German-speaking World: Three Pillars to Progress. In: Tourism Geographies. An International Journal of Tourism Space, Place and Environment 6 (2004) 163–185, hier 171–176. Musekamp, Jan: Szczecin’s Identity after 1989: A Local Turn. In: Czaplicka, John J./Gelazis, Nida/Ruble, Blair A. (Hg.): Cities after the Fall of Communism. Reshaping Cultural Landscapes and European Identity, Baltimore/Washington 2009, 305–334, spricht in diesem Kontext sogar von einem local turn.

Begrifflichkeiten

13

ganzheitlichen Denkens ins Licht der Forschung gerückt. Für einen Kulturwissenschaftler bietet der Aspekt der kulturellen Konstruiertheit von Landschaft und ihrer Wahrnehmung43 somit ein höchst interessantes Untersuchungsfeld – trotz aller problematischen Aspekte wie methodischer Unschärfe oder divergierender Verwendung in relevanten Disziplinen. In der Forschungspraxis stehen aber dem bahnbrechenden Werk Simon Schamas bisher keine Konzeptualisierungsversuche gegenüber.44 Es soll nicht Gegenstand dieser Studie sein, auf die historische und politische Komplexität der übergeordneten geographischen und administrativen Einheiten „Schlesien“ (poln. Śląsk, tsch. Slezsko), „Ostdeutschland“ bzw. „Ostgebiete“ und „Wiedergewonnene Gebiete“ bzw. „West- und Nordgebiete“ im Detail einzugehen. Das „schlesische Riesengebirge“ liegt im südwestlichen Teil „Schlesiens“, in der heutigen Wojewodschaft Niederschlesien (Województwo Dolnośląskie), die im Großen und Ganzen mit den früheren preußischen Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz identisch ist. Das Ziel dieser Studie ist somit ausdrücklich nicht die Erörterung oder gar Begründung irgendwelcher politischen oder historischen Ansprüche, die ohnehin schon historisch sind. Und lediglich in diesem Kontext werden sie thematisiert. Damit hängt auch die Sprachfrage zusammen. Bei der Verwendung der Ortsnamen gilt: Im Abschnitt, der Ereignisse vor 1945 beschreibt, werden nur die deutschen Bezeichnungen genannt. Da die Jahre nach 1945 eindeutig den zeitlichen Schwerpunkt der Untersuchung darstellen, werden in diesem Kontext die polnischen Namen verwendet – mit den deutschen in Klammern. Dies geschieht nicht zuletzt aufgrund der inhaltlichen Auseinandersetzung mit wechselnden Ortsnamen, insbesondere in den Kapiteln III und V. Die Nutzung polnischer bzw. deutscher Namen spielte eine zentrale Rolle bei der „Aneignung“ der Landschaft respektive der Entfremdung von ihr. Vor diesem Hintergrund würde die konsequente Verwendung deutscher Ortsnamen, was der Leser möglicherweise gewohnt ist, den historischen Kontext nicht entsprechend wiedergeben. Die topographischen Bezeichnungen (Schneekoppe, Bober usw.) tauchen im Fließtext dafür stets in deutscher Version auf.

43 „No landscape is a natural landscape, no matter how original, national or exotic it may appear. There is always a cultural narration – writing and reading – involved.“ Jokinen, Eeva/ Veijola, Soile: Mountains and landscapes. Towards embodied visualities. In: Lübbren/ Crouch: Visual culture, 259–278. 44 Schama, Simon: Landscape and memory, New York 1995; ders.: Der Traum von der Wildnis. Natur als Imagination, Berlin 1996. Vgl. ferner Schlögel: Im Raume, 284.

14

5.

Einleitung

Ziele

Der historiographische Beitrag dieser Studie besteht darin, neuere Ansätze aus der Landschaftsgeschichte mit den Erkenntnissen der interdisziplinären Forschung zu kollektiver Erinnerung und Identität zu verbinden. Dabei soll es darum gehen, die Rolle der Wahrnehmung und Nutzung der Riesengebirgslandschaft durch die Einwohner bei der Auseinandersetzung mit den lokalen Eigenarten und divergierenden Geschichtsnarrationen zu untersuchen. Damit allein mag aus methodischer Sicht noch kein Neuland betreten werden, dennoch fehlt es bislang an empirischen Studien zu diesem Zusammenhang. Für die Zeitgeschichte kann eine genaue Untersuchung gesellschaftlichen Wandels in Polen zwischen 1955 und 1970 neue Aufschlüsse über parallele Prozesse in anderen Ostblockländern liefern. Die Darstellung der Verflechtungsgeschichte Polen-DDR-BRD mit gelegentlicher Einbeziehung der Tschechoslowakei leistet zudem einen Beitrag zur Erforschung transnationaler Kontakte im Kalten Krieg.45 Die Tourismusforschung kann von einer detaillierten Lokalstudie über mehrere politische und gesellschaftliche Brüche hinweg profitieren. Die historische Dimension des Fremdenverkehrs ist bisher im Kontext vergleichsweise gleich bleibender Rahmenbedingungen dargestellt worden. Im Fall des „Kraft durch Freude“-Tourismus gehen die Forscher mittlerweile von weitgehenden strukturellen Kontinuitäten für die Zeit vor 1933 und nach 1945/49 aus. Ähnliches möchte die vorliegende Studie leisten. Die Darstellung der Kontinuitäten und Brüche nach dem Bevölkerungsaustausch im Riesengebirge kann ferner einen wichtigen Beitrag zur tourismuswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Umgang mit fremdem Kulturerbe leisten. Abschließend soll der Transferaspekt dieser Studie hervorgehoben werden. Aus methodischer Sicht werden durch diese Untersuchung Fragestellungen und Instrumente aus anderen (nationalen, disziplinären) Forschungskontexten auf die Volksrepublik Polen übertragen, die von polnischen Zeithistorikern bisher weitgehend ignoriert wurden.46 Dadurch und durch die Zuhilfenahme deutsch- und englischsprachiger Literatur wird gewissermaßen ein Außenblick auf die polnische Binnenentwicklung geworfen. Die Analyse transnationaler Bezüge einer polnischen Region sowohl vor 1945 als auch in den Jahren der Volksrepublik könnte die Art und

45 Borodziej, Włodzimierz/Kochanowski, Jerzy/Puttkammer, Joachim von (Hg.): Schleichwege. Inoffizielle Begegnungen und Kontakte sozialistischer Staatsbürger 1956–1989, Köln u. a. 2010; Weber, Pierre-Frédéric: Le triangle RFA-RDA-Pologne (1961–1975). Guerre froide et normalisation des rapports germano-polonais, Paris 2007; ders.: RFN-NRD-PRL (1950– 1972). Normalizacja polsko-niemiecka jako „ménage à trois“. In: Przegląd Zachodni 65 (2009) 147–161. 46 Vgl. Brzechczyn, Krzysztof (Hg.): Obrazy PRL. O konceptualizacji realnego socjalizmu w Polsce, Poznań 2008.

Ziele

15

Weise, wie polnische Geschichte geschrieben wird, bereichern.47 Andererseits kann es für die deutsche Öffentlichkeit von Interesse sein, nicht nur Genaueres über die Entwicklungen in den früheren deutschen Ostgebieten nach 1945 zu erfahren, sondern auch die grenzüberschreitenden Wechselwirkungen in diesem Teil Europas in den Blick zu nehmen. Trotz wiederholter Plädoyers für eine transnationale Verflechtungsgeschichte Deutschlands mit seinen östlichen Nachbarn blieben entsprechende Untersuchungen selten.48 Diese Arbeit versteht sich somit als ein weiterer Beitrag zur Debatte um eine europäische Geschichte, die die Grenzen der nationalen Narration(en) überwindet. Dazu eignet sich Schlesien als Region im Herzen Europas ganz besonders.

47 Hartwich: Wie schreibt man. 48 Ther, Philipp: Deutsche Geschichte als transnationale Geschichte: Überlegungen zu einer Histoire Croisée Deutschlands und Ostmitteleuropas. In: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 13 (2003) 155–180.

II. Die Riesengebirgsregion vor 1945 Den eigentlichen zeitlichen Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Um die komplexe Kulturlandschaft, die von den polnischen Neusiedlern 1945 vorgefunden wurde, besser verstehen zu können, wird in diesem Kapitel eine Kulturgeschichte der Riesengebirgsregion skizziert. Der Fokus liegt dabei gezielt auf Fragen der infrastrukturellen und medialen Erschließung des Gebiets, die in der Entwicklung des Fremdenverkehrs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gipfelt, sowie auf den Bewohnern der Region als Akteuren.

1.

Kulturelle Zeugnisse von der Erschließung der Region bis 1700

Als historische Akteure traten die Bewohner relativ spät in Erscheinung. Bis in die Frühe Neuzeit liegen uns über das Riesengebirge allenfalls Fremdzeugnisse vor. Belegbare Spuren einer keltischen Besiedlung oder einer urslawischen Bevölkerung vor dem Hochmittelalter fehlen; erst für das 10. und 11. Jahrhundert sei von einer Erschließung auszugehen, behauptet der Regionalforscher Marek Staffa.1 Da Gebirgsgegenden bis in die Zeit der Aufklärung hinein als ,unwirtlich‘ galten, hing diese erste Penetration nicht mit einer Besiedlung zusammen, sondern mit der Abgrenzung von Einflusssphären des entstehenden Piastenstaates im Norden und Böhmens im Süden. Eine Reihe von Burgfestungen (Kynast, Tzoscha, das Bolzenschloss als wohl älteste Anlage) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts sind bis heute bauliche Zeugnisse dieser Grenzlage. Aufgrund der natürlichen Trennung verlief auch die Besiedlung auf beiden Seiten des Gebirges unterschiedlich, während überregionale Handelswege sie miteinander verbanden.2 Vom Ende des 13. Jahrhunderts stammen erste schriftliche Zeugnisse von der infrastrukturellen Entwicklung des Vorgebirges. Die Stadt Hirschberg wurde 1288 erstmals urkundlich erwähnt, was auf eine frühere Gründung schließen lässt.3 Im Jahr 1281 übergab Herzog Bernhard von Löwenberg den Johannitern aus Striegau die Pflege der damals schon bekannten Heilquellen in Bad Warmbrunn.4 Diese beiden Orte stellten in der Folgezeit die wichtigsten Zentren der regionalen Entwicklung dar. In den Gebirgslagen verlief die Besiedlung langsamer, auch wenn im 1 2 3

4

Staffa: Karkonosze, 40; ders.: Historia poznania Karkonoszy oraz rozwój osadnictwa. In: Mierzejewski (Hg.): Karkonosze, 23–50, hier 23. Ebd. In der polnischen Tradition wird auf die legendäre Gründung durch den Piastenherzog Boleslaw III. Schiefmund (Krzywousty) im Jahr 1108 verwiesen, weshalb auch die Stadt Jelenia Góra (Hirschberg) 2008 ihr 900-jähriges Bestehen feierte. Zu den 840- und 850-Jahrfeiern vgl. Kapitel III.8 und IV.4. Später oblag diese Aufgabe den Zisterziensern aus Grüssau.

Kulturelle Zeugnisse von der Erschließung der Region bis 1700

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Bereich der späteren Ortschaft Schreiberhau bereits im Spätmittelalter „wandernde Glashütten“ anzutreffen waren. Die Suche nach Bodenschätzen im Gebirge führte vom 14. bis 17. Jahrhundert zu einer regen Penetration durch eingewanderte Bergleute und Schatzsucher. Diese als „Walen“ bekannte, vermutlich aus dem norditalienischen und mitteldeutschen Raum eingewanderte, heterogene Gruppe hinterließ Spuren der Erschließung: physisch in Form von so genannten Walensteinen mit rätselhaften Inschriften5 und medial in Gestalt der Walenbücher, die erste überlieferte Regionalbeschreibungen darstellten.6 Schließlich soll die RübezahlSage auf die Walen zurückgehen, was die Gruppe in diesem Kontext besonders bemerkenswert macht.7 Mit dem Übergang Schlesiens (hier: des Herzogtums Schweidnitz-Jauer) an die Böhmische Krone rückte das bis dahin periphere Gebirge geographisch in die Mitte des böhmischen Länderverbands. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts kam es dann wiederholt zu bekundeten Erforschungsreisen: So bestieg der Rektor einer Lateinschule in Hirschberg bereits in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts mit einer größeren Gruppe Studenten die Schneekoppe8 und aus dem Jahr 1561 stammt die berühmte Schlesien-Karte Martin Helwigs, auf der die Schneekoppe und die erste Rübezahldarstellung verzeichnet sind.9 Außerdem sind verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen des Stadtarztes von Bad Warmbrunn und Botanikpioniers Caspar Schwenckfeld zu nennen, dem auch der erste Proto-Reiseführer über das Riesengebirge zu verdanken ist.10 Warmbrunn prägte als überregional bekannter Kurort die Wahrnehmung des Raumes. Die größtenteils adeligen Badegäste begannen schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts nachweislich, die nähere Umgebung zu erkunden, was durch das erste Gästebuch der Kynastburg belegt

5 So hat der bekannte Bergführer Tadeusz Steć auf Grundlage deutscher Studien versucht, die Walenschrift zu rekonstruieren. Bis heute soll es Amateurschatzsucher geben, die anhand der restlichen Steinzeichen der mittelalterlichen Bergleute nach versteckten Edelmetallen suchen. Vgl. Staffa: Karkonosze, 46. 6 Vgl. Wiater, Przemysław: Walonowie u Ducha Gór. Podziemne skarby Karkonoszy i Gór Izerskich, Jelenia Góra 2010. 7 Ders.: Karkonoski Duch Gór. Zarys dziejów, http://www.muzeumkarkonoskie.pbox.pl/pliki/ karkonoski_duch_gor.pdf [Zugriff am 21.12.2007]; Biały, Lucyna: Duch Gór – Rübezahl. Geneza i upowszechnienie legendy, Jelenia Góra 2007. Vgl. hierzu auch die folgenden Passagen zur Nationalisierung des Berggeistes in diesem Band und den thematischen Exkurs in Kapitel III.5. 8 Michniewicz, Zbisław: Szkic dziejów turystyki śląskiej w Karkonoszach. In: Rocznik Wrocławski 3/4 (1959/60) 372–392, hier 373. 9 Spata, Manfred: Die Schlesien-Karte von Martin Helwig aus dem Jahre 1561. In: Schlesien 38 (1993) 129–138; Lindner, Klaus (Hg.): Zwischen Oder und Riesengebirge. Schlesische Karten aus fünf Jahrhunderten. Katalog der Ausstellung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1987. 10 Dębicki: Kulturowe aspekty.

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Die Riesengebirgsregion vor 1945

ist.11 Der verheerende Brand von 1675 schmälerte dabei offensichtlich nicht die Attraktivität der Burganlage.12 In polnischen Publikationen werden auch gerne Besuche prominenter Vertreter der alten polnisch-litauischen Adelsrepublik im Kurort erwähnt, so etwa im Jahr 1687 von Maria Sobieska, der Frau des damaligen polnischen Königs Johann III. Sobieski.13 Aus kulturhistorischer Sicht lässt sich einerseits ergänzen, dass die immer zahlreicheren schriftlichen Zeugnisse die Tendenz zur Selbstdarstellung in den gehobenen Schichten der Frühen Neuzeit reflektieren.14 Diese Reisebeschreibungen spiegeln dabei ausschließlich die Fremdsicht auf die Riesengebirgsregion und ihre Anwohner wider. Andererseits belegen sie, dass das Riesengebirge Ende des 17. Jahrhunderts infrastrukturell und medial bereits gut erschlossen war. Noch begrenzte sich das Wissen auf die Orte im Vorgebirge und bekannte Routen in der Umgebung (vor allem Kynast). Die mentale Kartierung der Landschaft nahm aber langsam Gestalt an.

2.

Der regionale Strukturwandel vom 17. bis 19. Jahrhundert

Zur selben Zeit, als das Riesengebirge in Reisebeschreibungen immer mehr Eingang fand, begann in der Region ein Strukturwandel, der bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Antlitz der Landschaft umfassend verändern sollte. Ihre Bewirtschaftung begrenzte sich lange Zeit auf den Bergbau und die primitive Glasproduktion, während im Sudetenvorland neben der traditionellen Landwirtschaft kleinteilige Textilmanufakturen eine immer bedeutendere Rolle in der Erwerbstätigkeit der Bevölkerung spielten. Von Hirschberg und Landeshut aus gelangten die Erzeugnisse auf überregionale Märkte nach Breslau, Leipzig, Frankfurt an der Oder und Danzig.15 Einen historischen Bruch stellte, ähnlich wie im übrigen Mitteleuropa, der Dreißigjährige Krieg dar. Er brachte nicht nur große Verwüstungen mit sich, die die regionale Wirtschaftsentwicklung um Jahrzehnte zurückwarfen. Die Religionskriege im 17. Jahrhundert hatten auch für die Erschließung der Landschaft nachhaltige Folgen. So führten einerseits Flüchtlingsströme aus Norden und Süden zu einer zeitweiligen Besiedlung der Gebirgslagen, wo Menschen Schutz vor den Hee-

11 Szczepański, Edmund: Wpływ turystyki na życie gospodarcze w powiecie jeleniogórskim od połowy XIX wieku [unveröffentl. Diss., 1982]. 12 Staffa: Karkonosze, 120. 13 Kincel, Ryszard: Sarmaci na Śnieżce, Wrocław u. a. 1973, 164f. 14 Greyerz, Kaspar von: Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500–1800), Köln u. a. 2011 (Selbstzeugnisse der Neuzeit 9). 15 Wąs, Gabriela: Dzieje Śląska od 1526 do 1806 roku. In: Czapliński (Hg.): Historia Śląska, 117–248, hier 185f.

Der regionale Strukturwandel vom 17. bis 19. Jahrhundert

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Abb. 1: Postkarte „Koppenkapelle“, um 1928, nach einem Stich von Ernst W. Knippel (um 1850). Die Laurentiuskapelle auf dem Gipfel der Schneekoppe wurde im Lauf des 18. Jahrhunderts zum populären Ausflugsziel. Die Wanderer wurden unter anderem von Trompetenspielern ,unterhalten‘.

ren suchten;16 andererseits siedelten böhmische Exulanten im schlesischen Teil des Riesengebirges, was einen bedeutenden Wissenstransfer nach sich zog.17 Dieser Gruppe ist ein technologischer Entwicklungsschub im Glasmacherhandwerk zu verdanken. Zudem entwickelten böhmische Flüchtlinge als so genannte Laboranten in der Gegend um Krummhübel ihre Kräutermedizin, was später zur Entstehung des bekannten Kräuterlikörs „Echt Stonsdorfer“, der 1810 von Christian Gottlieb Koerner in Stonsdorf entwickelt wurde, führte.18 Die Gebirgslagen wurden um die Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend für die Almenwirtschaft benutzt.19 Schafzucht wurde dank des florierenden Wollehandels zu einer lohnenswerten Beschäftigung für die Riesengebirgsbewohner,20 die nun erste Schutzhütten und Heulager errichteten. Daraus entwickelten sich die bekanntesten Bauden wie die Wiesenbaude, die Schlingelbaude oder die Da16 Vgl. Bahlcke, Joachim (Hg.): Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa, Berlin/Münster 2008 (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 4). 17 Staffa: Historia poznania Karkonoszy, 25. 18 Seit 1945 wird dieser Kräuterlikör unter traditionellem Namen nahe Hamburg produziert. Vgl. Staffa: Karkonosze, 187. 19 Herzig, Arno: Das Riesengebirge. Kultur und Geschichte bis 1945. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 19–28, hier 19–21. 20 Wąs: Dzieje Śląska, 185.

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Die Riesengebirgsregion vor 1945

nielbaude (Samuelsbaude) – aufgrund geographischer Begebenheiten entstand die Mehrzahl von ihnen auf der Südseite des Riesengebirges.21 Die Bauden wurden dann zu ersten Anlaufstationen für die immer zahlreicheren Wanderer. Ein weiterer Grund für die steigenden Besucherzahlen war die 1681 auf dem Gipfel der Schneekoppe entstandene St. Laurentiuskapelle.22 Bei der Errichtung der Kapelle handelte es sich ursprünglich um den Versuch, den Einflussbereich der Familie Schaffgotsch aus dem schlesischen Teil des Riesengebirges gegenüber der Adelsfamilie Harrach im böhmischen Teil abzugrenzen.23 Aufgrund ihrer Funktion als ‚Publikumsmagnet‘, der zur jährlichen Patronatsfeier am 10. August bis zu mehrere hundert Besucher anzog, wird das Jahr der Einweihung von vielen Autoren als der Beginn der Tourismusgeschichte in dieser Region angesehen.24 Aus dem Jahr 1696 stammen die ersten Eintragungen von Wanderern im so genannten Koppenbuch, das in der späteren Hampelbaude am Wanderweg zur Schneekoppe ausgelegt wurde.25 Die Entstehungsgeschichte der für die Sudeten so charakteristischen Bauden – die Entwicklung aus landwirtschaftlichen Zweckbauten – erklärt auch, warum die Erschließung der Gebirgsgegenden für den Fremdenverkehr ein ‚hausgemachtes‘ Phänomen war. Erst mit dem Beginn des wilhelminischen Massentourismus26 strömte mehr ortsfremdes Kapital ins Riesengebirge, namentlich von Berliner und Breslauer Investoren und Sommerhausbesitzern.27 Die meisten Bauden im Gebirge waren bis 1945 Eigentum ansässiger Familien, wie etwa der Pohl, die bis zur Ver21 Staffa: Historia poznania Karkonoszy, 105. 22 Zur Geschichte der Kapelle vgl. Kozłowski, Tomasz: Na wysokiej górze postawiona – historia kaplicy na Śnieżce. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 6/1 (2009) 31–33. 23 Zu den Schaffgotsch vgl. Bahlcke, Joachim/Schmilewski, Ulrich/Wünsch, Thomas (Hg.): Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne, Würzburg 2010. Vgl. ferner Harasimowicz, Jan/ Weber, Matthias (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 1: Herrschaft – Kultur – Selbstdarstellung, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 36); Bahlcke, Joachim/Mrozowicz, Wojciech (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 2: Repertorium. Forschungsperspektiven – Quellenkunde – Bibliographie, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 37); Kuzio-Podrucki, Arkadiusz: Das Haus Schaffgotsch. Das wechselvolle Schicksal einer schlesischen Adelsdynastie, Tarnowskie Góry 2009. 24 Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 13; Staffa: Karkonosze, 107. Die sakrale Funktion erfüllte die Laurentiuskapelle, die den Zisterziensern in Grüssau unterstand, bis zur allgemeinen Säkularisierung kirchlicher Güter in Preußen 1810. Nach einer zeitweiligen Nutzung als erste touristische Unterkunft auf dem Gipfel diente die Kapelle seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erneut kirchlichen Zwecken. 25 Die ältesten Koppenbücher waren die Grundlage für Ryszard Kincels Publikationen zur frühen Riesengebirgstouristik. Kincel: Sarmaci na Śnieżce. 26 Diese Begrifflichkeit verwendet auch Szczepański: Wpływ turystyki, 11. 27 Ebd., 128, 208. Zu den Alpenregionen vgl. Merki, Christoph Maria: Eine außergewöhnliche Landschaft als Kapital. Destinationsmanagement im 19. Jahrhundert am Beispiel von Zer-

Der regionale Strukturwandel vom 17. bis 19. Jahrhundert

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treibung im Besitz der beiden Bauden auf dem Gipfel der Schneekoppe waren und im Volksmund „Koppen-Pohls“ genannt wurden.28 Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich aus den Gebirgsbauden, die neben ihrer traditionellen Funktion auch Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer anboten, spezielle Touristenunterkünfte. Aus dem Jahr 1837 stammt dann die erste Gebirgshütte im schlesischen Riesengebirge, die speziell für Zwecke des Fremdenverkehrs errichtet wurde: die Schneegrubenbaude,29 während auf der böhmischen Seite die Elbfallbaude bereits 1830 errichtet worden war.30 Die lokale Bevölkerung stellte sich im Lauf des 18. Jahrhunderts auf den Fremdenverkehr ein. Aus Bauern und Viehhirten wurden immer häufiger Bergführer und Träger, während um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Anzahl gedruckter Reiseführer zunahm.31 Die frühzeitige Professionalisierung und Kommerzialisierung macht die Tourismusgeschichte des Riesengebirges oder gar der westlichen Sudeten insgesamt besonders bemerkenswert.32 Mit den preußischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts fielen auch die restlichen juristischen Schranken für eine entsprechende gewerbliche Entwicklung. Europas erster „GebirgsFührer und Stuhlträger“-Verband wurde durch königliches Edikt 1817 gegründet und bereits 1813 war Franz Pabel vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. für die gemeinsame Besteigung der Großen Heuscheuer (919 Meter) im Heuscheuergebirge zum offiziellen Fremdenführer ernannt worden.33 Die Herausbildung dieser Erwerbszweige hing nicht zuletzt mit der wirtschaftlichen Transformation der Region in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen. Der langsame Niedergang traditioneller Textilmanufakturen hatte schon nach der Annexion Schlesiens durch Preußen 1740 und dem Verlust bisheriger Absatzmärkte begonnen, was durch die britische Kontinentalsperre zusätzlich verstärkt wurde. Den ‚Todesstoß‘ versetzte der Textilproduktion in den Sudeten die Industrialisierung, die den technologischen Vorsprung englischer Spinnereien uneinholbar machte. Dass dieser Strukturwandel im Riesengebirge nicht von solchen

28 29 30 31 32

33

natt. In: Busset, Thomas (Hg.): Tourisme et changements culturels. Tourismus und kultureller Wandel, Zürich 2004 (Histoire des Alpes 9), 181–202, hier 186–188. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Lotte Nowak. Szczepański: Wpływ turystyki, 45. Staffa: Historia poznania Karkonoszy, 35. Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 22. Szczepański: Wpływ turystyki, 11, 45f.; Bobowski, Kazimierz: Schlesien als Reiseziel der Berliner und Brandenburger. In: Bździach (Hg.): „Wach auf, mein Herz, und denke“, 113– 123, hier 116f. Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 128; Iwanek, Marian: Riesengebirgsverein (Towarzystwo Karkonoskie) i jego rola w rozwoju turystyki i kształtowaniu kultury wśród mieszkańców Sudetów Zachodnich. In: Jaworski, Tomasz (Hg.): Kultura krajobrazu Europy Środkowej, Zielona Góra 2005 (Zielonogórskie studia łużyckie 4), 103–116, hier 104. Franz Pabel ist eine Erinnerungstafel an der Großen Heuscheuer gewidmet. Vgl. http://pl.wikipedia.org/ wiki/Franz_Pabel [Zugriff am 16.3.2009].

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Die Riesengebirgsregion vor 1945

enormen sozialen Unruhen wie im mittleren Sudetenteil begleitet wurde, hing einerseits mit der Entstehung neuer Industriezweige wie moderner Glashütten in Schreiberhau, Petersdorf und in anderen Orten zusammen, was aber langfristig auf Kosten der Umwelt geschah.34 Andererseits wurde der Übergang in die neue Zeit durch die steigende Rolle des Fremdenverkehrs gemildert. Bis unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg stieg der Tourismus zum wichtigsten Arbeitgeber des Landkreises Hirschberg auf.35 Die dynamische Entwicklung beider Branchen sorgte auch dafür, dass die Riesengebirgsregion im Gegensatz zu anderen ländlichen Gegenden Schlesiens nicht an Bevölkerungsschwund litt, sondern teilweise sogar Wirtschaftsmigranten anzog.36 In wirtschaftlicher Hinsicht erlebte die Region somit innerhalb von etwa zwei Jahrhunderten mehrere Umbrüche, die in ihrer Gesamtwirkung zu einer infrastrukturellen Erschließung des Gebirges und seiner verstärkten Nutzung führten. Die wichtigsten Kräfte dieser Entwicklung waren übergeordnete historische Prozesse, die im Riesengebirge jedoch eine spezifische Ausprägung hatten und von der lokalen Bevölkerung auf eigene Art umgesetzt wurden. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich ein vom Fremdenverkehr dominiertes Wirtschaftsmodell herausgebildet, das bis zum Zweiten Weltkrieg prägend war und auch nach 1945 folgenreich blieb.

3.

Nutzung und Nation: Landschaftswahrnehmung im 19. und frühen 20. Jahrhundert

In vielerlei Hinsicht brachte der Umbruch vom 18. zum 19. Jahrhundert einen take-off für den Riesengebirgstourismus. Neben der infrastrukturellen Entwicklung spielten dabei kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle. Wie bereits ausgeführt, war das als unwirtlich und von schreckenerregenden Wesen (Rübezahl) bewohnte Gebirge in der Frühen Neuzeit immer häufiger von Gelehrten erforscht worden und immer mehr Reisende hatten schriftliche Zeugnisse ihrer Erkundungen hinterlassen.37 Die Zeit der Aufklärung verstärkte diesen Trend zur Neubewertung der Ge34 Der natürliche Mischwald des Riesengebirges wurde im 19. Jahrhundert in den Schaffgotschschen Glashütten und Papierfabriken verwertet und durch schnell wachsende Fichtenmonokulturen ersetzt. Staffa: Karkonosze, 158. 35 Szczepański: Wpływ turystyki, 149–151; Staffa: Historia poznania Karkonoszy, 33. 36 Kulturhistorisch relevant ist etwa die Ansiedlung einiger hundert Tiroler Protestanten in Zillerthal-Erdmannsdorf im Jahr 1837, die religiös motiviert war. 37 Groth, Dieter/Groth, Ruth: Von den schrecklichen zu den schönen und erhabenen Bergen. In: Busset (Hg.): Tourisme, 31–43. Differenzierter und kritisch gegenüber früheren Periodisierungsmodellen: Mathieu, Jon: Alpenwahrnehmung: Probleme der historischen Periodisierung. In: ders./Boscani Leoni, Simona (Hg.): Die Alpen! Zur europäischen Wahrnehmungsgeschichte seit der Renaissance. Les Alpes! Pour une histoire de la perception européenne depuis la Renaissance, Bern u. a. 2005 (Studies on Alpine History 2), 53–72.

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birgszüge oder auch Meeresküsten.38 Zum Ende des 18. Jahrhunderts hin setzte aber, nicht zuletzt als Reaktion auf die erste Industrielle Revolution, eine regelrechte Faszination für „wilde“ Landschaften ein.39 Dass das Riesengebirge für den deutschsprachigen Raum, insbesondere Preußen, zum Inbegriff der romantischen Landschaft wurde, hatte mehrere Gründe. Zum einen war die Region aufgrund der Reisebeschreibungen überregional bekannt. Nicht zuletzt hatte Johann Karl August Musäus mit seiner Rübezahldarstellung in den „Volksmärchen der Deutschen“ von 1782/86 für eine weitere Popularisierung des Riesengebirges im Kontext zeitgenössischer Diskurse um die ‚Seele‘ einer im Entstehen begriffenen deutschen Nation gesorgt.40 Zum anderen sorgte die räumliche Nähe zu wichtigen Zentren der Wissenschaft (und des Buchdrucks) wie Berlin, Breslau, Leipzig und Prag dafür, dass gerade das Riesengebirge häufig Ziel verschiedener Erkundungsreisen werden konnte. Zum dritten war die Infrastruktur für die romantische Entdeckung vorhanden: Unterkünfte im Kurort Bad Warmbrunn und etablierte Routen ins Gebirge, die an Rastplätzen bzw. Herbergen vorbeiführten. Schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zog das Riesengebirge immer häufiger Prominente aus Politik – sei es die Hohenzollernprinzen oder den späteren Präsidenten der USA, John Quincy Adams – oder Kultur (Johann Wolfgang von Goethe) an. Den visuellen Ausdruck dieser neuen Wahrnehmung lieferte der Greifswalder Maler Caspar David Friedrich, dessen im Jahr 1810 entstandene Landschaftsansichten nicht nur sein späteres Schaffen beeinflussten, sondern auch die Art der Darstellung des Riesengebirges insgesamt nachhaltig prägten.41 In der Region ließen sich in der Folgezeit zahlreiche Künstler nieder, insbesondere die so genannte Schmiedeberger Schule der Lithographie mit ihren Vertretern Friedrich August Tittel, Carl Theodor Mattis oder Ernst Wilhelm Knippel. Sie trugen mit ihren Landschaftsansichten in standardisierter romantischer Manier zu einer mas38 Corbin, Alain: Meereslust. Das Abendland und die Entdeckung der Küste 1750–1840, Berlin 1990. 39 Bender, Oliver/Schumacher, Kim Philip/Stein, David: Landscape, Seasonality, and Tourism: A Survey with Examples from Central Europe. In: Palang, Hannes/Sooväli, Helen/Printsmann, Anu (Hg.): Seasonal Landscapes, Dordrecht 2007, 181–213, hier 184. 40 Eichberg, Henning: Rübezahl. Historischer Gestaltwandel und schamanische Aktualität. In: Sass, Beate/Kirchhoff, Heike (Bearb.): Der Herr der Berge – Rübezahl. Katalog zur Ausstellung, Königswinter 2000, 3–22, hier 7. 41 Leistner, Gerhard: Das Riesengebirge in der deutschen Malerei und Graphik zwischen Spätklassizismus und Klassischer Moderne. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 46– 63, hier 46; Staffa: Karkonosze, 262. Anders bei Hans Wichmann, der in der Biographie seines Vaters, des Malers Georg Wichmann, den Beginn der künstlerischen Aneignung des Riesengebirges mit dem Schaffen Carl Christoph Reinhardts verbindet, „der 1789 nach Hirschberg übersiedelte und jährlich zwei Riesengebirgsansichten an die Berliner Akademie lieferte“. Wichmann, Hans: Georg Wichmann 1876–1944. Der Maler des Riesengebirges und sein Kreis, Würzburg 1996, 11.

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senkulturellen Popularisierung des Gebirges bei.42 Bald wurde es in den gehobenen Schichten Preußens zur Mode, im Hirschberger Tal eigene repräsentative Schlösser und Gärten zu errichten, nicht zuletzt um in den Sommermonaten der Hohenzollernresidenz in Fischbach (später auch in Erdmannsdorf ) nahe zu sein.43 Die Ära der Romantik führte nicht nur zu einem regelrechten ‚Gebirgsboom‘ und einer nachhaltigen Wahrnehmungsveränderung. Mit der Entstehung des modernen Nationalbewusstseins geriet die Region auch unter den Einfluss eines Diskurses, der ambivalente Folgen haben sollte. Zunächst profitierte das Riesengebirge von der neuen Popularität, so dass die Zahl der Reisenden schnell wuchs. Die 1867 errichtete Eisenbahnverbindung von Hirschberg nach Breslau und weiter nach Berlin und die 1870/71 erbaute Verbindung von Hohenelbe bzw. Johannisbad aus in Richtung Prag erlaubten es dann auch weniger wohlhabenden Schichten, etwa Beamten und Vertretern des einfachen Bürgertums, an der romantischen Faszination fürs Gebirge teilzuhaben.44 Die preußische (und österreichische bzw. böhmische) Peripherie und insbesondere die Schneekoppe als höchster Gipfel Preußens (und Böhmens) wurde zum Anziehungspunkt schlechthin, zum „Modeberg“, wie Tomasz Przerwa schreibt, und sogar zum Ziel von Tagesausflügen der Berliner Bevölkerung.45 Diese ‚Vermassung‘ des Fremdenverkehrs im Lauf des 19. Jahrhunderts sollte nicht ohne Folgen bleiben. Der im 18. und frühen 19. Jahrhundert begonnene strukturelle Anpassungsprozess an die Bedürfnisse des modernen Tourismus nahm eine neue Dynamik an. Ein bemerkenswerter Aspekt dieses Prozesses war die Veränderung im Warenangebot, die vor allem den Lebensmittelbereich betraf. In den immer zahlreicher entstehenden Herbergen und Restaurants wurden Speisen angeboten, die zum Teil umständlich importiert werden mussten,46 während die lokale Schafzucht aufgrund fehlender Nachfrage nach entsprechenden Produkten bei Besuchern eingestellt wurde.47 Insgesamt ist für das Ende des 19. Jahrhunderts ein Rückgang der Agrarproduktion zugunsten von Einfuhren aus der weiteren Region feststellbar, während sich die Hausbesitzer immer mehr auf die Beherbergung von 42 Staffa: Karkonosze, 270–272; Leistner: Das Riesengebirge, 46–55. 43 Bździach/Czerner/Herzig (Hg.): Das Tal der Schlösser; http://www.dolinapalacow.pl [Zugriff am 16.3.2009] – Internetseite der Stiftung „Dolina Pałaców i Ogrodów Kotliny Jeleniogórskiej“ (Tal der Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal) mit Sitz in Wrocław (Breslau), die die Eintragung in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes anstrebt. Zur Nachkriegsgeschichte der Schlösser vgl. Łaborewicz, Ivo: Zamki i pałace Kotliny Jeleniogórskiej po II wojnie światowej. In: Bździach/Czerner/Herzig (Hg.): Das Tal der Schlösser, 298–305. 44 Szczepański: Wpływ turystyki, 70–80; Bobowski: Schlesien als Reiseziel, 118. 45 Przerwa, Tomasz: Die Schneekoppe – der höchste Gipfel des Riesengebirges. In: Czapliński/ Hahn/Weger (Hg.): Schlesische Erinnerungsorte, 12–28, hier 19; Przerwa: Wedrówka po Sudetach, 24; Potocki: Rozwój zagospodarowania, 29. Die auf dem Gipfel eingerichtete Poststation versandte um 1900 fast 2.000 Ansichtskarten täglich. 46 Szczepański: Wpływ turystyki, 188; Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 39. 47 Szczepański: Wpływ turystyki, 182. Ähnliches betraf Ziegenmilchprodukte. Vgl. ebd., 189.

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Gästen konzentrierten.48 Die verbliebenen Landwirte stellten die Produktion hingegen auf Milcherzeugnisse um.49 Schließlich sei noch erwähnt, dass die Flora und Fauna von diesen Veränderungsprozessen nicht unberührt blieben: Um dem (deutschen) Wanderer die Gebirgsnatur genehmer zu gestalten, wurden aus den Alpen bekannte Blumen und später sogar Mufflons aus Sardinien eingeführt.50 Bereits Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts begann man, zusätzliche ,Touristenattraktionen‘ an den populären Wanderwegen einzurichten, was zum großen Teil auf die Initiative der Baudenbesitzer oder anderer Unternehmer zurückging.51 So wurde laute Musik gespielt oder aus der Pistole gefeuert, während die Wanderer nebenbei Pflanzen sammelten oder gar jagten. Die Wanderung im Riesengebirge wurde immer mehr zur Freizeitbeschäftigung für Jedermann, was durch die voranschreitende Erschließung und zunehmende Kommerzialisierung noch befördert wurde.52 Auf zeitgenössischen Darstellungen kann man entsprechend Trompeten- oder Hornspieler entdecken und in Erinnerungen einer Vertriebenen ist von einem „bekannten“ blinden Zitherspieler die Rede.53 Andererseits wurden mit der Egalisierung der Touristik die Gepäck- und Stuhlträger im Lauf des 19. Jahrhunderts zur Seltenheit. Die Eingriffe in die Landschaft machten nicht Halt beim Geräuschpegel und der unkontrollierten Menschenmenge, die jeden Tag, insbesondere am Wochenende, das Gebirge bestürmte.54 So ist überliefert, dass die bekannten Wasserfälle des Riesengebirges, der Kochelfall und der Zackenfall, aber auch der Elbfall, künstlich aufgestaut und nach Bezahlung in Gang gesetzt wurden. Auch an Stauseen, die nicht als Sehenswürdigkeit angelegt worden waren, errichtete man Terrassen, Restaurants und Pensionen.55 Zu den von Menschen gemachten Elementen der Landschaft zählten auch Aussichtstürme und -punkte. Zu den interessantesten Zeugnissen dieser Sturm- und Drangjahre der Riesengebirgstouristik gehört bezeichnenderweise ein Bericht des polnischen Tourismuspioniers Mieczysław Orłowicz, der im österreichischen Galizien Wanderklubs an den Universitäten Lemberg und Krakau gegründet hatte und jahrzehntelang zu 48 49 50 51 52

Ebd., 172–175. Ebd., 189f. Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 138. Staffa: Karkonosze, 165. Die Kritik am modernen Tourismus war ein wichtiger Aspekt bei der Entstehung der Heimatbewegung. Vgl. Knaut, Andreas: Ernst Rudorff und die Anfänge der deutschen Heimatbewegung. In: Klueting, Edeltraud (Hg.): Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt 1991, 20–49, hier 30. 53 Matzke, W.: Koppenreise fern der Heimat. In: Schlesische Bergwacht, Nr. 25 vom 5. September 1960, 466. 54 So schätzte der polnische Aktivist Mieczysław Orłowicz in einem zeitgenössischen Bericht die Zahl der Touristen, die alltäglich das Riesengebirge per Zug erreichten, auf 24.000. Vgl. Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 165. 55 Potocki: Rozwój zagospodarowania, 22.

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den wichtigsten Aktivisten auf diesem Gebiet gehörte. Während seiner zahlreichen Erkundungsreisen in verschiedene europäische Länder sammelte er Erfahrungen und Vorbilder für die einheimische Tourismusorganisation. In diesem Zusammenhang besuchte er dreimal das Riesengebirge und die restlichen Sudeten.56 Von seiner ersten Wanderung 1908 stammt folgende, wohl erst nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste Beschreibung: „Ich habe auch bemerkt, dass die Deutschen ihre Berge und Felsen in für Naturliebhaber übertriebene Weise verschönert haben. Aber den Vorlieben ihrer Touristen schien es wohl zu entsprechen. So sah ich z. B. Leierkasten, die auf allen Gipfeln Wiener Walzer spielten, weiße Mäuse, die Lose zogen, Affen, die kleine Kunststückchen am Leierkasten vorführten und ähnliche, ganz unseriöse Unterhaltung. Dazu muss man sagen, dass in den Gebirgsabschnitten fast nichts kostenlos funktionierte, was dem Touristen Freude oder Komfort bereitet. Für alles musste man kleine Summen bezahlen, die aber zusammen genommen am Tag nicht unbedeutende Zahlen erreichten. [...] Während unserer dreitägigen Wanderung waren wir Zeuge der kleinbürgerlichsten Touristik, die man sich vorstellen kann. [...] Es war das lauteste Gebirge, das ich je erlebt hatte. Die Hälfte der Deutschen kam hier für den ganzen Sonntag, nur, um zu brüllen bis die Halsschmerzen kamen, um literweise Bier zu trinken, wenn möglich gut gekühlt, und mehrere Würste oder Gulaschportionen zu verspeisen. [...] Die Entfernung von Herberge zu Herberge betrug meistens nicht mehr als 1 km. Es gab sehr viele von ihnen auf dem Weg. Sie waren alle in Händen der Deutschen, tschechische Herbergen habe ich am Riesengebirgskamm damals nicht gesehen. Wenn schon jemand von der österreichischen Seite Besitzer war, war es ein Sudetendeutscher, der im antitschechischen Chauvinismus sogar die Deutschen aus Preußen oder Schlesien übertraf.“57 Orłowicz’ Blick mag durch den Vergleich mit dem elitär-intellektuellen und romantischen Touristikmodell in Polen verzerrt gewesen sein. Der polnische Tourist – und mit diesem Begriff meinte man über lange Zeit eher den Amateursportler als einen Erholungsreisenden – hatte auf Bequemlichkeiten zu verzichten und Bier trinken war ohnehin tabu.58 Diese kulturellen Unterschiede fasste Marek Staffa zugespitzt wie folgt zusammen: „Der Riesengebirgskamm, besonders die Schneekoppe, wurde zum Kirmes. Während die Tatra im Bewusstsein der Polen ein ‚Nationaltempel‘ war, war das Riesengebirge ein Spielort. Orłowicz konnte bei all seiner Vorliebe für die Zelebrierung und für gewissen Pathos der Wanderungen den 56 Orłowicz, Mieczysław: Moje wspomnienia turystyczne, Wrocław u. a. 1970. Vgl. Turos, Lucjan: Mieczysław Orłowicz – nauczyciel turystyki i krajoznawstwa, Warszawa [1999]; Kowalik, Tomasz: Wycieczki sierpniowe Mieczysława Orłowicza, Warszawa 1989. 57 Zit. nach Hartwich, Mateusz J.: Auf alten Pfaden. Berliner Touristen in Schlesien. In: Rada, Uwe (Hg.): Stoffwechsel. Brandenburg und Berlin in Bewegung, Leipzig 2008, 158–161, hier 158f. Der polnische Originaltext ist zu finden bei Orłowicz: Moje wspomnienia, 519– 521, und Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 164–167. 58 Staffa, Marek: Sudeckie paradoksy. In: Kwartalnik Turystyczny ‚W górach‘ 1/1 (2004).

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Zusammenprall der erzpatriotischen und würdevollen Tatra-Touristik mit der volkstümlichen, gar lumpenproletarischen Riesengebirgstouristik nicht ertragen.“59 Diese Gegenüberstellung erscheint etwas zu plakativ, verweist jedoch auf ein grundlegendes Unterscheidungskriterium zwischen der deutschen und polnischen Landschaftsbetrachtung. Während die eigentümliche Zivilisierung des Gebirges, wie sie Orłowicz beschrieb, mit dem Bild der ‚ursprünglichen‘ Natur der polnischen Romantik unvereinbar war, verknüpfte der deutsche Diskurs beide Elemente im Konzept der Kulturlandschaft. Diese war zugleich gestaltet und ‚authentisch‘ und wurde als Emanation einer deutschen ‚Volksseele‘ angesehen.60 Das Bewusstsein für die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in der Provinz, in der „Heimat“, stand im Mittelpunkt des Nationswerdungsprozesses.61 Gleichzeitig verlieh man der Heimat einen spezifischen, kulturell-zivilisatorisch ‚deutschen‘ Charakter, was dem Verweis auf das übergeordnete Gebilde der Nation dienen sollte.62 Interessanterweise lässt sich diese ideengeschichtliche Strömung als wertkonservative Reaktion auf den Prozess der zivilisatorischen Beschleunigung Ende des 19. Jahrhunderts werten,63 sie begriff aber die Bedrohung durch die Modernisierung recht selektiv. So war oft nicht die materielle Zerstörung der Umwelt durch den Tourismus oder gar die um sich greifende Industrialisierung vieler Gebiete im Deutschen Reich Gegenstand der Kritik, sondern die „Verschandelung“ der Landschaft etwa durch Reklameschilder.64 Die deutsche Kulturlandschaft war somit explizit nicht als eskapistisch konzipierte Wildnis gedacht, sondern ein historisch gegebenes Konstrukt von Natur und Nutzbarmachung.65 Der entstehende Naturschutzgedanke ging von einer besonderen Verbindung zwischen dem Charakter eines Volkes und der Umwelt aus und postulierte somit die Bewahrung und den

59 Ders.: Karkonosze, 178. Etwas differenzierter bei Potocki: Rozwój zagospodarowania, 30. 60 Lekan, Thomas M.: Imagining the Nation in Nature: Landscape Preservation and German Identity, 1885–1945, Cambridge 2004, 22; Knaut: Ernst Rudorff, 26. 61 Lekan, Thomas M./Zeller, Thomas: Introduction. The Landscape of German Environmental History. In: dies. (Hg.): Germany’s Nature. Cultural Landscapes and Environmental History, New Brunswick u. a. 2005, 1–14, hier 3; Applegate, Celia: A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Berkeley u. a. 1990, 4, 6. 62 Lekan/Zeller: Introduction, 3. 63 Oberkrome, Willi: ‚Deutsche Heimat‘. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900–1960), Paderborn u. a. 2004 (Forschungen zur Regionalgeschichte 47), 37, 41; Lekan: Imagining the Nation, 4. 64 Wettengel, Michael: Staat und Naturschutz 1906–1945. Zur Geschichte der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen und der Reichsstelle für Naturschutz. In: Historische Zeitschrift 144 (1993) 355–399, hier 373; Oberkrome: ,Deutsche Heimat‘, 49; Lekan: Imagining the Nation, 4. 65 Lekan/Zeller: Introduction, 3f.; Knaut: Ernst Rudorff, 36; Applegate: A Nation of Provincials, 73.

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Schutz der „Naturdenkmäler“.66 Diesen auf Johann Gottfried Herder zurückgehenden Gedanken entwickelten im späten 19. Jahrhundert Wilhelm Heinrich Riehl, Friedrich Ratzel, Ernst Rudorff und später Hugo Conwentz weiter, wobei die beiden letzteren zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Bewegung einen organisatorischen (Gründung des Deutschen Bundes Heimatschutz 1904 durch Rudorff ) bzw. administrativen Rahmen (Conwentz als erster Naturdenkmalschutzkommissar in Preußen) verliehen.67 Da die „deutsche Landschaft“ erfahren werden sollte, war der Tourismus ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten der Heimat- und Naturschützer. Die Popularisierung des Wanderns und die damit verbundene Möglichkeit, die Heimat in ihrem nationalen Charakter zu erkunden, gehörte neben Publikationen und Aktivitäten an Schulen zu den wichtigsten Tätigkeitsfeldern der Aktivisten (viele Beteiligte waren auch Lehrer).68 Ohne Vorbehalte nutzten sie auch die Potentiale der neuen Medien wie Postkarten, Fotografien usw., um dem Landschaftskonsum einen entsprechenden geistigen Zuschnitt zu geben.69 Auch wenn das Verhalten bestimmter Touristengruppen durchaus im Sinn Orłowicz’ oder die übertriebene Kommerzialisierung kritisch bewertet wurden,70 waren Reisende, besonders wenn sie aus entfernteren Teilen des Reiches in die Peripherie kamen, sowohl Publikum als auch Ansporn für weitere Aktivitäten.71 Dieser Einstellungswandel war allerdings kein rein deutsches, sondern ein allgemeineuropäisches Phänomen mit transatlantischen Ausläufern.72 Der Trend zur Bewertung von Naturdenkmälern als nationales Gut gipfelte in den ersten Nationalparkgründungen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.73 Auch die gesellschaftliche und später staatliche Förderung von (Bildungs)Reisen, um das Vaterland besser kennen zu lernen, war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhun-

66 Wettengel: Staat und Naturschutz. 67 Oberkrome: ‚Deutsche Heimat‘, 52; Wettengel: Staat und Naturschutz, 367f. Das erste Provinzialkomitee jener staatlichen Stelle wurde in Schlesien am 23. Oktober 1907 gegründet. 68 Lekan: Imagining the Nation, 6. 69 Ebd. 70 Ebd., 35. Ähnliche Berichte für die Alpen sind zu finden bei Dickinson, Edward: Germanizing the Alps and Alpinizing the Germans: Race and Altitude, 1875–1935 [unveröffentl. Referat auf der Jahrestagung der German Studies Association, 2006]. 71 Murdock, Caitlin: Constructing a Modern German Landscape. Tourism, Nature, and Industry in Saxony. In: Blackbourn, David/Retallack, James (Hg.): Localism, Landscape, and the Ambiguities of Place. German-Speaking Central Europe, 1860–1930, Toronto u. a. 2007, 195–210, hier 195. 72 Oberkrome: ,Deutsche Heimat‘, 38f. Ausführlicher zu den US-amerikanisch-deutschen Kommunikationszusammenhängen vgl. Lekan, Thomas M.: The Nature of Home. Landscape Preservation and Local Identities. In: Blackbourn/Retallack (Hg.): Localism, 165–184. 73 Vgl. Shaffer, Marguerite S.: Seeing the Nature of America. The National Parks as National Assets. 1914–1929. In: Baranowski/Furlough (Hg.): Being Elsewhere, 155–184.

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derts ein bekanntes und weit verbreitetes Phänomen.74 Diese Nationalisierung des Tourismus fand paradoxerweise, so Orvar Löfgren, innerhalb eines im internationalen Diskurs standardisierten Rahmens von Auswahl und Darstellung der nationalen Kultur und Sehenswürdigkeiten statt und war gleichzeitig auf Vergleich und Unterscheidung gegenüber anderen Gruppen, insbesondere Nachbarvölkern, ausgerichtet.75 Das trifft vor allem auf periphere Regionen und den deutsch-slawischen Kontaktraum in Mitteleuropa zu. Das Riesengebirge war zwar mit seiner relativ homogenen ethnischen Zusammensetzung von den aufkeimenden nationalen Rivalitäten nicht direkt berührt, geriet jedoch zunehmend in den Sog des Konflikts. Dies erklärt sich auch durch die räumliche und kulturelle Nähe zu den nördlichen Randgebieten des historischen Böhmen, einer Region mit deutsch- und tschechischsprachiger Bevölkerung, die später – neben den westlichen und südlichen Randgebieten Böhmens, Teilen Nord- und Südmährens sowie ÖsterreichischSchlesiens – das so genannte Sudetenland bilden sollte. Schon vor dem Auseinanderfallen der Habsburgermonarchie erreichten die Spannungen zwischen den Volksgruppen an der langen Grenze zwischen Sachsen bzw. Preußen einerseits und den böhmischen Ländern andererseits einen ersten Höhepunkt.76 Insbesondere nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg, der Entstehung der Tschechoslowakei und der Wiedererrichtung des polnischen Staates ging der so genannte Volkstumskampf in eine neue Phase über. Schlesien wurde mit einem Schlag von einer südöstlichen Peripherie des Deutschen Reiches zu einem umstrittenen Grenzland. Die „slawische Bedrohung“ – sei es als greifbarer Grenzkonflikt in Oberschlesien oder als dessen ‚Phantom‘ im Inneren Niederschlesiens – und die politischen Umbrüche der ersten Nachkriegsjahre führten zu einer Radikalisierung der Stimmung im Land wie auch der Heimatdiskurse.77 Eine romantische Perzeption der Landschaft wurde zunehmend durch eine militärische er-

74 Löfgren, Orvar: Know Your Country. A Comparative Perspective on Tourism and Nation Building in Sweden. Ebd., 137–154. 75 Ebd., 137–139. 76 Cornwall, Mark: The Struggle on the Czech-German Language Border 1880–1940. In: English Historical Review 109 (1994) 914–951; King, Jeremy: Budweisers into Czechs and Germans. A Local History of Bohemian Politics. 1848–1948, Princeton 2002. 77 Lekan: Imagining the Nation, 71. Im anderen regionalen Kontext konstatiert auch Hagen, Joshua: Preservation, Tourism and Nationalism. The Jewel of the German Past, Aldershot/ Burlington 2006 (Heritage, Culture and Identity 5), 159, 166, eine offen nationalistischere Rhetorik in der Tourismuswerbung und eine Betonung des Deutschtums der Orte. Differenzierter, vor allem für die Zeit bis 1918, argumentiert Przerwa, Tomasz: Problemy narodowe z perspektywy turystyki sudeckiej na Śląsku (do 1945 r.) [unveröffentl. Referat auf der Tagung „Pogranicza Europy Środkowo-Wschodniej – ludzie pogranicza i elity regionalne“, Katowice/ Ustroń 7.-9. Dezember 2009].

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setzt.78 Insbesondere die Gebirgsregionen in Grenzgebieten wurden dabei oft als „Bollwerke gegen das Slaventum“ dargestellt.79 Dieses projizierte Bollwerk war schon Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt mit ‚Basteien‘ versehen worden – einer Reihe von Aussichtstürmen, die dem Gebirge auf gewisse Weise jenen imaginierten Wehrcharakter verleihen sollten.80 Den nationalen Charakter dieser Objekte verstärkte ihre Benennung. So entstanden in den Sudeten bis 1914 nicht weniger als 113 Bismarcktürme.81 Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden diese Bauten zu patriotischen Demonstrationen genutzt – so standen sich im Glatzer Bergland der Kaiser-Wilhelm-Turm auf dem Glatzer Schneeberg und der Habsburgturm auf dem Altvater gegenüber.82 Nach 1918 setzte sich dieser Dialog in verschärfter Form fort. Den Bismarck- und Hindenburgtürmen oder -bauden auf schlesischer Seite setzte der Tschechoslowakische Touristenklub (Klub československých turistů, KČST) nach Staatspräsident Tomaš Masaryk benannte Objekte entgegen.83 Zu einem symbolischen Zeugen dieses Konflikts in mehrfachem Sinn wurde die regionale Sagengestalt des Rübezahls, dessen Kulturgeschichte hier kurz skizziert werden soll, um seinen Wandel in der betreffenden Periode nachzeichnen zu können.84 Die Frage nach der Herkunft der Rübezahlgestalt und -legende wird in der Forschung seit jeher unterschiedlich beantwortet.85 Ähnliches gilt übrigens für den (deutschen) Namen.86 In der Regel begnügen sich die wenigen „Rübezahlologen“ mit der Feststellung, dass die Gestalt Ergebnis einer „Jahrhunderte langen, 78 Lekan: Imagining the Nation, 74. Dementsprechend kommentierte der „Wanderer im Riesengebirge“ den Ausbau der Infrastruktur auf der böhmischen Seite als „Technik und Tschechisierung“: „Die Sokolbaude ist zusammen mit der Schwebebahn für den tschechischen Nationalismus ein Mittel zur Eroberung deutschen Gebietes“. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 48 (1928) 184–185, hier 184. 79 Lekan: Imagining the Nation, 76; Przerwa: Die Schneekoppe, 27; Murdock: Constructing, 198. 80 Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 117. 81 Ebd., 105. 82 Ebd., 119f. Der Turm verfiel nach dem Zweiten Weltkrieg und wurde schließlich 1973 gesprengt. Allgemein zum Schicksal der Aussichtstürme nach 1945 vgl. ebd., 105. Potocki: Rozwój zagospodarowania, 107, weist zusätzlich darauf hin, dass es im Riesengebirge weniger Objekte dieses Typs gegeben habe, da dort die meisten Gipfel oberhalb der Baumgrenze liegen, so dass eine freie Sicht ohne Hilfsmittel möglich ist. 83 Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 84f. 84 Hartwich, Mateusz J.: Rübezahl zwischen Tourismus und Nationalismus. Vom umkämpften Symbol zum einigenden Patron des deutsch-polnisch-tschechischen Grenzlandes? In: Lozoviuk, Petr (Hg.): Grenzgebiet als Forschungsfeld. Aspekte der ethnografischen und kulturhistorischen Erforschung des Grenzlandes, Leipzig 2009 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Landeskunde 29), 193–218. 85 Biały: Duch Gór, 12. 86 Der bekannte schlesische Volkskundler Will-Erich Peuckert schrieb: „Es gibt so viele Erklärungen des Namens wie Forscher, die sich mit ihm beschäftigt haben, und eine steht immer

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von vielen Schichten überlagerten Entwicklung der Vorstellungskraft der Riesengebirgseinwohner“87 sei. Als bezeugt gilt, dass ein Gebirgsgeist zum ersten Mal in den so genannten Walenbüchern im 15. Jahrhundert vorkam.88 Eine nachvollziehbare Interpretation besagt, dass eben jene „walonischen“ Bergleute die Kunde von einem bösen Wächter der Berge verbreiteten, um ungebetenen Besuch zu vermeiden.89 Einige onomastische Hinweise deuten wiederum auf eine Verbindung mit dem Gebiet des heutigen Niedersachsen, genauer gesagt dem Harz, hin. Einwanderer aus dieser Region sollen die Sage ,mitgebracht‘ haben.90 Beiden Versionen ist gemeinsam, dass sie den Berggeist als Ergebnis auswärtiger Einflüsse in Erscheinung treten lassen. Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind erste mediale Darstellungen überliefert – sei es als erste, als ‚ursprünglich‘ angesehene Verbildlichung auf Helwigs Schlesien-Karte von 1561 oder als literarische Verformung von Johannes Praetorius in Zeiten der Gegenreformation. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist jedoch von einer eindeutigen Verortung im schlesisch-böhmischen Grenzgebirge, einer Etablierung der phonetischen Form „Rübenzahl – Riebenzahl – Rübenzabel“ o. ä., einer Einordnung als übernatürliches Phänomen und einem regionalen Wirkungsund Beschäftigungskreis auszugehen.91 Mit Johann Karl August Musäus’ „Volksmärchen der Deutschen“ wurde Rübezahl Ende des 18. Jahrhunderts erstmals für die „nationale Frage“ relevant, was im Lauf des 19. Jahrhunderts zu Gegenentwürfen tschechischer Kulturschaffender führte. Dieser Wettstreit um Rübezahl fand interessanterweise vor allem im Bereich musikalischer Werke statt,92 wobei sich auch bekannte Maler des 19. Jahrhunderts, namentlich Moritz von Schwind und Adrian Ludwig Richter, mit der Gestalt beschäftigten und die bis heute vorherrschenden Darstellungsformen schufen.93 Nahe liegend erscheint, dass Rübezahlmotive seit der Entstehung von massenkulturellen Riesengebirgsandenken große Popularität erlangten. Und doch „ist die Nutzung der Bekanntheit Rübezahls für Verkaufs- und Werbezwecke keine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts: Schon die Krummhübler Laboranten warben auf den Leipziger Messen im 18. Jahrhundert mit ihm für ihre Kräuterelixiere und

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gegen die andere.“ Zit. nach Eckert, Gerhard: Die Schneekoppe. Rübezahls Gipfel, geliebt und unvergessen, Nürnberg 1992, 70. Wiater: Karkonoski Duch Gór, [3]. Biały: Duch Gór, 12. Staffa: Karkonosze, 44f.; http://liczyrzepa.duszniki.pttk.pl [Zugriff am 31.1.2011]. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Dr. Stefania Żelasko. Vgl. Biały, Lucyna: Legenda Rübezahla. Źródła i literatura do połowy XVII wieku. In: Kolbuszewski, Jacek (Hg.): Góry – Literatura – Kultura, Bd. 4, Wrocław 2001 (Acta Universitatis Wratislawiensis 2221), 9–21, hier 14. Hartwich: Rübezahl. Im Einzelnen vgl. Biały: Duch Gór, 105–122. Ebd., 125f.

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Heilmittel.“94 Wann der Berggeist zum beliebten touristischen Motiv avancierte, ist nicht genau feststellbar. Man darf aber annehmen, dass er bereits Ende des 19. Jahrhunderts aus der Tourismuswerbung nicht mehr wegzudenken war.95 In den folgenden fünfzig Jahren erschien er vor allem auf Postkarten, meistens mit dem Begleitspruch: „Es grüßet Euch viel tausendmal, der Herr der Berge Rübezahl.“96 Einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die wachsende Beliebtheit der Gestalt nahmen spezialisierte Verlage aus der Region, etwa von Max Leipelt aus Bad Warmbrunn, und andere touristische Dienstleister, die den Berggeist oft vor dem Hintergrund der Schneekoppe abbildeten. Bald jedoch warb Rübezahl auch für viele weitere Orte des Riesengebirges und sogar entferntere Teile der Sudeten. Er wurde zu einer regionalen Marke – usurpiert, kommerzialisiert und banalisiert.97 Eine bedeutende, wenn auch etwas ambivalente Rolle in der kulturhistorischen Entwicklung der Rübezahlgestalt spielte die „Sagenhalle“ in Schreiberhau.98 Angeblich durch sozialistische Kindererzählungen inspiriert,99 aber auf jeden Fall in enger Verbindung mit der bekannten Künstlerkolonie um Carl und Gerhart Hauptmann, erschuf der Maler Hermann Hendrich einen Gemäldezyklus, der Rübezahl als germanische Gottheit Wotan/Odin darstellte. Die 1904 im „JugendstilEklektizismus“ erbaute Halle, die nordische Elemente mit der für die Sudeten typischen Bauweise verband, wurde bald zu einer großen Touristenattraktion und existierte noch einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, bevor sie verwüstet und schließlich abgerissen wurde.100 Der nordische Bezug mag zwar dem Zeitgeist entsprochen haben und war vermutlich als künstlerische Provokation und bzw. oder Gewinn bringendes Vorhaben geplant; recht bald wurde daraus jedoch Ernst. Hermann Hendrich starb 1931, bevor eine klarere politische Interpretation regionaler Traditionen vorgenommen werden konnte. Die Nationalsozialisten machten sich die Rübezahlgestalt aller94 Muschiol, Barbara: Der ‚Herr der Berge‘. Der Rübezahlmythos im Spannungsfeld von Volksüberlieferung und künstlerischer Betrachtung. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 38–45, hier 44f.; Eichberg: Rübezahl, 5. 95 Vettin-Zahn, Ingrid: Alte Postkarten mit Rübezahlmotiven aus der Sammlung Ingrid VettinZahn. Auszug aus der Gesamtbibliographie des schlesischen Herrn der Berge ‚Berggeist Rübezahl‘, Rüti-Ferrach 2002, 6. 96 Ebd. 97 Bereits 1847 berichtete der bekannte polnische Geograph und Schriftsteller Wincenty Pol, dass er bei seiner Reise ins Riesengebirge einen Wanderstock mit Rübezahlkopf (bei ihm als „Rybecal“ übersetzt) erworben hatte. Vgl. Biały: Duch Gór, 131f. 98 Ebd., 127f., 136–138; Wiater: Karkonoski Duch Gór, [5]. Mit der Rübezahlgestalt setzte sich künstlerisch der bekannte oberschlesische Schriftsteller und Maler Henryk Waniek auseinander, der ihm einige kleinere Werke widmete. Auch die Entstehungs- und Nachgeschichte der „Sagenhalle“ beschäftigte ihn. Vgl. Waniek, Henryk: Sala legend w stanie upadłości. In: Odra 44/4 (2005) 42–46. 99 Eichberg: Rübezahl, 12. 100 Waniek: Sala legend.

Nutzung und Nation: Landschaftswahrnehmung im 19. und frühen 20. Jahrhundert

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dings nicht eindeutig zunutze. Die gängige Erklärung, der Berggeist sei zu „unberechenbar“ oder „anarchisch“, erscheint hier etwas zu simpel.101 Die Verfasserin der neuesten Rübezahldarstellung, Lucyna Biały,102 zitiert einen Bericht des Schriftstellers Hugo Hartung, wonach der niederschlesische Gauleiter Karl Hanke germanische Rübezahlbilder in Auftrag gegeben und ausgestellt habe.103 Andererseits lässt sich die Skepsis der Nationalsozialisten gegenüber der Figur, vor allem im Hinblick auf dessen touristische Trivialisierung und Allgegenwärtigkeit, durchaus belegen.104 Gerade die Verbreitung der Figur als Andenken- und Postkartenmotiv ermöglichte eine kommerzielle und eben auch politische Instrumentalisierung, sorgte jedoch zugleich dafür, dass eine eindimensionale Zuschreibung nicht funktionierte. Die Rübezahlgestalt war in ihrer Geschichte stets ein Amalgam aus den kulturellen Umdeutungen der jeweiligen Zeit und ihrem ‚Gebrauchswert‘, wie noch anhand der Nachkriegsentwicklung zu zeigen sein wird.105 Rübezahl fungiert in unserem Zusammenhang als Brennglas für die Verbindung von Tourismus und Nationalismus Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Nationalisierung des Riesengebirgstourismus war ein Phänomen, das mit der romantischen ‚Entdeckung‘ des Gebirges im späten 18. Jahrhundert seinen Anfang nahm und über das Konzept einer spezifisch ‚deutschen‘ Kulturlandschaft und ihre symbolische Markierung in Form von Bauten zu einem veritablen nationalen Antagonismus führte, der unter anderem an einer regionalen Sagengestalt ausgetragen wurde. Begleitet wurde dieser – keineswegs teleologisch zu begreifende – Prozess von einem immer dynamischeren Ausbau der touristischen Infrastruktur. Beide Phänomene entwickelten sich parallel und weisen gar einige Interdependenzen auf. So erleichterte einerseits die bereits zur Zeit der Romantik

101 Eichberg: Rübezahl, 14; Bialy: Duch Gór, 143. 102 Hartwich, Mateusz J.: Recenzja: Lucyna Biały: Durch Gór – Rübezahl. Geneza i upowszechnienie legendy, Jelenia Góra 2007. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 63 (2008) 263–265. 103 Gleichzeitig erwähnt Lucyna Biały im Kontext des ,politischen Rübezahl‘ den Roman „Rübezahl“ des Exil-KPD-Funktionärs Johannes Wüsten von 1938, der jedoch erst 1963 in der DDR veröffentlicht wurde. Vgl. Wüsten, Johannes: Der Strom fließt nicht bergauf, Rudolstadt 1963; Biały: Duch Gór, 142, 144f. 104 So sprach sich Walther Dreßler in einem Beitrag im „Jahrbuch für die Kreise Hirschberg Stadt und Land, Landshut und Löwenberg“ von 1942 gegen Flurnamen wie „Rübezahls Lustgarten“ oder „Rübezahls Handschuh“ als kitschige und „talentlose Bezeichnung[en] aus der Frühzeit des Fremdenverkehrs“ aus. Er fragte rhetorisch: „Muß denn der Mann bei jeder Gelegenheit mit seinem bis heute noch unerklärten Namen herhalten?“ Dreßler, Walther: Rund um die Schneekoppe. Unbekannte Pfade erschlossen von Walther Dreßler. In: Unsere Heimat. Ein Wegweiser für das Jahr 1942, 83–88, hier 85. Andererseits wurde in dem nach der Annexion des böhmischen Riesengebirges 1938 herausgegebenen Prospekt „Sudetendeutsches Riesengebirge“ der Region selbstverständlich als „Rübezahls Reich“ beworben und der Berggeist prominent erwähnt. 105 Vgl. den Exkurs „Die Polonisierung Rübezahls“ in Kapitel III.5.

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vorhandene Infrastruktur die national inspirierte Faszination für das Gebirge, andererseits konnte mit entsprechender romantisch-patriotischer Rhetorik seine Popularität noch gesteigert werden. Anhand polnischer zeitgenössischer Berichte wurde eine kritische Außenperspektive auf diese Entwicklung erläutert, die einerseits die kulturelle Eigenart des deutschen Diskurses unterstrich, andererseits die Interpretationsmuster in der Zeit nach 1945 lieferte.

4.

Regionale Vermittler: Die Rolle des Riesengebirgsvereins

So wenig wie die Nationalisierung der Landschaftsdiskurse ein fortschreitender, zielgerichteter Prozess war, so sehr war diese Entwicklung auf Interaktion angewiesen. Die Ausweitung der nationalen Kampfzone in Grenzgebieten auf den Fremdenverkehr erforderte eine Inklusionsstrategie der Heimat- und Naturschützer: Anbieter und Organisatoren mussten, wenn sie schon nicht Aktivisten waren, von den Vorteilen der zunehmend nationalistischen Propaganda überzeugt werden.106 Dies bedeutete nicht bloß die Überstülpung einer abstrakten Vision urbaner Eliten auf Einheimische, sondern bedurfte der Initiative und Kooperation Letzterer.107 Dieser Abschnitt ist daher den regionalen Akteuren gewidmet, vor allem dem Riesengebirgsverein als der wichtigsten Vorortorganisation, und ihren Strategien zum Interessenausgleich zwischen Erschließung und Naturschutz, zwischen nationalem Anspruch und regionalen Anforderungen, schließlich zwischen Massentourismus und Bewahrung. Der Tourismus hatte auf die nationale Identifikation der Riesengebirgsbewohner auf beiden Seiten der Grenze einen ambivalenten Einfluss. Ethnischen Gemeinsamkeiten, die im Lauf der Zeit immer stärker in Abgrenzung etwa zur tschechischen Präsenz durch Touristen oder Beamte betont wurden, standen die volkswirtschaftlichen Realitäten zweier Staaten gegenüber, die zu ökonomischer Konkurrenz zwischen Deutschen auf beiden Seiten der Grenze führen konnten.108 Eine 106 Dreyfus, Jean-Marc: Eine Grenze in Ruinen. Zur Symbolik der Gipfel in den Vogesen. In: Loew, Peter Oliver/Pletzing, Christian/Serrier, Thomas (Hg.): Wiedergewonnene Geschichte. Zur Aneignung der Vergangenheit in den Zwischenräumen Mitteleuropas, Wiesbaden 2006 (Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt 22), 363–382; Judson, Pieter: „Every German Visitor Has a Völkisch Obligation He Must Fulfill“. Nationalist Tourism in the Austrian Empire, 1880–1918. In: Koshar, Rudy (Hg.): Histories of Leisure, Oxford/New York 2002 (Leisure, consumption and culture 5), 147–168; ders.: Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontier of Imperial Austria, Cambridge/London 2006, 164f. 107 Judson: Every German Visitor, 148; ders.: Guardians, 165; Hagen: Preservation, 105. Wohlgemerkt war national(istisch)e Tourismuswerbung für etablierte Destinationen eine riskante Strategie, da sie Besuchergruppen aus traditionellen Quellregionen im Ausland aufs Spiel setzte. Vgl. Judson: Guardians, 167. 108 So reagierten die schlesischen Fremdenverkehrslobbyisten auf den Anschluss des böhmischen Riesengebirges an das Eisenbahnnetz mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit. Szczepański: Wpływ turystyki, 71.

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organisatorische Plattform für lokale Lobbyisten entstand 1880 zunächst in Hohenelbe als Ableger des Prager Gebirgsvereins für Böhmen: der Österreichische Riesengebirgsverein. Im Juli bzw. August desselben Jahres wurde auf der schlesischen Seite in Hirschberg dank der Initiative des Lehrers Theodor Donat der Riesengebirgsverein (RGV) gegründet.109 Die Organisation gehörte somit neben dem Alpenverein – zunächst als Alpine Club 1857 in London gegründet, seit 1862 in Österreich und 1869 in Deutschland als Österreichischer bzw. Deutscher Alpenverein tätig (1873 fusioniert) – und dem Galizischen Tatraverein (seit 1873, Galicyjskie Towarzystwo Tatrzańskie, ab 1874 als Towarzystwo Tatrzańskie und ab 1920 als Polskie Towarzystwo Tatrzańskie, PTT) zu den ältesten Gebirgsvereinen Europas. Zu den charakteristischen Grundeigenschaften des Riesengebirgsvereins gehörte neben seiner Rolle für die Erschließung und Popularisierung des Gebirges die soziale Komposition. Wie ähnliche Organisationen dieser Art setzte sich der RGV aus (hauptsächlich männlichen) Vertretern der Mittelschicht zusammen, die nicht selten im Fremdenverkehrsgewerbe aktiv waren.110 Wie Marian Iwanek aufzählt, befanden sich 1905 unter den 95 Ortsgruppenvorstehern 25 Lehrer, zehn Geistliche, neun Fabrikdirektoren (meistens zugleich deren Besitzer), acht Ärzte, fünf Apotheker und zwei Bürgermeister.111 Nicht weniger von Bedeutung war aber die Beteiligung von Vertretern des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie Beamten und lokalen Honoratioren – so nahmen beispielsweise die Grafen von Schaffgotsch Ehrenfunktionen im Verein wahr.112 Zu seinen Zielen zählte der RGV laut Satzung die „Erschließung des Riesenund Isergebirges sowie der angrenzenden Gebirge, [den] Schutz der Gebirgs- und Pflanzenwelt, die Weckung und Stärkung von Natur- und Heimatsinn und die Pflege von Naturdenkmälern und Kunstschätzen“.113 Tatsächlich gehörte die Anlage und Unterhaltung von Wanderwegen zu den Hauptaufgaben des Vereins im ersten Vierteljahrhundert seines Bestehens.114 Sie stellen somit die bleibenden Ergebnisse des RGV-Wirkens und die Grundlage für eine positive Bewertung des Vereins auch im polnischen Schrifttum der Nachkriegszeit dar. Gleichzeitig trug der Verein dazu bei, dass das Riesengebirge in den Augen einiger, zumal polnischer 109 Ders.: Towarzystwo Karkonoskie (1880–1945). In: Śląski Labirynt Krajoznawczy 1 (1989) 75–86; Iwanek: Riesengebirgsverein. Zur Vereinsgeschichte vgl. die Internetseite des RGV: http://www.riesengebirgsverein.de [Zugriff am 17.3.2009]. 110 Szczepański: Towarzystwo Karkonoskie, 79. Zum Vereinstyp vgl. Applegate: A Nation of Provincials, 66–68. 111 Iwanek: Riesengebirgsverein, 108. 112 Applegate: A Nation of Provincials, 43f. 113 Herr, Horst: Der Riesengebirgsverein und seine Geschichte, http://www.riesengebirgsverein. de [Zugriff am 17.3.2009]. 114 Szczepański: Wpływ turystyki, 94–96. Zum Tätigkeitsprofil der Sudetengebirgsvereine im Vergleich zum Tatraverein vgl. Przerwa, Tomasz: Polski (Karpaty) i niemiecki (Sudety) model zrzeszeń górskich do 1939 r.: próba porównania. In: Dubek, Dobiesław (Hg.): Polska kultura fizyczna i turystyka w czasach zaborów i II Rzeczypospolitej, Kraków 2009, 102–112.

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Tourismusaktivisten ein überlaufenes Gebirge mit übermäßig ausgebauter Infrastruktur wurde. Der RGV war einer der Schlüsselakteure in der beschriebenen Entwicklung. Der Verein erfand zwar den Fremdenverkehr im Riesengebirge nicht und beschäftigte sich auch wenig mit dem Ausbau der touristischen Infrastruktur, das heißt der Schaffung von Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten. Er gab jedoch den unterschiedlichen lokalen Akteuren eine Organisations- und Kommunikationsplattform, so dass einzelne Branchen und Gruppen ihre Interessen mit mehr oder weniger Erfolg im Rahmen des Vereins vertreten und austarieren konnten. Auch sein Beitrag zur kulturellen Kodierung der Landschaft ist in unserem Kontext nicht hoch genug einzuschätzen.115 Nicht zuletzt schuf er mit der wichtigen touristischen Vereinszeitschrift, dem „Wanderer im Riesengebirge“ (Erscheinungszeitraum: 1880–1943),116 und dem RGV-Museum (das heutige Muzeum Karkonoskie) in Hirschberg die kulturellen Institutionen, die eine spätere Auseinandersetzung mit seiner Geschichte ermöglichten. Für die oben als interferent bezeichneten Aspekte der Nationalisierung des Tourismus und Infrastrukturausbaus spielten die Aktivitäten des Riesengebirgsvereins eine wichtige Rolle. Dafür liefert die begrenzte Bautätigkeit des RGV mit ihrer großen Symbolkraft einige Belege. Eine Art Zäsur im Wirken des Vereins stellte das Jahr 1905 und die 25-Jahrfeiern der Organisation dar. Die Errichtung des so genannten Jubiläumsweges auf die Schneekoppe war ein letztes großes Projekt im Bereich der Wanderwege – ab etwa 1910 verlegte man sich auf den Bau von Autostraßen und Skitrassen im Gebirge.117 Der Jubiläumsweg sollte jenseits des bestehenden Zick-Zack-Weges zum Koppengipfel einen leichten Anstieg – teilweise über böhmisches Terrain, wobei von 1.740 Metern Länge 720 Meter auf damaliges österreichisches Staatsgebiet entfielen – ermöglichen. Gleichzeitig bedeutete die 115 Iwanek: Riesengebirgsverein, 110, zählt – vermutlich für das Jahr 1900 – allein im Wirkungsbereich der Hirschberger Ortsgruppe 19 neu aufgestellte steinerne Wegweiser, 295 steinerne Zeichen, 42 Hinweisschilder, 49 Ruhe- bzw. Aussichtsbänke und eine Informationstafel. Der Vorsitzende des 1951 wieder gegründeten RGV, Alfred Höhne, gibt im Hirschberger Heimatbuch die Zahl von 3.000 Kilometer Wanderwegen und 2.000 Ruhebänken bis 1945 an. Höhne, Alfred: Der Riesengebirgsverein. In: ders. (Hg.): Hirschberg im Riesengebirge – ein Heimatbuch, Groß Denkte/Wolfenbüttel 1953, 250–255, hier 251. Eine steinerne Bank mit den Namen der Stifter steht bis heute (Juli 2008) an den Dreisteinen. 116 Przerwa, Tomasz: Śląskie czasopisma turystyczne do 1945 roku. In: Nowosielska-Sobel, Joanna/Włodarczyk, Edward (Hg.): Prasa jako źródło do dziejów Śląska i Pomorza w XIX i XX wieku. Materiały z konferencji zorganizowanej przez Instytut Historyczny Uniwersytetu Wrocławskiego oraz Instytut Historii Uniwersytetu Szczecińskiego w Krzyżowej w dniach 6–8 maja 2004 roku, Szczecin 2005, 61–72. Einzelne Jahrgänge des „Wanderers im Riesengebirge“ wurden auf der Internetseite der Stadtbibliothek von Jelenia Góra (Hirschberg) veröffentlicht: http://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/publication?id=883&from=&dirids=1&tab=1 [Zugriff am 19.5.2011]. 117 Szczepański: Wpływ turystyki, 95f.

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Anlage des Jubiläumsweges einen markanten Eingriff in die Landschaft, der wiederholt kontrovers diskutiert wurde.118 Von weitem sichtbar war auch bis zu ihrer Demontage in den sechziger Jahren die Wetterstation auf der Schneekoppe, an deren Errichtung 1900 der RGV mitgewirkt hatte.119 Da die Geographie des Riesengebirges den Bau von Aussichtstürmen nicht erforderte, verlegte sich die Manifestation patriotischer Gefühle auf andere Gebiete. So wurde 1888/89 zur Feier des Hohenzollernprinzen Heinrich die „Prinz Heinrich-Baude“ errichtet, die 1946 niederbrannte.120 Erst zu seiner 50-Jahrfeier (14.– 17. Juni 1930) schuf der RGV wieder ein Denkmal – für seinen Gründer und langjährigen Vorsitzenden Theodor Donat.121 Es bestand aus einer Pyramide aus Steinen, die von den einzelnen Ortsgruppen des Vereins geliefert worden waren.122 Das Donat-Denkmal stellte einen prominenten Blickfänger am Großen Teich auf dem beliebten Wanderweg zur Schneekoppe und einen stolzen Verweis auf die lange und bedeutende Vereinsgeschichte dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es unter ungeklärten Umständen zerstört, wobei einzelne Steine bis heute auf die Geschichte dieses Ortes hinweisen.123 An den steigenden nationalen Spannungen in der Region war der RGV nicht unbeteiligt. Der Erste Weltkrieg selbst hinterließ – außer zeitweiligen Versorgungsengpässen, die durch eine „Kreis-Einkaufs-Gemeinschaft“ minimiert wurden124 – zwar kaum Spuren. Doch die nationalen Antagonismen, die sich jenseits der Grenze abspielten, wurden durch den organisatorischen Schulterschluss mit den „deutschböhmischen“ Aktivisten nur befeuert. Die Behörden des neu entstande118 Bereits im „Jahrbuch für die Kreise Hirschberg Stadt und Land, Landeshut und Löwenberg“ von 1942 findet sich eine unverhohlene Kritik am Jubiläumsweg. Vgl. Dreßler: Rund um die Schneekoppe. Interessanterweise taucht der Name „Jubiläumsweg“ (Droga Jubileuszowa) trotz des eindeutigen Verweises auf die Tradition des deutschen Vereins in polnischen Publikationen relativ frühzeitig auf. Steć, Tadeusz/Walczak, Wojciech: Karkonosze. Monografia krajoznawcza, Warszawa 21962 [11956], 226. 119 Czerwiński, Janusz u. a. (Hg.): Wysokogórskie obserwatorium meteorologiczne na Śnieżce, Wrocław 1995; Hartwich, Mateusz J.: Szczyt symboliki. Zabudowa Śnieżki w kontekście kulturowego oswajania krajobrazu po 1945 r. In: Opera Corcontica. Krkonošské práce 46 (2009) 7–17. Im Jahr 1900 wurden im Deutschen Reich zudem die Wetterwarten auf der Zugspitze und dem Brocken errichtet. Vgl. Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 25. 120 Vgl. Kapitel III.6.2. 121 Herr: Der Riesengebirgsverein; Staffa: Karkonosze, 177. 122 Wikorejczyk, Marek Kazimierz: U stóp Śnieżki. Wybrane opowiadania krajoznawcze, Wrocław 1998, 64–66. 123 Ebd., 66. Bemerkenswert an dieser Beschreibung ist die Tatsache, dass Wikorejczyk, ein 2005 verstorbener populärer Bergführer, in seinen Ausführungen in der Regel eine polonozentrische Position einnimmt, hier jedoch eine Würdigung des RGV vornimmt. Ein großer Findling mit einer Theodor Donat gewidmeten, zweisprachigen Erinnerungstafel befindet sich heute in Mysłakowice (Zillerthal-Erdmannsdorf ). 124 Szczepański: Wpływ turystyki, 158. Die Versorgung war zum Teil so gut, dass regelrechte ‚Einkaufstouristen‘ aus anderen Gebieten das Riesengebirge aufsuchten.

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nen tschechoslowakischen Staates reagierten entschieden und hoben die zeitweilige Vereinigung der Riesengebirgsvereine schnell wieder auf (1920/21). Der MährischSchlesische Sudetengebirgsverein wurde zur Aufteilung gezwungen und somit entstand ein separater Schlesischer Sudetengebirgsverein (1922).125 Zudem wurde im böhmischen Teil des Riesengebirges nach 1918 beispielsweise die Wegemarkierung des früheren Österreichischen Riesengebirgsvereins geändert, so dass der Grieben-Reiseführer von 1933 beklagte: „Die Wegmarkierung ist auf deutscher Seite mit farbigen Zeichen an Bäumen, Pfählen, Steinen usw. zuverlässig durchgeführt. Auf böhmischer Seite und auf dem Kamm findet man häufig ‚stumme Zeichen‘, die, in rotem Blech ausgeschnitten, auf Stangen befestigt sind und besonders im Winter gute Dienste tun. Neben bildlichen Zeichen sind auch Buchstaben verwendet, die, da sie die Anfangsbuchstaben der tschechischen Namen darstellen, für den Deutschen nicht ohne weiteres verständlich sind.“126 Trotz des politisch forcierten Zusammenschlusses beider Riesengebirgsvereine nach 1939127 wurde nach Angaben des Grieben-Reiseführers von 1941 die Wegemarkierung noch nicht vereinheitlicht.128 Den Charakter einer politischen Demonstration hatte nach der Überlieferung die Errichtung des „Schlesierhauses“ 1921/22 auf der schlesischen Seite des Koppenplans just gegenüber der 1847 erbauten Riesenbaude, deren Besitzer übrigens ein (Reichs)deutscher war.129 Ähnliches wird für die Reifträgerbaude berichtet: Dem früheren Pächter der Wosseckerbaude auf der böhmischen Seite wurde angeblich aus politischen Gründen der Vertrag nicht verlängert, so dass er auf reichsdeutschem Gebiet eine neue Herberge mit dem Namen „Deutsch-Böhmerhaus“ errichten ließ.130 Gleichzeitig konstatierte aber der Grieben-Reiseführer noch 1933: „Der Verkehr zwischen Deutschen und Tschechen vollzieht sich durchweg ohne Reibung, man vermeide [sic!] politische Provokationen.“131 Dementsprechend erteilte der Reiseführer genaue Informationen zu Zoll- und Grenzvorschriften und wies auf die touristische Konvention hin, die Wanderern mit Ausflüglerscheinen 125 Dziedzic: Morawsko-Śląskie Sudeckie Towarzystwo Górskie. Merkwürdigerweise wurde nach der deutschen Besetzung des Sudetenlandes die Wiedervereinigung beider Vereine erschwert. Die Behörden argumentierten, der Begriff „mährisch“ beziehe sich nur auf das okkupierte Protektorat. Ebd., 48–50. 126 Grieben Reiseführer, Bd. 81: Riesengebirge. Kleine Ausgabe mit Angaben für Automobilisten und Wintersportler, Berlin 321933, 13f. 127 Die Vereinszeitschrift „Wanderer im Riesengebirge“ kündigte in der Ausgabe vom Januar 1940 an, dass der Zusammenschluss „in nächster Zeit vor sich gehen“ werde. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 60 (1940) 6. 128 Grieben Reiseführer, Bd. 81: Riesengebirge. Kleine Ausgabe mit Angaben für Autofahrer und Wintersportler, Berlin 351941, 11. 129 Trotz dieser politischen Konnotation sollte die Baude diesen Namen auch nach 1945 tragen. 130 Drescher, Karl-Heinz: Bergbauden des Riesen- und Isergebirges, http://www.riesengebirgler. de/gebirge/Baude/Bauden.htm [Zugriff am 27.2.2012]. 131 Grieben Reiseführer [1933], 15.

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Abb. 2: Plakat zur 840-Jahrfeier von Jelenia Góra (Hirschberg) mit den Festtagen des Riesengebirges (Dni Karkonoszy), 1948. Nur zehn Jahre nach den deutschen 650-Jahrfeiern Hirschbergs wollte man an die legendäre Stadtgründung durch den polnischen Herzog Boleslaw III. Schiefmund im Jahr 1108 erinnern. Der polnische Adler auf der Fahne und der stilisierte Stempel des „polnischen Königs Boleslaw III.“ („Rex Poloniae Boleslaus III“) sollten die historischen Ansprüche Polens auf diese Gebiete belegen.

die Bewegung im Grenzstreifen ermöglichte.132 Trotz oder gerade wegen dieser gelebten Normalität im Alltag wurde es umso wichtiger, die Landschaft als ‚deutsch‘ zu reklamieren und die anreisenden Touristen zu dessen Zeugen zu machen.133 Zeitgenössische Reiseführer vermerkten daher gesondert, welche Bauden sich in tschechischem Besitz befanden – mit dem offensichtlichen Hintergedanken, diese zu boykottieren. Reiseführer, Prospekte, Plakate und andere Materialien wurden damals zu wichtigen Vermittlern nationaler Rhetorik.134

132 Ebd., 13. Eine ähnliche Regelung galt in der Zwischenkriegszeit auch im polnisch-tschechoslowakischen Grenzgebiet in den Karpaten und wurde nach 1945 wiederholt zu einem Postulat. 133 Judson: Every German Visitor, 152; Murdock: Constructing, 206. 134 Koshar, Rudy: „What Ought to Be Seen“. Tourists’ Guidebooks and National Identities in Modern Germany and Europe. In: Journal of Contemporary History 33 (1998) 323–340. Zu Plakaten vgl. Steinböck, Michaela: „Blickfang Heimat“. Die Entwicklung des Heimatbegriffs anhand österreichischer Fremdenverkehrsplakate des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. u. a. 2002 (Grazer Beiträge zur europäischen Ethnologie 10).

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Man kann zwar mit Recht argumentieren, dass Publikationen dieser Art oftmals nicht in der betreffenden Region hergestellt wurden und dass Werbebroschüren ihre eigene Sprache hatten. Doch zeigt das Schrifttum und die Aktivitäten des RGV in den dreißiger Jahren, dass nationalistische Überzeugungen weit verbreitet waren. Zunächst entstand 1933 die Idee, einen Wanderweg „Saar-Schlesien“ einzurichten, um die Zusammengehörigkeit des deutschen Westens und Ostens zu unterstreichen – markiert wurde er in den Jahren 1935 bis 1937 von lokalen Aktivisten.135 Die Rolle der Gebirgsvereine bei der Annexion der tschechoslowakischen Grenzgebiete ist bisher kaum untersucht worden, jedoch deutet vieles darauf hin, dass die um 1938 immer aktivere Irredenta der Sudetendeutschen aktiv unterstützt wurde.136 Nur wenig später durfte man dann die Zusammengehörigkeit des Südens und Nordens des Riesengebirges manifestieren, als nach dem Anschluss des Sudetenlandes ein „Großdeutscher Wandertag“ mit 20.000 Teilnehmern in Hirschberg zelebriert (13.–15. Juli 1939)137 und das RGV-Museum in „Sudetenmuseum“ umbenannt wurde. Die Vereinszeitschrift „Wanderer im Riesengebirge“ sowie das regionale NSDAP-Organ „Beobachter im Iser- und Riesengebirge“ dürften jedenfalls die Rhetorik des „Grieben“ von 1941 geteilt haben, der schrieb: „Im Sommer und Winter durchwandern Deutsche aus allen Teilen des Reiches das Gebirge und seine Täler auf der Nordseite und Südseite, die seit der Großtat des Führers im Herbst 1938 keine unnatürliche Grenze mehr trennt.“138 Im Kontext der nationalsozialistischen Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche darf der Hinweis auf die „NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘“ (KdF) nicht fehlen.139 Die Rolle der populär als „größter Reiseveranstalter der Welt“140 bezeichneten Fremdenverkehrssparte der Einheitsorganisation „Deutsche Arbeitsfront“ sollte nicht unterschätzt werden. Es ist dennoch zu konstatieren, dass die Nationalsozialisten von einer weitgehenden Demokratisierung des Tourismus in

135 Grieben Reiseführer [1941], 12; Dziedzic, Marcin: Szlak Saara-Śląsk. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 4/3 (2004) 37. 136 Brandes, Detlef: Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, München 2008 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 107). 137 Herr: Der Riesengebirgsverein. 138 Grieben Reiseführer [1941], 10. Zur touristischen Vermarktung der 1938 annektierten Gebiete vgl. Spode, Hasso: Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – ein Volk auf Reisen? In: ders. (Hg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur Tourismusgeschichte, Berlin 1991 (Freie Universität Berlin. Institut für Tourismus. Berichte und Materialien 11), 75–95, hier 88. 139 Vgl. Baranowski, Shelley: Strength Through Joy. Tourism and National Integration in the Third Reich. In: dies./Furlough (Hg.): Being Elsewhere, 213–236. Vgl. ferner dies.: Strength Through Joy. Consumerism in the Third Reich, Cambridge u. a. 2004. 140 Spode, Hasso: Ein Seebad für zwanzigtausend Volksgenossen. Zur Grammatik und Geschichte des fordistischen Urlaubs. In: Brenner, Peter J. (Hg.): Reisekultur in Deutschland. Von der Weimarer Republik zum ‚Dritten Reich‘, Tübingen 1997, 7–48, hier 24.

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Abb. 3: Der „Grieben“ von 1941 stellt die bestehenden und geplanten Autozufahrtsstraßen ins Riesengebirge, unter anderem die „Sudetenstraße“, dar. Der Reiseführer entstand mitten im Zweiten Weltkrieg, nach der Annexion der tschechoslowakischen Grenzgebiete (Sudetenland). Die Pläne zur weiteren Verkehrserschließung des Riesengebirges dienten auch strategischen Zielen des „Dritten Reiches“.

der Zwischenkriegszeit profitierten.141 Waren Erholungsreisen – wie oben dargelegt – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits bei großen Teilen der Mittelschicht verbreitet gewesen, wurde Reisen in der Weimarer Republik immer weiteren Kreisen zugänglich, während sich zeitgleich die Werbung immer modernerer Ausdrucksmittel bediente und Automobile im Lauf der Zeit zu einem immer bedeutenderen Transportmittel wurden.142 Seit Einführung offizieller Fremdenverkehrsstatistiken im Jahr 1929 stieg die Zahl der im Kreis Hirschberg registrierten Gäste von 120.000 auf 360.000 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an.143 141 Keitz, Christine: Grundzüge einer Sozialgeschichte des Tourismus in der Zwischenkriegszeit. Ebd., 49–72. In einer Umfrage unter Siemens-Mitarbeitern gaben 20 Prozent an, eine mehrtätige Urlaubsreise bereits unternommen zu haben – eine Intensität, die erst Mitte der fünfziger Jahre übertroffen wurde. Ebd., 63. Eine skeptische Einschätzung findet sich bei Kopper: The Breakthrough, 67f. Trotz allen politischen Nachdrucks gelang es jedoch nicht, die von der nationalsozialistischen Führung erwünschten egalisierenden Effekte zu erreichen und unerwünschte wie soziale Stratifikation unter den Reisenden oder ‚ungebührliches‘ Verhalten zu eliminieren. 142 Keitz: Grundzüge einer Sozialgeschichte, 62, 67–69; Hagen: Preservation, 149f. 143 Szczepański: Wpływ turystyki, 60, 64.

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Schreiberhau, das 1939 zum „Heilklimatischen Kurort“ erklärt wurde, war zu dieser Zeit eines der führenden Touristenziele in Deutschland mit jährlich 55.000 Übernachtungen (1938)144 und zeitweilig ein Mitbewerber für die Austragung der Olympischen Winterspiele 1936, die letztlich in Garmisch-Partenkirchen stattfanden.145 Erste Wintersportobjekte waren bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, zum Zentrum des Skisports entwickelte sich das Riesengebirge in den späten zwanziger Jahren. Die dynamische Entwicklung des Wintersports gehörte sicherlich zu den prägenden Phänomenen der Zwischenkriegszeit und erschloss für die Riesengebirgsregion neue Besuchergruppen. Der Trend ging somit in Richtung eines weiteren Ausbaus der Infrastruktur, was auch einen neuerlichen Bauboom in Gang setzte.146 Da die Eisenbahninfrastruktur bereits voll entwickelt war, warb man für Omnibusverbindungen147 und zeitweilig verfügte Hirschberg sogar über regelmäßige Flugverbindungen (1927–1935) mit Zentren der weiteren Umgebung.148 Die seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts immer wieder aufgebrachte Idee, eine Direktverbindung von Krummhübel bis zur Schneekoppe zu errichten, zum Beispiel als Schwebebahn, wurde letztlich eher wegen der geringen strategischen Bedeutung und nicht aufgrund von Naturschutzbedenken nicht realisiert.149 Es lohnt sich dabei insgesamt, das Verhältnis der Gebirgsvereine, gewissermaßen der ideellen Hausherren der Region, zum Umweltschutz zu problematisieren. Obwohl das Bewusstsein der Schutzwürdigkeit der Riesengebirgsnatur im RGV etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts vorhanden war, entschloss man sich erst 1927, eine Bergwacht zu gründen, und stellte 1933 Teile des Gebirges unter Schutz (Großer und Kleiner Teich, Schneegruben: Große, Kleine und Agnetendorfer sowie Melzer-

144 Ebd., 49. 145 Ebd., 135. Wiederholt fanden in Krummhübel (Deutsche Wintersportmeisterschaften 1930) und Schreiberhau (Europameisterschaften im Rodeln 1928) größere Wettkämpfe statt, die bis heute zu den wichtigsten Sportereignissen von überregionaler Bedeutung im Riesengebirge zählen. 146 Hatten in den Wachstumsjahren Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts noch typische Kurort- und Villenbauten, oft mit Türmchen o. ä. versehen, dominiert, knüpfte die Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre stärker an landschaftstypische Stile an, wobei dies auch die allgemeine Stimmung im Land reflektierte. Poser: Geographische Studien, 138–150. 147 Szczepański: Wpływ turystyki, 100–103. 148 Ebd., 109f. Auch eine Verbindung in den nunmehr polnischen Teil Oberschlesiens wurde auf Bestreben lokaler Hoteliers in Gang gesetzt, um Besucher von dort anzuziehen. 149 Szczepański: Wpływ turystyki, 78. Ende 2009 wurde jedoch angekündigt, mit EU-Fördermitteln eine Bahnverbindung zwischen Karpacz (Krummhübel) und Pec pod Snežkou (Petzer) mit einem Tunnel unter der Schneekoppe zu errichten. Somit erhielten die alten Pläne einer weiteren verkehrstechnischen Erschließung des Riesengebirges und stärkeren touristischen Nutzbarmachung der Landschaft neue Nahrung.

Regionale Vermittler: Die Rolle des Riesengebirgsvereins

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grund).150 Kritik am voranschreitenden Ausbau der touristischen Infrastruktur zu kommerziellen Zwecken blieb selten.151 Charakteristisch für diese Einstellung war der Umgang mit dem Projekt der so genannten Sudetenstraße.152 Diese ab 1930 entworfene Verbindung von Zittau nach Troppau führte durch die landschaftlich attraktivsten Teile der Sudeten. Von den Gebirgsvereinen (RGV bzw. Glatzer Gebirgsverein, GGV) wurde sie als „Aussichts-“ oder „touristische Trasse“ bezeichnet. Zu einigen Mutmaßungen über die politischen Hintergründe der Planung führte die Tatsache, dass die Straße über damals noch tschechoslowakisches Territorium verlaufen sollte.153 Bis zum Kriegsausbruch wurden allerdings nur Teile fertig gestellt, unter anderem die Verbindung von Bad Flinsberg nach Schreiberhau mit der bekannten „Todeskurve“.154 Bei der feierlichen Einweihung dieses Teilstücks am 17. Oktober 1937 war entsprechend von der „Erfüllung eines jahrzehntelangen Wunsches“ die Rede.155 Noch im selben Jahr wurden die Arbeiten an der Verbindung über das Gebirge bis Spindlermühle, wo bereits ab 1928 eine Zufahrt bis zum Spindlerpass bestanden hatte, begonnen. Aufgrund des Kriegsausbruchs wurden dieses Teilstück und auch die gesamte Sudetenstraße nicht fertig gestellt, auch wenn noch bis 1943 unter Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern weitergebaut wurde.156 Die bedingungslose Faszination für motorisierte Mobilität verweist auf ein wichtiges Phänomen im Schnittpunkt von Modernisierungs- und politischen Dis150 [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 53 (1933) 96–99, hier 96f.; Szczepański: Wpływ turystyki, 28; Nase, D.: Die Schaffung von Naturschutzgebieten im Riesen- und Isergebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 48 (1928) 179–183; Szczepański: Towarzystwo Karkonoskie, 84. 151 [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 53 (1933) 96–99, hier 97. So wurden Pläne, auf der böhmischen Seite des Koppenplans ein modernes Restaurant zu errichten, und die existierenden Verkaufsstände mit Andenken kritisiert; im Frühjahr 1933 befanden sich am Fuß der Schneekoppe insgesamt elf Gebäude, die auf Touristen ausgerichtet waren. Auf diese Händlerbuden hatte man es abgesehen und die Aufforderung zur Beseitigung dieser „Schandflecken“ wurde Ende 1940 wiederholt. Vgl. [N. N.]: Vom Gebirge. Ebd. 60 (1940) 77–80, hier 78. Darin wurde auch die Beseitigung der „Pfenning-Wasserfälle“ angekündigt. 152 Franczukowski, Zbigniew: Wokół genezy drogi sudeckiej. In: Śląski Labirynt Krajoznawczy 8 (1996) 95–106. Vgl. ferner Rzeczycki, Tomasz: Droga z Borowic na Przełęcz Karkonoską. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 5/9 (2005) 28–30. 153 Franczukowski: Wokół genezy, 95. 154 Die „Todeskurve“ (auch „Teufelskurve“) ist eine Biegung von nahezu 360 Grad an der Zufahrtstraße nach Schreiberhau und war – vor allem nach 1945 – ein populäres Objekt für Fotografen. 155 [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 57 (1937) 169–171, hier 170f. 156 Rzeczycki: Droga z Borowic, 28; Dauster, Georg: Achtzig Jahre Verkehrsentwicklung. In: Höhne (Hg.): Hirschberg, 133–142, hier 139. Den Opfern dieses Projekts ist ein Waldfriedhof unweit der Ortschaft Baberhäuser gewidmet. Seit Beginn der polnischen Verwaltung im Riesengebirge wurde die Idee der Fertigstellung des fehlenden Fragments bis zum Grenzübergang am Spindlerpass immer wieder diskutiert, jedoch ohne Ergebnis.

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kursen: die Reichsautobahnen.157 Die Baugeschichte und ihre ideologischen und sozialpolitischen Hintergründe sind oft beschrieben und diskutiert worden. Auch die durch diese neue Reiseerfahrung verursachte Veränderung in der Landschaftswahrnehmung haben Historiker bereits analysiert.158 Erhard Schütz behauptet, das Projekt habe entgegen der verbreiteten Meinung weniger der Arbeitsbeschaffung oder militärischen Zwecken gedient.159 Im Rückgriff auf Heimatschutz- und völkische Diskurse habe man den Genuss der ,deutschen Landschaft‘ im Sinn gehabt, indem auf Form (geschwungene Bahnen), Umgebung (Wald) oder Beibehaltung der Höhenunterschiede Wert gelegt worden sei.160 Das Projekt der Reichsautobahnen folgte nach Ansicht einiger Forscher also keineswegs der brachialen Logik eines totalitären Staates, sondern knüpfte an ältere Kulturlandschaftsdiskurse an, weswegen die Pläne als legitime Umgestaltung nach deutschen, völkischen Grundsätzen von der Heimatschutzbewegung begrüßt wurden.161 Wenn in der Überschrift dieses Abschnitts der Riesengebirgsverein als „regionaler Vermittler“ bezeichnet wird, geschieht dies aus zweierlei Gründen: Zum einen war das Ziel der Organisation, zwischen den Interessen unterschiedlicher Akteure zu vermitteln, um so einen Ausgleich zwischen Ausbau der Verkehrs- und touristischen Infrastruktur, Bewahrung der „Naturdenkmäler“ und Bewerbung ohne übertriebene Kommerzialisierung herzustellen. Anhand zeitgenössischer Berichte aus unterschiedlichen Jahren konnte festgestellt werden, dass dies nicht immer gelang und dass die Landschaft mit Nutzung überfrachtet wurde. Ansätze zum aktiven Umweltschutz lassen sich für die Zwischenkriegszeit belegen, wurden jedoch von der immer wieder aufflammenden Begeisterung für massentouristische Erschließung (Straßenbau) konterkariert. Zum anderen fungierten lokale Organisationen als Vermittler von Ideologien, hier: des Nationalismus, in der Provinz. Die Rolle des RGV ging weit über die eines passiven Empfängers von nationalem Gedankengut hinaus und erforderte ein aktives agenda setting in regionalen Medien und nicht zuletzt in der Landschaft. Durch entsprechende Berichte zu überregionalen Ereignissen, durch eigene Veranstaltungen und durch die symbolische Markierung des Gebirges konnte ein reichsdeutscher Patriotismus, der zunehmend in aggressiven Nationalismus umschlug, in breite Gesellschaftsschichten getragen werden. Ein etablierter, im lokalen Bürger157 Steiniger, Benjamin: Raum-Maschine Reichsautobahn. Zur Dynamik eines bekannt/unbekannten Bauwerks, Berlin 2005 (Kaleidogramme 2); Zeller, Thomas: Straße, Bahn, Panorama. Verkehrswege und Landschaftsveränderung in Deutschland von 1930 bis 1990, Frankfurt a. M. u. a. 2002 (Beiträge zur historischen Verkehrsforschung 3). 158 Pagenstecher, Cord: Die Automobilisierung des Blicks auf die Berge. Die Großglocknerstraße in Bildwerbung und Urlaubsalben. In: Busset (Hg.): Tourisme, 245–264. 159 Schütz, Erhard: „... eine glückliche Zeitlosigkeit...“. Zeitreise zu den ‚Straßen des Führers‘. In: Brenner (Hg.): Reisekultur, 73–100, hier 78. 160 Ebd., 85–87. 161 Lekan: Imagining the Nation, 250; Oberkrome: ,Deutsche Heimat‘, 186f.

Regionale Vermittler: Die Rolle des Riesengebirgsvereins

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tum verwurzelter Verein war dann in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts für die Nationalsozialisten eine willkommene Plattform, um ihre Themen, die zunächst oft eine radikalisierte Form bekannter Diskurse wie Heimatschutz oder „Tourismus für alle“ darstellten, zu popularisieren.162 Im Glauben, im nationalsozialistischen Staat einen effizienten Rahmen für ihre Ziele gefunden zu haben, ließen sich regionale Aktivisten für die nationalsozialistische Ideologie instrumentalisieren. Die Vereinigung beider Riesengebirgsteile erwies sich als Etappensieg und hochfliegende Visionen vom Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wurden bis Kriegsende hintangestellt.

5.

Schlussfolgerungen

Ziel dieses Kapitels war es, einen Abriss der historischen Entwicklung der Riesengebirgsregion zu liefern. Im Zentrum stand die Erschließung und gleichzeitig Formierung des Riesengebirges durch den Tourismus in kultureller und materieller Hinsicht. Dabei wurden verschiedene Perspektiven auf die Landschaft herangezogen: die romantische, die nationale und die wirtschaftliche, wie sie im Lauf der Geschichte entstanden waren und parallel ihre Wirkung entfaltet hatten. Gleichzeitig wurde gezeigt, wie diese Wahrnehmungsarten ihren fassbaren Niederschlag in der Landschaft gefunden hatten – durch die Errichtung der touristischen Infrastruktur, durch die wirtschaftliche Transformation der Region und schließlich durch mediale Diskurse in Büchern, Reiseführern, Bildern, Postkarten, Zeitschriften usw. Im Ergebnis dieser Entwicklung entstand ein komplexes Gebilde von Gebautem und Verbildlichtem, das von Reisenden wahrgenommen und anhand verinnerlichter kultureller Muster interpretiert, ‚gelesen‘, werden konnte. Mit dieser Gesamtkonstruktion wurden nach 1945 die Neuankömmlinge konfrontiert.

162 Der Frage, wie das deutsche Vereinswesen die organisatorische Durchdringung der Arbeiterschaft durch die Nationalsozialisten erleichterte, widmet sich Häberlen, Joachim C.: Trust and Politics. The Working-Class Movement in Leipzig and Lyon at the Moment of Crisis, 1929–1933/38 [unveröffentl. Diss., 2011].

III. Der Bruch (1945–1949) In diesem Kapitel wird die Situation in der Riesengebirgsregion unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieben. Zentrale Aspekte wie der erzwungene und gewaltvolle Bevölkerungsaustausch und seine gesellschaftlichen Folgen werden dargestellt, wobei auch auf die sozialen und politischen Entwicklungen innerhalb Polens in den Jahren 1945–1949 eingegangen wird. Des Weiteren werden im Einzelnen die kulturelle Dimension der Übernahme des Riesengebirges im Spiegel erster polnischsprachiger Publikationen sowie die Namensänderungen im Kontext einer kulturellen Markierung der Landschaft analysiert. Die Verbindung von übergeordneten Prozessen und Detailanalyse soll ein möglichst dichtes Bild über die Aneignung der Riesengebirgslandschaft durch polnische Neusiedler schaffen, mit dem Ziel, weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen.

1.

Einführung

Als die ersten Vertreter der neuen polnischen Verwaltung im Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) eintrafen,1 war die Riesengebirgsregion kein unbeschriebenes Blatt. Zwar kann von einer Zugehörigkeit zum mittelalterlichen polnischen Staat der Piasten, die in der Nachkriegszeit zur wichtigsten historischen Referenz avancierte,2 aufgrund der eingeschränkten herrschaftlichen Erschließung der Gebiete nur bedingt gesprochen werden;3 auch waren diese Gebiete politisch seit dem Spätmittelalter von der Entwicklung im polnischen Kulturraum abgeschnitten. Das Riesengebirge war jedoch keine terra incognita. Bezeichnenderweise waren es vor allem touristische und landeskundliche Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert, die

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In verschiedenen Quellen werden die Daten 19. bzw. 22 Mai 1945 genannt. Vgl. Rzęsista, Tadeusz: W Ratuszu zastaliśmy... czterech ojców miasta. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 5–10. Aufgrund offizieller Meldungen datiert Service, Hugo: Forced Migration and Identity in Silesia, 1945–1949 [unveröffentl. Referat auf der Tagung „Migration and Movement in European History“, Florenz 28.–30. April 2009], die Ankunft jedoch bereits auf den 19. Mai 1945. Zur politischen Relevanz des ,Piastenmythos‘ in der Volksrepublik vgl. Mazur, Zbigniew: Albumy o Ziemiach Zachodnich i Północnych. In: ders. (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego na Ziemiach Zachodnich i Północnych, Poznań 1997 (Ziemie zachodnie 18), 1–48, sowie ausführlicher Strauchold, Grzegorz: Myśl zachodnia i jej realizacja w Polsce ludowej w latach 1945–1957, Toruń 2003. Von der ungebrochenen Popularität des Motivs zeugen unter anderem die Feierlichkeiten zum 900-jährigen Bestehen von Jelenia Góra (Hirschberg) im Jahr 2008, die sich auf die legendäre Stadtgründung durch den Piastenherzog Boleslaw III. Schiefmund (Krzywousty) beziehen.

Einführung

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diese Region bekannt erscheinen ließen. Diese Publikationen fanden nach 1945 eine neue Verwendung. Der Versuch, eine polnisch(sprachig)e Präsenz im Riesengebirge etwa durch Eintragungen in Gästeverzeichnisse des 17. bis 19. Jahrhunderts zu belegen, hatte eine längere Tradition.4 Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten polnische Reisende solche Spuren betont. Zu den wichtigsten Dokumenten dieser Art gehörten die Poeme „Śląsk“ und „Sudety“ des galizischen Dichters und Zeichners Zygmunt Bogusz Stęczyński (1814–1890), auf dessen zum Teil ungestüme Übersetzungen und Polonisierungen von Ortsnamen im folgenden Jahrhundert gerne zurückgegriffen wurde.5 Nicht zufällig wurde sein Werk „Śląsk“ erst 1949 im schon polnischen Wrocław (Breslau) komplett veröffentlicht. Zeitgenössisch bekannter waren landeskundliche Beschreibungen von Wincenty Pol, dessen patriotisches „Lied über unser Land“ (Pieśń o ziemi naszej, 1843 erschienen) auch Reisen durch Niederschlesien und besonders die Sudeten einschloss. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckte man die Tagebücher einer gewissen Rozalia Saulson über ihren Kuraufenthalt 1849 im damaligen Bad Warmbrunn – in der Nachkriegspublizistik galten sie zunächst als anonymes Werk, bevor sie später als erster original polnischer Reiseführer überhaupt anerkannt wurden.6 Bereits vor Saulsons Aufzeichnungen waren in polnischer Übersetzung deutsche Reiseführer und -berichte aus den Sudeten erschienen, die Anfang des 19. Jahrhunderts von Gottlieb Wilhelm Korn in Breslau verlegt worden waren.7 Seit Mitte des 19. Jahrhundert ließ die polnische Präsenz im Riesengebirge stark nach, was einerseits auf die steigende kulturelle Entfremdung (im polnischen Schrifttum oft mit der „Germanisierung“ Schlesiens gleichgesetzt) und andererseits auf die aufkommende Konkurrenz seitens unterschiedlicher Kurorte im österreichischen und russischen Teilungsgebiet wie Zakopane und Krynica bzw. Truska4

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Kincel: Sarmaci na Śnieżce, 164f. Zur (angeblichen) Auseinandersetzung um die nationale Symbolik der Schneekoppe vgl. Kolbuszewski, Jacek: Z dziejów Śnieżki w Karkonoszach, Warszawa/Kraków 1990 (Biblioteczka turysty górskiego 17); Staffa: Karkonosze, 127–137, 154–169. Vgl. ferner Hartwich: Tourismusgeschichte. Zum Poem „Sudety“ vgl. Kolbuszewski, Jacek (Hg.): Sudety jako ciąg dalszy poematu Tatry przez Bogusza Zygmunta Stęczyńskiego autora Okolic Galicji, Jelenia Góra/Wrocław 1981 [Sonderbeilage im „Rocznik Jeleniogórski“]. Zur Biographie vgl. Wiśniewski, Wojciech W.: Maciej Bogusz Zygmunt Stęczyński (1814–1890). Pierwszy miłośnik Tatr, Beskidów i Sudetów. Życie i twórczość, Kraków 2006. Saulson, Rozalia: Warmbrunn i okolice jego... Przewodnik po Cieplicach Śląskich Zdroju i Karkonoszach z 1850 r. z oryginalnym tekstem Rozalii Saulson, Jelenia Góra 22008 [12000]. Eine entsprechende Erinnerungstafel wurde im Jahr 2000 an einem Haus am Plac Piastowski im Stadteil Cieplice Śląskie (Warmbrunn) angebracht. Der erste polnischsprachige Reiseführer durch ein Gebirge überhaupt war die 1827 erschienene Übersetzung von Carl Theodor Mattis’ „Das Riesen-Gebirge und dessen merkwürdigsten Parthieen der Reihe-Folge nach durch zwei und zwanzig Ansichten dargestellt und mit einer Gebirgs-Charte begleitet“ (1821).

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Der Bruch (1945–1949)

wiec und Druskienniki zurückzuführen war. Besuche polnischer Touristen aus den preußischen Provinzen Posen (Großpolen) und Oberschlesien – nach 1918 aus den entsprechenden polnischen Wojewodschaften – waren jedoch bis Ende der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts keine Seltenheit. Immerhin erschien den örtlichen Fremdenverkehrslobbyisten in der Zwischenkriegszeit eine Flugverbindung nach Oberschlesien als attraktiv. Eine strukturelle Relevanz besaß der polnische Fremdenverkehr anscheinend nicht, da es seit Ende des 19. Jahrhunderts keine polnischsprachigen Reiseführer für die Region mehr gab. Nach Meinung einiger polnischer Historiker trug eine verbreitete Polenfeindlichkeit dazu bei, dass das Riesengebirge unter polnischen Touristen stark an Popularität verlor.

2.

Ankunft – Ausweisung

Für die polnischen Neusiedler war das Riesengebirge zwar keine völlig fremde Region, ihr Bild setzte sich jedoch aus sehr heterogenen Teilen zusammen. Der Lehrer und spätere Autor zahlreicher regionalkundlicher Publikationen Józef Sykulski erinnerte sich etwa daran, dass er auf seiner Zugreise von Wrocław (Breslau) nach Jelenia Góra (Hirschberg) im Juli 1945 das Buch „W Górach Olbrzymich“ des Schriftstellers und polnischen Aktivisten aus Oberschlesien Stanisław Bełza gelesen hatte. Von der Lektüre des Buches angeregt, empfand Sykulski unterwegs, „dass wir zu Hause sind, denn alles herum war polnisch, von den Bahnangestellten, über die Einwohner, die ein- und ausstiegen – das alles muss tatsächlich auch früher polnisch gewesen sein“.8 An anderer Stelle fügte Sykulski hinzu: „Ich wusste nicht ganz, wo diese Góry Olbrzymie (Riesengebirge) [so im Original, Anm. d. Verf.] liegen. Von Bełza erfuhr ich, dass es unsere Karkonosze sind.“9 Selbst die zahlreichen polnischen Zwangsarbeiter, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region verblieben, hatten keine größere Kenntnis vom Riesengebirge. Auch als Deutscher konnte man sich seit dem Winter 1944/45 nicht mehr frei im Gebirge bewegen.10 Wie eine polnische Zeitzeugin feststellte, hatte sie erst nach der Befreiung erfahren, dass die „Schneekoppe“ jener aus den Schulbü-

8 ZNiO, Zbiór Józefa Sykulskiego, 101/91, „Wspomnienia nauczyciela z lat 1945–1956“ [1988], 153–249, hier 166f. 9 Sykulski, Józef: Niezapomniane lata. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 23–32, hier 27. 10 Im August 1944 stellten Zwangsarbeiter, von denen ein Großteil aus Polen stammte, ein Fünftel aller Arbeitskräfte (8.299 Personen) im damaligen Kreis Hirschberg. Ferner bestanden Kriegsgefangenenlager und eine Filiale des Konzentrationslagers Groß-Rosen in Warmbrunn. Vgl. Kwaśny, Zbigniew (Hg.): Jelenia Góra. Zarys rozwoju miasta, Wrocław u. a. 1989 (Monografie regionalne Dolnego Śląska), 205f.; Bartkowski, Zbigniew: Obozy pracy przymusowej i obozy jenieckie na Ziemi Jeleniogórskiej w latach 1939–1945. In: Rocznik Jeleniogórski 10 (1972) 87–113.

Ankunft – Ausweisung

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Abb. 4: Touristischer Prospekt „Sudetendeutsches Riesengebirge“. Nach dem Anschluss des böhmischen Teils des Riesengebirges an das Deutsche Reich 1938 wurde die Tourismusregion als „Sudetendeutsches Riesengebirge“ beworben.

chern bekannte Berg war, was zum Entschluss geführt hatte, vor Ort zu bleiben.11 Die Stadt Jelenia Góra (Hirschberg) muss auf die ersten Ankömmlinge auch einen unwirklichen Eindruck gemacht haben: Sie war unzerstört – im Februar 1945 hatte es einen kleineren Luftangriff gegeben und während der Eroberung am 8. Mai war eine Granate abgefeuert worden –, die Infrastruktur war völlig intakt – abgesehen vom gesprengten Bahnviadukt über den Bober –, sogar die Blumenbeete waren gepflegt. Die Stadt „erschien uns wie ein Paradies nach den Jahren der Okkupation“, erinnerte sich ein Neusiedler.12 Märchenhafte Zustände beschrieb auch die offizielle Propaganda, vor allem um Polen aus den an die Sowjetunion abgetretenen Gebieten zur angeblich freiwilligen Umsiedlung zu bewegen.13 Neben den historischen Ansprüchen auf Schlesien und dem sagenhaften Reichtum der Region spielten auch die „weltbekannten Kurorte“ Niederschlesiens eine gewisse Rolle in der Ansiedlungspropaganda, wie Grzegorz Hryciuk konstatiert.14 Die ersten Vertreter der polnischen Verwaltung, Mitglieder eines vom Wirtschaftsausschuss der Regierung (Komitet Ekonomiczny Rady Ministrów, KERM) 11 Gespräch mit Aniela Magdeczko, 15. Februar 2008. 12 Rzęsista: W Ratuszu, 6. 13 Hryciuk, Grzegorz: „Na baśniowym Dolnym Śląsku ...“. Propagandowa wizja Dolnego Śląska w radzieckiej prasie polskojęzycznej we Lwowie w latach 1944–1946. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 54 (1999) 507–518. 14 Ebd., 513. Vgl. ferner Strauchold, Grzegorz: Dolny Śląsk – „odzyskana perła“. In: Nowosielska-Sobel, Joanna/Strauchold, Grzegorz (Hg.): Trudne dziedzictwo. Tradycje dawnych i obecnych mieszkańców Dolnego Śląska, Wrocław 2006 (Spotkania Dolnośląskie 1), 9–15.

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Der Bruch (1945–1949)

entsandten Voraustrupps, machten sich schnell an die Arbeit. Es galt, Industrieund andere Betriebe zu übernehmen und schnell wieder in Gang zu setzen, die Lebensmittelversorgung zu organisieren und polnische Straßennamen einzuführen.15 Sykulskis Feststellung, dass die polnische Präsenz im Sommer 1945 allgegenwärtig war und überall polnische Fahnen sowie Hoheitsabzeichen an Amtsgebäuden angebracht waren, war eindeutig übertrieben.16 Das Anbringen polnischer Flaggen wurde etwa durch allerlei Betrüger missbraucht, um Häuser zu besetzen, oder diente der deutschen Bevölkerung, um ihre Wohnungen vor Besetzung oder Plünderung zu bewahren.17 Der Kampf um Wohnraum wurde auch bald zum wichtigsten Problem der neuen und alten Bevölkerung.18 Nicht nur anwesende polnische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beanspruchten die Häuser der Deutschen, sondern auch einströmende Umsiedler und Abenteurer (so genannte szabrownicy)19 aus Zentralpolen sowie Vertriebene aus Ostpolen. Wer es schaffte, eine Anstellung bei der polnischen Verwaltung zu finden, konnte ein Haus nach Wahl beanspruchen.20 Angesichts der anfangs geringen Zahl polnischer Einwohner überhaupt waren die Vertreter der staatlichen Institutionen wenig wählerisch bei der Personalauswahl, was zu vielen Fällen kriminellen Machtmissbrauchs führte. Die Immobilien wurden zu polnischem Staatsbesitz erklärt und deutsche Einwohner in einem gesonderten Stadtteil ‚konzentriert‘, wobei sie nun für ihre Wohnungen Miete zahlen mussten. Da die Reichsmark rasant an Wert verlor und im offiziellen Umlauf schnell durch 15 Von Interesse ist Zbigniew Kuliks Information, wonach die Straßen in Jelenia Góra (Hirschberg) zunächst Nummern erhalten hätten, um die Verwendung deutscher Namen zu vermeiden. Vgl. Kulik, Zbigniew: Organizacja komunikacji samochodowej w regionie jeleniogórskim w pierwszych latach po wyzwoleniu. In: Rocznik Jeleniogórski 21 (1983) 127–142, hier 129. 16 Sykulski: Niezapomniane lata, 27. 17 Leski, Wojciech: Moje pionierskie lata. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 33–40, hier 35. 18 In der 1985 erschienenen Biographie des ehemaligen Landrats Wojciech Tabaka sind dessen Aufzeichnungen aus jener Zeit abgedruckt. In einer Notiz zum Wohnraumproblem vom Dezember 1945 findet sich der charakteristische Satz: „Die Entfernung von 30.000 Deutschen würde die Wohnungs- und teilweise Versorgungsfrage lösen.“ Dominik, Bogumiła/ Dominik, Wacław: Wojciech Tabaka – Starosta, Wrocław 1985, 100. 19 Zaremba, Marcin: Związek szabrowników. In: Polityka, Nr. 25 vom 20. Juni 2009, 62–64. 20 Czesław Margas berichtet in seiner Chronik des Jahres 1946 über eine Annonce, die die verstaatlichte Papierfabrik in Janowice (Jannowitz) aufsetzte, um Arbeitskräfte aus dem Landesinneren anzulocken. Darin ist von der landschaftlichen Schönheit der Umgebung, den zur Verfügung stehenden Wohnungen, der ausgebauten Infrastruktur und „schönen landwirtschaftlichen Betrieben“ die Rede. Schon eine Woche später musste der Aufruf zurückgezogen werden, da sich zu viele Interessierte, vor allem ungelernte Arbeiter, gemeldet hatten. Ferner soll Jelenia Góra (Hirschberg) die erste Stadt in Niederschlesien gewesen sein, die trotz fehlender Kriegszerstörungen über keinen freien Wohnraum verfügte. Vgl. Margas, Czesław: Kronika roku 1946. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 109–122, hier 114–116.

Ankunft – Ausweisung

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den polnischen Złoty ersetzt wurde und zudem die Arbeitsmöglichkeiten für Deutsche stark eingeschränkt waren, verschlechterte sich die Lage der alten Bevölkerung zunehmend. So nahm man vielerorts die Kunde von der geplanten Aussiedlung fast schon mit Erleichterung auf.21 Die ersten Ausweisungen der deutschen Bevölkerung durch Einheiten der polnischen Armee und Miliz fanden bereits im Sommer 1945, das heißt noch vor den Beschlüssen der Alliierten in Potsdam, statt.22 Diese „wilden Vertreibungen“ betrafen vor allem grenznahe Kreise und zeitigten geringe Ergebnisse, da die Deutschen nach langen Fußmärschen sich allein überlassen oder vor der abgeriegelten Demarkationslinie an der Lausitzer Neiße aufgehalten wurden. Auch in Orten, wo das Militär nicht von sich aus zur Tat schritt, drängten polnische Verwaltungsvertreter auf schnelle Austreibung der deutschen Bevölkerung, auch wenn polnische Neusiedler noch nicht vorhanden waren. Die meisten Betroffenen kehrten jedoch bald an ihre alten Wohnorte zurück, wo sie ihre Häuser ausgeplündert vorfanden.23 Die ersten Aussiedlungstransporte verließen Niederschlesien, genauer: die zerstörte Hauptstadt Wrocław (Breslau), im Oktober 1945. Bis Dezember desselben Jahres mussten somit rund 42.000 Deutsche ihre Heimat verlassen.24 Als dann im Februar 1946 die Operation „Swallow“ (Schwalbe), das heißt die massenhafte, erzwungene Umsiedlung deutscher Schlesier in die britische Besatzungszone, begann, rechneten die Behörden mit 1,5 Millionen Menschen, die zumeist in Viehwaggons in den Westen deportiert werden sollten.25 Da im Kreis Hirschberg wäh21 Roth Walther: Rübezahl heimatlos, von Dr. Walter Roth, früher Rechtsanwalt u[nd] Notar in Hirschberg/Riesengebirge, vom 9.5.1945 bis 30.6.1946 Aeltester der Bezirksobleute der Stadt Hirschberg unter russischer Besatzung und polnischer Verwaltung, Hamburg 1949; Höhne (Hg.): Hirschberg, 63–83 (Chronik „Wann war es? – wie war es?“). Ein literarisches Zeugnis der Ereignisse findet sich bei Storm, Ruth: Das vorletzte Gericht, Würzburg 1953; dies.: Ich schrieb es auf. Das letzte Schreiberhauer Jahr, Würzburg 1961. 22 Borodziej, Włodzimierz/Lemberg, Hans (Hg.): „Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden...“. Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–1950. Dokumente aus polnischen Archiven, Bd. 4: Wojewodschaften Pomerellen und Danzig (Westpreußen), Wojewodschaft Breslau (Niederschlesien), Marburg 2004 (Quellen zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas 4/4). Vgl. ferner Hofmann, Andreas R.: Die Nachkriegszeit in Schlesien. Gesellschafts- und Bevölkerungspolitik in den polnischen Siedlungsgebieten 1945–1948, Köln u. a. 2000 (Beiträge zur Geschichte Osteuropas 30). 23 Ein bemerkenswertes Zeugnis dieser Zeit ist der Bericht des polnischen Gemeindevorstehers vom November 1946 über seine bisherige Tätigkeit. In: APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, Protokoll der ersten Sitzung vom 19. November 1946, 5–11. 24 Borodziej/Lemberg (Hg.): Unsere Heimat, 394f. 25 Volkmann, Rolf/Volkmann, Helga: Das Flüchtlingslager Mariental (1945–1947) und die Vertriebenentransporte aus Schlesien (1946–1947). Ein Beitrag zur Nachkriegsgeschichte der Gemeinde Mariental und des Landkreises Helmstedt, Grasleben 1997, 54. Nach polnischen Schätzungen vom Januar 1946 sollten allerdings aus Niederschlesien gut 1 Million Deutsche vertrieben werden. Vgl. Borodziej/Lemberg: Unsere Heimat, 402.

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rend des Krieges eine große Anzahl von Ausgebombten, Evakuierten, Flüchtlingen usw. untergebracht worden war, überstieg die Einwohnerzahl 1945 – sie betrug nun 113.000 – jene aus der Vorkriegszeit erheblich. Diese ‚externen‘ Gruppen wurden als Erste von den polnischen Behörden zum Verlassen der Region aufgefordert. Bald setzte eine starke Migrationsbewegung, vor allem über die schwer zu kontrollierende Grenze zur Tschechoslowakei, ein. Flüchtlinge und Evakuierte versuchten, über Nord- und Westböhmen die westlichen Besatzungszonen Deutschlands zu erreichen, während andere zu ihren Häusern und Verwandten auf der nördlichen Seite der Sudeten zu gelangen versuchten. So erklärt sich, warum zu Beginn der Aussiedlungen aus dem Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) im Mai 1946 immer noch rund 90.000 Deutsche in der Region lebten.26 Die erste Transportwelle brachte innerhalb von fünf Wochen bereits etwa 57.000 Personen in die britische Zone.27 Die deutsche Bevölkerung, gekennzeichnet durch weiße Armbinden, wurde zuerst in den Nordwesten der Stadt und später in ein gesondertes Aussiedlungslager umgesiedelt, von wo aus polnische Beamte sie zu den Transportzügen am großen Bahnknotenpunkt in Węgliniec (Kohlfurt) brachten. Um den untragbaren Verhältnissen schnellstmöglich zu entkommen, nutzten Deutsche die Dienste speziell zu diesem Zweck entstandener Fuhrunternehmen, die sie direkt nach Węgliniec (Kohlfurt) brachten und so die Vertreibung beschleunigten.28 Zurückgehalten wurden von den polnischen Behörden vor allem Facharbeiter und deren Angehörige sowie nicht transportfähige Kranke. Vorübergehend durften auch Geistliche beider Konfessionen bei ihren (deutschen) Gläubigen bleiben.29 26 Service: Forced Migration. 27 Ein vergleichsweise großer Teil musste die höher gelegenen Orte verlassen. So gab der Gemeindevorsteher im erwähnten Bericht an, dass von 7.000 deutschen Einwohnern 5.200 Karpacz (Krummhübel) verlassen mussten. 28 Roth: Rübezahl heimatlos, 46–48. Diese „individuellen Ausreisemöglichkeiten“ sollen von etwa 3.000 Menschen genutzt worden sein. Vgl. Witczak, Romuald: Okoliczności wysiedlania Niemców z Jeleniej Góry w latach 1945–1947. In: Rocznik Jeleniogórski 39 (2007) 167–178, hier 173. 29 Nach Madajczyk, Piotr: Niemcy polscy 1944–1989, Warszawa 2001, 23, fand allerdings der letzte deutschsprachige Gottesdienst in Wrocław (Breslau) am 30. Juni 1946 statt. Am 19. September desselben Jahres wurde die Evangelische Kirche der altpreußischen Union in den von Polen verwalteten Gebieten aufgelöst und der Staat übernahm den Besitz der evangelischen Kirche. Im Jahr 1947, das heißt nach Abschluss der größten Deportationswellen, seien sieben Pastoren in ganz Niederschlesien geblieben. Die evangelische Wang-Gemeinde in Karpacz (Krummhübel) existierte weiterhin – neben einer weiteren in Cieplice Śląskie (Warmbrunn) – als einzige in der Riesengebirgsregion. Die Gemeinden setzten ihre Seelsorgetätigkeit innerhalb der Polnischen Evangelisch-Augsburgischen Kirche fort. In einem Schreiben an den Landrat von Jelenia Góra (Hirschberg) vom 20. Juni 1949 bat ein Vertreter des niederschlesischen Konsistoriums darum, Gottesdienste auch in deutscher Sprache abhalten zu dürfen. APW-JG, 123/II: Starostwo Powiatowe w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 43: Fragen christlicher, nichtkatholischer Konfessionen 1949, 13.

Ankunft – Ausweisung

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Wie auch in anderen Regionen der neuen polnischen Nord- und Westgebiete spielten im Aussiedlungsprozess verschiedene Faktoren eine Rolle. Neben der politisch forcierten Vertreibungspolitik, die durch materielle Konkurrenz zwischen der alten und neuen Bevölkerung verstärkt wurde,30 kamen vielerorts partikulare Interessen hinzu.31 So wurden Facharbeiter gezielt zurückgehalten, teilweise noch über Jahre oder gar Jahrzehnte (zum Beispiel Bergleute und Maschinenbauer), und im Agrarsektor war es üblich, die deutschen Landwirte gegen Kost und Logis für die neuen Hausherren bis zur Austreibung arbeiten zu lassen; dabei war etwa die Sicherstellung der Ernte für 1946 erklärtes Ziel.32 Die extensive Nutzung der Deutschen als billige Arbeitskräfte – sie erhielten in der Regel etwa 50 Prozent des Lohns eines polnischen Arbeiters – führte zu Konflikten nicht nur zwischen der neuen und alten Bevölkerung, sondern auch zwischen Neusiedlern und Betriebsleitern. So verließen angeworbene Polen wiederholt enttäuscht die Region, nachdem sie festgestellt hatten, dass die versprochenen Arbeitsplätze durch Deutsche besetzt worden waren. Nach Andreas R. Hofmann waren sie im Dienstleistungssektor in den Kurorten des südlichen Niederschlesien besonders stark vertreten.33 Die entsprechenden Dokumente der Lokalverwaltung bestätigen diese Feststellung nur bedingt. Einer Zusammenstellung aus dem Jahr 1947 für Szklarska Poręba (Schreiberhau) zufolge arbeiteten die „reklamierten“, das heißt registrierten und als Arbeitskräfte zurückgehaltenen, Deutschen vor allem für die Glashütte, im Steinbruch, Forstrevier, Kraftwerk und in Handwerksbetrieben. Vereinzelt übten sie technische Tätigkeiten in den neu entstandenen Ferienheimen von Betrieben und Gewerkschaften aus.34 In einer ähnlichen Liste für die Gemeinde Karpacz (Krummhübel) aus den Jahren 30 In diesem Sinn ist zum Beispiel eine Resolution der (polnischen) Bewohner von Karpacz (Krummhübel) zu interpretieren, die während einer Versammlung im Oktober 1945 die übergeordneten Stellen mit ausdrücklichem Verweis auf die Lebensmittelversorgung zu einer schnellen Aussiedlung aller Deutschen aufforderten. Borodziej/Lemberg (Hg.): Unsere Heimat, 526f. Vgl. ferner Sielezin, Jan Ryszard: Polityka polskich władz wobec ludności niemieckiej na terenie Kotliny Jeleniogórskiej w 1945 r. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 55 (2000) 67–90. 31 Witczak: Okoliczności, 173. 32 Borodziej/Lemberg (Hg.): Unsere Heimat, 397f., 406. In der Landwirtschaft kamen erschwerend ungeklärte Eigentumsfragen hinzu, denn die staatliche Politik der Übertragung von Land und Immobilien an die Neusiedler hatte vielerorts zu Konkurrenzkämpfen und Frustration geführt. Vgl. Strauchold, Grzegorz: Spór o gospodarstwa rolne pomiędzy tzw. autochtonami polskimi a osadnikami polskimi na ziemiach północnych i zachodnich w latach 40. XX w. In: Kościk, Elżbieta/Głowiński, Tomasz (Hg.): Gospodarka i społeczeństwo w czasach PRL-u (1944–1989), Wrocław 2007, 60–69. 33 Hofmann: Die Nachkriegszeit, 248f. Von einem „starken deutschen Charakter“ der Städte aufgrund der extensiven Nutzung der bisherigen Bevölkerung im Dienstleistungsgewerbe spricht auch Madajczyk: Niemcy polscy, 28. 34 APW-JG, 143/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie, H. 81: Registereinträge der deutschen Bevölkerung 1947.

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1946/47 tauchen vereinzelt deutsche Mitarbeiter von Ferienheimen und sogar zwei Pensionsbetreiber auf – Letztere allerdings mit dem Vermerk, dass es sich um Personen handelt, die aufgrund ihrer polnischen Abstammung die polnische Staatsangehörigkeit beantragt hatten.35 Lediglich in einem Schreiben des Landrats von Jelenia Góra (Hirschberg) an die Gemeindeverwaltung in Karpacz (Krummhübel) vom 8. November 1946 ist von deutschen Mitarbeitern einer Souvenirmanufaktur die Rede.36 Dass sich die Beschäftigung von Deutschen in der Dienstleistungsbranche in den Quellen kaum nachweisen lässt, stellt das Phänomen an sich nicht in Frage. Man darf vermuten, dass diese als Hausmeister, Heizer o. ä. registriert wurden und in Wirklichkeit (auch) eine andere Tätigkeit ausübten. Vermutlich war es für einen polnischen Arbeitgeber einfacher, deutsche Mitarbeiter in diesen eher gefragten Berufen, die gewisse technische oder handwerkliche Fertigkeiten erforderten, unabkömmlich zu deklarieren als im Fall von Servicekräften, die sich vermeintlich schneller durch polnische, ungelernte Beschäftigte ersetzen ließen. Möglicherweise war die Anstellung von Deutschen im gastronomischen Bereich tatsächlich unerwünscht, um die deutsche öffentliche Präsenz klein zu halten.37 Ein gesondertes Phänomen, auf das schließlich hingewiesen werden sollte, ist das berufliche Profil der polnischen Neuankömmlinge in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Neben vielen aus dem Inneren des Reiches zurückkehrenden Zwangsarbeitern und ehemaligen Lagerinsassen fanden sich unter den Neusiedlern relativ oft Unternehmer oder Vertreter der Dienstleistungsberufe. Sie kamen manchmal aus den zerstörten Städten Zentralpolens, vor allem aus Warszawa (Warschau), aber auch aus kleineren Orten, und folgten dem Ruf der Ansiedlungspropaganda oder hatten aus anderen Quellen vom Reichtum der Riesengebirgsregion erfahren. Entweder mussten sie ihr Leben neu aufbauen oder wollten einfach ihr Glück im so genannten Wilden Westen versuchen.38 Vielen mag es dabei wie einer gewissen Zofia Marosz ergangen sein, die im Oktober 1946 eine Tätigkeit im Observato35 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 37: Auflistung von Deutschen mit grünen Reklamationskarten nach der Verifizierung. Auflistung von Deutschen, die sich um die polnische Staatsbürgerschaft bemühen 1946–1947. Auch hier entfielen jedoch die meisten zurückgehaltenen deutschen Facharbeiter auf die umliegenden Betriebe, zum Beispiel die Leinenfabrik „Orzeł“ in Mysłakowice (Zillerthal-Erdmannsdorf ). 36 Ebd. In einem anderen Register wurden die ausgesiedelten Bauden- und Gaststättenbesitzer erwähnt. Auf der letzten Transportliste aus Karpacz (Krummhübel) vom 3. Juli 1948 befand sich auch ein gewisser Otto Renner, der im Ferienheim der Papierfabrikarbeiter tätig gewesen war. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 38: Auflistung der repatriierten Deutschen 1946–1948. 37 Auf einen entsprechenden Runderlass vom Mai 1946 verweist Thum, Gregor: Die fremde Stadt. Breslau 1945, Berlin 2003, 147. 38 APW-JG, 141/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Sobieszowie, H. 74: Ansiedlung 1946; APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 48: Meldeverzeichnis für vorübergehenden Aufenthalt 1951.

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rium auf der Schneekoppe aufnahm und bereits im Dezember das Riesengebirge in Richtung Krynica wieder verließ.39 Sofern nicht von Anfang an – wie in vielen Fällen – die Absicht einer schnellen (kriminellen) Bereicherung bestand, erklärt sich diese Tatsache aus der Erkenntnis, keine Zukunftsperspektiven in der Region zu haben. Eine These dazu folgt am Ende dieses Kapitels.

3.

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Zum politischen Hintergrund des Bevölkerungsaustausches in den früheren deutschen Ostgebieten und zur ideengeschichtlichen Analyse des so genannten polnischen Westgedankens, der die Grenzverschiebungen und ihre Folgen rechtfertigte, liegen bereits zahlreiche Studien vor.40 Deshalb sollte an dieser Stelle ein grober Abriss der Prozesse mit den wesentlichen Charakteristika dieses Phänomens genügen. Der intellektuellen Marschrichtung des Kreises um den Historiker und Soziologen Zygmunt Wojciechowski – des Polnischen Westverbands (Polski Związek Zachodni, PZZ) in Poznań (Posen) – entsprechend, basierte die Argumentation für die Grenzverschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem auf folgenden Punkten: 1. Die neu erworbenen Gebiete, im offiziellen Sprachgebrauch bis etwa 1949 als „Wiedergewonnene Gebiete“ bezeichnet, hätten zu Zeiten der Piastendynastie zu Polen gehört, seien durch die deutsche Expansion („Drang nach Osten“) geraubt worden und kehrten im Zuge historischer Gerechtigkeit nun zum polnischen Staat zurück.41 2. Die früheren preußischen Ostprovinzen seien mehrheitlich von polnischsprachigen Slawen bewohnt gewesen, die von einer Minderheit aus deutschen Feudalherren und Bourgeoisie unterdrückt und ‚germanisiert‘ worden seien; die ursprüngliche, ‚autochthone‘ Bevölkerung müsse lediglich zu ihrem Polentum zurückfinden, also ‚repolonisiert‘ werden.42 39 Ebd., H. 41: Ankommende 1946. 40 Borodziej/Lemberg (Hg.): Unsere Heimat; Thum: Die fremde Stadt; Strauchold: Myśl zachodnia; ders.: Die „Wiedergewonnenen Gebiete“ und das „piastische Schlesien“. In: Czapliński/Hahn/Weger (Hg.): Schlesische Erinnerungsorte, 306–322; Krzoska, Markus: Für ein Polen an Oder und Ostsee. Zygmunt Wojciechowski (1900–1955) als Historiker und Publizist, Osnabrück 2003 (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau 8). 41 Zur aktuellen Auseinandersetzung um diesen Terminus vgl. Jasiński, Janusz: Kwestia pojęcia Ziemie Odzyskane. In: Sakson, Andrzej (Hg.): Ziemie Odzyskane/Ziemie Zachodnie i Północne 1945–2005. 60 lat w granicach państwa polskiego, Poznań 2006 (Ziemie Zachodnie – Studia i Materiały 23), 15–26. 42 Das Autochthonenproblem wurde umfassend dargestellt von Strauchold, Grzegorz: Autochtoni polscy, niemieccy, czy... Od nacjonalizmu do komunizmu (1945–1949), Toruń 2001.

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3. Die Grenzverschiebungen seien Folge des durch Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkriegs und die gerechte Strafe für die Verbrechen und Verwüstungen der Wehrmacht. Im letzten Punkt schwang das Argument mit, Polen müsse für die Gebietsabtretungen im Osten – unter anderem Galizien, Wolhynien und das Wilnaer Gebiet – entschädigt werden, zumal diese de facto schon im Sommer 1944 vom so genannten Lubliner Komitee (Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego, PKWN), einem kommunistisch kontrollierten Regierungsersatz, an die Sowjetunion abgetreten worden waren. Vor diesem Hintergrund und unter Ausnutzung weit verbreiteter antideutscher Ressentiments spielten die Kommunisten der Polnischen Arbeiterpartei (Polska Partia Robotnicza, PPR) die „nationale Karte“43 und forderten die Verschiebung der Westgrenze an Oder und Neiße. Die alliierten Beschlüsse von Jalta und Potsdam sanktionierten diese von Stalin eingebrachten Forderungen, wobei schon im Frühjahr 1945 ein zum Teil spontaner, zum Teil durch die politische Lage und bürgerkriegsähnliche Zustände erzwungener Umsiedlungsprozess aus den polnischen Ostgebieten und Zentralpolen eingesetzt hatte. Im sozialistischen Polen durfte jedoch nie offiziell das Argument der Entschädigung für die Gebietsverluste an die Sowjetunion ausgesprochen werden. Die bemerkenswerten Vorarbeiten des Wojciechowski-Kreises aus der Zwischenkriegs- und auch der Besatzungszeit fanden in der Praxis nur punktuell Anwendung. So wurden die intellektuellen Mitstreiter aufgrund ihrer ethnographischen und sprachwissenschaftlichen Forschungen etwa in den aufwendigen Umbenennungsprozess einbezogen, ihre Thesen zum Ansiedlungsverlauf wurden jedoch nie umgesetzt: Die Konzeption etwa, Siedlergruppen entsprechend dem Ursprungsgebiet nach Breitengraden geschlossen anzusiedeln, misslang völlig.44 Auch die Absicht, Remigranten einschließlich Angehöriger der polnischen Minderheit und Polnischstämmiger aus Deutschland in stärkerem Maß für die Westgebiete zu gewinnen, zeitigte nicht die gewünschten Effekte.45 Insgesamt wurden alle Institutionen von der Dynamik der großen Völkerwanderung überrumpelt, so dass von einem kontrollierten oder gar gesteuerten Ansiedlungsprozess nicht die Rede sein kann.46 Es war letztlich eine sehr heterogene Gruppe von Neusiedlern, die den Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) nach 1945 zu bevölkern begann. Außer einer zahlenmäßig kleinen, aber für die spätere Erinnerungskultur durchaus relevanten Gruppe von Zwangsarbeitern und ersten Mitarbeitern der polnischen Verwaltung, den so genannten Pionieren, gehörten zu den neuen Bewohnern ein nicht unbedeutender Anteil ostpolnischer Vertriebener, zahlreiche Umsiedler aus Zentralpolen, polni43 44 45 46

Strauchold: Dolny Śląsk, 14, bezeichnet es als „nationale (nationalistische) Staffage“. Thum: Die fremde Stadt, 131. Hofmann: Die Nachkriegszeit, 144. Ebd., 91–95; Strauchold: Myśl zachodnia, 137–139.

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sche Oberschlesier und demobilisierte Militärangehörige.47 Ferner wurden im südlichen Niederschlesien zwischen 1945 und 1950 kleinere Gruppen von Rückwanderern aus Jugoslawien, Rumänien und Frankreich sowie griechische Bürgerkriegsflüchtlinge angesiedelt. Da die schwierige Integration dieser Bevölkerungsteile in die neu entstehende Gesellschaft nicht Gegenstand dieser Studie ist, genügt an dieser Stelle ein Hinweis auf diese Problematik vor dem Hintergrund der Aneignungsprozesse in der Region. Trotz der schon nach wenigen Jahren propagandistisch proklamierten völligen Integration der neuen Gesellschaft und des erfolgreichen Zusammenwachsens mit Polen dauerte dieser Prozess noch einige Jahrzehnte.48 Die Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg des Ansiedlungsprozesses entschieden, lassen sich wie folgt kategorisieren: 1. Materiell wurden die „Wiedergewonnenen Gebiete“ als Eldorado beschrieben, was im krassen Gegensatz zur Realität der kriegsverwüsteten Oderstädte und von Teilen Südniederschlesiens stand. Trotz aller kritischen Berichte, vor allem seitens bereits umgesiedelter oder wieder zurückgekehrter Freunde und Familienangehöriger, übte der sagenhafte Reichtum der Region eine große Anziehungskraft aus. Aufgrund der Entvölkerung, der voranschreitenden Vertreibung der deutschen Bevölkerung und insgesamt der großen Bevölkerungsfluktuation war es für Polen in der ersten Ansiedlungsphase trotzdem relativ einfach, eine gut bezahlte Anstellung zu finden oder ein Unternehmen zu gründen bzw. zu übernehmen. Im September 1945 entstand in Jelenia Góra (Hirschberg) der „Verein Polnischer Kaufleute“ (Stowarzyszenie Kupców Polskich) als Erster dieser Art und sorgte für die Über- und Inbetriebnahme der Kaufläden, was zur äußerlichen Polonisierung der Stadt beitrug.49 2. Kulturell gesehen waren die neuen Gebiete, allen Behauptungen zum Trotz, völlig fremdes Land. „Sowohl die Natur als auch die kulturelle Organisation Niederschlesiens waren für die Siedler neu und von ihren Ursprungsgebieten verschieden. Fast alles war fremd: Natur, Topographie (Menschen aus Niederungen fanden sich im hügeligen Gebiet wieder), die Pflanzenarten, die Bewirtschaftungsmethoden, die Ausstattung der Häuser und der Bauernhöfe usw. Im Zusammenprall mit einer von fremder Kultur dominierten Realität wurden die

47 Zu Militärsiedlern existiert eine umfangreiche zeitgenössische Forschungsliteratur. Gralak, B[ronisław]: Osadnictwo wojskowe na Dolnym Śląsku w latach 1945–1947. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 32 (1977) 37–51. Vgl. ferner Bajer, Wacław: Wspomnienia z pierwszych miesięcy pobytu na Ziemi Jeleniogórskiej w roku 1945 (Czarne). In: Rocznik Jeleniogórski 39 (2007) 163–166; Witczak, Romuald: Zostało w rodzinnej pamięci. Świadomość dolnośląskiego zakorzenienia wśród studentów Kolegium Karkonoskiego. In: Rocznik Jeleniogórski 35 (2003) 221–248. 48 Niedźwiedzki, Dariusz: Odzyskiwanie miasta. Władza i tożsamość społeczna, Kraków 2000. 49 Vgl. Leski: Moje pionierskie lata.

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Migranten unter Schock versetzt, sie hatten Angst vor der neuen Umgebung.“50 Die Ankommenden hatten – wenn überhaupt – nicht nur eine vage Ahnung von der Lage, dem Erscheinungsbild und der Lebenswirklichkeit der neuen Gebiete, sie hatten auch kaum Möglichkeiten, sich darin selbständig zurechtzufinden. Die wichtigsten Hindernisse waren: der deutsche Charakter des Landes, verstärkt noch durch die Präsenz der alten Bevölkerung bzw. nach Abschluss der Vertreibung der restlichen Deutschen; die fremde materielle Ausstattung der Orte und Häuser; die heterogene Zusammensetzung der polnischen Neusiedlergruppen; die ungewohnte Wirtschaftsstruktur sowie das Fehlen eines stabilen gesellschaftlich-politischen Rahmens. 3. Den Alltag der neuen Bevölkerung bestimmten das Chaos in der Verwaltung, verbunden mit der sowjetischen Armee als unvorhersehbaren Gewaltfaktor, sowie die Ungewissheit bezüglich der weiteren Entwicklung Polens und des Fortbestands der neuen Grenzen. Trotz der nicht kontrollierbaren Kriminalität51 schien jedoch die entstehende polnische Verwaltung einschließlich der Institutionen des sozialen Lebens (Schulen, Krankenhäuser usw.) insgesamt positiv auf die Neusiedler gewirkt zu haben. Angesichts des Fehlens anderer Bindungen spielte die Tätigkeit der lokalen Verwaltung eine zentrale Rolle beim Aufbau einer neuen Gemeinschaft.52 Dies erklärt auch, warum der damalige Regierungsbevollmächtigte für den Abschnitt 29 (Pełnomocnik Rządu RP na Obwód nr 29) und spätere Landrat von Jelenia Góra (Hirschberg), Wojciech Tabaka, ein so großes Ansehen genoss. Vor allem in den Gebirgsorten waren die eingesetzten polnischen Bürgermeister der Kristallisationskern der neuen Ordnung und somit wichtige Bezugspersonen für die einströmenden Siedler.53 Beachtlich war auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation, sei es in schichtenspezifischen, politischen oder Interessengruppen. So ging die Organisation des polnischen Fremdenverkehrs nach 1945 auf das ehrenamtliche Engagement lokaler Aktivisten zurück.54 50 Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 214. 51 Jelenia Góra (Hirschberg) hatte in den Nachkriegsjahren den Ruf der „kriminellsten Stadt Polens“, was wohl nicht zuletzt am sagenhaften Reichtum der Stadt lag. Iwanek, Marian: Miejska Rada Narodowa w Jeleniej Górze w latach 1945–1950. In: Rocznik Jeleniogórski 22 (1984) 19–38, hier 30. In zeitgenössischen Presseberichten spielte das Problem der Kriminalität und allerlei ‚bunter Vögel‘, die mit Geld um sich werfen, eine wichtige Rolle. Diese Darstellung bezeichnete Margas: Kronika roku 1946, 109, im Rückblick als übertrieben. 52 Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 12f. 53 Vgl. den Bericht des ersten Gemeindevorstehers von Karpacz (Krummhübel). APW-JG, 136/ II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, Protokoll der ersten Sitzung vom 19. November 1946, 5–11. 54 Kulik, Zbigniew: Przejmowanie poniemieckiego majątku turystycznego w Sudetach i na Dolnym Śląsku po II wojnie światowej. In: Wierchy 64 (1999) 193–212. Auch für Thum: Die fremde Stadt, 132, liegt der Grund für den einigermaßen geordnet ablaufenden Bevölkerungsaustausch in den Beteiligten selbst und ihrer Selbstorganisation.

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Kaum war der Zweite Weltkrieg beendet, wurde wieder über Tourismus nachgedacht.55 Hatte der Fremdenverkehr in der Zweiten Polnischen Republik noch eine nachgeordnete Priorität für die zentralen Stellen gehabt, so eröffneten sich mit der Übernahme der früheren preußischen Ostprovinzen neue Möglichkeiten. „Außer vielen natürlichen Ressourcen besitzt das wiedergewonnene Niederschlesien touristische Gebiete von außerordentlichem Wert, mit der Perle des Sudetengebirges. […] Sein höchster und schönster Teil ist das Riesengebirge“, schrieb ein Autor eines frühen Reiseführers über die Region.56 Viele Aktivisten sozialer Träger und Förderer des Tourismus wie die „Polnische Gesellschaft für Landeskunde“ (Polskie Towarzystwo Krajoznawcze, PTK, gegründet 1905) und die „Polnische Tatra-Gesellschaft“ (Polskie Towarzystwo Tatrzańskie, PTT, gegründet 1873) verknüpften den politischen Wechsel in Polen mit der Hoffnung auf Demokratisierung der Freizeitorganisation.57 Schon in den zwanziger und dreißiger Jahren waren diese Kreise relativ gut mit polnischen staatlichen Institutionen vernetzt und namentlich Mieczysław Orłowicz hatte entsprechende Funktionen im Eisenbahn- bzw. Verkehrsministerium wahrgenommen. Allerdings gelang es damals nicht, eine effiziente Institution zu errichten. Die Vorbilder lieferten zu jener Zeit zentrale, straff organisierte, ja autoritäre staatliche Stellen in Deutschland, Italien und der Sowjetunion. Einen Teilerfolg erzielte man in den von nationalen Minderheiten bewohnten Ostkarpaten, die im Sinn einer nationalstaatlichen Strukturpolitik für den Fremdenverkehr ausgebaut wurden.58 Orłowicz’ Reisen in der Zwischenkriegszeit zielten zu einem großen Teil darauf ab, erprobte Modelle einer touristischen Entwicklung von peripheren, wirtschaftlich schwachen Regionen zu finden und gegebenenfalls zu übertragen. Den Aktivistenkreisen kam nach 1945 zugute, dass eine Nähe zur Politik zwar immer bestanden hatte, aber der Charakter einer gesellschaftlichen Organisation erhalten blieb.59 Im Herbst 1945 kam es zu ersten Kontakten mit Vertretern der 55 So gehörte der Lemberger Jurist und spätere langjährige Tourismusaktivist und -funktionär Stanisław Bialikiewicz zur ersten Gruppe polnischer Verwaltungsvertreter, die im Mai 1945 in Jelenia Góra (Hirschberg) ankamen. Mateusiak, Andrzej: Oddział – sylwetki i wspomnienia. In ders. (Hg.): 50 lat Oddziału PTT-PTTK „Sudety Zachodnie“, Jelenia Góra 1996, 58. 56 Sobański, Marian: Karkonosze. Popularny przewodnik turystyczny i wczasowy, Warszawa 1947, 3. 57 Skowron, Wanda: Czy można było dokonać więcej? Ostatnie – powojenne lata działalności PTK 1945–1950, http://khit.pttk.pl/index.php?co=tx_powojnie_00 [Zugriff am 31.12.2007]. Zur Vorgeschichte des ‚demokratischen Tourismus‘ vgl. Cross, Gary: Vacations for All. The Leisure Question in the Era of the Popular Front. In: Journal of Contemporary History 24 (1989) 599–621; Brenner (Hg.): Reisekultur. 58 Kowalik: Wycieczki sierpniowe, 19f. 59 Im Oktober 1945 übernahm Mieczysław Orłowicz wieder die Stelle eines Touristikreferenten im Verkehrsministerium.

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neuen Staatsmacht, der von den Kommunisten (PPR) dominierten Übergangsregierung. Vor dem ersten PTK-Treffen nach Kriegsende am 4. November 1945 nahm der Schriftleiter (Sekretär) Kazimierz Staszewski Kontakt zum Informationsund Propagandaministerium auf, das die Aufnahme der Tätigkeit durch die PTK als „höchst begrüßenswert“ bezeichnete.60 In dieser Phase der Machtübernahme waren die schwach organisierten Kommunisten auf die Hilfe externer Milieus nahezu angewiesen und nahmen sie gerne an, vor allem dann, wenn damit keine politischen Ansprüche verbunden waren. Zudem kam den mit Machtkämpfen in Warszawa (Warschau) beschäftigten Kommunisten das deklarierte Engagement dieser Organisationen in den neuen Westgebieten sehr entgegen. Zu den Aufgaben der wieder gegründeten PTK gehörten laut Entschließung vom 4. November 1945 die organisatorische Durchdringung der so genannten Wiedergewonnenen Gebiete und deren Popularisierung im Nachkriegspolen. Schon vor diesem Datum war es lokal zur Selbstorganisation von PTT- und PTK-Vertretern und unabhängigen Aktivisten im Riesengebirge gekommen.61 Im September 1945 wurde in Przesieka (Hain) die „Niederschlesische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde“ (Dolnośląskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, DTTK) unter der Schirmherrschaft des Wojewoden Stanisław Piaskowski gegründet. Die DTTK übernahm alsbald vier Gebirgsbauden: die schlesische Baude auf der Schneekoppe, das Schlesierhaus, die Reifträgerbaude und die Neue Schlesische Baude. Bis Ende des Jahres wurden zudem erste Betriebsferienheime eingerichtet und die frühere Hampelbaude – von den Studenten der Krakauer Jagiellonen-Universität in „Strzecha Akademicka“ (sinngemäß: Akademikerhütte) umbenannt – übernommen.62 Im Februar 1946 entstand als wirtschaftlicher Zweig der DTTK die „Niederschlesische Touristische Genossenschaft“ (Dolnośląska Spółdzielnia Turystyczna, DST), die auch einen ersten vom stellvertretenden DTTK-Vorsitzenden Franciszek Załuski verfassten Reiseführer mit dem Titel „Krótki przewodnik-infor-

60 Skowron: Czy można było, [3]. 61 Nicht selten handelte es sich dabei auch um ehemalige Angehörige der Untergrundarmee „Armia Krajowa“ (AK, Heimatarmee), die sich in der Peripherie vor dem Zugriff der Kommunisten verstecken wollten, unter anderem auch Stanisław Taczak jun., der als erster inoffizieller Gebirgsführer im Riesengebirge bekannt wurde. Lech z Poznania: Pierwszy powojenny przewodnik sudecki. Zapomniany ‚gazda‘ z Karpacza, http://jeleniagora.mojeforum.net/vp36.html [Zugriff am 14.7.2009]. Taczak war zudem einer der Mitbegründer einer als Vorform der Sudetenbergwacht bekannten Gruppe. Vgl. Lackowska, Izabela/Mazurski, Krzysztof R.: Karkonoskie Górskie Ochotnicze Pogotowie Ratunkowe. In: Rocznik Jeleniogórski 38 (2006) 185–196. 62 Margas, Czesław: Kronika roku 1945. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 133–141, hier 139. Andernorts tauchten in der Aufstellung der DTTK-Objekte auch die Herberge an der Kynastburg sowie ein Hotel und eine Pension in Jelenia Góra (Hirschberg) auf. Mateusiak, Andrzej: Oddział PTTK „Sudety Zachodnie“. In: Mazurski, Krzysztof R. (Hg.): Pięćdziesięciolecie PTTK na Dolnym Śląsku, Wrocław 2001, 60–66.

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mator po Dolnym Śląsku i Sudetach“ (Kurzer Reiseführer-Informationsheft für Niederschlesien und die Sudeten) herausgab.63 Die rechtliche Grundlage für die vonstatten gehenden Übernahmen bildete das Dekret vom 6. Mai 1945 über „verlassenes“ Eigentum. Demnach unterlag ehemaliges deutsches Staatseigentum, aber auch Privatbesitz, der Nationalisierung durch den polnischen Staat, wobei am Finanzministerium eine Treuhand-Behörde (Tymczasowy Zarząd Państwowy, TZP) mit Abteilungen in den einzelnen Wojewodschaften eingerichtet wurde. Im November 1945 berief das Verkehrsministerium eine zweitägige Konferenz im Wojewodschaftsamt in Wrocław (Breslau) ein, bei der über die weitere Zukunft der einzelnen touristischen Objekte beraten werden sollte. Die endgültige Entscheidung wurde jedoch an eine genaue Ortsbesichtigung geknüpft und in der Zwischenzeit hatten einzelne Betriebe, Gewerkschaften, Behörden und Organisationen mit der spontanen Übernahme der Hotels und Pensionen begonnen. Zentrale Entscheidungsprozesse waren der Realität vor Ort immer um mindestens einen Schritt hinterher.64 Ende des Jahres begannen die etablierten Organisationen PTK und PTT, in der Region Fuß zu fassen, und im Dezember 1945 wurde der Anschluss der DTTK an die PTT beschlossen, jedoch erst im August 1946 vollzogen. Nichtsdestoweniger setzte die regionale Genossenschaft DST ihre Tätigkeit fort, zumal rechtliche Regelungen zur Verwaltung touristischer Objekte weiterhin unklar blieben. So wurde per Verstaatlichungsgesetz vom 8. März 1946 das staatliche Reisebüro „Orbis“ zum Eigentümer aller Immobilien dieser Art erklärt, während die PTT unter Berufung auf Absprachen mit dem Verkehrsministerium nach wie vor zahlreiche Bauden für sich beanspruchte. In der Praxis war jedoch die Vollstreckung dieser Ansprüche vor Ort problematisch, so dass DST-Mitarbeiter weiterhin die Entscheidungsträger waren. Oft wurden die Objekte bei der Übernahme auch ausgeplündert vorgefunden,65 während Probleme mit Pächtern und Verwaltern sowie eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter für einige Jahre verbreitet waren. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1947 stabilisierte sich die Lage und so übernahm letztlich „Orbis“ 43

63 Mateusiak, Andrzej (Hg.): 50 lat przewodnictwa PTTK na Ziemi Jeleniogórskiej 1953–2003, Jelenia Góra 2003, 8. 64 Kulik: Przejmowanie, 194f. Auch lokale Verwaltungsvertreter waren an einer raschen Übergabe der Objekte interessiert, was oft mit dem Wunsch nach prominenten Schirmherren verknüpft war. So übergab der Bürgermeister von Szklarska Poręba (Schreiberhau), Piotr Kania, im September 1945 jeweils ein Ferienheim an das Zentral- und Wojewodschaftskomitee der PPR und an den Armeemarschall Michał Rola-Żymierski. Letzterer besuchte die Region sogar im Januar 1946. APW-JG, 143/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie, H. 65: Vertrauliches 1945–1946, 30–34. 65 Die Wiederherstellung und Ausstattung von acht Bergbauden durch die DST lobte in einem Bericht vom September 1947 auch Landrat Wojciech Tabaka. Vgl. Dominik/Dominik: Wojciech Tabaka, 139.

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Objekte in den Sudeten, während der PTT die Obhut für 37 Bauden und Berghütten übertragen wurde.66 Anfang 1946 wuchs unter polnischen Tourismusaktivisten immer mehr das Bewusstsein nicht nur für die Möglichkeiten, die der Anschluss der Westgebiete bedeutete, sondern auch für die Dringlichkeit der Aufgabe. Seit dem Frühjahr 1946 häuften sich die Beratungen und Arbeitssitzungen von PTK und PTT und ein lebhafter Schriftverkehr mit zentralen Stellen setzte ein. Es galt, noch vor dem Sommer möglichst viele Objekte sicherzustellen, um für den erwarteten Besucherstrom gewappnet zu sein. Außer einer großen Anzahl von Arbeiterurlaubern rechnete man bereits mit Individualtouristen und zahlreichen Kinderferienlagern. Anscheinend war man sich in Aktivistenkreisen darüber einig, die Dimensionen des Fremdenverkehrs im Vergleich zur Vorkriegszeit stark einzuschränken. Der PTT-Vorstand sprach von einem Ziel von etwa 150.000 Touristen jährlich, was den Abriss einiger Objekte nach sich gezogen hätte.67 Befeuert wurden diese Diskussionen nicht nur durch praktische Probleme bei der Übernahme, Ausstattung und Instandsetzung der Gebäude, sondern auch durch die vermeintliche ‚Über-Zivilisierung‘ des Gebirges – ein Nachhall früherer Diskurse zu den Eigenarten deutscher Touristik. Hauptvorstandsmitglied der PTK und Chefredakteur der Vereinszeitschrift „Ziemia“ („Erde“ oder „Land“) Stanisław Lenartowicz unternahm im Juni oder Juli 1946 eine Wanderung durch die Sudeten, die auch der Bestandsaufnahme dienen sollte.68 Darin brachte der Autor seinen Optimismus bezüglich der Bereisbarkeit der Region deutlich zum Ausdruck, wobei landeskundliche Sehenswürdigkeiten in der Beschreibung vor praktischen Informationen eindeutig Vorrang hatten. Eindringlich widersprach Lenartowicz Berichten der polnischen Presse, wonach der Grenzschutz eine unüberbrückbare Hürde für Touristen im Gebirge darstelle. Überall wollte der Autor auch große Mengen an Besuchern gesehen haben. Im Großen und Ganzen stellte dieser Bericht vor allem eine Werbung für diese Gebiete dar, deren ‚Eroberung‘ durch polnische Touristen ein Vorhaben von großer politischer Relevanz war. Im August 1946 organisierte der PTK-Hauptvorstand einen ersten Fremdenführerlehrgang, der vor allem für Betreuer von Kinder- und Jugendgruppen, die ihre Sommerferien im Riesengebirge verbringen sollten, gedacht war.69 Ebenfalls 66 Kulik: Przejmowanie, 206–210. Im Mai 1947 begann auch die Ausarbeitung eines umfassenderen Plans für die Entwicklung des Fremdenverkehrs in der Region. Das damals gegründete Tourismuskomitee war allerdings von kurzer Lebensdauer. Vgl. Iwanek: Miejska Rada Narodowa, 32. 67 Kulik: Przejmowanie, 197. 68 Lenartowicz, Stanisław: Z wędrówki po Sudetach. In: Ziemia 30/5 (1946) 16–19, 30/6 (1946) 10–14. 69 [N. N.]: Życie organizacyjne PTK. Ebd., 18. Mateusiak, Andrzej: Kalendarium. In: ders. (Hg.): 50 lat przewodnictwa PTTK, 11–65, hier 11, datiert jedoch den Lehrgang bereits auf April 1946.

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im August unternahm Mieczysław Orłowicz im Namen der PTT eine dreiwöchige Wanderung durch die gesamten Sudeten. Nachdem er bereits Anfang 1946 für den Besuch der „Wiedergewonnenen Gebiete“ stark geworben und aufgrund früherer Erfahrungen und vorhandener Veröffentlichungen diese Gebiete beschrieben hatte, setzte er seinen Brauch der so genannten Augustwanderungen aus der Vorkriegszeit fort.70 Die Strecke plante Orłowicz, wie er später beschrieb, anhand von deutschen Reiseführern vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Allerdings muss die Konfrontation mit dem Ist-Zustand eher ernüchternd ausgefallen sein, denn gegenüber einer interministerialen Kommission berichtete er von unzumutbaren Zuständen in den Bauden.71 Sein bebilderter Bericht von dieser Wanderung erschien 1947 in der PTT-Zeitschrift „Wierchy“.72 Diese ersten Expeditionen in die neuen Gebiete, verbunden mit der praktischen Arbeit spontan organisierter Aktivistengruppen in der Region, schufen eine Basis für die touristische Erschließung des Riesengebirges. Noch handelte es sich lediglich um erste Gehversuche der Organisationen, die jedoch an Erfahrungen aus der Vorkriegszeit anknüpfen und mit einer wohlwollenden Haltung der Regierungsstellen rechnen konnten. Vor dem Hintergrund der damaligen Sicherheitslage, einem entscheidenden Kriterium jener Zeit, konnten einige verlassene Bauden im Gebirge gesichert werden (dabei vermutlich mehrere mit Hilfe der bisherigen Besitzer), während andere Objekte Plündererbanden oder Bränden zum Opfer fielen. Mit den ersten Vororterkundungen im Frühjahr und Sommer 1946 und den darauf folgenden Berichterstattungen wurden die neuen Gebiete der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und somit gleichsam mental kartiert.

5.

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Bereits in der ersten Nachkriegsausgabe der PTK-Zeitschrift „Ziemia“ aus dem Jahr 1946 warb Mieczysław Orłowicz eindringlich: „Besucht die Wiedergewonnenen Gebiete!“ Die Erkundung der neu erworbenen Regionen sei „das wichtigste und populärste Motto momentan für den polnischen Touristen und Landeskundler. Diese Erkundung ist nicht nur aus landeskundlichen Gründen notwendig, sondern auch aus politischen, kulturellen und wirtschaftlichen.“73 Und in einem Artikel über die Sudeten, die er neben der Ostseeküste als „die interessanteste touristi70 Orłowicz, Mieczysław: Sudety. In: Ziemia 30/1–2 (1946) 9–12. 71 Kulik: Przejmowanie, 199. 72 Orłowicz, Mieczysław: 640 km pieszo przez Sudety. In: Wierchy 17 (1947) 39–56. Anhand der Fotografien bei Lenartowicz: Z wędrówki, und Orłowicz: Sudety, lässt sich kein genaueres Bild der Zustände machen, da sie hauptsächlich landschaftliche Sehenswürdigkeiten darstellen. Bei Lenartowicz fehlen zudem die Quellenangaben, während diese bei Orłowicz mit einer Ausnahme auf Archivbestände verweisen. 73 Orłowicz, Mieczysław: Zwiedzajmy Ziemie Odzyskane! In: Ziemia 30/1–2 (1946) 5–9.

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sche Region“ bezeichnete, fügte er hinzu: „Die polnische Touristik wird dieses schöne Gebirge in Besitz nehmen und somit stärker an die anderen Regionen Polens binden, um ein einheitliches, untrennbares Ganzes zu schaffen.“74 Die Vorstellung, dass eine sinnliche Erfahrung, Erwanderung eines Gebietes nationale Zugehörigkeitsgefühle fördert, behielt somit ihre Gültigkeit. Im Fall Nachkriegspolens herrschte zudem die politische Zielsetzung vor, durch polnische Präsenz in den neu erworbenen West- und Nordgebieten das historische und völkerrechtliche Anrecht des Staates auf diese Territorien zu unterstreichen.75 Trotz dieser starken Betonung der praktischen Erkundung der „Wiedergewonnenen Gebiete“ fand auch im PTK-Milieu die Auseinandersetzung mit den neuen Regionen vor allem auf medialer Ebene statt. Noch bevor dem spontan einsetzenden Besucherstrom eine organisatorische Form gegeben werden konnte und bevor den Touristen, vor allem jungen, die Durchführung von „Exorzismen am germanischen Geist der Region“ aufgetragen wurde,76 hatte die Beschreibung der Länder viel Gewicht erhalten. „Bei der Aneignung77 der Landschaft spielten die ersten polnischen Reiseführer durch das Riesengebirge und einzelne Ortschaften des Kreises Jelenia Góra [Hirschberg] eine wichtige Rolle. [...] Diese Publikationen fungierten als spezifische Wegweiser ‚auf der Suche nach dem Polentum‘. Ein Großteil des Inhalts war der Stadt- oder Regionalgeschichte gewidmet, wobei alle polnischen Aspekte (über)akzentuiert wurden.“78 Ein gutes Beispiel dafür sind die Veröffentlichungen Józef Sykulskis, der als einer der ersten überhaupt über die Riesengebirgsregion publizierte und somit polnische Traditionen popularisierte. „Der Besuch in der Bibliothek von Cieplice [Warmbrunn; gemeint sind die Schaffgotschschen Sammlungen, Anm. d. Verf.] bestätigte mich in der Überzeugung, über den polnischen Charakter dieser Gebiete zu schreiben; der Städte und Dörfer, aber vor allem der Menschen, denn auch hier 74 Ders.: Sudety, 12. 75 So auch im Reiseführer von Załuski, Franciszek: Krótki przewodnik informator po Dolnym Śląsku i Sudetach ze specjalnym uwzględnieniem Jeleniej Góry i okolic, Jelenia Góra [1946]: „Wir rufen also auf: kommt zu uns ins Gebirge, tragt das polnische Wort in alle Ecken Niederschlesiens, und lasst dieses Wort im Sturm um die Welt kreisen, denn wir waren hier, wir sind hier, wir werden hier bleiben“. Zit. nach Sroka, Piotr: „Zwiedzajmy Ziemie Odzyskane!“ Propaganda turystyki i turystyka w propagandzie ziem zachodnich lat 1945–1948 ze szczególnym uwzględnieniem regionu sudeckiego. In: Kulak, Teresa (Hg.): Od Napoleona do Stalina. Studia z dziejów XIX i XX wieku, Wrocław 2008, 233–250 [zit. nach der Manuskriptfassung]. 76 Nowosielska-Sobel, Joanna: „Na barkach nieśli krajobraz“ – z problemów oswajania zastanej przez osadników przestrzeni na przykładzie powiatu jeleniogórskiego drugiej połowy lat 40. In: dies./Strauchold: Trudne dziedzictwo, 108–126, hier 114. 77 Im Polnischen bezeichnet „oswajanie“ tendenziell die kulturelle Seite des Prozesses im Sinne von „zähmen“, „sich gewöhnen“ oder auch „sich zu Eigen machen“. Der Begriff „Assimilierung“ scheint den semantischen Gehalt am besten wiederzugeben. 78 Nowosielska-Sobel: Na barkach, 114f.

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Abb. 5: Titelseite von Józef Sykulskis polnischsprachiger Fassung der Kunigunden-Sage von der Burg Kynast. Die Autoren der nach 1945 erschienenen Veröffentlichungen setzten sich für eine rasche Polonisierung der Riesengebirgsregion ein. Die Ergebnisse blieben dabei meist rein diskursiv.

finden sich so genannte Autochthone, die Polnisch sprechen.“79 Was Sykulski allerdings den meisten Autoren der frühen Reiseführer und Beschreibungen voraus hatte, war seine Kenntnis der örtlichen Begebenheiten. Wie er selbst schrieb, unternahm er viele Ausflüge, um aus eigener Erfahrung zu berichten; „alles, auch den kleinsten Stein oder Figur wollte ich sehen, anschauen, anfassen, um Wahrheit darüber zu schreiben“.80 Neben einigen Büchern verfasste Sykulski über 80 Artikel für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, vor allem aus Wrocław (Breslau), die seine ‚polnischen Erkundungen‘ belegen.81 In einem seiner ersten Bücher nahm die Aufstellung polnisch klingender Nachnamen aus dem Hirschberger Adressbuch von 1939 großen Platz ein. „Diese Nachnamen sind einer der unwiderlegbaren Beweise des polnischen Charakters von Jelenia Góra [Hirschberg]; Beweise, die weder von der germanisierenden Herrschaft

79 ZNiO, Zbiór Józefa Sykulskiego, 101/91, „Wspomnienia nauczyciela z lat 1945–1956“ [1988]. 80 Ebd. 81 Sykulski: Niezapomniane lata, 29.

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eines Friedrich [des Großen, Anm. d. Verf.], noch Bismarcks, noch gar Hitlers, der das Polentum mit allen Mitteln bekämpfte, getilgt werden konnten!“, schrieb er.82 Des Weiteren nahm er sich regionaler Geschichten an und veröffentlichte bereits 1945 eine Sammlung von Rübezahlsagen sowie eine Version der Legende von der Burg Kynast, in der die stolze Kunigunde von einem polnischen Ritter gedemütigt wurde.83 Bei Sykulski mündete die Beschäftigung mit regionalen Stoffen in der konsequenten Polonisierung der Helden in seinen selbst geschriebenen Sagen und der historischen Kontexte, zum Beispiel als er einen Weber auf dem Weg nach Deutschland die Grenze an der Lausitzer Neiße überschreiten ließ.84 Diese Art von ‚erfundenen Traditionen‘ spielte bei der Polonisierung der neuen Gebiete eine bedeutende Rolle, konnte doch damit dem Durchschnittsleser eine politisch konforme Interpretationsfolie für die überlieferte Vergangenheit geliefert werden.85 Selbst wissenschaftliche Autoritäten befürworteten diese Popularisierungsbestrebungen, da man immerhin glaubte, unter der germanisierten Oberfläche den wahren ‚urpolnischen‘ Charakter der Regionen wieder entdecken zu können.86 Die politische Zielsetzung jener Suche nach ‚authentischen‘ Traditionen führte letztlich dazu, dass Folklore nach zentralen, ideologischen Vorgaben zu funktionieren hatte, während jeder Versuch, eine regionale Eigenart zu unterstreichen, als feindlicher Separatismus gebrandmarkt wurde.87

Exkurs: Die Polonisierung Rübezahls Bekannt wurde Józef Sykulski jedoch vor allem für seine Auseinandersetzung mit Rübezahl. „In Jelenia Góra [Hirschberg] und Umgebung begegnete mir ständig Rübezahl [deutscher Name im Original, Anm. d. Verf.], sei es in Büchern, an Wegweisern, die von unterschiedlichen Vandalen (Polen) zerstört wurden, in Namen von Cafés und Restaurants!“, schrieb er im Rückblick. „Deswegen wurde ich schnell auf ihn aufmerksam und las zig Legenden über ihn in hunderten (ja, hunderten!) von Büchern, die ich bald mit Hilfe meiner Schüler sammelte. Rübezahl war, wie ich schnell bemerkte, eine Art Nationalheld der Region. Interessant ist 82 Ders.: Jelenia Góra – Perła Gór Olbrzymich, Jelenia Góra 1946, 55. 83 Interessanterweise stellte sich dieser Ritter als „Jerzy Sicul“ vor, dessen Familie aus Sizilien stammen sollte. In einer Manuskriptversion des Stückes, die sich im Nachlass Józef Sykulskis befindet, wurde eine Verbindung zwischen dem Ritter Sicul, Sizilien und dem Nachnamen Sykulski hergestellt. 84 ZNiO, Zbiór Józefa Sykulskiego, 135/97, Legendy i przypowieści o Skarbniku ryfejskim, opiekunie mieszkańców Karkonoszy i Kotliny Jeleniogórskiej. 85 Nowosielska-Sobel: Na barkach, 117f.; Strauchold: Myśl zachodnia, 94. 86 Wörtlich bei Rospond, Stanisław: Od Skarbnika do Liczyrzepki. Studium językowe o Rübezahlu. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 88–107, hier 107. 87 Topp-Wójtowicz, Izolda: Folklor dolnośląski – mit czy rzeczywitość? In: Nowosielska-Sobel/ Strauchold (Hg.): Trudne dziedzictwo, 150–161.

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diese Psyche der deutschen [sic!]: praktische Menschen, Pragmatiker, außerdem rücksichtslos bis zur Grausamkeit, mochten sie doch idyllische Legenden wie über diesen Rübezahl! Als ich mich eingelesen habe, merkte ich, dass er ein Slawe war [...] und stellte fest, dass man aus ihm, ohne die Legenden zu fälschen und dem Zeitgeist – der Übernahme völlig unbekannter Gebiete durch die Polen [...] – unterzuordnen, einen Polen machen kann, der diese Region während der Teilungszeit bewacht. Und so habe ich ihn dargestellt, vielleicht etwas ungestüm, aber die Legenden über ihn sollten erscheinen und so geschah es auch Ende 1945.“88 Tatsächlich war die Legendensammlung „Liczyrzepa – Zły duch Karkonoszy i Jeleniej Góry“ das erste polnischsprachige Buch, das in den Westgebieten 1945 erschien. Da sich mit einer solchen kulturellen Polonisierung große Erwartungen verbanden, feierte die Presse sogleich Sykulski.89 Die enorme Popularität des Buches führte schnell zur großen Verbreitung des Namens Liczyrzepa, einer Wortschöpfung des Autors. Ohne die Traditionen der Übertragung ins Polnische (etwa Rzepolicz oder Rybecal) und ohne die Etymologie des deutschen Namens zu kennen, übersetzte Sykulski Rübezahl als Liczyrzepa – „der die Rüben zählt“. Seitdem wurde diese Übersetzung oft kritisiert und auch Sykulski bedauerte später seine Wortschöpfung.90 Dank diesem ersten im November 1945 erschienenen Buch und der späteren Popularisierung durch eine Zahlenlotterie oder einen Wein wurde die Bezeichnung Liczyrzepa schnell in der Öffentlichkeit bekannt und fungiert auch bis heute als eine der verbreitetsten polnischen Entsprechungen von Rübezahl (neben Rzepiór, Karkonosz oder dem neutralen Duch Gór = Berggeist).91 Mit der sprachlichen Polonisierung Rübezahls war es aber noch nicht getan. Wie im Fall der Kynastsage stilisierte Sykulski die Legenden durchaus auch in klassenkämpferischem Sinn. Wie aus dem obigen Zitat hervorgeht, ging es dem Autor ausdrücklich darum, aus Rübezahl einen Beschützer der angeblich polnischen Bevölkerung vor einer deutschen Unterdrückung zu machen.92 Zudem wurde in seinen Sagen das einfache Volk mit polnisch klingenden Namen versehen, während

88 ZNiO, Zbiór Józefa Sykulskiego, 135/97, Kommentar „Figle Liczyrzepy“ [etwa: Rübezahls Scherze] vom 28. April 1976. 89 In der damals in Katowice (Kattowitz) erscheinenden Zeitschrift „Odra“ schrieb etwa ein gewisser „J. Brzym.“: Das Buch „enthält elf Rübezahllegenden in eigener Interpretation, nicht immer übereinstimmend mit der deutschen Tradition, was richtig ist, denn es ist Zeit für die Schaffung einer eigenen Legende über den Geist des polnischen Riesengebirges“. Zit. nach Sykulski: Jelenia Góra, 8 (hier auch andere Pressestimmen). 90 Zur sprachwissenschaftlichen Kritik vgl. Rospond: Od Skarbnika. Józef Sykulski, der in seinen Aufzeichnungen zugab, von Rübezahl-liczyrzepa „besessen“ gewesen zu sein, identifizierte sich später mit der nach Rospond ursprünglichen Form „Skarbnik ryfejski“ (etwa: Schatzhüter des Riesengebirges, montes ripheis = Riesengebirge) und sandte seine Manuskripte für verschiedene Tagebuchausschreiben unter diesem Pseudonym ein. 91 Hartwich: Rübezahl. 92 Vgl. Nowosielska-Sobel: Na barkach, 120.

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die Feudalherren immer germanische Züge erhielten.93 Sykulski unterstrich später, dass Rübezahl und Liczyrzepa nicht identisch seien, da die deutsche Gestalt bösartig sei, während die polnische den Menschen helfe. Deswegen bedauerte er auch, Liczyrzepa im Titel seines ersten Buches als „bösen Geist“ des Riesengebirges bezeichnet zu haben, was eine Übernahme der deutschen Interpretation sei.94 Die Polonisierung Rübezahls stieß nicht überall auf Begeisterung. Noch einige Jahre nach dem Krieg gehörte es wohl zum Alltag, dass touristische Andenken und Utensilien aus deutscher Zeit im nunmehr polnischen Riesengebirge verkauft wurden.95 Auch wenn die offiziellen Quellen darüber explizit keine Auskunft geben, mag es dennoch vorgekommen sein, dass Rübezahlfiguren und andere Arten von Andenken mit diesem Motiv vertrieben wurden. Als Bestätigung dessen gilt die Aussage eines Journalisten der Zeitung „Głos Ludu“ aus Wrocław (Breslau), der 1947 aus Szklarska Poręba (Schreiberhau) berichtete: „Auf Umschlägen von Regionalpublikationen, Postkarten, Reklameschildern und jämmerlichen ,Touristensouvenirs‘ soll dieser Greis mit riesigem Keil in der Hand [das heißt Moritz von Schwind nachempfunden, Anm. d. Verf.] einen sympathischen und darüber hinaus [...] slawischen Geist des Riesengebirges symbolisieren. Wie konnte nur jemand auf die Idee kommen, dass dies einen Sinn ergibt, insbesondere einen propagandistischen?“ Dementsprechend forderte der Autor: „Schluss mit Rübezahl!“96 Ähnliche Pressestimmen lassen sich zu jener Zeit ebenfalls belegen. Anscheinend spielte das historische Moment der Aussiedlung der deutschen Einwohner und des Eintreffens polnischer Neusiedler und Touristen, die mit dem ‚germanischen‘ Charakter der Sehenswürdigkeiten und Andenken konfrontiert wurden, eine entscheidende Rolle. In diesem Sinn wurde die erwähnte Sagenhalle Hendrichs in Szklarska Poręba (Schreiberhau) wahrgenommen. Aber auch vermeintlich harmlose Vermarktungsstrategien wie zum Beispiel Kneipen und Geschäfte, die Rübezahl im Namen trugen, wurden verurteilt.97 Im Jahr 1947 plädierte gleichzeitig Roman Tomczyk in der in Jelenia Góra (Hirschberg) erscheinenden Kulturzeitschrift „Śląsk“ ausdrücklich für eine mit der Repolonisierung der ,Autochthonen‘ vergleichbare „Re-Polonisierung“ Rübezahls. 93 Im Kynast-Reiseführer „Zamek Chojnik“ schrieb der bekannte Regionalkundler Tadeusz Steć, die Burgruine sei demnach „nicht nur ein Denkmal des Polentums und ein Beweis unserer Anrechte auf Schlesien, sondern auch ein Überbleibsel des alten, ungerechten Systems“, das nie wiederkommen werde. 94 ZNiO, Zbiór Józefa Sykulskiego, 135/97, Legendy i przypowieści o Skarbniku ryfejskim, opiekunie mieszkańców Karkonoszy i Kotliny Jeleniogórskiej. 95 So schrieb der Landrat Wojciech Tabaka noch im Mai 1948 an die Ortsbürgermeister, sie sollten Kioskhändler dazu ermahnen, keine deutschen Postkarten zu verkaufen. Vgl. APWJG, II/125, H. 63, 25f. 96 Zit. nach Wiater: Karkonoski Duch Gór, [6]. 97 Rzeczycki, Tomasz: Polski antygermanizm w Sudetach. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 8/5 (2008) 114–115. Zur „Sagenhalle“ vgl. Waniek: Sala legend.

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Der Versuch, die Sagengestalt zu assimilieren, wurde sehr ambivalent aufgenommen. An dieser zwiespältigen Wahrnehmung hat sich im Grunde bis heute nichts geändert. Während der praktische Nutzwert der Gestalt als Andenkenmotiv o. ä., vor allem im Hinblick auf ihre ‚Exportfähigkeit‘, recht bald erkannt wurde,98 bewegte sich der intellektuelle Diskurs zwischen den Polen „vorsichtige regionale Aneignung“ und „ideologisch oder ästhetisch motivierte Abneigung“. Rübezahl konnte aufgrund seiner kulturhistorischen, ‚germanischen‘ Prägung nicht ohne weiteres als regionales Motiv weiter verwendet werden und gleichzeitig war er – nicht zuletzt durch seine materielle Omnipräsenz und Popularität in den ersten Nachkriegsjahren – nicht zu ignorieren. Als Märchenmotiv besaß der Berggeist in der Volksrepublik Polen durchaus seine Existenzberechtigung, als ‚authentische Folklore‘ des Riesengebirges war er jedoch höchst problematisch.99 Der Versuch, den neuen Gebieten eine neue kulturelle Narration zu verleihen und somit ihre Polonisierung zu beschleunigen, nahm auch ‚hochkulturelle‘ Formen an. Ähnlich wie Stadtpräsident Piotr Zaremba in Szczecin (Stettin) warb Landrat Tabaka für die Niederlassung von Schriftstellern und Malern im Riesengebirge, wo ansehnliche Häuser und eine inspirierende Umgebung auf sie warteten – so die ‚Werbeslogans‘. Gleichzeitig rief in der „Odra“ der erwähnte Zdzisław Hieroszewski dazu auf, polnische Kultur in die Provinz zu tragen, statt sich lediglich auf die größten Städte zu beschränken.100 Noch 1945 besuchte der vom Kulturministerium delegierte Schriftsteller Edward Kozikowski die Region, wo man ihm den Ort Przesieka (Hain, damals noch Matejkowice) als geeignetes ‚Literatendorf‘ vorschlug.101 Dort wie auch in den umliegenden Ortschaften einschließlich

98 Volkskundler fanden heraus, dass Heimat-Souvenirs im Vertriebenenmilieu oftmals im Nachhinein – von spezialisierten Unternehmen in Westdeutschland oder während Heimatreisen – hergestellt und erworben wurden. Dies würde auf die Existenz entsprechender Produktionsbetriebe in den besuchten Regionen hindeuten. Vgl. Sauermann, Dietmar: Erinnern und Zeichensetzen. Zur Erinnerungskultur von Vertriebenenfamilien. In: Fendl, Elisabeth (Hg.): Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur der Heimatvertriebenen. Referate der Tagung des Johannes-Künzig-Instituts für ostdeutsche Volkskunde, 4. bis 6. Juli 2001, Freiburg 2002, 79–100, hier 89–94. 99 In späteren Jahren waren Versuche, Rübezahl in die Kreation lokaler Identitäten in der Region einzubinden, nicht selten. So entstand ein hochinteressanter Entwurf einer „Erzählung des Berggeistes“ von Teresa Sroga, die für die Feierlichkeiten zum 15. Jahrestag der Befreiung und für die offiziellen Feiern zum tausendjährigen Bestehen des polnischen Staates 1960 vorbereitet wurde. Darin wurde der Berggeist zum Beschützer des Polentums im Gebirge kreiert und die Bezeichnung „Liczyrzepa“ abgelehnt. APW-JG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 91: Monographie von Karpacz (Krummhübel) 1949–1959, 35– 38. 100 Strauchold, Grzegorz: Das polnische Literaturleben im Riesengebirge in den ersten Nachkriegsjahren. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 291–299, hier 291. 101 Margas: Kronika roku 1946, 118f.

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Jelenia Góra (Hirschberg) ließen sich in der Folgezeit einige Kulturschaffende nieder. Ende 1945 und Anfang 1946 entstanden der erste Literatenklub (Klub Literacki) im polnischen Niederschlesien und sogar eine Schriftstellergewerkschaft (Gewerkschaft der Polnischen Schriftsteller, Związek Zawodowy Literatów Polskich, ZZLP) mit Sitz in Przesieka (Hain). Neben freischaffenden Künstlern bot sich den Literaten seit März 1946 die Möglichkeit der Mitarbeit an der Monatsschrift „Śląsk“, die vom Historiker und Autor Stefan Kuczyński herausgegeben wurde. Schon im August 1945 war das Theater in Jelenia Góra (Hirschberg) wieder eröffnet worden, für kurze Zeit sogar im Rang eines „Wojewodschaftstheaters“. Die Schriftsteller organisierten literarische Abende in ihren Häusern und suchten den Kontakt zu den polnischen Neusiedlern, so wie es sich die offiziellen Stellen vorgestellt hatten.102 Infolge der Konfrontation mit der Indifferenz der Bevölkerung, die eher von materiellen Nöten geplagt war, ebbte der anfängliche Enthusiasmus zunehmend ab. Den inhärenten Auftrag dieser Ansiedlung konnten die Künstler jedoch nicht erfüllen. Die kurze Lebensdauer der Kolonie – weitere Details hierzu werden noch erwähnt – brachte kaum bedeutende Werke hervor und die bekannteste Gestalt der Nachkriegszeit, der Maler Wlastimil Hofman, verdankte seine regionale Bekanntheit seinem langen Wirken in Szklarska Poręba (Schreiberhau). Wie der Literaturhistoriker Jacek Kolbuszewski betont, vermochten es die angesiedelten Künstler nicht, einen Zugang (auch wörtlich!) zur Region und zu ihren Eigenarten und Traditionen zu finden. „Stattdessen stellt das Riesengebirge in der polnischen Poesie der ersten Nachkriegsjahre ein aus der Ferne betrachtetes und abgeschlossenes Massiv dar, das aufgrund einer apriorischen These idealisiert wird. Gleichsam bezeichnend ist, dass in dieser Zeit keine Gedichte entstanden, die vom Gebirge im Winter handelten. Indem sie es als ihre künstlerische Pflicht betrachteten, die Leser von der Schönheit des Gebirges zu überzeugen, hielten die Autoren es anscheinend nicht für nötig, die Perspektive und den Blickwinkel zu ändern. Sich auf die Synthese eines Panoramablicks auf das Riesengebirge ‚von unten‘ beschränkend, wiederholten sie instinktiv erste Lektionen des präromantischen Blicks auf das Gebirge (Alpen, Tatra) und akzentuierten die Beschreibung und die Wertung der Landschaft.“103 Diese Diskrepanz zwischen dem (pflichtgemäß) idealisierenden Blick aus der Ferne und der realen Begegnung mit der Landschaft wird an einem Beispiel sehr deutlich: Die Journalistin Danuta Strzeszewska-Bieńkowska berichtete für die „Odra“ 1946 enttäuscht über die Schneekoppe: „Der poetische Name des Gipfels ruft Erinnerungen an das Märchen und den Trickfilm wach [Schneewittchen, poln. 102 Strauchold: Das polnische Literaturleben, 292–294. 103 Kolbuszewski, Jacek: Karkonosze w poezji polskiej lat 1945–1955. In: Rocznik Jeleniogórski 19 (1981) 187–206, hier 198.

Die Aneignung der Landschaft in den Medien

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Królewna Śnieżka, Anm. d. Verf.], lässt an eine schmale, flüchtige, unerreichbare Gestalt denken. Doch die Śnieżka aus dem Riesengebirge ist eher einer alten Hexe ähnlich, deren graues, steinernes Gesicht durch Furchen der Wanderwege bedeckt wurde. Es ist auch eine harmlose Hexe, die ihren riesigen Körper gerne menschlichen Bauten hergibt, der die Tritte einer ungezählten Zahl von Touristen gleichgültig sind.“104 Während also die Publikationen Sykulskis wegen ihres populären Charakters und ihrer relativen Nähe zur Realität vor Ort wichtige literarische Topoi begründeten, missglückte die planmäßige kulturelle Überhöhung der Landschaft weitestgehend. Die punktuelle Übertragung von Tatra-Mustern fungierte als ambivalente Methode, um fremde regionale Charakteristika zu übertönen. Erst die Abkehr von national gestimmten romantischen Paradigmen der Wahrnehmung ermöglichte eine offenere Auseinandersetzung mit dem Gebirge.105

6.

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In den ersten Nachkriegsjahren entstanden nicht nur Regionalbeschreibungen, die mit angeblichen historischen Anrechten Polens auf Schlesien und mit dem Vorhandensein eines polnischen Elements über Jahrhunderte hinweg argumentierten.106 Dieser Diskurs folgte der allgemeinen Tendenz in der staatlichen Propaganda, in der eine Neuaufbruch- und Wiederaufbaurhetorik zunehmend größeren Raum einnahm. Der Wandel der Diskurse ließe sich anhand der Tagespresse in den Nachkriegsjahren nachverfolgen, was jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist.107 Für unseren Kontext bedeutsam sind charakteristische Tendenzen und Themen in verschiedenen auf die Region bezogenen Medien, ergänzt durch das Schrifttum der Tourismusaktivisten.108 104 Ebd., 190. 105 Ebd., 205. Kolbuszewski betont zudem die pragmatische Erschließung des Riesengebirges und die kulturelle Rolle des Tourismus ab 1955. 106 Diese Geschichtsversessenheit fand übrigens schon unter den Zeitgenossen ihre Kritiker. So schrieb ein gewisser Tadeusz Galiński 1946: „Die Methode der Gräbersuche, die historische Sektion [sic!], ständige Rückgriffe auf Vorzeiten kann die Nation an die Westgebiete nicht binden. Diese Methoden sind gut, um eine Tradition aufrechtzuerhalten, gut für eine untergehende Welt, aber sie sind ungenügend für die lebendige Welt, eine Welt voller kreativer Dynamik im Alltag, wo jede Stunde, jede Minute aufgebaut, improvisiert, gekämpft wird“. Zit. nach Kincel, Ryszard/Tyblewski, Tyburcjusz: Początki przewodnictwa turystycznego w Karkonoszach, Jelenia Góra 1972, 79f. 107 Sroka: Zwiedzajmy. Untersuchungen zu sozialen Entwicklungen im Spiegel der Tagespresse liegen im Fall der Kleinanzeigen vor: Ligarski, Sebastian: W zwierciadle ogłoszeń drobnych. Życie codzienne na Śląsku w latach 1945–1949, Wrocław 2007. 108 Nach Angaben der örtlichen PTTK-Abteilung existieren keine Archivmaterialien der entsprechenden Organisationen. Man kann aber auf (Jubiläums)publikationen der Bergführervereinigung und die Veröffentlichungen von Andrzej Mateusiak, Zbigniew Kulik und früher

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6.1. Reiseführer Populäre Publikationen wie Falt- oder Flugblätter, Prospekte, Plakate usw. sind kaum überliefert. Sporadisch werden diese im Internet zum Verkauf angeboten, während die meisten Bibliotheken und Archive über keine gesonderten Sammlungen verfügen.109 Einzelne Publikationen dieser Art konnten ermittelt und analysiert werden. Exemplarisch vorgestellt werden der 1946 von der DST herausgegebene Ausflugsplaner „Karkonosze i Góry Izerskie – cykl wycieczek“ und „Karkonosze. Popularny przewodnik turystyczny i wczasowy“ von Marian Sobański, der als zweiter Band der Serie „Popularna Biblioteka Krajoznawcza“ (Populäre Landeskundliche Bibliothek) 1947 in Warszawa (Warschau) erschien. Beide Büchlein verbindet die Tatsache, dass sie als populäre Reiseführer zur Benutzung vor Ort konzipiert und entsprechend im handlichen Format gedruckt wurden. Sehr bescheiden fiel in beiden Fällen die graphische Gestaltung aus: Sobańskis Reiseführer enthielt rötlich gefärbte Fotografien vom Kleinen Teich (mit den Bauden „Strzecha Akademicka“ und „Samotnia“) und von der Jan KasprowiczHerberge im Winterkleid. Zusätzlich verfügte diese Publikation über eine schematische Darstellung der Hauptverkehrswege ins Riesengebirge, allerdings ausschließlich der Eisenbahnen und begrenzt auf Niederschlesien. Der DST-Reiseführer warb lediglich mit einer Fotografie mit Blick vom Koppenplan (mit beiden Bauden) auf die Schneekoppe auf der Umschlagseite und mit roten Buchstaben in der Überschrift. Der Informationsgehalt der DST-Publikation war mit 16 Seiten relativ spärlich: Jelenia Góra (Hirschberg) und direkte Umgebung (S. 3–9), Cieplice Śląskie (Warmbrunn), Sobieszów (Hermsdorf ), Sosnówka (Seidorf ) und Przesieka (Hain) (S. 9–11), Pilchowice (Mauer), Kowary (Schmiedeberg), Karpacz-Bierutowice (Krummhübel-Brückenberg), Szklarska Poręba (Schreiberhau) sowie ŚwieradówZdrój (Bad Flinsberg) und Czerniawa-Zdrój (Bad Schwarzbach) (S. 11–16). Bemerkenswerterweise wurden in diesem Heft nahezu alle polnischen Ortsnamen auf den neuesten Stand gebracht, während Sobańskis Reiseführer auf den letzten bei-

von Ryszard Kincel und Tyburcjusz Tyblewski zurückgreifen, die sich zum Teil auf Originaldokumente stützen. Wanda Skowron führt in ihrem informativen Beitrag zur Nachkriegsentwicklung des PTK lediglich eine (!) Originalquelle an, nämlich ein Protokollbuch der Hauptvorstandssitzungen und die Jahresberichte dieses Gremiums. Nach eigenen Recherchen im PTTK-Hauptarchiv wurden die Dokumente nicht systematisch gesammelt. Mitte der achtziger Jahre organisierte das Sport- und Touristikmuseum in Karpacz (Krummhübel) einen Tagebuchwettbewerb für Tourismuspioniere; die unveröffentlichten Beiträge sind jedoch nach Auskunft des Museums nicht einsehbar. 109 Nach und nach werden Zeugnisse dieser Zeit auf der Internetseite der Stadtbibliothek von Jelenia Góra (Hirschberg) veröffentlicht, wobei sie im Vergleich zu Vorkriegsdokumenten nur eine kleine Minderheit darstellen. http://jbc.jelenia-gora.pl [Zugriff am 8.9.2011]. Vgl. ferner die Fotografiesammlung unter http://wroclaw.hydral.com.pl [Zugriff am 8.9.2011].

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den Seiten die deutschen und polnischen Bezeichnungen zusammenstellte. Letztere waren zu jenem Zeitpunkt teilweise nicht mehr aktuell (zum Beispiel Szczęsnowo für Zachełmie, früher Saalberg, oder Góry Kocabskie für Góry Kaczawskie, früher Bober-Katzbachgebirge). Dies überrascht ein wenig, da der Autor in Warszawa (Warschau) Zugang zu den aktuellsten Festlegungen der offiziellen Umbenennungskommission hatte. Die anonymen Autoren der DST-Publikation hingegen konnten tendenziell den Finger am Puls der Entwicklung gehabt haben, um die Besucher vor Ort informieren zu können. Dem praktischen Zweck der Hefte entsprechend fielen die historischen Informationen darin sehr spärlich aus, wobei zu beobachten ist, dass bei der DST-Publikation die Ereignisse aus dem Mittelalter konkreten Personen – polnischen Herrschern aus der Piastendynastie – zugeordnet wurden, während die ‚deutschen Zeiten‘ anonym blieben – mit Ausnahme der Familie Schaffgotsch, die als „ehemalige Besitzer“ von Cieplice Śląskie (Warmbrunn) bezeichnet wurde (S. 9f.). Ähnlich war es bei Sobański: Die Angaben zur historischen Entwicklung und zu den Sehenswürdigkeiten waren etwas ausführlicher – immerhin umfasste das Büchlein 32 Seiten. Die Piastenherrscher Boleslaw I. der Tapfere (Chrobry) und Boleslaw III. Schiefmund (Krzywousty) wurden ebenso genannt wie das frühere RadziwiłłSchloss in Ciszyca (Ruhberg). Erwähnt wurde sogar die Vorbildfunktion der Stockholmer Katharinenkirche für die so genannte Gnadenkirche in Jelenia Góra (Hirschberg). Während bei der DST-Publikation die Umstände der Übertragung der Wang-Kirche nach Bierutowice (Brückenberg) mit keinem Wort erwähnt wurden, tauchte bei Sobański mit „1841“ immerhin eine (falsche) Jahreszahl auf, wobei die Rolle des preußischen Königs bei diesem Ereignis verschwiegen wurde. Bei Sobański wurde ferner der Besuch der polnischen Königin Maria Sobieska in Cieplice Śląskie (Warmbrunn) erwähnt, während die Schaffgotsch als „frühere Besitzer“ des Ortes Erwähnung fanden (S. 18f.). Besonders bemerkenswert bei Sobański sind zudem die Gipfel- und Baudennamen, die in dieser Gestalt nur dort auftauchten, etwa „Schronisko ks. Józefa Poniatowskiego“ für die frühere Prinz HeinrichBaude (S. 27). Zusammenfassend machen beide Publikationen einen recht ambivalenten Eindruck. Dass der DST-Reiseführer ausschließlich mit polnischen Namen operierte, zeigt, dass dem Ganzen durchaus eine propagandistische Funktion zukam, waren doch die Wegweiser im Gelände noch überwiegend auf Deutsch. Sobańskis Reiseführer hingegen erleichterte immerhin die Bewegung in einer faktisch zweisprachigen Umgebung durch die Namenskonkordanz am Schluss. Unverständlich bleibt jedoch die Verwendung von zu jenem Zeitpunkt bereits nicht mehr aktuellen polnischen Bezeichnungen oder gar nicht identifizierbaren Formen. Außergewöhnlich scheint auch die Selbstverständlichkeit, mit der Sobański Objekte auf der tschechoslowakischen Seite aufführt, obwohl eine grenzüberschreitende Wanderung damals kaum möglich gewesen wäre. Die recht genauen Angaben zu Fahrt- und Wanderzeiten machten beide Büchlein zu praktischen Reisebegleitern, auch wenn ihr In-

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formationsgehalt selbst im Hinblick auf die zu jener Zeit spärlich vorhandene regionale Literatur zuweilen etwas mager war. 6.2. Fotografien / Postkarten Die Tradition der kulturellen Kodierung des Riesengebirges beinhaltete stets eine wichtige visuelle Komponente. Mit dieser Optik wurden die neuen Bewohner konfrontiert, da sie allgegenwärtig war – nicht zuletzt auf Postkarten.110 Über den genauen Umgang mit diesen Medien gibt es wenig Informationen; fest steht jedoch, dass schon die schiere Anzahl der bei Kriegsende vorhandenen Ansichtskarten ihre Wirkung entfalten musste. Ihre Weiternutzung lag nahe und aufgrund fehlender polnischer Neuproduktionen blieben die Vorkriegspostkarten teilweise bis in die fünfziger Jahre noch im Umlauf. Dabei wuden die deutschen Aufschriften durch polnische ersetzt oder bloß ergänzt.111 Dieser Pragmatismus schuf einen interessanten Überlagerungseffekt: Deutsche Vergangenheit und polnische Gegenwart gingen buchstäblich ineinander über. Den einströmenden polnischen Touristen wurden jedoch auch die Geschichte des Ortes vor Augen geführt und die bisher gebräuchlichen Namen vermittelt. So zitiert der Historiker Wojciech Miśko eine Postkarte, die – bemerkenswerterweise mit einem tschechischen Schneekoppen-Stempel versehen – im September 1945 verschickt wurde. Der Absender beschrieb die abgebildete Prinz Heinrich-Baude, die zu jenem Zeitpunkt schon „Schronisko im. Księcia Henryka“ hieß.112 Die augenscheinliche Präsenz der deutschen Namen und die geringe Verbreitung der neuen trug wohl noch eine Zeit lang zu einer gewissen Unsicherheit bezüglich ihrer Verwendung bei. Die 1888/89 oberhalb des Großen Teiches erbaute Baude, eine der wenigen, an deren Entstehung der RGV direkt beteiligt gewesen war, galt seinerzeit als eine der modernsten und luxuriösesten im Riesengebirge – unter anderem stammte die Innenbemalung vom Künstler Carl Morgenstern.113 Benannt wurde sie nach dem Hohenzollernprinzen Heinrich (1862–1929), dem Bruder 110 Zur Fotografiegeschichte im Riesengebirge vgl. Cencora, Arkadiusz: Riesengebirgsfotografie bis 1945. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 217–222; ders.: Fotografia Karkonoszy do 1945 roku. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 2/1 (2004) 7–11. 111 Miśko, Wojciech: Sudeckie pocztówki. In: Biuletyn Instytutu Pamięci Narodowej 5/9–10 (2005) 87–89. Zum Postwesen in der unmittelbaren Nachkriegszeit vgl. Milewski, Janusz/ Podolecki, Feliks: Prowizoria pocztowe powiatu jeleniogórskiego 1945–1947. In: Rocznik Jeleniogórski 34 (2002) 153–164. 112 Miśko: Sudeckie pocztówki, 88. 113 Zur Geschichte und Vernichtung der Prinz Heinrich-Baude vgl. Rzeczycki, Tomasz: Zagłada schroniska im. Księcia Henryka. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 7/6 (2007) 40. Das Objekt soll bereits im Winter 1945/46 geplündert worden sein. Fälschlicherweise wird das Datum des Brands bereits für Februar 1946 angegeben. Vgl. ders.: Schronisko imienia Księcia Henryka Pobożnego na Smogorni. In: Rocznik Jeleniogórski 39 (2007) 157–161.

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Abb. 6: Postkarte „Schronisko im. St. Wyspiańskiego z widokiem na Śnieżkę“ (gelaufen 1948). In den frühen Nachkriegsjahren wurden oft Vorkriegspostkarten weiter verwendet und um polnische Namen ergänzt. In der Übergangszeit nutzte man zudem häufig polnische Übersetzungen und Neuschöpfungen, die bald in Vergessenheit gerieten. Auf der linken Seite befindet sich das frühere „Schlesierhaus“ am Koppenplan, das hier als „Schronisko im. St. Wyspiańskiego“ (heute: „Dom Śląski”) bezeichnet wurde.

Kaiser Wilhelms II. Nach dem Ersten Weltkrieg behielt die Herberge ihren aristokratischen Namensträger; allerdings wurde aus dem „Prinzen“ ein „Herzog“. Das polnische Wort książe kann Fürst, Herzog oder Prinz bedeuten, wobei ein Thronfolger und Königssohn auch als królewicz bezeichnet wird. Durch den Zusatz Pobożny wurde aus dem Hohenzollernprinzen jedoch eindeutig der schlesische Piastenherzog Heinrich II. der Fromme. Ob es sich dabei um einen Übersetzungsfehler oder Absicht handelte, bleibt fraglich.114 Die Weiterbenutzung vorhandener Postkarten oder Bildbände bedeutete eine Übernahme der Optik, des historisch ausgebildeten Blickes auf die Berge.115 Man mag darüber streiten, ob es einen spezifischen ‚deutschen‘ Blick auf die Berge gab oder gibt. Eine bruchlose Übernahme der Vorkriegsbilder wäre jedoch bei aller Universalität der Landschaftsästhetik nicht selbstverständlich gewesen. Wie Arkadiusz Cencora bemerkt, verlagerten neue Tendenzen in der Fotografie der Zwischenkriegszeit die Aufmerksamkeit von der pittoresken Landschaft, wie sie noch 114 Hartwich, Mateusz J.: Kulturowe oswajanie krajobrazu w Karkonoszach. Przyczynek do historii nazewnictwa i budownictwa turystycznego po 1945 r. In: Pielgrzymy. Informator krajoznawczy poświęcony Sudetom (2008) 20–28. 115 Pagenstecher: Die Automobilisierung.

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in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Schmiedeberger Lithographen dargestellt und bald als visueller Kanon übernommen worden war, hin zur ‚rauen‘ Naturästhetik mit einer Vorliebe für menschenleere Winteraufnahmen.116 Wie schon im Fall der Malerei lebten viele bekannte Schöpfer der Fotografiekunst in der Region selbst und gründeten eigene Ateliers wie beispielsweise Maria Valtingojer oder Werner Knips-Hasse. Von besonderer Bedeutung, auch im Hinblick auf die dominierende Schlesienästhetik nach dem Zweiten Weltkrieg, war das Schaffen des Breslauer Fotografen Karl Franz Klose, wobei der politische Aspekt seiner Arbeiten nicht ganz unproblematisch war.117 Nach 1945 waren polnische Künstler, die in der Vorkriegszeit ihre Ausbildung genossen und teilweise bereits Karriere gemacht hatten, diejenigen, die nun die Riesengebirgsregion für sich entdeckten. Zu ihnen zählte Jan Bułhak (1876–1950), der die Schule der polnischen „Vaterlandfotografie“ begründete und auch als Hochschullehrer und Mitbegründer der Fotografiegesellschaft ZPAF (Związek Polskich Artystów Fotografików) nach 1945 großen Einfluss ausübte.118 Er war es auch, der Mieczysław Orłowicz auf seiner Wanderung durch die Sudeten im Sommer 1946 begleitete. Schon im Juli 1946 nahm er an einer Fotografen-Expedition im Auftrag der PTK teil, die eine große vom Außen-, Verkehrs- und Propagandaministerium finanzierte Ausstellung über die „Wiedergewonnenen Gebiete“ vorbereiten sollte. Die Fotoschau „Piękno Ziem Odzyskanych w fotografii“ (Die Schönheit der Wiedergewonnenen Gebiete in Fotografien) wurde am 30. Mai 1947 in Warszawa (Warschau) eröffnet, tourte anschließend zwei Jahre lang durch das ganze Land (ausgenommen Schlesien) und wurde von über 100.000 Menschen besucht. Von den 379 Ausstellungsobjekten stammten 207 von Bułhak.119 Eine weitere bedeutende Persönlichkeit war Stefan Arczyński, der 1916 in Essen als Sohn eines bekannten Aktivisten der polnischen Minderheit im Ruhrgebiet geboren worden war und nach seiner Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft – er wurde zum Dienst in der Wehrmacht gezwungen – zunächst in Kamienna Góra (Landeshut) ein Fotogeschäft leitete, bevor er sich 1950 in Wrocław (Breslau) niederließ und zu einem der bekanntesten Fotokünstler der Nachkriegszeit wurde.120 Von ihm stammten zahlreiche Alben und Fotografien in populären Zeitschriften sowie die Aufnahmen im ersten deutschsprachigen Bildband-Reise116 Cencora: Riesengebirgsfotografie, 221f. 117 Faltin, Ramona (Hg.): Blickpunkt Schlesien. Menschen, Landschaften, Denkmäler: Meisteraufnahmen von Karl Franz Klose, Görlitz 1998. Die Biographie Karl Franz Kloses diente dem polnischen Schriftsteller Henryk Waniek als Grundlage einer Romanfigur in seinem 2003 erschienen Buch „Finis Silesiae“. 118 Jan Bułhak leitete ebenfalls die Fotosammlung des PTK seit seiner Wiedergründung. Ein kurzes Porträt (in Polnisch) findet sich unter http://www.culture.pl/pl/culture/artykuly/os_ bulhak_jan [Zugriff am 15.5.2009]. 119 Skowron: Czy można było, [40f.]. Über den Verbleib der Ausstellung ist nichts bekannt. 120 Gespräch mit Stefan Arczyński, 16. August 2008.

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führer, der 1969 in der Volksrepublik Polen erschien: „W Karkonoszach“ (Im Riesengebirge). Später arbeitete er unter einem Pseudonym mit westdeutschen Verlagen an Schlesienbildbänden zusammen und wurde aufgrund seiner Herkunft und internationaler Kontakte vom kommunistischen Geheimdienst überwacht.121 Zu den bedeutendsten Fotografen der Nachkriegszeit im schlesischen Riesengebirge gehörte ferner Jan Korpal (1916–1977).122 Schon im Sommer 1945 siedelte er sich in Szklarska Poręba (Schreiberhau) an, wo er ein Fotoatelier mit Postkartenverlag von einer gewissen Frau Voigtländer (Valtingojer?) übernahm.123 Seit 1954 arbeitete er als freier Künstler im Auftrag verschiedener Betriebe und Zeitschriften und war unter anderem Bildredakteur der 1958 gegründeten regionalen Wochenzeitung „Nowiny Jeleniogórskie“. Nebenbei lieferte er Fotografien für zahlreiche Postkarten, Prospekte und Bildbände. Zu den eindrucksvollsten Aufnahmen gehört ein Bild, das die Ausweisung der deutschen Bevölkerung und die Ankunft der Polen zeigt. Korpal pflegte gute Kontakte zu Künstlern in der Region und freundete sich in Szklarska Poręba (Schreiberhau) mit Franz von Jackowski an, einem deutschen Maler, der aufgrund seiner polnischen Abstammung in Polen verbleiben durfte und erst 1958 als Spätaussiedler nach Westdeutschland ausreiste.124 Außerdem stand er sein Leben lang in engem Kontakt zu Wlastimil Hofman (1881– 1970), einem polnischen Maler tschechischer Abstammung, der nach seiner Ansiedlung in Szklarska Poręba (Schreiberhau) im Mai 1947 zu einer der prägendsten Gestalten des Kulturlebens in der Riesengebirgsregion wurde.125 Symbolisch für die beschriebene Übergangszeit war die Tatsache, dass Korpal eine funktionierende Fotowerkstatt von der Vorkriegsbesitzerin übernahm und noch eine Zeit lang mit ihr in einem Haus wohnte; der Kontakt hielt auch einige Zeit nach der Vertreibung.126 Auch wenn Jan Korpal eine eher traditionelle Fotografieschule repräsentierte, voll121 IPN Wrocław, 024/7962. Das Verfahren wurde nach einer gut einjährigen Kontrolle der Korrespondenz von Stefan Arczyński und der Erstellung eines Personalprofils mit dem Hinweis auf Arczyńskis mangelndes Interesse für militärische Objekte eingestellt. 122 Sobota, Adam: Das Riesengebirge in Fotografien nach 1945. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 330–336, hier 330f. Vgl. ders.: Karkonosze fotograficzne po 1945 roku. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 4/1 (2004) 12–17. 123 Gespräch mit Janina Korpal, 13. Juli 2008. 124 Tyrell, Albrecht: „Wir waren wie Schiffsbrüchige“. Das Schicksal der deutschen Künstler aus dem Riesengebirge nach 1945. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 277–290, hier 281. 125 Drewieńska, Elżbieta: Ziemia Jeleniogórska, Katowice 1967, 138–146. Wiederholt wurde in zeitgenössischen Publikationen erwähnt, dass die polnischen Behörden Ende der vierziger Jahre von Wlastimil Hofman eine Polonisierung seines Nachnamens forderten, er aber widersprach. Bernatt, Stanisław/Buczyński, Mieczysław: Pracowita dłoń nie wodzi już pędzla. In: Rocznik Jeleniogórski 9 (1971) 52–61, hier 59. 126 Gespräche mit Janina Korpal, 15. September 2007 und 13. Juli 2008. Hier sind ihre Angaben allerdings etwas unklar, weil sie im ersten Gespräch Frau Knips-Haase erwähnt und später eine gewisse Frau Voigtländer (Valtingojer?).

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zog er später gewisse ästhetische Moden, unter anderem die Hinwendung zur Farbe, mit.127 Seine ausgezeichnete Technik und die Verbundenheit mit der Landschaft machten ihn prägend für Generationen von Fotografen in der Region nach 1945.128 6.3. Karten Neben einer Reihe anderer, dringend benötigter Medien in polnischer Sprache wie Reiseführer, Informationsbroschüren, Postern und allerlei Bildmedien wurde während der Touristik-Konferenz in Wrocław (Breslau) im November 1945 die Erstellung einer Schlesienkarte im Maßstab 1:100.000 gefordert. Diese Aufgabe sollte – auf Grundlage existierender Karten aus der Vorkriegszeit und unter besonderer Berücksichtigung der Sudeten – das Militärische Geographische Institut (Wojskowy Instytut Geograficzny, WIG) übernehmen.129 Auch die lokalen Tourismusaktivisten der DTTK bezeichneten die Erstellung von Reiseführern und Karten als dringliche Aufgabe. Der Nachdruck, den man der Verbildlichung der neu erworbenen Gebiete verlieh, erklärt sich unter anderem dadurch, dass die Landeskunde-Gesellschaft PTK von Geographen dominiert war – Vorsitzender war der Geographieprofessor Stanisław Leszczycki. Nicht zufällig waren es auch Teilnehmer eines Geographenkongresses in Wrocław (Breslau), die als erste größere nachweisbare Gruppe die Schneekoppe im Juni 1946 bestiegen.130 Schon 1945 war eine Schlesienkarte des Geographen Antoni Wrzosek im Maßstab 1:500.000 erschienen, der im folgenden Jahr mit seinem berühmten Kollegen Eugeniusz Romer die „einzige polnische größere kartographische Darstellung Schlesiens in seinen historischen Grenzen“ erstellte.131 Im Muzeum Karkonoskie befinden sich ferner einige Kreiskarten und Stadtpläne von Jelenia Góra (Hirschberg), die direkte Kopien der Vorkriegserzeugnisse sind und der entstehenden Verwaltung eine erste Orientierung liefern sollten. Aus jener Zeit stammt auch eine vom Informations- und Propagandaamt der Wojewodschaft Wrocław (Breslau) herausgegebene politische Karte der niederschlesischen Kreise mit vorläufigen Ortsnamen: Legnica (Liegnitz) heißt noch „Lignica“, Zgorzelec (Görlitz) „Zgorzelice“ und Kłodzko (Glatz) „Kładzko“. Die polnischen Umbenennungen reichen sogar in die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands hinein: Heutzutage wird etwa Weißwasser selten als „Biała Woda“ bezeichnet. Allerdings waren all diese Karten schon 127 Sobota: Das Riesengebirge, 332. 128 Foremny, Jan: Wspomnienie o Janie Korpalu – artyście fotografiku ze Szklarskiej Poręby. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 8/2 (2008) 37–39. 129 Kulik: Przejmowanie, 195. 130 Ebd., 261. Vgl. Leszczycki, Stanisław: Sprawozdanie ze zjazdu geografów polskich 1946 we Wrocławiu. In: Przegląd Geograficzny 20 (1946) 169–174. 131 Strauchold: Myśl zachodnia, 258.

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Abb. 7: Eine der genauesten Karten des Riesengebirges in der Nachkriegszeit wurde 1946 vom Verlag „Glob“ in Kraków (Krakau) verlegt. Bemerkenswert ist vor allem das Namesverzeichnis mit deutschen, temporären polnischen und offiziell festgelegten polnischen Bezeichnungen.

allein aufgrund des spärlichen Informationsgehalts und der provisorischen Nomenklatur nicht zufriedenstellend. Nicht alle zwischen 1945 und 1947 veröffentlichten Karten sind erhalten.132 Man darf annehmen, dass eine Zeit lang vor Ort noch die alten Touristenkarten benutzt wurden.133 Zahlreiche örtlich verlegte Informationsbroschüren enthielten kartographische Darstellungen, die jedoch zumeist nur schematischen Charakter hatten. Die von Załuski und Jarczyński bearbeitete und von der DST verlegte touristische Karte des Riesengebirges (1946) reichte nur bis zur tschechoslowakischen Grenze und es fehlten Angaben zur Oberflächengestaltung des Geländes. Als Beilage zum „Illustrierten touristischen und Kur-Reiseführer durch Niederschlesien“ (1947) erschien eine einfarbige Karte mit eingezeichneten Wanderwegen und Bergbauden, die ebenfalls bis zur Grenze reichte. Die Bauden, auch zahlreiche topographische Punkte und sogar Flüsse trugen in dem Reiseführer provisorische 132 Woźniak, Michał: Kartografia turystyczna polskich Karkonoszy w okresie 1945–1990. In: Rocznik Jeleniogórski 38 (2006) 147–176. 133 Im Nachlass des 1993 verstorbenen Bergführers Tadeusz Steć befanden sich zahlreiche deutsche Karten der Umgebung, auf denen die polnischen Namen handschriftlich eingetragen worden waren. Die Darstellungen aus der Vorkriegszeit waren in Sachen Genauigkeit den in der Volksrepublik Polen erscheinenden um Längen voraus. Woźniak: Kartografia, 147, 175.

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Namen: Die Prinz Heinrich-Baude hieß „Schronisko Wielki Staw“ (Baude am Großen Teich) und die Schneegrube „Śnieżna Jama“ (heute: „Śnieżny Kocioł“).134 Ein interessantes Beispiel für das kartographische Provisorium waren die Ortsumgebungskarten des Reiseführers. Die Angaben darin waren recht lückenhaft und nur einige Punkte waren mit Höhenangaben versehen, während die Straßen und Wanderwege schematisch eingezeichnet waren. Es fällt auf, dass von den Bauden das Schlesierhaus (Dom Śląski), die Hampelbaude (Strzecha Akademicka), die Kleine Teichbaude (Samotnia), die Schlingelbaude (Schronisko im. Bronka Czecha) und die zu jener Zeit nicht mehr existierende Prinz Heinrich-Baude – hier ohne Namen nur als „Schronisko“ (Herberge) – dargestellt wurden.135 Während das vom polnischen Grenzschutz (Wojska Ochrony Pogranicza, WOP) besetzte frühere Schlesierhaus erwähnt wurde, fehlte auf der Karte die Baude auf der schlesischen Seite des Schneekoppengipfels ebenso wie alle böhmischen Bauden (zum Beispiel die Riesenbaude am Koppenplan). Als Zeit-Zeugnis kann auch die Einzeichnung des „Tetmajer-Steins“ (Głaz Tetmajera) gelten. Man darf mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass es sich dabei um den Mittagsstein handelte, der noch aus Anlass des 80. Geburtstags Gerhart Hauptmanns 1942 in Gerhart Hauptmann-Stein umbenannt und nach 1945 einem polnischen Dichter, Verehrer der Tatra und Initiator der PTT-Gründung gewidmet wurde.136 Ein bedeutendes Dokument jener Zeit war ferner die im Sommer 1946 vom privaten Kartographieverlag „Glob“ in Kraków (Krakau) im Maßstab 1:75.000 veröffentlichte „Touristische Karte des Riesengebirges und der Umgebung von Jelenia Góra [Hirschberg] mit Berücksichtigung der Skitrassen und Herbergen“.137 Kartographisch bearbeitet hatte sie Wojciech Walczak, ein bekannter Geograph und späterer Autor einiger Veröffentlichungen über das Riesengebirge. Markant waren die grenzüberschreitende Darstellung, die genaue Einzeichnung der Wanderwege, die Angaben zu funktionierenden Gebirgsbauden (grün markiert) und

134 Sykulski, Józef: Ilustrowany przewodnik turystyczno-uzdrowiskowy po Dolnym Śląsku, Informator cz. IV: Jelenia Góra, Bierutowice, Cieplice, Karpacz, grupa Kowary, Świeradów, Szklarska Poręba, Wrocław 1947. 135 Im polnischen Schrifttum wird das Datum mit Januar, Februar oder Sommer 1946 gleichgesetzt. Im Hirschberger Heimatbuch von 1953 wird der Brand jedoch recht genau auf den 10. Oktober datiert. Höhne, Alfred: Wann war es? – wie war es? In: ders. (Hg.): Hirschberg, 63–83, hier 80. 136 Zum Tetmajer-Stein vgl. Tyblewski, Tyburcjusz: W Karkonoszach po roku 1945. In: Kincel/ Tyblewski (Hg.): Początki, 64–76, hier 64. Zur Umbenennung in Gerhart Hauptmann-Stein vgl. APW-JG, 121/7: Zbiór akt Gerharta Hauptmanna z Jagniątkowa, Brief von Landrat Bitter an Regierungspräsident Dr. Bochalli vom 28. Oktober 1942 über die Vorbereitung der Jubiläumsfeiern, 25–27. 137 Mapa turystyczna Karkonoszy i okolic Jeleniej Góry z uwględnieniem szlaków narciarskich i schronisk. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 6/6 (2006) 23–24.

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das Fehlen einiger Abschnitte der „Sudetenstraße“, wodurch die zugrunde liegenden deutschen Karten auf etwa 1935 zu datieren sind.138 Von Bedeutung war bei dieser Karte die verwendete Nomenklatur, die auf den Sprachhistoriker Stanisław Rospond zurückging, ein Mitglied der offiziellen Umbenennungskommission. In der Kartendarstellung selbst tauchten größtenteils die bis heute existierenden Ortsnamen auf (mit einigen Ausnahmen wie „Babica“ für Borowice, früher Baberhäuser), während zahlreiche topographische Punkte keine Bezeichnungen, sondern lediglich Höhenangaben trugen oder mit Namen versehen wurden, die dem Deutschen oder Tschechischen entlehnt waren und heute anders heißen. Die Aufstellung am rechten Rand der Karte verbildlichte die Namensänderung: Die offiziellen, die bisher gebräuchlichen und die deutschen Ortsnamen wurden zusammengestellt, um die Orientierung zu erleichtern. Die provisorischen Namen waren dabei einer Karte des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg) vom März 1946 entnommen, die vom Hauptamt für Landvermessung (Główny Urząd Pomiarów Kraju, GUPK) herausgegeben worden war. Dieselbe Institution veröffentlichte noch 1948, also als das Grenzregime bereits stark verschärft wurde und große Teile des Gebirges nicht begehbar waren, die nach Ansicht Michał Woźniaks beste Touristenkarte bis in die neunziger Jahre hinein in einem Maßstab von 1:37.500.139 Im Februar desselben Jahres wurde vom GUPK eine Kreiskarte im Maßstab von 1:100.000 erstellt, auf der durch eine handschriftliche rote Markierung das vermutlich nur mit Passierscheinen begehbare Grenzgebiet eingezeichnet wurde.140 Der Inhalt der danach (spärlich) erscheinenden Karten wurde strenger zensiert und auch das Verlagswesen wurde reorganisiert, das heißt zentralisiert.

7.

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Ein Problem, mit dem alle Autoren touristischer Publikationen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und die Aktivisten vor Ort immer wieder konfrontiert waren, war das Fehlen verlässlicher polnischer Namen. Das betraf sowohl einzelne Ortschaften als auch zahlreiche topographische Punkte und einzelne Objekte. Selbst die Bezeichnung des Gebirges schien eine Zeit lang uneindeutig. So wurde das Riesengebirge zwar recht schnell als „Karkonosze“ bezeichnet (in Anlehnung an das tschechische „Krkonoše“). Józef Sykulski bevorzugte jedoch einige Jahre lang die vermeintlich romantischere Version „Góry Olbrzymie“ (wörtlich: riesiges Gebirge), was auf den Einfluss Stanisław Bełzas zurückzuführen war.141 Der tschechische 138 139 140 141

Woźniak: Kartografia, 151. Ebd., 155. Die Markierung auf der Karte selbst wurde nicht erläutert. Im Reiseführer „Karpacz, Bierutowice, Wang, Schneekoppe“ von 1946 ging Sykulski sogar soweit, zwischen den polnischen „Góry Olbrzymie“ und den tschechischen „Karkonosze“ zu

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Sprachforscher Vladimir Wolf schrieb 1973, die Einigung zugunsten von „Karkonosze“ sei das Ergebnis einer gemeinsamen Beratung der polnischen und tschechoslowakischen Namensgebungskommissionen im April 1948 gewesen.142 Nur einigen wenigen Orten, vor allem Hirschberg oder der Schneekoppe, wurden schnell und eindeutig polnische Namen zugewiesen. In allen anderen Fällen nahm die Entwicklung einen spezifischen Lauf, der den Aneignungsprozess nachhaltig beeinflusste. Im Folgenden wird die These aufgestellt, dass das Phänomen der Umbenennungen eine zentrale Rolle nicht nur bei der praktischen Übernahme der Region und der symbolischen Neukodierung des Raumes spielte, sondern auch bei dem – gescheiterten – Versuch der neuen Bewohner, den Charakter ihrer Umgebung mitzubestimmen. Anhand der Umbenennungen lässt sich der Zusammenhang zwischen der raschen Übernahme der Region, die oft eine direkte Übertragung deutscher Namen bedeutete, den offiziellen Bestrebungen zur Polonisierung der Landschaft und dem Heimischwerden der polnischen Bevölkerung genauer darstellen. Die praktischen, oft kleinteiligen Folgen dieser Strategie wie die Entfernung deutscher Aufschriften stellten einen nicht weniger relevanten ‚Nebenschauplatz‘ dar. 7.1. Namensänderungen Auch wenn in zeitgenössischen Publikationen behauptet wurde, die Neusiedler hätten in der Riesengebirgsregion – wie überall in den „Wiedergewonnenen Gebieten“ auch – „deutliche Spuren ihrer [polnischen] Vorfahren“ in Gestalt polnischer Sprachelemente in den Orts- und Flurnamen vorgefunden, gab es keine Tradition der Benennung, an die man anknüpfen konnte.143 Die Reiseberichte aus dem 19. Jahrhundert enthielten direkt übertragene oder eigenständig erfundene Ortsbezeichnungen (zum Beispiel bei Stęczyński: Schreiberhau = Szreiberhaw oder Zacken = Wrzączka).144 Auf Seiten tschechischer Forscher und Aktivisten hatte man spätestens in der Zwischenkriegszeit eigene Entsprechungen der meisten deutschen Namen gefunden. unterscheiden. Sykulski, Józef: Karpacz – Bierutowice – Świątynia Wang – Śnieżka, Jelenia Góra 1946, 13. Vgl. ferner die Diskussion um die richtige Entsprechung des deutschen „Riesengebirge“ bei Czetwertyński, Sławomir: Karkonosze – Góry Olbrzymie czy Olbrzymowe. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 6/4 (2006) 15–17. 142 Wolf, Vladimir: Czechosłowacko-polska współpraca toponomastyczna w Karkonoszach i na obszarach przyległych w roku 1948. In: Rocznik Jeleniogórski 12 (1974) 85–93, behauptete ferner, die tschechische Seite habe zwischenzeitlich aufgrund der jüngsten Geschichte, das heißt des politischen Missbrauchs durch die Sudetendeutschen, die Umbenennung der Sudeten in „böhmisch-schlesisches Gebirge“ vorgeschlagen. 143 Zych, Edward: Nazwy miejscowe Ziemi Jeleniogórskiej. In: Rocznik Jeleniogórski 4 (1966) 78–98, hier 80. 144 Kolbuszewski (Hg.): Sudety, 80.

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Unter Federführung des Polnischen Westverbandes (Polski Związek Zachodni, PZZ) in Poznań (Posen) waren schon in den zwanziger und dreißiger Jahren Publikationen entstanden, die eine Verschiebung der polnischen Grenzen vorbereiten und rechtfertigen sollten. So hatte der Sprachhistoriker Pfarrer Stanisław Dolęga Kozierowski in den Jahren 1934 bis 1937 den „Atlas geographischer Namen des Westslawentums“ (Atlas nazw geograficznych Słowiańszczyzny Zachodniej) veröffentlicht und im Juni 1945 wurde er zur Zusammenarbeit mit einer gesondert zum Zweck der Namenssuche eingerichteten Kommission der polnischen Staatsbahn (Polskie Koleje Państwowe, PKP) eingeladen.145 Bereits zu diesem Zeitpunkt setzte ein spontaner Ansiedlungsprozess ein und alle Bestrebungen offizieller Stellen, der „wilden Namensgebung“ Einhalt zu gebieten, scheiterten. Im Fall der Umbenennungen waren die Behörden der Realität zunächst einen Schritt hinterher – trotz aller intellektuellen Vorarbeiten der Vorkriegszeit. So mag es kaum verwundern, dass es ausgerechnet die Regionaldirektion der Staatsbahn in Poznań (Posen) war, die schon im April 1945 eine Kommission zur „Wiederherstellung slawischer Namen im Odergebiet“ einberief. Im September wurde dann in Szczecin (Stettin) ein erster onomastischer Kongress veranstaltet, auf dem die wissenschaftlichen Grundlagen der Umbenennungen festgelegt wurden. Demzufolge sollten in erster Reihe anhand historischen Materials alte Namen wiederhergestellt werden, während bei Nichtvorhandensein polnischer Traditionen eigene Vorschläge aufgrund der topographischen Begebenheiten und sprachlichen Erfordernisse unterbreitet werden sollten. Schon zu jener Zeit kam es zu Diskussionen über das Verhältnis von Polonisierungen und Anerkennung regionaler Spezifika in diesem Prozess.146 Trotz dieser Initiativen wurde ein offizielles Beratungsgremium der Regierung unter der Bezeichnung „Kommission zur Festlegung von Ortsnamen“ erst im Januar 1946 eingerichtet, als die Ansiedlungsaktion bereits im vollen Gange war. Die Kommission mit ihren regionalen Subkommissionen bearbeitete allerdings innerhalb eines Jahres bereits etwa 4.400 Ortsnamen; das zentrale Gremium lehnte lediglich 1 bis 2 Prozent der Vorschläge aus den Regionen ab oder stellte sie zur weiteren Diskussion. Bis Juni 1947 erhielten alle Orte über 500 Einwohner (nach dem Bevölkerungsstand von 1939) und alle Bahnstationen offizielle Bezeichnungen. Die Arbeit der Kommission endete im Dezember 1950, nachdem 32.138 Namen vergeben worden waren.147 Dem „Illustrierten Reiseführer“ vom Sommer 1947 wurde etwa eine Information zur Frage der Ortsnamen vorangestellt mit Verweis auf die weiterhin laufende Arbeit der Regierungskommission, was zu mögli145 Wagińska-Marzec, Maria: Ustalanie nazw miejscowości na Ziemiach Zachodnich i Północnych. In: Mazur (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego, 369–416, hier 376. 146 Ebd., 381, 387. 147 Ebd., 394–401.

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chen Abweichungen zwischen den offiziellen und den im Büchlein benutzten Namen führen könne. Stanisław Rosponds Vorarbeiten dienten als Referenz für die Gipfelnamen. Bei einzelnen Punkten wie Schlössern mussten jedoch provisorische oder gar deutsche Namen verwendet werden. Letztere waren noch auf vielen Wegweisern präsent, wie der Reiseführer angab.148 Der Übergang lässt sich im Einzelnen anhand der Kynastburg mit dem dazugehörigen Berg darstellen. Unmittelbar nach Kriegsende wurde der deutsche Name mit Verweis auf seine slawischen (‚piastischen‘) Ursprünge weiterbenutzt. Es war namentlich Józef Sykulski, der in seinem bereits erwähnten Büchlein „Piastowski zamek Chojnasty koło Jeleniej Góry“ (1946) als Erster die Bezeichnung „Chojnasty“ (sinngemäß: mit Kiefern bewachsen) als dem vermeintlichen polnischen Ursprungswort am nächsten vorschlug.149 Letztlich wurde dieser Name von Sprachexperten durch „Chojnik“, eine dem modernen Polnisch angepasste Version, ersetzt, was allerdings nicht nur Sykulski später bedauerte.150 Für größere Verwirrung sorgte zudem der Umstand, dass der seinerzeit selbständige Ort Hermsdorf unter dem Kynast nach 1945 zunächst für kurze Zeit als „Hermsdorf-Kynast“ funktionierte, dann als „Chojnasty“ und ab 1947 schon unter dem offiziell festgelegten Namen „Sobieszów“. Da die Namen der Burg, des Ortes und der Gemeinde vorübergehend identisch waren, tauchten die Bezeichnungen in verschiedenen Kombinationen auf: Burg Kynast im Ort Chojnasty, Burg Chojnasty im Ort Sobieszów, Burg Chojnik in Chojnasty usw. Aus der Frühzeit des Umbenennungsprozesses (Frühjahr 1945 – Sommer 1946) stammten einige sprachliche Kuriositäten wie „Turońsk“ (Mysłakowice, früher Zillerthal-Erdmannsdorf ) oder „Drogosławice“ bzw. „Krzywa Góra“ (Karpacz, früher Krummhübel). In diesem Fall schien die Version „Krzywa Góra“, eine direkte Übertragung aus dem Deutschen („krummer Hügel“), von der Bahndirektion bevorzugt zu werden, während der Name „Karpacz“ (von Karpaten abgeleitet) von Umsiedlern aus dem Tatragebiet eingeführt wurde.151 Dass sich im letzteren Fall die neuen Bewohner mit ihrer Wortschöpfung durchsetzten, war allerdings eine Ausnahmeerscheinung. Wie noch genauer zu zeigen sein wird, tendierte die offizielle Umbenennungskommission dazu, solcherart Kreativität auf vermeintlich wissenschaftlicher Grundlage zu unterbinden.152 Im Fall von Karpacz (Krummhübel) mag der propagandistische Mehrwert überwogen haben: eine geschlossene Gruppe

148 Sykulski: Ilustrowany przewodnik, 8. 149 Der auf dem Titelumschlag markant durchgestrichene Name „Kynast“ geht nach Sykulski: Niezapomniane lata, 24, auf die Initiative eines polnischstämmigen Buchdruckers zurück. 150 Ebd., 26. Vgl. ferner Orłowicz, Mieczysław/Małachowski, B[ohdan]: Polskie Sudety. In: Wierchy 21 (1952) 22–46, hier 30 Anm. 2. 151 Zych: Nazwy miejscowe, 86. Um diesen Namen soll es damals eine rege Auseinandersetzung unter Sprachforschern gegeben haben. 152 Thum: Die fremde Stadt, 345–347.

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von Neusiedlern aus dem südlichen Kleinpolen, die ihre als Ausdruck authentischen Polentums angesehene Bergfolklore mitgebracht hatten. Charakteristisch für diese Übergangszeit waren auch Namensgebungen nach konkreten Personen, wobei diese nicht zwangsläufig etwas mit der Region oder den Neusiedlern zu tun haben mussten. So wurde das frühere Arnsdorf nach dem damaligen polnischen Primas Kardinal August Hlond „Hlondów“ genannt, kurze Zeit später nach dem Breslauer Diözesanverwalter Karol Milik „Milików“, um schließlich als „Miłków“ im offiziellen Register aufzutauchen.153 Von längerer Dauer war die Umbenennung des früheren Brückenberg, eines der wichtigsten Touristikzentren der Region, nach dem damaligen Führer der Polnischen Arbeiterpartei und Staatspräsidenten Bolesław Bierut in „Bierutowice“. Dieser Name hielt bis 1989, als der Ort mit Karpacz (Krummhübel) zusammengeschlossen wurde und seitdem nur noch „Karpacz Górny“ heißt. Eine nicht minder wichtige Episode dieser Art war die Bezeichnung „Matejkowice“ für das frühere Hain.154 Im Juni 1945 fand dort ein vom Kulturministerium entsandtes Team unter Leitung des bekannten Kunsthistorikers Stanisław Lorentz einige von der Wehrmacht aus Warszawa (Warschau) geraubte Kunstschätze, unter anderem Bilder des berühmten Historienmalers Jan Matejko. Letztlich wurde dieser ‚malerische‘ Name in „Przesieka“ geändert. Von kurzer Dauer war auch die Bezeichnung „Zeylandowo“ nach einem polnischen Arzt für Bukowiec (Buchwald) oder „Korczakowo“ für Barcinek (Berthelsdorf ). Wie bereits angedeutet, war für die offizielle Kommission und sogar deren regionale Ableger die Benennung unbewohnter Plätze von nachrangiger Bedeutung.155 So kam diesen Institutionen sehr gelegen, dass der Hauptvorstand der Tatra-Gesellschaft (PTT) unter Führung von Mieczysław Orłowicz eine Kommission für die Sudeten-Nomenklatur ins Leben rief. Man warb dabei für die Zusammenarbeit mit lokalen Amtsträgern, Aktivisten und Lehrern und plante auch gemeinsame Sitzungen mit einem entsprechenden Gremium aus der Tschechoslowakei. Zwischen Oktober 1947 und Oktober 1948 wurden auf diese Weise bei sechs Arbeitssitzungen in verschiedenen niederschlesischen Städten und zwei zusätzlichen Treffen mit tschechischen Kollegen im April und Juni 1948 die Namen von 1.500 Bergen, Tälern, Pässen, aber auch Orten festgelegt bzw. der Regierungskommission zur Zustimmung vorgelegt.156 Recht kontrovers wurde anscheinend die Frage der Übertragung regionaltypischer Bezeichnungen aus der Tatra oder aus den Ostkar153 Czerwiński, Janusz/Mazurski, Krzysztof R.: Karkonosze, Warszawa 1992, 36. 154 Ein Vorschlag dieser Art war auch, Schreiberhau in „Harcerska Poręba“ (etwa: Pfadfinderhau) umzubenennen, da sich Ende 1945 die stärkste Pfadfinderorganisation in diesem Ort etablierte. Milewski, Janusz: Harcerstwo w Kotlinie Jeleniogórskiej w latach 1945–1950. In: Rocznik Jeleniogórski 22 (1984) 39–66, hier 46. 155 Garczyńska, Hanna: Działalność Komisji Nomenklatury Sudetów (1947–1950). In: Rocznik Jeleniogórski 38 (2006) 125–132, hier 125. 156 Ebd., 127–129. Vgl. [N. N.]: Prace Komisji Nazewniczej. In: Wierchy 19 (1949) 214.

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paten diskutiert. Während sich einige Experten an Wörtern wie „Wierch“ (Gipfel) störten, stieß auf der anderen Seite „Czarna Kopa“ (Schwarze Koppe) wegen des „deutschen Klangs“ auf Widerstand.157 Eine recht innovative, wenn auch nahe liegende Anregung Orłowicz’ bestand darin, den Gebrauch der neuen Namen vor Ort zu überprüfen. So waren seine zahlreichen Wanderungen durch die Sudeten in der Nachkriegszeit (1946, 1947, 1949, 1953 und 1959) auch diesem Ziel gewidmet.158 Vor allem die Reise vom August 1949 diente dazu, die Nutzung der Namen, die er selbst im Jahr zuvor festzulegen geholfen hatte, zu verifizieren. Einen entsprechenden Bericht veröffentlichte Orłowicz 1952 in der Vereinszeitschrift „Wierchy“. Darin konstatierte er nüchtern, dass die Veröffentlichung der offiziellen Namen für das Gebiet der Sudeten im Gesetzesblatt „praktisch niemanden erreicht [habe] und auch die lokale Bevölkerung sie nicht wirklich“159 kenne. Ein Grund dafür könnte sein, so Orłowicz weiter, dass das von Stanisław Rospond herausgegebene zweibändige „Wörterbuch geographischer Namen West- und Nordpolens“ (Słownik nazw geograficznych Polski Zachodniej i Północnej) kaum zu bekommen und darüber hinaus zu sperrig für den alltäglichen Gebrauch sei. Da man vom gemeinen Touristen kaum erwarten könne, dass er die offiziellen Gesetzesblätter nach langwieriger Suche kaufe und mit sich herum trage, sollten nach Regionen gegliederte Auszüge veröffentlicht werden, regte Orłowicz an. In diesem Beitrag von 1952 verwendete der Tourismusexperte noch deutsche Namen von Gipfeln usw., um sprachliche Verwirrung zu vermeiden.160 Ähnliches gilt für touristische Objekte, insbesondere die Gebirgsbauden. Deren Namen wurden von keiner Kommission erfasst, sondern von den neuen Besitzern oder den örtlichen Tourismusaktivisten festgelegt. Eine Anknüpfung an die Vorkriegsnamen war nur in den seltensten Fällen vorgesehen – zum Beispiel im kuriosen Fall der Prinz Henrich-Baude. Im zeitgenössischen Schrifttum, aber auch in den Dokumenten entsprechender Institutionen fanden die deutschen Namen weiterhin Verwendung, da eine eindeutige Identifikation nur über diese möglich 157 Garczyńska: Działalność, 130. Die Vorbehalte gegenüber der „Kleinen Koppe“ und „Großen Koppe“ stammen interessanterweise aus einer Diskussion des Gemeindenationalrats in Karpacz (Krummhübel) vom 6. Februar 1948. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, 162. 158 Kowalik: Wycieczki sierpniowe, 88. 159 Orłowicz/Małachowski: Polskie Sudety, 22. 160 Ein weiteres aufschlussreiches Detail, auf das Mieczysław Orłowicz in seinem Beitrag hinwies, war die Schaffung eines neuen Gebirges durch polnische Geographen: Aus Teilen des Waldenburger Berglandes, das jetzt „Góry Suche“ genannt wird, und dem Rabengebirge entstand das Gebirge „Góry Kamienne“ (sinngemäß: Landeshuter Gebirge, vgl. Landeshut = Kamienna Góra). An der Durchsetzungsfähigkeit des neuen Gebildes unter Touristen zweifelte Orłowicz/Małachowski: Polskie Sudety, 34f., nicht zuletzt weil es der übernommenen deutschen Einteilung der Sudeten nicht entsprach. Auf heutigen Karten taucht der Name „Góry Kamienne“ allerdings weiterhin auf.

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war.161 Selbst in der Region erstellte Reiseführer scheinen die neue Nomenklatur lange nicht verinnerlicht zu haben.162 Besonders in der ersten Zeit erhielten viele touristische Objekte ‚hurrapatriotische‘ Namen. Die Herberge am Spindlerpass hieß demnach „Odrodzenie“ (Wiedererstehung oder Wiedergeburt, womit anscheinend der polnische Staat gemeint war), die Reifträgerbaude hieß „Patria“ (heute: Na Szrenicy), die Neue Schlesische Baude hieß „Piast“ (heute: Na Hali Szrenickiej) und die Schneegrubenbaude „Wawel“ (heute: Nad Śnieżnymi Kotłami). Kurze Zeit existierte die Herberge „Altes Zollhaus“ unter dem Namen „Wierchy“ – eine Übernahme der Tatra-Nomenklatur.163 Diese Namen verschwanden allerdings so schnell, wie sie entstanden waren. Sehr rasch setzten sich die Bezeichnungen „Samotnia“ (etwa: Einsiedlerei) für die Kleine Teichbaude und „Strzecha Akademicka“ (etwa: Akademikerhütte, für kurze Zeit neutral als „Herberge der Studenten der Jagiellonenuniversität“ bezeichnet) für die Hampelbaude. Die frühere Schlingelbaude erhielt nach einem bekannten polnischen Wintersportler und Opfer des Nationalsozialismus den Namen „Schronisko im. Bronka Czecha“ und behielt ihn bis zum vernichtenden Brand im Dezember 1966. Ein besonderer Fall, auf den an dieser Stelle etwas genauer eingegangen werden soll, war die Umbenennung des „Schlesierhauses“ am Koppenplan.164 Das 1922 errichtete Objekt hatte von vornherein eine politische Konnotation, wie im vorigen Kapitel schon dargelegt wurde. Die zeitweilige Benennung nach dem Maler und Schriftsteller Stanisław Wyspiański war ein Versuch der PTT, polnische Kulturtraditionen – Wyspiański war übrigens von der in der Tatra gelegenen Stadt Zakopane begeistert – in die neu erworbenen Gebiete zu übertragen.165 Auch dieser Name war jedoch von kurzer Dauer,166 denn das Objekt wurde bald den Grenzschutztruppen (WOP) übergeben und entweder neutral als „Pod Śnieżką“ (Unter 161 Kulik: Przejmowanie, 198. 162 Im „Illustrierten Reiseführer“ wird zum Beispiel die nicht mehr existierende Prinz HenrichBaude nur „Schronisko Wielki Staw“ genannt, die Neue Schlesische Baude am Reifträger wird direkt als „Schronisko Nowośląskie“ übersetzt, während das frühere Jugendkammhaus Rübezahl am Spindlerpass ohne Namen und später unter der Bezeichnung „Odrodzenie“ fungiert. Sykulski: Ilustrowany przewodnik (eingelegte Touristenkarte). 163 Rzeczycki, Tomasz: Krótkie dzieje schroniska Wierchy. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 9/2 (2009) 19. 164 Hartwich: Szczyt symboliki. 165 Im Übrigen stießen sich schon einige Zeitgenossen an der übertriebenen Politisierung der neuen Namen, bei der zu viele historische Gestalten ihre Straße oder andere Objekte erhielten und dabei sogar historische Bezeichnungen, die mit einem vermeintlichen deutschen Einfluss nichts zu tun hatten, der Umbenennungswut weichen mussten. Wąsowicz, J[ózef ]: O nowych nazwach polskich. In: Ziemia 30 (1946) 7–9. 166 Als solches taucht die Baude allerdings noch bei Sobański: Karkonosze, 8, im Jahr 1947 auf. Dort ist auch von einer Jan Kasprowicz-Herberge (heute vermutlich „Hala Szrenicka“) am Reifträger die Rede, die ebenfalls nach einem jungpolnischen Dichter benannt wurde. Ebd., 9.

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der Schneekoppe) oder als „Dom Śląski“ (Schlesisches Haus) bezeichnet. Diese direkte Übertragung aus dem Deutschen, die schon früh verbreitet war (zum Beispiel auf Rosponds Touristenkarte von 1946), lange Zeit aber selten offiziell verwendet wurde, zeugt von der bemerkenswerten Kontinuität der alten Namen. Vermutlich war die Bezeichnung „Schlesierhaus“ ohne Kenntnis ihrer politischen Entstehungsgeschichte leicht zu übersetzen und anzuwenden und zudem weit verbreitet, so dass sie in polnischen Zeiten einfach weiter existierte. Dass dieser Name sich letztlich durchsetzte, zeigt auch, dass jede Umbenennung einer Verifizierung im Lebensalltag unterlag und diese nicht immer erfolgreich bestand. Auf die Notwendigkeit, die Verwendung der neuen Namen im Gelände zu verifizieren und gegebenenfalls die vor Ort gebräuchlichen zu respektieren, wiesen auch andere Zeitgenossen hin. Alfons Szyperski, ein Tourismusaktivist aus der Region um Wałbrzych (Waldenburg) schrieb: „In vielen Fällen ist die Autopsie notwendig. So wird oft die Überlegenheit des praktischen, vor Ort entstandenen Namens über theoretische Lösungen, die am grünen Tisch entstanden, begründet. Ein Name war doch immer genetisch mit dem Leben verbunden!“167 Das Zitat stammt aus dem Jahr 1946, als der Umbenennungsprozess erst in Fahrt kam und man an die Bedeutung von Initiativen von unten glaubte. Nicht nur die später vielfach angeführte sprachliche Inkorrektheit war wohl der Grund für die Kritik an den spontanen Wortschöpfungen. So schrieb ein Sprachwissenschaftler: „In dieser Situation wurde die Einmischung der Staatsmacht notwendig, die Sprachwissenschaftler, Historiker und Geographen befragte und mit großer Mühe eine gewisse Ordnung in der Benennung durchsetzte.“168 Es war in gewissem Ausmaß auch die semantische Nähe zu den deutschen Namen, die in den Augen offizieller Stellen des Gegensteuerns bedurfte. Wenn Namen und die durch sie benannte Wirklichkeit tatsächlich untrennbar miteinander verbunden sind, dann gab die sprachliche Verwirrung und die häufige direkte Übertragung der deutschen Namen durch die neuen Siedler eben jene gesellschaftliche Realität der Westgebiete in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wieder. Diese Realität kann bis etwa Ende 1946 als „deutsch-polnische Kohabitation“ bezeichnet werden. Im wörtlichen Sinn: Die alten Einwohner mussten, wenn sie nicht durch die zugezogenen Polen gleich aus ihren Häusern verdrängt wurden, mit ihnen Haus und Hof teilen. Mehr noch: Nicht selten tauschten auf dem Land Hofbesitzer und frühere Zwangsarbeiter die Rollen.169 Da der Strom der Umsiedler, vor allem aus Zentralpolen, nicht die für den Wiederaufbau und die Inbetriebnahme der Betriebe notwendigen Arbeitskräfte sichern konnte, wurden die bisherigen Bewohner trotz allen aus der Kriegszeit angestauten Hasses weiterhin gebraucht. Daraus resultierte ein erzwungenes, aber nichtsdestoweniger real funktio167 Szyperski, Alfons: O właściwe nazwy geograficzne. In: Kincel/Tyblewski: Początki, 79. 168 Zych: Nazwy miejscowe, 82. 169 Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 98.

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nierendes Zusammenleben deutscher und polnischer Bevölkerung im „Wilden Westen“, das sich nicht zuletzt in gemeinsamem Schutz vor Gefahren (Räuberbanden, marodierende Sowjetsoldaten oder polnische Behördenwillkür) ausdrückte.170 In diesem Kontext erhält die Verwendung deutscher Namen oder deren direkter Übersetzungen eine neue Bedeutung. Die Vorkriegsbewohner waren die einzigen kundigen Führer durch die fremde Umgebung und so war die alte Nomenklatur selbstverständlich die dominierende Informationsquelle.171 Für Ortsnamen traf dies weniger zu, da hier von der Zentralregierung entsandte Verwaltungsvertreter mehr Acht auf ‚korrekte‘ Benennung geben sollten. Gerade im Fall der unmittelbaren Umgebung, der Namen von Bächern, Hügeln, Feldwegen, markanten Steinen oder sogar einzelnen Fluren, versagte das offizielle Register.172 Hier war man auf die alten Namen oder die eigene Vorstellungskraft angewiesen.173 Diesem spezifischen „Ineinander-Übergehen“ zwischen deutschen und polnischen Kulturelementen schienen übergeordnete Stellen Einhalt gebieten zu wollen. Der Publizist Zdzisław Hierowski gab schon im Sommer 1945 die Richtung vor: „Wichtig ist, dass der [in den Westgebieten] ankommende Pole nicht die äußerlichen, deutschen Eigenschaften jener Kultur als eigene annimmt. Im Gegenteil – wir sollten versuchen, der materiellen Kultur dieser Gebiete einen polnischen Charakter zu verleihen, in Kleidung, Sitten, Hausausstattung und Lebensstil.“174 In einem Bericht einer polnischen Journalistin wurden etwa weiße, nach deutscher Art gebundene Kopftücher in Szklarska Poręba (Schreiberhau) kritisiert.175 Sie spürte den „germanischen Geist“ der Orte in „seiner ganzen Hässlichkeit“; in viel170 Hytrek-Hryciuk, Joanna: „Rosjanie nadchodzą!“ Ludność niemiecka a żołnierze Armii Radzieckiej (Czerwonej) na Dolnym Śląsku w latach 1945–1948, Wrocław 2011. 171 „In den Arbeiten über die Adaptation der [polnischen] Siedler wurde bisher entschieden zu wenig über die deutsche Kultur geschrieben, vor allem über ihre Auswirkungen auf die Haltung polnischer Migranten in den neuen Gebieten.“ Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 90. 172 In einem Bericht vom Februar 1949 listete der Tourismusreferent des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg) alle Punkte ohne offizielle polnische Namen auf: insgesamt 795, wobei irrtümlich unter anderem auch der Mittagsstein oder die Schneegruben auftauchten. Etwas geheimnisvoll ist, dass auch „Rübezahl“ in dieser Liste auftaucht. APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, 22–35. Noch Ende 1949 berichtete der nach Kamienna Góra (Landeshut) strafversetzte Wojciech Tabaka, die Ortsnamen seien geändert worden, doch es bleibe „noch eine große Anzahl von Fluren, die auf die Verleihung offizieller Namen warten“. Dominik/Dominik: Wojciech Tabaka, 156. 173 In einer früheren Version der oben genannten Liste schlug der Autor selbst vor, für den „Kittner-Berg“ aufgrund einer lokalen Legende den polnischen Namen „Ośla Góra“ (Eselsberg) festzulegen. Im Übrigen schien die Initiative zur Sammlung dieser Daten auf die Verkehrsabteilung der Wojewodschaftsverwaltung zurückzugehen, da die Kreisbehörden die Listen der übergeordneten Behörde zusandten. Vgl. ebd. 174 Zit. nach Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 92. 175 Streszewska-Bienkowska, Danuta: List ze Szklarskiej Poręby. In: Kolbuszewski, Jacek: Oswajanie krajobrazu. Z problematyki integracji kulturowej na ziemiach odzyskanych. In: Simoni-

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fältigen Details wie Architektur, Andenken, Aufschriften, Figürchen, Bildern und Büchern beschrieb sie ihre Eindrücke.176 Ferner soll sogar vorgekommen sein, dass sich Polen in den neuen Wohnorten oder Betrieben zur Verständigung der deutschen Sprache bedienten.177 Der im überwiegenden Teil der Bevölkerung sicherlich geteilte Widerwille gegen eine solche Anpassung der Neusiedler an die deutsche Umgebung resultierte in einer rigorosen Durchsetzung der offiziellen Leitlinien für die Umbenennungen. Zu den politischen Grundsätzen bei diesem Vorgang gehörten neben der Auseinandersetzung mit allzu ‚deutschen‘ Bezeichnungen selbstverständlich auch alle Anspielungen auf die verlorenen polnischen Ostgebiete.178 Bei so vielen Einschränkungen verwundert es nicht, dass die Umbenennung der Wirklichkeit dem Aneignungsprozess kaum förderlich war. „Die fehlende Beteiligung im Benennungsprozess wurde zu einem Faktor der Entfremdung der Ankömmlinge von ihrer neuen Umgebung. Die Migranten engagieren sich, wenn die Umstände es nur erlauben, bei der Benennung der Ansiedlungsorte und das stellt ein wichtiges Element der [neuen] Anordnung der Wirklichkeit dar. Die spontanen Versuche einer eigenen Umbenennung seitens der Ansiedlungspioniere zeugen davon. Leider ließen die Machthaber eine Aktivität von unten nicht zu und begrenzten das Recht zur Entscheidung [in Namensfragen] auf ausgewählte Institutionen.“179 Die daraus resultierende Apathie oder „Desintegration der sozialen Identität“ der Neusiedler fand auch in der Tatsache ihren Ausdruck, dass noch 1949 im Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) Hunderte von Orten ohne polnische Bezeichnungen blieben – den neuen Bewohnern wurde die Lust an eigenen Wortschöpfungen genommen, die deutschen Namen wurden tabuisiert und die offiziellen Institutionen hielten die Umbenennung von Weilern in der niederschlesischen Peripherie für zweitrangig. 7.2. Sichtbare Zeichen Die sichtbare Präsenz des Deutschen und dadurch der Deutschen in den propagandistisch als ‚urpiastische‘, „wiedergewonnene“ Gebiete bezeichneten Regionen war polnischen Verwaltungsvertretern seit Anbeginn ein Dorn im Auge.180 Schon bald wurden auf vielen Ebenen „Entdeutschungsaktionen“ (odniemczanie) durchge-

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des, Dorota (Hg.): Symbolika regionów. Studia etnologiczno-folklorystyczne, Opole 1988 (Ziemie Zachodnie Polski), 67–82, hier 78. Kolbuszewski: Karkonosze w poezji, 190. Hofmann: Die Nachkriegszeit, 249. Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 150 (hier: „Nowy Lwów“). Noch 1947 waren im Riesengebirge Namen von Pensionen, Restaurants oder ähnlichen Objekten wie „Lwów“ oder „Wilenka“, aber auch „Sansousi“ [sic!] (Erholungsheim der PPR) recht verbreitet. Ebd., 146f. Thum: Die fremde Stadt, 367–369.

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führt: durch Änderung von Straßennamen, Entfernung von deutschen Schildern, Hausaufschriften und sogar Grabsteinen sowie durch die Diskriminierung von Deutschsprechenden im öffentlichen Raum. Sowohl die im Allgemeinen ländliche Siedlungsstruktur als auch die vielfältige kulturelle Markierung des Geländes, nicht zuletzt zu Zwecken des Fremdenverkehrs, machten aus diesem Landkreis im Riesengebirge jedoch einen besonderen Fall. „Der zweite Jahrestag der Übergabe der Verwaltung über die ewig polnischen Gebiete der Wojewodschaft Niederschlesien in polnische Hände naht, doch in vielen Städten und Dörfern wurden die äußerlichen Spuren des Deutschtums in Gestalt von Aufschriften, Reklamen, Denkmälern, Wegweisern usw. in deutscher Sprache nicht entfernt“, schrieb im Mai 1947 Landrat Wojciech Tabaka an alle Ortsvorsteher im Kreis. Und weiter: „Jelenia Góra [Hirschberg] ist ein großes klimatisches, touristisches, sportliches und kulturelles Zentrum, das viele Menschen aus Zentralpolen, aber auch aus dem Ausland besuchen. Diese Menschen sollten hier keine deutschen Aufschriften lesen. Deshalb fordere ich dazu auf, innerhalb kürzester Zeit im ganzen Landkreis alle Spuren des Deutschtums zu entfernen. Einen Bericht über die Ausführung der vorliegenden Anordnung erwarte ich bis zum 20. [Datum handschriftlich korrigiert, Anm. d. Verf.] Mai 1947.“181 In diesem knappen Dokument kommen alle zentralen Aspekte zur Sprache: der historische Rekurs der Ideologie („ewig polnische Gebiete“, odwiecznie polskie), die Auseinandersetzung mit allgegenwärtigen Zeugnissen fremder, unerwünschter Kultur („die äußerlichen Spuren des Deutschtums“, zewnętrzne ślady niemczyzny) sowie die Stellung des Gebietes und seine Wahrnehmung im Ausland („großes klimatisches, touristisches, sportliches und kulturelles Zentrum“, im Original: „jest wielkim ośrodkiem klimatycznym, turystycznym, sportowym i kulturalnym“). Landrat Tabaka schien ein besonders waches Auge für diese Fragen zu haben, was sich in zahlreichen Schreiben an lokale Verwaltungsstellen ausdrückte, in denen er etwa von seinen Eindrücken bei Besuchen in einzelnen Ortschaften berichtete.182 Besonders häufig schien der Verkauf deutscher Postkarten oder Andenken vorgekommen zu sein, aber auch Stationsnamen entlang der Bahntrassen wurden von Tabaka ins Visier genommen.183 181 APW-JG, 141/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Sobieszowie, H. 29: Verschiedenes, Brief des Landrats von Jelenia Góra (Hirschberg) an die Bürgermeister und Dorfvorsteher im Kreis vom 9. Mai 1947, 163. 182 So in einem Schreiben an den Gemeindevorsteher von Karpacz (Krummhübel) vom 15. Februar 1948, in dem von einer Tankstelle mit deutschen Aufschriften und sogar Plänen und Karten berichtet wird. APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze, H. 63: Touristik 1948, 205. 183 Ebd., 25f., 76, 181. Etwas sarkastisch schrieb Wojciech Tabaka an die Stadtverwaltung in Kowary (Schmiedeberg) am 14. Juni 1948: „An der Strecke von Kowary nach Jelenia Góra gibt es am Bahndamm wie zu ‚guten‘ deutschen Zeiten an den Gebäuden und an der Hofeinfahrt zu ‚Litopol‘ die Aufschrift ‚Pension fü[r] Fremde‘. Sollte diese Aufschrift die Touristen

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Das Besondere an dieser Region waren die sichtbaren Zeichen deutscher Präsenz in der Landschaft. Über Jahrzehnte hatte besonders der RGV mit seinen Wegemarkierungen ein übersichtliches, effizientes System geschaffen, mit dem der geographisch-kulturelle Komplex „Riesengebirge“ für den gemeinen Touristen erfahrbar wurde.184 Dieses System musste nun von den polnischen Nachfolgern, vor allem den PTT-Aktivisten, instand gesetzt und adaptiert werden. Dabei offenbarten sich wiederum die kulturellen Unterschiede im Verständnis von Wanderwegen: „Der Zustand konnte nach 1945 nicht von der PTT übernommen werden, denn er basierte auf anderen Formen der Markierungen und die Wegeführung beschränkte sich auf ein sternförmiges System von Spazierpfaden, die zu einzelnen Objekten oder Ortschaften führten. In dieser Situation wurden als eines der ersten Vorhaben ein polnisches System der Markierungen eingeführt und touristische Wege gekennzeichnet. Man behielt dabei generell den Verlauf der alten Pfade, die oft über ausgezeichnete, ausschließlich zu diesem Zweck gebaute Wege führten, bei. Die Pfade sollten aber entsprechend gekennzeichnet, miteinander verbunden und somit ein neues kohärentes System geschaffen werden, das mehrtägigen variablen Wanderungen angepasst war.“185 Nach Staffa wurden als Erstes im Jahr 1946 die Wanderwege im Riesengebirge an das polnische System angeglichen, was sich durch die ausgebaute Infrastruktur und somit eine fast bruchlose Weiterbenutzung in der neuen Zeit erklärt. Im folgenden Jahr wurde im Rahmen der PTT eine interregionale Sudetenkommission (Komisja Sudecka) geschaffen, die unter Leitung Mieczysław Orłowicz’ die Wanderwege in diesem Gebirge neu bestimmte. Der durchgehende Ost-West-Weg (Główny Szlak Sudecki, GSS) orientierte sich dabei weitestgehend am Saar-Schlesien-Weg von 1935/37 und wurde im November 1947 festgelegt; allein 65 Kilometer Markierungsarbeiten entfielen auf die PTT-Abteilung in Jelenia Góra (Hirschberg). Das letzte Teilstück des Sudetenwanderwegs wurde allerdings erst 1952 fertig gestellt.186 Doch schon früher schien der Prozess ins Stocken geraten zu sein. Auf wiederholte Mahnungen des Landrats antwortete die PTT-Organisation in Jelenia Góra (Hirschberg) am 30. Juli 1948: „die Frage deutscher Aufschriften auf touristischen Wegen im Wirkungsbereich unserer Abteilung ist Gegenstand unserer großen Sorge, doch hemmen fehlende Mittel unsere Aktivität. Vom Hauptvorstand [der PTT, Anm. d. Verf.] erhielten wir eine gewisse, wenn auch nicht ausreichende

dazu ermuntern, ‚Litopol‘ zu besuchen? Ich glaube, diese Reklame wird das Gegenteil bewirken und jeder ehrliche Pole wird mit Abscheu auf die Pfleger solcher Denkmäler spucken.“ Ebd., 36. 184 Woźniak, Michał: Jak znakowano szlaki turystyczne w Sudetach. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 4/9 (2004) 28–29 (hier auch punktuell Informationen zur Nachkriegszeit). 185 Staffa, Marek: Zagospodarowanie turystyczne Sudetów po 1945 roku. In: Janczak, Julian (Hg.): Turystyka polska w Sudetach, Wrocław 1986, 43–55, hier 50. 186 Ebd.

Die Umkodierung der Landschaft

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Abb. 8: Grenzstein am Zickzackweg zur Schneekoppe. Als Problem für die polnischen Verwaltungsstellen erwies sich nach 1945 die Übermalung von mehreren hundert Grenzsteinen im Gebirge. An einigen ist bis heute das eingemeißelte „D“ für Deutschland zu erkennen.

Menge an Farbe, aber kein Geld für die Malerarbeiten.“187 Mit Verweis auf die wirtschaftliche Rolle des Fremdenverkehrs für die Region und die Notwendigkeit einer guten Wintermarkierung wandte sich Tabaka im Oktober 1948 an die Wojewodschaftsverwaltung in Wrocław (Breslau) mit der Bitte um entsprechende Mittel.188 Noch ein Jahr später berichtete der Tourismusreferent des Kreises vom völligen Fehlen polnischer Wegweiser und kaum noch lesbaren deutschen, von kaputten Brücken und Stegen sowie nahezu unbegehbaren Wegen im Gelände.189 Gleichzeitig fand eine groß angelegte Aktion zur Ersetzung deutscher Grenzsteine statt. Der Tourismusreferent beauftragte eine Steinmetzfirma aus Cieplice Śląskie (Warmbrunn) damit, das „D“ in ein „P“ umzuwandeln, was im Oktober und November 1949 an 455 Grenzsteinen im Riesengebirge durchgeführt wur187 APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze, H. 63: Touristik 1948, 126. 188 Ebd., 206. Ähnliches berichtete der Tourismusreferent auch aus dem Falkengebirge, wo polnische Wegmarkierungen nicht existierten und die Wanderer sich anhand der deutschen orientieren müssten. Zudem entdeckte der Funktionär auf den Berggipfeln in Stein eingemeißelte deutsche Inschriften. APW- JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze, H. 66: Touristik 1949–1950, 18. 189 Ebd., 8.

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de.190 Wegen der Witterungsverhältnisse tauchten bei der Arbeit in den höheren Lagen immer wieder Probleme auf und auch die Zusammenarbeit mit den Grenzschutzeinheiten gestaltete sich nicht immer leicht. Im Januar 1948 bat Landrat Tabaka den WOP-Befehlshaber um Hilfe. Er schrieb, man habe zuvor lediglich mit roter Farbe den Strich im eingemeißelten „D“ verlängert, um ein „P“ zu erhalten, was jedoch nach Regenfällen wieder zunichte gemacht worden sei. „Aus Prestigegründen wäre es angebracht, mit einer Meißel den Strich zu verlängern und daraus ein permanentes ‚P‘ zu machen“, schrieb Tabaka.191

8.

Veränderte politische Rahmenbedingungen

Als Tabaka den WOP-Kommandeur um Hilfe bei der materiellen (und somit auch semiotischen) Polonisierung des Riesengebirges bat, spielte der Grenzschutz eine immer wichtigere Rolle im Leben der Region – eine nicht besonders positive dazu. Seit etwa 1947 wurden die Vorschriften über die Mobilität im grenznahen Raum immer restriktiver, was den Fremdenverkehr unmittelbar beeinflusste. Nach ungefähr zwei Jahren recht spontaner Entwicklung auf vielen Ebenen änderten sich die Rahmenbedingungen: Nicht nur war die Ausweisung der deutschen Bevölkerung im Großen und Ganzen abgeschlossen und die Ansiedlung im vollen Gange, auch die Politik der polnischen Regierung wandelte sich, bedingt durch die Festigung der Vormachtstellung der Kommunisten. Bemerkenswerterweise wurde ein bedeutsamer Wendepunkt der europäischen Nachkriegsgeschichte im Riesengebirge vollzogen: Im September 1947 kam die Große Politik nach Szklarska Poręba (Schreiberhau) in Gestalt einer Beratung von neun kommunistischen Parteien aus Ostmitteleuropa (ohne die ostdeutschen Genossen), Italien und Frankreich. Bei dieser Konferenz wurde die Gründung der „Kominform“ beschlossen und somit ein Schritt in Richtung Kalter Krieg verwirklicht.192 Gleichzeitig wurde innenpolitisch mit dem gefälschten Referendum vom Juni 1946, bei dem unter anderem über den Anschluss der Westgebiete ‚abge190 Ebd., 21. 191 APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze, H. 63: Touristik 1948, 227. Eine aufschlussreiche Anekdote erzählte in diesem Zusammenhang ‚Pionier‘ Zenon Jarkiewicz, als im Rahmen eines Betriebsausflugs auf die Schneekoppe die Teilnehmer Grenzsteine mit einem „D“ und einem „CS“ bemerkten. „Dass ‚CS‘ unseren südlichen Nachbarn bezeichnet, war verständlich, aber was bedeutet der Buchstabe ‚D‘? Jemand kam auf die Idee: ‚Demokratie‘.“ Jarkiewicz, Zenon: Pionierskie lata w Jeleniej Górze. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 51–80, hier 55f. 192 Sielezin, Jan Ryszard: Szklarska Poręba – centrum polityki światowej. Kulisy powstania Biura Informacyjnego Partii Komunistycznych i Robotniczych w 1947 r. In: Rocznik Jeleniogórski 35 (2003) 249–256; Borodziej, Włodzimierz: Od Poczdamu do Szklarskiej Poręby. Polska w stosunkach międzynarodowych 1945–1947, London 1990. Vgl. ferner Judt, Tony: Die Geschichte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg, Bonn 2006, 171f.

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stimmt‘ wurde, mit den Sejm-Wahlen vom Januar 1947 und den großen Umsiedlungswellen im Südosten des Landes (Operation „Weichsel“) im Frühjahr desselben Jahres eine Entwicklung hin zum alles kontrollierenden, ideologisch repressiven Einparteienstaat angesteuert, die das Geschehen auch in dieser Region Polens maßgeblich bestimmte.193 Diese Prozesse und ihre Auswirkungen auf die Situation im Riesengebirge stellen den abschließenden Aspekt dieses Kapitels dar. 8.1. Das Grenzregime Die Zeit des kulturellen Bruchs zwischen Sommer 1945 und Sommer 1948 war zugleich eine Zeit des Übergangs in vielfacher Hinsicht. Zu den Charakteristika gehörte auch die Tatsache, dass die Grenze noch nicht gesichert war: Zum einen traten zwischen Polen und der Tschechoslowakei Grenzstreitigkeiten auf, die erst 1958 durch einen kleinen Gebietstausch beigelegt wurden;194 zum anderen deuten Berichte erster Touristen und Aktivisten auf einen laxen Umgang mit Vorschriften über den Aufenthalt im Grenzraum hin. Schon im September 1946 hatte man im Umfeld der örtlichen PTT-Organisation die Wiedereinführung der so genannten touristischen Konvention mit der Tschechoslowakei, das heißt eines pass- und visafreien Wandergebiets im Gebirge, angeregt.195 Während der Gründungsversammlung der PTT-Ortsgruppe in Jelenia Góra (Hirschberg) – die im Vorjahr gegründete Gesellschaft DTTK hatte sich umgewandelt – wurde gleichzeitig der Grenzschutz für die Behinderung des Fremdenverkehrs kritisiert.196 Schon während der ersten Augustwanderung in den Sudeten 1946 waren die Bestimmungen zur Mobilität im Grenzraum für Mieczysław Orłowicz ein wichtiges Thema. Im Sommer 1946 verbreiteten sich in polnischen Medien entsprechende Gerüchte über Behinderungen für Touristen, die von Tourismusaktivisten schnell dementiert wurden, um den erwünschten Ansturm polnischer Besucher nicht zu erschweren. Im August 1947 erwähnte Orłowicz allerdings, dass die Be193 Fleming, Michael: Communism and Nationalism in Poland. 1944–1950, London u. a. 2010 (Routledge series on Russian and East European studies 58). 194 Łaborewicz, Ivo: Polsko-czechosłowackie spory graniczne w Sudetach po 1945 r. In: Sudety. Przyroda – Historia – Kultura 5/9 (2005) 12–13. Damals wurde die oberhalb Harrachov (Harrachsdorf ) gelegene Bahnstation Tkacze (Strickerhäuser) der Tschechoslowakei zugeschlagen. Eine endgültige Klärung dieser Fragen folgte allerdings erst 2009, als im oberschlesischen Teil des Sudetengrenzgebiets einige auf der tschechischen Seite gelegene landwirtschaftliche Flächen Polen übergeben wurden. 195 Margas: Kronika roku 1946, 121f. 196 Schon im Herbst 1945 wurde bei einer Versammlung der Übergangs-Dorfvorsteher in der Gemeinde Szklarska Poręba (Schreiberhau) die „Übernahme“ eines 15 Kilometer breiten Grenzstreifens durch die WOP (damals KOP)-Einheiten angekündigt. APW-JG, 143/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie, H. 65: Vertrauliches 1945–1946, Protokoll einer Versammlung vom 24. Oktober 1945, 38–40.

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steigung der Schneekoppe nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der WOP-Einheiten möglich sei, auch wenn diese relativ problemlos und mündlich erteilt werde.197 Von dieser Möglichkeit machten nach seiner Aussage auch viele Urlaubergruppen Gebrauch, die in den Ferienheimen der Gewerkschaften oder Betriebe untergebracht waren. Unterschiedlichen Quellen zufolge musste vor Beginn der Wanderung in der zuständigen WOP-Stelle die Gruppe mit einer Namensliste angemeldet werden, die dann einen einfachen Sammelpassierschein für den konkreten Weg hin und zurück erhielt.198 Andernorts war von einer Erlaubnis der Kreisverwaltung bzw. der Kreisstelle der Staatssicherheit (Urząd Bezpieczeństwa Publicznego, UBP) die Rede, die jedoch wohl den Aufenthalt im Grenzraum und nicht Ausflüge von organisierten Gruppen regelte.199 Individualtouristen hatten es ungleich schwerer: Bei wohlwollender Haltung der Grenzsoldaten wurde ihr Personalausweis bis zur Besteigung des Gipfels einbehalten. Eine wichtige Voraussetzung für Gruppenwanderungen war jedoch, dass ein ausgebildeter Bergführer die Gruppe begleitete. In diesem Kontext ist somit auch die Schulung von Fremdenführern zu verstehen, einer bis 1945 unbekannten Institution. Im April 1948 wurde zum ersten Mal ein solcher Kurs durch die PTT durchgeführt und später als offizielle und exklusive Aufgabe der Nachfolgeorganisation PTTK übernommen.200 Es sollte daher auch nicht verwundern, dass die Bergführerorganisation (Koło Przewodników Sudeckich) in der Hochphase der stalinistischen Abschottung Polens unter den Bedingungen eines totalen Kontrollanspruchs der Partei, das heißt im Oktober 1953, entstand. Wie sich die Regeln zur Mobilität im Grenzgebiet genau gestalteten, lässt sich anhand eines Schreibens des Landratsamtes von Jelenia Góra (Hirschberg) an die Stadtverwaltung von Karpacz (Krummhübel) vom 4. August 1951 rekonstruieren. Darin wurde eine Verordnung des Ministerrats vom 6. Juni desselben Jahres zitiert, betreffend die Vorschriften über den Aufenthalt im grenznahen Raum für Urlauber, Touristen, Kurgäste, Teilnehmer von Wanderlagern und Kinderferienlagern 197 Kowalik: Wycieczki sierpniowe, 78f. 198 Kulik, Zbigniew: Organizacja turystyki w regionie jeleniogórskim w latach 1945–1950 (od Dolnośląskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego do Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego). In: Janczak (Hg.): Turystyka polska, 33–42, hier 35. Vgl. ferner Sykulski: Ilustrowany przewodnik, 145. 199 Ein Schlesienreisender berichtete später: „Das Leben in Schreiberhau ist nicht einfach. Alle Bewohner und Urlauber müssen in Besitz von Aufenthaltsgenehmigungen sein. Laufend finden Kontrollen statt. Dazu ist es verboten, die meisten der in Grenznähe gelegenen Bauden zu betreten. [...] Wer heute nach Schreiberhau will, muss einen roten Stempel in seinen Ausweispapieren haben, sonst wird er nicht in das Gebiet der Stadt hereingelassen.“ Hirschberg, Erwin (Hg.): Unser Schlesien heute. Eine Reise in die Heimat. Aufzeichn[ungen] über e[ine] Reise durch alle schlesischen Kreise im Jahre 1954. Ein aktuelles Städte- u[nd] Landschaftsbild, unter Verwendung von Briefen, Informationen u[nd] Gesprächen in u[nd] ausserhalb Schlesiens, Aachen 1955, 147. 200 Mateusiak (Hg.): 50 lat Oddziału.

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sowie Teilnehmer von Gruppenausflügen. Demnach sollten sich diese Personen vor einer Reise folgende Unterlagen besorgen: ein gültiges Identifikationsdokument, eine Bescheinigung des Arbeitgebers bzw. der Bildungseinrichtung über die Entsendung und eine Meldebescheinigung. Diese Papiere sollte man stets bei sich tragen und bei jeder Aufforderung vorzeigen. Die Anmeldung erfolgte binnen 24 Stunden bei den örtlichen Behörden, wobei diese Formalie im Normalfall von den Betreibern des Ferienheims, das heißt der Bildungs-, Gewerkschafts- oder Gesundheitsinstitution, durchgeführt werden sollte.201 Diese Pflicht schien jedoch regelmäßig vernachlässigt worden zu sein.202 8.2. Die Zentralisierung des Fremdenverkehrs Wie bereits beschrieben, ging der anfängliche Impuls für die Neuorganisation des Tourismus im Riesengebirge nach 1945 von den Aktivisten sozialer Organisationen aus. Diese rekrutierten sich zum großen Teil aus Mitarbeitern der Regierungsstellen, die die polnische Verwaltung aufbauen sollten, oder aus „Ansiedlungspionieren“, die es aus dem zerstörten Zentralpolen oder (seltener) den verlorenen Ostgebieten nach Niederschlesien verschlug. Gemeinsam war für sie jedoch, dass sie größtenteils den Tourismus und die Landeskunde als ein Hobby neben dem eigentlichen Beruf betrachteten und aufgrund ihrer Sachkenntnis den Stellenwert des Themas für die Riesengebirgsregion einschätzen konnten. Um wenigstens einen Teil der Vorkriegsinfrastruktur in die neue Zeit zu retten, versuchten die Aktivisten, die Bauden im Gebirge zu übernehmen, Plünderungen und Zerstörungen zu vermeiden und den spontan einsetzenden Besucherstrom zu organisieren. Zu diesem Zweck gründeten sie einen regionalen Verein, die „Niederschlesische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde“ (Dolnośląskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, DTTK), und als deren wirtschaftlichen Ableger eine Kooperative, die „Niederschlesische Touristische Genossenschaft“ (Dolnośląska Spółdzielnia Turystyczna, DST). Zudem strebten sie über ihre Kontakte zu zentralen Organisationen wie der PTT und der PTK, die ihrerseits mit Regierungsstellen eng kooperierten, eine formelle und praktische Regelung der Eigentumsverhältnisse an. Gleichzeitig wurde viel Nachdruck auf entsprechende Propagierung der neuen Gebiete gelegt, die für die meisten Polen eine terra incognita darstellten. Diese erste Phase spontaner Erkundungen und erster administrativer Aktivitäten ging etwa im Sommer 1946 zu Ende. Zum einen, weil nach zahlreichen Beratungen auf Wojewodschafts- und zentraler Ebene die Grundsätze der Verteilung 201 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 36: Instruktionen und Verordnungen des Kreisbüros für Bevölkerungsevidenz und Personalausweise sowie vertrauliche Korrespondenz 1951–1952, 56f. 202 Ebd., Schreiben der Kreiskommendantur der Bürgermiliz (MO) von Jelenia Góra (Hirschberg) an die Referats- und Stellenleiter für Bevölkerungsevidenz vom 14. August 1952, 90.

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der ‚post-deutschen‘ Infrastruktur geklärt wurden, auch wenn sich die praktische Umsetzung noch etwas hinzog.203 Zum anderen, weil durch die tatsächlich immer zahlreicher einströmenden Touristen die größtenteils ehrenamtlichen Aktivisten mit praktischen Schwierigkeiten konfrontiert wurden: mangelhaften Verkehrsverbindungen, fehlender bzw. geplünderter Ausstattung der Objekte, weit verbreiteter Ortsunkenntnis, verbunden mit dem Mangel an Informationsmaterialien und geschultem Personal,204 ganz zu schweigen von den allgemeinen Versorgungsschwierigkeiten. Im Zusammenwirken mit den lokalen Verwaltungsinstanzen, zentralen Institutionen und Organisationen und mit viel Erfindungsreichtum gelang es aber, dieses selbstorganisatorische Prinzip bis etwa 1948 beizubehalten. Die Veränderungen kündigten sich aber frühzeitig an. Unter Rückgriff auf ältere ideelle Vorläufer aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und vor allem mit Blick auf die sowjetischen Vorbilder gab die damalige provisorische Regierung unter Führung der kommunistischen PPR schon im Frühjahr 1945 das Signal aus, Arbeitererholung werde zu einem Schwerpunkt der Sozialpolitik.205 Nach Angaben Dariusz Jarosz’ durften mit den damals vom Finanzministerium zur Verfügung gestellten Geldern bereits im Sommer 1945 über 12.000 Menschen in die Ferien fahren. Allerdings wurden dabei einzelnen Gewerkschaften oder Vertretern anderer Branchen (zum Beispiel Schriftstellern) zentrale Mittel mit der Aufforderung in die Hand gegeben, leer stehende Hotels und Pensionen zu besetzen und dort für die eigenen Mitglieder Pauschalurlaub zu organisieren. Als ideologisches Ziel formulierte man damals lediglich, die in Polen bis dahin marginale Beteiligung von Arbeitern am Ferienbetrieb zu erhöhen und die Urlauber mit ihrem (geographisch ja stark veränderten) Heimatland bekannt zu machen.206 Im letzten Punkt waren sich die neuen Machthaber mit den Tourismusaktivisten von PTK und PTT einig. Es war von deren Seiten nicht bloß als Wink in Richtung der Kommunisten gemeint, wenn schon kurz nach der Wiederherstellung zentraler Strukturen beider Organisationen die „Einbindung der Massen“ postuliert wurde.207 Im Mai 1946, auf der ersten großen Versammlung der Touristenaktivisten nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraków (Krakau), forderten die Teilnehmer ein starkes Engagement des Staates sowie die Schaffung eines zentralen 203 Kulik: Przejmowanie, 200f. 204 Neben der Schwierigkeit, verlässliche polnische Mitarbeiter für Hausmeister-, Heizer- oder Gastronomieberufe zu finden, machte sich auch ein Mangel an Fremdenführern bemerkbar. So wird berichtet, dass sogar ernannte Bergführer sich oftmals verirrt oder Namen der besichtigten Felsen und Bäche erfunden hätten. Krzeptowski, Leszek: Początki turystyki. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 45–50, hier 46. 205 Jarosz, Dariusz: Państwowe organizowanie wypoczynku: Fundusz Wczasów Pracowniczych w latach 1945–1956. In: Polska 1944/45–1989. Studia i Materiały 5 (2001) 49–108, hier 53. 206 Ders.: „Masy pracujące przede wszystkim“. Organizacja wypoczynku w Polsce 1945–1956, Warszawa/Kielce 2003, 20–22. 207 Vgl. Skowron: Czy można było, [8].

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Tourismusamtes, eines einschlägigen Gesetzesaktes, beratender Gremien und wissenschaftlicher Institutionen.208 Die teilweise enge personelle Vernetzung zwischen entsprechenden Stellen und den sozialen Trägern legte den Schluss nahe, unter der neuen Regierung könnte die lang postulierte ‚Demokratisierung‘ des Tourismus durchgesetzt werden. Man kann nach Ansicht Paweł Sowińskis von einer weitgehenden Übereinstimmung der Ziele bzw. von einer Anpassung der Aktivitäten an die politische Linie der Kommunisten sprechen.209 Dass die Machthaber gleichzeitig das relativ unabhängige Wirken der Aktivisten zumindest in den Anfangsjahren tolerierten, lag auch daran, dass sowohl der Wille als auch die Möglichkeiten der PPR, ihren Kontrollanspruch in diesem Milieu durchzusetzen, einige Zeit stark eingeschränkt waren. Zwar entstand schon im April 1945 beim „Zentralkomitee des Gewerkschaftsbundes“ (Komitet Centralny Związków Zawodowych, KCZZ; später Centralna Rada Związków Zawodowych, CRZZ) eine Ferienabteilung. Effektiv nahm die seitdem „Fonds für Arbeitererholung“ (Fundusz Wczasów Pracowniczych, FWP) genannte Stelle jedoch erst Anfang 1949 die Arbeit auf. Bis dahin war diese Einrichtung als Redistributionsstelle tätig und noch bis Ende 1948 schien es selbst auf der Ebene der PPR-Entscheidungsträger nicht klar zu sein, welche Richtung die ‚Ferienpolitik‘ des Staates nehmen werde.210 Durch ein entsprechendes Gesetz vom Februar 1949 entstand dann der FWP, der als Anbieter und Veranstalter zumeist stationärer Ferienaufenthalte in den nach und nach übernommenen und übergeeigneten Heimen fungierte. Dabei wurde aufgrund eines zentralen Schlüssels die Anzahl der nach Branchen zustehenden Ferienplätze festgelegt und den Betriebsleitungen der Gewerkschaften zur Verfügung gestellt. Diese hatten dann anhand unterschiedlicher Kriterien (Dienstjahre, besondere Verdienste, Gesundheitszustand usw.) die Teilnehmer auszuwählen. Es war klar, dass besonderer Nachdruck auf (Industrie)arbeiter gelegt werde, wobei es in der Anfangszeit sehr schwierig war, Reisende aus dieser Gruppe zu rekrutieren. Immerhin waren sie Ferienreisen nicht gewöhnt, nutzten die Freizeit lieber für Nebenverdienste oder Arbeiten im Gemüsegarten oder befürchteten (zu Recht) Indoktrinierung während des Urlaubs.211 Da es auch ein Ziel der staatlichen Politik war, soziale Veränderungen durch Ferienpolitik durchzusetzen, wurden die traditionellen Urlaubergruppen aus der Intelligenz oder den Dienstleistungsberu208 Jarosz: Masy pracujące, 222; Orłowicz: Moje wspomnienia, 613f. 209 Sowiński, Paweł: Wakacje w Polsce Ludowej. Polityka władz i ruch turystyczny (1945–1989), Warszawa 2005, 25–27. 210 Ebd., 31; Jarosz: Państwowe organizowanie, 55. 211 Ebd., 79. Staatliche Urlaubsangebote für Arbeiter waren ehemals deutschen Staatsangehörigen, etwa Oberschlesiern, bekannt; auch Besserqualifizierte wussten diese zu nutzen. Dobrowolska, Danuta (Hg.): Robotnicy na wczasach w pierwszych latach Polski Ludowej. Studia i Materiały, Wrocław/Warszawa/Kraków 1963 (Polska Akademia Nauk. Oddział w Krakowie. Prace Komisji socjologicznej 1), 121.

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fen eher diskriminiert. Diese erreichten es jedoch immer wieder, die Arbeitern zustehenden Plätze auf verschiedene Weise für sich in Anspruch zu nehmen. Mitte der fünfziger Jahre korrigierte man dann den Schlüssel zugunsten der Intelligenz auf 1:1.212 Trotz der politischen Rückendeckung und der allgemeinen Tendenz in Polen – Ende 1948 kam es zur Zwangsvereinigung der kommunistischen PPR und der Polnischen Sozialistischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS) und der Weg zur kommunistischen Diktatur totalitären Typs war bereits beschritten – gelang es dem FWP nicht, organisatorisch sofort Fuß zu fassen. Manche Betriebe und Gewerkschaften weigerten sich, dem Fonds ihre Objekte zu übergeben, unter ihnen das Zentralkomitee der PPR; zudem befanden sich viele übergebene Gebäude in schlechtem Zustand und konnten nicht ohne weiteres in Betrieb genommen werden. Im Übrigen waren es vor allem frühere Pensionen und Hotelbetriebe in den Westgebieten, die Ende der vierziger Jahre in die Hände des FWP gelangten – über die Hälfte der Ferienplätze lag in den Sudeten.213 Noch 1956 befanden sich drei Viertel der FWP-Objekte in den „Wiedergewonnenen Gebieten“.214 Man darf also schlussfolgern, dass der Aufbau eines ‚demokratischen Tourismus‘ in der Volksrepublik Polen ohne die – als kleinbürgerlich zunächst verschmähte – Freizeitinfrastruktur in den ehemals preußischen Provinzen unter Umständen kaum möglich gewesen wäre. Die Übergabe der Infrastruktur an den „Fonds für Arbeitererholung“ verlief also nicht ohne Probleme. Begleitet wurde dieser Prozess vom Bemühen der Machthaber, unter dem Deckmantel der Verwaltungseffizienz unliebsame Anbieter von Ferienplätzen auszuschalten. So wurden der Pfadfinderverband ZHP (Związek Harcerstwa Polskiego) oder der polnische Ableger des YMCA (Young Men’s Christian Association), die in den ersten Nachkriegsjahren in der Riesengebirgsregion recht aktiv gewesen waren, um 1948 politisch gleichgeschaltet.215 Da die Ferienlager für 212 Jarosz: Masy pracujące, 63. Ein ähnliches Phänomen, nämlich die Inanspruchnahme staatlich subventionierter Ferienreisen, die für Vertreter unterer Schichten vorgesehen waren, durch Bildungsbürger, beschreibt am Beispiel der „Kraft durch Freude“-Reisen Baranowski: Tourism and National Integration. 213 Sowiński: Wakacje, 39. 214 Jarosz: Państwowe organizowanie, 93. 215 Jarosz: Masy pracujące, 116. Die im Januar 1946 gegründete regionale Organisation des YMCA verfügte anfangs über ein Büro in Jelenia Góra (Hirschberg), die Herberge „Schronisko im. Bronisława Czecha“ (ehemals Schlingelbaude) in Bierutowice (Brückenberg) sowie drei Objekte in Jagniątków (Agnetendorf, damals noch Agnieszków), wo Kinderferienlager angeboten wurden. Nach den überlieferten Akten ging der Verein, in „Ognisko“ umbenannt, Mitte 1950 in direkte Verwaltung des Staates über. APW-JG, 197: Restbestände aus der Volksrepublik Polen, H. 2: YMCA Polen. Recht vieldeutig war in diesem Zusammenhang die Forderung eines Einwohners von Karpacz (Krummhübel), „belastendes Material gegen YMCA“ zusammenzutragen, das auf der nächsten Sitzung des Gemeindenationalrats vorgestellt und diskutiert werden sollte. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w

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Kinder und Jugendliche ein wichtiger Teil des Umerziehungsprozesses der polnischen Gesellschaft waren, konnten auf diesem Gebiet keine konkurrierenden Angebote toleriert werden. Den Schlussakt im Prozess der Zentralisierung und politischen Durchdringung der touristischen Bewegung in Polen stellte der staatlich forcierte und intern wiederholt diskutierte Zusammenschluss der PTT und der PTK im Dezember 1950 zur „Polnischen Gesellschaft für Touristik und Landeskunde“ (Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, PTTK) dar.216 Schon zuvor waren beide Organisationen zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, wobei strukturelle Fehler und ideelle Missstände gleichermaßen angeprangert worden waren.217 So ergab eine Überprüfung der PTT-Organisation in Jelenia Góra (Hirschberg) seitens des Zentralvorstands eine Verschuldung in Höhe von einer Million Złoty, was der Vertreter der übergeordneten Stelle mit folgenden Worten quittierte: „Der Ursprung des Übels liegt in den Vorkriegsmethoden der Tätigkeit, die im völligen Gegensatz zur heutigen Realität stehen, und in der Loslösung von den breiten Bevölkerungsmassen, insbesondere der Jugend. [...] Die Hauptaufgabe der PTT ist die Popularisierung der Touristik und der touristischen Abzeichen.“ Zu Beginn der fünfziger Jahre wurden die früheren gesellschaftlichen Träger des Tourismus somit zu nominellen Eigentümern einiger Gebirgsbauden, Ausbildern von Fremdenführern und ehrenamtlichen Popularisatoren des Amateursports im Rahmen der PTTK-Betriebsorganisationen. Die Tourismuspolitik befand sich seit der Gründung des zentralen „Komitees für Fragen des Tourismus“ (Komitet dla Spraw Turystyki, KdST) beim Ministerrat im Jahr 1952 in fester staatlicher Hand.218 8.3. Tourismus und Wirtschaft in der Riesengebirgsregion Bei der Durchsicht der Gemeinderatsprotokolle von Karpacz (Krummhübel) – gemeinsam mit Bierutowice (Brückenberg) bildete es eine der größten FWP-Direktionen in Polen – fällt auf, dass die lokale Verwaltung es anscheinend kaum erwarten konnte, die zahlreichen ehemaligen Pensionen an den staatlichen Fonds abzutreten. Es wurde bemängelt, dass der FWP nicht alle Ferienheime übernehmen wolle, sondern nur diejenigen, die keine Renovierungen oder Investitionen anderer Art benötigten. Gleichzeitig wollte die Institution andere Objekte übernehmen, zum Karpaczu, H. 19: Protokolle des GRN-Präsidiums 1946–1950, Protokoll vom 11. April 1949, 100–102. 216 Vgl. Sowiński: Wakacje, 33. 217 Vgl. Kulik: Organizacja turystyki, 40. 218 Sowiński: Wakacje, 34. Interessant ist dabei, dass im PTTK-Milieu der Ethos des sozialen Engagements hochgehalten wurde und seine Vertreter zu den prominentesten Sprechern der seit Mitte der fünfziger Jahre aufkommenden Kritik an der staatlichen Tourismuspolitik wurden. Jarosz: Masy pracujące, 235.

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Beispiel eine funktionierende Bäckerei, was jedoch von der Gemeindeverwaltung nicht genehmigt wurde.219 Wiederholt wurde das fehlende Engagement der Direktion in örtliche Belange bemängelt, die Frage der Steuerentrichtung bzw. anderer Formen finanzieller Unterstützung für die Gemeinden angesprochen, regelmäßige Berichterstattung über die Tätigkeit der Ferienkomplexe verlangt und vor allem das Verhalten der Urlauber kritisiert. Ein besonderer Fall kommt in den Dokumenten mehrmals vor, so dass er gesonderte Erwähnung verdient: Wiederholt wurde moniert, die FWP-Urlauber verschmutzten das Gelände, zerstörten öffentliches Eigentum oder trampelten über die Felder der Bauern bzw. stellten dort Sonnenliegen auf. Der Vertreter der Vereinigten Bauernpartei (Zjednoczone Stronnictwo Ludowe, ZSL) im Gemeinderat, Mieczysław Dąbrowa, brachte diesen Sachverhalt immer wieder zur Sprache und eine Reaktion der daraufhin angesprochenen Urlauber lässt aufhorchen: Auf entsprechende Hinweise antworteten die Touristen, die Felder und Wiesen seien „post-deutsch [poln. poniemieckie] und nicht privates Eigentum“.220 Der genannte Fall ist zu komplex, um ihn als Anekdote abzutun. Erstens kommt darin die charakteristische Geringschätzung für das materielle Erbe der Westgebiete zur Sprache, die sowohl auf die unvollständige Assimilierung als auch auf den eingeschränkten wirtschaftlichen Nutzwert zurückzuführen wäre. Zweitens offenbart dieses Beispiel den mentalen Zusammenprall zwischen Formen des ‚typisch‘ touristischen Verhaltens (hier: Sonnenbäder), die übrigens von vielen Neu-Urlaubern schnell verinnerlicht wurden, und einer zusammengewürfelten Gesellschaft ländlichen Gepräges. Wie angedeutet rekrutierte sich die neue Bevölkerung nur zu einem geringen Anteil oder nur zeitweilig aus Vertretern der Dienstleistungsberufe; die große Mehrheit stellten Bauern aus den überbevölkerten Dörfern Groß- oder Zentralpolens oder aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten. Diese neuen Bewohner beklagten dann beispielsweise – wie bei einer Umfrage zur „Verbesserung der Lebensumstände der Arbeiterklasse“ im Oktober 1953 in Bierutowice (Brückenberg) – fehlende Heizanlangen, Gasanschlüsse und Beleuchtung in ihren Wohnungen, die ursprünglich als Sommerhäuser gebaut worden waren.221 Hinzu kam, dass es 1947/48 zu einer Wende in der staatlichen Politik gegenüber den Westgebieten kam. Eine wichtige Entscheidung, die auf Machtkämpfe innerhalb der kommunistischen PPR zurückging, betraf die Nichtübertragung des Landbesitzes auf die neuen Eigentümer.222 Dies hatte allerdings nichts mit den völkerrechtlich nicht vollends sanktionierten Bevölkerungsverschiebungen und den einhergehenden Eigentumsfragen zu tun, sondern mit der Absicht der Kom219 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 19: Protokolle des GRN-Präsidiums 1946–1950, Protokoll vom 2. Dezember 1948, 112–115. 220 Ebd., H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, Protokoll vom 21. April 1948, 181. 221 Ebd., H. 31: Dorfversammlungen 1953, 19–22. 222 Strauchold: Myśl zachodnia, 327–329.

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munisten, das verstaatlichte Land den zu schaffenden Kolchosen zu übergeben. Namentlich der damalige Minister für die Wiedergewonnenen Gebiete, Władysław Gomułka, sprach sich dagegen für die Verteilung der Agrarflächen unter die polnischen Bauern aus. Gomułkas Absetzung und anschließende Verhaftung Ende 1948 bzw. Anfang 1949 war direkt mit dieser Politik verbunden. Letztlich wurde das Land nicht den Neusiedlern übereignet, sondern als „Erbpacht“ (wieczysta dzierżawa) übergeben, was die ohnehin verbreitete Unsicherheit bezüglich der Besitzverhältnisse in den Westgebieten noch verstärkte.223 Insofern hatten die FWPUrlauber gewissermaßen Recht – die Felder, über die sie trampelten, waren ‚postdeutsch‘: nicht mehr deutscher Besitz, aber auch nicht privates Eigentum. Die Übernahme der Riesengebirgsregion in unzerstörtem Zustand 1945 – sieht man von einer Vernachlässigung der Infrastruktur aufgrund fehlender Investitionen während des Krieges und von den Plünderungen nach Kriegsende ab – war für die neuen Machthaber ein denkbar guter Start. Schon im August 1945 konnte daher in Jelenia Góra (Hirschberg) ein „Industrietag der Wiedergewonnenen Gebiete“ (Zjazd Przemysłowy Ziem Odzyskanych) im Beisein von Staats- und Parteichef Bolesław Bierut, Premierminister Edward Osóbka-Morawski und Industrieminister Hilary Minc veranstaltet werden, bei dem die wirtschaftliche Kapazität der neu erworbenen Regionen präsentiert und dokumentiert werden sollte.224 Trotz der großen oder gar dominierenden Rolle des Fremdenverkehrs im Wirtschaftsleben des Kreises war das industrielle Potential dieser Verwaltungseinheit recht beachtlich: die Glashütte in Szklarska Poręba (Schreiberhau) mit Nebenstandorten in Piechowice (Petersdorf ) und Sobieszów (Hermsdorf ),225 zahlreiche Papierfabriken und die Papiermaschinenfabrik „FAMPA“ in Cieplice Śląskie (Warmbrunn), die optischen Werke in Jelenia Góra (Hirschberg) und vor allem das zwischen diesen beiden damals noch selbständigen Städten gelegene Zellwollewerk („Celwiskoza“). Diese bereits 1935 gegründete Fabrik, auf deren Gelände sich das größte Arbeitslager der Region während des Zweiten Weltkriegs befunden hatte, wurde dann zu einer der wichtigsten Investitionsmaßnahmen des ersten Sechsjahresplans in Polen (1950–1955) und zum Gegenstand langjähriger Kontroversen.226 Nicht nur aus Gründen der mentalen Fremdheit waren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für den Aufbau des Fremdenverkehrs in der nun polnischen Riesengebirgsregion denkbar schlecht. Mit dem ab etwa 1947 einsetzenden „Handelskrieg“ (bitwa o handel), einer ideologisch motivierten, staatlichen Repressionspolitik gegenüber selbständigen Unternehmern (vor allem Ladenbesitzern), sollte die Privatinitiative als Teil der Volkswirtschaft auf ein Minimum beschränkt und 223 Hofmann: Die Nachkriegszeit, 176. 224 Margas: Kronika roku 1945, 135. 225 Trznadel, Wojciech: Huta Szkła Kryształowego „Julia“ w Szklarskiej Porębie w latach 1841– 1963, Wrocław/Warszawa/Kraków 1966 (Monografie śląskie Ossolineum 13). 226 Kwaśny (Hg.): Jelenia Góra, 267.

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demgegenüber die Dominanz der politisch kontrollierten Kooperativen herbeigeführt werden. Dies war in den Westgebieten insofern einfacher, als es eine polnische Kaufmannsschicht erst seit Sommer 1945 gab und die faktische Verstaatlichung der gerade erst von den deutschen Vorbesitzern übernommenen Unternehmen als weniger schmerzhaft erscheinen konnte. Die forcierte Industrialisierungspolitik, die zwangsweise und absichtlich zu Lasten des Dienstleistungssektors verlief, führte zu einer spürbaren Degradation der kleineren und mittleren Städte, die die Struktur des südlichen Niederschlesien prägten.227 Neben den etablierten Touristikzentren wie Karpacz (Krummhübel) oder Szklarska Poręba (Schreiberhau) fristeten die kleineren Orte im Vorgebirge, einst Sommerfrischen von gewisser Bedeutung mit einer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur von Handwerksbetrieben, Lebensmittelläden oder auch Transportunternehmen, im System der Volksrepublik ein trostloses, vom Kolchosenleben bestimmtes Dasein. Für die Kommunisten war die anfängliche Tolerierung der Privatinitiativen, die die Übernahme der Betriebe und eine spontane Entwicklung der Wirtschaft überhaupt erst ermöglichten, allenfalls politische Taktik.228 Marian Muszkiewicz spricht von einem „Sicherheitsventil“, das die soziale Energie in Richtung Wiederaufbau kanalisieren sollte, aber spätestens mit der Abkehr von der Drei-Sektoren-Wirtschaft im Sommer 1948 keine Zukunft mehr hatte.229 Begonnen hatte es mit örtlichen „Preiskommissionen“, die mit administrativen Strafen gegen vermeintliche und reale Preistreiber vorgingen, was die Bevölkerung in der Nachkriegsnot wohl zunächst begrüßt haben mochte.230 Nach raschem Aufbrauchen der Kriegsvorräte verschlechterte sich die Versorgungslage in der Region zunehmend, was dazu führte, dass schon Anfang 1947 keine Lebensmittel für Einheimische oder gar Urlauber zur Verfügung standen. Die notwendigen Einfuhren trieben dann die Preise in die Höhe.231 Jelenia Góra (Hirschberg) hatte damals den Ruf einer der teuersten Städte Polens. Zudem kam es auch zu einem Aufsehen erregenden Prozess gegen 227 Muszkiewicz, Marian: Szanse pozarolniczego sektora gospodarki prywatnej na Ziemiach Zachodnich i Północnych po 1945 roku (ze szczególnym uwzględnieniem Dolnego Śląska). In: Kościk/Głowiński (Hg.): Gospodarka i społeczeństwo, 70–85; Makowski, Adam: Ziemie Zachodnie i Północne w polityce gospodarczej Polski w latach 1945–1960. In: Sakson (Hg.): Ziemie Odzyskane, 59–78. 228 Landrat Wojciech Tabaka sah im Oktober 1945 den privaten Handel wohl als notwendiges Übel an, das „in diesem Moment, in diesen Gebieten, zu einem gewissen Grad“ unterstützt werden solle, weil es die Versorgung aufrechterhalte und die Rückkehr zur Normalität demonstriere. Dominik/Dominik: Wojciech Tabaka, 93. 229 Muszkiewicz: Szanse, 75. Mit Drei-Sektoren-Wirtschaft ist die Aufteilung in einen privaten, einen staatlichen und einen kooperativen Sektor gemeint. 230 Zur Tätigkeit vgl. den Bericht von Landrat Wojciech Tabaka vom Februar 1947. In: Dominik/Dominik: Wojciech Tabaka, 120. Für das vierte Quartal 1948 berichtete er von 87 Geschäften und 21 Werkstätten, die geschlossen wurden, was jedoch kein Problem darstelle, da an deren Stelle bald Kooperative treten würden. Ebd., 150. 231 Jarmolukowa, Maria: 40 lat miasta. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) 7–70.

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den Oberbürgermeister, der angeblich Waren veruntreut hatte; er endete jedoch mit einem Freispruch.232 Nach vorherrschender Meinung der Historiker gaben die Ereignisse der Jahre 1944 bis 1948 mit den gesellschaftlichen Verschiebungen und Bevölkerungstransfers den Kommunisten die Möglichkeit, ihre Pläne einer umfassenden Umgestaltung der Gesellschaft leichter durchzusetzen.233 In diesem Kontext wäre das Zurückhalten deutscher Arbeitskräfte neu zu interpretieren: Einerseits hatten es private Unternehmer selbst oft verlangt, andererseits bot dieses Phänomen den Kommunisten eine Chance, nach der Ausweisung der Deutschen diese durch neues, im Geist des neuen politischen Systems geschultes polnisches Personal zu ersetzen oder die Arbeitsplätze ganz abzuschaffen. In dieser Übergangszeit wurde auch die Entfernung deutscher Aufschriften mit Rücksicht auf die zahlreichen deutschen Arbeitskräfte zwischenzeitlich gestoppt.234 Allen propagandistischen Bekundungen zum Trotz wurde das politische und ideologische, lautstark betonte Ziel einer raschen Polonisierung der Umgebung aus taktischen Gründen ausgesetzt und erst 1947 wiederaufgenommen. Dass der Tourismus im Selbstverständnis der neuen Bewohner ein fremdes Wesen darstellte, illustrieren zwei weitere Beispiele aus Karpacz (Krummhübel). Da die Bahnhofsstation im Ort relativ weit von den FWP-Ferienheimen entfernt lag und sich die individuell anreisenden Urlauber aufgrund fehlender Informationen vor Ort nicht orientieren konnten, machten sich findige Einwohner den Droschkenbetrieb zum Nebenerwerb. Zum ersten Mal erschien das Thema der Gepäckträger und Kutscher im Juni 1948 auf der Agenda des Gemeindenationalrats (Gminna Rada Narodowa, GRN); es wurde beschlossen, das Landratsamt um die Vergabe von Droschkenlizenzen zu bitten, während für die Gepäckträger Festpreise definiert werden sollten.235 Damit schien aber das Problem noch nicht behoben zu sein, denn Ende 1952 sah sich das Präsidium des GRN veranlasst, eine Preisliste für Kutschfahrten festzulegen, die anschließend der FWP-Direktion mit der Bitte um Aushang übersandt wurde, um „die Preistreiberei [im Original: zdzierstwo, Anm. d. Verf.] der Droschkenbesitzer zu eliminieren“. Gleichzeitig wurde darum gebeten, eine Informationstafel mit Entfernungsangaben am Bahnhof anbringen zu lassen, um die Touristen besser über die Verhältnisse vor Ort zu informieren und Missbrauch seitens der ‚Taxi‘-Betreiber zu vermeiden.236 All diese Einschränkungen schienen aber ihre abschreckende Wirkung verfehlt zu haben, denn allein inner232 233 234 235

Bugaj, Tadeusz: Proces prezydenta. Ebd. 19 (1981) 127–142. Hofmann: Die Nachkriegszeit, 180; Thum: Die fremde Stadt, 108–110. Ebd., 371. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, Protokoll vom 9. Juni 1948, 183f. 236 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 21: Protokolle des GRN-Präsidiums 1952–1953, Schreiben des Vorsitzenden des GRN-Präsidiums, Jerzy Lemański, an die FWP-Direktion in Karpacz (Krummhübel) vom 12. Januar 1953, 96.

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halb eines Monats (Januar bis Februar 1953) wurden zwölf (neue?) Anträge auf Zulassung als Kutschenbetreiber registriert.237 Der administrative Druck auf die Privatwirtschaft führte Anfang der fünfziger Jahre noch nicht zum politisch gewünschten Ergebnis. Eine ähnliche Auseinandersetzung trat im Fall der Fotografen auf. Hier kam neben dem Wunsch nach Einschränkung der Privatinitiative der Aspekt von Sicherheitsvorschriften im Grenzbereich hinzu. So war es an den meisten Stellen im Gebirge, zum Beispiel auf der Schneekoppe, nicht erlaubt, Privataufnahmen zu machen.238 Das GRN-Präsidium wurde im September 1951 zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, dass die örtlichen Fotografen „die Urlauber ausnutzen, übertriebene Preise verlangen, ihre Pflichten nicht einhalten und Privataufnahmen von Amateuren nicht bearbeiten wollen“.239 Abhilfe sollte die Gründung einer Fotografenkooperative leisten. Im Juli 1952 ging das Präsidium des Kreisnationalrats (Powiatowa Rada Narodowa, PRN) in Jelenia Góra (Hirschberg) dieser Angelegenheit nach und beschloss – einer Entscheidung des GRN-Präsidiums in Szklarska Poręba (Schreiberhau) folgend –, Privatunternehmern das Fotografieren „markanter“ Punkte in letzterem Ort (Zacken- und Kochelfall, Kurpark, „Todeskurve“ und Hochstein) und des Wasserfalls in Karpacz (Krummhübel) zu verbieten und ausschließlich Mitgliedern der Kooperative zu erlauben. Zudem wurde beschlossen, farbige Armbinden sowohl für Privat- als auch für Kooperative-Fotografen einzuführen, um so zugelassene Fotografen kenntlich zu machen.240 Die strikte Einhaltung der Lizenzierungsvorschriften betraf im Übrigen auch die Bildungs- und Kulturreferenten der FWP-Heime, worauf die regionale Direktion in einem Schreiben des PRN-Präsidiums vom 12. Januar 1953 hingewiesen wurde.241 So durfte es nicht mehr vorkommen, dass die „KO-wcy“ (Bildungs- und Kulturreferenten, Referent Kulturalno-Oświatowy)242 selbst Erinnerungsfotos von den Urlaubergruppen machten. Die Absurdität erreichte aber einen Höhepunkt, als die Gemeindeverwaltung von Karpacz (Krummhübel) bei einer Sitzung zum Thema Wirtschaft die Planerfüllung der Dienstleistungseinrichtungen kontrollieren wollte. Der Leiter

237 Ebd., 92–124, 180, 264. Andernorts wurden in einem Beschluss des GRN vom 4. Januar 1953 elf Lizenzen erteilt und fünf Anträge abgelehnt. Ebd., 157. 238 Vgl. einen entsprechenden Beschluss des PRN-Präsidiums in Jelenia Góra (Hirschberg) vom 17. Januar 1953. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 28: Beschlüsse des PRN-Präsidiums in Jelenia Góra (Hirschberg) 1952–1953, 388. 239 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 18: GRN-Protokolle 1946–1950, Protokoll eines Lokaltermins im FWP-Zentrum vom 18. September 1951, 569. 240 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 28: Beschlüsse des PRN-Präsidiums in Jelenia Góra (Hirschberg) 1952–1953, 90. 241 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 29: Klagen 1953, 3. 242 Sroka, Piotr: Wczasy z kaowcem. In: Pamięć i Przyszłość 2/2 (2009) 29–34.

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der Fotografenkooperative antwortete: „Da es die Urlauber sind, die die Fotos machen, wird es schwierig werden, den Plan einzuhalten.“243 Die beiden angeführten Fallbeispiele zeigen somit zweierlei. Zum einen unterlagen die Rahmenbedingungen einer immer strengeren Ideologisierung: Die gesellschaftliche Realität wurde durch die Brille stalinistischer Kampagnen gegen die Privatwirtschaft und anderer politischer Vorgaben gesehen.244 Zum anderen gab es aber selbst in Hochphasen der kommunistischen Umgestaltung Polens eine stille Gegenwehr auf unterster Ebene, wenn sich etwa die lokale Bevölkerung trotz öffentlicher Anprangerung und administrativer Gängelung als private Taxifahrer verdingen wollte. Man kann an dieser Stelle die Frage aufwerfen, inwieweit der touristische Charakter der Orte dabei ausschlaggebend war, das heißt ob der Fremdenverkehr als wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktor gewisse Angebote im Dienstleistungs- und Infrastrukturbereich unabhängig vom politischen System und von kulturellen Besonderheiten erzwang. Mit relativer Gewissheit darf aber konstatiert werden, dass bestimmte ‚touristentypische‘ Verhaltensweisen trotz kommunistischer Kollektivierung und Ideologisierung des Ferienbetriebs in der Volksrepublik weiter bestanden bzw. sogar auf neue Gruppen übertragen wurden.245 Dass die ansässige Bevölkerung eine recht ambivalente Haltung gegenüber dem Fremdenverkehr einnahm, wusste der damalige Tourismusreferent der Kreisverwaltung, Artur Szyndralewicz. In seinem Arbeitsplan für das vierte Quartal 1949 nahm er sich dementsprechend vor, die ländliche Bevölkerung über die Vorzüge der Pflege ihrer Umgebung im Hinblick auf ein positives Erscheinungsbild bei Touristen aufzuklären und sie in Fremdenführung und im Erzählen örtlicher Legenden zu schulen.246 Und noch im Jahresbericht für 1949 wurden das mangelnde Interesse der Einwohner und die fehlenden Mittel für derartige Lehrgänge bemängelt.247 Am eindringlichsten beschrieb die Probleme sein Vorgänger im ersten Halbjahresbericht 1948: „Das angesiedelte Element [sic!], sowohl in den Städten 243 APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 21: Protokolle des GRN-Präsidiums 1952–1953, Protokoll vom 13. Februar 1953, 247. 244 Als „Maß des polnischen Scheiterns“ bei der Übernahme der Westgebiete bezeichnet Strauchold: Myśl zachodnia, 402, dass 1949 lediglich 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung im Handwerk oder Dienstleistungsbereich tätig waren, während dieser Anteil vor dem Krieg etwa 25 Prozent betragen hatte. 245 So wurde berichtet, dass besonders bei der Intelligenz die Bräuche aus der Vorkriegszeit wie Ausgehen in teure Cafés oder Tanzlokale überdauerten, während Arbeiter ihre anfänglichen Vorbehalte gegenüber Sonnenbädern ablegten – gebräunte Haut wurde eher mit Landarbeit und somit niedrigerem Sozialprestige assoziiert. Dobrowolska: Robotnicy, 133. Zu einem häufigen Phänomen wurde das Vorgeben einer höheren gesellschaftlichen Stellung während des Ferienaufenthalts. Jarosz: Masy pracujące, 84. 246 APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 66: Berichte des Referats für Tourismus und Kurwesen 1949–1950, 11. 247 Ebd., 32.

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als auch auf den Dörfern, hatte mit dieser Frage [des Fremdenverkehrs, Anm. d. Verf.] bisher wenig oder gar nichts zu tun. Der hiesige Kreis lebte zu 70 Prozent vom Tourismus und ist nur darauf hin ausgerichtet. [...] Die Mehrheit der Pensions-, Restaurant- und Kioskbesitzer sind Menschen, die erst während des Krieges oder danach mit diesem Erwerbszweig in Berührung kamen, also kommt alles sehr schleppend voran. Man muss diese Menschen heranziehen und diejenigen, die nur von der Naivität der Leute leben und kurzlebige Konjunkturen ausnutzen, entfernen. Es geht darum, sich für später vorzubereiten, wenn die Staatsgrenzen für Touristen geöffnet werden, damit wir zeigen können, dass wir besser arbeiten und wirtschaften können als die Deutschen.“248 8.4. Die Grenzen des Regionalismus Bei der „Landnahme“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit argumentierte man bekanntlich in zwei Richtungen: einerseits mit den historischen Anrechten Polens auf die erworbenen Regionen, andererseits mit dem Anspruch, in den Westgebieten einen neuen Typ des polnischen Menschen – etwa ähnlich dem nationalsozialistischen „Wehrbauern“ – herstellen zu wollen.249 In beiden Fällen ging man jedoch von der Notwendigkeit – man könnte auch sagen: Selbstverständlichkeit – eines ‚authentischen‘ regionalen Zugehörigkeitsgefühls der polnischen Siedler aus. In diesem Abschnitt soll daher der Frage nach ‚erfundenen Traditionen‘ nachgegangen und der Niedergang dieser Entwicklung um 1948 rekonstruiert werden. Das Ziel, die Sesshaftwerdung der neuen Bewohner jenseits der offiziellen Propaganda zu stimulieren, wurde unter anderem über Impulse für das Kulturleben in der Region versucht. Die gezielte Ansiedlung polnischer Künstler zeitigte nicht die erwünschten Ergebnisse. Zum Fanal der Künstlerkolonie im Riesengebirge wurde jedoch die „Erste Tagung der Polnischen Schriftsteller des Sudetengebiets“ (Pierwszy Zjazd Polskich Pisarzy Ziemi Sudeckiej), die vom 8. bis 11. Mai 1947 stattfand.250 Nach Stand der Forschung war der Anlass eher trivialer Art: Die Niederlassung der Schriftstellergewerkschaft ZZLP für Niederschlesien sollte aus Przesieka (Hain) bzw. Jelenia Góra (Hirschberg) nach Wrocław (Breslau) verlegt werden, was durch die Wiederaufbauarbeiten erst zu diesem Zeitpunkt möglich war.251 Kozikowski und seine Mitstreiter wollten den Standort erhalten und verlasen – in Anknüpfung an eigene Aktivitäten in den Beskiden in der Vorkriegszeit – in kämpfe-

248 APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 65: Tourismus 1948–1950, Bericht des Tourismusreferenten des Kreisausschusses in Jelenia Góra (Hirschberg) für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1948, unpag. 249 Strauchold: Myśl zachodnia, 179. 250 Ebd., 295; Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 130–137. 251 Ebd.; Kwaśny (Hg.): Jelenia Góra, 460.

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rischem Ton verfasste Referate, in denen die geographische und kulturelle Besonderheit des „Sudeten-Polen“ unterstrichen wurde. Stanisław Kaszycki führte aus: „In diesem Moment entsteht hier aus den anströmenden Elementen eine neue polnische Gesellschaft, ein neuer Typ des Sudetenpolen. Es ist ein außergewöhnlicher und historisch besonderer Moment, dass wir in altes slawisches Land kommen, das von seinem Polentum gesäubert worden war, um mit unserer Arbeit und unserem Fleiß ein neues Haus Polen zu bauen, mit seiner Kultur und seinem Schrifttum. [...] Wir sollten auch daran denken, dass dieses Stückchen Erde, umgeben von Berggipfeln, ein Gegenstand nicht endender deutscher Gelüste ist, die von mächtigen Protektoren jenseits des Ozeans geschürt werden, und dass wir Schriftsteller nicht für einen Moment von den Aufgaben lassen dürfen, die dieses historische Moment uns auferlegt hat. Der Geschichte und der Tradition bewusst müssen wir dieses Land beschützen, dem Soldaten gleich, der unsere Grenzen bewacht, und diesem Soldaten gleich müssen wir unsere Bereitschaft bekunden, für die Unversehrtheit dieses Landes das Leben zu opfern. [...] Jede böswillige Stellungnahme zu unserer Sache aufgrund der besonderen politischen Umstände werden wir als schädliches Vorgehen ansehen. Uns nämlich, den Schriftstellern und all jenen, denen die Zukunft dieses so besonderen und in jeder Hinsicht reichen Gebiets am Herzen liegt, obliegt die heilige Pflicht, kulturelle Werte zu schaffen, die nicht im stillen Kämmerlein fernab des Landes ausgearbeitet werden, sondern hier vor Ort, indem alle Elemente, sowohl historische als auch religiös-soziale, aus der Vergangenheit der Sudeten zu Tage gefördert werden.“252 Diese künstlerische Provokation schoss jedoch weit über das Ziel hinaus. Die Literaten wurden ins Kulturministerium einberufen und in der Presse erschienen wüste Angriffe, in denen die Künstler des Separatismus bezichtigt wurden. Die Zeitschrift „Odra“ griff sie unter anderem mit den Worten an: „wenn ihr von einer neuen polnischen Kultur der Sudeten faselt, einem neuen Typ des Sudetenpolen, einer regionalen und systemischen Besonderheit, dann lügt ihr auf dreiste und schädliche Weise und kompromittiert die polnische Kultur, die ihr dort repräsentieren und fördern wollt. [...] Denn, wenn ihr ein anderes System dort habt, dann existiert bei euch vielleicht eine Monarchie und man müsste klären, ob euer König nicht Liczyrzepa II. heißt [sic!]. Denn, wenn ihr eine territoriale Besonderheit seid, dann braucht man vielleicht Pässe, um zu euch zu fahren.“253 Kurz darauf wurde der Verband aufgelöst, die meisten Kulturschaffenden verließen die Region in den nächsten Jahren wieder, auch weil sich in Warszawa (Warschau) und Wrocław (Breslau) mit dem Wiederaufbau die Lebensbedingungen besserten, und einige fielen den Repressionsmaßnahmen im Kulturbereich bei der Etablierung des Sozrealismus als einzig zulässiger Kunstdoktrin zum Opfer.254 Was blieb, waren einzelne 252 Ebd., 461f. 253 Zit. nach Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 135. 254 Strauchold: Das polnische Literaturleben, 297f.

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Personen, die ihren Lebensabend im Riesengebirge verbringen wollten, und die Legende einer regionalen Besonderheit, die später unter anderen Vorzeichen wieder aufleben sollte.255 Das Jahr 1947, als der Sudetenschriftstellerkongress so viel Wirbel auslöste, wurde von Grzegorz Strauchold als der Anfang vom Ende des offiziellen Interesses an Fragen regionaler Identität definiert. Zunehmend wurde die These von einer „vollständigen Integration“ der Westgebiete vertreten, die sich durch nichts mehr vom Rest des Landes unterschieden.256 Sicherlich spielte dabei die Befürchtung eine Rolle, die neuansässige Bevölkerung könnte aufgrund des zeitweiligen Zusammenlebens mit den früheren Bewohnern und des deutsch geprägten Charakters der erworbenen Region zu viele deutsche Kulturelemente übernehmen.257 Andererseits kann das Jahr 1947 mit den gefälschten Sejm-Wahlen, der fast vollständigen Entfernung der deutschen und der gewaltvollen Umsiedlung der ukrainischen und lemkischen Bevölkerung, der verstärkten Emigration polnischer Juden und schließlich mit der voranschreitenden Etablierung der rivalisierenden Blöcke im Kalten Krieg auch welt- und innenpolitisch als Wendepunkt betrachtet werden. Als „Schwanengesang“ der bisherigen Behandlung der Westgebiete-Thematik kann allerdings die große Propagandaschau der „Wiedergewonnenen Gebiete“ (Wystawa Ziem Odzyskanych, WZO) vom Juli bis Oktober 1948 in Wrocław (Breslau) angesehen werden.258 Die ursprüngliche, schon seit 1945 durch Mitarbeiter des Westinstituts in Poznań (Posen) geplante Ausstellung zum deutsch-polnischen Kampf um diese Gebiete seit dem Mittelalter und zu den polnischen Anrechten darauf entwickelte sich mit der Zeit zu einer Darstellung der polnischen Aufbauleistungen seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem kleineren historischen Teil.259 Da gleichzeitig (25.–28. August 1948) ein groß angelegter „Weltkongress der Intellektuellen zum Schutz des Friedens“ mit etlichen prominenten Teilnehmern stattfand, könnte man – in Anlehnung an Jakub Tyszkiewicz – die Veranstaltung in der „Jahrhunderthalle“ (damals Hala Ludowa, seit 2006 Hala Stulecia) auf dem Messegelände mit Recht als „glorreiche Tage von Wrocław [Breslau]“ bezeichnen.260

255 256 257 258

Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 137. Strauchold: Myśl zachodnia, 194, 278f. Ebd., 282. Vgl. Tyszkiewicz, Jakub: Sto wielkich dni Wrocławia. Wystawa Ziem Odzyskanych we Wrocławiu a propaganda polityczna Ziem Zachodnich i Północnych w latach 1945–1948, Wrocław 1997; Strauchold, Grzegorz: Wrocław okazjonalna stolica Polski. Wokół powojennych obchodów rocznic historycznych, Wrocław 2003 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2569). 259 Strauchold: Myśl zachodnia, 239–241. 260 Murawska-Muthesius, Katarzyna: Modernism between Peace and Freedom: Picasso and Others at the Congress of Intellectuals in Wrocław, 1948. In: Crowley, David/Pavitt, Jane (Hg.): Cold War Modern. Design 1945–1970, London 2008, 32–41.

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Die ideologische Justierung der Propagandaschau dauerte bis zuletzt an: So wurde der anfangs dominierende antideutsche Akzent zugunsten eines generell antiimperialistischen verschoben;261 die historische Ausstellung sollte noch kurz vor Eröffnung um ‚klassenkämpferische‘ und ‚internationalistische‘ Elemente ergänzt werden;262 der jüdische Pavillon in einer der Nebenhallen wurde zwei Wochen vor Beginn ganz entfernt;263 und der damalige Minister für die Wiedergewonnenen Gebiete und spiritus movens der Ausstellung innerhalb der Regierung, Władysław Gomułka, durfte der Eröffnung am 21. Juli 1948 nicht beiwohnen, auch weil er in seiner Ansprache eine Selbstkritik hätte ablegen sollen.264 Die Durchführung der Veranstaltung wurde zudem von vielen organisatorischen Pannen begleitet und statt der erwarteten drei Millionen Besucher kam etwa die Hälfte, davon etliche in organisierten (sprich: zwangsrekrutierten) Reisegruppen aus einzelnen Betrieben und Regionen.265 So wurde angeordnet, örtliche Komitees zur Organisation solcher kollektiven Ausstellungsbesuche zu bilden, und im Anschluss sollten die Verwaltungsorgane Bericht über die Besucherzahlen aus den jeweiligen Orten erstatten.266 Die touristische Thematik in der Ausstellung lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. Ein Pavillon wurde von der Staatlichen Kurverwaltung (Państwowy Zarząd Uzdrowisk) bespielt, die überwiegend die niederschlesischen Kurorte kontrollierte.267 Unter den sechs Glasmalereien am Eingang zum so genannten VierKuppel-Bau des Ausstellungsgeländes verewigte der Künstler den Arbeiterurlaub als große Errungenschaft der Volksrepublik Polen.268 Wohl auf Bestreben zentraler bzw. Wojewodschaftsstellen wurden im Beiprogramm der WZO Ausflüge in die Sudetenregion angeboten.269 Die Kreisverwaltung nutzte den Rummel geschickt, um Gäste zum 840. Jahrestag der Stadtgründung von Jelenia Góra (Hirschberg), 261 262 263 264 265 266

Tyszkiewicz: Sto wielkich dni, 121. Strauchold: Myśl zachodnia, 241f. Tyszkiewicz: Sto wielkich dni, 112–117. Ebd., 128. Ebd., 136–138. APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 63: Touristik 1948, Sitzungsprotokoll des Unterausschusses für Touristik und des Verkehrs- und Tourismusausschusses vom 24. Januar 1948 im Wojewodschaftsamt in Wrocław (Breslau), 227; ebd., 141/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Sobieszowie, H. 29: Verschiedenes, Schreiben des Kreisbürgerkomitees für die Ausstellung über die Wiedergewonnenen Gebiete an die städtischen und Gemeindekomitees für dieselbe Ausstellung vom 13. November 1948, 1. 267 Sroka: Zwiedzajmy. 268 Tyszkiewicz: Sto wielkich dni, 151. 269 APW-JG, 126/II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 63: Touristik 1948, Schreiben von Landrat Wojciech Tabaka an den Leiter des Verkehrsausschusses der Wojewodschaft vom 21. Mai 1948, 11. In diesem Schreiben fragt der Landrat nach möglichen Reisegruppen ins Riesengebirge im Rahmen der WZO und weist auf die Unterbringungsschwierigkeiten in der Sommersaison hin. Wenig später bat er in einem Rundschreiben an alle örtlichen Nationalräte um Aufstellungen der Übernachtungsmöglichkeiten, die den Besuchern zur Verfügung gestellt werden könnten. Ebd., 150.

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Der Bruch (1945–1949)

verbunden mit den Riesengebirgstagen (Dni Karkonoszy) im August 1948, anzulocken.270 Die Riesengebirgstage hatten 1947 zum ersten Mal stattgefunden.271 Diese ‚Volksfeste‘ und die bereits seit Anfang 1946 stattfindenden regionalen und nationalen Sportveranstaltungen in den Gebirgsorten sollten für die Zugehörigkeit der Region zum polnischen Staat werben und andererseits die Polen mit den neu erworbenen Gebieten bekannt machen.272 Die „Ausstellung der Wiedergewonnenen Gebiete“ war, wie bereits ausgeführt, mit einer Wende der staatlichen Politik gegenüber den Westgebieten verbunden. Ihren machtpolitischen Ausdruck fand dieser Wechsel in der Auflösung des Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete im Januar 1949 und der zunehmenden Distanzierung von diesem Begriff zugunsten der Bezeichnung „West- und Nordgebiete“ (Ziemie Zachodnie i Północne).273 Mit der voranschreitenden Dominanz marxistischer Muster und aufgrund der politischen Großwetterlage (Gründung der Deutschen Demokratischen Republik) wurden zudem der Fokus auf die deutsch-polnische Konfliktgeschichte aufgegeben und mit der Klassenkampfdoktrin konforme Untersuchungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bevorzugt.274

9.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend stellt sich die Frage, inwieweit der Tourismus den neuen Bewohnern der Riesengebirgsregion bei der Aneignung der Landschaft behilflich war. 270 Sroka: Zwiedzajmy. Vgl. ferner Łaborewicz, Ivo: Wybrane uroczystości państwowe i lokalne w Kotlinie Jeleniogórskiej w latach 1945–1958. In: Nowosielska-Sobel, Joanna/ Strauchold, Grzegorz (Hg.): Piastowsko-komunistyczna satysfakcja? Obchody rocznic historycznych i świąt państwowych na Śląsku po II wojnie światowej, Wrocław 2008 (Spotkania Dolnośląskie 3), 65–80. Der Hinweis, man habe im Vorfeld der städtischen Feierlichkeiten von 1948 den Anlass der 640-jährigen Wiederkehr der Verleihung der Stadtrechte – daran hatte man sich auch vor 1945 orientiert – geändert, erhält zusätzliche Relevanz im Hinblick auf das 900-jährige Jubiläum im Jahr 2008. Nun sollte es in Anknüpfung an die legendäre Stadtgründung ein 840-jähriges Jubiläum sein. 271 APW-JG, 143/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie, H. 5: Verordnungen des PRN 1946–1947, Schreiben des PRN-Präsidiums an die Stadt- und Gemeindenationalräte vom 24. Juli 1947, 52. Sroka: Zwiedzajmy, gibt an, dass man im Frühjahr 1947 einen zweitägigen Ausflug für ausländische Journalisten ins Riesengebirge veranstaltete, um die ausländische Öffentlichkeit von der „Blüte“ der Westgebiete unter polnischer Verwaltung zu überzeugen. 272 Als eigentümliche Nebenerscheinung dieses Nachdrucks auf die positive Darstellung kann die Tatsache betrachtet werden, dass sich der Kurausschuss des Kreisnationalrats angesichts des erwarteten Besucherandrangs im Sommer 1948 an das Handelsministerium mit der Bitte wandte, die Sperrtage für die Ausgabe von Fleisch und Kuchen aufzuheben. APW-JG, 126/ II: Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze 1945–1950, H. 68: Fragen der Kurausschüsse 1948–1950, Protokoll vom 8. Juli 1948, unpag. 273 Strauchold: Myśl zachodnia, 333, 338. 274 Ebd., 209, 236.

Schlussfolgerungen

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Die Antwort müsste im Lichte der beschriebenen Prozesse negativ ausfallen. Die Umstände des Bevölkerungsaustausches und die politischen Entwicklungen in Polen in den Nachkriegsjahren behinderten eine kulturelle Assimilation der neuen Umgebung und verringerten den strukturellen Nutzwert des Fremdenverkehrs. Diese Faktoren werden im Folgenden zusammenfassend benannt: 1. Der unmittelbare Kontext nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der daraus resultierende Deutschenhass machten eine offene Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen Kulturerbe unmöglich. 2. Das zeitweilige Zusammenleben von Deutschen und Polen beseitigte nicht die traditionellen und neu entstandenen Antipathien, trug aber zu einem gewissen „Ineinander-Übergehen“, vor allem aber zur Übernahme deutscher Kulturelemente (äußerliches Auftreten, benutzte Namen und Sprache) durch die Neusiedler bei. 3. Diese Phänomene wurden von offiziellen Stellen argwöhnisch registriert. Ihnen begegnete man mit scharfen Kampagnen gegen eine vermeintliche ‚Autogermanisierung‘ der Polen und gegen angeblichen Separatismus oder mit der Tilgung unerwünschter Ortsnamen. 4. Die anfänglich spontane Umbenennungsaktion wurde mit Verweis auf das entstandene Namenschaos und die wissenschaftliche Unkorrektheit gestoppt und durch einen staatlich kontrollierten Benennungsprozess ersetzt, der jedoch nicht die zahlreichen, vergleichsweise unbedeutenden topographischen Punkte der unmittelbaren Lebenswelt einschloss. 5. Auf die politischen Einschränkungen und die fehlende Benennung der neuen Umgebung reagierte die Bevölkerung mit einer gefühlten Entfremdung. Auch unterlassene Reparaturen am übertragenen Eigentum oder ausbleibende Investitionen sind teils als Folge des ungeklärten Status der Gebiete, teils als Distanzierung von dem fremden materiellen Erbe zu werten. 6. Die touristische Infrastruktur wurde, so gut es ging, von sachkundigen Aktivisten gesichert und pragmatisch weitergenutzt. Gleiches betrifft die Weiterverwendung von Bildmotiven oder die direkte Übertragung von literarischen Topoi. All das erleichterte einerseits den Übergang in die neue Zeit, verhinderte aber im Endeffekt eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen und eine kritische Selektion des zu Übernehmenden. 7. Der kulturell geprägte Widerwille gegen den deutschen (klein)bürgerlichen Charakter der Infrastruktur führte einerseits zur pragmatischen Inbetriebnahme und zur Anpassung an die vorgefundenen Formen, andererseits zu Zerstörungen. Der Versuch, den Objekten in der Landschaft durch entsprechend politisch aufgeladene Namen schnell einen neuen Charakter zu verleihen, misslang. Die meisten dieser Namen wurden von den Touristen nicht angenommen und verschwanden wieder. Die relativ große Verbreitung der alten Namen auf Postkarten, Landkarten und Wegweisern trug maßgeblich dazu bei.

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Der Bruch (1945–1949)

8. Die unternehmerische Aneignung der Region stieß auf Schwierigkeiten in Gestalt mangelnder Sicherheit bei Eigentumsfragen, fehlenden Schutzes vor Kriminalität und unklarer wirtschaftlicher Perspektiven. Die staatliche Politik der Unterdrückung von Privatinitiativen, verbunden mit einer Zentralisierungspolitik insbesondere im Tourismusbereich, zog bei vielen Unternehmern der ersten Stunde Resignation und die Ausreise nach sich. Im Übrigen kann auch in Zeiten des Hochstalinismus von einem Rest des (halblegalen) privaten Dienstleistungssektors gesprochen werden, der im Tourismusbereich erforderlich war und die Mängel des staatlichen Wirtschaftssystems zu kompensieren half. 9. Infolge machtpolitischer Auseinandersetzungen innerhalb der kommunistischen Partei und der weltpolitischen Entwicklung nach 1947 wurden die ideellen Grundsätze für die Übernahme der Westgebiete aufgegeben und jede Beschäftigung mit regionalen Besonderheiten unterdrückt. 10. Letztlich bestimmten anhaltende Integrationsschwierigkeiten innerhalb der heterogenen Bevölkerung die Entfremdung gegenüber der neuen Realität mit.

IV. Bewegte Zeiten (1954–1970) Im zweiten Hauptkapitel soll der in der Forschung zur Übernahme der früheren deutschen Ostgebiete durch Polen dominierende Diskurs des Kulturbruchs, der auch im Großen und Ganzen im vorherigen Kapitel entwickelt wurde, punktuell hinterfragt werden. Die vielfältigen Wandlungen in der Region, eingebettet in die weltpolitische Entwicklung der Jahre nach Stalins Tod, verfügen bisher nicht über ein stringentes Narrativ. Es fehlt an wegweisenden Vorarbeiten wie etwa Gregor Thums Breslau-Studie für die Aneignungsliteratur.1 Anhand unterschiedlichster Quellen wird hier zunächst die Geschichte eines vorsichtigen Herantastens der lokalen Bevölkerung an das überlieferte Erbe rekonstruiert: der Versuch einer neuen Narration abseits des starren ideologischen Rahmens der offiziellen Propaganda und einer politisch bedingten Aufwertung der strukturellen Eigenschaften der Region (und des touristischen Faktors). Diese Vorgehensweise lässt mitunter keine eindeutigen Interpretationen zu, erlaubt aber eine vertiefte Auseinandersetzung mit Einzelaspekten. Abschließend sollen Schlussfolgerungen formuliert werden, die eher den Charakter weitergehender Thesen haben. Die bisherige Geschichtsschreibung über das gesellschaftliche Erwachen in den polnischen Westgebieten, wie sie seit dem Umbruch 1989/90 herausgearbeitet wurde, betont vor allem das Wirken einzelner Intellektueller oder Milieus (zum Beispiel Kirchenvertreter, Journalisten, Schriftsteller oder der demokratischen Opposition in der Volksrepublik Polen). Dementsprechend wird dort die deutschpolnische Beziehungsgeschichte aus Sicht elitärer Gruppen erzählt und nebenbei bundesrepublikanisch zentriert. In diesem Kapitel spielt hingegen der transnationale Aspekt auf Mikroebene in Gestalt polnisch-ostdeutscher Kontakte eine zentrale Rolle, wobei auch die transnationale Verflechtung über die Grenze zur Tschechoslowakei und auch nach Westdeutschland (vgl. auch Kapitel V) besonders hervorgehoben wird. Die gewählte Perspektive kann aufgrund der zur Verfügung stehenden Quellen nur bedingt als Perspektive ‚von unten‘ bezeichnet werden. Es zeigt sich jedoch, dass die bewusste Verschiebung des Fokus auf die regionale Ebene bei gleichzeitiger Akzentuierung grenzüberschreitender Bezüge durchaus für eine alltagshistorische Untersuchung der Volksrepublik Polen aufschlussreich sein kann.2

1 2

Thum: Die fremde Stadt. Hartwich: Wie schreibt man.

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1.

Bewegte Zeiten (1954–1970)

Einführung

Im Rückblick erschien es vielen Beobachtern, als ob die erste Hälfte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Zeit des Stillstands im Riesengebirgstourismus gewesen wäre. Lediglich vereinzelte Touristen wären aufgrund der rigorosen Grenzüberwachung im Gebirge anzutreffen gewesen, während die Wanderwege ansonsten menschenleer erschienen.3 Wohlweislich betraf dies nicht die beiden Zentren der FWP-Touristik, Karpacz (Krummhübel) und Szklarska Poręba (Schreiberhau). Der „Fonds für Arbeitererholung“ (FWP) schickte weiterhin jedes Jahr Zehntausende Urlauber in seine Ferienanlagen im Riesengebirge, die eine Art abgesonderte Welt für sich darstellten.4 Im Rahmen ihres Aufenthalts mussten sie eine Wanderung zur Schneekoppe oder zum Reifträger absolvieren, bei der sie unter strenger Aufsicht der Grenztruppen und unter Führung eines offiziellen Bergführers der PTTK nicht vom Weg abweichen oder auf eigene Faust Urlaubsfotos machen durften. Alles, was abseits dieser Trampelpfade lag, war verboten und bzw. oder verwahrlost.5 Obwohl der Eindruck eines Stillstands oder gar Rückschritts entstehen konnte, wäre es übertrieben, von einem völligen Zusammenbruch des Fremdenverkehrs zu sprechen. Nicht nur während der touristischen Saison füllten sich die Hauptorte des Riesengebirges mit FWP- und vereinzelten individuellen Urlaubern. Die PTTK sorgte dafür, dass das Gebirge immer wieder von Teilnehmern eigener Massenveranstaltungen, der so genannten Touristenrallyes (rajdy turystyczne), besucht wurde.6 Durch solche Veranstaltungen „wurde die Region aus propagandistischer Sicht wieder für einen Moment zum Zentrum der polnischen Touristik“, wie Piotr Sroka bemerkt. Verständlicherweise schwebten den Organisatoren vor allem politische Ziele vor. Sie wollten die „Verbindung“ zwischen Teilnehmern und Einheimischen sowie den „polnischen Charakter“ der so genannten Wiedergewonnenen Gebiete oder auch die „Errungenschaften des Sechsjahresplans“ betonen. Aber schon die Anwesenheit von gut 2.700 Wanderern (nach zeitgenössischen Presseangaben) in den Sudeten im September 1953 kann als beeindruckendes Resultat bezeichnet werden.7 Dass die in offiziellen Veröffentlichungen hoch gelobte Orga3 4 5

6 7

So war es auch bei der vierten Nachkriegswanderung durch die Sudeten von Mieczysław Orłowicz im Jahr 1953. Kowalik: Wycieczki sierpniowe, 123–126. Für 1951 ist die Zahl von 90.000 Urlaubern überliefert. Margas, Czesław: Kronika roku 1951. In: Rocznik Jeleniogórski 7 (1969) 107–113, hier 113. Aus diesem Grund musste die PTTK schon 1949 die Bergbauden „Hala Szrenicka“ (früher „Neue Schlesische Baude“), „Pod Łabskim Szczytem“ („Alte Schlesische Baude“) und „Nad Snieżnymi Kotłami“ („Schneegrubenbaude“) schließen. Ders.: Kronika roku 1949. In: Rocznik Jeleniogórski 5 (1967) 105–114, hier 114. Sroka, Piotr: Masowe rajdy turystyczne w Sudetach w systemie stalinowskiej propagandy pierwszej połowy lat 50. XX wieku. In: Rocznik Jeleniogórski 40 (2008) 193–205. Ebd., 198.

Reformbestrebungen im polnischen Tourismus

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nisation einer solchen Veranstaltung für die ehrenamtlichen PTTK-Aktivisten und die lokale Verwaltung eine riesige Herausforderung darstellte, muss nicht gesondert ausgeführt werden.8 Die Rolle der „Polnischen Gesellschaft für Touristik und Landeskunde“ (PTTK) war in jenen Jahren zumindest ambivalent. Einerseits hatte die stalinistische Gleichschaltung aller Organisationen Ende der vierziger Jahre auch das Touristenmilieu erfasst und führte zur Zwangsvereinigung der „Polnischen Gesellschaft für Landeskunde“ (PTK) mit der „Polnischen Tatra-Gesellschaft“ (PTT) und somit zu einer zentralistischen Hierarchie und politischen Überwachung. Andererseits hielt der neue Verband am Anspruch einer ehrenamtlichen Popularisierung der Touristik und ‚sinnvoller‘ Freizeitbeschäftigung für die Massen fest und musste sich trotz aller Sprechverbote an diesen Zielen messen lassen. Zudem kannten die örtlichen PTTK-Aktivisten am ehesten das wirkliche Engagement der Mitstreiter und den tatsächlichen Zustand der Infrastruktur. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der Rivalität mit anderen staatlichen Stellen (wie dem Tourismuskomitee KdST) fungierte die PTTK durchaus als Sprachrohr der um den Zustand des polnischen Tourismus Besorgten, als es Mitte der fünfziger Jahre zu einer sichtbaren Krise kam.9

2.

Reformbestrebungen im polnischen Tourismus

Man mag darüber streiten, ob erste Anzeichen des „Tauwetters“ im touristischen Bereich den Entwicklungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen voraus waren.10 Gewiss würden detaillierte Untersuchungen zu unterschiedlichen Milieus 8 Im Bestand des Präsidiums des Gemeindenationalrates (GRN) von Karpacz (Krummhübel) befindet sich dazu eine detaillierte Aufstellung der zu erledigenden Aufgaben durch die Abteilungen des Kreisnationalrates von Jelenia Góra (Hirschberg); die Überwacher der Vorbereitungen mussten direkt dem Präsidium des Wojewodschaftsnationalrates in Wrocław (Breslau) berichten. Übernachtungs- und Verpflegungspunkte für die Teilnehmer wurden in Karpacz (Krummhübel), Przesieka (Hain), Jagniątków (Agnetendorf ), Sobieszów (Hermsdorf ), Borowice (Baberhäuser), Jelenia Góra (Hirschberg), Sosnówka (Seidorf ), Trzcińsko (Rohrlach) und Wojanów (Schildau) eingerichtet. In 13 weiteren Ortschaften wurden „Punkte der Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung“ eingerichtet und in den Gemeinden Karpacz (Krummhübel) und Sobieszów (Hermsdorf ) hatten die Rallyeteilnehmer ehrenamtliche Arbeiten zu verrichten. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, H. 28: Beschlüsse des PRN-Präsidiums in Jelenia Góra (Hirschberg) 1952–1953, 385. 9 Vgl. die optimistische Darstellung bei Skowron, Wanda: PTTK 1951–1956. Czas integracji i nowych wyzwań, http://khit.pptk.pl/teksty/pttk_1951_1956_czas_integracji_i_nowych_ wyzwan.pdf [Zugriff am 11.8.2009]; Jarosz: Masy pracujące, 235. Dass auch dieses Milieu nicht frei von Missbrauchsfällen war, zeigt das Verfahren des Rechnungshofes gegen Mitarbeiter des örtlichen PTTK-Vorstands in Jelenia Góra (Hirschberg) 1951 und einige Herbergsverwalter. Ebd., 236. 10 Sroka: Masowe rajdy, 204.

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Bewegte Zeiten (1954–1970)

und Aspekten des Alltagslebens genauere Einblicke in die Dynamik der Entstalinisierung in der Volksrepublik Polen eröffnen, was Rückwirkungen auf die Periodisierung im nationalen und internationalen Rahmen haben könnte.11 In unserem Kontext beschränkt sich die Analyse auf das Tourismusphänomen, das als eine Art Brennglas fungiert und Fragen nach demokratischer Teilhabe, Wirtschaftspolitik, Identitätsbildung und nicht zuletzt transnationalen Bezügen in der Umbruchszeit (vor allem von 1956 bis 1958) neu zu stellen erlaubt.12 Im Gegensatz zur Position etwa Piotr Srokas (Dariusz Jarosz folgend) sollte der Beginn des Tauwetters im touristischen Bereich nicht mit einem Artikel zu den Problemen der Touristik in der „Trybuna Ludu“, dem Organ der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR), im Mai 1954 in Verbindung gebracht werden.13 Chronologisch gesehen, konnte die Veröffentlichung dieser Kritik nur eine Etappe einer längeren Entwicklung sein. Soweit das überhaupt anhand des erhaltenen Materials feststellbar ist, stand am Anfang eine Besprechung des „Tourismusaktivs“ am 25. April 1954 unter Vorsitz des Leiters des staatlichen Komitees für Touristik (KdST) Zbigniew Kulczycki. Diese Besprechung geriet zu einer neunstündigen Abrechnung mit der Misswirtschaft, Inhaltslosigkeit und Ideenarmut.14 Während der PTTK-Hauptversammlung Ende desselben Jahres brachte ein Teilnehmer die Atmosphäre auf den Punkt: „Es ist ja so, dass in allen Bereichen momentan eine gewisse Revision der bisherigen Vorgehensweise stattfindet. Das geschieht in der Architektur, in der Kunst und es wundert mich nicht,

11 Hahn, Hans Henning/Olschowsky, Heinrich (Hg.): Das Jahr 1956 in Ostmitteleuropa, Berlin 1996; Śpiewak, Paweł (Hg.): Anti-Totalitarismus. Eine polnische Debatte, Frankfurt a. M. 2003. Eine aktuelle Bestandsaufnahme des Problems befindet sich bei Kochanowski, Jerzy/Ziemer, Klaus (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie 1945–1990. Wybór dokumentów, Bd. 3: Polska – NRD 1956–1957. Bearb. v. Maciej Górny und Mateusz J. Hartwich, Warszawa 2008. 12 Hartwich, Mateusz J.: Turyści z NRD na Dolnym Śląsku po 1956 r. In: Pamięć i Przyszłość 3/2 (2009) 35–40; ders.: „Turisté vystupují převážně jako uvědomělí občané našeho státu“. Východní Němci v Krkonoších v letech 1945 až 1970 – příspěvek k dějinám spolupráce mezi socialistickými státy v oblasti cestovního ruchu. In: Soudobé Dějiny 17 (2010) 349–367; ders.: „Na szlakach przyjaźni“? Turystyka z NRD do Polski w latach 1956–1970, ze szczególnym uwzględnieniem regionu karkonoskiego. In: Borodziej, Włodzimerz/Kochanowski, Jerzy (Hg.): Bocznymi drogami. Nieoficjalne kontakty społeczeństw socjalistycznych 1956– 1989, Warszawa 2010, 87–107; Hartwich, Mateusz J.: Reisen von DDR-Bürgern ins Riesengebirge in den 50er und 60er Jahren. In: Parak, Michael (Hg.): Schlesier in der DDR. Berichte von Flüchtlingen, Vertriebenen und Umsiedlern, Görlitz 2009, 121–135. Vgl. ferner Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 22–24. 13 Sroka: Masowe rajdy, 204. 14 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/15, Präsidialausschuss, Stenogramm einer Versammlung des Tourismusaktivs vom 25. April 1954. Zu den Diskussionen der „Tauwetter“-Periode vgl. Jarosz: Masy pracujące, 267–283.

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dass auch hier diese Frage aufkommt. Es scheint, als ob es an der Zeit wäre, auch diese Fragen zu revidieren.“15 An dieser Stelle soll nicht der umfassende Kontext dieser Entwicklung erläutert werden. Die gesellschaftlichen Dynamiken in den einzelnen Ostblockländern wiesen dabei unterschiedliche Züge auf. Man kann jedoch von einer generellen Veränderung der politisch-sozialen Situation nach Stalins Tod im März 1953 sprechen.16 Als ,Vorspann‘ zum eigentlichen Krisenjahr 1956 galten die Ereignisse seit dem Juni-Aufstand 1953 in der DDR über die Krise des polnischen Staatssicherheitssystems (die Flucht und Enthüllungen von Józef Światło und die darauf folgende Auflösung des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit im Dezember 1954) bis hin zu den schweren wirtschaftlichen Krisen in den einzelnen sozialistischen Staaten infolge der forcierten Industrialisierung. Die politische Entwicklung gipfelte in der „Geheimrede“ Nikita Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) im Februar 1956.17 Anzeichen einer gewissen Liberalisierung, nicht zuletzt im Kulturbereich, waren in Polen jedoch schon früher spürbar gewesen.18 Die von den Aktivisten aufgebrachten Vorwürfe gegenüber den Verantwortlichen wie etwa die Kritik der anspruchslosen Massentouristik waren zum Teil nicht neu, andererseits zielten sie auch auf das Wesen des sozialistischen Systems. Sie betrafen die Zentralisierung der Verwaltung, die desaströse Hauswirtschaft, die Indoktrinierung oder die Architektur, die monströse Bettenburgen bevorzugte.19 Allmählich keimte auch der Gedanke auf, mehr Privatinitiative im Übernachtungsbereich zuzulassen, die in der Grauzone ohnehin schon existierte. Ein nicht minder wichtiger Kritikpunkt war die übermäßige Konzentration der geringen Investitionsmittel im Tatragebiet, während die ehemals deutschen Objekte in den Sudeten, die allein die Hälfte aller FWP-Übernachtungsplätze beherbergten, auf Sparflamme betrieben wurden.20 Die Bevorzugung von Zakopane und Umgebung ließ sich nicht allein mit überlieferten Traditionen und einem etablierten Ruf oder der exis15 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 235/16, Präsidialausschuss, Stenogramm einer PTTKKonferenz in Fragen touristischer Bauvorhaben am 17. Dezember 1954. 16 Foitzik, Jan (Hg.): Entstalinisierungskrise in Ostmitteleuropa1953–1956. Vom 17. Juni bis zum ungarischen Volksaufstand. Politische, militärische, soziale und nationale Dimensionen, Paderborn u. a. 2001. 17 Engelmann, Roger/Großbölting, Thomas/Wentker, Hermann (Hg.): Kommunismus in der Krise. Die Entstalinisierung 1956 und die Folgen, Berlin 2008 (Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Analysen und Dokumente 32). 18 Fik, Marta: Kultura polska po Jałcie. Kronika lat 1944–1981, Warszawa 21991 [London 1 1989]; Śliwińska, Katarzyna: Sozialistischer Realismus in der DDR und in Polen. Doktrin und normative Ästhetik im Vergleich, Dresden 2005 (Arbeiten zur neueren deutschen Literatur 16). 19 Sowiński: Wakacje, 80f. 20 Ebd., 39.

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tierenden Infrastruktur erklären – immerhin wurden viele Herbergen während des Krieges zerstört oder beschädigt. Ein wichtiger Grund mag die Erinnerung an den Aufenthalt Lenins in diesem Gebiet 1913/14 gewesen sein. 1947 wurde in Poronin bei Zakopane ein Lenin-Museum eröffnet, dessen Besuch für organisierte Urlauber- und selbstverständlich Schülergruppen Pflicht war. Auf diese Weise konnten der kommunistische Personenkult, der staatliche Ferienbetrieb und die Indoktrinierung mit einem populären Urlaubsgebiet verbunden werden. Diesen politischen Nutzen besaß das Riesengebirge nicht. Zwar wurden in der weiteren Region patriotische Wanderwege entlang der Piastenburgen (Szlak Zamków Piastowskich) oder entlang der Marschroute der 2. Polnischen Armee (aus dem Jahr 1945) eingerichtet. Es fehlte jedoch an eindeutigen Anziehungspunkten. So dürfte nicht verwundern, dass sich die touristischen Institutionen der Volksrepublik eher als ‚Nachlassverwalter‘ der Infrastruktur in den Sudeten verstanden, die weiterbenutzt wurde, weil sie da war, aber in die man nicht investieren wollte.21 Bei Durchsicht der Dokumente örtlicher Kulturreferate aus den Nachkriegsjahren fällt auf, wie schematisch die Kulturarbeit in den Riesengebirgsorten durchgeführt wurde, was nicht zuletzt an der schon von den Zeitgenossen bemängelten geringen Qualifikation und dem fehlenden Engagement der Kultur- und Bildungsreferenten in den FWP-Erholungszentren lag.22 Auch jeglicher Bezug zu regionalen Traditionen fehlte zu jener Zeit.23 Vor allem materielle Faktoren waren es jedoch, die die Aufmerksamkeit von Kritikern des stalinistischen Tourismusmodells auf sich zogen: Einige Bestürzung rief in der Öffentlichkeit das Eingeständnis der PTTK-Funktionäre hervor, die Bergbauden seien sämtlich defizitär.24 Bereits im Frühjahr 1956, noch vor dem eigentlichen politischen Umbruch in Polen, mehrten sich Anzeichen einer neuen Herangehensweise an Fragen der Tourismusorganisation, etwa bei der Gebäudeverwaltung. Eine Sitzung der Kommission zur Bewertung von Investitionsprojekten des KdST vom Mai 1956 fand in der Herberge „Samotnia“ am Kleinen Teich statt. Dort beschloss man die prioritäre Fertigstellung des Sessellifts auf die Schneekoppe, was schon seit dem Ende der vierziger Jahre immer wieder diskutiert und in Angriff genommen wurde, und die Renovierung der Schneekoppenbaude. Ein mittelbares Ergebnis dieser Beratung 21 Noch 1954 waren von den Investitionsmitteln des KdST lediglich 4 Prozent für die Westgebiete vorgesehen. Ebd., 40. 22 Eine zeitgenössische Kritik findet sich beispielsweise im Sitzungsprotokoll des Gemeindenationalrats in Karpacz (Krummhübel) vom 23. Dezember 1952. APW-JG, 136/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu, 128–133. Vgl. Sowiński: Wakacje, 63. 23 So ist von Ende 1955 und Anfang 1956 eine Liste von Kulturveranstaltungen in der Volksschule von Szklarska Poręba (Schreiberhau) überliefert, die sich auf die polnisch-sowjetische Freundschaft, den Armeekult und Adam Mickiewicz beziehen. APW-JG, 143/II: Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie, H. 39: Protokolle des Ausschusses für Kultur und Bildung 1952–1953, 225. 24 Margas, Czesław: Kronika roku 1956. In: Rocznik Jeleniogórski 12 (1974) 100–114, hier 114.

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war die Lockerung der Grenzvorschriften im Sommer 1956, die weite Teile des Gebirges (unter anderem den Kammwanderweg) wieder zugänglich machte.25 Diese Entwicklung bestätigt die These, dass Fragen von Grenzöffnung und Reisemöglichkeiten ein wichtiger Gradmesser der Lage im sozialistischen Polen waren.26 Interessanterweise rückte die Frage der Grenzöffnung für ausländische Touristen recht bald in den Mittelpunkt der Reformbestrebungen Mitte der fünfziger Jahre. Wie andernorts bereits beschrieben, erhofften sich die staatlichen Stellen dadurch größere Deviseneinnahmen, die Polen angesichts eines drohenden wirtschaftlichen Kollapses 1955/56 dringend benötigte.27 Nicht nur die Weltmarktpreise des wichtigsten polnischen Exportguts, der Steinkohle, begannen zu fallen, die einsetzende Entstaliniserung und die damit einhergehende Freilassung von etlichen Tausenden zwangsverpflichteter Bergwerksarbeiter verursachten zusätzlich erhebliche Probleme bei der Einhaltung des Förderplans und somit der Lieferverpflichtungen an ausländische Handelspartner (etwa die DDR). Da nur wenige polnische Produkte auf dem Weltmarkt hätten verkauft werden können, kam es der Parteiführung sehr gelegen, dass die Tourismusfunktionäre Deviseneinnahmen in Höhe von mehreren hunderttausend US-Dollar in Aussicht stellten.28 In einem Gutachten für Premierminister Józef Cyrankiewicz, das der Vorbereitung einer Sitzung der Propagandaabteilung des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) zum Thema Tourismus dienen sollte, plädierte Józef Krakowski im August 1956 nicht nur für Visaerleichterungen für westliche Touristen, sondern schlug auch explizit vor, 10.000 Westdeutschen die Einreise zwecks Besuchs der alten Wohnorte zu ermöglichen.29 Unmissverständlich schrieb Krakowski dazu: „Nach ersten Berechnungen würden die Einnahmen etwa 250.000 $ betragen.“30 Zwar wurden nach Angaben von „Orbis“ allein in den ersten neun Monaten des Jahres 1957 etwa 300.000 US-Dollar durch Touristen aus der Bundesrepublik Deutschland verdient. Auf die Zahlen insgesamt ist jedoch wenig Verlass. Die spätere Entwicklung zeigte, dass der kommunistische Staat nicht imstande war, aus dem Auslandstourismus eine wirtschaftlich relevante Einnahmequelle zu machen: Versorgungsschwierigkeiten, Schwarzmarkthandel und die Unfähigkeit, touristische Infrastruktur auf halbwegs akzeptablem internationalem Niveau si25 Ebd. 26 Stola, Dariusz: Zamknięcie Polski. Zniesienie swobody wyjazdu i uszczelnienie granic w latach 40. i 50. In: ders./Zaremba, Marcin (Hg.): PRL – trwanie i zmiana, Warszawa 2003, 159–186. 27 Sowiński: Wakacje, 82f.; Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 24, 448–451. 28 Ebd. 29 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/57, Präsidialausschuss, Thesen zur Tourismusorganisation und Diskussionsgrundlage einer von der Propagandaabteilung des Zentralkomitees der PZPR einberufenen Arbeitssitzung zum Thema Tourismus. 30 Sowiński: Wakacje, 83.

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cherzustellen, waren die Gründe für die eher unbedeutende Rolle des Fremdenverkehrs im Wirtschaftssystem der Volksrepublik Polen.31 In den Diskussionen der „Tauwetterperiode“ erschienen die prognostizierten Dollareinnahmen noch als wichtiges Argument. Gelegentlich wurde auch ein möglicher politischer Nutzen des intensiven Reiseverkehrs angedeutet.32 Im Hinblick auf die Pläne der polnischen Staatsführung, die Beziehungen zu einigen westlichen und neutralen Staaten zu verbessern, sollte das Ansehen der Volksrepublik von der Öffnung für ausländische Touristen profitieren. Anfangs hatte man dabei vor allem die Auslandspolen, die so genannte Polonia, aus Frankreich, Großbritannien und den USA im Blick und auch die skandinavischen Länder erschienen den Funktionären durchaus als attraktiver Markt. In diesem Kontext entdeckte man die niederschlesischen Kurorte wieder, da man glaubte, an die Tradition der Besuche aus Nordeuropa anknüpfen zu können.33 Diese Überzeugung fand auch ihren Ausdruck in einem entsprechenden Beschlussentwurf des Wirtschaftsausschusses des Ministerrats (KERM) vom 15. Mai 1958, bezeichnenderweise Devisenfragen betreffend, in dem das Tourismuskomitee verpflichtet wurde, ein Programm zur Tourismuswirtschaft der Bäder um Kłodzko (Glatz) zu erstellen.34 Deutsche Touristen spielten bei diesen Überlegungen noch keine Rolle.35 Die Liberalisierung der Reisevorschriften ab Mitte der fünfziger Jahre entsprach einem allgemeinen Trend, den einige Forscher mit entsprechenden Regulierungen im Rahmen der UNO aus dem Jahr 1954 verknüpfen, die vom polnischen Staat 1960 als geltendes Recht übernommen wurden.36 Von gewisser Bedeutung war der 31 So betrug in der Hochphase der touristischen Öffnung Polens und bei einer guten Lebensmittelversorgung der Anteil der Einnahmen aus dem Tourismus am Gesamtexport lediglich 2 Prozent. Nach Majowski, Marcin: Polska Ludowa zaprasza. Polityka turystyczna w czasach Edwarda Gierka, Warszawa 2008, 38, mussten durch die Konkurrenz seitens der höheren Schwarzmarktpreise für Währungen selbst die kommerziellen „Pewex“-Läden (eine Entsprechung der ostdeutschen „Intershops“) letztlich bezuschusst werden. 32 In weiteren Thesen zur Organisation der Touristik in Polen bezeichneten PTTK und KdST im Juli 1956 den Auslandstourismus zuerst als „politischen Faktor“ und „zugleich wirtschaftlichen Faktor“. Für die Arbeitssitzung der Propagandaabteilung des Zentralkomitees im Oktober 1956 wurde wiederum die Devisenfrage – auch im Unterschied zum defizitären Auslandstourismus der Zwischenkriegszeit – stark unterstrichen. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/57, Präsidialausschuss, 52, 101. 33 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/1, Möglichkeiten einer Anwerbung fremden Kapitals bei touristischen Investitionen in Polen. Referate [1958]. Bei den Polonia-Touristen sei mit Deviseneinnahmen nicht zu rechnen, unterstrich im angeführten Referat Stanisław Stoga. Es gehe vor allem um die Propagierung der Volksrepublik im Hinblick auf die Milleniumsfeiern 1960 und die Bekanntmachung der Westgebiete, die für die Auslandspolen, deren Mehrheit das Land vor 1945 verlassen hatte, unbekanntes Terrain waren. 34 Ebd. 35 Sowiński: Wakacje, 147. 36 Trybuś, Leszek: Ruch turystyczny PRL-NRD w latach 1955–1976. In: Przegląd Lubuski 11/3 (1983) 31–47. Bereits 1954 hatte Polen die Konvention unterschrieben. Als einziges

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Beitritt Polens (hier: des KdST) zur „Internationalen Union der Offiziellen Tourismusorganisationen“ (IUOTO), was zumindest den Vergleich eigener nationaler Normen und Methoden mit internationalen Standards förderte, sowie die Beteiligung an der Weltausstellung 1958 in Brüssel, die von der Volksrepublik Polen zu touristischen Werbezwecken genutzt wurde.37 Auch – oder gerade – unter den sozialistischen Staaten wurde die Liberalisierung der Reisevorschriften für den Auslandstourismus zu einem wichtigen Kennzeichen der Entwicklung.38 Zu diesem Trend passte die Erneuerung der polnisch-tschechoslowakischen Konvention über grenzüberschreitende Wandergebiete in der Tatra von 1956.39 Die Vereinbarung galt als Modell für die Sudeten, die als nächstes Konventionsgebiet im Gespräch waren.40 Bereits in der Hochphase der Reformdiskussionen im Herbst 1957 waren sich regionale Akteure allerdings bewusst, „dass das Gebiet für die Aufnahme ausländischer Gäste noch nicht vollends vorbereitet“ sei. Dennoch schrieben sie optimistisch: „Der einsetzende Verkehr wird zum wichtigen Impuls für weitere Anstrengungen zum Infrastrukturausbau, zumal sich die Befugnisse der örtlichen Nationalräte immer mehr ausweiten werden.“41 In einer Notiz von 1958, die anscheinend Teil eines KdST-Dossiers für den 1956 einberufenen Sejm-Ausschuss für Fragen der Westgebiete war, hieß es etwas expliziter: „Die Konditionen, die wir momentan Menschen, die zur Kur oder zur Erholung nach Niederschlesien kommen, anbieten können, gleichen nicht denen von 1936.“42 Dabei meinten die dem

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sozialistisches Land hatte jedoch lediglich Ungarn den Vertrag schon 1955 ratifiziert. AAN, Komitet Centralny PZPR 237/VIII-415, Propagandaabteilung – Sektion für Körperkultur 1954–1956, 1958, Notiz zur touristischen Konvention, 53–57. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 327/2, Allgemeine Internationale Ausstellung [sic!] in Brüssel. Bulletins, Thesen 1956–1958. Ropers, Norbert: Tourismus zwischen West und Ost. Ein Beitrag zum Frieden?, Frankfurt a. M./New York 1986 (Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung), 31, verweist zudem auf eine Konferenz sozialistischer Staaten zu diesem Thema 1955 in Varna, die auch die Koordination der Tourismuspolitik im RGW-Raum beschloss. Tatsächlich erfuhr der Fremdenverkehr innerhalb des Ostblocks Ende der fünfziger Jahre eine Belebung und um die Mitte der sechziger Jahre hoben die meisten sowjetischen Satellitenstaaten die Visumspflicht untereinander auf. Ab 1964 genügte ein entsprechendes Einlegeblatt im Personalausweis für die Touristenreise. Trybuś: Ruch turystyczny, 32. Im Oktober 1957 wurde das Ziel als eine der „Arbeitsthesen“ der neu geschaffenen Kommission für Auslandstouristik (Komisja Turystyki Zagranicznej) am Tourismuskomitee der Wojewodschaftsverwaltung festgeschrieben. APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/2, Kommission für Auslandstouristik 1957–1958, 2. Ebd. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Bewirtschaftung des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg). Plan 1958, Informationen zur touristischen Problematik in Niederschlesien. Ferner heißt es da selbstkritisch: „Im Allgemeinen wird zurecht der schlechte Zustand der Infrastruktur dieser Orte kritisiert, vor allem im Hinblick auf die kommunale Infrastruktur. Dies

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Namen nach nicht genannten Verfasser des Dokuments vor allem den schlechten Zustand der Übernachtungsobjekte und die Verkehrswege in die Region.43 Ferner wurde hier zum wiederholten Mal der Bau des Sessellifts auf die Schneekoppe und den Reifträger, der Neubau der Schneekoppenbaude und Wetterwarte, der Wiederaufbau der Schneegrubenbaude,44 die Sanierung der Reifträgerbaude und der Baude „Na Hali Szrenickiej“ (früher „Neue Schlesische Baude“) sowie die Renovierung der Herberge „Odrodzenie“ am Spindlerpass beschlossen. All dies sollte in den Jahren 1959 bis 1961 stattfinden.45 Die Ortsbesichtigung im Riesengebirge vom Frühjahr 1956 hatte Wirkung. Schon Mitte 1957 erhielt die regionale PTTK-Organisation zusätzliche 30 Millionen Złoty für notwendige Renovierungsarbeiten an Bauden und Wegen.46 Der Investitionsstau konnte mit dieser Summe noch lange nicht behoben werden, aber sie signalisierte die gestiegene Aufmerksamkeit zuständiger Stellen in Warszawa (Warschau) für die Belange der touristischen Regionen Niederschlesiens. Eine zentrale und praktische Frage der Tourismusentwicklung stellten Probleme bei der Bereitstellung von Unterkünften dar. Die Bergbauden wurden dank der Anstrengungen der ‚Tourismuspioniere‘ nach dem Zweiten Weltkrieg von der PTTK übernommen und einige wenige Hotels und Pensionen von „Orbis“ verwaltet, während der

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trifft jedoch nicht nur in den Kurorten, sondern in allen Städten Polens zu und hängt mit viel mehr als mit dem Versagen der Lokalverwaltung zusammen. Ähnlich verhält es sich mit dem Verschwinden des Kulturlebens in diesen Ortschaften.“ Die Schuld für die Zerstörung der 1945 in gutem Zustand übernommenen Wege wurde dabei der Forstverwaltung zugeschoben, die das gefällte Holz über Straßen transportierte, ohne für deren Wartung zu sorgen. Ebd., Notiz über die touristische Infrastruktur des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg), 1958. Mit diesem Objekt ist ein interessanter internationaler Aspekt verbunden: Ende September 1955 wandte sich die tschechoslowakische Botschaft an das polnische Außenministerium mit der Bitte, ein Historiendrama um den tschechischen Skipionier Bohumil Hanč im Grenzabschnitt drehen zu dürfen. Dabei werde die Schneegrubenbaude als Hintergrundkulisse benötigt, so dass die für Frühjahr 1956 geplante Abtragung der geschlossenen Herberge verschoben werden solle. Die polnische Seite beruhigte in ihrer Antwort, die Arbeiten begännen erst nach den Dreharbeiten, warnte aber vor einer Ausnutzung des schlechten Zustands des Objekts durch „feindliche Propaganda“. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/58, Präsidialausschuss, 241–243. Die Schneegrubenbaude fungierte nach ihrem Umbau als Rundfunkstation und wurde aus der touristischen Nutzung ausgeschlossen. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Notiz über die touristische Infrastruktur des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg), 1958. Niemiec, Anna: Studia nad rozwojem turystyki polskiej w Karkonoszach (1945–1975). In: Rozprawy naukowe Akademii Wychowania Fizycznego we Wrocławiu 23 (1990) 23–56. Man darf annehmen, dass die Bereitstellung der Investitionsmittel eine Konsequenz der geplanten Öffnung für ausländische Touristen war. In einer handgeschriebenen Notiz vom 7. September 1956 an den Premierminister wurde zu den entsprechenden Vorschlägen von „Orbis“ vermerkt, es sei unmöglich, die Gebirgsbauden in für Ausländer zugängliche und gesperrte zu trennen. Daher seien entsprechende Renovierungsarbeiten der Herbergen innerhalb von drei bis vier Jahren durchzuführen. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/57, 12.

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größte Teil der Objekte aus der Vorkriegszeit dem FWP bzw. einzelnen Gewerkschaften und Betrieben gehörte. In einem vom Kreiskomitee der PZPR vorbereiteten Exposé zur touristischen Problematik aus dem Jahr 1964 war von lediglich 6.069 Betten im so genannten offenen Pool (baza otwarta) die Rede, davon 3.808 in Privatunterkünften. Der „geschlossene Pool“, das heißt der nur Gewerkschaftsoder Betriebsangehörigen zugängliche, umfasste 27.134 Betten.47 Schon im erwähnten Dossier von 1958 hatte man deshalb von „großen Reserven“ bei den Kapazitäten gesprochen, die durch (Rück)übertragung früherer, seit 1945 als private Wohnhäuser genutzter touristischer Objekte auf staatliche Träger ihrer optimalen Nutzung zugeführt werden könnten. Wiederholt wurde auch postuliert, einige FWP-Häuser oder Kindererholungsheime, die zumeist nur zwei bis drei Monate im Jahr als Ferienzentren genutzt wurden, für andere Touristengruppen zu öffnen.48 Doch sowohl bei den bisher nicht genutzten als auch bei den FWP-Objekten war man sich darüber im Klaren, dass sie den touristischen Standards – ganz zu schweigen von den internationalen – nicht genügten. Dieses Problem löste man, indem seit Mitte der fünfziger Jahre mit Nachdruck für das Vermieten von Privatunterkünften in ausgewiesenen Touristengegenden geworben wurde. So schlussfolgerte eine Diskussion „betreffend die Lösung von Schlüsselproblemen der Touristik“ einer Kommission des Zentralkomitees vom Oktober 1959: „in touristischen Orten sollte die Möglichkeit genutzt werden, Urlaubsgäste in Häusern der ständigen Einwohner unterzubringen sowie den individuellen Hausbau durch Erweiterung der Raumnormen dem anzupassen.“49 Dabei war man sogar bereit, den Anbietern steuerliche Vorteile in Aussicht zu stellen, auch wenn die Preise und die Standards weiterhin staatlicher Kontrolle unterlagen.50 In den Unterlagen zu den Reformplänen vom Sommer 1956 findet sich auch eine vieldeutige handgeschriebene Notiz zu einem Treffen mit dem Premierminister: „Frage der Unterbringung in Masuren und den Sudeten – wirtschaftliche und politische Aspekte“.51 Die staatliche Kontrolle des aufkeimenden Privatgewerbes durfte somit die Besonderheit der Westgebiete nicht außer Acht lassen. Man

47 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/37, Pläne der räumlichen Gestaltung 1964, Tourismus in der Region Jelenia Góra (Hirschberg) als wirtschaftliches Problem. 48 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Bewirtschaftung des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg). Plan 1958, Informationen zur touristischen Problematik in Niederschlesien. 49 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 293/25, Wissenschaftlich-Programmatische Kommission, Schlussfolgerungen der Besprechung der Kommission für Sport und Touristik des Zentralkomitees der PZPR zur Entwicklung des Tourismus in den Jahren 1960–1965 vom 26.– 28. Oktober 1959, 37–55. 50 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Bewirtschaftung des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg). Plan 1958, Informationen zur touristischen Problematik in Niederschlesien. 51 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/57, 19.

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war sich bewusst, dass die Vorkriegsgeschichte dieser Regionen mit dem Erscheinen ausländischer (deutscher) Touristen wieder präsent würde.

3.

Die Rückkehr der deutschen Frage

„So stellte im Jahr 1947 die Frage der deutschen Bevölkerung in Niederschlesien nahezu kein Problem mehr da“, schrieb im Rückblick ein Zeitzeuge der ersten Nachkriegsjahre.52 Zwar waren die Hauptdeportationswellen tatsächlich in diesem Jahr im Großen und Ganzen abgeschlossen. Von einer endgültigen Beseitigung des ‚Problems‘ kann man jedoch sicherlich nicht sprechen. Anfang 1948 sollen sich im gesamten Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) noch gut 2.000 Deutsche aufgehalten haben, wobei die knapp 700 als Polen ‚verifizierten‘ Einwohner wohl nicht mitgezählt wurden.53 Eine zeitgenössische westdeutsche Quelle spricht allein von „1.100 deutschen Protestanten“ in Jelenia Góra (Hirschberg).54 Die Schwierigkeit besteht im Umgang mit den unterschiedlichen Kategorien: Die „anerkannten“ Deutschen waren zumeist Facharbeiter und deren Familien, die gezielt in Polen zurückgehalten wurden; hinzu kamen noch die so genannten Autochthonen, die sich zum Polentum bekannt und die Staatsbürgerschaft erhalten hatten, und eine nicht bezifferbare Gruppe von Menschen mit ungeklärtem Status, die entweder als Ehepartner von Polen oder Staatenlose in ihrer alten Heimat verblieben.55 Das Jahr 1948 kann man als Wendepunkt bei der Behandlung der deutschen Frage in der Volksrepublik Polen bezeichnen: mit dem Abschluss der organisierten Vertreibung und der Abkehr von antideutscher Propaganda hin zur Klassenkampfund Internationalismusrhetorik.56 Seit dem Ende der vierziger Jahre begann sich die Lage der deutschen Restbevölkerung, vor allem in Niederschlesien, zu bessern: Sport- und Gesangsvereine wurden gegründet, die deutsche Sprache konnte in Schulen unterrichtet sowie Bücher und Zeitschriften in entsprechenden Bibliotheken gelesen werden. Der Grund für diese Entwicklung ist – neben der totalitären Stabilisierung der innenpolitischen Situation – in der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik im Jahr 1949 zu sehen und der damit einhergehenden Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze im Juli 1950 als „Bekenntnis zu Frieden und Freundschaft“ durch die ostdeutschen Kommunisten.57 In der Folgezeit über52 Szoka, Henryk: Wróciliśmy na zachód. In: Rocznik Jeleniogórski 21 (1983) 65–82. 53 Witczak: Okoliczności, 177; Margas: Kronika roku 1946. 54 Grund, Bernhard: Das kulturelle Leben der Deutschen in Niederschlesien unter polnischer Verwaltung 1947–1958, Bonn/Berlin 1967 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland), 33. 55 Ociepka, Beata: Niemcy na Dolnym Śląsku w latach 1945–1970, Wrocław 1992; Madajczyk: Niemcy polscy. 56 Ebd., 67. 57 Anderson, Sheldon: A Cold War in the Soviet Bloc. Polish-East German Relations 1945– 1962, Boulder/Oxford 2001; Kerski, Basil (Hg.): Zwangsverordnete Freundschaft? Die Be-

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nahm Ost-Berlin die Rolle eines ‚Schirmherrn‘ der in Polen verbliebenen Deutschen, was angesichts der offen feindseligen Haltung zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland nicht verwundern sollte. Bis auf eine begrenzte Familienzusammenführung 1950/51 beließen es aber die Führungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und der PZPR bei einer politischen Beeinflussung der deutschen Arbeiter in der Volksrepublik, ohne die Umsiedlungsfrage offen anzusprechen. Einer der wichtigsten Streitpunkte, die man damit umschiffen wollte, betraf die Behandlung der so genannten Autochthonen.58 3.1. Der Beginn der Familienzusammenführung (1955) Dass es Ende 1955 zu einer Neuorientierung der polnischen Politik gegenüber der deutschen Restbevölkerung im Land kam, lag sowohl am allgemeinen Kontext der Entstalinisierung als auch am Eingeständnis des Versagens dieser Politik.59 Trotz aller offiziellen Verlautbarungen und begrenzter rechtlicher Zugeständnisse verschwand das Problem der Deutschen in Polen nicht, sondern wurde mit der Möglichkeit einer Ausreise in die DDR (und von da nicht selten über die Sektorengrenzen in Berlin weiter in die Bundesrepublik) nur verschärft. Auch wenn die Umsiedlung ins sozialistische Deutschland in den Jahren 1951–1955 so gut wie unmöglich war,60 wurde durch die polnische Inkonsequenz in dieser Frage das in den Westgebieten ohnehin verbreitete Syndrom der Vorläufigkeit genährt und sogar auf die ‚verifizierten‘ Gruppen übertragen. Diese Situation wurde im Dezember 1955 von der Parteiführung anerkannt und in Verhandlungen mit dem Deutschen Roten Kreuz in Form einer geordneten und begrenzten Familienzusammenführungsaktion reguliert. Neu war dabei, dass die Ausreise nicht mehr ausschließlich in die DDR möglich war, sondern auch – zunächst mit strengen Auflagen und Vorbedingungen verknüpft, die später gelockert wurden – nach Westdeutschland. Auch wenn die Ost-Berliner Führung es lange nicht für nötig hielt, diese neuen Gruppen

ziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990, Osnabrück 2003 (Veröffentlichungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e. V. 1); Kochanowski, Jerzy/Ziemer, Klaus (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie 1945–1990. Wybór dokumentów, Bd. 1: Polska wobec Radzieckiej Strefy Okupacyjnej Niemiec, maj 1945 – październik 1949. Bearb. v. Andrzej Krajewski und Małgorzata Mazurek, Warszawa 2006. 58 Ociepka: Niemcy na Dolnym Śląsku, 28; Ihme-Tuchel, Beate: Die DDR und die Deutschen in Polen. Handlungsspielräume und Grenzen ostdeutscher Außenpolitik 1948 bis 1961, Berlin 1997 (Hefte zur DDR-Geschichte 41); Nitschke, Bernadetta: Położenie ludności niemieckiej na Dolnym Śląsku w latach 1950–1959. In: Osękowski, Czesław (Hg.): Ziemie Zachodnie i Północne Polski w okresie stalinowskim, Zielona Góra 1999, 195–204. Zu den so genannten Autochthonen vgl. Strauchold: Autochtoni, 10. 59 Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 39–42. 60 Ociepka: Niemcy na Dolnym Śląsku, 39.

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von polnischen Deutschen für sich zu gewinnen, war ihr die Ausreisemöglichkeit ins ‚imperialistische‘ Deutschland dennoch ein Dorn im Auge.61 Die politischen Entscheidungsträger in Polen wurden von der Realität bald eingeholt: Im Lauf der nächsten zwei Jahre meldeten sich zur Übersiedlung nicht nur deutlich mehr als die ursprünglich geplanten 60.000 Menschen – schließlich waren es rund 270.000 Personen.62 Darüber hinaus meldeten sich Tausende polnische Staatsbürger, verifizierte ‚Autochthone‘ aus den Wojewodschaften Katowice (Kattowitz), Olsztyn (Allenstein) und Opole (Oppeln), obwohl anerkannte deutsche Volksgruppen lediglich in den Wojewodschaften Wrocław (Breslau), Koszalin (Köslin) und Szczecin (Stettin) vorgesehen waren.63 Davon wurde die Staatsführung sichtlich überrascht, waren doch in den Jahren nach 1949 Anstrengungen zur „Aktivierung“ dieser Bevölkerungsgruppe unternommen worden, um sie nach den vielfachen Schwierigkeiten der unmittelbaren Nachkriegszeit für die polnische Sache zu gewinnen. Auch für die Stellen in der DDR stellte diese Gruppe ein offensichtliches Problem dar, da sie in den meisten Fällen die polnische Staatsbürgerschaft erhalten hatte und nun diese zugunsten einer deutschen aufgeben wollte bzw. musste. Ferner befürchtete die SED-Führung, zum Teil auch zu Recht, eine übertrieben nationale Gesinnung ihrer Landsleute, die durch den Aufenthalt im sozialistischen Polen nur gefördert worden war. Dabei hatte man in Polen jener Jahre versucht, auch im Hinblick auf den Ruf des Landes im Ausland und somit mögliche westliche Kredite, gegen die Diskriminierung der deutschen Bevölkerung anzugehen. Bereits 1954 hatte man der Minderheit, die noch bis 1956 so offiziell nicht bezeichnet wurde, die Teilnahme an den Wahlen zu den örtlichen Nationalräten ermöglicht sowie 1951 eine deutschsprachige Zeitung, die „Arbeiterstimme“ in Wałbrzych (Waldenburg), und 1957 einen de facto-Minderheitenverein, die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft (Niemieckie Towarzystwo Społeczno-Kulturowe, NTSK), ebenfalls in Wałbrzych (Waldenburg) gründen lassen. Diesen Institutionen kam Mitte bis Ende der fünfziger Jahre die Rolle eines kontrollierten und reglementierten Sprachrohrs der deutschen Gemeinschaft zu.64 Paradoxerweise gingen all diese Errungenschaften mit der Emigration des größten Teiles der deutschen Bevölkerung bis 1958 verloren: Die Unterhaltung deutschsprachiger Schulen lohnte nicht mehr, die „Arbeiterstimme“ wurde gleichgeschaltet und eingestellt, während die NTSK seit dem Ende der fünfziger Jahre lediglich vegetierte.65 Wie Beata Ociepka feststellt: „Die rechtliche Gleichstellung der Deutschen wurde zu spät vollzogen, um diese Gruppe

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Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 40f. Ebd., 40; Ihme-Tuchel: Die DDR, 31. Madajczyk: Niemcy polscy, 173. Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 39f.; Ihme-Tuchel: Die DDR, 42; Ociepka: Niemcy na Dolnym Śląsku, 70, 124–134. 65 Madajczyk: Niemcy polscy, 258–268; Ihme-Tuchel: Die DDR, 45–48.

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in Polen zu halten. Jahre der Diskriminierung bewirkten, dass von allen Rechten, die sie Mitte der fünfziger Jahre erhalten hatten, sie nur von einem Gebrauch machten: dem Ausreiserecht.“66 3.2. Der Reiseverkehr aus Westdeutschland Inmitten dieser Ereignisse setzte der westdeutsche Touristenverkehr nach Polen ein (etwa 1956–1959). Weder vor 1956 noch zwischen 1960 und 1970 kam der Reiseverkehr zwischen beiden Ländern völlig zum Erliegen. Während man es jedoch bis Mitte der fünfziger Jahre mit vereinzelten Geschäftsreisenden, politischen Delegationen ‚befreundeter‘ Organisationen oder seltenen Familienbesuchen zu tun gehabt hatte, waren es ab 1956 tatsächlich Touristenreisen. Anfang der sechziger Jahre wurden diese wieder stark eingeschränkt. Doch auch nach 1960 konnte man vereinzelt als westdeutscher Messebesucher, Teilnehmer von Studien- und Jugendreisen oder im Rahmen von Familienbesuchen eine Reise nach Polen unternehmen.67 Die Kommunikation über den Eisernen Vorhang hinweg war übrigens auch in den frühen fünfziger Jahren aufrechterhalten worden, was in zahlreichen Zuschriften „aus der alten Heimat“ in Vertriebenenzeitschriften und Berichten über polnische Publikationen festgehalten wurde.68 Trotz aller Relativierung stellte die Phase der Grenzöffnung gegenüber westdeutschen Touristen ein bemerkenswertes Ereignis dar. Die Begegnungen zwischen Deutschen und Polen nach zehn Jahren Isolierung und feindlicher Propaganda auf beiden Seiten glichen im gewissen Sinn einem Kulturschock, auch und in besonderer Weise in Bezug auf die ehemaligen preußischen Ostprovinzen. Trotz der relativ marginalen Bedeutung dieses Ereignisses für die Politik beider Staaten kann man eine nicht messbare Langzeitwirkung konstatieren, die die Einstellungen auf bei-

66 Ociepka: Niemcy na Dolnym Śląsku, 72. 67 Nach einer zeitgenössischen Quelle beziffert Ruchniewicz, Krzysztof: Kształtowanie niemieckiej opinii publicznej na podstawie sprawozdań z pobytu w Polsce w latach pięćdziesiątych. In: Rocznik Centrum Studiów Niemieckich i Europejskich im. Willy Brandta Uniwersytetu Wrocławskiego 1 (2003) 103–123, die Zahl der westdeutschen und West-Berliner Bürger in Polen 1955 mit 5.000, 1960 mit 11.000 und 1970 mit 36.000. Vgl. ferner ders.: Wrocław w relacjach Niemców z RFN w l. 50–tych i początku l. 60–tych. In: Rocznik Wrocławski 4 (1997) 129–156. Ein Dokument der polnischen Staatssicherheit spricht von insgesamt 28.225 Bürgern der BRD und West-Berlins in den Jahren 1960–1962 in Polen, darunter 13.258 Privatreisenden. IPN Warszawa, Biuro Udostępniania 0296/243, Bd. 4, Bericht über die Umsetzung des Beschlusses des Sekretariats des Zentralkomitees der PZPR vom Juni 1960 zur Bekämpfung des westdeutschen Revisionismus durch den Sicherheitsdienst des Innenministeriums, 28. März 1963. 68 Hartwich, Mateusz J.: Wirtualny Heimat. Obraz stron ojczystych w piśmiennictwie ziomkowskim regionu jeleniogórskiego w okresie powojennym. In: Rocznik Jeleniogórski 41 (2009) 111–130.

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den Seiten veränderte.69 Besonders im Fall der Bereisten hatten diese Begegnungen ein Nachspiel: in der zentralen Politik gegenüber den Westgebieten und gegenüber den deutschen Staaten, in der Kultur und Wissenschaft sowie im Selbstverständnis der Einheimischen. In den frühen Reformdiskussionen zum Auslandstourismus spielten westdeutsche Bürger eine untergeordnete Rolle. Nicht deshalb, weil man sich der wirtschaftlichen Vorteile durch den westdeutschen Tourismus nicht bewusst war – das zitierte Gutachten vom Sommer 1956 sprach da eine sehr klare Sprache. Dass die Visaerleichterungen letztlich auch für diese Gruppe galten und entsprechende Folgen nach sich zogen, kam einigen Funktionären, nicht zuletzt den „Orbis“-Verantwortlichen, sehr gelegen. Im Oktober 1956 schloss das staatliche Reisebüro Abkommen mit den Unternehmen „Amberger Reisedienst“ und „Intertouring“ ab und schon im November desselben Jahres besuchten erste Busreisegruppen Polen.70 Diese ersten Reisen, die sich verständlicherweise größtenteils aus den früheren Bewohnern der Ostprovinzen zusammensetzten, riefen ein starkes Medienecho in Westdeutschland hervor. In den veröffentlichten Berichten war vor allem vom Zustand der ehemaligen deutschen Ostgebiete die Rede; es wurden aber auch Fragen kultureller und politischer Freiheit im Polen der Liberalisierungsjahre, Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung und natürlich die Lage der deutschen Minderheit angesprochen.71 Daraus entstand ein Bild, das durchaus viele nationalistische und antikommunistische Stereotype wiederholte, vielerorts aber um Differenzierung bemüht war. So oder so – den Machthabern in Polen war an einer kritischen Berichterstattung verständlicherweise nicht gelegen, auch wenn der Niedergang der Westgebiete offiziellen Stellen durchaus bewusst war und auch in den polnischen Medien 1956/57 breit diskutiert wurde. Eine gewisse Berühmtheit erreichte der Bericht des kanadischen Journalisten und Schriftstellers österreichischer Herkunft, Charles Wassermann, mit dem Titel „Unter polnischer Verwaltung“.72 Nach seinen Aufsehen erregenden Veröffentlichungen zur ungarischen Revolution und zum „polnischen Oktober“ 1956 begab sich der Autor mit seiner Frau und einem privaten Fahrzeug auf eine 7.000 Kilometer lange Reise durch Polen, über die er einen reich bebilderten Bericht publizierte, der in Polen auf wenig Gegenliebe, dafür in der westdeutschen Öffentlichkeit auf sehr starkes Interesse stieß. Nicht zuletzt verdankte er es Formulierungen wie: „Das Bild, das uns in den vergangenen Wochen vor Augen kam, war andau69 70 71 72

Ruchniewicz: Kształtowanie niemieckiej opinii publicznej, 103. Ebd., 107. Ebd., 114–123. Eine Biographie findet sich unter http://www.munzinger.de/search/portrait/Charles+ Wassermann/0/8571.html [Zugriff am 8.7.2009]. Vgl. Żytyniec, Rafał: Polnische Wirtschaft z modernizacją w tle. Ziemie Zachodnie i Północne w reportażach Charlesa Wassermanna i Bena Budara. In: Borussia. Kultura – Historia – Literatura 18 (2008) 59–68.

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ernd traurig, beinahe immer düster, zum Großteil trostlos, und manchmal hatte es Züge von Tragikomik.“ Oder: „Niemand kümmert sich darum, daß Ostpreußen, Ostpommern, Ostbrandenburg und Schlesien durch Jahrhunderte hindurch von Deutschen besiedelt waren. Hier war einmal ein kulturloses Randgebiet. Mit wenigen Ausnahmen waren es die Deutschen, die hier Kultur und Zivilisation einführten. Heute sinkt dieses selbe Land wieder in seinen Urzustand zurück. Weit, wahrhaftig weit ist dieser Verfall schon fortgeschritten.“73 So sehr Wassermanns Blick von stereotypen Vorstellungen, die er aufgrund seiner Sprachunkenntnis nicht verifizieren konnte, und auch von Unwissen gelenkt war, gaben seine Beschreibungen die Realität der Westgebiete viel genauer wieder, als es den offiziellen Stellen der Volksrepublik lieb sein konnte. Dies erklärt auch, warum man sich veranlasst sah, ‚Anti-Wassermanns‘ in die Schlacht zu schicken. So startete man nicht nur eine scharfe Propagandakampagne gegen das Buch, sondern ließ auch ein polnisches Journalistenteam auf den Spuren des Kanadiers reisen und von der „wahren Lage“ in West- und Nordpolen berichten.74 Die PTTK-Zeitschrift „Ziemia“ veröffentlichte eine spezielle deutschsprachige Ausgabe zum Thema und der polnische Rundfunk produzierte ebenfalls deutschsprachige Reportageserien, in denen sogar die deutschen Ortsnamen mit genannt werden durften.75 Noch 1962 erschien im Verlag der Lausitzer Sorben „Domowina“ in der DDR das Buch „Jenseits von Oder und Neiße. Reisebilder aus den polnischen West- und Nordgebieten“, das – allen Beteuerungen des Verfassers zum Trotz – eine Reaktion auf Charles Wassermann darstellte und vom weiterhin bestehenden Interesse an dieser Thematik, auch in der ostdeutschen Öffentlichkeit, zeugte.76 Ostdeutsche Stellen waren auf das Phänomen westdeutscher Reisen nach Polen schon viel früher aufmerksam geworden. „Wie bereits betont, liegt die poln[ische] Politik auf dem Gebiet des Touristenverkehrs völlig im Interesse der Politik Westdeutschlands“, schrieb der Botschafter der DDR in Warszawa (Warschau) im Herbst 1957 nach Ost-Berlin. „Aus den Vereinbarungen sowohl mit dem Amberger Reisedienst77 als auch mit dem Reisebüro Intertouring [...] geht deutlich her73 Wassermann, Charles: Unter polnischer Verwaltung. Tagebuch 1957, Hamburg 41960 [11957], 270f. 74 Ruchniewicz: Wrocław, 142. 75 Mellerowa, Emilia u. a.: Mit Mikrofon und Kamera durch die polnischen Westgebiete, Warszawa 1959. 76 Budar, Ben: Jenseits von Oder und Neiße. Reisebilder aus den polnischen West- und Nordgebieten, Bautzen 1962, 13f. Übrigens war unter dem gleichen Titel „Jenseits von Oder und Neiße“ bereits 1952 ein Buchbericht über die polnischen Westgebiete erschienen, den der Schriftsteller Gerhart Pohl unter dem Pseudonym „Silesius alter“ veröffentlicht hatte. 77 Der Amberger Reisedienst war eines der ersten kommerziellen westdeutschen Reisebüros, das in Polen nach 1956 tätig wurde und noch bis in die siebziger Jahre im Land operierte. Eine ausgesprochen bemerkenswerte Charakterisierung dieses Reisebüros (und anderer westdeutscher Reisebüros) findet sich in: IPN Wrocław, 053/2213, Informationen der Passabteilung

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vor, dass die günstigen Bedingungen (Reisekosten und Verpflegung, Zeitdauer des Aufenthaltes, freie Tage zur Verfügung der Teilnehmer usw.) nicht nur von den westdeutschen Reisebüros allein vereinbart wurden, sondern von den dafür zuständigen Bonner Regierungsstellen. Die westdeutschen und Westberliner Pressemitteilungen zu diesen Fragen bestätigen dies sehr deutlich.“78 Der Hintergrund dieser Besorgnis der Offiziellen in der DDR war jedoch nicht organisatorischer Art: „Wir haben bereits darüber berichtet, dass sich dieser Touristenverkehr aus Westdeutschland besonders auf die Gebiete konzentriert, wo der größte Teil der deutschsprachigen Bevölkerung ansässig ist. Bei den Touristen handelt es sich nach unseren Feststellungen nur zu einem Teil um Verwandtenbesuche. [...] Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die poln[ischen] Organe diesen Verkehr fördern, keine politische Arbeit in diesen Gebieten leisten und keine Maßnahmen treffen, die den schädlichen politischen Einfluss eindämmen konnten. [...] Es ist erforderlich, die poln[ischen] Organe über die Gefährlichkeit dieses Verkehrs auf Grund unserer Erfahrungen aufzuklären und anzustreben, geeignete Maßnahmen zur Einschränkung dieses Verkehrs zu treffen.“79 Seit Beginn der Registrierung ausreisewilliger Deutscher in Polen im April 1957 nahm die Führung der DDR diese Frage sehr ernst und fürchtete eine Konkurrenz mit Westdeutschland um diese Bevölkerungsgruppe. Die Nachlässigkeit polnischer Stellen („keine politische Arbeit“) war der SED seit der Liberalisierung im Sommer 1956 ein Dorn im Auge und wurde zu dem Zeitpunkt verstärkt als Problem wahrgenommen, als Touristen aus der Bundesrepublik in den Westgebieten auftauchten und die wirtschaftliche Überlegenheit der Bundesrepublik zur Schau stellten.80 Ob der Druck aus Ost-Berlin letztlich eine wesentliche Rolle bei der Eingrenzung des Reiseverkehrs aus Westdeutschland spielte, bleibt unklar. Die polnische Führung fasste seit Ende der fünfziger Jahre sowohl Touristenreisen, Paket- und Briefsendungen als auch nicht konforme Veröffentlichungen im Ausland unter dem Stichwort „revisionistische Bedrohung“ zusammen und bekämpfte diese massiv. Darin gründete auch der erwähnte Beschluss des Zentralkomitees vom Juni 1960 über die Einschränkung des Reiseverkehrs.81 Weitere bedeutende Faktoren waren der per-

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des Wojewodschaftsamts für Innere Angelegenheiten betreffend die operative Arbeit 1974– 1975, Informationen zur Charakteristik einiger Phänomene, die bei kollektiven Reisen aus kapitalistischen Ländern auftreten, und zur Charakteristik ausgewählter Reisebüros in der BRD, November 1974. PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1640, Auswirkungen und Fragen des Touristenverkehrs zwischen der VRP und Westdeutschland, 25. Oktober 1957, 216–221; auszugsweise veröffentlicht in: Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 468–471. Ebd. Hartwich: Turyści z NRD, 36; Ihme-Tuchel: Die DDR, 46; Madajczyk: Niemcy polscy, 215. Ebd., 273. Materialien über die „Bekämpfung des westdeutschen Revisionismus“ nehmen in den Akten des früheren Sicherheitsdienstes im IPN-Archiv einen wichtigen Platz ein. Dabei wurden Informationen über konkrete Bürger der BRD gesammelt, wie auch über Polen, die

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sönliche Einfluss des polnischen Parteichefs Władysław Gomułka mit seiner generell deutschskeptischen Haltung sowie die weltpolitische Lage mit der sich verschärfenden zweiten Berlin-Krise.82 3.3. DDR-Tourismus in Polen in den fünfziger Jahren als Politikum Der zitierte Bericht der Botschaft der DDR in Polen enthielt neben den Klagen über das Auftreten westdeutscher Touristen folgende Passage: „Wir bitten ferner zu prüfen, ob eine Erweiterung des Touristenverkehrs aus der DDR in die VRP möglich ist, um den für Westdeutschland zur Verfügung stehenden Platz einzuschränken. [...] Wir sollten auch überprüfen, ob sich besonders unsere Jugendtouristik besonders auf die Westgebiete konzentrieren könnte. Bei einer guten politischen Vorbereitungsarbeit könnten die Jugendlichen gute Agitatoren für die Stärke der DDR sein.“83 In gewisser Weise identifizierten die ostdeutschen Kommunisten den Tourismus als politisches Mittel. Der Reiseverkehr zwischen den Ostblockstaaten, so kontrolliert und überwacht er gewesen sein mochte, spielte im Alltag eine ambivalente Rolle.84 Angefangen hatte alles 1950, ein Jahr nach der Gründung des deutschen „Arbeiter- und Bauernstaates“ – nicht zufällig auch im Jahr der Unterzeichnung des Görlitzer Vertrages.85 Ein polnisch-ostdeutscher, vom FWP und dem Feriendienst des FDGB sowie den zuständigen Stellen der Jugendorganisationen organisierter Urlauberaustausch wurde angebahnt. Im Sommer 1951 reisten jeweils zwei Gruppen mit je 50 Teilnehmern aus jedem Land für zwölf Tage in die Ferienheime in

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einer Sympathie bzw. Zusammenarbeit mit einschlägigen Organisationen bezichtigt wurden. Ferner wurden die Aktivitäten der Landsmannschaft Schlesien – und auf zentraler Ebene des Bundes der Vertriebenen – beobachtet, zum Beispiel durch Auswertung der Vertriebenenzeitschriften. IPN Wrocław, 032/647, Ośrodek – Objektsache: Landsmannschaft Schlesien 1962–1966. Seit Anfang der siebziger Jahre, als der Touristenverkehr zwischen Polen und der BRD nennenswerte Ausmaße annahm, wurden von Inoffiziellen Mitarbeitern und (gemäß Funktion) Reiseführern zahlreiche Berichte über westdeutsche Reisegruppen verfasst. Höchst instruktiv ist zudem Śmiałowski, Zdzisław: Methoden und Formen des Einflusses westdeutscher revisionistisch-revanchistischer Organisationen in der Wojewodschaft Wrocław unter besonderer Berücksichtigung des Landkreises Lubań [unveröffentl. Diplomarbeit, 1975], IPN Wrocław, 050/87. Hartwich: Turyści z NRD, 39; Kiwerska, Jadwiga: W atmosferze wrogości (1945–1970). In: Wolff-Powęska, Anna (Hg.): Polacy wobec Niemców. Z dziejów kultury politycznej Polski 1945–1989, Poznań 1993 (Prace Instytutu Zachodniego 59), 45–93; Ociepka: Niemcy na Dolnym Śląsku, 69. Vgl. ferner Strauchold: Wrocław, 10f. PAAA, PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1640, Auswirkungen und Fragen des Touristenverkehrs zwischen der VRP und Westdeutschland, 25. Oktober 1957. Hartwich: Turyści z NRD, 35; ders.: Východní Němci, 349. Anderson: A Cold War, 53–57.

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Friedrichsroda bzw. Zakopane. Diese Zahl (etwa hundert jährlich) blieb bis 1955 konstant.86 Die Leitidee war dabei klar: „Die Werktätigen im großen Weltfriedenslager haben nicht nur die Möglichkeit, sich im eigenen Lande in ihren Ferienheimen zu erholen, sondern sie finden auch Entspannung und Erholung im befreundeten Ausland, sowie die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der Internationale Urlauberaustausch eine große Hilfe bei der Festigung der Freundschaftsbande zwischen den volksdemokratischen und deutschen Gewerkschaften geworden ist.“87 Schon bald traten aber Konflikte politischer oder praktischer Natur auf wie etwa Beschwerden polnischer Besucher über die Verpflegung, das Kulturprogramm oder über ein „falsches Geschichtsbild“ in der Ausstellung auf der Wartburg.88 Auf offizieller Ebene wurde an der politischen Zielsetzung festgehalten. Im Rückblick ist es unmöglich festzustellen, ob die kleinen Urlaubergruppen gut ausgewählt wurden oder sich der offiziellen Rhetorik verpflichtet fühlten – die angeführten Beschwerden lassen an der Durchsetzbarkeit bestimmter Auswahlkriterien zweifeln. In den Berichten der Funktionäre an übergeordnete Stellen sollten sich jedoch die erwünschten Effekte („Völkerfreundschaft“) widerspiegeln und vermutlich wurden entsprechende Aussagen den Teilnehmern kurzerhand in den Mund gelegt. So berichtete ein Funktionär von Begegnungen einer polnischen Jugendgruppe in der DDR: „während ihres Aufenthalts begegneten unsere in den Westgebieten wohnenden Teilnehmer vielen jungen Deutschen, die aus diesen Gebieten kamen, und konnten sich von der gänzlich neuen, positiven Einstellung der deutschen Jugend gegenüber der Oder-Neiße-Grenze überzeugen.“89 Noch krasser fiel ein FDJ-Bericht vom Besuch in Zakopane im Spätsommer 1951 aus: „Für eine kurze Zeit saß ich an einem Abend mit einem Kollegen unserer Delegation auf einer Bank in einer schönen Anlage. Gegenüber war das hellerleuchtete Ferienheim Bristol, eines der größten in Zakopane. Werktätige Urlauber aus Polen bewohnten es. Tanzmusik und das Lachen fröhlicher Menschen, die wir eben für eine Weile verlassen hatten, drangen zu uns herüber. Unsere Delegation 86 BA – SAPMO, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, DY 34/21808, Feriendienst, Erholungswesen, Internationaler Urlauberaustausch – Verschiedene Berichte 1954–1957, Beschlussvorlage zum internationalen Urlauberaustausch mit der Sowjetunion, den volksdemokratischen Ländern und den Niederlanden im Winter 1955/56 und Sommer 1956 vom 29. September 1955. 87 Ebd., Auswertung des Internationalen Urlauberaustausch 1956 vom 3. Dezember 1956. 88 BA – SAPMO, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, DY 34/21807, Feriendienst – Betreuerberichte und Stellungnahmen einzelner Urlauber aus sozialistischen Ländern in der DDR und aus der DDR, August 1951 – Juni 1953, Bericht über die polnische Urlauberdelegation vom 23. Juli bis 5. August 1951 vom 8. August 1951, Bericht über den internationalen Ferienaustausch der zweiten polnischen Urlauberdelegation vom 5. September 1951. 89 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 253/58, Präsidialausschuss, Jugendtouristenaustausch zwischen Polen und der DDR – Berichte, Notizen 1955, Bericht vom Aufenthalt einer polnischen Touristengruppe in der DDR vom 26. August bis 10. September 1955, 82f.

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war von ihnen eingeladen worden. Auf der Bank in den Anlagen hatten noch zwei polnische Urlauber Platz genommen. Sie unterhielten sich in ihrer Landessprache, und wir beide sprachen über die schönen Erlebnisse, die wir in der Volksrepublik Polen hatten. Nicht lange dauerte es, so begann einer von ihnen das Gespräch mit uns: ‚Ich verstehe etwas deutsch. Wie lange bleibt ihr hier, und wie gefällt es euch bei uns?‘ Ich erzählte ihm von unserer Delegation und auch davon, wie wir mit einem beklemmenden Gefühl in die Volksrepublik Polen eingereist seien, von der großen Schuld, die Deutschland gegenüber Polen hat, und dem großen Unrecht, das dem Lande und den Menschen unter der Herrschaft des Faschismus widerfahren war. Da sagte er einfach und mit Wärme: ‚Da braucht ihr euch keine Gedanken mehr zu machen. Wir in Polen wissen, daß der Arbeiter die geringste Schuld daran trägt, und wir sehen, daß heute in Deutschland andere Menschen stehen, und daß das neue Deutschland nichts mehr gemein hat mit dem, was wir unter Hitler kennenlernten. Durch unser gegenseitiges Vertrauen und Verstehen kommen wir weiter. Ihr in Deutschland und wir in Polen haben die gleichen Ziele: Erhaltung des Friedens, Wiederaufbau und ein besseres Leben.‘“90 Vermutlich fielen die offiziellen Stellen der eigenen Rhetorik zum Opfer oder mussten ihre Existenz legitimieren – das staatliche Komitee für Touristik und Wandern (KTW) der DDR und das Tourismuskomitee in der Volksrepublik Polen existierten erst seit einigen Jahren. Die Eigendynamik des Touristenaustausches erreichte im Umbruchsjahr 1956 jedenfalls eine neue Dimension. Die Hauptklientel stellten zu jener Zeit noch Jugendgruppen, die als besonders empfänglich für die politische Zielsetzung der touristischen Kooperation angesehen wurden.91 Bereits 1954 hatten FDJ-Vertreter an einem „Freundschaftstreffen“ mit Kollegen aus dem Polnischen Jugendverband (Związek Młodzieży Polskiej, ZMP) und dem Tschechoslowakischen Jugendbund (Československý Svaz Mládeže, ČSM) in Jelenia Góra (Hirschberg) teilgenommen, das in späteren Jahren an wechselnden Orten wiederholt wurde. Als ersten Höhepunkt der internationalen Öffnung und sichtbares Zeichen des „Tauwetters“ betrachten polnische Historiker das „5. Weltfestival der Jugend und Studenten für Frieden und Freundschaft“ im Sommer 1955 in Warszawa

90 BA, Reisebüro der DDR, DM 102/21807, Bericht über einen Aufenthalt in Zakopane, August – September 1951, FDJ, 29. Zit. nach Hartwich: Turyści z NRD, 35. 91 Kochanowicz, Joanna: ZMP w terenie. Stalinowska próba modernizacji opornej rzeczywistości, Warszawa 2000; Wierzbicki, Marek: Związek Młodzieży Polskiej i jego członkowie. Studium z dziejów funkcjonowania stalinowskiej organizacji młodzieżowej, Warszawa 2006; Kosiński, Krzysztof: O nową mentalność. Życie codzienne w szkołach 1945–1956, Warszawa 2000. Vgl. ferner Jarosz: Masy pracujące, 87–209; Mählert, Ulrich: FDJ: 1946–1989, Erfurt 2001; Skyba, Peter: Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949–1961, Köln u. a. 2000 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 10).

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(Warschau), an dem auch zahlreiche FDJ-Vertreter teilnahmen.92 Für das Jahr 1956 hatte man einen devisenlosen Wandergruppenaustausch im Gesamtumfang von je 1.449 Teilnehmern vereinbart;93 hinzu kamen noch 35 FDGB-Urlauber und 200 Reisende, die vom „Deutschen Reisebüro“ (DER, ab 1964 „Reisebüro der DDR“) und „Orbis“ auf Basis der Gegenseitigkeit ausgetauscht wurden.94 Im Lauf des Jahres wurde zusätzlich die Visumspflicht für organisierte Besuchergruppen, zum Beispiel aufgrund von Betriebs- oder (Hoch)schulpartnerschaften, aufgehoben, so dass die Anzahl der Reisenden im polnisch-ostdeutschen „Sommer der Liebe“ sicherlich noch um einiges höher lag.95 Trotz der Einschränkungen im Reiseverkehr nach dem berühmten VIII. Plenum des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei im Oktober 1956, die einer faktischen Abschottung der DDR vom östlichen Nachbarn gleichkamen, berichtete die Botschaft der DDR in Warszawa (Warschau) noch im Dezember desselben Jahres, dass aufgrund des „großen Andrangs“ die Nachfrage nach Visa nicht befriedigt werden könne.96 Gleichzeitig wurde schon Ende September an eine erhebliche Ausweitung des Touristenverkehrs nach Polen gedacht – aus politischen Gründen und aufgrund der Nachfrage unter der Bevölkerung.97 Die Freude über die bis dahin gut verlaufende Zusammenarbeit, die „ein großer politischer Erfolg“ gewesen sei, so der Vorsitzende des KTW, verleitete die ostdeutsche Seite dazu, für 1957 eine enorme Ausweitung des Urlauberaustausches (7.000 Teilnehmer) anzuvisieren. Der stellvertretende Verkehrsminister Heinz Wenzel schlug in seinem Abschlussbericht für den Sommer 1956 zusätzlich vor, „unserer Bevölkerung, besonders den Touristen, die Möglichkeit zu geben, ohne große Formalitäten über das Wochenende die Volksrepublik Polen, besonders das Riesengebirge, zu besuchen“. Dabei musste auch er zugeben: „Bei einer derartigen Vereinbarung muß jedoch berücksichtigt werden, daß gerade im Gebiet des Zittauer Gebirges viele Menschen wohnen, die früher im Riesengebirge beheimatet waren und sich aus diesem Umstand gewisse politische Schwierigkeiten ergeben könnten.“98 Das Zittauer Gebirge, der west92 Krzywicki, Andrzej: Poststalinowski karnawał radości. V Światowy Festiwal Młodzieży i Studentów o Pokój i Przyjaźń, Warszawa 1955, Warszawa 2009. 93 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1828, 115–120. 94 Ebd., 203. 95 Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 22. 96 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1827, Brief des Botschafters der DDR in Warszawa (Warschau), Stefan Heymann, an den Leiter der HA I im MfAA, Änne Kundermann, vom 11. Dezember 1956, 68f.; Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 23f. 97 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1828, Vermerk über die erste Sitzung der Kommission für Touristik und Reisefragen vom 27. September 1956, 204f. 98 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1828, Bericht über den Touristenaustausch mit der Volksrepublik Polen im Sommer 1956 vom 30. September 1956, 163–166, abgedruckt in: Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 173–175.

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lichste Ausläufer der Sudeten und neue Heimat für viele Vertriebene aus Schlesien, war gleichzeitig als „gemeinsames Wander- und Touristikgebiet zwischen der DDR und der VRP“ im Gespräch.99 Bezeichnenderweise sprach dabei der Leiter der polnischen Abteilung im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA), Henry Bringmann, der zuvor Wenzels Bericht erhalten hatte, davon, an die Erweiterung des Touristenverkehrs „nicht vom finanziellen Standpunkt“ heranzugehen, „sondern vor allem vom politischen (Wochenendfahrten ins Riesengebirge und andere Gegenden, Einführung von mehreren Stufen der Bezahlung bei Touristenreisen)“. Ferner wurde in dem Protokoll vermerkt, dass die anvisierten 7.000 Touristen aus der DDR „sich nicht allein wie in diesem Jahr aus Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren zusammensetzen [würden], sondern auch aus älteren Menschen“.100 Noch bevor der Botschafter für eine Ausweitung des Reiseverkehrs zur Stärkung der ostdeutschen Präsenz in den von der deutschen Minderheit bewohnten Gebieten plädierte, wurde dieser Gedanke im Frühherbst 1956 explizit entwickelt. Noch 1955 hatten die Stellen in der DDR ein Angebot von „Orbis“ zur Einbeziehung des Riesengebirges in den Urlauberaustausch abgelehnt.101 Dass die polnischen Westgebiete nicht mehr tabu waren, lag wohl nicht nur an der fehlenden Infrastruktur für die Aufnahme einer solchen Anzahl ausländischer Touristen an anderen Orten, was polnische Stellen offen zugaben. Nach dem „polnischen Oktober“ wurden diese Überlegungen jedoch für fast fünf Jahre ad acta gelegt. Der Gedanke aber, die ostdeutsche Präsenz in Polen zu verstärken, sollte später Früchte tragen. 3.4. Wem gehört Gerhart Hauptmann? „In Verhandlungen mit den polnischen Behörden muss erreicht werden, dass Gedenkstätten an bedeutende kulturelle Persönlichkeiten, wie Joseph von Eichendorff, Gerhart Hauptmann, Wilhelm Wander u. a., wiederhergestellt bzw. mit einer Gedenktafel versehen werden“, schrieb im September 1957 der Botschafter der DDR, Joseph Hegen, an das MfAA in Ost-Berlin. „Man müsste noch feststellen, welche weiteren oben nicht genannten bekannten Kulturschaffenden in den polnischen Westgebieten gewirkt haben, damit durch eine entsprechende Würdigung unsererseits der Bundesrepublik die Möglichkeit der provokatorischen Ausnutzung

99 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1828, Vermerk über die erste Sitzung der Kommission für Touristik und Reisefragen vom 27. September 1956, 205. 100 Ebd. 101 BA, Reisebüro, DM 102/3317, Statistik und Einschätzung, II. Quartal 1962, Schreiben des Deutschen Reisebüros DER, Zentrale Leitung – Fremdenbetreuung, Abteilungsleiter Borath, an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Referat Polen, Bringmann, vom 29. September 1956, 206–209.

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genommen wird.“102 Dass sich ostdeutsche Diplomaten offiziell mit der Forderung nach Pflege des deutschen Kulturerbes in Westpolen an ihre Vorgesetzten wandten, war zwölf Jahre nach Beendigung des Krieges nicht selbstverständlich.103 Im Folgenden soll die deutsch-polnisch-deutsche Auseinandersetzung mit und um das regionale Kulturerbe im Riesengebirge exemplarisch anhand des Umgangs mit der Person des Schriftstellers Gerhart Hauptmann untersucht werden. Eine besondere Bedeutung kam dabei seinem früheren Haus „Wiesenstein“ in Jagniątków (Agnetendorf ) zu, das als Memento, Sehenswürdigkeit und gewissermaßen Verhandlungsmasse interpretiert werden kann und somit eine Art Kristallisationspunkt darstellte.104 „Die steile, kurvenreiche Straße führt von Sobieszów [Hermsdorf ] nach Jagniątków [Agnetendorf ]. Nur dreimal am Tag erscheint hier ein PKS-Bus [PKS: Staatliches Transportunternehmen, Anm. d. Verf.]. Sogar Fußgänger trifft man hier selten, obwohl die Häuser dicht nebeneinander stehen. Deshalb schaue ich mit Verwunderung auf den schnell vorbeifahrenden, kleinen grauen Lloyd. Auf dem Kennzeichen steht neben den Ziffern KB. Was macht in diesem von Gott und den Menschen verlassenen Ort ein Auto aus West-Berlin? Diese außergewöhnlichen Touristen konnten hier nur ein interessantes Objekt finden. Anscheinend haben noch nicht alle jenes Haus vergessen, das als ‚Wiesenstein‘ in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Das Haus errichtete und bewohnte in den Jahren 1901– 1946 Gerhart Hauptmann – ein deutscher Dichter, Romancier und Dramaturg, Nobelpreisträger und wiederholter Doktor honoris causa“, berichtete im Frühjahr 1957 ein polnischer Journalist. „Ich frage nach dem grauen Lloyd, der auf dem Weg an mir vorbeifuhr. Frau Maciejewska [die Leiterin des Kindererholungsheimes „Warszawianka“, das Anfang der fünfziger Jahre im Hauptmann-Haus eingerichtet wurde, Anm. d. Verf.] antwortete lebhaft: Ja, das waren deutsche Journalisten. Sie liefen herum, stellten Fragen, machten Fotos. In letzter Zeit kommen hier immer mehr Gäste, viele aus dem Ausland. Sie wollen wissen, was die Fresken in der Halle darstellen, welche Funktion die einzelnen Räume früher hatten. Sie fragen immerzu. Und wir können ihnen nichts sagen. Wir wissen nichts.“105

102 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 15156, 112–121, abgedruckt in: Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 451–457. 103 In demselben Schreiben machte Hegen den stellvertretenden Außenminister Otto Winzer auch auf das Schicksal deutscher Kunstschätze in Polen, unter anderem der ausgelagerten Bestände der Berliner Staatsbibliothek, aufmerksam und plädierte für eine Rückgabeforderung seitens der DDR. Ebd., 454f. 104 Hartwich, Mateusz J.: Czyj jest Gerhart Hauptmann? Przyczynek do dziejów niemieckopolsko-niemieckich zmagań z dziedzictwem karkonoskiego noblisty. In: Rocznik Jeleniogórski 40 (2008) 163–186. 105 Olszewski, Jan: Od Wiesensteinu do Warszawianki. In: Nowe Sygnały. Tygodnik społecznokulturalny, Nr. 21 vom 26. Mai 1957, 5, 7.

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Mit dem Hinweis auf die Attraktivität, die ein Hauptmann-Museum im „Wiesenstein“ auf (west)deutsche Besucher haben könnte, forderte ein polnischer Journalist – und sei es lediglich in einer regionalen Wochenzeitung aus der Tauwetterzeit, die bald darauf ihr Erscheinen einstellen musste – offen die Pflege des deutschen Kulturerbes.106 „Man muss sich beeilen. Schon heute kommen ausländische Gäste hierher und was passiert in ein paar Jahren oder gar Monaten, wenn unser touristischer Austausch mit dem Westen und besonders mit Deutschland [sic!] wächst? Das Hauptmann-Haus würde inländische wie auch ausländische Gäste anziehen und den Fremdenverkehr in Jagniątków [Agnetendorf ] sicherlich beleben.“107 Die in diesen Worten ausgedrückte Hoffnung auf eine Belebung des Tourismus und die damit verbundene Entwicklung der Region, insbesondere jenseits der FWP-Zentren, gehörte zu den charakteristischen Erscheinungen jener Zeit, ebenso wie eine pragmatische Herangehensweise an den Touristenverkehr aus Deutschland. Nirgends sonst kommt diese Problemlage so explizit zum Ausdruck wie im angeführten Zitat. Der ‚Erinnerungsort‘ Gerhart Hauptmann erlaubt somit einen Einblick in eine Auseinandersetzung, die komplexe gesellschaftliche Prozesse in der Region unter Berücksichtigung transnationaler Aspekte widerspiegelt. Das Ringen um das materielle und geistige Erbe Gerhart Hauptmanns hatte allerdings viel früher begonnen. Noch zu seinen Lebzeiten wurde von Seiten der Kulturfunktionäre der Sowjetischen Besatzungszone, vor allem Johannes R. Becher, der Versuch unternommen, das positive Erbe des Nobelpreisträgers im Sinn einer fortschrittlichen deutschen Kultur für das entstehende ‚demokratische Deutschland‘ zu beanspruchen.108 Hauptmann-Freunde in den westlichen Zonen versuchten demgegenüber, den Schriftsteller als bedeutenden Künstler und großen Schlesier im Kulturleben der entstehenden Bundesrepublik zu positionieren.109 106 Interessanterweise wurde ein Jan Olszewski kurze Zeit später zum Vorsitzenden des Komitees der Nationalen Einheitsfront (Komitet Frontu Jedności Narodu) auf Kreisebene gewählt. Margas, Czesław: Kronika roku 1957. In: Rocznik Jeleniogórski 13 (1975) 92–101, hier 92. Falls es sich in beiden Fällen um dieselbe Person handelte, spricht diese Tatsache für ein interessantes Ineinandergehen von politischem Engagement und Regionalbewusstsein, was in jenen Jahren charakteristisch für die Gegend erscheint. Nach Janusz Skowroński handelt es sich allerdings um den späteren Rechtsanwalt Jan Olszewski, der von 1991 bis 1992 polnischer Ministerpräsident war. 107 Olszewski: Od Wiesensteinu, 7. 108 Becher, Johannes R.: Versunkene Glocke. In: Tägliche Rundschau, Nr. 128 vom 11. Oktober 1945, 1–2. 109 Dazu gehörten neben den Hauptmann-Freunden und Biographen Felix A. Voigt und Carl F. W. Behl auch Thomas Mann und Gerhart Pohl. Zur Rolle Hauptmanns als „Heimat-Dichter“ im Milieu der Vertriebenen vgl. Schmitz, Walter: „Ob wir aus Böhmen kamen, weiß ich nicht...“. Gerhart Hauptmann und die Rolle eines Dichters der schlesischen Heimat. Mit dem bislang unveröffentlichten Briefwechsel von August Scholtis und Gerhart Hauptmann. In: Joachimsthaler, Jürgen/Schmitz, Walter (Hg.): Verhandlungen der Identität. Literatur und Kultur in Schlesien seit 1945, Dresden 2004 (Silesica 4), 3–38.

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Eine bedeutende Rolle spielte dabei der Schriftsteller und Hauptmann-Vertraute der letzten Lebensjahre Gerhart Pohl.110 Er hatte in seinen frühen Jahren das linksgerichtete Literaturmagazin „Die neue Bücherschau“ in Berlin geleitet und von den Nationalsozialisten vorübergehend Publikationsverbot erhalten. Im Riesengebirge, wohin er aus familiären Gründen in den späten dreißiger Jahren seinen Wohnsitz verlegt hatte, war er mit Gerhart Hauptmanns ‚Hofgesellschaft‘ in Berührung gekommen. Im Sommer 1946 gelangte Pohl mit dem „Sonderzug“ mit Hauptmanns Leichnam und Hausbesitz nach Berlin,111 wo er sich in der Kulturpolitik engagierte, unter anderem als Mitglied der Redaktion des „Aufbau“, aus dem später einer der renommiertesten Verlage der DDR unter Leitung Johannes R. Bechers hervorgehen sollte.112 Pohl war maßgeblich an der Herausgabe des Bandes „Neue Gedichte“ im Herbst 1945 bei „Aufbau“ beteiligt, der letzten Publikation zu Lebzeiten des Nobelpreisträgers, und verfasste auch das Nachwort „Gerhart Hauptmanns unvergängliches Vermächtnis“. Von Berlin-Zehlendorf aus setzte sich Pohl zunächst für eine Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland ein und versuchte, trotz negativer Erfahrungen aus der Zeit vom Frühjahr 1945 bis Sommer 1946 mit dem ‚neuen Polen‘ Kontakte zu knüpfen: Er war unter anderem deutscher Delegat beim „Internationalen Kongress der Intellektuellen zum Schutz des Friedens“ in Wrocław (Breslau) im Sommer 1948. Nachdem die deutsch-deutschen Spannungen zugenommen hatten und Pohl aufgrund seines Eintritts in die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung“ in der ostdeutschen Presse scharf angegriffen worden war, ging er in den Westen, wo er sich bis zu seinem Tod 1966 vor allem als Hauptmanns ‚Gralshüter‘ betätigte.113 Er verfasste den breit rezipierten „Bericht über Gerhart Hauptmanns letzte Tage“, der 1953 zuerst beim Berliner Lettner-Verlag veröffentlicht und einige Male neu aufgelegt wurde.114 Der Erfolg in der Bundesrepublik, 110 Reuter, Wolfgang: Lebenslanges Knappentum. Gerhart Hauptmann und Gerhart Pohl (1902–1966). In: Hildebrandt, Klaus/Kuczyński, Krzysztof A. (Hg.): Weggefährten Gerhart Hauptmanns. Förderer – Biographen – Interpreten, Würzburg 2002, 211–229. 111 Kuczyński, Krzysztof A./Stando, Robert: Tropem dolnośląskich raportów. Raz jeszcze o tzw. „Hauptmann-Transport“ w świetle nowych dokumentów. In: Białek, Edward/Kuczyński, Krzysztof A./Lipiński, Cezary (Hg.): Śladami wielkiego dziedzictwa. O pisarstwie Carla i Gerharta Hauptmannów, Wrocław 2001 (Orbis linguarum. Beihefte 11), 143–160. Robert Stando war an der Entstehung des polnisch-ostdeutschen Dokumentarfilms „HauptmannTransport“ beteiligt, den der bekannte Regisseur Mathias J. Blochwitz im Auftrag der Filmproduktion der Nationalen Volksarmee (NVA) 1988 realisierte. 112 Wurm, Carsten: Jeden Tag ein Buch. 50 Jahre Aufbau-Verlag, Berlin 1995; ders.: Der frühe Aufbau-Verlag 1945–1961. Konzepte und Kontroversen, Wiesbaden 1996 (Veröffentlichungen des Leipziger Arbeitskreises zur Geschichte des Buchwesens. Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte 8). 113 [N. N.]: „Pohl“itisches. In: National-Zeitung vom 15. Juni 1950. 114 Pohl, Gerhart: „Bin ich noch in meinem Haus?“ Die letzten Tage Gerhart Hauptmanns, Herne 62006 [Berlin 11953]. Vgl. Kuczyński, Krzysztof A.: Dichtung und Wahrheit in „Bin

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Abb. 9: Das Innere der früheren Gerhart-Hauptmann-Villa „Wiesenstein“ in Jagniątków (Agnetendorf) Mitte der achtziger Jahre. Zu dieser Zeit diente sie als staatliches Kindererholungsheim. Aufgrund des Besucherinteresses wurden eine Ausstellung eingerichtet und eine Büste des Nobelpreisträgers aufgestellt.

vor allem im Vertriebenenmilieu, schloss andererseits den Brückenbau nach Osten endgültig aus. Pohl und sein Buch waren Gegenstand scharfer Attacken in Ostdeutschland und Polen.115 Schon kurz nach seinem Seitenwechsel veröffentlichte Gerhart Pohl unter einem Pseudonym eine „Bilanz von 6 Jahren“ polnischer Herrschaft jenseits von Oder und Neiße, in der er der Riesengebirgsregion bescheinigte, sie mache „einen östlichen, aber nicht verwahrlosten Eindruck“. Zum Hauptmann-Haus heißt es: „Gerhart Hauptmanns ‚Wiesenstein‘ in Agnetendorf hat bis 1950 leer gestanden.

ich noch in meinem Haus?“ von Gerhart Pohl. In: Białek, Edward/Buczek, Robert/Zimniak, Paweł (Hg.): Eine Provinz in der Literatur. Schlesien zwischen Wirklichkeit und Imagination, Wrocław/Zielona Góra 2005, 109–116. Eine englischsprachige Ausgabe von Pohls Werk erschien unter dem Titel: A Report on the German Dramatist’s Last Days in his Occupied Homeland. Gerhart Hauptmann and Silesia, Grand Forks 1962. Eine polnische Übersetzung mit einem Nachwort des Laubaner Journalisten Janusz Skowroński erschien 2009. 115 So bezeichnete Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 83, das Buch als „zutiefst unehrlich“ („głęboko nieuczciwa“) und Pohl als „Nazifreund“ („prohitlerowski“).

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Jetzt soll er bewohnt sein.“116 Bei Charles Wassermann lautete die entsprechende Passage: „Nach einigem Herumfragen [...] fanden wir schließlich die GerhartHauptmann-Villa. Sie steht unversehrt in einem kleinen Hain. Der Garten ist zwar völlig verwildert, aber das Haus selbst ist in ausgezeichnetem Zustand.“117 Nach dem damaligen Stand (Sommer 1957) wurde das Kindererholungsheim gerade eingerichtet. Auch bei Wassermann reagierten die unterwegs angetroffenen Einheimischen auf den Namen Hauptmann mit Achselzucken.118 So mochten die Besuche westlicher Journalisten und das starke Interesse der DDR an einer Vereinnahmung des ideellen Hauptmann-Erbes – und auch des materiellen in Gestalt seines Nachlasses – zur Neubewertung des „Wiesensteins“ als lokalen ‚Erinnerungsort‘ beigetragen haben.119 Das Haus, das zuerst als Alterssitz des Dichters Jan Kasprowicz gedacht war und später der „Gesellschaft für PolnischSowjetische Freundschaft“ (Towarzystwo Przyjaźni Polsko-Radzieckiej, TPPR) übergeben wurde, war recht früh als Kindererholungsheim „Warszawianka“ im Gespräch.120 Aufgrund des internationalen Interesses waren die Verantwortlichen vor Ort mit dem Problem einer Würdigung des streitbaren Dichters konfrontiert und ließen etwa 1962 aus Anlass des hundertsten Geburtstags des Schriftstellers eine Erinnerungstafel anbringen. Die (polnische) Inschrift lautete: „Hier lebte und schuf im Schatten des Riesengebirges Gerhart Hauptmann, ein fortschrittlicher Schriftsteller deutscher Nation, Nobelpreisträger, 1862–1946.“ Eine entsprechende Tafel in Deutsch wurde vermutlich viel später angebracht. Beide Gedenktafeln sind heute an der Rückwand des Städtischen Museums „Gerhart Hauptmann-Haus“ zu sehen. Am 12. September 1962 wurden in Jagniątków (Agnetendorf ) und in Hauptmanns Geburtsort Szczawno-Zdrój (Bad Salzbrunn) Gedenkfeierlichkeiten veranstaltet.121 An diesem Tag fand im „Wiesenstein“ sogar eine polnisch-ostdeutsche Veranstaltung im Beisein des Leipziger Theaterexperten und Literaturwissenschaftlers Rolf Rohmer statt, der für den „Aufbau“ an einer Biographie des Dichters ar116 Silesius alter [Pohl, Gerhart]: Jenseits von Oder und Neiße. Eine Bilanz von 6 Jahren, Bonn 1952 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland), 38. Bei dieser Aussage berief er sich auf einen Brief eines Deutschen vom Herbst 1951. 117 Wassermann: Unter polnischer Verwaltung, 256. 118 Ebd. 119 Hartwich: Czyj jest Gerhart Hauptmann?, 175. 120 Skowroński, Janusz: Wiesenstein – Warszawianka – Muzeum Miejskie (1). Losy domu Gerharta Hauptmanna po roku 1945. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 4/5 (2007) 14–20, hier 15, datiert das Ereignis auf das Jahr 1952. 121 (mj): W setną rocznicę urodzin Gerharta Hauptmanna. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 38 vom 20. September 1962, 2; Margas, Czesław: Kronika roku 1962. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 122–137, hier 134; Drewniak, Bogusław: Jubileusz Gerharta Hauptmanna. In: Honsza, Norbert/Kuczyński, Krzysztof A./Stroka, Anna (Hg.): Gerhart Hauptmann w krytyce polskiej 1945–1990, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1328; Germanica Wratislaviensia 94), 121–133.

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beitete und schon im Jahr zuvor Jagniątków (Agnetendorf ) besucht hatte. Seine Einladung ging vermutlich auf Kontakte mit dem Literaturkritiker, Publizisten und späteren Sejm-Abgeordneten Wilhelm Szewczyk (1916–1991) zurück, der ebenfalls auf der Veranstaltung sprach.122 Szewczyk hatte schon frühzeitig in polnischen Medien (unter anderem in der von ihm gegründeten „Odra“) über Hauptmann publiziert und betreute eine Serie von Übersetzungen der Hauptmannschen Dramen; er selbst übersetzte „Die Weber“ neu ins Polnische.123 Im Rückblick auf die Hauptmann-Feiern 1962 schrieb ein Publizist einige Jahre später: „als der hundertste Jahrestag seiner Geburt gefeiert wurde, in Jagniątków, dem früheren Agnetendorf [sic!], bereiteten die polnischen Hausherren eine Feier zum hundertsten Geburtstag des großen Dramaturgen vor. Dies war Ausdruck eines besonderen Respekts, den die Welt, darunter auch Polen, dem fortschrittlichen Schaffen Gerhart Hauptmanns zollt.“124 Bereits 1954 führte Wilhelm Szewczyk aus: „Hauptmann wurde hier, in Niederschlesien, geboren, lebte und schuf hier. In diesem Sinn wurde der fortschrittliche Teil seines literarischen Erbes in gewissem Grad auch zu unserem Eigentum, als Hausherren dieses Gebietes.“125 Mit den großen Feierlichkeiten zum hundertsten Geburtstag Gerhart Hauptmanns in der DDR und der Bundesrepublik 1962 und mit dem Erscheinen der elfbändigen „Centenar-Ausgabe“ von Hauptmanns sämtlichen Werken (Propyläen-Verlag Berlin, 1962–1974) erreichte der Hauptmann-Kult und somit die innerdeutsche Auseinandersetzung um das Erbe des Schriftstellers ihren Höhe- und Endpunkt. Spätestens nach dem Erwerb des Hauptmann-Erbes durch die WestBerliner Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz im Jahr 1968 konnten auch ostdeutsche Forscher den Nachlass zu Wissenschaftszwecken nutzen und der literaturwissenschaftliche Diskurs versachlichte sich spürbar.126 Kritische Anmerkungen zu Hauptmanns Haltung im Nationalsozialismus, die in der Frühzeit durch Bechers Diktum vom „beredten Schweigen“ und Pohls Glättungsversuchen übertönt worden waren, fanden Bestätigung in der Auseinandersetzung mit seinen unveröffentlichten Dokumenten. Seit Anfang der sechziger Jahre begannen auch polnische Literaturwissenschaftler, intensiver über dieses Thema zu forschen, nicht zuletzt 122 Gespräch mit Rolf Rohmer, 29. Oktober 2008. 123 Kuczyński, Krzysztof A.: Życie i twórczość Gerharta Hauptmanna w badaniach Wilhelma Szewczyka. In: Szewczyk, Grażyna Barbara (Hg.): Gerhart Hauptmann. W sześćdziesiątą rocznicę śmierci, Katowice 2006 (Prace naukowe Uniwersytetu Śląskiego w Katowicach 2479), 133–142. Wilhelm Szewczyk hatte bis zuletzt an Artikeln über Hauptmann gearbeitet. In seinem Nachlass wurden größere Fragmente einer vermutlich seit den sechziger Jahren vorbereiteten Biographie des Nobelpreisträgers entdeckt. 124 Drewniak: Jubileusz, 133. 125 Szewczyk, Wilhelm: Dramaturgia niemiecka. Szkice literackie, Warszawa 1954, 73f. 126 Sehr aufschlussreich sind dazu die Materialien, die im „Aufbau-Archiv“ (heute in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz) aufbewahrt werden. Ausführliche Zitate sind zu finden bei Hartwich: Czyj jest Gerhart Hauptmann?

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auf Grundlage der Briefe Hauptmanns in der Autographensammlung der Universitätsbibliothek Wrocław (Breslau) und im Austausch mit ostdeutschen Kollegen. Westdeutsche Forscher und Publizisten hatten zwar bis Ende der sechziger Jahre kaum die Möglichkeit, das Haus „Wiesenstein“ zu besuchen, waren aber durch Publikationen, Konferenzen und Schriftverkehr an diesem Kommunikationsprozess beteiligt.127 Es ist schwierig festzustellen, inwieweit die einheimische Bevölkerung mit Ausnahme einiger Kulturfunktionäre oder Verwaltungsvertreter von der Debatte über Hauptmann Notiz nahm. Die periphere Lage des „Wiesensteins“ ist bis heute ein Grund für die marginale Wahrnehmung dieses Ortes. Allerdings konnte es nach dem Ende der fünfziger Jahre keine Rückkehr zum status quo ante geben. Das Interesse der deutschen Öffentlichkeit am Schicksal des Hauptmann-Hauses, die wiederholten Besuche ausländischer Gäste – und sei es nur vereinzelter Journalisten oder Offizieller – und ein begrenztes Engagement örtlicher Eliten erzwangen eine Auseinandersetzung mit dem Überlieferten. Obwohl der Ort bis in die neunziger Jahre hinein nicht die Funktion einer Kulturinstitution hatte – und auch solche Ideen hatte es nach Informationen Janusz Skowrońskis schon früher gegeben –, wurde er auf anderem Weg popularisiert. Das regionale Wochenblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ lud beispielsweise im Oktober 1963 im Rahmen der Aktion „Herbstwanderungen“ nach Jagniątków (Agnetendorf ) ein und erwähnte das „Wiesenstein“ als Sehenswürdigkeit.128 Und 1969 erschien der Bildband-Reiseführer „W Karkonoszach“ mit einem Begleittext des Bergführers Tadeusz Steć und Fotografien von Stefan Arczyński. Neben der Aufnahme der „Paradieshalle“ in der Hauptmann-Villa fand sich nicht zufällig die Erinnerungstafel an den polnischen Komponisten Ludomir Różycki in Zachełmie (Saalberg), wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hatte – einer recht prominenten Würdigung des deutschen Erbes wollte man damit polnische Kulturleistungen gegenüberstellen. Nichtsdestoweniger wurde das „Wiesenstein“ und somit Gerhart Hauptmann von einem Fremdkörper zu einem vorsichtig angeeigneten Kulturerbe.

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Die außergewöhnliche Mobilisierung gesellschaftlicher Kräfte in Jelenia Góra (Hirschberg) wurde zwar von Zeitgenossen aufmerksam registriert,129 das Wissen darüber geht aber mittlerweile kaum über informierte Kreise in der Region hinaus.130 In unserem Kontext stellen die lokalen Reformbestrebungen einen zentralen 127 128 129 130

Ebd., 181. (mj): Jedziemy do Jagniątkowa. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 40 vom 3. Oktober 1963, 7. Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 147–154. Kwaśny (Hg.): Jelenia Góra; Ruchniewicz, Krzysztof: Die Riesengebirgsregion nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Die imposante Landschaft, 29–36; Łaborewicz, Ivo: Integracja

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Aspekt der Untersuchung dar. In der Argumentation der lokalen Akteure lassen sich Ansätze eines social empowerment und einer selektiven Bezugnahme auf historische Phänomene erkennen, die insgesamt die Herausbildung eines regionalen Selbstbewusstseins nahe legen. Die konstituierenden Faktoren und die systemischen Grenzen dieser Erscheinung sollen hier analysiert werden. 4.1. Reformbestrebungen von unten: „Hirschberger Thesen“ (Tezy Jeleniogórskie) Die Verkündung der „Hirschberger Thesen“ (Tezy Jeleniogórskie, vollständige Bezeichnung: „Thesen mit Grundannahmen zur Reorganisation der Verwaltung und Wirtschaft in der Stadt und im Kreis Hirschberg“, Tezy wstępnych założeń reorganizacji administracji i gospodarki miasta i powiatu Jelenia Góra) im Mai 1958 galt als wichtigstes Zeugnis regionaler Reformbestrebungen.131 In dem Dokument wurde eingangs auf die „besonderen Verhältnisse der Region von Jelenia Góra [Hirschberg], ihre Unterschiede gegenüber den restlichen Westgebieten, die bisher bei der Bewirtschaftung dieses Gebiets nicht in vollem Umfang berücksichtigt wurden,“ eingegangen und in 117 Thesen, die – wie Stanisław Firszt schreibt – teils kühn, teils innovativ, teils futuristisch und teils utopisch waren, wurden Forderungen im Bereich der Verwaltung, Wirtschaftspolitik, des Wohnungsbaus oder Kulturlebens nebst Begründung aufgestellt. Charakteristisch war neben dem idealistischen Charakter, der sich vor allem im Rückblick offenbart, der relativ naive Glaube an die schöpferische Kraft politischer Entscheidungen, etwa als die Verlagerung von Kompetenzen auf die Kreisebene oder Veränderungen in einzelnen Betrieben in einer recht detaillierten Aufstellung gefordert wurden. Insgesamt drückte das Dokument aber die Zuversicht aus, in einer sich gewandelten Situation die Zukunft der Region selbst in die Hand nehmen und zum Wohl der Allgemeinheit gestalten zu wollen. Im Jahr 1958 war dies keine Selbstverständlichkeit! Der Verabschiedung der „Thesen“ durch das Kreiskomitee der PZPR und das Präsidium des Kreisnationalrates (Prezydium Powiatowej Rady Narodowej, PPRN) im Mai 1958 ging eine verstärkte Diskussion innerhalb der intellektuellen und ludności Kotliny Jeleniogórskiej na przykładzie Towarzystwa Klubów Robotniczych i Chłopskich. In: Nowosielska-Sobel, Joanna/Strauchold, Grzegorz (Hg.): Dolnoślązacy? Kształtowanie tożsamości mieszkańców Dolnego Śląska po II wojnie światowej, Wrocław 2007 (Spotkania Dolnośląskie 2), 45–59; Wagner, Kazimierz/Jonek, Henryk: Jeleniogórskie Towarzystwo Klubów Robotniczych i Chłopskich. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 17–38. 131 APW, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich 34, Tätigkeitsberichte der Kreisausschüsse in Góra (Guhrau), Jawor (Jauer) und Jelenia Góra (Hirschberg) 1961–1965, Broschüre „Tezy jeleniogórskie 1958 r. – Realizacja i osiągnięcia“. Das Originaldokument – im Folgenden als „Tezy jeleniogórskie“ bezeichnet – ist unter http://www.karkonosze.eu/tezy/tjzw.doc abrufbar. Vgl. ferner Firszt, Stanisław: Jak narodziła się myśl opracowania Tez Karkonoskich, http://www.karkonosze.eu/tezy/tdrk.doc [Zugriff am 28.12.2007].

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politischen Elite der Region voraus, die nicht minder wichtig war. Die Anfänge der Debatte lassen sich schwer datieren: So soll bereits im März 1957 ein aus Vertretern des FWP und der örtlichen Nationalräte zusammengesetzter Ausschuss einberufen worden sein, der die Situation der touristischen Infrastruktur im Riesengebirge untersuchen sollte.132 In einer zeitgenössischen Publikation schrieb der Aktivist Kazimierz Wagner, die Frage sei während einer Diskussion zwischen Verwaltungsvertretern und der Bevölkerung Ende 1957 aufgekommen.133 Und die Autorin der 1967 erschienenen Regionalmonographie, Elżbieta Drewieńska, führte die Aktivierung der Bevölkerung auf den politischen Umbruch von 1956/57 zurück, insbesondere die Sejm-Wahlen vom Januar 1957, die in der Tat für viele – wenn auch von kurzer Dauer – ein Ansporn zur Partizipation waren.134 Ohne eine eindeutige Aussage über den Hintergrund der Reformdiskussion treffen zu wollen, deuten die Quellen und die aktuelle Forschungslage in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Akteur hin: die „Gesellschaft zur Entwicklung der Westgebiete“ (Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, TRZZ)135. Die TRZZ war nach heutigen Begriffen eine nichtstaatliche Organisation (NGO), die jedoch in einem totalitären Staat existierte und sich somit der Kontrolle durch Partei (PZPR) und Staat nicht nur nicht entzog, sondern ihre Aktivisten zu einem beträchtlichen Teil aus der Nomenklatura unterschiedlicher staatlicher und Parteiebenen rekrutierte. An der Gründung der Gesellschaft, die sich als Fortführung des Polnischen Westverbandes (PZZ) und des „Westgedankens“ verstand, waren im Dezember 1956 auch Vertreter des früheren Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete, Journalisten (die eine besondere „Westpresseagentur“, Zachodnia Agencja Prasowa, reaktivierten) und Abgeordnete aus den Westgebieten beteiligt.136 Deren Einsatz führte im März 1957 zur Gründung eines speziellen Sejm-Ausschusses für die Belange der West- und Nordgebiete, der sich unter anderem der Förderung des Fremdenverkehrs und der Oderschifffahrt verschrieb.137 Der Fokus der TRZZ verschob sich recht bald hin zur „Abwehr des deutschen Einflusses“ in Polen: zur Bekämpfung „revisionistischer Propaganda“, Betonung 132 Margas: Kronika roku 1957, 101. 133 Wagner, Kazimierz: Niektóre sprawy turystyki jeleniogórskiej. In: Rocznik Wrocławski 3/4 (1959/60) 393–408, hier 393. 134 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 149. Zu den Sejmwahlen vgl. Kochanowski/Ziemer (Hg.): Polska – Niemcy Wschodnie, Bd. 3, 35f.; Machcewicz, Paweł (Bearb.): Kampania wyborcza i wybory do Sejmu 20 stycznia 1957 r., Warszawa 2000. 135 Strauchold: Myśl zachodnia, 408–433; Zaćmiński, Andrzej: Działalność zagraniczna Towarzystwa Rozwoju Ziem Zachodnich w latach 1957–1970, Bydgoszcz 1995; Makowski: Ziemie Zachodnie i Północne, 78; Thum: Die fremde Stadt, 295. 136 Zaćmiński: Działalność zagraniczna, 23. 137 Ebd.; Thum: Die fremde Stadt, 295. Zur touristischen Problematik in der Arbeit des Sonderausschusses des Sejms vgl. das Schreiben des Vorsitzenden des KdST, Zbigniew Kulczycki, an den Abgeordneten Stanisław Zieliński vom 11. Juni 1958 (AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Dokument 6).

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der Unveränderlichkeit der Westgrenze138 sowie zur Arbeit an der „vollständigen Integration“ der Westgebiete und deren Bevölkerung in das Gesamtgebilde der Volksrepublik. Um der Atmosphäre der Vorläufigkeit entgegenzuwirken, behalf man sich manchmal durch die Erfindung regionaler Traditionen, um den Einwohnern eine kulturelle Verankerung in der neuen Heimat zu geben.139 Dieser Aspekt erforderte im Umkehrschluss eine Hinwendung zur Regionalgeschichte und ein Ernstnehmen regionaler Eigenschaften im vorgegebenen politischen Rahmen. Obwohl die ideologischen Vorgaben durchaus an „Legitimationswissenschaft“ denken lassen, entstand dank dieser Regionalforschung ein Fundus an Wissen, der weiterhin stimulierend ist.140 Bei der Frage, inwieweit die Reaktivierung des „Westmilieus“ in Polen eine Reaktion auf auswärtige, sprich: westdeutsche, Aktivitäten war, gehen die Meinungen der Historiker auseinander.141 Die Medienberichte in beiden Teilen Deutschlands und der einsetzende Reiseverkehr waren zweifelsohne zentrale Faktoren für die ‚Wiederentdeckung‘ der Westgebiete durch die polnische Öffentlichkeit.142 Doch selbst in der Funktion eines antideutschen Propagandainstruments erfüllte die TRZZ die Rolle eines Mittlers: Die Abwehr westdeutscher Einflüsse erforderte die Zusammenarbeit mit entsprechenden ostdeutschen Stellen, die Kenntnis ‚feindlicher‘ Publikationen und eine Polemik mit diesen.143 138 In der Satzung der TRZZ wurde dieser Aspekt geschickt mit der Frage nach einem dauerhaften Frieden in Europa verbunden und später von der offiziellen Propaganda der Volksrepublik übernommen. Zaćmiński: Działalność zagraniczna, 37. 139 Strauchold: Myśl zachodnia, 408f. 140 Dröge, Kurt: Kulturwissenschaft im polnischen Pommern: ein Perspektivenwechsel? In: Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten – Polens Westen. Vergleichende Studien zur geschichtlichen Landeskunde, Frankfurt a. M. u. a. 2001 (Mitteleuropa – Osteuropa 2), 237– 252. 141 Während Zaćmiński: Działalność zagraniczna, 25, diese Faktoren zumindest in der Anfangsphase der TRZZ für sekundär hält, bezeichnet Strauchold: Myśl zachodnia, 427, das „Interesse westdeutscher Forschungsinstitutionen an den polnischen Westgebieten“ als einen der Gründe für ihre Entstehung. 142 Als Beispiel seien genannt: Aurich, Peter: Jenseits des Stromes. Die deutschen Ostgebiete im westdeutschen Rundfunkprogramm (1956–1960), Leer (Ostfriesland) 21961; Blank, Ulrich (Bearb.): Wo heute fremde Wegweiser stehen. Die deutschen Ostgebiete im Spiegel der westdeutschen Presse (1959–1962), Leer (Ostfriesland) 1962; Nasarski, Peter (Bearb.): Nachbarn im Osten. Wandlungen und Erkenntnisse in zwei Nachkriegsjahrzehnten, Leer (Ostfriesland) 1965. 143 Von großem Interesse sind in diesem Zusammenhang einige zeitgenössische Dokumente wie zum Beispiel „Aufgaben im Bereich antirevisionistischer Propaganda – dem Gefühl der Vorläufigkeit in der niederschlesischen Gesellschaft [sic!] entgegenwirken“ vom 5. Februar 1958 (APW, Komitet Wojewódzki PZPR we Wrocławiu, 74/VII/87, Informationen der Propagandaabteilung zur sozial-politischen Situation in der Wojewodschaft Wrocław (Breslau) 1957– 1973, 18–32). Überaus aufschlussreich ist auch der Bericht vom Besuch des Chefredakteurs der in der DDR herausgegebenen Zeitschrift „Das Hochschulwesen“, Kurt Willimczik, in Wrocław (Breslau), Szklarska Poręba (Schreiberhau), Karpacz (Krummhübel) und – mit Be-

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In Jelenia Góra (Hirschberg) entstand eine TRZZ-Organisation formell im Dezember 1957. Bereits im Herbst desselben Jahres hatte sich eine Initiative zur Feier des 850. Jahrestags der Stadtgründung formiert, die zu einem großen Aushängeschild der Region werden sollte.144 Und etwa zur selben Zeit wurde der umweltschädliche Einfluss des riesigen Zellwollewerks „Celwiskoza“ öffentlich kritisiert.145 Während einer Diskussion im Kreisnationalrat im April 1958 referierte der stellvertretende Vorsitzende des PPRN, Dominik Ciereszko: „Die ungenügende Einschätzung der Frage von Fremdenverkehr und Ferienwesen führte dazu, dass ein ‚genialer‘ Aktivist den Bau von Celwiskoza eben zwischen Jelenia Góra [Hirschberg] und Cieplice [Warmbrunn] entwarf, in Folge dessen nahezu das ganze Hirschberger Tal mit schrecklichen Ausdünsten verpestet wird, und die Bevölkerung nennt die Bahnstation am Werk sarkastisch ‚Wiskoza-Zdrój‘ [etwa: Bad Wiskoza].“146 In der Konsequenz verweigerte die Stadtverwaltung noch im selben Jahr dem Schwerindustrieministerium die Errichtung einer neuen Fabrik in der Gegend.147 Bis zur endgültigen Schließung des Luftverpesters sollte es allerdings noch Jahrzehnte dauern. Das Zitat brachte ferner die gesteigerte Aufmerksamkeit für den Fremdenverkehr zum Ausdruck. In den „Thesen“ war etwa von „Perspektiven einer großartigen Entwicklung des Kessels von Jelenia Góra [Hirschberg] als großes Ferienzentrum, Tourismus- und Wintersportgebiet“ die Rede.148 „Nach 12 Jahren polnischer Herrschaft müssen wir mit Bedauern feststellen, dass in vielen Bereichen der Touristik, des Ferien- und Kurwesens nicht nur kein Fortschritt stattfand, sondern ein gravierender Rückschritt zu beobachten ist“, führte Ciereszko in der Sitzung des PRN aus. „In all den Jahren wurde diese Frage konsequent beschwiegen und unsere Postulate begegneten einer Mauer der Gleichgültigkeit und Verachtung. [...] Leider will kaum jemand verstehen, dass eine richtig begriffene wirtschaftliche Belebung unserer Region

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such des Hauptmann-Hauses – Jagniątków (Agnetendorf ) im Mai 1961 (APW, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich 90, Ausschuss für deutsche Fragen – Aufenthalt deutscher Delegationen in Polen, 45–49). Łaborewicz, Ivo: Wybrane uroczystości państwowe i lokalne w Kotlinie Jeleniogórskiej w latach 1945–1958. In: Nowosielska-Sobel, Joanna/Strauchold, Grzegorz (Hg.): Piastowskokomunistyczna satysfakcja? Obchody rocznic historycznych i świąt państwowych na Śląsku po II wojnie światowej, Wrocław 2008 (Spotkania Dolnośląskie 3), 65–80; TEJO [Przezdzięk, Konrad]: Feta sprzed pół wieku. In: Jelonka.com vom 25. Dezember 2008, http://www.jelonka.com/news,single,init,article,18809 [Zugriff am 9.1.2009]. Kwaśny: Jelenia Góra, 267. APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze 22, Protokolle der PRNSitzungen, Bd. 1–3, 1958, Protokoll der ordentlichen Sitzung am 15. April 1958, 30–40, hier Punkt 10: Referat des PRN-Präsidiums zum Thema „Die Entwicklung des Kur- und Ferienwesens und des Tourismus im Kreis Jelenia Góra [Hirschberg] mit Berücksichtigung der Touristik“, 87–102. Jarmolukowa: 40 lat miasta. Tezy jeleniogórskie.

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der Entwicklung des Fremdenverkehrs, des Ferien- und Kurwesens gleichkommt. Unser Landkreis ist von Natur aus dazu prädestiniert, solche Dienstleistungen anzubieten, und muss sich in diese Richtung entwickeln und in keine andere.“149 Um Aufmerksamkeit bei übergeordneten Stellen zu wecken, bediente man sich gerne historischer Argumente. In einer Notiz für das staatliche Tourismuskomitee hieß es etwa: „Um die Infrastruktur der Kurorte und Sommerfrischen in einigermaßen akzeptablem Zustand wiederherzustellen, ganz zu schweigen von ihrem ausgezeichneten Zustand von früher, muss ein ernstes Reformprogramm durchgeführt werden.“ Und: „Veränderungen muss auch die bisherige, ungenügende touristische Bebauung der Sudeten unterliegen, die deren Attraktivität sehr verringert und zu großer Wertminderung der Infrastruktur beigetragen hat.“150 Die Autoren der Notiz widersprachen zwar in gleichem Atemzug westdeutschen Vorwürfen, die Ferienorte Niederschlesiens seien menschenleer, im Allgemeinen wurde jedoch die Kritik am Zustand der Infrastruktur, auch der kommunalen, als berechtigt empfunden.151 Die polnischen Reformdiskussionen der Jahre 1956–1958 zielten auf eine Liberalisierung des Systems in vielen Bereichen und weckten in der Riesengebirgsregion die Hoffnung auf umfassende Umgestaltung der Verhältnisse. Lokale Eliten bezogen sich in ihrer Argumentation auf das überlieferte materielle Erbe, regionale Spezifika und die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Belebung der Region und nutzten geschickt die ‚revisionistische‘ Rhetorik aus Westdeutschland für ihre Zwecke. Die Diskussion ging nachweislich über einen begrenzten Kreis politischer Funktionäre hinaus und wurde zudem durch die Verabschiedung einer ehrgeizigen Zukunftsagenda institutionalisiert. Jener Neuaufbruch und seine Folgen für das Selbstbewusstsein der Region waren die Grundlage einer zweiten Aneignung des Riesengebirges.

149 APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze, Protokolle der PRNSitzungen 1958, Bd. 1–3, 87f. 150 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3, Dokument 14: Informationen zur touristischen Problematik in Niederschlesien. 151 Ebd. Das Riesengebirge war schon im Jahr 1952 bei Silesius alter [Pohl]: Jenseits von Oder und Neiße, 38, „unvorstellbar einsam“. In zahlreichen westdeutschen Medienberichten der späten fünfziger und sechziger Jahre wurden die stockende Entwicklung des Fremdenverkehrs in den Sudetenregionen und die infrastrukturellen Vernachlässigungen betont. Vgl. vor allem Aurich: Jenseits des Stromes, 105–110, hier „Im Glatzer Bergland“, „,Polnischer Nationalpark‘ – Riesengebirge“ und „Wanderungen und Bauden im Sudetengrenzraum“. Eine Auseinandersetzung betraf die Besucherzahlen: Während polnische Autoren unterstrichen, die Dimensionen der Vorkriegszeit seien überschritten worden, relativierten deutsche Autoren diese Tatsache mit dem Hinweis auf den geschlossenen Charakter der FWP- oder andersartiger sozialer Touristik.

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4.2. Die Institutionalisierung der Reform Dass es bei den Reformdiskussionen nicht bei einem Strohfeuer der Liberalisierung wie in vielen anderen Bereichen blieb,152 verdankte die Riesengebirgsregion in geringem Maß den politischen Rahmenbedingungen. Gomułkas „kleine Stabilisierung“ (mała stabilizacja) bedeutete den langsamen Tod aller Reformversuche in Verwaltung, Wirtschaft und Kultur.153 Auch im Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) blieben die politischen Verhältnisse stabil: Der Vorsitzende des städtischen Nationalrats, Zbigniew Daroszewski, wurde im Februar 1958 als Parteiloser ins Amt gewählt und erfüllte dieses bis zur Verwaltungsreform im Jahr 1972.154 Eine weitaus größere Rolle spielte jedoch die institutionelle Verfestigung der neuen Initiativen. Die Neugründungen sollten zwar nicht als zivilgesellschaftliches Erwachen im kommunistischen Polen fehlinterpretiert werden, als Träger und zum Teil Sprachrohr regionaler, lokaler oder gar partikularer Interessen von sozialen Gruppen trugen sie jedoch eine Zeit lang zur stärkeren Partizipation im gesellschaftlichen System bei. Als „gelungenstes Kind des Reformexperiments“155 bezeichneten viele Autoren die Gründung der „Gesellschaft der Arbeiter- und Bauernklubs“ (Towarzystwo Klubów Robotniczych i Chłopskich, TKRiCh) im September 1959.156 Hinter dem sperrigen Namen verbarg sich eine Art Dachorganisation der nach 1956 eingerichteten oder umgestalteten (Betriebs-)Kulturzentren der Region. Bis zum politischen Umbruch 1956/57 fristeten sie eine karge Existenz und konnten weder ihre soziale noch die inhärente pädagogische Funktion sinnvoll erfüllen. Hinzu kam, dass Jelenia Góra (Hirschberg) als Ausfallstor ins Tourismuszentrum Riesengebirge für eine Stadt dieser Größe (damals etwa 40.000 Einwohner) vergleichsweise vielen auswär-

152 „Was sich in anderen Städtchen, Siedlungen Dörfern in stürmischen Diskussionen in verschiedenen Intelligenzklubs erschöpft hat, wurde hier auf konkrete und jeder Mystik ferne Tätigkeit gelenkt.“ Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 148. 153 Lemberg, Hans (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ostmitteleuropa 1956– 1970, Marburg 1993; Engelmann/Großbölting/Wentker (Hg.): Kommunismus. Zur polnischen Außenpolitik vgl. Ruchniewicz, Krzysztof: Między październikiem a grudniem. Polityka zagraniczna doby Gomułki, Toruń 2005. Zur Kulturpolitik, insbesondere zur Zensur vgl. Pawlicki, Aleksander: Kompletna szarość. Cenzura w latach 1965–1972 – instytucje i ludzie, Warszawa 2001. 154 Kwaśny: Jelenia Góra, 273. Vgl. auch den Nekrolog unter http://miasta.gazeta.pl/wroclaw/1,35779,1586394.html [Zugriff am 9.9.2009]. Auch der seinerzeit populäre Landrat Wojciech Tabaka wurde Anfang 1958 aus der politischen Versenkung zurückgeholt und zum Sekretär (Schriftleiter) des Präsidiums des Kreisnationalrats gewählt. Seinem Begräbnis im Februar 1975 wohnten mehrere tausend Bewohner der Stadt und des Kreises Jelenia Góra (Hirschberg) bei. Ćwikowski, Franciszek: Nekrolog Wojciecha Tabaki. In: Rocznik Jeleniogórski 13 (1975) 89–91. Vgl. ferner Dominik: Wojciech Tabaka. 155 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 151. 156 Łaborewicz: Integracja ludności.

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tigen Einflüssen ausgesetzt war. Kurreisende, „Orbis“-Touristen, Besucher der Ferienheime unterschiedlicher Branchenorganisationen und Hochschulen, schließlich FWP-Urlauber aus ganz Polen führten der örtlichen Jugend Lebensstil und Konsumverhalten vor, mit denen das lokale Kulturangebot, insbesondere der betrieblichen Einrichtungen, nicht mithalten konnte. In diese Richtung ging nun das Engagement intellektueller Eliten und der lokalen Verwaltung.157 Das Kulturangebot der TKRiCh machte Jelenia Góra (Hirschberg) weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt und holte anspruchsvolles Programm in die Provinz. Diese Errungenschaft stellte trotz aller Kritik am elitären oder unpolitischen Charakter des Angebots einen wichtigen Bezugspunkt in der jüngeren Geschichte der Region dar.158 Unter den Motti „soziale Integration“ und „gesunder Lokalpatriotismus“ wurden weitere regionale Initiativen gefördert. Im Zuge der 850–Jahrfeiern entstand 1958 ein „Verein der Freunde des Hirschberger Landes“ (Towarzystwo Przyjaciół Ziemi Jeleniogórskiej, ab 1978 „Verein der Freunde Hirschbergs“, Towarzystwo Przyjaciół Jeleniej Góry, TPJG),159 der seit 1963 das Jahrbuch „Rocznik Jeleniogórski“, eine fundamentale Quelle in Bezug auf die Entwicklung der Region, herausgab; ferner organisierte der TPJG einen „Pionierklub“ (Klub Pionierów), das heißt regelmäßige Treffen der polnischen Neusiedler von 1945.160 Noch im Frühjahr 1958 erschien zum ersten Mal das regionale Wochenblatt „Nowiny Jeleniogórskie“, das bis heute eine populäre Chronik der Region darstellt.161 Ab September 1958 veranstaltete man alljährlich ein Kulturfestival: den „Hirschberger September“ (Wrzesień Jeleniogórski).162 Hinzu kamen unterschiedliche Initiativen der Stadtväter wie das Verfassen einer eigenen Turmmelodie (hejnał – ein wichtiges Identifikati157 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 152. Vgl. Wagner/Jonek: Jeleniogórskie Towarzystwo. 158 Die Gesellschaft organisierte ferner ab 1967 einen Veranstaltungszyklus zur Regionalkunde und gab seit 1973 eine Informationsbroschüre mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren heraus, die später zu der bis heute erscheinenden Zeitschrift „Karkonosze“ umgestaltet wurde. Łaborewicz: Integracja ludności, 55f. 159 Margas, Czesław: Towarzystwo Przyjaciół Jeleniej Góry. In: Rocznik Jeleniogórski 29 (1997) 218–221. Zeitgenössisch: Jarmolukowa, Maria: Trzydzieści lat sympatii dla miasta. In: Rocznik Jeleniogórski 25/26 (1989) 263–272. Zu vergleichbaren Gründungen vgl. Thum: Die fremde Stadt, 399–402; Strauchold: Myśl zachodnia, 409. 160 In diesem Kontext entstand auch die wichtige, wenn auch vom Zeitgeist nicht ganz freie Sammlung der Siedlermemoiren „Wspomnienia pionierów“, die als Sonderbeilage des „Rocznik Jeleniogórski“ im Jahr 1985 erschien. 161 Jonek, Henryk: Z dziejów o doświadczeń „Nowin Jeleniogórskich“ (notatki b. sekretarza redakcji). In: Rocznik Jeleniogórski 3 (1965) 50–64; Suchecka, Maria: Trzydzieści lat pracy dla regionu. „Nowiny Jeleniogórskie“ w latach 1958–1988. In: Rocznik Jeleniogórski 27 (1990) 149–161. 162 Nowosielska-Sobel, Joanna: „Kulturalny koloryt naszego miasta przybiera na sile u progu jesieni“. Wymowa propagandowa świąt regionalnych na przykładzie „Września Jeleniogórskiego“ w okresie PRL. In: dies./Strauchold (Hg.): Piastowsko-komunistyczna satysfakcja?, 81– 107.

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onsmerkmal historischer Städte) und populärer Lieder mit regionaler Thematik oder die Umgestaltung des Stadtwappens.163 Eine weitere regionale Initiative von bleibender Bedeutung war das ebenfalls 1958 gegründete „Kreisunternehmen für Touristische Dienstleistungen“ (Powiatowe Przedsiębiorstwo Usług Turystycznych „Turystyka“, PPUT). Es spricht einiges dafür, dass die Gründung eine indirekte Antwort auf Probleme beim Management touristischer Objekte im Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) darstellte, die sich nicht im Dialog mit zentralen Behörden lösen ließen. Sicherlich war die Gründung des PPUT auf das Bestreben der Kreisverwaltung zurückzuführen, das touristische Profil in Übereinstimmung mit den „Thesen“ zu stärken. Erklärtes Ziel war es dabei, die Organisation des Fremdenverkehrs stärker als zuvor auf die Agenda des PRN zu setzen.164 Das Tourismusmodell im sozialistischen Polen basierte auf der Popularisierung des Fremdenverkehrs durch soziale Träger (PTTK, Sportverbände), der Organisation des Ferienbetriebs durch betriebliche und Brancheneinrichtungen (FWP) sowie einer marginalen Reisebürotätigkeit von „Orbis“, vor allem für ausländische Gäste. Regionale Verwaltungsinstanzen waren lediglich für den Zustand der kommunalen Infrastruktur verantwortlich, etwa der Wege oder öffentlichen Plätze, und organisierten das Kulturleben in den Orten; die Frage der Versorgung mit Lebensmitteln, Haushaltswaren, Souvenirs usw. unterlag der Zuständigkeit verschiedener Ministerien mit ihren Ablegern in den einzelnen Wojewodschaften. Einige Regionalverwaltungen hatten in den Reformdiskussionen der späten fünfziger Jahre ein stärkeres Mitspracherecht gefordert, worauf bestehende Institutionen oft ablehnend reagierten.165 Dies sollte auch nicht verwundern, gerieten diese Einrichtungen doch verstärkt ins Feuer der Kritik, vor allem der FWP. Dieser 163 Nowosielska-Sobel, Joanna: „Czy istnieje Polak sudecki?“ Z problemów kształtowania się tożsamości zbiorowej ludności Dolnego Śląska na przykładzie Ziemi Jeleniogórskiej w latach 60. XX wieku. In: dies./Strauchold (Hg.): Dolnoślązacy? Kształtowanie tożsamości mieszkańców Dolnego Śląska po II wojnie światowej, Wrocław 2007 (Spotkania Dolnośląskie 2), 21–43, hier 24. Zur Turmmelodie vgl. TEJO [Przezdzięk]: Feta. Zum Wappen vgl. Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 167f. 164 Als „Ausnahme“ in der bisherigen Praxis wurde die Arbeit an der „touristischen Problematik“ im Rahmen des PRN mit Unterstützung des Tourismuskomitees der Wojewodschaftsverwaltung bezeichnet. APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/49, Information zur Entwicklung des Tourismus in der Wojewodschaft Wrocław (Breslau) 1960, Information des Wojewodschaftskomitees für Tourismus an das WRN-Präsidium über den Entwicklungsstand des Tourismus auf dem Gebiet Niederschlesiens, 190–197. 165 So wird in einem Dokument des KdST das Vorgehen der Kreisverwaltung in Nowy Sącz (Neu Sandez) im Tatragebiet als positives Beispiel genannt. Die Kreisverwaltung nahm gegenüber der PTTK eine kooperative Haltung ein und setzte auf indirekte Einnahmen aus Steuergeldern. Die Rolle der Nationalräte sollte daher eine koordinierende sein, statt soziale Träger oder staatliche Unternehmen ersetzen zu wollen. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 293/25, Aktuelle Probleme der Inlandstouristik, 22f.

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wurde vom Vorsitzenden des Wojewodschaftskomitees für Tourismus in Wrocław (Breslau), Aleksander Rolski, etwa als „Achillesferse“ der Tourismusorganisation bezeichnet.166 Rolski forderte ferner die Auflösung des Ferienfonds in der bisherigen Gestalt und die Übergabe seiner Liegenschaften an entsprechende Unternehmen der Nationalräte, die nicht nur – im Gegensatz zum FWP – keine Steuerbefreiung genossen, sondern auch Gewinn erwirtschaften sollten. Etwas diplomatischer, aber im Kern gleichlautend waren die Schlussfolgerungen einer diesbezüglichen Diskussion im Ausschuss des Zentralkomitees vom Oktober 1959: „Das Erbringen touristischer Dienstleistungen sollte nach dem Prinzip voller Kostenpflichtigkeit ablaufen. Lediglich in der Sozialtouristik sollten staatliche Zuschüsse aufrechterhalten werden, die [...] nicht zur Deckung der Defizite in der Immobilienverwaltung verwendet werden sollten. Touristische Dienstleistungen sollten im Prinzip dezentralisiert und von verschiedenen Institutionen mit entsprechendem Profil durchgeführt werden. Wichtige Aufgaben in diesem Bereich sollten von Unternehmen der Nationalräte erfüllt werden.“167 Die Übernahme der Infrastruktur durch Unternehmen wie PPUT stieß auf verständlichen Widerstand, so dass in den Folgejahren nur vereinzelt Objekte vom FWP abgegeben wurden. Dank des Einsatzes lokaler Tourismusverantwortlicher und mit Unterstützung zentraler Fördermittel gelang es, das frühere Ferienheim für Kriegswaisen „Orlinek“ (ehemalige Teichmannbaude) in Karpacz (Krummhübel) und einige andere Objekte in der Region zu übernehmen und zu modernisieren. Doch der Hauptverdienst des Unternehmens bestand in der Propagierung des Fremdenverkehrs als Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung. Angesichts der geringen Anzahl der Übernachtungsmöglichkeiten im ‚offenen Pool‘ wurde Tourismusexperten schon frühzeitig klar, dass eine entsprechende Förderung privater Übernachtungsangebote helfen könnte, das Problem des zunehmenden Besucheransturms zu lösen. Für die früheren Sommerfrischen in der Riesengebirgsregion, die nicht zu Zentren der volkspolnischen Massentouristik geworden waren, bedeutete dieser Anstoß eine gewisse Belebung.168 In diesem Kontext fungierte das Kreis-

166 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/49. 167 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 293/25, Wissenschaftlich-Programmatische Kommission, Schlussfolgerungen der Besprechung der Kommission für Sport und Touristik des Zentralkomitees der PZPR zur Entwicklung des Tourismus in den Jahren 1960–1965 vom 26.– 28. Oktober 1959. 168 So vermeldete Kazimierz Wagner schon 1959, dass das PPUT bereits über 800 Unterkünfte dieser Art in der Region verfüge, davon allein 180 in Karpacz (Krummhübel). „In zahlreichen, schön gelegenen ländlichen Siedlungen verfügen die Bauern über Wohnhäuser, deren Dimensionen ihren Bedarf übersteigen. Einst wurden sie individuellen Urlaubern vermietet. Die Rückkehr zu dieser Praxis wäre möglich nach einer entsprechenden Renovierung und Anpassung der verfügbaren Räume an die Bedürfnisse eventueller Mieter.“ Wagner: Niektóre sprawy, 403.

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unternehmen als Vermittler von Informationen, Know-how und letztlich von Dienstleistungen. Bereits nach fünf Jahren lag die Zahl der Gästebetten im Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) bei 3.800 und im Jahr 1965 schon bei 5.500. Neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt unterstrichen zeitgenössische Beobachter den partizipativen Charakter des Phänomens: „Das zeugt davon, dass nicht nur die Tourismusverantwortlichen die Rolle dieser ergänzenden, flexiblen Übernachtungsbasis erkannt haben, sondern auch die örtliche Bevölkerung an dieser Dienstleistung, die zusätzliche Einkünfte und Beschäftigung bringt, interessiert ist. Es wäre auch angebracht anzumerken, dass die Entwicklung solcher Dienstleistungen von der Wirtschaftsund besonders Steuerpolitik begünstigt wird. Man könnte sogar feststellen, dass von dem Moment an, als der Fremdenverkehr anfing, der örtlichen Bevölkerung direkte, materielle Vorteile zu bringen, der Tourismus von Teilen der lokalen Gesellschaft nicht mehr als Störung des normalen Lebens, die nur Versorgungsschwierigkeiten, Preissteigerungen und Verkehrsprobleme bereitet, angesehen wird. Zuvor, als der volkseigene [das heißt staatliche] Sektor ausschließlicher Verwalter der Übernachtungs- und Dienstleistungsbasis war, wurden nicht einmal die positiven Seiten gesehen, zu denen zweifellos die Arbeitsplätze in den touristischen Einrichtungen zählen. Das Vermieten von Privatquartieren begleiten weitere Phänomene, die das Interesse der örtlichen Bevölkerung am Erbringen touristischer Dienstleistungen vergrößern.“169 Abschließend ist festzuhalten, dass die seit 1957/58 entstehenden Institutionen und Organisationen in verschiedenen Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens aktiv wurden und auf ihre Weise einen Beitrag zur sozialen Kohäsion leisten wollten. Vieles ging sicherlich auf das Engagement elitärer Aktivistenzirkel zurück, die sich aus der örtlichen Intelligenz rekrutierten, und einiges verlor sich mit der Zeit im Institutionengewirr der Volksrepublik und sah sich mit bürokratischen Hindernissen konfrontiert. Im Allgemeinen markierten die Mobilisierungs- und Partizipationsbestrebungen jener Zeit einen deutlichen Unterschied zur wirtschaftlichen und sozialen Stagnation der ersten Hälfte der fünfziger Jahre. In mikrohistorischer Perspektive kann keine einfache Trennung zwischen der herrschenden Schicht und der ‚Zivilgesellschaft‘ gezogen werden – oftmals waren beide Sphären, nicht zuletzt in personeller Hinsicht, eng miteinander verflochten. Die Reformbewegung der späten fünfziger Jahre war nicht nur eine Initiative von unten, die von Parteifunktionären aufgenommen und zu Zwecken der Machterhaltung instrumentalisiert wurde. Vielmehr waren die Diskussionen inhärenter Teil des Systems und wurden zuerst innerhalb der bestehenden Institutionen 169 Bialikiewicz, Stanisław u. a.: O niektórych aspektach turystyki w regionie jeleniogórskim. In: Rocznik Jeleniogórski 4 (1966) 43–59, hier 55f. Zu den weiteren positiven Folgen zählten die Autoren auch die Tatsache, dass die durch den Tourismus erworbenen Mittel in Hausrenovierungen und ähnliche Maßnahmen investiert würden.

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(PZPR, Nationalräte, Tourismusaktivisten) entwickelt. Die Hoffnung auf eine weitgehende Liberalisierung des Systems im Zuge des „Tauwetters“ führte zu einer Aktivierung der bis dahin ausgeschlossenen Gruppen, die für konkrete Belange der lokalen Gemeinschaft eintraten und einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erneuerung und Integration lieferten. Durch die Einbindung in bestehende Institutionen oder die Gründung neuer wurde dieses kritische Potential wiederum ins System integriert und gewissermaßen befriedet. Das reformatorische Gedankengut existierte in diesen Nischen fort und übte weiterhin einen gewissen Einfluss auf die Öffentlichkeit aus. Ohne den institutionellen Rahmen hätte die Arbeit an einer regionalen Identität, die öffentliche Erörterung aktueller Probleme in lokalen Medien oder die Auseinandersetzung um das richtige Wirtschaftsmodell für die Riesengebirgsregion nicht den Entwicklungsstand erreicht, der für die späten fünfziger und sechziger Jahre zu konstatieren ist. 4.3. Grenzen des Aktivismus Im vorhergehenden Abschnitt kamen punktuell die organisatorischen und institutionellen Hindernisse der Reformen bereits zur Sprache. Die Schwierigkeiten, mit denen die Aktivisten zu kämpfen hatten, veranschaulichen die systemischen Grenzen im kommunistischen Polen. Neben den ideologischen Hindernissen und den politischen Rahmenbedingungen war die Abkehr von Reformprogrammen in der Wirtschaftspolitik ein wichtiger Faktor dieses Prozesses.170 Die Bündelung der Probleme lässt sich am Querschnittsthema Fremdenverkehr illustrieren, der ein „zu komplexes Phänomen“ für einen sozialistischen Staat darstellte.171 Das Problem stellte nicht das fehlende Fachwissen der Experten für Tourismuspolitik dar – es fehlte eher an Umsetzungsmöglichkeiten. Schon in den frühen Gutachten der Reformjahre wurde auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs als Wirtschaftszweig, auf den Anstieg der Touristenzahlen weltweit und auf die sich verändernden Freizeittrends hingewiesen.172 Obwohl die Konsumpolitik unter Gomułka im Allgemeinen als vergleichsweise ‚asketisch‘ galt, wuchsen auch in Polen die Löhne; der Bedarf an Freizeitbeschäftigung und Reisen stieg mit dem Anheben des Lebensniveaus, vor allem in den Industriezentren.173 Dessen waren sich 170 Kochanowicz, Jacek: Economic Reforms under State Socialism in Poland. In: Boyer, Christoph (Hg.): Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen. Die Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, die DDR und Jugoslawien im Vergleich, Frankfurt a. M. 2007, 47–76; Tymiński, Maciej: Workers’ Councils during the Time of the „Polish October“ (1956–1958). Barriers for Grassroots Change in a Party-State System. Ebd., 141–162. 171 Majowski: Polska Ludowa zaprasza, 128. 172 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 293/25, Auslandstourismus – ein Anstoß zur Diskussion, Referat von Kazimierz Załuski. 173 In Niederschlesien betraf dieses Phänomen vor allem Wrocław (Breslau), das Kohlerevier von Wałbrzych (Waldenburg), den seit den fünfziger Jahren expandierenden Braunkohletagebau

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die Tourismusfunktionäre bewusst und plädierten folgerichtig für eine Umstellung der stationären Massentouristik à la FWP auf mobile Touristen mit eigenem PKW, für die Errichtung von Camping- und Parkplätzen und Unterkünften für den Durchschnittsurlauber sowie für eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität, unter anderem durch entsprechende Berufsbildung. Die Wirklichkeit sollte die Reformer bald einholen. „Angesichts einer schnell wachsenden Zahl von Reisewilligen stellte sich immer häufiger heraus, dass der Staat in der Funktion eines großen Reisebüros weder ein Ferienangebot für alle sicherstellen noch eine solche Massenmobilität effektiv organisieren kann“, konstatiert der Historiker Paweł Sowiński.174 Die versteckte Privatisierung des Ferienwesens wurde stillschweigend akzeptiert, zum Beispiel indem die Vermietung von Privatquartieren legalisiert wurde (was in traditionellen Urlaubsgegenden ohnehin der Fall war)175 oder indem das öffentliche Transportwesen durch eine offiziell von der PTTK gesteuerte „Autostop“-Aktion entlastet werden sollte.176 Trotz aller Versuche einer entsprechenden Umgestaltung zentraler Institutionen – 1960 wurde aus dem Tourismuskomitee KdST das „Hauptkomitee für Körperkultur und Touristik“ (Główny Komitet Kultury Fizycznej i Turystyki, GKKFiT) gebildet, ferner wurde der „Zentrale Tourismus- und Ferienfonds“ (Centralny Fundusz Turystyki i Wypoczynku, CFTiW) eingerichtet177 – waren diese nicht imstande, die Nachfrage zu befriedigen, besonders hinsichtlich höherwertiger Objekte. So wurden bei diesen Investitionen schon frühzeitig Forderungen nach Einbeziehung ausländischer Unternehmen, bevorzugt mit Beteiligung der Auslandspolen, laut.178 Trotz aller

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um Zgorzelec (Görlitz), Turów (Türchau) und Bogatynia (Reichenau) sowie das junge Zentrum der Kupferförderung um Legnica (Liegnitz), Lubin (Lüben) und Głogów (Glogau). Zur Konsumpolitik unter Gomułka vgl. Hübner, Christa/Hübner, Peter: Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in der DDR und Polen 1968–1976 [mit einem Beitrag von Christoph Boyer zur Tschechoslowakei], Köln u. a. 2008 (Zeithistorische Studien 45). Sowiński: Wakacje, 118. Die Entwicklung dieses Phänomens zeichnet Kochanowski, Jerzy: Socjalizm na halach, czyli „Patologia stosunków społeczno-ekonomicznych i politycznych w Zakopanem“ (1972). In: Przegląd Historyczny 98 (2007) 71–96, anhand eines Berichts eines speziellen Untersuchungsteams für Zakopane im Jahr 1972 nach: Das Vakuum, das durch das Scheitern der staatlichen Tourismusorganisation angesichts steigender Touristenzahlen entstanden war, wurde schnell durch privatwirtschaftliche Initiativen aufgefüllt, die de facto das Wesen des Systems in Frage stellten. Ebd., 97. In essayistischer Manier: Czuprynski, Jakub: Autostop polski. PRL i współczesność, Kraków 2005. Der CFTiW finanzierte beispielsweise die Modernisierung der PPUT-Objekte „Orlinek“ in Karpacz (Krummhübel) und „Karkonosze“ in Szklarska Poręba (Schreiberhau) sowie den Ausbau des Wander- und Zufahrtsweges von der Kirche Wang zum Koppenplan. AAN, Centralny Fundusz Turystyki i Wypoczynku, Dokumentation- und Forschungsabteilung 3/23, Wirtschaftliche Effekte 1965–1973. Vgl. hierzu entsprechende Referate und Diskussionen bereits aus dem Jahr 1958 in: AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/1. Im Riesengebirge wurde das „Orbis“-Hotel „Skalny“

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Managementprobleme und der chronischen Unterfinanzierung dieses Bereichs wurden in den Jahren nach 1956 einige wichtige Investitionen realisiert und die Aktivisten in der Riesengebirgsregion zeitigten einige Erfolge in der Anwerbung zentraler Mittel für den Ausbau der Infrastruktur. So wurde beispielsweise 1959 der seit 1945 geplante Sessellift zur Schneekoppe fertig gestellt und ein weiterer auf den Reifträger folgte 1962.179 Auch wenn der Bau neuer Hotels auf sich warten ließ, wurden erhebliche Mittel in die Modernisierung der bestehenden Infrastruktur investiert. Das bereits erwähnte Jugendhotel „Orlinek“ in Karpacz (Krummhübel) wurde zum Beispiel 1963 speziell im Hinblick auf ausländische Besuchergruppen renoviert und auch sämtliche Gebirgsbauden wurden nach und nach modernisiert. Die diesbezüglichen Dokumente vermitteln den Eindruck, dass nicht etwa Ignoranz oder nicht einmal Mittelknappheit die Gründe für den Investitionsstau im Fremdenverkehr waren. Vielmehr konnten die Mittel aufgrund von Umsetzungsschwierigkeiten nicht abgerufen werden. Im Februar 1965 berichtete die Propagandaabteilung der Wojewodschaftsverwaltung, dass von 52 Millionen Złoty in den Jahren 1962–1964 lediglich 21 Millionen abgerufen werden konnten. Der Grund hierfür waren fehlende Dokumentation der Vorhaben und die Unfähigkeit der bestehenden (staatlichen) Bauunternehmen, die Arbeiten durchzuführen. So sahen sich die Kreisverwaltungen gezwungen, eigene Renovierungstrupps (brygady remontowe) aufzustellen. Ferner waren die Produzenten lediglich imstande, zehn bis 20 Prozent der benötigten Baumaterialien zu liefern.180 Das Exposé des Kreisnationalrats vom März 1964 mit dem Titel „Der Tourismus in der Region Jelenia Góra [Hirschberg] als wirtschaftliches Problem“, eine Art Regionalagenda, die übergeordneten Stellen die Entwicklung des Fremdenverkehrs schmackhaft machen sollte, beinhaltete konkrete Forderungen nach Neuorganisation der existieMitte der siebziger Jahre nachweislich unter Beteiligung des französischen Bauunternehmens „Sodeteg sanirapt et brice“ erbaut. IPN Wrocław, 034/34, Objektsache „Wang“, Bericht von Leutnant Zenon Gardocki über die Dienstreise zur Passabteilung in Jelenia Góra (Hirschberg), 8.–13. März 1976, 44–53. 179 Schneigert, Zbigniew: Wyciągi turystyczne w Karkonoszach. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 74–87. Vgl. ferner Rzeczycki, Tomasz: Budowa wyciągu na Kopę. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 6/7 (2006) 30–31; ders.: Budowa wyciągu na Szrenicę. Ebd. 6/8 (2006) 30–31. 180 APW, Komitet Wojewódzki PZPR we Wrocławiu, 74/VII/87, Information zur Ausrichtung der gesellschaftlichen Investitionsmittel, 119–122. In einem Schreiben des FWP-Direktors Bolesław Piechucki an das Präsidium des WRN in Wrocław (Breslau) zum Zustand der Objekte (im August 1972) führte dieser aus: „In den Jahren 1949–1971 wollte sich kein staatliches Unternehmen ihrer Sanierung und Modernisierung annehmen. In dieser Situation schuf der FWP seine eigenen Bau- und Renovierungstrupps, die aufgrund fehlender Facharbeiter und technischer Kader über begrenzte Umsetzungskapazitäten verfügen.“ APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/56, Information zur Tourismusentwicklung – Erschließung der Sudeten 1966–1973, 24–26.

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renden Bauunternehmen und nach Schaffung eines neuen regionalen Unternehmens.181 Sehr kompliziert gestaltete sich auch die Frage nach einer entsprechenden Versorgung der Region mit Lebensmitteln. Wie bereits geschildert, war der Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) im Zuge der Entwicklung zum Fremdenverkehrszentrum im 19. und frühen 20. Jahrhundert zum großen Nahrungsimporteur geworden, was nicht zuletzt auf die topographischen Begebenheiten und den hohen Bedarf, etwa an hochwertigen Lebensmitteln, seitens der Touristen zurückzuführen war. Daran hatte sich nach 1945 nicht viel geändert, außer dass diese Bedürfnisse nicht mehr nach den Regeln des freien Marktes befriedigt werden konnten. In der besagten Diskussion des Kreisnationalrats vom April 1958 behauptete ein Abgeordneter: „Was die Versorgung in unserem Gebiet anbetrifft, so ist sie bei Gemüse 60 mal und bei Fisch 20 mal zu klein [...]. Meiner Meinung nach soll der Handelsausschuss des PRN all seine Kraft daran setzen, um die Versorgung des Kreises dreimal zu vergrößern. Es wäre auch angebracht, sich mit der Regionaldirektion der Staatsbahn zu verständigen, damit die Waggons mit Gemüse aus Zentralpolen nicht aufgehalten werden, sondern binnen 24 Stunden am Zielort ankommen.“182 Das Thema der Lebensmittelversorgung wurde auf institutioneller Ebene und auch in der Presse immer wieder zur Diskussion gebracht, was an sich schon von der Unlösbarkeit des Problems im bestehenden System zeugt. Ein zusätzliches Problem stellte in diesem Kontext die Landwirtschaftspolitik der Volksrepublik dar. Das politische Ideal einer gewaltigen Getreideproduktion war teilweise der Stellung dieses Wirtschaftszweigs in der Geschichte Polens, teilweise aber dem politischen Ziel geschuldet, eine Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Brot sicherzustellen und darüber hinaus landwirtschaftliche Erzeugnisse zu exportieren. Der südliche Teil Niederschlesiens war jedoch dafür nicht geschaffen. Schon in den „Thesen“ von 1958 wurden eine stärkere Hinwendung

181 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/37, Pläne der räumlichen Gestaltung 1964. Entsprechende Impulse aus der Region wurden jedoch schon vorher registriert. Vgl. hierzu AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3; APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/49. 182 Bereits im Herbst 1958 berichtete der Vorsitzende des Wojewodschaftskomitees für Tourismus, Aleksander Rolski, von entsprechenden Beratungen mit Vertretern der betroffenen Kreise (Bystrzyca [Habelschwerdt], Lwówek [Löwenberg], Kłodzko [Glatz], Jelenia Góra [Hirschberg], Wałbrzych [Waldenburg], Dzierżoniów [Reichenbach], Ząbkowice [Frankenstein]), in deren Folge beispielsweise die Fleischzuteilung der Fremdenverkehrszentren zu Lasten der übrigen Regionen verdoppelt wurde. Im Allgemeinen wurde nicht nur über die mangelhafte Versorgung mit konkreten Lebensmitteln, sondern auch die Ausstattung der Geschäfte, das Personal und das Distributionssystem geklagt. AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/2, Sitzungsprotokoll des Arbeitskreises für die Versorgung der Urlaubsorte vom 10. Oktober 1958 – Information des Vertreters der Versorgungs- und Handelsabteilung über die Versorgung der Ferienregionen.

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zur Weidewirtschaft und die (Wieder)einführung der Schafzucht gefordert.183 Letzteres wurde schließlich mit Hilfe von Experten und Praktikern aus der Tatraregion umgesetzt. Das Problem des agrarischen Profils der Region wurde wiederholt zum Diskussionsthema, etwa als die Einführung der Forellenzucht als lokale Attraktion vorgeschlagen wurde.184 Ein zentrales Problem stellte der Gemüse- und Obstanbau dar, zu dem man die einheimische Bevölkerung zwecks Deckung der Versorgungslücken ermutigen wollte.185 Alles in allem konnten diese Initiativen nicht die eklatanten Mängel in der Produktions- und Versorgungsstruktur des polnischen Staates überdecken, so dass die Gleichsetzung von Touristen und „Kartoffelkäfern“ (stonka), die den Einheimischen alles wegäßen, zum geflügelten Wort wurde.186 Ein Problem, bei dem sich die praktischen Schwierigkeiten und politischen Dilemmas am besten widerspiegelten, stellten regionale Souvenirs dar. In den ersten Nachkriegsjahren war um diese Frage ein ideologischer Kampf geführt worden: Mit Hinweis auf die („deutsche“) Ästhetik hatte man bestehende regionale Gestaltungsformen (Rübezahlmotive oder Variationen von Alpenfolklore) verurteilt und oberflächliche Polonisierungsversuche im Sinn Sykulskis kritisiert. Gleichzeitig hatte man keine alternativen Vorschläge erarbeitet, so dass findige Privatunternehmer Motive regionaler Folklore aus der Tatra in die Sudeten übertrugen und solche Andenken im Rahmen halblegaler wirtschaftlicher Tätigkeit vertrieben. Es sollte daher nicht verwundern, dass in den regionalen Diskussionen nach 1956 die Frage nach ‚authentischen‘ Souvenirs wieder auftauchte.187 Betrachtet man nur die Häufigkeit, mit der das Thema im Lokalblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ aufgegriffen wurde, ist man geneigt, dieser Frage mehr als einen Anekdotenstatus zu verleihen.188 Schon die „Hirschberger Thesen“ hatten mit These 84 gefordert, die Produktion regionaler Andenken zu entwickeln und dabei die Überschwemmung durch Souvenirs mit Motiven aus anderen Regionen sowie 183 Jarmoluk, Borys: Stawiamy na wypas, mleko, masło i sery. In: Rocznik Jeleniogórski 7 (1969) 65–69; Mazurski, Krzysztof R.: Rolnicze cechy i przydatność gleb byłego powiatu jeleniogórskiego. In: Rocznik Jeleniogórski 13 (1975) 28–47; Sobański, Stanisław: Rolnictwo Ziem Zachodnich. In: Rocznik Ziem Zachodnich i Północnych 1 (1960) 275–281. 184 Wagner: Niektóre sprawy, 405. 185 Ebd. Vgl. ferner auch die These 64 der „Hirschberger Thesen“. Die Anlage von Obst- und Gemüsegärten wurde neben der Umstellung auf Tierzucht für Milchprodukte und der Einrichtung von Privatquartieren als wichtigstes Anzeichen einer wirtschaftlichen Anpassung der Kreiseinwohner an die Entwicklung des Fremdenverkehrs angesehen. Bialikiewicz u. a.: O niektórych aspektach, 56. 186 APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze 22, 35; Jeżewski, T.: O wczasowej stonce słów kilka. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 22 vom 4. Juni 1959, 4. 187 Nowosielska-Sobel: „Czy istnieje Polak sudecki?“, 39–43. 188 [N. N.]: O właściwy poziom wytwórczości pamiątkarskiej. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 6 vom 8. Mai 1958, 2. Darin wurde angekündigt, die TRZZ werde sich des Themas annehmen, und in der Ausgabe vom 5. Juni 1958 wurde von einer diesbezüglichen Beratung der Kulturausschüsse des städtischen und des Kreisnationalrats berichtet.

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durch „gewöhnlichen Ramsch“ zu begrenzen. Zu diesem Zweck sollten die traditionelle Holzhandwerksschule in Cieplice (Warmbrunn) ausgebaut und Arbeitsräume für Künstler geschaffen werden.189 Doch selbst nachdem diese Fördermaßnahmen endlich Wirkung gezeigt hatten und erste Entwürfe entstanden waren, konstatierte ein Journalist, das Thema liege brach und kehre immer wieder als Bumerang zurück.190 Es gäbe eine Nachfrage, aber kaum Vertriebsmöglichkeiten. Noch Ende 1961 berichtete die Presse, die Besitzer von Souvenirläden lehnten es ab, die neuen Entwürfe zu verkaufen. So bat die Kunsthandwerksschule die Kreisverwaltung um eigene Verkaufsräume.191 Im Zuge der Zentralisierung und politischen Gleichschaltung aller Lebensbereiche im stalinistischen Polen wurde auch das traditionelle Kunsthandwerk 1949 in der „Zentrale der volkstümlichen und künstlerischen Industrie“ (Centrala Przemysłu Ludowego i Artystycznego, CPLiA – auch „Cepelia“ genannt) zwangsvereinigt.192 Für die kommunistischen Machthaber war die angebliche Verankerung im Volk („Volksrepublik Polen“) eine wichtige Legitimationsquelle und dementsprechend wurde Volkskultur zum Prestige- und gleichzeitig Überwachungsobjekt.193 Die CPLiA ‚schuf‘ Folklore in doppeltem Sinn des Wortes: Was Volkstum war, bestimmten Parteifunktionäre. „Regionale Folklore“ durfte diesen Lenkungsanspruch nicht hintergehen und im Fall der Westgebiete wurde zusätzlich jede Art regionaler Besonderheit als verdächtiger Separatismus betrachtet. In diesem Sinn war „niederschlesische Folklore“ nichts als eine sozialistische „erfundene Tradition“, die sich lediglich auf eine administrative Kategorie bezog und zu keinerlei Sonderbewusstsein beitragen sollte.194

189 Tezy jeleniogórskie. 190 Jarmoluk, Borys: Kto ruszy pamiątkarstwo? In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 48 vom 1. Dezember 1960, 5. Im Zusammenhang mit einer Ortsbesichtigung in zwei Andenkenkiosken in Cieplice (Warmbrunn) berichtete der Autor, dass die Entwürfe der örtlichen Kunstschüler nicht angeboten würden, dafür jedoch etliche Zakopane-Motive, darunter sogar „regionalisierte“: Unter das Bild des Tatragipfels Giewont habe man „Śnieżka“ (Schneekoppe) geschrieben. Ähnliches hatte die Wochenzeitung schon im Frühjahr 1959 berichtet. 191 K.: Pamiątki czekają w ukryciu – tymczasem włada przemożna szmira. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 45 vom 7. Dezember 1961, 3. Mittlerweile hatte das Blatt schon im Sommer 1959 das nahe Ende der Goralenmotive im Souvenirgeschäft angekündigt. [N. N.]: Kres epoki „góralszczyzny“. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 29 vom 22. Juli 1959, 3. 192 Crowley, David: Building the World Anew. Design in Stalinist and Post-Stalinist Poland. In: Journal of Design History 7 (1994) 187–203. 193 Topp-Wójtowicz: Folklor dolnośląski, 160f. 194 Ebd. Die Erfindung regionaler Folklore beschrieb recht anschaulich der Jugendaktivist Jerzy Lech, der während der Konferenz zur schlesischen Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften am 1. Juli 1953 von der Kreation eines ‚niederschlesischen‘ Tanzes, genannt porębiok, berichtete. Grosfeld, Leon/Kula, Witold/Leśnodorski, Bogusław (Hg.): Konferencja śląska Instytutu Historii. Przemówienia, Referaty, Dyskusje, Wrocław 1954, 311–313.

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Zu diesen ideologischen Problemen kamen organisatorische hinzu: Regionale Aktivisten konnten mit Unterstützung der Kreisverwaltung die Schaffung neuer Souvenirmuster und die Verdrängung fremder Folkloremotive zwar fordern, die Entscheidungsmacht lag jedoch nicht in ihren Händen. Auf die zentralen Vorgaben der CPLiA in Fragen des Designs und des Vertriebs hatten sie keinen Einfluss und private Produzenten dieser Artikel orientierten sich am Markt, der an regionalen Traditionen wenig Interesse hatte, dafür aber bekannte Gebirgsfolklore nutzte. Eine eigene Produktionsstätte für Andenken besaß auch die PTTK. Allerdings kamen hier die Vorgaben ebenfalls aus der polnischen Hauptstadt. Eine gemeinsame Sitzung des Handels-, Kultur-, Verkehrs- und Industrieausschusses der Wojewodschaftsverwaltung, die auf Einladung des Tourismuskomitees in Wrocław (Breslau) im März 1969 stattfand, kam zum Schluss, dass keine Entwürfe entstünden, weil sich die Künstler aus der Region nicht für das Thema interessierten; wenn Entwürfe entstünden und den ästhetischen und inhaltlichen Ansprüchen genügten, fänden sich keine Produzenten, selbst nicht unter staatlichen Unternehmen; wenn sich ein solches finde, scheitere zumeist der Vertrieb.195 Der Leiter des Industrieausschusses gestand, es sei davon auszugehen, dass Souvenirartikel wie zuvor Domäne privater Produzenten blieben, und sein Stellvertreter konstatierte: „Allgemein lässt sich ein Mangel an koordiniertem Vorgehen, an gemeinsamen Aktionen feststellen.“196 Das Problem der regionalen Souvenirs bündelt somit Aspekte wie das Kompetenzgewirr der Institutionen im kommunistischen Polen, die Hindernisse bei der Umsetzung innovativer Lösungen und schließlich das Unbehagen an dem vorgefundenen kulturellen Erbe. Allen voran wurden sämtliche Ideen mit der ‚Philosophie‘ des sozialistischen Staates konfrontiert. So konstatierte der Erste Sekretär des Wojewodschaftskomitees der PZPR Ende 1964 bei einer Diskussion zur Tourismusentwicklung in Niederschlesien: „Der nächste Fünfjahresplan wird ein Plan der Industrie werden, nicht der Hotels.“197 Die Debatten über regionale Spezifika, etwa über den Begriff „Hirschberger Land“ (Ziemia jeleniogórska) oder über den Stellenwert von Fremdenverkehr und Industrie in der Wirtschaftsstruktur, verließen somit selten die diskursive Ebene.198 Am Beispiel lokaler Geschichtsdiskurse

195 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT I/431 Sitzungsprotokolle des Ausschusses für Ferien, Tourismus und Körperkultur 1969, Protokoll Nr. 3 vom 6. März 1969, 23–41. 196 Ebd. 197 APW, Komitet Wojewódzki PZPR we Wrocławiu, 74/IV/113, Protokolle der Exekutivsitzungen, Protokoll der Exekutivsitzung des Wojewodschaftskomitees der PZPR Nr. 24 vom 24. November 1964, 51–65. 198 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 197; Nowosielska-Sobel: „Czy istnieje Polak sudecki?“, 41–44. Der Streitfall „Celwiskoza“ sollte die lokale Gesellschaft bis in die neunziger Jahre – mit einer bemerkenswerten Episode in der Zeit der „Solidarność“ (1980/81) – beschäftigten.

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soll abschließend das Verhältnis zwischen der Neuverhandlung regionaler Identität und den materiellen Ausdrucksformen erläutert werden. 4.4. Angewandte Geschichte? Allein im Regionalblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ waren Artikel zur Regionalgeschichte in den Jahren 1958 bis 1970 eine relativ häufige Erscheinung.199 Das wäre an sich nicht überraschend, stünde diese Hinwendung zur Vergangenheit nicht im Widerspruch zur Geschichtsvergessenheit der Jahre zuvor und würden die behandelten Themen der „piastisch-kommunistischen“ Geschichtsideologie entsprechen. Die neue Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stellte eine Reaktion auf die Umbruchssituation Mitte der fünfziger Jahre und eine Selbstvergewisserung in Zeiten des Aufruhrs dar – so die These. Dabei spielten auswärtige Einflüsse eine nicht minder wichtige Rolle, wie im nächsten Abschnitt genauer beschrieben wird. Der Entdeckung der Historie ging im wahrsten Sinn des Wortes ihr Zusammenbruch voraus. Im Herbst 1951 traten erste Probleme bei den Bürgerhäusern am Ring von Jelenia Góra (Hirschberg) auf und schon bald brachen mehrere Gebäude ein.200 Ab 1955 unternahmen Mitarbeiter der Polytechnischen Hochschule (Politechnika Wrocławska) in Wrocław (Breslau) erste Anstrengungen zur Dokumentation und Sicherung der Objekte, die Situation normalisierte sich jedoch noch lange nicht. Obwohl die zumeist barocken Bürgerhäuser den Krieg unbeschädigt überstanden hatten, nagte der Zahn der Zeit schon länger an ihnen und die achtlose Nutzung in der Nachkriegszeit tat ihr Übriges. Nicht zufällig wurde das Problem der breiteren Öffentlichkeit im Jahr 1956 bekannt. Die Wiederaufbauarbeiten begannen im Jahr 1958, dem Aufbruchsjahr von Jelenia Góra (Hirschberg).201 Die Art und Weise, wie diese Arbeiten durchgeführt wurden, war auch nicht frei von kontroversen Diskussionen.202 Ähnlich wie bei vergleichbaren Aufbauprojekten jener Zeit, etwa in Wrocław (Breslau), setzten die Regierenden auf eine Umgestaltung des sozialen Charakters der Altstädte durch den Umbau der Bausubstanz und eine entsprechende Zusammensetzung der Bewohner. Der Grundriss und die Fassaden der Häuser blieben im Großen und Ganzen die alten, der Innenraum wurde jedoch entsprechend den ‚Wohnnormen‘ der fünfziger Jahre entworfen: mit hohen Decken, aber schmalen Zimmern, schlecht gedämmt und karg ausgestattet. 199 Łaborewicz: Wybrane uroczystości, 75. 200 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 62–65. 201 Bankowiak, Aleksy/Wagner, Kazimierz: Rekonstrukcja rynku staromiejskiego w Jeleniej Górze. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 60–73. 202 Der Journalist Konrad Przezdzięk nannte das Vorgehen unlängst ein „Verbrechen“ an der Altstadt. Przedzięk, Konrad: Zbrodnia na placu Ratuszowym. In: Jelonka.com vom 10. Dezember 2007, http://jelonka.com/news,single,init,article,12713 [Zugriff am 17.9.2009].

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Abb. 10: Blick auf den Rathausplatz von Jelenia Góra (Hirschberg) 1958. Die Bebauung rund um den Marktplatz verfiel nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund unterlassener Renovierungsarbeiten. Erst Ende der fünfziger Jahre begann eine umfangreiche Sanierung, die stellenweise Baulücken hinterließ. Der junge Fotograf Jerzy Wiklendt dokumentierte seit Mitte der fünfziger Jahre die Entwicklung der Riesengebirgsregion.

Die Arbeiten am Ring von Jelenia Góra (Hirschberg) sollten ursprünglich 1967 abgeschlossen sein, in Wirklichkeit dauerten sie aber viel länger und in den Straßen in Marktplatznähe wurden die Prinzipien einer historisierenden Rekonstruktion bald zu Gunsten quadratischer Neubauten aufgegeben. Einige in jener Zeit entstandene Baulücken wurden bis heute nicht geschlossen, während der Marktplatz in den Folgejahren weitere Renovierungsarbeiten erfuhr. An dieser Stelle sei nur vermerkt, dass zur selben Zeit auch der Marktplatz (plac Piastowski) in Cieplice Śląskie (Warmbrunn) umgestaltet werden musste, nachdem bekannt geworden war, dass die durch die Straßenbahn verursachten Schwingungen die bekannten

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Thermalquellen gefährdeten. Nach und nach wurde der gesamte Straßenbahnbetrieb in der Region stillgelegt.203 Mehr als anekdotischen Charakter hatte dabei die Tatsache, dass 1956 die Glashütte in Szklarska Poręba (Schreiberhau) den traditionellen Namen „Josephinenhütte“ (Huta Józefina) infolge eines verlorenen Rechtsstreits mit dem Vorkriegsbesitzer Franz Graf Schaffgotsch in „Julia“ ändern musste.204 Ab Mitte der fünfziger Jahre stieg auch die Zahl der historischen bzw. populärwissenschaftlichen Publikationen zur Regionalgeschichte. Die Autoren rekrutierten sich zumeist aus dem lokalen Aktivistenkreis: Fremdenführer, Mitarbeiter der Museen oder des Archivs und Lehrer. Namen wie Tadeusz Steć,205 Zbisław Michniewicz,206 Ryszard Kincel,207 Tyburcjusz Tyblewski208 und in späteren Jahren Zbigniew Kulik, Edmund Szczepański, Stanisław Firszt, Przemysław Wiater oder Ivo Łaborewicz sind in diesem Kontext zu nennen. Interessanterweise beteiligten sich die Wissenschaftler aus Wrocław (Breslau) relativ schwach an diesen lokalhistorischen Forschungen – abgesehen von einigen Ausnahmen, etwa dem Geographen Wojciech Walczak209 und dem Literaturwissenschaftler Jacek Kolbuszewski. Diese Zusammensetzung erklärt sich nicht zuletzt aufgrund der Nähe zu den Quellen. Die Archiv- und Museumsmitarbeiter waren beruflich mit den historischen Hinterlassenschaften konfrontiert und trugen zu ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung bei. Aufschlussreicher ist das starke Interesse der Fremdenführer für die Regionalgeschichte. Da es wenig brauchbare Nachkriegspublikationen gab, mussten diese Autoren vielfach auf historisches Material oder genauere Kartendarstellungen aus deutscher Zeit zurückgreifen. 203 Jarmoluk, Borys: Cieplice, dorobek 25–lecia i wizja przyszłości. In: Rocznik Jeleniogórski 8 (1970) 80–89. Der Geschichte der Straßenbahn widmete das Wochenblatt „Jelonka.com“ zahlreiche Artikel. TEJO [Przezdzięk, Konrad]: Zagłada na szynach – galeria zdjęć. In: Jelonka.com vom 26. Juli 2007, http://www.jelonka.com/news,single,init,article,11479 [Zugriff am 17.9.2009]. 204 Trznadel: Huta Szkła, 170. Vgl. ferner Wiater, Przemysław: Kolonia artystyczna w Szklarskiej Porębie. In: Mazur (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa, 127–148, hier 143. 205 Łaborewicz, Ivo: Tadeusz Steć. In: Słownik biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej, http://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/doccontent?id=463&dirids=1 [Zugriff am 25.2.2011]. 206 Michniewicz, Zbisław: Szkic dziejów turystyki śląskiej w Karkonoszach. In: Rocznik Wrocławski 3/4 (1959/60) 372–392; ders.: O najstarszym wizerunku Rzepióra z r. 1561. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 100–118. Zbisław Michniewicz publizierte um 1960 auch zahlreiche populärwissenschaftliche Artikel im lokalen Magazin „Nowiny Jeleniogórskie“. 207 In den Jahren 1967/68 publizierte Kincel mehrere Artikel zur Tourismusgeschichte im Magazin „Nowiny Jeleniogórskie“. Vgl. Łaborewicz, Ivo: Ryszard Kincel. In: Słownik biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej, http://jbc.jelenia-gora.pl/Content/73/kincel.html [Zugriff am 4.3.2011]. 208 Tyblewski war Sozialpsychologe und Aktivist der Esperantobewegung. 209 Walczak, Wojciech: W cieniu Śnieżki. Szkice z dziejów przemian krajobrazu geograficznego Sudetów Zachodnich i ich Pogórza, Wrocław 1967 (Wiedza o Ziemi Naszej 14); Steć/Walczak: Karkonosze.

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Nahe liegend erscheint, dass in solchen Publikationen die Akzente selektiv gesetzt wurden: So hoben die Autoren alle polnischen Aspekte der lokalen Historie hervor oder stellten historische Hintergründe ‚politisch korrekt‘, das heißt im Sinn der offiziellen Geschichtspolitik, dar. Das Bild blieb jedoch keineswegs statisch, wie etwa die zwei Auflagen der Regionalmonographie „Karkonosze“ von Tadeusz Steć und Wojciech Walczak belegen. Während in der Ausgabe von 1954 der geographisch-naturwissenschaftliche Teil leicht dominierte, wuchs der historisch-sozialwissenschaftliche Teil 1962 nahezu achtfach. Allein der Abschnitt zur Tourismusgeschichte vergrößerte sich von sechs auf 86 Seiten. Üppiger fiel in der zweiten Auflage auch die Bibliographie aus, in der deutsche Vorkriegsliteratur dominierte. Der größere Umfang der zweiten Auflage allein erklärt diese Akzentverschiebung nicht. Der Zuwachs an Wissen über die Vergangenheit der Region fand freilich nicht immer seinen Weg in Publikationen oder gar ins historische Bewusstsein der Bevölkerung.210 Dennoch erhielten die Einwohner der Region oft zum ersten Mal die Gelegenheit, ihre lokale Geschichte kennen zu lernen.211 Neben vielfältigen Vermittlungsformen wie Presseartikeln, Vorträgen im Rahmen der TKRiCh-Aktivitäten oder Buchpublikationen wurde das historische Selbstverständnis der Region durch Medien wie Reiseführer beeinflusst, die zwar an auswärtige Besucher gerichtet waren, aber zugleich als Informationsquelle für die lokale Bevölkerung dienten.212 Wie diese Faktoren die Identität der Einwohner prägten, lässt sich anhand des Quellenmaterials nicht feststellen. Eine pauschale Tabuisierung der (deutschen) Vergangenheit oder totalitäre Indoktrinierung lässt sich jedoch keineswegs belegen. Spätestens Anfang der siebziger Jahre waren die Fakten zur Vorkriegsgeschichte der Region bekannt, auch wenn sie selektiv dargestellt wurden. Die Arbeiten und ‚Feldforschungen‘ von Steć, Kincel, Michniewicz und anderen trugen dazu bei, dass ein – in doppeltem Sinn des Wortes – ‚brauchbares‘ Bild der Vergangenheit entstand, aus dem jeweils neue Sinnzusammenhänge konstruiert wurden. So ist es wohl kein Zufall, dass in den Hochphasen der regionalen Reformbestrebungen Themen wie Tourismusgeschichte oder Rübezahl ‚entdeckt‘ wurden und dass Gerhart Hauptmann wohl oder übel ins regionale Geschichtsbild integriert werden 210 Zum Geschichtsbewusstsein der Bevölkerung lässt sich wenig sagen. Neben populären Publikationen wäre auf jeden Fall der Schulunterricht zu nennen. So entstand eine „regionalhistorische Beilage“ zum Geschichtsbuch, die 1971 vom Lokalhistoriker und Lehrer Marian Iwanek erarbeitet wurde. Pańko, Grażyna: Recenzja: Marian Iwanek „Z dziejów ziemi jeleniogórskiej. Wkładka regionalna do nauczania historii ośmioklasowej szkoły podstawowej“. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 30 (1974) 132–133. Vgl. Kwaśny, Zbigniew/Inglot, Stefan (Hg.): Teksty źródłowe do historii Jeleniej Góry, Wroclaw u. a. 1964; Iwanek, Marian: Jelenia Góra jako ośrodek badań i popularyzacji nauk historycznych 1945–2002. In: Rocznik Jeleniogórski 35 (2003) 257–298. 211 Łaborewicz: Wybrane uroczystości, 75. 212 Ihre Rolle hebt Wiater: Kolonia artystyczna, 145f., hervor.

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musste. Diese Korrelation zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung und der Tendenz zur Suche nach historischen Referenzpunkten wird daher in der vorliegenden Arbeit als „angewandte Geschichte“ bezeichnet. Für die kommunistischen Machthaber war Geschichte „verwaltete Vergangenheit“, die strengen ideologischen Grenzen unterlag.213 Die Parteiführung zwang der Bevölkerung ihre Geschichtsideologie in Form wiederkehrender Kampagnen (runde Jahrestage der ‚Wiedererstehung‘ Polens im Jahr 1944 oder des Sieges über den Faschismus, Tausendjahrfeiern polnischer Staatlichkeit) auf. Von besonderer Bedeutung waren dabei öffentliche Manifestationsformen wie Jahrestage, Umzüge oder Erinnerungszeichen. Ein Spiegelbild des öffentlichen Geschichtsdiskurses waren etwa Denkmäler: 1972 waren zehn von 13 Objekten Ereignissen aus dem Zweiten Weltkrieg (sowjetische Armee, Opfer des Faschismus bzw. der Arbeitsund Konzentrationslager in der Umgebung), eines dem internationalen Esperantistentreffen 1958 gewidmet. Lediglich zwei hatten etwas mit der Region im engeren Sinn zu tun: eine Erinnerungstafel an das Treffen dreier polnischer Schriftsteller im damaligen Bad Warmbrunn im 19. Jahrhundert und eine Tafel für die Opfer einer Schneelawine im Gebirge 1968.214 Man könnte etwas überspitzt formulieren, dass der Region lediglich zugestanden wurde, den Fremdenverkehr als lokale Zutat ins offizielle Geschichtsbild einzubringen. Zugleich war der Tourismus eine Nische, in der die regionale Spezifik offen thematisiert werden konnte. Der politische Umbruch in Polen und Ostmitteleuropa Mitte der fünfziger Jahre initiierte einen Wandel des Selbstverständnisses der nach 1945 entstandenen Gesellschaft. Die entstehenden freieren Artikulations- und Organisationsmöglichkeiten wurden genutzt, um eine breitere Partizipation einzufordern, und hatten punktuell Erfolg. Die Diskussionen kreisten wiederholt um Fragen einer regionalen Identität und ihrer historischen, kulturellen und sozialen Bestandteile sowie um den Stellenwert des Fremdenverkehrs im Leben der Region. Die Tourismusproblematik spielte dabei einerseits die Rolle eines erhofften Vehikels für die umfassende Entwicklung des Gebietes, andererseits bündelte sie übergeordnete Fragen wie Selbstbestimmung oder Wirtschaftspolitik. Trotz des elitären Charakters dieser Phänomene erhielten die Aneignungsprozesse damit eine neue Dynamik.

213 Sabrow, Martin: Einleitung: Geschichtsdiskurs und Doktringesellschaft. In: ders. (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR, Köln u. a. 2009, 9–35. 214 Tyblewski, Tyburcjusz (Bearb.): Ziemia Jeleniogórska. Informator turystyczny, Jelenia Góra 1972.

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Die hohen Erwartungen, die seit etwa 1956 an den Auslandstourismus geknüpft wurden, waren nicht nur unter staatlichen Funktionären und Experten verbreitet. In der Region selbst wurde spätestens seit 1957 über eine zu erwartende Öffnung für ausländische Besucher und ihre Folgen diskutiert. Die Argumentation thematisierte zwei Aspekte: die Kooperation mit anderen sozialistischen Staaten und den ökonomischen Mehrwert westlicher Touristen. Die Erfahrungen mit der kurzen Phase der Öffnung für Touristen aus der Bundesrepublik in den Jahren 1956–1958 hatten gezeigt, dass mit einem großen Interesse seitens dieser Gruppe zu rechnen war.215 Die Öffnung wurde auch im Kontext einer eventuellen Erleichterung der grenzüberschreitenden Mobilität für Touristen im Grenzgebiet mit der Tschechoslowakei wiederholt diskutiert. Zwar befanden die Tourismusverantwortlichen der Wojewodschaft im Herbst 1957, dass die Sudeten dafür noch nicht vorbereitet seien, aber das politische Ziel wurde aufrechterhalten. Möglicherweise musste der Grenzverlauf in den Sudeten erst endgültig festgelegt werden, bevor der Schritt zur partiellen Grenzöffnung getan werden konnte. Durch minimale polnische Gebietsabtretungen im Isergebirge oberhalb von Szklarska Poręba (Schreiberhau) konnte dieser Streitpunkt 1958 beigelegt werden. Nach langer Vorbereitungsphase wurde im Juni 1961 die so genannte touristische Konvention in Teilen des Riesengebirges und in der Region um Kłodzko (Glatz) eingeführt. Tourismusfunktionäre nahmen diesen Schritt mit Freude auf. Bald zeigte sich jedoch, dass niemand auf die praktischen Auswirkungen vorbereitet war. Innerhalb von drei Monaten nach Einführung der Regelung stieg die Zahl der Besucher um 30 Prozent und die vorgesehenen Unterkunftskapazitäten reichten bei Weitem nicht aus. Tschechische Touristen seien etwa gezwungen, eigene Zelte mitzubringen, berichtete das Wojewodschaftskomitee für Tourismus.216 Ähnliche Probleme wurden auch 1962 gemeldet und zusätzlich technische Schwierigkeiten bei der Reservierung von Übernachtungen auf der jeweils anderen Seite der Grenze bemängelt. In jenem Jahr überschritten 215 In einem Gutachten zur Entwicklung des Fremdenverkehrs in Niederschlesien von 1964 hieß es unter anderem explizit: „es gibt noch einen weiteren Aspekt, der bei der Benennung von Entwicklungsperspektiven des Fremdenverkehrs berücksichtigt werden muss – die politische Bedeutung Niederschlesiens. Die revisionistische Tätigkeit einiger westdeutscher Milieus wird zweifellos bei vielen Ausländern das Interesse an Niederschlesien (oder allgemeiner an den Westgebieten) beeinflussen.“ APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/40, Plan der touristischen Erschließung 1966–1970, Möglichkeiten einer Entwicklung des Auslandstourismus auf dem Gebiet Niederschlesiens von Stanisław Wawrzyniak und Adam Bajcar, 33–86, hier 75. 216 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/59, Einschätzung der touristischen Sommersaison 1961–1964, Information des Wojewodschaftskomitees für Körperkultur und Touristik über den Tourismus vom 27. September 1961, 14–17.

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knapp 25.000 tschechische und etwa 31.000 polnische Touristen die Grenze im Riesengebirge.217 In Relation zur Gesamtzahl der Touristen im schlesischen Riesengebirge von ungefähr 400.000 im Jahr 1962 klingen diese Zahlen kaum beeindruckend. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass die tschechoslowakischen Bürger nicht wie die kleineren Gruppen ausländischer Besucher zuvor in ihren Ferienheimen eingeschlossen waren, sondern sich im Konventionsgebiet relativ frei bewegen konnten. Die organisatorischen Schwierigkeiten erzwangen diese Freizügigkeit nahezu, da die Touristen auf eigene Faust nach Rast- und Verpflegungsmöglichkeiten suchen mussten. „Ein weiteres Problem bei einem so großen Anstieg des Auslandstourismus ist die Kollision zwischen der örtlichen Bevölkerung und den Touristen aufgrund der Überlastung der Handels- und Dienstleistungsbasis, die nicht imstande ist, eine so große Anzahl von Touristen zu versorgen. [...] Dazu kommt noch, dass die Konventionsgebiete, vor allem mit der Tschechoslowakei, Regionen umfassen, die in der Saison traditionell von einer Masse von Inlandstouristen besucht werden. Das steigert die Probleme des Dienstleistungssektors“, schrieb ein Verantwortlicher 1964.218 Es fehlte auch an Wanderkarten und Informationsmaterialien; der Reiseführer durch das Konventionsgebiet erschien zu spät und seine zu niedrig angesetzte Auflage war schnell vergriffen.219 Dennoch schien das beiderseitige Interesse nach Jahren der Isolation relativ groß. In zahlreichen Artikeln für die Lokalpresse wurden den Lesern die Wandergebiete und Orte jenseits der Grenze nahe gebracht, während über Konflikte zwischen den Touristengruppen nicht berichtet wurde. Wenn Zweifel an der politischen Zweckmäßigkeit des eingerichteten „Wegs der Polnisch-Tschechoslowakischen Freundschaft“ geäußert wurden, dann war es eher aufgrund des schlechten Zustands der Infrastruktur.220 217 Margas: Kronika roku 1962, 136. Deutlich mehr Tschechen, nämlich etwa 75.000, besuchten das Glatzer Land. 218 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/50, Information über die Entwicklung des Fremdenverkehrs 1963/64, Information über den Auslandstourismus in der Wojewodschaft Wrocław (Breslau) vom 11. November 1964, 221f. 219 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/59, Einschätzung der touristischen Sommersaison 1961–1964, Information des Wojewodschaftskomitees für Körperkultur und Touristik über den Tourismus vom 27. September 1961, 6–11. Vgl. Igielski, Władysław: Na szlakach przyjaźni. Przewodnik po rejonie objętym konwencją turystyczną polsko-czechosłowacką w Sudetach, Wrocław 1962. Von weiteren Problemen (Herbstschließung der tschechischen Bauden, fehlende Hinweistafeln auf Polnisch) berichtete die PTTK aus Jelenia Góra (Hirschberg) in einem Brief vom 24. Oktober 1962. APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/59, Einschätzung der touristischen Sommersaison 1961–1964, Information des Wojewodschaftskomitees für Körperkultur und Touristik über den Tourismus vom 27. September 1961, 4. 220 Verbittert stellte noch 1968 ein Diskussionsteilnehmer aus der Touristikkommission des Kreisnationalrats fest: „Das Problem des Tourismus in Szklarska Poręba [Schreiberhau] ist ein politisches Problem, das der Lösung bedarf. Die Schuld daran tragen der Hauptvorstand der

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Wann genau erste Touristen aus der DDR das polnische Riesengebirge bereisen durften, kann anhand der Unterlagen nicht genau ermittelt werden. Das Reisebüro der DDR scheint Pauschalreisen ins Riesengebirge seit 1961 angeboten zu haben.221 Das KTW schickte jedoch mit Sicherheit spätestens 1960 Sportler- und Wandergruppen in dieses Gebiet. So berichtete das lokale Wochenblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ Ende Januar 1960, dass in der Wintersaison 500 Touristen aus der DDR in der Bergbaude „Schronisko im. Bronisława Czecha“ (der früheren Schlingelbaude) untergebracht würden.222 Vor dem Hintergrund dieser ersten Wandergruppenfahrten kam es im Februar 1961 zu einem Zwischenfall, dessen Verlauf und Wahrnehmung sehr viel über die politischen Implikationen des Problems aussagen. Aus dem Schriftverkehr zwischen der ostdeutschen Botschaft, dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR und dem KTW geht hervor, dass sich zu jener Zeit vier Touristengruppen aus den Bezirken Schwerin, Cottbus, KarlMarx-Stadt und Magdeburg in der Bergbaude „Odrodzenie“ (dem früheren „Jugendkammhaus Rübezahl“), einer direkt an der tschechoslowakischen Grenze gelegenen Herberge, aufhielten. Einige Reiseteilnehmer waren anscheinend mit den Unterkünften und dem Programm nicht zufrieden, was nicht zuletzt an mangelnder Information vorab gelegen haben dürfte. Daraufhin „randalierten“ einige Touristen in ihren Zimmern, andere wiederum unternahmen auf eigene Faust einen Ausflug auf die Schneekoppe und lösten Grenzalarm aus.223 Bemerkenswerterweise versuchten polnische Tourismusfunktionäre im ersten Moment, den Vorfall herunterzuspielen. Ein ostdeutscher Offizieller berichtete: „Die polnischen Genossen meinten, man brauche die Sache nicht zu dramatisieren. Sie hätten einen TourisPTTK und übergeordnete Stellen. Die touristische Konvention haben nicht lokale Behörden erfunden und nicht sie laden ausländische Gäste in dieses Gebiet ein. Der eingerichtete ‚Freundschaftsweg‘ festigt diese nicht, sondern verursacht gerade den umgekehrten Effekt.“ APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze 115, Kommission für Erholungs- und Kurwesen, Touristik und Sport 1968/69, Protokoll Nr. 7/68 über den Lokaltermin der Kommission für Erholung, Körperkultur und Touristik des WRN in Szklarska Poręba (Schreiberhau) vom 27. Juni 1968 (gemeinsam mit der Kommission für Erholungsund Kurwesen, Touristik und Sport des PRN von Jelenia Góra [Hirschberg] und einer entsprechenden Kommission des MRN von Szklarska Poręba [Schreiberhau]). 221 Dieses geht aus einem Vermerk im Entwurf eines DER-Berichts über die „Einschätzung der Touristik des DER im Jahre 1961“ hervor; darin heißt es: „Urlaubsreisen nach dem polnischen Teil des Riesengebirges stellten ebenfalls eine neue Variante dar.“ BA, Reisebüro der DDR, DM 102/3317, Statistik und Einschätzung, II. Quartal 1962, Zusammenfassung der Berichte der Auslandsvertretungen der DDR über den Touristenverkehr 1961 vom 5. April 1962. 222 Man.: Młodzi Niemcy z NRD w schronisku „Bronka Czecha“. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 4 vom 28. Januar 1960, 1. Im Frühjahr desselben Jahres sollen sich 16 Jugendtouristengruppen aus der DDR (von 18 ausländischen Gruppen insgesamt) in der Region aufgehalten haben. 223 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1829, 61–65.

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tenaustausch mit der DDR von über 1.000 Touristen, der bisher mit vollem Erfolg und voller Zufriedenheit durchgeführt wurde. Dies sei das erste Vorkommnis dieser Art und man darf annehmen, daß es sich tatsächlich um eine Einzelerscheinung handelte.“224 So glimpflich sollte der Fall aber nicht enden. Ende März 1961 kam es zu Gesprächen führender Vertreter des KTW und des polnischen Jugendtouristikbüros in Warszawa (Warschau).225 Dabei berichteten die polnischen Genossen, dass es bei einer ostdeutschen Touristengruppe (vermutlich derselben) „zu Ausschreitungen gekommen ist, in deren Verlauf faschistische Lieder gesungen und erklärt wurde, die ‚Polen müssen aus dem Riesengebirge raus‘. Ferner sollen ,Heil Hitler‘ gerufen [sic!] und polnische Genossen (u. a. ein Milizionär) bedrängt worden sein.“226 Diese Zwischenfälle wurden angeblich bei einer örtlichen Wahlversammlung diskutiert und hätten Unruhe unter der polnischen Bevölkerung ausgelöst. Das Zentralkomitee der PZPR reagierte mit einer Stornierung des geplanten Sonderzugs mit 400 Touristen aus der DDR ins Riesengebirge und drohte, keine Ostdeutschen mehr in dieses Gebiet zu lassen.227 Ein polnischer Jugendtourismusfunktionär erklärte, „dass das Verhalten der Touristengruppe den polnischen Genossen in der politischen Arbeit unter der Bevölkerung große Schwierigkeiten bereite. Die politische Arbeit in diesem Gebiet sei sowieso auf Grund der Vergangenheit sehr kompliziert. Er führte aus, dass ein undiszipliniertes Auftreten eines Amerikaners, Franzosen oder Engländers nicht so große Folgen nach sich ziehe, als wenn es Deutsche, und in diesem besonderen Falle DDR-Bürger, sind.“228 Nach langen Verhandlungen kam man überein, den Touristenverkehr ins Riesengebirge nicht ganz aufzugeben, jedoch „sei extra hervorgehoben worden, dass für das Riesengebirge eine besondere Auswahl der Jugendlichen getroffen werden müsse.“229 Als Grund für das auffällige Auftreten der betreffenden Gruppe führte man nämlich an, dass sie „überwiegend aus älteren Menschen [bestanden hatte], die früher in diesem Gebiet gewohnt haben und die Reise zum Anlaß nahmen, ‚ihre Heimat‘ wiederzusehen. Dabei sollen sich einige Mitglieder der Gruppe abfällig über den ungenügenden Aufbau des Gebiets ausgesprochen haben. Es soll vorgekommen sein, dass der Bevölkerung provokatorische Fragen gestellt wurden.“230 Dies war kein Einzelfall: 224 Ebd., 63. 225 Ebd., A 4167, Schreiben des Leiters der Konsularabteilung in der Botschaft der DDR in Warszawa (Warschau), Reißig, an das MfAA, Konsularabteilung, Sektion 3, vom 6. April 1961, 125–127. 226 Ebd., 125. 227 Ebd. 228 Ebd., 126. 229 Ebd., Aktenvermerk über eine Besprechung des Genossen Schumann mit dem Vorsitzenden des Koordinierungskomitees der Allpolnischen Jugendverbände, Genossen Cebulis, am 10. April 1961, 124. 230 Ebd.

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Vertreter des DER berichteten im Lauf des Jahres 1961 wiederholt von „weitere[n] unrühmliche[n] Auftritte[n], unangebrachte[m] Benehmen, Halbstarkenauftritte[n], Interessenlosigkeit [sic!] für politische Gespräche mit polnischen Bürgern, Entfernung von der Gruppe bis zu 3 Tagen, fotografieren [sic!] verbotener Objekte usw.“231 Im Einzelnen lässt sich nicht feststellen, was mit den sehr allgemeinen Vorwürfen gemeint war und wie verbreitet das Phänomen tatsächlich war. Gewiss wäre „unauffälliges Verhalten“, wie auch immer von den Funktionären definiert, in den Berichten nicht vermerkt worden, aber die Vorfälle sagen nichtsdestoweniger vieles über die Wahrnehmung des Problems aus. Während die Ostdeutschen aus nachvollziehbaren Gründen touristische Reisen zum Besuch der „alten Heimat“ nutzten und dabei kritische Vergleiche mit der Vorkriegszeit zogen, reagierten die offiziellen Stellen auf beiden Seiten sehr sensibel. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Tourismusfunktionäre versuchten, business as usual zu betreiben. Aus der institutionellen Logik von Reisebüro, KTW, „Orbis“, PTTK und lokalen PPUT-Aktivisten heraus sah man die ‚politischen‘ Zwischenfälle als minder wichtige Hindernisse auf dem Weg zur Intensivierung der touristischen Zusammenarbeit. Letztere war das politische Ziel. Eine undatierte Quelle beinhaltet folgende Aussage des Vizedirektors des Warschauer Instituts für Internationale Fragen gegenüber Parteifunktionären der Wojewodschaftsleitung in Wrocław (Breslau): „Der Touristenaustausch Polen-DDR [sei] für die Perspektive unvermeidlich und notwendig, um die Beziehungen zwischen den beiden Völkern ständig zu entwickeln. Schließlich sei das ein Weg, damit sich die Bevölkerung gegenseitig bekanntmacht, sich gegenseitig achten lernt und die Probleme gegenseitig versteht. Das wiege alle scheinbaren oder bestehenden nachteiligen Wirkungen auf.“232 Es ging aus Sicht der DDR um mehr als die „verordnete Freundschaft“ zwischen Bürgern sozialistischer Staaten. Die Befriedung der eigenen Gesellschaft seit dem Aufstand von 1953 und angesichts weiterer welt- und deutschlandpolitischer Krisen zog für die Ost-Berliner Führung eine kostspielige Sozialpolitik nach sich, in der Freizeitangebote eine immer größere Rolle spielten, zumal der Lebensstandard stieg und westliche Lebensstile nachgeahmt werden wollten.233 Diese wachsenden Anforderungen erzwangen mehr Angebote für Urlaubsreisen ins ‚befreundete‘ Ausland. Die Ostdeutschen gehörten, nicht zuletzt aufgrund der stillen Konkurrenz mit den westdeutschen „Reiseweltmeistern“, zu den reisefreudigsten Ost231 BA, Reisebüro der DDR, DM 102/3317, Statistik und Einschätzung, II. Quartal 1962, Zusammenfassung der Berichte der Auslandsvertretungen der DDR über den Touristenverkehr 1961 vom 5. April 1962. 232 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1829, Haltung zum Tourismus aus der DDR und Westdeutschland, 231. 233 Kowalczuk, Ilko-Sascha: Das bewegte Jahrzehnt. Geschichte der DDR von 1949 bis 1961, Bonn 2003, 66, 111–130; Wolle, Stefan: Aufbruch in die Stagnation. Die DDR in den Sechzigerjahren, Bonn 2005.

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blockeinwohnern.234 Entsprechende Verträge mit der Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und auch der Sowjetunion wurden vom Reisebüro der DDR schon bald nach der Liberalisierung der Einreisevorschriften Ende der fünfziger Jahre geschlossen. Dabei nahm man Minusbilanzen im offiziell „devisenlosen“ Touristenverkehr hin.235 Unerwünschte Äußerungen von Ostdeutschen bei Polenreisen wurden registriert, jedoch im allgemeinen Zusammenhang als vergleichsweise unproblematisch betrachtet. Diese Ventilfunktion des Polentourismus wurde auch im Kontext einer weiteren Liberalisierung der Einreisebestimmungen 1963 sichtbar.236 Organisierten Busreisegruppen und individuellen Kfz- und Motorradtouristen aus der DDR wurde die Möglichkeit geboten, über das Wochenende bzw. an Feiertagen nach Polen zu fahren, und zwar in die Wojewodschaften Wrocław (Breslau) und Kraków (Krakau) sowie in die Gegend um Szczecin (Stettin). Die Ausreise erfolgte über den 1958 eröffneten Grenzübergang in Görlitz bzw. über Pomellen.237 Obwohl diese Regelung am 1. Januar 1963 in Kraft trat, sahen ostdeutsche Stellen zunächst von einer Propagierung in der ostdeutschen Presse ab, weil zu diesem Zeitpunkt nicht alle finanziellen Fragen zwischen „Orbis“ und dem Reisebüro der DDR geklärt waren. Schon bald wandten sich Ostdeutsche an ihre Bezirkszeitungen mit der Frage, worin die neuen Regelungen bestünden, und beriefen sich auf Meldungen in westdeutschen Zeitungen und polnischen Medien. Ein gewisser Jürgen Fuchs schrieb an die ostdeutsche Zeitschrift „Wissen und Leben“: „Vor dem 13. August 1961 hatte ich noch eine Erklärung dafür, warum unsere Regierung diese Möglichkeit des Touristenverkehrs nicht eingeführt hat, aber heute bei geschlossenen Grenzen gegenüber dem Kapitalismus kann auch ich es nicht mehr verstehen.“238 Der Hinweis auf den Mauerbau mag in seiner Deutlichkeit überraschen, jedoch wird dabei durchaus der Kern der Sache angesprochen: das Verlangen nach Reisen

234 Wasiak, Kazimierz: Wpływ otwartej granicy pomiędzy Polską a NRD na pzebieg procesów internacjonalizacyjnych, Szczecin 1985 (Rozprawy i studia. Wyższa Szkoła Pedagogiczna w Szczecinie 63), 61. 235 Großmann, Margita: „Boten der Völkerfreundschaft“? DDR-Bürger im sozialistischen Ausland. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bonn, 6. Juni bis 13. Oktober 1996. Hg. v. Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1996, 77–82; Pierau, Ralf: Urlaub, Klappfix, Ferienscheck. Reisen in der DDR, Berlin 2003. 236 Das Jahr 1963 stellte eine Art Schlüsseljahr bei der Entwicklung der Passvergabepolitik und der Mobilität zwischen den sozialistischen Staaten dar. Vgl. Borodziej/Kochanowski/Puttkammer (Hg.): Schleichwege. 237 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 26/135, Beschreibendes Material und statistische Daten zum Fremdenverkehr 1963. 238 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1829, 135f. Dort befinden sich auch weitere Leserbriefe.

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der Ostdeutschen bei abgeschotteten Westgrenzen.239 Die Reisefreiheit nach Osten als Ersatz schien für einige Bürger der DDR eine legitime Forderung an die Obrigkeit zu sein.240 Bei allen politischen Vorbehalten und organisatorischen Schwierigkeiten erschien die Erschließung des Riesengebirges für ostdeutsche Touristen als eine für alle Seiten akzeptable Lösung. Als unschlagbarer Vorteil des Reiseziels Polen galt aus Sicht der ostdeutschen Führung die Tatsache, dass das Land ausschließlich an andere Ostblockstaaten grenzte. Während Fluchtversuche nach Westen über die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien oder bei Mittelmeerkreuzfahrten ein weit verbreitetes Problem, das den Funktionären in der DDR den Schlaf raubte, darstellten, konnte Polen von „Republikflüchtlingen“ höchstens als Transitland genutzt werden.241 Ähnlich wie im Fall anderer populärer Reiseziele östlich und südöstlich der Elbe kam es im Riesengebirge seit den frühen sechziger Jahren wiederholt zu Familientreffen Ost- und Westdeutscher. Bürger aus der Bundesrepublik durften zwar damals in nur sehr begrenztem Maß nach Polen reisen, dafür besuchten sie seit 1964 verstärkt die Tschechoslowakei und verabredeten sich im grenzüberschreitenden Wandergebiet des Riesengebirges mit ihren ostdeutschen Verwandten und Bekannten, die vom Norden aus anreisten. Noch bevor der „Weg der Polnisch-Tschechoslowakischen Freundschaft“ – von manchen spöttisch „Freundschaft-weg!“ genannt – durch polnische und tschechoslowakische Dissidenten seit den späten siebziger Jahren als Ort für Treffen und samizdat-Schmuggel genutzt wurde, fungierte er als authentischer Weg der Freundschaft für Deutsche aus Ost und West und teilweise als Begegnungsort der restdeutschen Bevölkerung aus Polen und der Tschechoslowakei.242 Diese und ähnliche Vorfälle führten Ende der siebziger Jahre zu einer 239 Auf den Zusammenhang zwischen der Einführung des pass- und visafreien Grenzverkehrs zwischen der DDR und Polen bzw. der Tschechoslowakei im Jahr 1972 und dem Transitabkommen mit der BRD, „von dem die Menschen in der DDR aber nichts hatten“, weisen Hübner/Hübner: Sozialismus, 237f., hin. 240 Zur öffentlichen Kommunikationspraxis in der DDR im Allgemeinen vgl. Lüdtke, Alf/Becker, Peter (Hg.): Akten, Eingaben, Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997, hier insbesondere den Beitrag von Merkel, Ina: „... in Hoyerswerda leben jedenfalls keine so kleinen viereckigen Menschen.“ Briefe an das Fernsehen der DDR, 279–311. 241 Tantzscher, Monika: Die verlängerte Mauer. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste der Warschauer-Pakt-Staaten bei der Verhinderung von „Republikflucht“, Berlin 1998 (Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Reihe B: Analysen und Berichte 1/1998). 242 Besonders im Zusammenhang mit der Schneekoppe wurde oft von Treffen und illegalem Handel berichtet. Vgl. den Bericht des Leiters des Grenzschutzbatallions von Szklarska Poręba (Schreiberhau), Zdzisław Drobniak, vom November 1970 in: APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze, Sitzungsprotokolle des PRN-Präsidiums 1970, Bd. 39 VIII/70 (5. November), 156–159. Vgl. ferner IPN Wrocław, 032/647, Bd. 2, Meldung des IM „Alfa“ über das Verhalten von Touristen aus der DDR in Karpacz (Krummhübel) vom 13. Juli 1964, 32–36.

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zeitweiligen Sperrung der Grenzwanderwege für Ausländer (Touristen aus der DDR), denen „chauvinistisches Verhalten“ vorgeworfen wurde.243 In ostdeutschen Quellen wird bei Reisen Ostdeutscher ins Riesengebirge am häufigsten von folgenden Probleme berichtet: Verwendung deutscher Ortsnamen, abfällige Bemerkungen über die „polnische Wirtschaft“, Besuche der früheren Wohnorte, „unerlaubtes“ Fotografieren, aber auch kritische Kommentare zur Realität in der DDR. Jenseits aller politischen Problematik betrafen die meisten negativen Äußerungen der Ostdeutschen – den Berichten der Betreuer nach zu urteilen – ganz praktische Aspekte wie die Qualität der Unterkünfte und der Verpflegung oder das Angebot an Ausflügen und kulturellem Nebenprogramm.244 Für die polnische Seite brachte die Intensivierung der touristischen Zusammenarbeit mit der DDR andere Vorteile: Neben der Entwicklung der Ferienregionen durch Deviseneinnahmen und staatliche Investitionen erlaubte die Kooperation, gewisse Konsumbedürfnisse der eigenen Bevölkerung mit ostdeutschen Waren zu befriedigen. Der polnische ‚Einkaufstourismus‘ sollte sich zwar erst nach der Grenzöffnung 1972 zu einem wahren Problem entwickeln, doch schon mit der schrittweisen Liberalisierung der bilateralen Einreisebestimmungen in den sechziger Jahren wurde diese Tendenz sichtbar.245 Da die Handelsbeziehungen zwischen den RGW-Staaten eine Art Nullsummenspiel waren, musste Polen den Konsum der eigenen Bürger in der DDR durch vergrößerte Exporte ‚bezahlen‘.246 Aufgrund zentral vereinbarter Handelspläne kauften die Notenbanken beider Länder gegenseitig eine bestimmte Summe an Devisen, die für festgelegte Zwecke verwendet wurden. Überstieg der Bedarf an Ostmark den für den Fremdenverkehr vereinbarten Betrag, musste entweder die Devisenzuteilung, das heißt die Reisemöglichkei243 Dies berichteten die „Nürnberger Nachrichten“ am 31. Oktober 1978. Vgl. Riesengebirgsheimat. Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe, November 1978. Das Blatt gibt weiter an, kurz davor habe sich in Dresden ein illegaler „Riesengebirgs-Verein“ gebildet, dessen Mitglieder bei Wanderungen mit dem Riesengebirgslied („Riesengebirge, du deutsches Gebirge“) Mißfallen erregt hätten. Beschwerden von Touristen aus der DDR über die Sperrung des Freundschaftswegs wurden sogar von der SED-Bezirksleitung Dresden an das Zentralkomitee und das MfAA weitergeleitet. BA – SAPMO, DY 30/2633, Hausmitteilung der Abteilung Transport- und Nachrichtenwesen an einen gewissen Dr. Mittag vom 27. September 1978, 58–60. 244 In persönlichen Erinnerungen spielen Preisunterschiede und Anmerkungen zur Professionalität des Personals eine große Rolle; erst auf explizite Nachfrage werden Probleme wie die scharfe Bewachung der Grenze oder der Mangel an deutschsprachigen Informationen genannt. Gespräch mit Christian Neumann, 12. September 2008. 245 Wasiak: Wpływ otwartej granicy, 58–78; Kochanowski, Jerzy: Socjologiczny zwiad po otwarciu granic PRL-NRD. In: Polski Przegląd Dyplomatyczny 1 (2001) 229–255. 246 Wasiak: Wpływ otwartej granicy, 118f. Nach der überwältigenden Reaktion auf die Grenzöffnung 1972 musste Polen die Devisenzuteilung begrenzen, was zum sofortigen Rückgang der ‚Touristenzahlen‘ führte. Aufschlussreich ist auch Wasiaks Feststellung, dass unter dem Einfluss der ostdeutschen Konsumgewohnheiten auch in Polen beispielsweise die Ausgaben für Freizeitreisen stiegen.

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ten, begrenzt werden oder man erhöhte die dafür vorgesehene Summe, etwa indem die Handelspläne nachverhandelt oder kurzerhand Devisen hinzugekauft wurden. Letzteres mieden die Notenbanken tendenziell. So blieb es oft den Touristen selbst überlassen, sich die nötigen Summen an Auslandswährung zu besorgen, was bereits in den sechziger Jahren zum Aufblühen des Schwarzmarktes führte und von den Regierungsstellen machtlos beobachtet wurde.247 Wie erlebte die lokale Bevölkerung dieses Phänomen? Aussagen darüber lassen sich nur mittelbar machen. Dokumente der lokalen Verwaltung, Berichte der DER-Vertreter, Staatssicherheitsakten und persönliche Erinnerungen geben im begrenzten Sinn Aufschluss. Die Verwaltungsdokumente reflektieren vor allem die Perspektive der Institutionenvertreter und thematisieren das Problem nur beim Auftreten von Zwischenfällen. Oft reagierte man, wie im oben geschilderten Fall von 1961, stark überzogen auf relativ harmlose Ereignisse. Manchmal sind die Quellen gar durch persönliche Rivalitäten gefärbt.248 Bei Gesprächen mit Zeitzeugen kommt erschwerend hinzu, dass das Erinnerte oft von späteren Entwicklungen überlagert wird und dass eine persönliche Verwicklung in halblegale Aktivitäten wie Devisenhandel oder heimliches Vermieten von Privatquartieren nicht offen angesprochen wird. Dennoch lassen sich anhand des Materials einige Schlussfolgerungen zum Verhältnis zwischen Reisenden und Bereisten ziehen. Das Auftreten einer größeren Anzahl Deutsch sprechender Menschen war sicherlich eines der sichtbarsten Zeichen einer sich verändernden Realität im Riesengebirge. Ende 1964 schrieb ein Tourismusfunktionär im Hinblick auf die Anwesenheit von Jugendgruppen aus der DDR in Karpacz (Krummhübel): „Eine solch große Ansammlung deutscher Jugendlicher erlaubt keine ordentlichen Kontakte mit der polnischen Jugend und erschwert die touristische Handhabung. Überall sieht man kleine Gruppen von drei deutschen Touristen, was den Anschein einer übermäßigen Präsenz macht, und deren Verhalten ist manchmal bedenklich.“249 247 In den siebziger Jahren entstand ein entsprechender IM-Bericht über die Art und Weise, wie der Staat um Westdevisen gebracht werde: unter anderem durch den kollektiven Umtausch auf dem Schwarzmarkt durch Reiseführer, Busfahrer oder Reisebüroleiter. IPN Wrocław, 020/217, Objektsache „Pionier“ (Hans Meyer), Dienstliche Information vom 7. November 1974, 25–29. In einer früheren Quelle wurde der illegale Devisenhandel als „in hohem Maße schädlich“ bezeichnet, wobei die Funktionsweise der offiziellen Währungsumtauschpunkte jedoch kritisiert wurde. APW, Komitet Wojewódzki PZPR we Wrocławiu, 74/IV/113, 88– 104. Von Interesse ist ferner die Information, dass die örtlichen Unternehmen keinerlei wirtschaftlichen Vorteile vom Auslandstourismus hätten, da die Devisen in zentrale Fonds wanderten, während der Besucher vor Ort nach zentralen Kursen umgetauschte Złoty ausgebe, also polnischen Touristen gleich gestellt sei. 248 Besonders in den IM-Berichten aus dem Milieu der Fremdenführer wurden oft Sticheleien gegenüber angeblich privilegierten Konkurrenten, Informationen zu intimen Beziehungen zwischen Vertretern ausländischer Reisebüros und örtlichen Mitarbeitern und ähnliche Vorfälle genannt. 249 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/50, 288f.

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Ebenso wurde berichtet: „Am Sonntag passieren den Grenzübergang in Zgorzelec 15–20 Autobusse, Individualtouristen nicht mitberechnet. Viele Deutsche kommen zu Tagesausflügen im Rahmen der Konvention. [...] Die deutschen Touristen genießen große Freizügigkeit, deswegen vernimmt man von ihrer Seite Beschwerden über schlechten Service in Ortschaften, die nicht auf Touristenbedienung spezialisiert sind. Das betrifft insbesondere die Gastronomie.“250 Es war somit nicht nur die Zahl der Reisenden, die für Aufsehen sorgte, sondern ihr Erscheinen an dafür nicht vorbereiteten Orten oder ‚auffallendes‘ Verhalten wie laute Gespräche auf Deutsch. In der Tat konnte in den ersten Jahren der Grenzöffnung für Konventions- und Passierscheintouristen der Eindruck einer geballten (ost)deutschen Präsenz entstehen. Dies lag weniger an der Zahl der Grenzübertritte selbst, denn die Wojewodschaftsverwaltung in Wrocław (Breslau) sprach 1964 von 35.000 ostdeutschen Touristen gegenüber 120.000 Besuchern aus der Tschechoslowakei.251 Erst die Vorstellung, dass angesichts des größeren Grades individueller Motorisierung in Ostdeutschland jeden Tag Hunderte Trabis und Wartburgs in Karpacz (Krummhübel) oder Szklarska Poręba (Schreiberhau) ankamen, veranschaulicht die visuelle ostdeutsche Präsenz im Riesengebirge. Die Touristen aus der DDR waren zudem nicht nur in peripheren Einrichtungen wie „Orlinek“ oder den Bergbauden „Hala Szrenicka“ und „Bronka Czecha“ untergebracht, sondern auch im Zentrum der Stadt in den Pensionen „Świt“ und „Biały Jar“ oder in der PTTK-Herberge in Karpacz (Krummhübel). Ferner bewegten sich nicht wenige Ostdeutsche in der Stadt auf der Suche nach Einkaufsläden, Gastronomie- und Tanzlokalen und fielen dadurch auf. Fälle von offenen Anfeindungen vor diesem Hintergrund sind in den Dokumenten nicht vermerkt, allerdings sind sie keineswegs auszuschließen. Einen weiteren Aspekt führt der Bericht über eine Kontrolle des Tourismusausschusses des örtlichen Kreisnationalrats vom Sommer 1965 in der Baude „Hala Szrenicka“ an. Demnach war der Esssaal den dort einquartierten Touristen aus der DDR vorbehalten, was zu Beschwerden polnischer Urlauber führte. In dem Bericht hieß es weiter: „Der Heimleiter erklärte, dass die deutschen Touristen hohe Tagessätze von 140 Złoty zahlen und eine volle Absicherung der Bedienung und Ausstattung haben müssen. Unsere Touristen kommen mit vollen Rucksäcken, verschmutzen den Saal, der nach festen Essenszeiten arbeitet. Es gibt noch andere drei Säle, die für alle Touristen vorgesehen sind. Die ausländischen Gäste sind ständige Gäste, die ganze Saison über, und die Zahl des Personals in der Herberge erlaubt es nicht, nach jeder Besuchergruppe die Räume zu reinigen. Die Kommission nimmt diese Erklärung 250 Ebd., 71r. 251 APW, Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej, KKFiT XVI/50. „Orbis“ gab die Übernachtungszahlen mit 38.975 (Tschechoslowakei) bzw. 11.524 (DDR) an, wobei vermutlich auch das Konventionsgebiet in der Tatra berücksichtigt wurde. AAN, Polskie Biuro Podróży „Orbis“ 7/17, Wirtschaftsabteilung, Ökonomische Analysen für die Jahre 1960–1964.

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zur Kenntnis.“252 Ironie der Geschichte ist, dass es einige Jahre später die Ostdeutschen waren, die sich über die Bevorzugung westdeutscher Touristen durch polnische Anbieter beschwerten.253 Gleichwohl kann von einer Anpassung der örtlichen Bevölkerung an die Situation gesprochen werden. Mit der Steigerung der Touristenzahlen kamen immer mehr Menschen, die offiziell oder de facto in der Privatwirtschaft tätig waren, mit der Fremdenverkehrsorganisation in Berührung: Vermieter von Privatquartieren, Gaststättenbetreiber, Andenkenverkäufer, Fotografen, Fahrer usw. In diesem Sinn trug der Auslandstourismus zur erwünschten Wirtschaftsentwicklung bei, jedoch oft in Bereichen, die sich dem Zugriff staatlicher Stellen entzogen. Die Region passte sich gewissermaßen an die Bedürfnisse des Marktes im transnationalen Kontext an. Das Phänomen erreichte erst in den siebziger Jahren bedeutendere Dimensionen und es darf nicht vergessen werden, dass auch die innerpolnische Entwicklung wichtige Impulse brachte.254 Die Nachfrageorientierung hatte auch skurrile Züge: So wurde im März 1967 berichtet, dass im „Orlinek“ Postkarten von 1938 verkauft würden, was interessanterweise auf das Fehlen aktueller Publikationen dieser Art zurückgeführt wurde.255 Man darf auch annehmen, dass die (erhoffte) Nachfrage seitens deutscher Touristen zur Rückkehr der Rübezahlfiguren führte, deren Produktion bekanntlich nicht staatliche, sondern private Unternehmen übernahmen. Die politischen Probleme verloren bis zum Ende der beschriebenen Periode nicht an Brisanz. Noch im September 1970 schrieb der „Reisebüro“-Vertreter im Riesengebirge über eine Reiseleiterin, der Folgendes vorgeworfen wurde: „arrogantes Auftreten und daß nur die ehemaligen deutschen Namen der polnischen Orte von ihr genannt werden, auch vor den Touristen. Es ist leider noch so üblich, daß der größte Teil unserer Reisenden der Pauschal- und Kurzfahrtentouristik nur die deutschen Ortsnamen kennen will. Mit diesem Zustand kann man sich nicht mehr abfinden. Wer als Reiseleiter in die VR Polen fährt, der soll die polnischen Namen lernen oder der Reiseleiter soll in der DDR bleiben.“256 Es sollte daher nicht ver252 APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze 112, Kommission für Erholungs- und Kurwesen, Tourismus und Sport 1965/66, Protokoll vom 10. August 1965, 96–98. 253 Vgl. den bereits zitierten IM-Bericht aus dem Jahr 1974. IPN Wrocław, 020/217, Objektsache „Pionier“ (Hans Meyer), Dienstliche Information vom 7. November 1974. Allerdings vermeldeten DER-Vertreter schon früher geringschätzige Bemerkungen über die DDR und insbesondere den Wert der MDN seitens polnischer Reiseleiter. BA, Reisebüro der DDR, DM 102/3317. 254 Wasiak: Wpływ otwartej granicy, 103, 114. Zur innerpolnischen Entwicklung vgl. Sowiński: Wakacje, 174. 255 APW-JG, Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze, Kommission für Erholungs- und Kurwesen, Tourismus und Sport 1967, Protokoll der Kommissionssitzung vom 23. März 1967, 179. 256 BA, Reisebüro der DDR, DM 102/594, Berichte Auslandsvertretungen 1969/70, Monatsbericht August 1970 (Polen) vom 5. September 1970.

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wundern, dass die örtliche Bevölkerung nicht zwischen West- und Ostdeutschen unterschied.257 Das Bild der ‚guten Deutschen‘ musste angesichts der auftretenden Zwischenfälle recht diffus sein. In den siebziger Jahren wurden relativ häufig ‚revisionistische‘ Treffen von Bürgern aus der DDR und der Bundesrepublik in der ehemaligen Heimat gemeldet, was zur Verbreitung von Ängsten vor einer deutschen Bedrohung beitrug.258 Ende der sechziger Jahre erreichten die Dimensionen des Tourismus aus der DDR eine Größe, die eine wirksame Kontrolle und Überwachung aller Teilnehmer und Äußerungen unmöglich machte. Der Vertreter des Reisebüros der DDR gab im November 1969 an, dass von 75.714 ostdeutschen Touristen in Polen (5.221 Pauschalurlauber, 64.772 Kurzreisende, 5.721 Konventionstouristen) etwa 50.000 ins Riesengebirge fuhren.259 Ein Jahr später präzisierte der ständige Vertreter in Karpacz (Krummhübel), Werner Neumann, diese Zahlen: „Bis einschl. Oktober 1970 sind in VR Polen 4.491 Touristen der Pauschaltouristik aus der DDR eingereist. Von dieser Zahl sind ungefähr 35–40 % ins Riesengebirge gefahren. Täglich hielten sich dort ca. 130 bis 180 Touristen auf. In der Zeit vom 1.9.70 sind 27.768 Personen aus der DDR durch die Kurzfahrtentouristik in das polnische Riesengebirge gefahren. Die Zahlen für September einschl. Oktober 1970 liegen noch nicht vor, man kann sie nur schätzen. Es werden ungefähr 5–6.000 Touristen hinzukommen. Täglich hielten sich im Riesengebirge Kurzfahrtenreisende über das Wochenende in den Zahlenbereichen von 1.000 bis 3.000 Personen auf, wobei diese Zahlen in der Wochenmitte auf 150 bis 300 Personen zurückgingen. Hinzu kommen mindestens 1.000 bis 2.000 Personen, die sich täglich als Privatreisende im Riesengebirge aufhalten.“260 Für das Jahr 1970 notierte der Chronist Czesław Margas: „Eine präzise Feststellung, wie viele Touristen und Urlauber den Hirschberger Talkessel im Lauf des Jahres besucht haben, ist im Prinzip unmöglich.“261 Die einzigen offiziellen Statistiken betrafen lediglich die angemeldeten Übernachtungen, wobei Tagesreisende oder Menschen mit eigener Bleibe nicht registriert wurden. Von den etwa 40.000 ausländischen Besuchern kam noch bis in die frühen achtziger Jahre die „aller257 PAAA, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, A 1829, Schreiben der Botschaft der DDR in Warszawa (Warschau), Mewis, an das MfAA, 2. Europäische Abteilung, Hellmer, vom 5. März 1965, 182–184. 258 Szczepaniak, Stefan: Turystyka zagraniczna przyjazdowa w rejonie jeleniogórskim w latach 1970–1974 i wynikające stąd zadanie w kontrwywiadowczym zabezpieczeniu terenu [unveröffentl. Diplomarbeit, 1976], IPN Wrocław 050/80. 259 BA, Reisebüro der DDR, DM 102/594, Abschlussbericht des Reisebüros der DDR über die Sommertouristik 1969 in die Volksrepublik Polen (passiver Tourismus) vom 9. November 1969. 260 Ebd., Abschlussbericht des Reisebüros der DDR über die Sommersaison 1970 in die Volksrepublik Polen (Riesengebirge) vom 23. November 1970. 261 Margas, Czesław: Kronika roku 1970. In: Rocznik Jeleniogórski 10 (1972) 179–201, hier 192.

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größte Mehrheit“ aus der DDR.262 Gleichzeitig schuf diese Dominanz gewisse Abhängigkeiten: Die Wirtschaft der Region erlebte beispielsweise einen kleinen Einbruch, nachdem die Grenzwanderwege im Sommer 1977 für Ausländer vorübergehend gesperrt worden waren und sich die Touristen aus der DDR 1978 für andere Reiseziele entschlossen hatten. Wie verschiedene Dokumente belegen, wussten die Ostdeutschen ihre Wahlfreiheit im Fremdenverkehr durchaus einzufordern.263 Als die Westdeutschen im Frühjahr 1970 ins Riesengebirge (zurück)kamen, war der Weg in vielfacher Hinsicht für sie geebnet. Der Druck lokaler Aktivisten hatte nicht nur zu einem beachtlichen Ausbau der Infrastruktur geführt. Nahezu zehn Jahre Anwesenheit von Reisenden aus der DDR hatten auch eine Gewöhnung der einheimischen Bevölkerung an den ‚deutschen Faktor‘ bewirkt. Die politisch vorgegebene Unterscheidung zwischen den ‚revisionistischen‘, jedoch Devisen ins Land bringenden Bürgern der „Deutschen Bundesrepublik“ (Niemiecka Republika Federalna), wie sie offiziell genannt wurde, und den ‚befreundeten‘ Deutschen – „die schlechten Deutschen mit der guten Mark und die guten Deutschen mit der schlechten Mark“ – bestand den Realitätstest nicht. Nach anfänglichen psychologischen und organisatorischen Schwierigkeiten schuf sich die lokale Bevölkerung eigene Freiräume und Partizipationsstrategien, nicht zuletzt in der Grauzone, und definierte ihre Rolle als Gastgeber der Region neu.

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Die sechziger Jahre waren nicht nur wegen der rasant steigenden Touristenzahlen im Allgemeinen und im so genannten Ostblock im Besonderen bedeutend. Es waren auch Jahre eines Aufbruchs in die Moderne, verbunden mit einer weit verbreiteten Zukunftshoffnung.264 Man mag darüber streiten, ob dieser Zeitgeist einen symbolischen Start wie etwa den „Sputnik“-Flug 1957 als den Beginn der Raum-

262 Rapacz, Andrzej: Warunki realizacji potrzeb turystów zagranicznych w jednostkach gospodarki turystycznej województwa jeleniogórskiego. In: Społeczno-ekonomiczne problemy regionu jeleniogórskiego. Hg. v. Karkonoskie Towarzystwo Naukowe, Jelenia Góra 1983, 9–40. Der Anteil der Touristen aus der DDR an der Gesamtzahl ausländischer Besucher wurde hier auf 65 bis 70 Prozent beziffert. 263 In einem Bericht des „Reisebüro“-Vertreters heißt es etwa: „Außerdem vergleichen diese Kunden ständig die Verhältnisse in der VR Polen mit denen der CSSR, wie z. B.: Unterkünfte, Verpflegung, fehlender Getränkeausschank in den Pensionen, Inlandspreise, politische und ökonomische Verhältnisse, Kontakte mit den Menschen usw.“ BA, Reisebüro der DDR, DM 102/228, Berichte über Polen 1966, Monatsbericht Februar 1966 vom 5. März 1966. 264 Der Historiker Stefan Wolle betitelte seine Geschichte Ostdeutschlands in jenem Jahrzehnt ironisch mit „Aufbruch in die Stagnation“. Vgl. Haupt, Heinz-Gerhard (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Weilerswist 2004.

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fahrtära oder die Brüsseler Weltausstellung 1958265 hatte und wie verbreitet dieser Zukunftsglaube im Kalten Krieg und in dessen wiederkehrenden Krisen gerade in jenem Jahrzehnt war. Dass der Modernediskurs zwischen dem „Tauwetter“ und der „Epochenwende“ der siebziger Jahre systemübergreifend eine Konjunktur erlebte, veranschaulichte zuletzt die Londoner Ausstellung „Cold War Modern“.266 Als Beispiel für moderne Gestaltung jenseits des so genannten Eisernen Vorhangs wählten die Ausstellungsmacher unter anderem Karel Hubáčeks Neubau der Wetterwarte und der Herberge auf dem Jeschken (1966–1973 erbaut). Das nahezu zur selben Zeit erbaute, ähnlich futuristische neue Observatorium auf der Schneekoppe wurde in der Ausstellung jedoch nicht erwähnt. Dabei ist die Geschichte des „UFO“ genannten Objekts von Witold Lipiński nicht weniger interessant. Der Entwurf, seine Umsetzung und Wahrnehmung stellen für die Untersuchung der Aneignung der Riesengebirgslandschaft eine hochinteressante Fallstudie dar, die näher analysiert werden sollte.267 Dass es um die Riesengebirgsbauden nicht gut stand, wurde in den Reformdiskussionen um 1956 offen thematisiert. Mit Ausnahme des früheren „Schlesierhauses“ am Koppenplan und der „Strzecha Akademicka“, der ehemaligen Hampelbaude, am roten Wanderweg zur Schneekoppe stammten fast alle Objekte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so dass sie bis zu hundert Jahre alt waren, als im Polen der späten fünfziger Jahre der Tourismusboom einsetzte. Die meisten Objekte waren nach dem Zweiten Weltkrieg gar nicht oder nur notdürftig renoviert bzw. modernisiert worden, was – neben dem Geldmangel – auch auf das unter PTTK-Aktivisten verbreitete Ideal einer kargen, eingefleischten Touristen vorbehaltenen Bergherberge zurückzuführen war. Anfang der sechziger Jahre schätzte man, dass 60 Prozent der Objekte einer kurzfristigen Sanierung bedurften, wofür jedoch weder genügend Mittel noch Bauunternehmen mit entsprechender Erfahrung und Ressourcen zur Verfügung standen.268 Die Schneekoppenbaude gehörte zu den ältesten ihrer Art. Erbaut worden war sie ursprünglich 1850, brannte jedoch in den folgenden Jahren innerhalb kurzer 265 Dies wurde in der Dauerausstellung des „Europa-Museums“ thematisiert. Hartwich: Ausstellungs-Rezension zu: Europe. 266 Crowley/Pavitt (Hg.): Cold War Modern. Vgl. ferner „Chcemy być nowocześni. Polski design 1955–1968 z kolekcji Muzeum Narodowego w Warszawie“, Ausstellung des Muzeum Narodowe w Warszawie vom 4. Februar bis 17. April 2011, http://www.mnw.art.pl/index. php/pl/wystawy_czasowe/wystawy/art117.html [Zugriff am 25.2.2011]. Zu den siebziger Jahren vgl. Sparschuh, Olga: Tagungsbericht zu „Epochenwende? Wandlungsprozesse der 1970er Jahre im politischen Diskurs. 7. Potsdamer Doktorandenforum zur Zeitgeschichte“, 24.04.2009–25.04.2009, Potsdam. In: H-Soz-u-Kult, 18. Juni 2009, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2645 [Zugriff am 5.10.2009] sowie das 2006 in der Reihe „Zeithistorische Forschungen“ erschienene Themenheft „Die 1970er-Jahre – Inventur einer Umbruchzeit“. 267 Hartwich: Szczyt symboliki. 268 Margas: Kronika roku 1962, 136.

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Abb. 11: Postkarte „Schneekoppe mit dem Riesengebirge aus der Vogelschau“, vor 1918. Diese vom Allgäuer Postkartenmaler Joseph Ruep erstellte Ansicht veranschaulicht die dichte Bebauung des Schneekoppengipfels nach 1900 mit der Laurentiuskapelle, der Wetterwarte sowie der preußischen und böhmischen Baude. Im Hintergrund (Norden) ist das Wegenetz am Koppenplan gut zu erkennen, links die Riesenbaude.

Abstände mehrmals nieder und wurde wieder errichtet. Seit 1875 befand sich die preußische Baude – so wie übrigens auch die böhmische – in der Hand der Familie Pohl, die deshalb „Koppenpohls“ genannt wurden. 1900 wurde hier zusätzlich eine von drei Wetterwarten erster Klasse im damaligen Deutschen Kaiserreich errichtet.269 Mit der Laurentiuskapelle trugen diese Gebäude zum Eindruck einer dichten Bebauung des Gipfels bei. Erreichbar war dieser über den Kammwanderweg, vorbei an der Riesenbaude und seit 1923 am Schlesierhaus auf dem Koppenplan, über den Zickzackweg oder den so genannten Jubiläumsweg, der 1905 zum 25-jährigen Bestehen des RGV errichtet wurde. Bemerkenswert ist, dass nach den damaligen Messmethoden die Schneekoppe zwei Höhen „über dem Meeresspiegel“ hatte: Während im damaligen Österreich-Ungarn das Adriatische Meer zur Grundlage genommen wurde, maß Preußen anhand des Meeresspiegels der Nordsee. Der tatsächliche Unterschied betrug zwar nur rund 30 Zentimeter, in vielen Publikationen wurde jedoch die Höhe von 1.605 Metern als Distinktionsmerkmal genannt.270 269 Przerwa: Wędrówka po Sudetach, 25. Vgl. ferner Gucwa: Budowle na Śnieżce; Molicki, Witold: Obserwatorium Meteorologiczne i schronisko na Śnieżce. In: Karkonosze. Kultura i turystyka 3/1 (2006) 1, 3–4. 270 Eckert: Die Schneekoppe, 104.

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Dass diese Angabe auf Postkarten zwischen 1.600 und 1.605 Metern schwankte, lag aber eher an der Ungenauigkeit der Produzenten als an ideologischen Faktoren. Den ersten großen Eingriff nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Berg, als der Lift von der tschechoslowakischen Seite aus mit Zwischenstation auf dem Rosenberg 1949 fertig gestellt wurde. Die ersten Planungen dazu stammten bereits aus dem Jahr 1945 und hingen vermutlich mit der Auseinandersetzung um die staatliche Zugehörigkeit der Schneekoppe zusammen, die durch Eingreifen des polnischen Militärs im Sommer 1945 beendet wurde. Aus jener Zeit stammte auch die Idee eines polnischen Lifts, dessen Errichtung mehrmals in Angriff genommen, aber erst 1959 abgeschlossen wurde.271 Im Gegensatz zum tschechischen Lift bringt der polnische die Touristen nicht zum Gipfel selbst, sondern lediglich zur Kleinen (bzw. „Schwarzen“) Koppe, von wo aus eine weitere Wanderung von etwa 50 Minuten bis zum Gipfel nötig ist. Dennoch erfreute sich der Lift von Anfang an großer Popularität und galt als wichtige polnische Errungenschaft bei der touristischen Belebung des Riesengebirges. Bereits Ende der vierziger Jahre war den Verantwortlichen klar geworden, dass die extremen Witterungsverhältnisse in 1.602 Metern Höhe den Neubau eines Observatoriums auf der Schneekoppe notwendig machten.272 Erste Entwürfe entstanden 1955 und enthielten bereits den Vorschlag, Wetterwarte und Herberge zusammenzulegen. Der bestehende Bau sei so morsch und verschimmelt, schrieb damals Borys Lange, dass er sich nicht für Modernisierungsmaßnahmen eigne. Beim Neubau plädierte er für einen repräsentativen Charakter des Objekts: Das Innere sollte „besonders sorgfältig entworfen und ausgeführt werden, im Hinblick auf tschechische Touristen. Das Ganze sollte den Charakter einer kargen, aber gemütlichen Bergherberge haben. Die Möbel und die ganze Innenausstattung sollten sich durch einen hohen künstlerischen Charakter auszeichnen.“273 Lange konnte jedoch nicht einmal in seiner Funktion als Vorsitzender der „Kommission zur Bewertung von Investitionsprojekten“ (Komisja Oceny Projektów Inwestycyjnych, KOPI) des KdST dafür sorgen, dass die Bauarbeiten wie vorgesehen 1957 begannen. Auch der andernorts anvisierte Baubeginn 1959 konnte nicht eingehalten werden.274 Ein Grund für die Verzögerung kann die Gründung des seit 1946 geplanten Nationalparks im Jahr 1959 gewesen sein.275 Im Protokoll der KOPI hieß es im Mai 1956 entsprechend, die Pläne des Liftprojekts seien dem Staatlichen Rat für Naturschutz vorzulegen, um sie mit der tschechoslowakischen Seite bezüglich der 271 Rzeczycki: Budowa wyciągu na Kopę, 30f. 272 Jarmolukowa, Maria: „Marsjańskie talerze“ na Śnieżce. In: Rocznik Jeleniogórski 12 (1974) 14–36. 273 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 241, Abteilung für touristische Bebauung – Ausschuss für touristische Infrastruktur, Technische Dokumentation der Schneekoppenherberge 1955– 1961, 98–107. 274 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 342/3. 275 Ebd., Gründung des Riesengebirgs- und Kampinoski-Nationalparks, Protokolle 1958.

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Umweltschutzvorhaben abzustimmen.276 Die Existenz des Naturschutzgebiets wurde von Anfang an von Kontroversen begleitet – ein recht typisches Phänomen für Naturschutzgebiete, die gleichzeitig als Tourismuszentren fungieren. Bereits 1963 bescheinigte Stanisław Bernatt den Schöpfern des Nationalparks Vermittlungsprobleme, da sie „der breiteren Öffentlichkeit, vor allem den Nutzern des Parks in ungenügender Weise erklärt haben, was Sache ist“. Es gehe darum, die durch menschliches Einwirken verursachten Umweltveränderungen größtenteils wieder in den natürlichen Zustand zu bringen, um die Schönheit des Gebiets zum Vorschein zu bringen, so Bernatt.277 Dies betraf vor allem den Bereich der Flora, da der natürliche Mischwald des Gebirges durch rücksichtslose Abholzung, etwa für Zwecke der lokalen Glasindustrie, gerodet und durch schnell wachsende Fichtenmonokulturen ersetzt wurde.278 Gleichzeitig stießen alle Naturschutzvorhaben der Nationalparkverwaltung auf Unverständnis seitens der Befürworter eines Ausbaus der touristischen Infrastruktur.279 Die Diskussion über die Bebauung des Schneekoppengipfels erfuhr erst um 1960 eine wirkliche Dynamik. Der Architekt Czesław Sosnowski vom Büro „Miastoprojekt Stolica-Wschód“ in Warszawa (Warschau) hatte zwar seit 1955 an einem Entwurf gearbeitet und diesen 1958 überarbeitet. Das Projekt konnte jedoch vom Investor nicht umgesetzt werden, so dass 1960 das Hauptkomitee für Körperkultur und Touristik das Vorhaben dem Kreisunternehmen PPUT übergab. Der Entwurf schien aber weder die Geldgeber noch die regionalen Entscheidungsträger zufrieden zu stellen – nicht jedoch, wie Marek Staffa behauptete, weil die Entwürfe zu sehr regionalen Architekturtraditionen der Tatra ähnelten.280 Die Ausführung wäre wohl zu teuer gewesen, wie manche Quellen nahe legen. In einem Protokoll vom 1. Dezember 1960 war zwar davon die Rede, dass man sich mittlerweile vom Prinzip des regionaltypischen Bauens verabschiedet habe, jedoch gab man im selben Satz zu, dass der Einsatz von „Ersatzmaterialien und Stahlkonstruktionen die Baukosten erheblich senken würde“.281 Auch sprach man von einer „allgemeinen Revi276 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 241, Sitzungsprotokoll Nr. 58/56 des KOPI im KdST, 132. Die Sitzung fand vom 24. bis 25. Mai 1956 in „Samotnia“ auf der Schneekoppe [sic!] statt. Der Nationalpark auf der Südseite des Riesengebirges entstand erst 1963. 277 Bernatt, Stanisław: Karkonoski Park Narodowy – założenia, cele, początki realizacji. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 33–59; Borkowski, Alfred/Konca, Bernard: Działalność Karkonoskiego Parku Narodowego w latach 1959–1984. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) 133– 152. 278 Walczak: W cieniu Śnieżki, 13f. 279 Dies war ein häufiges Thema im Magazin „Nowiny Jeleniogórskie“. Adamko, J.: Jak pogodzić interesy Parku Narodowego i turystyki? In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 30 vom 18. Juli 1963, 7. Vgl. ferner Swatowska, Anna: Przyroda a turystyka w Karkonoskim Parku Narodowym. In: Śląski Labirynt Krajoznawczy 8 (1996) 23–36. 280 Staffa: Karkonosze, 211. 281 AAN, Komitet dla Spraw Turystyki 241, Protokoll Nr. 102/60 vom 1. Dezember 1960, 118–122, hier 119.

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sion“ der Bauvorhaben, was durchaus auf eine radikale Mittelkürzung und erzwungenes Ausweichen auf billigere Materialien schließen lässt. Jedenfalls kam es den Bauherren sehr gelegen, dass in der Sitzung der Kommission vom 10. November 1960 in Karpacz (Krummhübel) ein – auf Wunsch von PPUT „Turystyka“ erstellter – neuer Entwurf des jungen Architekten Witold Lipiński von der Polytechnischen Hochschule (Politechnika Wrocławska) in Wrocław (Breslau) eingereicht wurde, dessen geschätzte Baukosten wesentlich unter denen von Sosnowski lagen. Letzterer war zu der Sitzung ‚versehentlich‘ nicht eingeladen worden, so dass das Gremium das neue Projekt widerstandslos befürworten konnte.282 Dieses Vorgehen wurde zwar im Nachhinein kritisiert und die eingereichten Expertengutachten wurden teilweise hinterfragt, jedoch wurde nach einer kontroversen Diskussion in Warszawa (Warschau) im Januar 1961 beschlossen, beide Entwürfe überarbeiten zu lassen und zur weiteren Beratung vorzulegen.283 Aufschlussreich ist in der Argumentation neben der Geldfrage noch ein weiterer Gedanke: „Die Architektur des Objekts ist bewusst als Kontrast zur Umgebung entworfen, angepasst an die atmosphärischen Bedingungen auf dem Berg“, heißt es.284 Noch deutlicher formulierte es Witold Lipiński in seinem Entwurf selbst: „Aufgrund der spezifischen Situation, des Charakters und der Funktion des Gebäudes wie auch der schwierigen Wetterbedingungen tendiert die Architektur dazu, diese Merkmale zu unterstreichen. Die Einzigartigkeit des Ortes wird durch eine gewisse individuelle Form und Konstruktion des Gebäudes wiedergegeben.“285 Diese Neuartigkeit sollte sich zum nachhaltigsten Argument entwickeln: Weder die Baukosten noch die Möglichkeit einer Vorkonstruktion, um die äußerst schwierigen Arbeitsbedingungen auf dem Gipfel möglichst kurz zu halten, noch die Bauzeit und Wartungskosten entsprachen letztlich den Annahmen. Aber dass mit dem „UFO“ ein neuer Stil im Riesengebirge Einzug hielt, sollte sich bewahrheiten. Enthusiastische Befürworter von Lipińskis Projekt in der Region meldeten sich schnell zu Wort. Als „sehr modern und sehr originell“ feierte es Tadeusz Steć in der zweiten Auflage seiner Monographie des Riesengebirges von 1962;286 im Reiseführer durch das Gebiet der polnisch-tschechoslowakischen Konvention wurden das Objekt als gut eingefügt in die Umgebung gepriesen und ein Foto des Modells abgedruckt.287 Elżbieta Drewieńska unterstrich neben der Modernität und Originalität des Entwurfs seine Angepasstheit an die Umgebung: „All diese niedrigen Gebäude [...] werden, dem Modell nach zu urteilen, so ideal an die Umgebung 282 283 284 285

Ebd., Protokoll vom 10. November 1960, 176–178. Ebd., Protokoll vom 30. Januar 1961, 108–112. Ebd., Protokoll vom 10. November 1960, 177. Ebd., Vorentwurf der Herberge und Wetterwarte auf der Schneekoppe vom 15. Oktober 1960, 143–148, hier 145. 286 Steć/Walczak: Karkonosze, 284. 287 Igielski: Na szlakach, 104, 106. In derselben Publikation wurde auch die moderne Innenausstattung der Herberge „Odrodzenie“ abgebildet.

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angepasst sein, dass ihre Gestalten aus der Ferne nahezu unsichtbar sind, so dass die Architektur des Bergs selbst nicht mehr verschandelt wird.“288 Jahrelang hatte man die Beschaffenheit und die Menge der Objekte im Riesengebirge kritisiert, was als Polemik mit dem materiellen Erbe aus deutscher Zeit gemeint war. Interessanterweise wurde nun Lipińskis Urteil, sein Entwurf setze sich bewusst von der Umgebung ab, von seinen Unterstützern ins Gegenteil verkehrt. Als das Buch „Ziemia Jeleniogórska“ 1967 erschien, wurde der Bau des Observatoriums gerade in Angriff genommen. Die Entscheidung dazu war aber nicht so selbstverständlich, wie zeitgenössische Publikationen vermuten lassen. Es kam wohl der Zufall zur Hilfe: Im Oktober 1962 brach eine Wand der alten hölzernen Wetterwarte ab und das Gebäude konnte nur dank der Intervention der Mitarbeiter vor dem sofortigen Abtragen gerettet werden.289 Dieses Ereignis beschleunigte anscheinend die Entscheidungsfindung bei verantwortlichen Stellen, denn schon im März 1963 konnte das Lokalblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ triumphierend auf der ersten Seite verkünden: „Und die Untertassen kommen doch!“290 In dieser Notiz wurde ferner vermerkt, dass sich die lokale Gesellschaft und die Baubehörden aus Kreis und Wojewodschaft für Lipińskis Projekt eingesetzt und Architekten aus Warszawa (Warschau) ihren niederschlesischen Kollegen zum überlegenen Entwurf gratuliert hätten. Die Auseinandersetzung um den Neubau auf der Schneekoppe könnte also als regionale Bestrebung zur Selbstbestimmung gegenüber der Zentrale interpretiert werden, was den Alleingang bei der Einholung eines neuen Entwurfs im Herbst 1961 in neuem Licht erscheinen ließe. Es war aber noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung des Baubeschlusses. Deutlich später als anvisiert wurden die Arbeiten im Jahr 1967 begonnen und später als geplant, nämlich 1974, fertig gestellt; Nachbesserungsarbeiten dauerten noch bis Oktober 1976. Die Gründe waren vor allem logistischer Natur: Transport von Baumaterialien, Wetterbedingungen vor Ort, Zufuhr von Wasser und Strom usw. Besonders frustrierend waren die Erfahrungen mit dem Ausbau des Wanderweges von der Kirche Wang zum Gipfel: Nach sieben Jahren Bauzeit und dem Wechsel der ausführenden Firma wurde lediglich ein Teilstück am Koppenplan und eines an der Wang-Kirche fertig gestellt.291 Darüber hinaus musste mit der Tschechoslowakei verhandelt werden, weil ein Teil des neuen Weges über die Grenze hinaus ragte und ein Streit über die gemeinsame Nutzung von Wasser- und Stromanschlüssen ausbrach. Selbst das fertige Gebäude machte durch technische Mängel, schnellen Materialverschleiß und wiederkehrende notwendige Renovierungen Sorgen.292 288 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 195, bezeichnete das Bauvorhaben als die „größte Investition in den 25 Nachkriegsjahren“ im Riesengebirge. 289 Jarmolukowa: „Marsjańskie talerze“, 22. 290 (mj): Po kilku latach rozstrzygnięto wreszcie spór – A jednak będą talerze! In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 11 vom 14. März 1963, 1. 291 Jarmolukowa: „Marsjańskie talerze“, 23–25. 292 Vgl. Czerwiński u. a. (Hg.): Wysokogórskie obserwatorium.

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Zuletzt kam es im März 2009 zu ernsten Problemen, als eine der „Untertassen“ unter der Schneelast zusammenbrach und der Zugang zum Gipfel gesperrt werden musste. Nach einigen Diskussionen, bei denen die Architektur des Objekts laut kritisiert wurde, beschloss man, die „fliegenden Tassen“ wieder aufzubauen.293 Eine ähnliche Diskussion hatte bereits in den sechziger Jahren stattgefunden. Dabei wurde vor allem auf ökonomische, praktische und teilweise ästhetische Gründe zurückgegriffen, wobei historische Bezüge erstaunlich selten in der Diskussion genannt wurden – und wenn doch, dann nur als Kontrast zur wenig gelungenen Architektur der deutschen Zeit.294 Im Jahr 2009 war dann Lipińskis „UFO“ ein problematisches Erbe seiner Zeit und ein Neubau im regionalen Architekturstil erschien als optimale Lösung. Um 1960 war einigen Menschen jedoch klar, dass ein glaubwürdiger historischer Rückgriff bei der Gestaltung der touristischen Infrastruktur nicht möglich war. Der ‚piastische‘ Charakter der Bebauung konnte nicht ernsthaft behauptet werden und alle späteren Epochen ließen sich nicht im Sinn der Polonität der Region reklamieren. Während bereits in den späten fünfziger Jahren viele Kapitel der Regionalgeschichte behutsam erarbeitet und angeeignet worden waren, vor allem indem man alle polnischen Aspekte der Vergangenheit herausgestellt hatte, wurde nun die Flucht nach vorne ergriffen. Der Landschaft sollte ein moderner, utilitaristischer und zugleich ‚natürlicher‘ Charakter verliehen werden. Zu einem der Symbole wurde der neue Bau auf dem Gipfel der Schneekoppe. Es entbehrte dabei nicht einer gewissen Ironie, dass jene Wendung „zurück in die Zukunft“ wiederum die Vorstellungen von der Bebauung des Riesengebirges um 1900 ungewollt aufgriff. Skilifte wurden zugleich zum Inbegriff von Fortschritt, praktischem Nutzwert und modernem Lebensstil in den sechziger und siebziger Jahren.295 Die „Nowiny Jeleniogórskie“ veröffentlichten häufig Bilder von Menschen an der Liftstation oder auf Restaurantterrassen, die in der Wintersonne entspannten. Wiederholt wurde auch die Fertigstellung der „Sudetenstraße“ gefordert. Ein letzter Punkt, auf den eingegangen werden sollte, ist die Generationenfrage. Gewiss war viel Propaganda dabei, wenn in den sechziger Jahren immerzu von Kindern der schon in den polnischen Westgebieten Geborenen berichtet wurde.296 Aus Sicht der Regierenden unterstützte dieser demographische Faktor ihre Argumentation zugunsten der Unveränderbarkeit der Oder-Neiße-Grenze. Für diese 293 Hartwich: Szczyt symboliki, 16. Zu den Diskussionen vgl. die Kommentare unter http://jelonka.com/news,single,init,article,20075 [Zugriff am 18.3.2009]. 294 Drewieńska: Ziemia Jeleniogórska, 178. Die alte 18 Meter hohe Wetterwarte wurde im Volksmund nur „Scheune“ genannt, bewies aber eine erstaunliche Langlebigkeit. Nach dem Errichten des neuen Gebäudes wurde das Observatorium abgetragen und sollte als museales Objekt in Karpacz (Krummhübel) wieder zusammengebaut werden, wozu es aber nicht kam. 295 Schneigert, Zbigniew: Koleje linowe w zagospodarowaniu turystycznych terenów górskich. In: Rocznik Jeleniogórski 6 (1968) 32–40. 296 Jarmolukowa: 40 lat miasta, 34, nimmt dieses Ereignis etwa in ihre Chronik auf.

Schlussfolgerungen

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Menschen war das Riesengebirge selbstverständlich „Heimat“.297 Der polnische Charakter der Umgebung musste nicht mehr durch konfrontative Rhetorik bekräftigt oder durch historische Spurensuche gerechtfertigt werden. Die zweite Generation der im Riesengebirge geborenen Polen kannte beispielsweise den Kynast als Piastenburg aus Schule, Medien und Exkursionen, während das Gebirge als Ausflugsziel, Wintersportzentrum, Naturpark und vielleicht künftiger Arbeitsort wahrgenommen wurde. Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war weder nötig noch konform. Die materielle Aneignung hatte sich vollzogen, bei der mentalen war die Zeit immer mehr auf Seiten der neuen Einwohner.298

7.

Schlussfolgerungen

Dieses Kapitel war den vielfältigen Wandlungen der Riesengebirgsregion in den etwa 20 Jahren nach Stalins Tod gewidmet. Dabei wurden die internationalen und innerpolnischen Faktoren des Wandels untersucht. Aus dieser Analyse entsteht nicht das Bild einer teleologischen Veränderung hin zu mehr Selbstbestimmung, mehr Offenheit und mehr Identität. Die heutigen Verhältnisse resultieren nicht einfach aus den beschriebenen Entwicklungen. Dennoch konnte belegt werden, dass sich die Situation um 1970 grundlegend von jener Mitte der fünfziger Jahre unterschied. Begünstigt durch die weltpolitische Entwicklung mit dem „Tauwetter“, die (zeitweilige) Liberalisierung des politischen Regimes in der Volksrepublik Polen, die Intensivierung der Zusammenarbeit der Ostblockstaaten und schließlich durch ein Empowerment der lokalen Eliten, fanden die Menschen der Riesengebirgsregion einen neuen Zugang zu ihrer Umgebung. Zu dessen wichtigsten Entwicklungen zählten die Durchsetzung der Forderungen nach mehr Partizipation an lokalen Entscheidungsprozessen und Teilhabe am Fremdenverkehr sowie ein offenerer Umgang mit dem historischen Erbe. Als Folge eines allmählichen Prozesses der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Aneignung wurde die Riesengebirgslandschaft den Nachkriegsbewohnern immer weniger ‚fremd‘ und dafür immer mehr zur materiellen Ressource und zum gewohnten Lebensumfeld.

297 Nowosielska-Sobel: Na barkach, 22–24. 298 „Denn jedes weitere Jahr, das seit Kriegsende ins Land strich, war ein Jahr polnischer Herrschaft, polnischer Gesellschaft und polnischen Lebensalltags [Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.] in den verlorenen Gebieten.“ Lotz, Christian: Die Deutung des Verlusts. Erinnerungspolitische Kontroversen im geteilten Deutschland um Flucht, Vertreibung und die Ostgebiete, Köln/Weimar/Wien 2007 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 15), 201.

V. Gegenansichten: Das Bild der Heimat im Vertriebenenmilieu In diesem Kapitel wird anhand des zeitgenössischen Schrifttums das Bild der verlorenen Heimat im westdeutschen Vertriebenenmilieu rekonstruiert. Dies geschieht nicht nur, weil diese Bilder in einem Wechselverhältnis zum Prozess des Sesshaftwerdens der neuen Bewohner im Riesengebirge standen, sondern auch, weil zu jeder Aneignung auch eine (symbolische) Enteignung gehört. In dem Maß, wie die beschriebenen Faktoren zur Heimischwerdung der polnischen Neusiedler beitrugen, spielte sich auf der anderen Seite des so genannten Eisernen Vorhangs ein Entfremdungsprozess ab. Dabei wird nicht beabsichtigt, die komplexen gesellschaftlichen Prozesse der sozialen Integration der Vertriebenen, den verbandspolitischen Aspekt oder die internationalen Implikationen zu beschreiben, denn dies wurde bereits in den letzten Jahren auf vorbildliche Weise erforscht.1 An dieser Stelle soll es darum gehen, den Prozess der medialen (Re)konstruktion des Heimatbildes und seines Wandels von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren zu untersuchen. Ferner werden die wichtigsten „Erinnerungsorte“ der Vertriebenen, markante Elemente der Landschaft oder kulturhistorische Referenzpunkte benannt. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Quellen, aus denen sich jene Vorstellungen speisten, und Einflüsse von Reiseberichten und Erfahrungen gelegt. Gleichzeitig wird die These aufgestellt, dass diese Wirkung recht ambivalent war: Während die sich verändernde Realität der Geburtsorte bedauernd zur Kenntnis genommen wurde, bewies das idealisierte Heimatbild, die ‚virtuelle Heimat‘, eine erstaunliche Langlebigkeit.2 Letztlich führte das zu einer Trennung beider Welten, was sich auch in der auf den Volkskundler Will-Erich Peuckert zurückgehenden Formel der „zwei Schlesien“ ausdrückte: des geographischen Raumes unter fremder Verwaltung und der deutschen Kulturregion, die in den vertriebenen Schlesiern weiterlebte.3 1

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Hahn, Eva/Hahn, Hans Henning: Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte, Paderborn u. a. 2010; Kossert, Andreas: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, München 2008; Lotz: Die Deutung des Verlusts; Ociepka, Beata: Związek Wypędzonych w systemie politycznym RFN i jego wpływ na stosunki polsko-niemieckie 1982–1992, Wrocław 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1918; Niemcoznawstwo 7); Kittel, Manfred: Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961–1982), München 2007 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Sondernummer). Hartwich: Wirtualny Heimat. Aus der Fülle wissenschaftlicher Arbeiten zur Erinnerungskultur der Vertriebenen sind zu nenen: Faehndrich, Jutta: Eine endliche Geschichte. Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen, Köln u. a. 2011 (Visuelle Geschichtskultur 5); Frede, Ulrike: „Unvergessene Heimat“ Schlesien. Eine exemplarische Untersuchung des ostdeutschen Heimatbuches als Medi-

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Der Prozess der Vertreibung aus dem Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) wurde bereits im dritten Teil dieser Arbeit behandelt. Die organisierten Aussiedlungen begannen im Mai 1946, während schon im Sommer und Herbst 1945 eine große Anzahl Deutscher die Region hatte verlassen müssen, wozu insbesondere Bombenevakuierte und Flüchtlinge aus anderen Regionen des Reiches sowie die im Zug der so genannten wilden Vertreibungen entfernten Bewohner der grenznahen Orte gehörten. Der Aussiedlungsprozess war von Übergriffen, hoher Kriminalität, Beamtenwillkür und einer generellen Rechtlosigkeit bestimmt, die alle Bevölkerungsgruppen, wenn auch die schutzlosen deutschen Bewohner im Besonderen, betraf. Literarisch wurden die Ereignisse etwa von der Schriftstellerin Ruth Storm festgehalten, während zeitgenössische Publikationen mit Chronikcharakter recht präzise Auskunft über die Vorgänge geben.4 Gewiss sind auch diese Dokumente größtenteils von subjektivem Charakter und spiegeln nicht selten vorhandene Stereotype gegenüber Polen wider, als Quellen zur Wahrnehmung der Vorgänge erfüllen sie jedoch eine bedeutende Rolle. Interessanterweise kann im polnischen Fall nur bedingt von entsprechendem Material die Rede sein: Zeitgenössische Publikationen reflektieren die offizielle Narration und persönliche Quellen sind so gut wie nicht vorhanden.5 Zwar wurden wiederholt Erinnerungen der Neusiedler in öffentlichen Schreibwettbewerben gesammelt, insbesondere zu runden Jahrestagen der ‚Befreiung‘, und 1985 wurde eine ganze Sammlung dieser Memoiren als Sonderbeilage des „Rocznik Jeleniogórski“ herausgegeben. Diese Publikationen sind jedoch nur bedingt als Spiegel persönlicher Wahrnehmung der Beteiligten anzusehen.6

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6

um und Quelle spezifischer Erinnerungskultur, Marburg 2004 (Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. 88); Fendl, Elisabeth (Hg.): Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur der Heimatvertriebenen, Freiburg 2002 (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Instituts 6); Dröge, Kurt (Hg.): Alltagskulturen zwischen Erinnerung und Geschichte. Beiträge zur Volkskunde der Deutschen im und aus dem östlichen Europa, München 1995 (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 6). Storm: Das vorletzte Gericht; dies.: Ich schrieb es auf; Höhne (Hg.): Hirschberg; Roth: Rübezahl heimatlos. Das Fehlen einer „Westgebiete-Literatur“ wurde schon von den Zeitgenossen moniert, während lediglich punktuell eine literarische Verarbeitung der Ereignisse stattfand – so im Fall Henryk Worcells. Vgl. Dzikowska, Elżbieta: Die Ankunft der Polen in und der Exodus der Deutschen aus Niederschlesien nach dem Zweiten Weltkrieg in den Erzählungen Henryk Worcells. In: Joachimsthaler, Jürgen/Schmitz, Walter (Hg.): Verhandlungen der Identität. Literatur und Kultur in Schlesien seit 1945, Dresden 2004 (Silesica 4), 49–68. Man sollte jedoch auch die künstlerische Verarbeitung der Themen in Filmen wie „Prawo i pięść“ (1964) und „Sami swoi“ (1967) erwähnen. Vgl. Gnauck, Gerhard: Polens Wild-West-Mythos. In: Die Welt vom 25. April 2007, 29. Musekamp: Zwischen Stettin und Szczecin, 144f. [zit. nach der Manuskriptfassung]. Im regionalen Kontext sind noch die Aktivitäten des Zentrums „Erinnerung und Zukunft“ (Pamięć i Przyszłość) aus Wrocław (Breslau) zu nennen, das die Arbeit mit Zeitzeugen der

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„Wenn Ihr wiederkommt, die Berge sind dann bestimmt noch da!“, soll ein Hirschberger Priester seinen Gemeindemitgliedern gesagt haben, als sie aus den Fenstern des Eisenbahnwaggons, der sie ins Unbekannte brachte, das vorbeiziehende Riesengebirge sahen.7 Es mag an sich wenig überraschen, dass das Riesengebirge, die Dominante der Heimatlandschaft, zum markantesten Teil der Erinnerungslandschaft wurde.8 Es ist jedoch wichtig zu betonen, wie es erinnert wurde: als „deutsche Kulturlandschaft“, ein diskursives Konstrukt. Sowohl der physischen Beschaffenheit der Landschaft als auch ihrer Bebauung wurden nationale Züge zugesprochen und entsprechend interpretiert. Die Landschaft wurde somit zur Grundlage für die Heimatverbundenheit.9 Diese Zugehörigkeit wurde durch die gewaltsame Austreibung der deutschen Bewohner nach 1945 im physischen Sinn unterbrochen. Die Folge dieses Ereignisses war nicht nur ein kultureller Bruch für die Region, der nachhaltige Auswirkungen auf das Sozial- und Wirtschaftsleben hatte. Die Vertreibung der Deutschen aus dem Riesengebirge verlagerte auch einen Großteil der kollektiven Erinnerung der Region in ein ‚Exilmilieu‘. Symbolisch hielt diesen Vorgang Walter Roth fest, ein Hirschberger Notar und Vertreter der deutschen Bevölkerung in der Stadt nach der Besetzung durch die sowjetische Armee und Übernahme durch die polnische Verwaltung. Sein Bericht über die „Zeit seit Beendigung des Krieges bis zur Vertreibung“ endet mit den Worten: „Vorher aber ließ ich durch Künstlerhand mit Kreide die Gestalt Rübezahls an die Waggonwand malen. Er sollte uns begleiten. Wir wollen ihn nicht vergessen, denn er bekommt keine Ruh’, bis daß der Tag erscheint, an dem er seine Berge wiedersieht.“10 Es ist dabei kein Zufall, dass ausgerechnet der Berggeist Rübezahl zum Symbol der verlorenen Heimat, des Unrechts der Vertreibung und „zum Zeugen der Anklage in einem publizistischen Prozeß der Nichtanerkennung [wurde], den die Heimatvertriebenen, sobald ihre Ankunft in der Bundesrepublik nur einigermaßen gelungen war, sogleich anstrengten und über die Jahre hin [...] betrieben“.11

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Nachkriegsjahre zu einem Arbeitsschwerpunkt gemacht hat. http://www.pamieciprzyszlosc. pl [Zugriff am 20.5.2011]. Demshuk, Andrew: „When you come back, the mountains will surely still be there!“ How Silesian Expellees processed the loss of their Homeland in the early Postwar Years, 1945– 1949. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 57 (2008) 159–186 [zit. nach der Manuskriptfassung]. Als „Erinnerungslandschaft“ wird in der vorliegenden Arbeit – ähnlich wie bei Żytyniec, Rafał: Zwischen Verlust und Wiedergewinn. Ostpreußen als Erinnerungslandschaft der deutschen und polnischen Literatur nach 1945, Olsztyn 2007, 32, in Anlehnung an Aleida und Jan Assmann – eine semiotisch begriffene Ansammlung von „Erinnerungsorten“ verstanden. Lekan/Zeller: Introduction. Roth: Rübezahl heimatlos, 61. Schmitz: Ob wir aus Böhmen kamen, 3.

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Abb. 12: Umschlagbild von Walter Roths Erinnerungen an die Jahre 1945/46 mit dem Titel „Rübezahl heimatlos“ (Hamburg 1949). Roth war Vertrauensmann der deutschen Bevölkerung in Jelenia Góra (Hirschberg) nach der Übernahme der Verwaltung durch Polen bis zur Vertreibung im Jahr 1946. Für die vertriebenen Schlesier wurde der Berggeist Rübezahl zum Symbol der verlorenen Heimat. Hier weint er seiner alten Heimat im Riesengebirge, versinnbildlicht durch eine stilisierte Herberge, nach. Von dieser ist er durch eine mit Stacheldraht abgesicherte Grenze getrennt.

Rübezahl ist jedoch mehr als nur ein „Vertriebenen-“ bzw. „SchlesienMaskottchen“,12 das als Medium der Konfrontation verwendet wurde. Rübezahl war nach dem Zweiten Weltkrieg in vielerlei Hinsicht ein Träger der Kontinuität und Kommunikation zwischen alten und neuen Bewohnern, was durchaus auch an seinem ‚Nutzwert‘ als touristische Ikone lag.13 Der Versuch seiner Polonisierung, der in den Nachkriegsjahren mit verhaltenem Erfolg unternommen wurde, änderte nichts an seiner Allgegenwart im Vertriebenenmilieu, was auch an seiner Verbreitung als Souvenir unter deutschen Schlesiern lag.14 Das Symbol der deutschen Kul-

12 Eiden, Maximilian: Gedächtnisgeschichte. In: Bahlcke (Hg.): Historische Schlesienforschung, 477–510. 13 Hartwich: Rübezahl. 14 „Es ist bisher nicht systematisch untersucht worden, welche Veränderungen in der Vorstellung von ‚Heimat‘ die Besuche im Elternhaus und im Geburtsort bewirkten. Jedenfalls können wir feststellen, daß sehr viele der heute vorhandenen Gegenstände der Erinnerungskultur

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turleistungen, Gerhart Hauptmann, wurde ebenfalls über (System)grenzen hinweg – im Sinn Pierre Noras – zu einem geteilten Erinnerungsort. Im Kalten Krieg bestanden somit Interaktionen zwischen der Bundesrepublik, der DDR und Polen bzw. der Tschechoslowakei sowie ein mehr oder weniger expliziter Kommunikationszusammenhang. Auf diese Entwicklungen reagierten die gruppenspezifischen Diskurse, hier im Vertriebenenmilieu, relativ spät oder in geringem Maß. Das lag am Entstehungszusammenhang des Heimatdiskurses, der nachfolgend skizziert werden soll. „Das kollektive Gedächtnis wird nicht nur medial vermittelt, sondern überhaupt erst medial konstruiert“, schreibt der Literaturwissenschaftler Paweł Zimniak in seiner Arbeit zu „Niederschlesien als Erinnerungsraum“.15 Dies trifft umso mehr für den Fall des kollektiven Gedächtnisses der Vertriebenen zu, das nach der Ankunft in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands einen neuen Sinnzusammenhang erhielt. Nach den Erfahrungen von Krieg, Zerstörung, Besatzung und Verlust des Zuhauses erschufen sie sich ein idealisiertes Heimatbild, das weniger dem Bedürfnis nach einer sofortigen Rückkehr als einer mentalen Anpassung an die neue Situation, vor allem die Fremdheitserfahrung im Westen, entsprach.16 Dabei standen den Betroffenen selten persönliche Erinnerungsstücke zur Verfügung: Auch wenn in den Berichten manchmal das Mitnehmen von Kinderspielzeug, Familienfotografien oder regionalen Erzeugnissen auftaucht, wurden in den Wirren des Heimatverlustes vor allem Lebensmittel, Nutzgegenstände, Geld oder verbliebene Kostbarkeiten eingepackt. Im Vertriebenengepäck aber fehlten „alle Stücke, die auf eine Demonstration von Heimat, die Einbettung des Einzelnen und der Familie in einen größeren Rahmen des Heimatortes und der Herkunftsregion hinweisen. Diese heimatlichen Zeichen sind Neuschöpfungen oder Neuanschaffungen, die erst beim Bewußtwerden des Verlustes der Heimat entstehen konnten, und somit als Folgen des Heimwehs anzusehen sind.“17 Erst nach der Ankunft in Westdeutschland konnte man das Bild der verlorenen Heimat rekonstruieren. „Was ist das Material?“, schrieb später Marion Gräfin von Dönhoff über diese Erinnerungsarbeit. „Zeitgenössische Quellen wie HJ- und Soldatenliederhefte, Landkarten, Fotographien, Heimatliteratur, Schulbücher aus der NS-Zeit, Zeitungsausschnitte, historische Fachbücher, Biographien und manch anders, auch Gespräche mit Freunden [...]. Dann Familienpapiere, Familienfotographien, Tagebücher, aus denen direkt zitiert wird, und Briefe, vor allem Briefe.“18

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von den Reisen mitgebracht wurden und damit nicht nur die Erinnerung unterstützen, sondern auch nachhaltig prägen.“ Sauermann: Erinnern und Zeichensetzen, 89. Zimniak, Paweł: Niederschlesien als Erinnerungsraum nach 1945. Literarische Fallstudien, Wrocław 2007 (Orbis linguarum. Beihefte 58), 84. Demshuk: When you come back. Sauermann: Erinnern und Zeichensetzen, 94. Joachimsthaler, Jürgen: Die Semantik des Erinnerns. Verlorene Heimat – mythisierte Landschaften. In: Mehnert, Elke (Hg.): Landschaften der Erinnerung. Flucht und Vertreibung aus

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Anhand dieser Bilder, Bücher, Briefe und anderer Artefakte (auch Touristensouvenirs) wurde die persönliche Erinnerung gestutzt. Im Fall der Riesengebirgsregion kam hinzu, dass mediale Repräsentationen der Landschaft in millionenfacher Ausfertigung in vielen deutschen Haushalten vorlagen, sei es als Fotoalben, Postkarten von der Wanderung oder landeskundliche Beschreibungen. Dabei wurde die im weitesten Sinn begriffene Sprache dieser Quellen, jene traditionellen kulturellen patterns aus der Vorkriegszeit mit ihrer spezifischen national(istisch)en Überhöhung perpetuiert.19 Dieses mediale Konstrukt war somit gewissermaßen gezielt vom physischen Raum abgesetzt, um ausschließliches Gut der Vertriebenen zu bleiben. „Niemand kann uns diese Erinnerung rauben, niemand kann uns unsere Liebe zu unserem schlesischen Gebirge nehmen, denn Erinnerung und Liebe sind unverlierbarer Besitz dem, der sie tief in sich verborgen hält und zu hüten weiß“, schrieb ein Zeitgenosse.20 Nicht nur, dass diese „Virtualisierung“ der Heimat im Gegensatz zum wiederholt postulierten Rückkehrwillen stand, sie entsprach auch einem anderen Bedürfnis und erfüllte andere Zwecke. Die reale Unterstützung für die politische Agenda der Vertriebenenfunktionäre sollte man ohnehin differenzierter betrachten, wie Andrew Demshuk betont und auch Christian Lotz nahe legt.21 Letztlich trugen auch die Isolierung von den Herkunftsgebieten während des Kalten Krieges, die Verdrängung der traumatischen Erlebnisse der Jahre 1945–1948 und der Wille zur Behauptung einer eigenen Identität in der neuen Heimat zur Herausbildung eines Heile-Welt-Ideals im medialen Diskurs bei. Nachdem die Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit sich gelegt hatten und die neu gegründete Bundesrepublik wirtschaftlich langsam in Schwung gekommen war, veränderte sich auch die Lage der Vertriebenen. Nicht zufällig fallen auf die ersten Jahre des westdeutschen „Wirtschaftswunders“ und die Zeit der fundamentalen sozialpolitischen Gesetzgebung (Lastenausgleichs- und Bundesvertriebenengesetz, 1952 bzw. 1953) einige bedeutende Veröffentlichungen aus dem Bereich der Erinnerungskultur der „Riesengebirgler“. 1953 legte der letzte Schatzmeister des Riesengebirgsvereins und sein Erneuerer in der Bundesrepublik, Alfred Höhne, zusammen mit seiner Frau, der Autorin Kläre Höhne, ein Heimatbuch von Hirschdeutscher, polnischer und tschechischer Sicht, Frankfurt a. M. u. a. 2001, 188–227, hier 212f. 19 Orłowski, Hubert: Tabuisierte Bereiche im deutsch-polnischen Gedächtnisraum. Zur literarischen Aufarbeitung von Flucht, Zwangsaussiedlung und Vertreibung in der deutschen und polnischen Deprivationsliteratur nach 1945. In: Mehnert (Hg.): Landschaften der Erinnerung, 82–113, hier 98. 20 K., H.: Erinnerung an die Schlingelbaude. In: Meine liebe Heimat Du. Jahrbuch für die Stadt- und Landkreise des Riesen- und Isergebirges 1959, 26. 21 Demshuk: When you come back; Lotz: Die Deutung des Verlusts, 70–73, 144f. Zur Durchsetzungsstrategie einer vereinheitlichten Erinnerungsarbeit der Verbände vgl. ebd., 75, 146– 150.

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berg vor. Im gleichen Jahr erschien zum ersten Mal die „Schlesische Bergwacht. Monatszeitschrift der Heimatvertriebenen aus der Stadt und Kreis Hirschberg, dem Riesen- und Isergebirge und des Riesengebirgsvereins“. Zusätzlich erschien in den Jahren 1955–1967 das von Kläre Pohl herausgegebene Jahrbuch „Meine liebe Heimat Du“. Es ist paradoxerweise die Oktoberausgabe des Magazins „Merian“ aus dem Jahr 1953, die ein außergewöhnliches Beispiel der Virtualisierung der Riesengebirgsheimat darstellt. Zwar waren bereits in den beiden Jahren zuvor einige thematische Nummern erschienen, die einzelnen Regionen im verlorenen Osten gewidmet waren, der Fokus auf das Thema „Riesengebirge/Sudeten“ ist jedoch von besonderem Interesse.22 Mit einem Reisemagazin von praktischem Nutzen hat dieses „Merian“Heft wenig gemeinsam. Den Inhalt bilden literarische (Carl Hautpmann und Hermann Stehr), volkskundliche (zum Beispiel Will-Erich Peuckert) und kulturhistorische Texte des früheren schlesischen Landeskonservators Günther Grundmann. Nebenbei sei vermerkt, dass sich in dieser Publikation ein erster Vorabdruck von Gerhart Pohls Bericht über die letzten Tage Gerhart Hauptmanns befindet, der noch im selben Jahr in Buchform („Bin ich noch in meinem Haus“) erscheinen sollte.23 Zahlreiche Aufnahmen namhafter Fotografen (unter anderem Karl Franz Klose) und eine Kartendarstellung rundeten das ansehnliche Büchlein ab. Es war nicht als Reiseführer, sondern eher als reich bebilderte landeskundliche Beschreibung gedacht, die das Bild der Region mit seiner betonten deutschen Prägung in der Öffentlichkeit präsent halten und somit eine Rückgabe an Deutschland rechtfertigen sollte. Ein weiteres Werk, auf das hier kurz eingegangen werden soll, ist „Das Riesengebirge und Isergebirge in 144 Bildern“, das 1958 von Ernst Birke herausgegeben wurde. Man darf vermuten, dass sich das Fotoalbum großer Popularität erfreute, denn es wurde mehrfach neu aufgelegt. Das Format „X in 144 Bildern“ wurde übrigens für viele weitere deutsche und historisch deutsche Regionen verwendet. Auf eine subtile Art und Weise zeichnet Birke darin das Bild einer Kulturlandschaft, die durch deutsche Besiedlung geprägt wurde. „Über lange Jahrhunderte hin hatte es sich den menschlichen Einflüssen feindlich entgegengestemmt, ur22 Im März 1951 widmete sich eine Ausgabe Schlesien. Bereits 1950 waren jeweils ein Heft zu Breslau und Ostpreußen erschienen, im Juli 1951 war Danzig das Thema, im April 1952 Pommern und im März 1953 die ostpreußischen Städte. Interessanterweise tauchte dieser Teil Europas erst 1970 im „Merian“ wieder auf, als im Mai desselben Jahres Warszawa (Warschau) vorgestellt wurde – wohl im Vorgriff auf die sich anbahnende Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen der BRD und der Volksrepublik Polen. 23 Pohl: „Bin ich noch in meinem Haus?“ Vgl. ders.: Czy jestem jeszcze w swoim domu? Ostatnie dni Gerharta Hauptmanna [mit einem Nachwort von Janusz Skowroński], Warszawa 2009; Hartwich, Mateusz J.: Pohl, Gerhart Oskar Ferdinand. In: Słownik biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej, http://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/docmetadata?id=1896&showContent=true [Zugriff am 19.5.2011].

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waldbedeckt und sturmumtost mit wilden Wasserstürzen an seinen Flanken“, schreibt der Herausgeber.24 „Dann hatten sich die deutschen Siedler, Hirten und Holzknechte allmählich von allen Seiten hinaufgearbeitet und dem ganzen Gebirge trotz aller Unberührtheit im einzelnen das Gesicht einer einheitlichen Kulturlandschaft aufgeprägt.“25 Das von David Blackbourn beschriebene Motiv der ‚Eroberung‘ einer ‚wilden‘ Landschaft, die sogar in ihrer kulturellen Prägung noch ursprünglich war, findet sich hier eins zu eins wieder.26 Auf eine bemerkenswerte Art wurden die Grenzveränderungen und die Vertreibung verarbeitet: „Hat unser Riesen- und Isergebirge damit und womöglich für immer aufgehört, das zu sein, was es war?“, fragt Birke dramatisch. „Wenn sie [die früheren Besucher des Riesengebirges, Anm. d. Verf.] ihre Erinnerungen daran nicht versinken lassen, sondern sie sich selbst, ihren Nachbarn und ihren Kindern lebendig erhalten, dann zahlen sie den Dank für das zurück, was ihnen einst bereitwillig geboten wurde und was sie selbst sich so freudig erwandert haben. So wirkt unser schlesisches Gebirge aus der weit entrückten Ferne noch immer als eine Klammer, die hierzulande die aus ihrer schönen Heimat vertriebenen Riesen- und Isergebirgler mit ihren ehemaligen Gästen und mit jedem verbindet, dem dieses Stück Erde etwas bedeutet.“27 Die Erinnerung an das Riesengebirge wurde somit zu einer nationalen Aufgabe erhoben, die jeden Besucher und jeden Wanderer von früher in die Verantwortung nahm. Dadurch sollte der Bezug zur verlorenen Heimat das „Ghetto“ der Vertriebenenverbände verlassen, in das die Erinnerung an die Ostgebiete seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre immer mehr abdriftete.28 Ernst Birkes Büchlein ist auch insofern von besonderer Relevanz für die vorliegende Studie, als dass es zu einem interessanten Zeitpunkt erschien: im Jahr 1958, nachdem also die ersten Reisen aus Westdeutschland nach Polen stattgefunden hatten und erste Berichte darüber erschienen waren. Darauf nahm Birke nur sehr mittelbar Bezug: „Selbst wer es fertig bringt, jetzt noch mit seinem Kind in das vertraute Gebirge zu reisen, wird es ihm so freizügig wie früher nicht mehr zeigen können. Wieder fragen wir: wird das immer so sein? Und wieder wird vor allem der jugendliche Optimismus antworten: warum? Lasst uns die drückenden Lasten und die hemmenden Schranken abschütteln und unbeschwert von ihnen mit frischem Mut den Aufstieg wagen! Auch wenn sie dabei nicht alles so wieder finden wird, soll diese Jugend doch wissen, wie es war und wieder sein kann. Deshalb ist zu-

24 Birke, Ernst: Das Riesengebirge und Isergebirge in 144 Bildern, Leer (Ostfriesland) 1958, 6. 25 Ebd. 26 Blackbourn, David: The Conquest of Nature. Water, Landscape and the Making of Modern Germany, London 2006; ders.: „The Gardens of our Hearts“. Landscape, Nature, and Local Identity in the German East. In: ders./Retallack (Hg.): Localism, 149–164. 27 Birke: Das Riesengebirge, 6. 28 Lotz: Die Deutung des Verlusts, 203–207. Den Begriff des „Ghettos der Landsmannschaften“ verwendet kritisch Kittel: Vertreibung, 176.

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nächst ihr dieses erinnerungsreiche Bilderbuch gewidmet.“29 Eine Heimatreise sollte also vorbereitet sein – könnte eine Schlussfolgerung lauten – vor allem durch den Rückgriff auf Erinnerungen. Eine gewisse Distanz gegenüber dem Gesehenen in der alten Heimat scheint im beschriebenen Kontext verständlich, ließen doch die ersten Beschreibungen dieser Gebiete den Eindruck entstehen, die Herkunftsregionen hätten sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Dies mag im materiellen Sinn weniger für das Riesengebirge selbst zutreffen, da die Region während des Krieges nicht zerstört worden war und sich die Veränderungen – mit Ausnahme des katastrophalen Zustands der Bürgerhäuser am Marktplatz von Jelenia Góra (Hirschberg) – im Großen und Ganzen in Grenzen hielten. Die Orte machten, wie Gerhart Pohl 1952 schrieb, „einen östlichen, aber nicht verwahrlosten Eindruck“.30 Ein Gefühl der Fremdheit verbreitete sich jedoch beim Betrachter. Ein westdeutscher Journalist schrieb über die „Verwandlung, die dieser typisch schlesischen Stadt [Greiffenberg] heute ein fremdes Gesicht gibt. Nur wenige Deutsche verblieben in ihrer alten Heimat, doch die schmutzig und baufällig gewordenen Häuser und die Straßen voller Unkraut ließen sie ihnen zur Fremde werden.“31 Und weiter: „In dieser einst so idyllischen Stadt [Hirschberg] begegnet mir auf jedem Schritt die Armut der Menschen, die aus Ostpolen und der Karpatho-Ukraine [sic!] hierherkamen; Traurigkeit und Verzweiflung beherrschen den einst so fröhlichen Ausgangspunkt in Rübezahls Reich.“32 Die Kritik an der polnischen Verwaltung, die teils rassistisch anmutenden Bemerkungen über die neue Bevölkerung und die Idealisierung der deutschen Vergangenheit sollten im Ansinnen der Autoren wohl von den tatsächlichen Veränderungen vor Ort ablenken. Sie betonten sie jedoch noch eher. Oft bestand die Schlussfolgerung darin, sich mit der Berufung auf zeitlose Naturphänomene zu trösten („Und wenn dann die Schneekoppe herüberleuchtet, wird es uns zur Gewissheit, daß dieses Land nicht zur Fremde wurde, sondern der Wiederkehr seiner Menschen harrt.“). Es war den Beobachtern jedoch klar, dass die Konfrontation mit der Realität vor Ort erschütternd sein konnte. Eine Konsequenz bestand für Ernst Birke darin, die Vertriebenen, vor allem die jungen, nicht mit den Reiseeindrücken allein zu lassen. Der Fremdheit und dem Verfall der Heimat wurde aufbauende Erinnerung entgegengesetzt. In diesem Sinn wurde das Bild der Heimat ‚virtualisiert‘, nostalgisch verklärt. „Ich danke Gott, daß er mich die Heimat wieder sehen ließ!“, schrieb eine Vertriebene nach ihrer Heimatreise, „Heimat – dein Bild

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Birke: Das Riesengebirge, 6. Silesius alter [Pohl]: Jenseits von Oder und Neiße, 38. Trotz allem: Rübezahl blieb. In: Blank (Bearb.): Wo heute fremde Wegweiser stehen, 27f. Ebd., 28.

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bleibt rein in meiner Seele, aber du bist nicht mehr die alte Heimat, fremd bist du geworden, nicht durch die langen Trennungsjahre – nein – durch die Gegenwart!“33 Dieser Vorgang der Virtualisierung hatte nichts mit einer etwaigen verbandspolitischen Weisung oder einer bewussten Verdrängung der aktuellen Entwicklung in den Heimatorten zu tun. Die Veränderungen – Sterbefälle und (seltener) Geburten bzw. Eheschließungen innerhalb der restdeutschen Gemeinschaft, bauliche Veränderungen, selbst die Tourismus- und sonstige wirtschaftliche Entwicklung – wurden aufmerksam registriert. Meist berief man sich nolens volens auf polnische bzw. tschechische Quellen, deren Aussage oft hinterfragt wurde, oder auf Berichte der Einheimischen. Nach der großen Ausreisewelle aus Polen in den Jahren 1956–1958 und weiteren in den siebziger Jahren wurde allerdings die Zahl der Deutschen in den Herkunftsregionen immer kleiner. Ein härteres Vorgehen seitens der Staatssicherheit gegen ‚revisionistische Tätigkeit‘, zu der der Briefverkehr mit Landsleuten in Westdeutschland gehörte, trug zum allmählichen Versiegen der Informationsquellen bei. Ferner begannen sich die allgemeinen Medien um die Mitte der sechziger Jahre verstärkt für Polen zu interessieren; zudem fanden Studienreisen, vor allem von Jugendgruppen, statt. Die auf diesen Reisen erstellten Beschreibungen der Realität in den verlorenen Ostgebieten entsprachen zumeist nicht den Vorstellungen der Vertriebenen und vor allem ihrer Organisationen.34 Eine verbandskonforme Berichterstattung konnte aufgrund der Blockade für den westlichen Touristenverkehr nicht aus erster Hand erfolgen. Eine nicht zu ignorierende Quelle stellten dafür Reiseberichte von Ostdeutschen dar, die – teils anonym, teils unter vollem Namen – in der Vertriebenenpresse erschienen, oft mit Fotos. Diese Berichte stellten aufgrund ihrer kritischen Aussage ein großes Ärgernis für polnische Stellen dar. Ein charakteristisches Problem dieser Berichte war dabei die Sprachpolitik. Ein Herr Scholz aus Görlitz veröffentlichte beispielsweise im Dezember 1960 eine Darstellung seiner Heimatreise mit der Überschrift „Eine Reise nach Polen“. Kurze Zeit danach sah sich die Redaktion zu einer Richtigstellung gezwungen. „Es mußte heißen: ‚Eine Reise in die polnisch verwalteten Gebiete unserer Heimat‘. Ein Leser beklagt mit Recht die falsche Formulierung dieser Berichterstattung und wir versäumen nicht, eine Korrektur an dieser Stelle vorzunehmen, und bitten, das Versehen zu entschuldigen.“35 Übrigens wird von späteren Reisen westdeutscher Gruppen berichtet, dass die am Tag der Rückkehr geäußerte Erleichterung „Nun geht es wieder zurück nach Deutschland“ von den Mitreisenden mit „Du bist doch die

33 Müller-Hattorf, F.: Pfingsten in der Heimat! In: Riesengebirgsheimat. Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe 18 (1964) 304–305, hier 304f. 34 Lotz: Die Deutung des Verlusts, 134f. 35 Berichtigung. In: Schlesische Bergwacht, Nr. 36 vom 25. Dezember 1960, 672.

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ganze Zeit in Deutschland!“ berichtigt wurde.36 Der Eindruck einer Reise in die alte Heimat mit bis zu 16 Stunden Fahrtzeit, zwei Grenzkontrollen, wobei die Soldaten der DDR als besonders schikanös galten, einem Zwangsumtausch an der Grenze und schließlich einer polnischsprachigen Umgebung konnte selbst die überzeugtesten Schlesier ins Wanken bringen. Dies galt umso mehr für Vertriebene in der DDR, die einem völlig anderen Diskurs über die verlorene Heimat ausgesetzt waren. Die Jahre der Isolierung im Kalten Krieg waren für das Anliegen einiger Vertriebenenvertreter in diesem Sinn ein paradoxer Segen. Die Veränderungen in den internationalen Beziehungen und der sich wandelnde Diskurs über die jüngste Geschichte in der westdeutschen Gesellschaft seit Ende der fünfziger Jahre delegitimierte zusehends die politische Argumentation der Landsmannschaften. Durch die Tatsache, dass der ‚deutsche Osten‘ aus dem Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion an den (rechten) Rand rückte, behielt das Milieu jedoch die Deutungshoheit über den Raum.37 Je weniger Berichte über die sich wandelnde Realität in den betreffenden Gebieten den Diskurs des Vertriebenenmilieus durchdrangen, desto geschlossener war ihre Gruppenidentität. Das Bild der Heimat war wie festgefroren, eine überzeitliche Projektion der idealisierten Natur und deutscher Kulturleistungen, die medial konstruiert, vermittelt und perpetuiert wurde.38 Man darf sich jenes Bild jedoch nicht als festgefügtes oktroyiertes Projekt vorstellen, das gegen das Wissen um die veränderte Realität und gegen den Willen der Beteiligten durchgesetzt wurde. Gewiss, seit Ende der fünfziger Jahre arbeiteten die Vertriebenenverbände daran, die kleinteilige Medienlandschaft des Milieus auf eine politische Linie zu bringen.39 Andererseits begünstigte die Ausarbeitung einer gruppenspezifischen Narration nicht nur die Identitätsbildung, vor allem auch durch die Abschottung nach außen, sondern erforderte implizit die Interaktion des Einzelnen. Die Vertriebenen sandten den Redaktionen ihrer Heimatzeitungen eigene Texte zu, in denen individuelle Erinnerungen und Erlebnisse festgehalten und in das vorgegebene Raster eingepasst wurden. Die Familien- und Nachbarhäuser, die Dorfschule, die Kirche, sogar Geschäfte und Ämter oder Schleichwege in der Umgebung waren nicht nur persönliche Erinnerungsfragmente, sondern Teil der Erzählung von der deutschen Kulturlandschaft. „Es ist ein Kanon alltagsweltlicher

36 Sauermann, Dietmar: „Fern doch treu“. Lebenserinnerungen als Quellen zur Vertreibung und ihrer kulturellen Bewältigung, am Beispiel der Grafschaft Glatz, Marburg 2004 (Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. 89), 404. 37 Lotz: Die Deutung des Verlusts, 203–207; Kittel: Vertreibung, 28. 38 Blackbourn: The Gardens, 159; Demshuk: When you come back. 39 Lotz: Die Deutung des Verlusts, 149f.

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Topoi, die unter dem begrifflichen Dach der ‚alten Heimat‘ das Gerüst eines kollektiven Gedächtnisses der Heimatvertriebenen bilden.“40 Die originellste Darstellung dieser imaginativ-empirischen Gemengelage befindet sich wohl in der „Schlesischen Bergwacht“ vom September 1960. Die Beschreibung einer virtuellen Koppenwanderung einiger Riesengebirgler verdient aufgrund des konzentrierten Auftretens charakteristischer Aspekte ein längeres Zitat: „Es war der 21. Aug[ust] 1960, ein nicht allzu freundlicher Tag, aber dennoch beschloß ich, einen Bekanntenbesuch in die Friesische Wehde zu unternehmen. [...] An der Wand vor einem großen Tisch hing ein großes Schneekoppenbild, darunter ein gleiches mit dem Riesengebirgspanorama. Auf dem Tisch selbst standen fünf große Flaschen Stonsdorfer-Bitter, davor lag eine ausgebreitete RiesengebirgsLandkarte, und auf einem danebenstehenden Tisch stand ein Plattenspieler, ein Tonband, und ausgebreitet lagen viele Bergwachtzeitungen. Und nun will ich erzählen, wie diese fünf schon betagten Riesengebirgsler diese Koppenreise begannen, zu der sich jetzt auch, da ja Sonntag, die Angehörigen und sogar etliche Einheimische eingefunden hatten. [...] Die erste Flasche wurde entkorkt und jeder Anwesende trank auf eine glückliche Reise. Auf meine Frage, wo wir wären, hieß es, in der Stonsdorfer Brauerei. Also Abmarsch nach der Wegekarte. Heinrich galt als Gebirgsführer und setzte sich zum Zeichen dessen seinen aus der alten Heimat geretteten Hut mit dem Edelweiß auf den Kopf. [...] Wir zogen weiter, und immer erklärte Heinrich die Umgebung und die im Tal liegenden Dörfer. Einzelheiten aus allen Ortschaften wurden wachgerufen, und staunen mußte man, wie gut die Jugend dabei zuhörte und nicht selten Fragen stellte. Mittlerweile hatten wir Rübezahls Kegelbahn erreicht, hier stand früher oft ein Mann, der sang das Riesengebirgslied, einer kleinen Gabe hoffend, also ließ Heinrich jetzt auf seinem Plattenspieler dieses Lied erklingen, von allen Anwesenden sofort begleitet. Weiter ging der Weg, und alle Anwesenden erzählten jetzt von erlebten Begebenheiten einstiger Koppenreisen. Die Schlingelbaude wurde mittlerweile erreicht, in Gedanken wurde eingekehrt, und wir tranken auf eine frohe Weiterreise. [...] Da wir aber meinten, auf dem Kamm zu sein, so wurden im Geiste die Rucksäcke ausgepackt und die schon bereitgestellten Schnitten mit den gekochten Eiern verzehrt. Der Plattenspieler trug nun Klänge der Heimat vor, wie ‚Der alte Rübezahl‘, ‚Hohe Tannen‘, ‚Schlesierlied‘ usw. Eine Anzahl Ansichtskarten und Fotos der alten Heimat wurde herumgereicht, und jeder Anwesende wußte eine kleine, aber interessante Geschichte zu erzählen. [...] Gar lange saßen wir noch beisammen und gedachten all der verlorenen Schönheiten unseres Gebirges und auch derer, die wir einst gut gekannt, und die nicht mehr sind.“41 40 Esch, Katharina: „Doch die Erinnerung, die bleibt mir stets gewiß“. Bilder und Inszenierungen der verschlossenen Böhmerwald-Heimat. In: Fendl (Hg.): Zur Ikonographie, 29–54, hier 39. 41 Matzke: Koppenreise, 466.

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Die Vorstellung einer Koppenwanderung in Gedanken verlieh dieser Schilderung eine gewisse Exotik. Vor allem verdienen aber die im Zitat angeführten Medien des kollektiven Gedächtnisses eine besondere Beachtung: Bilder, Karten, Kulinaria, persönliche Erinnerungsstücke mit Heimatbezug und Lieder. Wichtig war ferner der Hinweis auf die mediale Interaktion der Beteiligten, die ihre individuellen Erlebnisse in die Geschichte einfließen ließen, ganz abgesehen von der physischen Interaktion.42 Auch wenn diese Beschreibung in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich war, zeigte sie auch, dass die Welt der Vertriebenen nicht nur aus Vorkriegskarten und dem Bekenntnis zum ‚Deutschtum‘ der Herkunftsregionen bestand. Gleichzeitig kann man von einer Abweichung vom dominierenden Diskurs nicht sprechen: Der persönliche Charakter der beschriebenen Geschichte(n) bereicherte das Bild der alten Heimat lediglich um individuelle Details und verlieh der Rahmenerzählung somit Glaubwürdigkeit. Der Beitrag endete zwar nicht mit der Forderung nach Rückkehr, behielt aber durch den Ruf nach Pflege des Heimatgedankens seine politische Korrektheit im gruppenspezifischen Kontext. Die Öffnung der Tschechoslowakei für Westtouristen 1964 fiel in eine Zeit, in der der Diskurs über die Vertreibung und die früher deutsch besiedelten Gebiete nicht mehr von den Vertriebenenverbänden monopolisiert, aber immer noch mitbestimmt wurde. Die Normalisierung der westdeutsch-polnischen Beziehungen und die daraus resultierende Liberalisierung der Reisebestimmungen 1970 fanden in gänzlich anderen Rahmenbedingungen statt. Durch die Neue Ostpolitik der SPD/FDP-Regierung ging der politische Einfluss der Vertriebenenorganisationen erheblich zurück, während die gesellschaftliche Debatte um die Deutung der Zeitgeschichte viele grundlegende Positionen der Milieuvertreter hinterfragte.43 Darüber hinaus hatte sich die Situation in den ehemaligen deutschen Ostgebieten gewandelt. Ein wirtschaftlicher Aufschwung kam zwar schwerlich in Gang und die politische Lage spitzte sich aufgrund der Ereignisse von März und August 1968 (gewaltsame Niederschlagung studentischer Proteste und antisemitische Kampagne bzw. Einmarsch in die Tschechoslowakei) nochmals zu.44 Dennoch war das Polen nach 1970 ein völlig anderes Land, als es 1956 oder 1958 die westdeutschen Journalisten vorgefunden hatten – nicht zuletzt hatte sich auch deren Perspektive seit Hansjakob Stehle oder Klaus von Bismarck verändert.45 Jenseits der offiziellen Erfolgsrhetorik der polnischen Kommunisten war ein Entwicklungsschub der polnischen Westgebiete zur Tatsache geworden.

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Zimniak: Niederschlesien, 136. Lotz: Die Deutung des Verlusts, 266. Dębska, Agnieszka (Bearb.): Rok 1968. Środek Peerelu, Warszawa 2008. Frieberg: The project of reconciliation; dies.: Hansjakob Stehle and the Borderlands on the Polish Side of the Oder River and the Lusatian Neisse in 1956–1972. In: Hein-Kirchner, Heidi/Suchoples, Jarosław/Hahn, Hans Henning (Hg.): Erinnerungsorte, Mythen und Stereotypen in Europa, Wrocław 2008, 139–162.

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„Heute ist es nicht mehr schwierig, Schlesien zu besuchen“, schrieb Monika Taubitz 1972 in ihrem literarischen Reisebericht. „Das größte Hindernis, heute Schlesien zu besuchen, liegt in dem Besucher selbst, wer sich großen Erlebnissen positiver und negativer Natur, aus welchen Gründen auch immer, nicht gewachsen fühlt, wer seine Bilder der Vergangenheit unverändert behalten will, selbst wenn die Zeit ihre Konturen zu verwischen beginnt, dem sei nicht geraten, Schlesien wiederzusehen.“46 Die Angst vor dem Wiedersehen, ein Vierteljahrhundert nach der Vertreibung, scheint recht verbreitet gewesen zu sein. Eine Vertriebene schrieb: „Mein Vaterhaus – Nr. 134 – es sah gar nicht so viel verändert aus, es war von einem Zaun umgeben. Ich bin aber nicht hineingegangen, ich will mir lieber die traulichen Stuben so in Erinnerung behalten, wie sie einst von unserer Mutter gepflegt wurden.“47 Mit dem seit 1970 wieder einsetzenden Reiseverkehr nach Polen – die Zahl der Touristen versechsfachte sich bis 1978 auf 328.00048 – wurden die westdeutschen Vertriebenen nicht nur mit der Realität ihrer Geburtsorte, sondern auch mit der virtuellen Heimat in ihren Köpfen konfrontiert. Das Ergebnis war oft ein Schock. Für viele bedeuteten diese Reisen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit, für einige den Beginn einer neuen Beziehung durch neu geknüpfte Kontakte mit Polen vor Ort.49 Die Organisationen der Vertriebenen unterstützten die Besuchsreisen als „Dienst an der Heimat“ mit Empfehlungen zum Vorgehen, um dem Eindruck der Polonisierung der früheren Ostgebiete entgegenzuwirken.50 Die Fahrten sollten durch Vergleichsdaten, zum Beispiel zum Bevölkerungsstand vor und nach dem Krieg, vorbereitet werden. Diese Handreichungen in Form von Mappen mit historischen Hintergrundtexten, alten Aufnahmen und Karten finden teilweise bis heute bei organisierten Gruppen Verwendung. Der Tendenz zum Besuch der betreffenden Regionen selbst, was nach Lisieckis Angaben im Jahr 1972 etwa 43 Prozent der Bundesbürger deklarierten – etwa die Hälfte der faktisch Reisenden waren Vertriebene –,51 konnten und wollten sich die Landsmannschaften nicht widersetzen. Die Bestandsaufnahme vor Ort musste dabei nicht zwingend zu Ungunsten des idealisierten Heimatbildes des Milieus ausfallen. Die Überzeugung von der kulturellen Überlegenheit der Deutschen und vom Verfall der Orte wurde anhand selektiver Verweise (beispielsweise Sauberkeit der Toiletten) oder genereller Beobachtungen bezeugt und diente der Selbstvergewisserung bzw. der Überdeckung der 46 Taubitz, Monika: Schlesien – Tagebuch einer Reise, Heidenheim [1972], 5, 7. 47 St., K.: Ein Weg durch das Heimatdorf. In: Schlesische Bergwacht, Nr. 34 vom 5. Dezember 1960, 628. Vgl. ferner Müller-Hattorf: Pfingsten, 304f. 48 Majowski: Polska Ludowa zaprasza, 46. 49 Sauermann: „Fern doch treu“, 407; Frede: „Unvergessene Heimat“, 329. 50 Lisiecki, Stanisław: Ruch turystyczny z RFN do Polski. Zagadnienia społeczne i polityczne, Poznań 1981 (Studium niemcoznawcze Instytutu Zachodniego 36), 54–57. 51 Ebd., 100, 104–106.

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Dissonanz zwischen dem Erinnerten und dem Erlebten.52 Hierzu wieder Monika Taubitz: „Was Menschen vor langem hier schufen, ist von Verfallendem bedroht, wird in allen Stadien des Verfalls sichtbar. Die neuen Bewohner lieben das Land nicht, und es zerfällt unter ihren Händen. Ein Spuk! Unwirklich! Manchmal bezweifle ich meine Wahrnehmungskraft.“53 Oder in einem anderen Kontext: „Die jetzigen Bewohner lieben ihre Stadt nicht, daher keine Renovierungen und der verwahrloste Stadtpark. Unser Fleiß wurde in der neuen Heimat belohnt, es geht uns besser als denen, die sich unrechtmäßig in unseren reichen Besitz hineingesetzt haben, und das läßt uns den Heimatverlust etwas leichter ertragen. Wir scheiden von Hohenelbe zwar in trauriger Stimmung, aber nicht mit gebrochenem Herzen.“54 Häufiger als zuvor kam es zu Beschwörungen der ‚ursprünglichen‘ Landschaft, wobei die Berge eine wichtige Rolle spielten: „So schildern einige Autoren in ihren Reiseberichten ihre Suche nach einzelnen Erinnerungsorten, mit deren Hilfe sie die vertraute ‚alte Heimat‘ im Geiste reproduzieren können. Die Berge und die Landschaft haben dabei eine besondere Bedeutung, da sie in den gestalterischen und repräsentativen Wahrzeichen – die Silhouette eines Ortes, die herausragenden Kirchtürme und Gebäude – zu erkennen sind, nicht aber die [...] ‚widerspenstigen Realitäten‘“.55 Die Natur wurde spirituell aufgeladen und lenkte den Betrachter von der materiellen Realität der Orte ab, die aufgrund von Verfall und baulichen Veränderungen nicht mehr dem Bild aus der „kognitiven Landkarte“ der Vertriebenen entsprachen. „Wiesen, Wälder und Felder – wie ein verwunschener Garten. Dann die Höfe. Sie stehen im scharfen Kontrast zu dem lieblichen Anblick, den die Natur bietet. Verschmutzt, verkommen, teilweise abgebrannt, so starren sie mir entgegen.“56 Es sei allerdings daran erinnert, dass die Tradition einer kulturellen, auch nationalen Überhöhung des Riesengebirges bis ins 19. Jahrhundert reichte. Es lässt sich auch ein veränderter Fokus beobachten: Stellten zunächst Bilder der Häuser und Straßen das wichtigste Motiv dar, tauchten in späteren Reiseberichten vermehrt Fotos der Reisegruppe auf.57 Die ohnehin verbreitete Annahme, die Heimat seien die Menschen und nicht der geographische Raum, fand in der Begegnung mit den Herkunftsregionen eine Bestätigung.58 Dies erklärte auch den ausgeprägten Gemeinschaftscharakter der Heimatreisen, was durch Verwendung der Dialektsprache noch verstärkt wurde.59 Das Sprachproblem schien ohnehin auch hier ein zentrales zu sein: Während sich die Besucher nicht die Mühe mach52 Ebd, 131–137. 53 Taubitz: Schlesien, 53. 54 Müller, Josef: Rundgang durch Hohenelbe. In: Riesengebirgsheimat. Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe 32/9 (1978) 3–4, hier 3f. 55 Frede: „Unvergessene Heimat“, 359; Zimniak: Niederschlesien, 190f. 56 Taubitz: Schlesien, 48. 57 Sauermann: „Fern doch treu“, 395. 58 Lisiecki: Ruch turystyczny, 111f. 59 Frede: „Unvergessene Heimat“, 274, 352.

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ten, einige Worte Polnisch zu sprechen, verstärkte die Allgegenwärtigkeit dieser Sprache das Gefühl der Fremdheit in der alten Heimat.60 Nicht zufällig trug eine frühe Sammlung von Presseberichten über das heutige Westpolen den sprechenden Titel „Wo heute fremde Wegweiser stehen“. Nicht zuletzt stellte der ‚touristische Aspekt‘ dieser Reisen ein gesondertes Phänomen dar. Es wurde schon angemerkt, dass die Fahrt an sich einigen logistischen Aufwand bedeutete. Auch die Reisebüros waren auf die Kooperation mit polnischen Stellen angewiesen, auch wenn sie bei der Kommunikation mit der Zielgruppe alle Hinweise auf Polen möglichst mieden.61 Selbst die Heimatreisenden schlüpften in die Rolle von Touristen, indem sie sich mit der Qualität von Unterkünften und Verpflegung auseinandersetzten, oft über den Heimatort hinausgehende Besichtigungs- und Unterhaltungsangebote wahrnahmen oder Andenken kauften.62 Gerade letzter Aspekt verdient eine vertiefte Betrachtung. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die meisten Heimatartefakte nicht aus dem Vertreibungsgepäck stammten, sondern nachträglich gesammelt wurden. Neben spezialisierten Produzenten in Westdeutschland und Antikhändlern waren es lokale Hersteller, die den Hunger nach Erinnerungsstücken der Vertriebenen stillten.63 Auf eine sehr spezielle Art beeinflussten somit Polen die Erinnerungskultur der früheren Einwohner ihrer Gebiete. Man könnte also von einer Verhandlung des Kulturerbes in symbolischem und materiellem Sinn sprechen.64 Bemerkenswerterweise sprechen Jürgen Joachimsthaler und Walter Schmitz in der Einleitung zu ihrem thematischen Sammelband von einer „verweigerten Beziehungsgeschichte“, bei der bis 1989 eben nicht von Verhandlungen die Rede sein konnte.65 Dem kann im Kontext der vorliegenden Studie nur bedingt zugestimmt werden. Die angesiedelte polnische Bevölkerung besaß bis zur Systemtransformation nach 1989 gewiss nicht die Artikulationsmöglichkeiten, um eine veränderte lokale Identität auszudrücken. Die gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in Polen, die durch den Tourismus angestoßene Öffnung, die Erfahrung der Konfrontation mit deutschen Bildern der Region sowie eine allgemeine Modernisierung beförderten aber eine stete Neuverhandlung von Identitäten auch in der beschriebenen Epoche. Dennoch behalten die Autoren in zweierlei Hinsicht Recht: Zum einen scheinen für die Einheimischen die Welt des Fremdenverkehrs, bei allen materiellen Profiten und nachzuahmenden Lebensstilen, und die Welt der Alltagspraxen und -werte zwei unterschiedliche Universen gewesen zu sein, wie eine

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Ebd., 359. Sauermann: „Fern doch treu“, 404. Frede: „Unvergessene Heimat“, 353. Sauermann: Erinnern und Zeichensetzen, 89f. Hartwich: Wirtualny Heimat, 128; ders.: Rübezahl, 212f. Joachimsthaler, Jürgen/Schmitz, Walter: „Schlesien“ – im Plural. Zur Einführung. In: dies. (Hg.): Verhandlungen der Identität, VII–XVIII, hier XIII.

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zeitgenössische Analyse suggerierte;66 zum anderen waren die Rückwirkungen dieser Begegnungen auf die Identität der Vertriebenen zumindest ambivalent. So kam es nicht zu einer generellen Revision der Heimat- bzw. Polenbilder aufgrund der Besuche. Einerseits wurde ein solcher Einstellungswandel über Jahre von althergebrachten Stereotypen über die Nachbarn und den politisch aufgeladenen Spannungen des Kalten Krieges verhindert. Andererseits erlaubte der Gruppendiskurs keine grundlegende Hinterfragung dieser Bilder, auch wenn es bei einzelnen Reisenden sicherlich dazu gekommen sein mag. So stellten Soziologen schon vor Jahren fest: „Ob es zu einer kognitiven Differenzierung des besuchten Landes kommt, hängt entscheidend davon ab, auf welche Weise die Reisenden die neuen Eindrücke und Erfahrungen in ihre bereits bestehende Vorstellungswelt integrieren können.“67 Das Einfühlungsvermögen in die Situation der Einheimischen und die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen davor und danach waren also kein automatisches Resultat der Reisen.68 Zu diesen Begegnungen war es seit 1970 hunderttausendfach gekommen, so dass die Wirkungen einer solchen persönlichen Erfahrung von Dritten nicht gesteuert werden konnten. Die mediale Verarbeitung dieser Prozesse blieb jedoch anderen Regeln unterworfen. Ob als Resultat der inner(west)deutschen Diskussionen seit Mitte der sechziger Jahre unter Eindruck der Heimatreisen oder bedingt durch den Fluss der Zeit, lässt sich im Schrifttum des Vertriebenenmilieus eine zunehmende Virtualisierung der Herkunftsregionen konstatieren. Insbesondere in der literarischen Verarbeitung wohnte die Heimat zunehmend „in alten Bildern“,69 war „mit der Seele zu suchen“70 oder „ist auf keiner Landkarte verzeichnet. [Sie] liegt vor unserer Haustür oder in unseren Herzen.“71 Ganz explizit brachte dieses Gefühl 1992 Gerhard Eckert zum Ausdruck: „Das Riesengebirge, wie es unsere Väter und Großväter kannten und liebten, ist tot, auch wenn seine Berge unverändert aufragen, seine Bäche fließen, seine Seen erhalten blieben. Wer das alte Riesengebirge, die Schneekoppe von einst, in seiner Phantasie lebendig machen und sich greifbar erinnern will, vielleicht auch den Vergleich mit dem heutigen Zustand sucht, der hat die Möglichkeit, in den Reiseführern von einst zu blättern. [...] So vermittelt das Blättern in den vergilbten oder durch fleißige Benutzung leicht mitgenommenen Führern von einst einen Rückblick auf die Vergangenheit – Riesengebirge, Schnee66 Kargul, Józef/Malewski, Mieczysław: Wartości i wzory kultury mieszkańców miejscowości turystyczno-wypoczynkowej na przykładzie Świeradowa Zdroju, Jelenia Góra 1980 (Prace Karkonoskiego Towarzystwa Naukowego 15; Prace Komisji Humanistycznej 2). 67 Ropers: Tourismus, 188. 68 Ebd., 187; Lisiecki: Ruch turystyczny, 166f. 69 Ziminiak: Niederschlesien, 204. 70 Preußler, Helmut (Hg.): Blaue Berge, grüne Täler. Ein heimatliches Buch vom Riesengebirge, Nürnberg 1984, 5. 71 Bach, Erle: In ihrem Atem schläft die Zeit. Eine Suche nach Quellen, Wurzeln und Herkunft, Husum 1995, 5.

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koppe nostalgisch!“72 Der kulturhistorische Aspekt des Tourismus konnte auch in diesem Kontext zur mentalen Aneignung einer Region beitragen. Gerade diese Mythisierung der Landschaft, so Jürgen Joachimsthaler, ermöglichte paradoxerweise die Herstellung von Verbindungen und Kontinuitäten zwischen alten und neuen Bewohnern.73

72 Eckert: Die Schneekoppe, 100. 73 Joachimsthaler, Jürgen: Die mehrfach erfundene Provinz. Schlesien zwischen Entwurf und Wirklichkeit. In: ders./Schmitz, Walter (Hg.): Verhandlungen der Identität, 109–134, hier 128–130.

VI. Ausblick Die Geschichte, wie sie hier erzählt wurde, endet selbstverständlich nicht zu Beginn der siebziger Jahre. Die Beschränkung auf das Vierteljahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte zweierlei Gründe: Erstens würde eine detaillierte Analyse des gesamten Zeitraums bis 1989 oder gar bis heute – ähnlich der für die Jahre 1945–1970 – den Rahmen dieser Arbeit sprengen und zweitens wurde der hier untersuchten Epoche in der Historiographie bisher weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Angesichts der beschriebenen vielfältigen Wandlungsprozesse, die für die weitere Entwicklung der polnischen Gesellschaft von grundlegender Bedeutung waren, könnte die vorliegende Untersuchung zu einer Korrektur der Zeitgeschichtsschreibung beitragen.1 Man sollte jedoch dabei nicht den Fehler begehen, in der Rückschau die Entwicklungen seit den späten fünfziger Jahren zielgerichtet zu deuten und einen Endzustand in der heutigen Situation zu projizieren. Thema des abschließenden Kapitels sind daher auch die Brüche und Zäsuren der siebziger und achtziger Jahre und die Entwicklungen seit dem Systemumbruch. Eine politische Zäsur von großer Bedeutung war das Jahr 1970. Mit dem Warschauer Vertrag und der Aufnahme der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen wurden auch Einreisevorschriften liberalisiert. Nahezu zeitgleich fand in Polen nach der Arbeiterrevolte vom Dezember 1970 und ihrer blutigen Niederschlagung der Wechsel an der Parteispitze von Władysław Gomułka zu Edward Gierek statt. Gierek, der vor dem Zweiten Weltkrieg als Bergmann in Frankreich und Belgien gearbeitet hatte, symbolisierte für viele Zeitgenossen eine Öffnung nach außen, nicht zuletzt warb er erfolgreich für westliche Kredite, die in ein großes Modernisierungsprogramm investiert wurden. Dieser „Bau eines zweiten Polen“ beruhigte die innenpolitischen Spannungen, unter anderem durch eine großzügigere Sozialpolitik, resultierte jedoch in Großprojekten in der Schwerindustrie, die auf veralteten Technologien basierten oder gar nicht zu Ende gebaut wurden. Die vermeintliche Wachstumsphase endete schon um 1976 mit der Überschuldung und neuerlichen Arbeiterprotesten.2 Unterhalb der Ebene zentraler Machtinstanzen markierte das Jahr 1970 einen Generationswechsel. Wiederholt wurde darauf in den Jahren 1969/70 in der Propaganda rund um den 25. Jahrestag der Machteroberung durch die Kommunisten

1 2

Hartwich: Wie schreibt man, 185f. Hübner/Hübner: Sozialismus, 469, bezeichnen das Jahr 1970 in der Wirtschafts- und Sozialpolitik als den „Endpunkt eines gesellschaftspolitischen Großentwurfs“, dessen „Verheißungen in ferner Zukunft einzulösen waren. Ihm folgte das Versprechen kurzfristiger Lösungen.“ Zur Popularität Edward Giereks im kollektiven Gedächtnis vgl. Rafalska, Dominika: Towarzysz Edward Wielki. Dlaczego tak wielu Polaków z nostalgią wspomina lata siedemdziesiąte? In: Tygodnik Powszechny, Nr. 22 vom 3. Juni 2007, 26.

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und des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland verwiesen. In einem Propagandaalbum über Niederschlesien hieß es entsprechend: „Dieser Teil Polens hat eine reiche Vergangenheit, deren Denkmäler von den Jahrhunderte langen, unzertrennlichen Verbindungen mit Polen, von der polnischen Geschichte zeugen. [...] Ebenso bedeutend sind die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart Niederschlesiens. Und sie zieht am meisten junge Touristen an, die nicht nur Bergwanderungen unternehmen, sondern auch Märsche entlang der Routen des polnischen Militärtriumphes [...]. Belehrend und attraktiv, vor allem für die Jugend, sind Wanderungen durch die Gegenwart: Industrieanlagen, die im letzten Vierteljahrhundert in diesem Gebiet errichtet wurden. [...] Heute hat die Jugend Niederschlesiens, hier schon geboren, ausgebildet, die Geschichte, Geographie, Ökonomie und vor allem die Schönheit dieses Gebiets durch touristische Wanderungen zu erkunden.“3 Auch in anderen Publikationen jener Zeit stehen junge Menschen, Wohnungsbau, „moderne“ Fabriken oder Freizeitangebote im Mittelpunkt. Dieser Zeitenwechsel war mehr als die Wunschvorstellung der Regierenden. Wie am Beispiel der Diskussionen um die neue Schneekoppenbaude zu sehen war, richtete sich der Blick der Zeitgenossen seit Ende der sechziger Jahre immer mehr nach vorne. Ein weiteres Mal wurde die vollständige Integration der Westgebiete innerhalb Volkspolens deklariert und als Zeichen der Überwindung des deutschen Komplexes, aber auch als Zeichen der neuen internationalen Lage wurde 1971 die „Gesellschaft zur Entwicklung der Westgebiete“ (TRZZ) aufgelöst.4 Ebenfalls 1971 wurde in Polen erstmals ein umfassender zentraler Plan zur Entwicklung des Fremdenverkehrs beschlossen und mit der Öffnung der „Friedens- und Freundschaftsgrenze“ zur DDR im Jahr 1972 sowie der allgemeinen Liberalisierung der Reisebestimmungen erfolgte ein Internationalisierungsschub von großer Bedeutung.5 Insbesondere die Durchlässigkeit der Grenzen trug zur Verwestlichung der Lebens- und Konsumstile bei, was sich nicht zuletzt im gesteigerten Bedarf nach Reisen und touristischer Infrastruktur ausdrückte.6 Zunehmend wurde diese Nachfrage, vor allem im Bereich des Auslandstourismus, durch private Dienstleister befriedigt, was die Regierenden stillschweigend hinnahmen und lediglich bei besonders kriminellen Auswüchsen bekämpften.7 In dem für die damalige Zeit typischen Stil wurden im Polen der siebziger Jahre wiederholt groß angelegte Investitionspro3 4 5

6 7

Biełowicz, Władysław (Hg.): Dolny Śląsk w Polsce Ludowej, Wrocław u. a. 1970, 381. Strauchold: Wrocław, 11, 84. Majowski: Polska Ludowa zaprasza, 130. Vgl. ferner Wasiak: Wpływ otwartej granicy. Zur Grenzöffnung vgl. im Allgemeinen Osękowski, Czesław: Der Pass- und visafreie Personenverkehr zwischen der DDR und Polen in den siebziger Jahren. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. In: Kerski, Basil (Hg.): Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990, Osnabrück 2003, 123–133. Sowiński: Wakacje, 195. Ebd., 252.

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jekte angekündigt, die den Bau eines „zweiten Zakopane“, eines riesigen Tourismuszentrums in den Sudeten, vorsahen.8 Die Umsetzung des Vorhabens scheiterte jedoch an finanziellen Mitteln, die der Staat nicht besaß, während im selben Jahrzehnt weitere Objekte vereinzelt entstanden, etwa das „Orbis“-Hotel „Skalny“ in Karpacz (Krummhübel), das allein fast 60 Prozent aller Einnahmen in US-Dollar in der damaligen Wojewodschaft Jelenia Góra (Hirschberg) erwirtschaftete.9 Immer größere Anteile in der Tourismuswirtschaft, auch bei den Übernachtungskapazitäten, entfielen auf einzelne Betriebe und die Privatinitiative.10 In diesem Kontext scheint die Feststellung, der Fremdenverkehr sei für viele Polen eine „Kapitalismusschule“ gewesen, nicht übertrieben, zumal in jenem Bereich wirtschaftliches Denken vom Staat eigentlich gefordert wurde.11 Differenziert ist die Entwicklung in Bezug auf die Frage nach der Identitätsbildung in der Riesengebirgsregion zu bewerten. Zum einen bedeuteten die zeitliche Entwicklung und der Generationswechsel, dass Akzente neu gesetzt und Wissen neu gesammelt wurden. Im Gespräch mit dem Leiter der Außenstelle des Staatsarchivs Wrocław (Breslau) in Jelenia Góra (Hirschberg) und einem führenden Aktivisten in der Region, Ivo Łaborewicz, fiel auf, wie er von seinen Annäherungen an die Lokalgeschichte erzählte. Dabei verwies er nicht auf Buch- oder Zeitschriftenlektüre, sondern auf eigene Erkundungen in der Umgebung. Erst durch sein Studium an der Universität Wrocław (Breslau) und die spätere Mitarbeit im Archiv von Jelenia Góra (Hirschberg) setzte er sich mit historischen Erkenntnissen über die Region und auch dem Wirken seiner Vorgänger, vor allem Czesław Margas’, auseinander. Im Lauf seiner beruflichen Karriere und eigener Nachforschungen vor Ort entdeckte er erst die Bücher Kincels, Steć’ oder Szczepańskis. Eine kontinuierliche Weitergabe des gesammelten Wissens über die Lokalgeschichte an jüngere Historikerkollegen fand also eingeschränkt statt. Für die breite Öffentlichkeit würde dieser Befund umso mehr zutreffen. Die Herausbildung einer historisch fundierten Regionalidentität, deren Ansätze seit den späten fünfziger Jahren geschildert wurden, erfuhr Brüche. Ohne hierbei im Detail auf kulturwissenschaftliche Theorien zurückgreifen zu wollen, könnte die These aufgestellt werden, dass diese Entwicklung mit der Art, wie historisches Wissen gesammelt, vermittelt und tradiert wird, zu tun hat. Diese Problematik trifft 8 Ebd., 174. Allerdings liegt das Glatzer Schneebergmassiv (Śnieżnik Kłodzki) nicht – wie Sowiński schreibt – im Riesengebirge, sondern im Glatzer Bergland. Zum „zweiten Zakopane“ vgl. Papierniak, Witold: Śnieżnik – cz. 4. Niezrealizowany projekt Drugiego Zakopanego. In: Sudety. Przyroda – Kultura – Historia 6/5 (2006) 34. 9 Prudzienica, Jerzy: Oferta dla turystów z drugiego obszaru płatnicznego w świetle turystycznych wpływów dewizowych w województwie jeleniogórskim. In: Społeczno-ekonomiczne problemy regionu jeleniogórskiego. Hg. v. Karkonoskie Towarzystwo Naukowe, Jelenia Góra 1983, 41–64, hier 52. 10 Sowiński: Wakacje, 101. 11 Majowski: Polska Ludowa zaprasza, 130.

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insbesondere für jenen Bereich zu, der im Allgemeinen als public history oder als „angewandte Geschichte“ bezeichnet wird.12 Eine Gesellschaft oder Gruppe muss immer wieder aufs Neue verhandeln, welche Aspekte der Geschichte für das Zusammengehörigkeitsgefühl aktuell von Relevanz sind, so dass frühere Erkenntnisse oder Identitätsangebote als obsolet gelten können. Ein weiterer Erklärungsansatz ist eher politischer Natur. Nach der Normalisierung des zwischenstaatlichen Verhältnisses 1970 erlebten die deutsch-polnischen Beziehungen weitere Höhen und Tiefen. In den achtziger Jahren wurde in Polen etwa die Sprachwendung der „Wiedergewonnenen Gebiete“ neu belebt, was auf den Versuch der PZPR deuten lässt, politische Legitimation durch nationale Rhetorik zu erlangen.13 Die Regierungsjahre Helmut Kohls bis 1989 bedeuteten ferner eine Konjunktur für konservative Geschichtsdeutungen, was der Argumentation der Vertriebenenverbände half. Diese Entwicklungen führten auf polnischer Seite zu einem revival des Phantoms einer „revisionistischen Bedrohung“ durch die Bundesrepublik. Unterschwellig begannen sich die Diskurse in der Volksrepublik jedoch seit Ende der siebziger Jahre zu ändern. Einen wichtigen Aspekt dieser vor allem in Dissidentenkreisen geführten Debatte stellte die Neubewertung des deutschen Kulturerbes dar, deren Ausdruck der bekannte, aber in seiner unmittelbaren gesellschaftlichen Wirkung etwas überbewertete Essay Jan Józef Lipskis von 1981 war.14 Diese Prozesse stellten einen wichtigen Hintergrund für die nachfolgenden Erörterungen dar, können jedoch im Rahmen der vorliegenden Studie nicht weiter vertieft werden. Neben dieser internationalen und geschichtspolitischen Dimension hatten die Schwierigkeiten bei der Herausbildung einer regionalen Identität im Riesengebirge auch politisch-administrative Aspekte. Bei der Verwaltungsreform von 1975, die anstelle der 17 großen Wojewodschaften 49 kleine Wojewodschaften bei gleichzeitiger Auflösung der Kreise schuf, ging es dem polnischen Parteichef Gierek einerseits um den Ausbau der Parteikader in der Provinz, andererseits um die Entmachtung potentieller Konkurrenten unter den „Provinzfürsten“ der PZPR – er selbst war vor 1970 Vorsitzender des Wojewodschaftskomitees in Katowice (Kattowitz). Dieser Schritt hatte darüber hinaus Auswirkungen auf das Selbstverständnis der 12 Hardtwig, Wolfgang/Schug, Alexander: History Sells! Angewandte Geschichte als Wissenschaft und Markt, Stuttgart 2009; Tomann, Juliane u. a.: Diskussion Angewandte Geschichte: Ein neuer Ansatz? Version: 1.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 15. Februar 2011, https:// docupedia.de/zg/Diskussion_Angewandte_Geschichte?oldid=76782 [Zugriff am 21.5.2011]. 13 Koszel, Bogdan: Między dogmatyzmem i pragmatyzmem (1971–1989). In: Wolff-Powęska (Hg.): Polacy wobec Niemców, 94–141; Strauchold: Wrocław, 12. Vgl. ferner Ociepka: Związek Wypędzonych. 14 Traba, Robert: Historia – przestrzeń dialogu, Warszawa 2006, 156–162; Mazur, Zbigniew: Wprowadzenie. In: ders. (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego, I-XXVI; Miziniak, Wacław: Polityka informacyjna. In: Wolff-Powęska (Hg.) : Polacy wobec Niemców, 142–161, hier 150f.

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Einwohner dieser Regionen. Die vor 1975 bestehenden Wojewodschaften bezogen sich im Großen und Ganzen auf historische Regionen – mit Einschränkungen im Gebiet von Opole (Oppeln), dessen Selbständigkeit durch den Status aus der Zwischenkriegszeit (deutsches Rest-Oberschlesien) und die Siedlungsgeschichte nach 1945 (hoher Anteil der so genannten Autochthonen) begründet war. Vor allem aber stach zu jener Zeit die Wojewodschaft Zielona Góra (Grünberg) heraus, auf deren patchwork-artiges Territorium nach 1950 die „historische“ Bezeichnung „Lebuser Land“ (Ziemia Lubuska) projiziert wurde.15 Ziemia Lubuska wurde somit zwischen 1950 und 1975 zu einem Experimentierfeld des volkspolnischen „invention of traditions“ par excellence. Ein ähnlicher Prozess setzte nach der Verwaltungsreform von 1975 ebenfalls ein. Regionale Identitäten in den neuen Westgebieten wurden im Nachkriegspolen als integrierender und legitimierender Faktor zunächst gefordert, jedoch seit etwa 1947 bekämpft. Später tauchte die Diskussion um einen „gesunden Lokalpatriotismus“ in den Reformdebatten der späten fünfziger Jahre wieder auf. Bis in die Anfänge der siebziger Jahre wurde um die Spezifik des „Hirschberger Landes“ (Ziemia Jeleniogórska) gestritten, wobei dieser Begriff nicht zwingend mit dem Kreis Jelenia Góra (Hirschberg) gleichgesetzt wurde.16 Wiederholt wurden zum Beispiel vom Lokalblatt „Nowiny Jeleniogórskie“ Versuche unternommen, mit Hilfe von Beilagen in den Nachbarkreisen Zgorzelec (Görlitz), Lwówek Śląski (Löwenberg) und Kamienna Góra (Landeshut) Fuß zu fassen, oder Debatten um einen makroregionalen Entwicklungsplan geführt. Ein Bezug zum Raum Niederschlesien, gleichgesetzt mit der Wojewodschaft Wrocław (Breslau), wurde dabei nie in Frage gestellt, auch wenn die Definition des „Niederschlesiertums“ (dolnośląskość) nicht klar war.17 Mit der Aufteilung der Regionen nach 1975 machten Begriffe wie „Breslauer Land“ (Ziemia Wrocławska), „Waldenburger Land“ (Ziemia Wałbrzyska) oder „Görlitzer Land“ (Ziemia Zgorzelecka) Karriere, die wenig mit historischen Identitäten, dafür aber mit einem zentralistischen Definitionsanspruch zu tun hatten. Die Suche nach einer „brauchbaren Vergangenheit“, also nach historischen Referenzpunkten, die aktuelle Bedürfnisse (beispielsweise das touristische Image der Region) erfüllten, fand damit kein abruptes Ende. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wurden etwa zahlreiche Denkmäler errichtet, die nahezu sämtlich an den Zweiten Weltkrieg und die „Befreiung“ der Region erinnerten und somit die staatliche Erinnerungskultur manifestierten. 1971 wurde eine regionalkundliche Beilage zum Geschichtsschulbuch für die Jahrgangstufen V bis VII erstellt,18 die 15 Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Hg. v. Institut für angewandte Geschichte, Berlin 2008 (Almanach – europäische Grenzregionen neu entdecken 1). 16 Nowosielska-Sobel, Joanna: „Czy istnieje Polak sudecki?“, 41–43. 17 Topp-Wójtowicz: Folklor dolnośląski. 18 Jarmolukowa: 40 lat miasta. Bezeichnenderweise sprach man bei diesen Jubiläumsveröffentlichungen von 40 Jahren Stadtgeschichte, also ohne gefühlte Kontinuität zum VorkriegsHirschberg.

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jedoch eher ein Beiwerk zur Gegenwarts- und Zukunftsfixierung der damaligen Zeit und des Regimes war. In der regionalen Geschichtsschreibung wurden in den siebziger und achtziger Jahren merkliche Fortschritte erzielt. In Zusammenarbeit der Universität in Wrocław (Breslau) und des „Ossolineum“-Verlags entstanden zahlreiche Monographien einzelner niederschlesischer Städte, die dem polnischzentrierten Leitbild entsprachen und zugleich auf dem Stand der damaligen Forschung waren.19 Inwiefern diese Darstellungen, so populär sie angelegt und von Lokalhistorikern erstellt sein mochten, von der Bevölkerung auch rezipiert wurden, lässt sich nicht feststellen. Bei allen Vorbehalten gegenüber zeitgenössischen Veröffentlichungen, die politischen Vorgaben folgen mussten, kann man einen Mangel an entsprechendem Schrifttum zur Lokalgeschichte nicht feststellen. Als wichtige Partizipationsebene für die Einheimischen, insbesondere für die Aktivisten unterschiedlicher Organisationen, wurde im Rahmen dieser Untersuchung der Fremdenverkehr identifiziert. Dabei handelte es sich zum Teil um „Berufsaktivisten“ der PTTK, der Gesellschaft der Freunde von Jelenia Góra (Hirschberg, TPJG) oder auch um Museums- und Archivmitarbeiter. Es gab auch immer mehr Menschen, die professionell mit dem Fremdenverkehr zu tun hatten: als Privatunternehmer oder Mitarbeiter entsprechender staatlicher Betriebe (PPUT „Turystyka“, Verpflegungs- und Freizeiteinrichtungen). Auch in Fragen der lokalen Identität spielte der Tourismus eine bemerkenswerte Rolle. So wurde die regionale Tourismusgeschichte seit den späten fünfziger Jahren populär aufgearbeitet und im öffentlichen Raum präsentiert – erinnert sei an die Gedenksteine für prominente polnische Besucher des Kurortes Bad Warmbrunn im 19. Jahrhundert und für die Opfer der Lawine vom März 1968. Zwei weitere Projekte wären an dieser Stelle noch zu nennen: der (gescheiterte) Wiederaufbau der im Dezember 1966 abgebrannten Herberge „Bronka Czecha“ (der früheren Schlingelbaude)20 und die Einrichtung eines Museums in Karpacz (Krummhübel). Das bis 1945 bestehende Heimatmuseum von Krummhübel wurde aufgrund des „deutschen“ Charakters der Sammlungen geschlossen, jedoch wurde seit Ende der fünfziger Jahre über eine Reaktivierung diskutiert. Die Wiedereröffnung erfolgte im September 1974 als Dependance des „Sport- und Tourismusmuseums“ (Muzeum Sportu i Turystyki,

19 Czapliński, Marek: Kłopoty z tożsamością Dolnoślązaków. In: Gil, Karoline/Trepte, HansChristian (Hg.): Identität Niederschlesien – Dolny Śląsk, Hildesheim u. a. 2007, 49–60. 20 Wagner, Wacław: Wczoraj i jutro schroniska im. Bronisława Czecha. In: Rocznik Jeleniogórski 5 (1967) 14–17. Bemerkenswert ist, dass die nach einem von den Nationalsozialisten umgebrachten polnischen Wintersportler benannte Herberge ihren ‚politischen‘ Namen behielt; bis 1951 fungierte sie als YMCA-Einrichtung unter dem Namen „Izabella“. Die Beibehaltung des Namens mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass die Namensgeberin ideologisch wenig belastetet war und das Objekt von früheren Einwohnern der Tatraregion übernommen wurde, wodurch eine gewisse kulturelle Kontinuität bestand. Die Baude gehörte zu den ersten, die ab 1960 Wintersportler aus der DDR beherbergen durfte.

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MSiT) in Warszawa (Warschau).21 Die Wiederaufbauinitiative und das Museumsprojekt belegen die identitätsstiftende Rolle des Fremdenverkehrs und ein gewisses gesellschaftliches Mobilisierungspotential. Eine bedeutende Zäsur stellten selbstverständlich auch die Jahre 1980/81 dar. Die landesweiten Streiks von Juli und August 1980, die Entstehung der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarność“ und der daraufhin einsetzende Diskussions- und Reformprozess drangen bis in die tiefste Provinz durch. Nicht zufällig fanden die Debatten in der Riesengebirgsregion ihren Ausdruck in äußerst interessanten lokalhistorischen Projekten wie dem Tagebuchwettbewerb für die „Tourismuspioniere“ und der Ausstellung „100 Jahre Wetterbeobachtungen auf der Schneekoppe“ im Sport- und Tourismusmuseum.22 Das letzte Jubiläum bezog sich explizit auf die Gründung des Riesengebirgsvereins und stellte auch einen wichtigen Gegenpunkt zum Verständnis der Tourismusgeschichte in den Jahren zuvor dar. Noch im Jahr 1973 wurden in Polen – mit Bezug auf das Gründungsjahr der Tatra-Gesellschaft – „100 Jahre“ Touristik bzw. Bergführerwesen gefeiert, auch wenn den Experten bekannt war, dass die touristischen Traditionen der Sudeten weiter zurückreichten.23 Lokalen Aktivisten und Kennern der Historie wie Ryszard Kincel oder Tyburcjusz Tyblewski blieb es überlassen, in diesem zentral vorgegebenen Rahmen die Geschichte des Riesengebirges zu präsentieren.24 In der Reformzeit von 1980/81 wurde innerhalb der PTTK in Jelenia Góra (Hirschberg) der Vorschlag geäußert, die Laurentiusfeiern auf der Schneekoppe wieder zu beleben. Dabei sollte der 10. August als „Tag des Bergführers“ fungieren. Aus diesem Anlass wurde an der Gipfelkapelle eine Gedenktafel zum 300. Jahrestag ihrer Errichtung angebracht und gleichzeitig unterhalb des früheren „Schlesierhauses“ im Tal der Kleinen Lomnitz ein symbolischer Friedhof der im Gebirge tödlich Verunglückten angelegt.25 Beide Ideen gingen auf den jungen PTTK-Aktivisten Jerzy Pokój zurück, der später jahrelang die Bergwachtorganisation GOPR in den 21 Kulik, Zbigniew: Geneza, powstanie i działalność Muzeum Sportu i Turystyki regionu Karkonoszy w Karpaczu w latach 1974–1984. In: Rocznik Jeleniogórski 24 (1986) 131–139; ders.: Geneza, powstanie i działalność Muzeum Sportu i Turystyki regionu Karkonoszy w Karpaczu w latach 1974–1984. In: Studia i materiały, Bd. 4: Sympozjum Popularnonaukowe „Turystyka i krajoznawstwo w muzealnictwie“ (Karpacz, 23.X.1985 r.). Hg. v. Muzeum Sportu i Turystyki, Warszawa 1986, 10–20. 22 Ebd., 15, 18f. 23 Kulczycki, Zbigniew: 100 lat społecznej turystyki w Polsce. Szkice z dziejów PTTK i jego poprzedników, Warszawa 1973; Krygowski, Władysław: Zarys dziejów polskiej turystyki górskiej, Warszawa 1973. In letzterem Buch werden einige Informationen zur Tourismusgeschichte unter Berufung auf Zbisław Michniewicz und Ryszard Kincel angeführt, auch mit dem Verweis auf den Reiseführer Rozalia Saulsons. Trotzdem wird als erster polnischer Reiseführer eine Publikation Eugeniusz Janotas von 1860 über die Tatra genannt. Über die üblichen polonica hinaus gehen die Angaben insgesamt jedoch nicht. 24 Kincel/Tyblewski: Początki. 25 Pokój, Jerzy: Szkoła w górach. In: Mateusiak (Hg.): 50 lat przewodnictwa PTTK, 74–84.

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Sudeten leitete. Beide Vorhaben waren nicht unumstritten, auch aufgrund ihres religiösen Charakters. Besonders hervorgehoben werden sollte jedoch, dass die Laurentiusfeiern eine bis dahin unvorstellbare Kontinuitätslinie bis in die böhmisch-habsburgische Zeit zogen. Man könnte diese historischen Referenzen als sichtbare Zeichen eines veränderten Bewusstseins unter spezifischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bezeichnen. Das Fest trägt heute einen deutsch-polnisch-tschechischen Charakter und versammelt Vertreter der GOPR, der tschechischen Horská služba und der Görlitzer RGV-Ortsgruppe. Die kurze Reformära von 1980/81 endete mit der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981, die eine Schließung der Grenzen und die Sperrung der Grenzgebiete nach sich zog. Die DDR hatte bereits im Oktober 1980 einseitig den pass- und visafreien Grenzverkehr mit Polen „zeitweilig ausgesetzt“, während die Tschechoslowakei diesen Schritt im November 1981 vollzog. Mit dem Kriegsrecht kam der Fremdenverkehr im Riesengebirge völlig zum Erliegen. Für die Tourismuszentren Karpacz (Krummhübel) und Szklarska Poręba (Schreiberhau) wurden wieder Passierscheine eingeführt und die Grenzwanderwege vorerst geschlossen. Im Sommer 1982 wurden erstmals wieder registrierte Gruppen von höchstens 30 Personen unter Führung eines verifizierten PTTK-Reiseleiters auf die Schneekoppe gelassen und es sollte noch bis zum Sommer 1984 dauern, bis der ganze „Freundschaftsweg“ wieder zugänglich war.26 Seit 1983 tauchten in der Region erneut organisierte Gruppen von FDJ-Touristen aus der DDR auf. In jenem Jahr wurde in Jelenia Góra (Hirschberg) auch das erste private Reisebüro „Relaks“ gegründet und somit der Beginn einer veränderten Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren der Volksrepublik eingeläutet.27 Im Sommer 1980 kam es zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen der neuen Opposition und den Systemkräften in der Region. Neben der Umwandlung eines Ferienheims der PZPR in Szklarska Poręba (Schreiberhau) in ein dringend benötigtes Krankenhaus gehörte die Schließung des umstrittenen „Celwiskoza“Werkes zu den wichtigsten Anliegen der „Solidarność“, was mit Aufsehen erregenden Aktionen untermauert wurde.28 Zunächst wurde auf Druck der Gesellschaft die Produktion von Zellwolle eingestellt, während jedoch andere Synthetikstoffe weiter produziert wurden und die Umwelt weiterhin litt. Nach langjährigen Auseinandersetzungen mit der Betriebsleitung, verschiedenen staatlichen und Parteiinstanzen und einzelnen Wirtschaftsressorts wurde ein Produktionsstopp zum 1. Ja-

26 Mateusiak: Kalendarium, 39; Jarmolukowa, Maria: Kronika województwa jeleniogórskiego za 1984 rok. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) 217–232, hier 217f. 27 Jarmolukowa, Maria: Kronika województwa jeleniogórskiego za 1983 rok. In: Rocznik Jeleniogórski 22 (1984) 225–262. 28 Kozłowski, Marian: W imieniu społeczeństwa. In: Rocznik Jeleniogórski 19 (1981) 7–26.

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nuar 1990 vereinbart.29 Mit dem Übergang in die neue Zeit endete ein jahrzehntelanger Konflikt mit einem Sieg der Zivilgesellschaft. Dass es Anfang der achtziger Jahre zu einer Zuspitzung dieses Konflikts kam, lag an drei Faktoren: Zum einen wurde in jener Zeit die Öffentlichkeit zum ersten Mal auf Umweltprobleme aufmerksam und globale Zusammenhänge sowie lokale Auswirkungen – hier das Waldsterben in den Sudeten – wurden diskutiert.30 Zum anderen sammelten sich erste Gruppen von Umweltschützern im Umfeld der „Solidarność“ als der dominierenden Oppositionsbewegung und verschafften sich somit ein Aktionsforum.31 Schließlich wuchs das Bewusstsein für die Landschaft als Ganzes mit ihrer Ästhetik und Geschichte. Dazu trug eine weitere Entwicklung bei. Nachdem der politische Konflikt 1981 eskaliert war, machte sich eine Lähmung in der Gesellschaft breit, während unterschiedliche „Aussteiger“, unter ihnen viele freie Künstler, eine Zuflucht in der „ursprünglichen“ Natur der Waldkarpaten (Bieszczady) oder der Sudeten suchten.32 „Die ‚neue Generation‘ knüpft nicht an die Tradition der Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an“, schrieb dazu Ulrike Treziak. „Ihre Entscheidung für das Riesengebirge hat verschiedene Gründe: die Abgeschiedenheit der Region, die Landschaft, die Möglichkeit, dort Häuser zu erwerben. Die Geschichte der Schriftsteller, Maler und Musiker, die vor 1945 im Riesengebirge gelebt haben, ist in Polen – auch unter den Künstlern – weitgehend unbekannt.“33 Letztere Aussage wäre im Licht der aktuellen Entwicklungen sicherlich zu relativieren. Dennoch war in der Anfangszeit dieser „neuen Künstlerkolonie“ ein bewusster Bezug zur Kulturgeschichte eher unwahrscheinlich. Dieser Bezug entstand erst bei der Beschäftigung mit der Region, was seit Ende der achtziger Jahre zu vielfältigen deutsch-

29 Borys, Tadeusz: Konflikt ekologiczny w Kotlinie Jeleniogórskiej – geneza, przebieg i perspektywy rozwiązania. In: Rocznik Jeleniogórski 25/26 (1987/88) 31–60. 30 Zur Geschichte der Umweltbewegung insgesamt vgl. Brüggemeier, Franz-Josef/Engels, Jens Ivo (Hg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt a. M./New York 2005 (Geschichte des Natur- und Umweltschutzes 4); Engels, Jens Ivo: Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung 1950–1980, Paderborn 2006. Der Entwicklung des Ökologiegedankens in Ostmitteleuropa waren zuletzt einige Beiträge der Konferenz „The Changing Landscape of East-Central Europe since 1700 in Transnational Context“ (Oxford, 24.–26. September 2009), insbesondere von Mikuláš Huba (Landscape Changes and Environmental Problems in Slovakia since 1948), gewidmet. 31 Den von der demokratischen Opposition getragenen Protesten gegen den Bau von Atomkraftwerken in Polen verpflichtet, stoppte die Regierung von Tadeusz Mazowiecki 1989 die Fertigstellung des Meilers in Żarnowiec. Der Bau von Atomkraftwerken gehört mittlerweile wieder zum Kern der Energiestrategie der polnischen Regierung. 32 Hobgarska, Janina/Kozioł, Joanna: Późne lata 80–te i 90–te. ‚Powrót‘ artystów w Karkonosze. In: Bździach (Hg.): Die imposante Landschaft, 347–379; Treziak, Ulrike: Alte Spuren – Neue Wege. Die Künstler im Riesengebirge gestern und heute. Ebd., 385–394. 33 Ebd., 391.

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polnischen Kontakten und Projekten zur Bewahrung und Popularisierung des Kulturerbes führte.34 Der ursprüngliche Impuls führte aber zunächst weg vom Sozialaktivismus, der durch den Konflikt zwischen „Solidarność“ und Regierung vereinnahmt worden war. In der Umgebung von Jelenia Góra (Hirschberg) fanden die Künstler nicht nur ansehnliche Landschaften und fernab der engeren touristischen Ballungszentren günstige Häuser mit regionaltypischem Charakter, sondern auch nach und nach eine Verbindung zu den Kulturinstitutionen der damaligen Wojewodschaftshauptstadt, die sich seit Anfang der neunziger Jahre für die Neuankömmlinge öffneten. Ein weiterer Impuls, nicht zuletzt ästhetischer Natur, war eine veränderte Herangehensweise an die Landschaft. Nicht mehr ihr Nutzwert, der die Perspektive der Wirtschafts- oder Tourismuspolitik lange dominiert hatte, oder die nationale Aufladung bestimmten die Wahrnehmung der Künstler. Bestimmend waren eher die Wertschätzung für die natürlichen Eigenschaften und ein neo-romantischer Blick auf die Landschaft. Schon 1981 plädierte der Literaturwissenschaftler Jacek Kolbuszewski für eine veränderte Perspektive, frei von konjunkturellen oder pragmatischen Herangehensweisen, wobei er den Fokus auf den kulturellen Beitrag des Fremdenverkehrs in Geschichte und Gegenwart des Riesengebirges richtete.35 Im Gegensatz zu der von Kolbuszewski betonten „Zivilisierung“ des Gebirges entdeckten die Künstler der achtziger Jahre seine romantischen Qualitäten jenseits der Trampelpfade wieder. Eine bedeutende Rolle spielte dabei der Dichter Tadeusz Różewicz, der von Wrocław (Breslau) aus die Sudeten erkundete und dessen Werk als Höhepunkt des polnischen Kulturschaffens über das Riesengebirge angesehen wird.36 In diesem Kontext erlebte auch die Rübezahlfigur eine Wiederbelebung, zuerst als mythisches Symbol der Region, in späteren Jahren zunehmend als Werbemaskottchen und „Europäer“.37 Eine ähnliche ästhetische Entwicklung hin zu Elementarformen lässt sich in der ersten Hälfte der achtziger Jahre auch in der Fotografie beobachten.38 Letztlich führten der Systemumbruch nach 1989 und der Paradigmenwechsel in der polnischen Deutschland-Politik zur Beseitigung politischer Schranken und einer Neubewertung der Geschichte Niederschlesiens.39 Die Beschäftigung mit der Vergangenheit der Riesengebirgsregion verlor größtenteils ihre ideologischen Implikationen und man begann wieder, sich die Lokalgeschichte kritisch anzueig34 Einige werden beschrieben in: Hobgarska/Kozioł: Późne lata 80–te i 90–te, 374–377. 35 Kolbuszewski: Karkonosze w poezji; ders.: Kilka uwag o kulturowej roli Karkonoszy. In: Mierzejewski (Hg.): Karkonosze, 51–72. 36 Kulik, Zbigniew: Tadeusz Różewicz w Karkonoszach. In: Rocznik Jeleniogórski 33 (2001) 139–146. 37 Zum Rübezahl-revival als Zeichen der regionalen Verbundenheit der Künstler vgl. Hobgarska/Kozioł: Późne lata 80–te i 90–te, 372. Vgl. ferner Hartwich: Rübezahl. 38 Vgl. Sobota: Das Riesengebirge. 39 Zybura: Der Umgang [2005]; Mazur (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego.

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nen. Nicht zuletzt geschah dies in Absetzung zum Geschichtsdiskurs der Zentrale.40 Die Zeit wurde reif für eine entideologisierte, unverfälschte Regionalgeschichte Polens, um mit Adam Krzemiński zu sprechen.41 Nach Robert Traba spielte die Kategorie der Kulturlandschaft erneut eine wichtige Rolle: „Eines der zentralen Leitmotive und eine der wichtigsten Inspirationsquellen der Regionalbewegungen war und ist ihre Verbindung mit der Natur- und Kulturlandschaft. Den früheren Topos der Flucht vor der bedrohlichen Zivilisation in die reine Natur ersetzen heutzutage die ökologischen Bewegungen. Eine besondere Rolle im deutsch-polnischen Kontext spielt die Kulturlandschaft, die bei der Schaffung neuer Regionalbewegungen häufig zur zentralen Erkenntniskategorie aufsteigt und zu einem der Hauptmotive der ‚Heimatliteratur‘ der neunziger Jahre wird.“42 Zusätzlich wäre hinzuzufügen, dass die jahrzehntelange touristische „Benutzung“ der Riesengebirgslandschaft ein zentrales Hindernis für ihre kulturelle Aneignung beseitigte: ihre Fremdheit und Unbestimmtheit.43 Mit dem Anwachsen neuer Erinnerungsschichten, persönlicher Bezüge und eigener Narrationen bekam die Landschaft ein polnisches kulturelles Antlitz. Die Generationen der hier Geborenen kennen keine zweite Heimat und können das Riesengebirge vergleichsweise frei von kulturellen Befangenheiten entdecken, wobei behutsam nach historischen Vorbildern auch beim Umgang mit der Landschaft gesucht werden kann.44 Das materielle und kulturelle Erbe der Volksrepublik wurde zu einem weiteren Faktor, der in die Identitätssuche integriert werden muss, was zu kontroverseren Diskussionen als im Fall der weitgehend entemotionalisierten deutschen Geschichte führt. Nicht zuletzt lässt sich auch eine „Europäisierung“ der historischen Narration beobachten.45 Die Vergangenheit bleibt gewissermaßen eine Baustelle, ein „Steinbruch“ für den Aufbau einer neuen Identität im heutigen Niederschlesien.46

40 Joachimsthaler: Die mehrfach erfundene Provinz, 110; Traba, Robert: Regionalismus in Polen: Die Quellen des Phänomens und sein neues Gesicht nach 1989. In: Ther, Philipp/Sundhausen, Holm (Hg.): Regionale Bewegungen und Regionalismen in europäischen Zwischenräumen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Marburg 2003 (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 18), 275–283. 41 Vgl. Zybura, Marek: Der Umgang mit dem deutschen Kulturerbe in Schlesien nach 1945. In: Joachimsthaler/Schmitz (Hg.): Verhandlungen der Identität, 91–108, hier 105f. 42 Traba: Regionalismus, 281. 43 Ders.: Historia, 197f. 44 Niedźwiedzki: Odzyskiwanie miasta, 248. Zum tourismushistorischen Aspekt vgl. Hartwich: Tourismusgeschichte. 45 Mazur: Wprowadzenie, XVIIf.; Hartwich, Mateusz J.: Ausstellungs-Rezension zu: 1000 lat Wrocławia – 1000 Jahre Breslau 15.04.2009, Wrocław (Breslau), Polen. In: H-Soz-uKult, 20. Juni 2009, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=116&type= rezausstellungen [Zugriff am 21.5.2011]. 46 Sauermann: „Fern doch treu“, 437.

VII. Zusammenfassende Schlussbetrachtungen Ziel der Arbeit war die Untersuchung der Aneignung der Riesengebirgsregion durch die neuen polnischen Bewohner nach dem Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtung des Tourismus. Dabei wurde dieses Phänomen einerseits als Strukturmerkmal und andererseits als kultureller Faktor betrachtet. Die Rolle beider Aspekte wurde parallel mit dem Verweis auf zahlreiche Wechselbeziehungen analysiert. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung richtete sich auf die infrastrukturelle Erschließung der Region für den Fremdenverkehr vor dem Hintergrund kultureller Prozesse der Neuzeit (religiöser Auseinandersetzungen, ästhetischer Trends oder nationaler Diskurse) sowie die Neubewertung ihrer Eigenarten aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Transformation und einer veränderten Akzentsetzung in der Gegenwart. Diese Herangehensweise suggeriert mehr Kontinuitäten als in der bisherigen Geschichtsschreibung angenommen wurde, worauf abschließend noch eingegangen werden soll. Zunächst wurden die komplexen kulturellen Schichten für die Zeit vor 1945 identifiziert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass eine ‚monokulturelle‘ Erzählung aufgrund der bewegten Migrationsgeschichte dieses Gebiets nicht möglich ist. Eine durch Arbeitsmigration, Religionsflüchtlinge, gesteuerte Ansiedlung und mehr oder weniger spontane Auswanderung bestimmte Geschichte hatte Einfluss auf Toponomastik, Erschließung, Semiotisierung und Bewirtschaftung der Region. Dies alles hinterließ physische und mediale Spuren, die für Identitätsbezüge von jeher von Relevanz waren. Die Auswahl und Akzentuierung dieser Bezüge waren dabei konjunkturellen, im beschriebenen Zeitraum vor allem ethnischen Kriterien unterworfen. Mit einigem Recht könnte man behaupten, dass für die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das zentrale Problem die Suche nach einer brauchbaren Geschichte (Narration) und weniger der Umgang mit dem materiellen Kulturerbe war. Die physische Veränderung der Landschaft durch den Fremdenverkehr war ein weiterer Aspekt des einführenden Kapitels. Vor allem im 19. Jahrhundert wurde die Region umfassend transformiert. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Forstwirtschaft, die voranschreitende Besiedlung der Gebirgslagen und die Anpassung der Landwirtschaft an die Bedürfnisse eines aufkommenden Massentourismus waren Entwicklungen, die das Erscheinungsbild des Riesengebirges bis heute prägten. Diese Komplexität der entstandenen Struktur führte schon bei Zeitgenossen zu unterschiedlichen Reaktionen. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde Kritik laut, etwa in Form des Unmuts von Mieczysław Orłowicz gegenüber der ‚spießbürgerlichen‘, ‚preußischen‘ Touristik oder als Protest der frühen Naturschützer gegen die ‚Verschandelung‘ der Landschaft. Diese übertriebene ‚Zivilisierung‘ des Gebirges wurde nach 1945 aus pragmatischen Gründen erhalten, begleitet von einem nicht intendierten Degradationsprozess.

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Zusammenfassende Schlussbetrachtungen

Einen wichtigen Aspekt der Vorgeschichte stellte die Nationalisierung der Landschaft dar, wie sie sich seit der Romantik und der eigentlichen ‚Entdeckung‘ des Riesengebirges für den bürgerlichen Reisenden abzeichnete und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Mit Nationalisierung der Landschaft waren nicht nur der Tourismus-Diskurs in zeitgenössischen Medien, etwa Reiseführern, sondern auch die Semiotisierung der Landschaft durch Namen oder Erinnerungszeichen gemeint. Letzteres ließ sich für die Zeit zwischen den Weltkriegen am deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikt am besten aufzeigen. Dieses Phänomen endete nicht 1945: In der unmittelbaren Nachkriegszeit versuchten die neuen Bewohner, den kulturellen Charakter der Landschaft etwa durch ‚hurrapatriotische‘ Namensgebung diskursiv zu polonisieren, während physische Veränderungen im Gebirge die Ausnahme blieben. Punktuelle Versuche einer nationalen Akzentuierung traten in den fünfziger bis achtziger Jahren ebenfalls auf. Im Allgemeinen verlor die nationale Lesart der Landschaft bis heute nicht an Aktualität. Die Jahre 1945–1949 wurden in der Untersuchung eindeutig als Bruch identifiziert. Nicht zuletzt hing das mit der Vertreibung der deutschen Bewohner infolge des Potsdamer Abkommens und der Ansiedlung einer heterogenen, über lange Jahre nicht zusammengewachsenen neuen Bevölkerungsgruppe zusammen. Selbst im Licht der oben betonten Migrationsgeschichte der Region stellte dieser Vorgang einen präzedenzlosen Fall dar. In diesem Kontext richtete sich das Augenmerk auf zwei Prozesse: den kulturellen und den strukturellen Bruch. Ersterer lag zum einen in der Feindschaft zwischen der deutschen und polnischen Bevölkerung begründet, die sprachlich und durch die Erfahrungen von Krieg und Besatzung bedingt war. Hinzu kam eine von den Behörden geförderte gesellschaftliche Isolation beider Gruppen. Trotzdem kam es im Licht der angeführten Quellen überraschend oft zu Transfereffekten, die sich beispielsweise in der wörtlichen Übersetzung von Ortsbezeichnungen manifestierten. Diesem spontanen Prozess wurde durch die Vergabe von Ortsnamen seitens einer zentralen Kommission ein Ende gesetzt, während sich die offiziell geförderten historischen und literarischen Narrationsmuster wiederholt als der Realität inadäquat herausstellten. Daraus lässt sich für die Jahre nach der Vertreibung auf ein verbreitetes Gefühl der Entfremdung seitens der neuen Einwohner schließen. Als struktureller Bruch wurde der Bewirtschaftungsprozess der Westgebiete bezeichnet, speziell des südlichen Niederschlesien insbesondere in den Jahren nach 1947/48. Es ist ein Faktor, dem in der bisherigen Forschung zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Zweifellos trifft die Feststellung zu, wonach die Westverschiebung Polens und die damit einhergehenden sozialen Umwälzungen die Machteroberung der moskautreuen Kommunisten beschleunigten, ja erst ermöglichten – in gewisser Weise auf Kosten der vertriebenen Deutschen, aber auch des polnischen Bürgertums und großer Teile der Intelligenz. Darüber hinaus fand aber aus der Sicht der betreffenden Regionen mehr als nur ein politischer Systemwechsel

Zusammenfassende Schlussbetrachtungen

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statt. Mit der Bekämpfung der Privatwirtschaft und der forcierten Industrialisierung nach stalinistischem Muster wurde dem auf Dienstleistung ausgerichteten Gebiet die Existenzgrundlage weitgehend entzogen. Während die Tourismuszentren Karpacz (Krummhübel) und Szklarska Poręba (Schreiberhau) aufgrund der raschen Wiederbelebung des polnischen Fremdenverkehrs und des aufkommenden Sozialtourismus eine herausgehobene Stellung im Wirtschaftsleben der Region einnahmen, waren viele periphere Orte zum Niedergang verurteilt. Welche Folgen diese Wirtschaftspolitik des sozialistischen Polen hatte, wurde im Detail an kleinen Gewerbetreibenden deutlich. Für das Riesengebirge bedeutete diese Entwicklung einen zweiten Bruch mit seiner Vergangenheit, denn die ‚Hülle‘, die verstaatlichten Ferienheime und die intakte Infrastruktur, blieb erhalten, während die Antriebskräfte, die Partizipation der Einheimischen an Bewirtschaftung und Repräsentation der Region, zum Erliegen kamen. Im Unterschied zur existierenden Forschungsliteratur über die Polonisierung von Städten und Regionen in den früheren preußischen Ostprovinzen wurde in dieser Arbeit die spätere Entwicklung in der Volksrepublik genauer betrachtet. Zunächst wurde gezeigt, wie sich in der so genannten Tauwetterperiode (1955–1958) Reformdiskurse entfalteten. Relativ viel Aufmerksamkeit wurde zuerst zentralen Entwicklungen im Tourismusbereich gewidmet, da diese den Hintergrund für regionale Debatten darstellten. Sowohl eine umfassende Umgestaltung der innerpolnischen Touristik, begleitet von einer weit verbreiteten Kritik an den bestehenden Institutionen und Organisationsformen, als auch die spezielle Frage des Auslandstourismus sollten dabei von zentraler Bedeutung sein. Parallel dazu wurde die „Rückkehr der deutschen Frage“ mit der so genannten Familienzusammenführung der Jahre 1956–1958 und der Neuausrichtung der Beziehungen Polens zu beiden deutschen Staaten beschrieben. All diese Prozesse sollten in der Riesengebirgsregion unmittelbar ihre Wirkung entfalten. Durch die Besuche ehemaliger Einwohner aus Westdeutschland und die Forderung nach einer infrastrukturellen Erschließung für Auslandstouristen wurden lokale Eliten mit dem fremden Blick auf ihre Region konfrontiert. In unterschiedlichen Milieus war man sich des desolaten Zustands der lokalen Infrastruktur bewusst, der Druck von außen auf Veränderungen dynamisierte jedoch die Reformdebatten. Aktivisten aus dem Tourismusmilieu, Vertreter der lokalen Verwaltung und der sich wieder zu Wort meldenden Intelligenz machten sich den Reformdiskurs zunutze, um gegenüber zentralen Instanzen Veränderungen einzufordern. So wurden mit Hinweis auf die Außenwahrnehmung der Region die notwendigen Modernisierungen am Marktplatz von Jelenia Góra (Hirschberg), an einzelnen Gebirgsbauden oder an der Verkehrsinfrastruktur durchgeführt. Zusätzlich erreichte man gewisse Kompetenzverlagerungen in die Region, indem etwa die Vermittlung von Unterkünften (vor allem Privatquartieren) in die Hände eines Kreisunternehmens übergeben wurde. Eine weitreichende Reform des Fremdenverkehrsmanagements, wie sie von Experten und lokalen Aktivisten wiederholt gefordert wurde, scheiterte

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jedoch am Widerstand bestehender Institutionen, die wie der Ferienfonds der Gewerkschaftsorganisation von zentraler politischer Bedeutung für das System waren. Auch andere Einrichtungen wie das staatliche Reisebüro „Orbis“, das Tourismuskomitee der Regierung oder die PTTK blockierten Veränderungen, die die Fremdenverkehrsorganisation rationalisiert, aber die Existenz der genannten Institutionen unter Umständen hinterfragt hätten. Bereits Ende der fünfziger Jahre kam der Reformeifer zum Erliegen und aufgrund der internationalen Situation wurde die Öffnung Polens gegenüber Westtouristen rückgängig gemacht. Mit der detaillierten Analyse des Tourismus aus der DDR im Riesengebirge in den sechziger Jahren leistet diese Arbeit einen Beitrag zum sich entwickelnden historiographischen Feld der deutsch-polnischen Nachbarschaftsgeschichte im Sozialismus. Eine Besonderheit dieser Arbeit besteht darin, die Vorgeschichte der Öffnung der „Freundschaftsgrenze“ im Jahr 1972 zu rekonstruieren. Die Geschichte der ostdeutschen Präsenz in Polen beinhaltet verschiedene Aspekte: die offizielle ‚Freundschaft‘ zwischen beiden Staaten, die einen Touristenaustausch quasi erzwang, die Bestrebungen auf lokaler Ebene zur touristischen Entwicklung der Region und die Eigendynamik des Phänomens an sich. Die zahlenmäßige Steigerung des Touristenverkehrs wurde nicht zentral forciert und konnte von den verantwortlichen Instanzen nur mit größter Mühe gesteuert und verwaltet werden. Vielmehr schienen sich Heimatreisen oder dem Tourismus inhärente Marktmechanismen der Kontrolle der Behörden zu entziehen. Bei allen unerwünschten Nebeneffekten sollte konstatiert werden, dass sich diese Phänomene in der Grauzone bewegten und fast niemals die Grenze zum Dissens oder zur Illegalität überschritten. Die Ostdeutschen machten sich vielmehr offizielle Angebote zunutze und forderten dabei ihre Rechte als Konsumenten ein, während die lokale Bevölkerung vom erhöhten Bedarf an Dienstleistungen, Konsumwaren oder Unterhaltung profitierte. Im Zug dieser Entwicklung trat der polnische Staat in gewissen Bereichen stillschweigend den Rückzug an. Die Vermietung von Privatquartieren wurde bereits Ende der fünfziger Jahre offiziell sanktioniert und neben- oder gar haupterwerbliche Tätigkeiten der Einheimischen rund um den Fremdenverkehr (Taxifahrer, Devisenhändler oder Prostituierte) wurden im Lauf der sechziger Jahre wenn nicht anerkannt, so doch hingenommen. Spätestens Anfang der siebziger Jahre wuchs dieser Bereich, begünstigt durch die neuerliche Liberalisierung der Reisevorschriften, zu einer riesigen Grauzone, vor der staatliche Stellen mehr oder weniger kapitulierten. Wie sehr die Situation in vielerlei Hinsicht festgefahren war, demonstrierte das Beispiel der Andenkenproduktion. Während sich im institutionellen Wirrwarr der Volksrepublik zu keinem Zeitpunkt eine Konzeption für regionale Souvenirs durchsetzten ließ, füllten private Unternehmer diese Marktlücke aus. Diese ‚Schattenseite‘ der polnischen Tourismuspolitik erhielt durch den Tourismus aus der DDR einen prägenden Impuls. Die Entwicklung auf alltagshistorischer Ebene hinterfragt implizit das gängige Bild einer politisch erstarrten und ‚grauen‘ Volksrepublik unter Władysław Gomułka. Die zitierten Dokumente re-

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flektieren dabei nur das, was sich im offiziellen Rahmen abspielte, das heißt von staatlichen Stellen berichtet und auf verschiedenen Verwaltungsebenen diskutiert wurde. Eine genauere Untersuchung aller ‚Schattenphänomene‘, etwa anhand von Polizeiakten oder Presseberichten, würde weitere Aufschlüsse über die komplexe gesellschaftliche Realität jener Jahre liefern. Die Geheimdienstberichte fallen demgegenüber eher uninteressant aus. Insgesamt stellte somit der Tourismus aus der DDR im Riesengebirge für beide Seiten keine ernsthafte politische Bedrohung dar. Eine wichtige Rolle spielte in der Untersuchung die Frage nach dem Geschichtsverständnis der einheimischen Bevölkerung. Mit Blick auf die seit 1956 erscheinenden lokalhistorischen Publikationen, zum Teil mit populärwissenschaftlichem Charakter, konnte von einer Tabuisierung der Vergangenheit keinesfalls gesprochen werden. Sicherlich ließ sich eine eindeutige Hervorhebung aller polnischen Aspekte feststellen und die Gewichtung zwischen einzelnen historischen Epochen zeugte von politischen Tendenzen. In der gesamten Zeitspanne erschien jedoch die Beschäftigung mit der Lokalgeschichte alles andere als unerwünscht. In der Themenauswahl ließ sich zusätzlich ein Bezug zu aktuellen Debatten erkennen. Vor allem wurde die auffällige Präsenz tourismushistorischer Themen angesprochen, die den Einheimischen das Gefühl vermitteln sollten, der Fremdenverkehr sei etwas Normales, dessen Traditionen zudem ‚unsere‘ polnische Identität stärken könnten. Darüber hinaus wurde auf die öffentliche Präsenz des Themas in Form von Publizistik und Erinnerungszeichen verwiesen, die eine klare Abweichung von der ansonsten rigiden Geschichtspolitik des sozialistischen Polen darstellte. Die Stellung des historischen Diskurses wurde abschließend durch den Hinweis auf den dominierenden Modernediskurs relativiert. Die Diskussionen über den Neubau des Observatoriums auf der Schneekoppe verdeutlichten die Präsenz von Debatten über Zukunft und Moderne im damaligen Europa – systemübergreifend. Letztlich könnte dieses Projekt mit der Lösung von der Fixierung auf die deutsche Vergangenheit und mit dem Wunsch, der Landschaft einen neuen Charakter zu verleihen, als Aufbruch in eine neue Epoche angesehen werden. Aufgrund der finanziellen Lage der Volksrepublik Polen und teilweise aufgrund der naturschutzrechtlichen Einschränkungen blieb die Schneekoppenbebauung neben einigen modernisierten Wanderwegen und den Ski- und Sesselliften der einzige physische Eingriff in die Landschaft nach 1945. Wiederkehrende Debatten um neue Investitionsprojekte, den Ausbau der Wintersportinfrastruktur und regionaltypische Architektur bezeugen die Relevanz des Themas bis heute. In einem weiteren Kapitel verschob sich der Blick von der Region selbst zur Erinnerungskultur der schlesischen Vertriebenen. Der Fokus lag dabei auf dem medienhistorischen Aspekt, der sich aus dem Entstehungskontext des Bildes der verlorenen Heimat erklärt. Das weitere Bestehen einiger kulturhistorischer Topoi wurde aufgezeigt und ihre nationale Aufladung angesprochen (Rübezahl als „Schlesien-Maskottchen“). Der Kulturlandschaftsdiskurs nahm dabei eine zentrale Stellung ein, was sich auch als Reaktion auf den medial vermittelten Verfall der Heimat

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in der Nachkriegszeit erklären ließ. Die so kreierte „Erinnerungslandschaft“ der Vertriebenen wurde interaktiv durch persönliche Erinnerungen bereichert, die der Verortung des Einzelnen im Diskurs und dessen Belebung dienten. Mit dem Lauf der Zeit, mit der Abwendung der westdeutschen Öffentlichkeit vom Vertreibungsthema und schließlich mit der voranschreitenden materiellen Veränderung der Herkunftsregionen, die in den siebziger Jahren durch den einsetzenden Reiseverkehr verstärkt konstatiert wurde, wandelte sich das Bild der Heimat. Sie wurde immer stärker ‚virtualisiert‘, mythisiert und die Landschaft wurde zunehmend durch die Brille des Erinnerten gesehen. Welche theoretischen Schlussfolgerungen lässt das Beschriebene nun zu? Einige Einzelaspekte wie die Namensgebung oder die Rolle der ‚angewandten Geschichte‘ könnten sicherlich für die weitere Erforschung dieses Themengebiets von Interesse sein. Beim Ersteren erwies sich die interdisziplinäre Herangehensweise mit der Berücksichtigung von sozialhistorischen und sozialanthropologischen Aspekten als lohnenswert. Das als grundlegendes Element der neuen Wirklichkeit konstatierte Gefühl der Fremdheit ließ sich allein aus der An- und Aussiedlungssituation und der chaotischen Situation in der Nachkriegszeit nicht schlussfolgern. Beim zweiten Phänomen, der Suche nach einer brauchbaren Geschichte, wären sicherlich weitere Studien wünschenswert. Die Feststellung aber, bei der polnischen Bevölkerung in den früheren deutschen Ostgebieten habe eine politisch bedingte Verdrängung der Vorkriegsgeschichte stattgefunden, lässt sich im Licht dieser Untersuchung nicht mehr in der Gestalt aufrechterhalten. Auch das ist ein Beitrag zur deutsch-polnischen Beziehungs- und Verflechtungsgeschichte und trägt generell zur kulturwissenschaftlichen Diskussion um den Umgang mit (fremdem) Kulturerbe bei. Die Studie zeigte ferner, welche Möglichkeiten die Arbeit mit der Kategorie Landschaft bringt. Es wurde klar, dass die Semiotisierung eines solchen Raumes ein komplexer Vorgang ist. Hierfür war das Kriterium der ‚Nutzbarkeit‘ der Landschaft ein entscheidendes: Der Raum musste in seinem nationalen Neuanstrich erfahren und wahrgenommen werden. Vor allem zeigte sich, dass es die aus politischer Sicht weniger prioritäre unmittelbare Lebensumgebung der Neusiedler war, die das Gefühl der Fremdheit und somit den (Miss)erfolg des Aneignungsprozesses bestimmte. Sicherlich träfen die Ergebnisse der Analyse für einen Stadtraum mit den allgegenwärtigen Inschriften und kulturell geprägten Alltagsgegenständen ebenfalls zu, was die bisherige Forschung auch zeigte. Andererseits war die Polonisierung einer Landschaft kein normativer Akt und spielte sich nur teilweise auf visueller Ebene ab. Die Entstehung einer neuen Narration war ein langjähriger Prozess, den literarische oder historische Diskurse allein nicht ersetzen konnten. Die Beschäftigung mit der Landschaft erlaubte ferner eine komplexere Sicht auf den Gegenstand, vor allem auf seine strukturellen Aspekte. Die Geschichte einer Stadt ließe sich aus der Perspektive einzelner Objekte, Siedlungen oder Wirtschaftsbetriebe erzählen. Der beschriebene Raum lieferte ebenfalls einige exemplarische Fälle, die einzelne Aspekte zu illustrieren halfen. Man könnte den Neubau der

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Schneekoppenbaude jedoch nicht ohne Nennung der klimatischen Begebenheiten, der Zufahrtswege, der Arbeitsbedingungen, schließlich der verwendeten Materialien erörtern. Ein wichtiger Teil des Erkenntnisprozesses war auch die Erfahrung der Landschaft selbst mit ihrer zerstreuten Bebauung, den Steigungen oder der physischen Beschaffenheit der Wege. Welchen Mehrwert brachte der Tourismus als Analysekategorie mit sich? Die Komplexität des Begriffs mit seiner Verbindung von kulturellen und strukturellen Faktoren wurde einleitend als potentieller Gewinn bezeichnet. In der Untersuchung zeigte sich, dass das Handeln der Akteure dadurch entscheidend mitgeprägt wurde, sei es bei der Frage der Wirtschaftsstruktur oder bei der Suche nach einer ‚brauchbaren Vergangenheit‘ und einer regionalen Identität. Eine Besonderheit lag ferner in der Frage nach der Partizipation der Bevölkerung, die der Fremdenverkehr in Form von Außendarstellung, Dienstleistungen oder Identifikation förderte oder gar erzwang. Dabei müsste die Einschränkung gemacht werden, dass die Riesengebirgsregion gerade wegen ihres besonderen Charakters als traditionelle Tourismusregion von internationalem Rang eher untypisch war. Dennoch war es für die vorliegende Untersuchung entscheidend, den kulturellen Vorgang der Aneignung mit Hilfe der Komponente Tourismus zu konkretisieren. Eine letzte Schlussfolgerung betrifft die Geschichtsschreibung über Polen und breiter: diesen Teil Europas nach 1945. Das Plädoyer für mehr Aufmerksamkeit für die „lange Dauer“ anstelle von Brüchen und Zäsuren ist alles andere als neu und kann im Licht dieser Arbeit nur bekräftigt werden. Insbesondere zeigte sich, dass die Nachkriegsgeschichte einer Provinz im sozialistischen Polen auch transnationale Komponenten besitzt, die den Blick auf scheinbar endogene Prozesse verändern, und dass zudem die Zeitgeschichte von einer Detailanalyse lokaler Phänomene, etwa im Hinblick auf grenzüberschreitende Wechselwirkungen, profitieren kann. Ähnliches gilt für die aktuelle Forschung zu Erinnerungskulturen, in der die Ebene nationaler Konstrukte um diachrone Analysen im begrenzten Raum ergänzt wird. Last but not least öffnet die Beschäftigung mit der neuzeitlichen Geschichte einer Landschaft Möglichkeiten des wissenschaftlichen Dialogs mit Nachbardisziplinen, vor allem im Bereich der Sozialwissenschaften.

VIII. Turystyka a oswajanie krajobrazu w Karkonoszach po 1945 roku (Zusammenfassung in polnischer Sprache) Celem pracy była analiza wpływu turystyki na wykształcanie się lokalnej tożsamości wśród powojennych mieszkańców regionu karkonoskiego. Region karkonoski pojmuję przy tym jako przestrzeń obejmująca obszar gór i przedgórza, w dużym stopniu tożsamą z obecnym (i ówczesnym) powiatem jeleniogórskim. Praca została podzielona na dwie główne części, wyodrębnione na zasadzie chronologicznej: okres tużpowojenny (lata 1945–1949) oraz okres „odwilży“ i przemian społecznych lat 1954–1970. Osobne rozdziały poświęciłem historii regionu do roku 1945, ze szczególnym uwzględnieniem rozwoju turystyki, oraz kwestii obrazu stron ojczystych w środowisku tzw. ziomków w Republice Federalnej Niemiec. Na zakończenie pokrótce scharakteryzowałem lata 70–te i 80–te oraz okres po transformacji ustrojowej. Centralnym zagadnieniem była rola turystyki w opisywanych procesach. Punktem wyjścia było przy tym jak najszersze pojęcie turystyki, obejmujące obok samej czynności wędrowania, podróżowania, także kwestie logistyki transportu, reklamy i wydawnictw turystycznych, konsumpcji i rozrywki. Wybór ten uzasadniam złożonym charakterem samego zjawiska turystyki, pozwalającym na wykroczenie poza same zagadnienia gospodarcze i strukturalne, względnie same badania kulturoznawcze. Tym samym stosowane tu pojęcie „turystyka“ pozwala na połączenie badań z zakresu historii społecznej, gospodarczej, politycznej i historii kultury oraz metod antropologii społecznej i kulturowej, etnografii, lingwistyki, historii sztuki i geografii kulturowej. Fakt, iż turystyka znalazła się w centrum uwagi niniejszej pracy, ma także swoje uzasadnienie w samej charakterystyce opisanego regionu, którego specyfiki nie da się pojąć bez należytego uwzględnienia roli turystyki w historii ziemi jeleniogórskiej i jej strukturze gospodarczo-społecznej. Kolejna istotna uwaga metodologiczna dotyczy pojęcia krajobrazu. W odniesieniu do najnowszych badań z zakresu landscape history, podkreślających złożony charakter przyrody jako z jednej strony konstrukcji kulturowej, a z drugiej fizycznej przestrzeni, opowiadam się za połączeniem obu perspektyw w badaniach nad szeroko pojętą historią społeczną regionów. Kategoria krajobrazu pozwoliła mi także na uzupełnienie istniejącej historiografii na temat przejmowania i polonizowania byłych pruskich prowincji wschodnich po 1945 roku o kolejny wymiar. O ile badania nad przemianą strukturalną i kulturową przestrzeni miejskich mogą się odwoływać do poszczególnych obiektów lub osiedli, o tyle badania nad krajobrazem muszą uwzględniać w większym stopniu także czynniki topograficzne, klimatyczne, geologiczne czy infrastrukturalne. Wprawdzie w centrum uwagi pracy znajdują się zagadnienia społeczno-kulturowe, lecz kwestia chociażby ukształtowania przestrzeni została uwzględniona.

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W pierwszym rozdziale opisuję rozwój historyczny regionu karkonoskiego przed II wojną światową, akcentując przy tym aspekt migracyjny, nadający mu złożony charakter kulturowy. Nie tylko wczesny okres panowania polskiego oraz osadnictwo niemieckie ukształtowały spuściznę kulturową opisywanego obszaru, lecz także napływ tzw. Walonów, czyli górników z terenów dzisiejszej Francji, Belgii, Włoch i środkowych Niemiec (Góry Harzu); uciekinierzy religijni z Czech i Austrii oraz migracje zarobkowe, związane z transformacją gospodarczą regionu od połowy XIX wieku. Opisane tu wędrówki ludów pozostawiły po sobie ślady w sieci osadniczej, toponomastyce, infrastrukturze drogowej oraz, co nie mniej istotne, w najstarszych świadectwach medialnych. Po dziś dzień historiografia i piśmiennictwo popularne nawiazują do tej historii, przy czym jednak odwołania te podlegają koniunkturom ideowym – w XX wieku głównie wartościowaniu politycznemu, etnicznemu. Drugą zasadniczą kwestią w opisie tej swoistej „prehistorii“ regionu jest podkreślenie dziejów odkrywania tego obszaru przez podróżnych. Karkonosze należą do najwcześniej penetrowanych przez turystów obszarów w Europie, przy czym początek tego zjawiska datuje się symbolicznie na rok 1681, kiedy to śląski ród arystokratyczny Schaffgotschów postawił na szczycie Śnieżki kaplicę pod wezwaniem św. Wawrzyńca. Od tego momentu miejsce to, już w poprzednich wiekach cel pojedyńczych wypraw, odwiedzane jest przez rzesze wiernych z rekatolizowanego Śląska i Czech. W XVII wieku obserwujemy także stopniowe zasiedlanie wyższych partii gór, zagospodarowanie rolnicze tych obszarów (pastwiska) oraz budowę dróg. W wieku następnym procesy te nabierają dalszej dynamiki oraz mamy do czynienia ze zwiększającą się liczbą publikacji na temat Karkonoszy, łączących charakter naukowy z relacją podróżniczą. Aż do początku XX wieku ukazuje się także niejedna polskojęzyczna publikacja tego typu, często wydawana przez słynną wrocławską oficynę Kornów. Najważniejszym zabytkiem piśmiennictwa z tego okresu jest pierwszy polski przewodnik autorstwa Rozalii Saulson z roku 1850, spisany po pobycie w znanym kurorcie Cieplice Śląskie (wówczas: Bad Warmbrunn). Pierwszy boom turystyczny Karkonoszy wiąże się ściśle z dziejami tej podkarkonoskiej miejscowości uzdrowiskowej, której kuracjusze coraz częściej odbywają wycieczki po pogórzu (szczególnie Chojnik) i samych górach. W świetle dotychczasowych badań historycznych można przyjąć, iż pomimo starszych tradycji poznawania Karkonoszy zasadniczym przełomem w tych dziejach jest ich „odkrycie“ w dobie romantyzmu. Malarze i pisarze z obszaru niemieckojęzycznego odwiedzają ten region często na przełomie wieków XVIII i XIX i opisują jego „pierwotny“, romantyczny charakter. Co ciekawe, ten estetyczny trend ma najczęściej wymierne konsekwencje: popularyzacja gór przez malarzy typu Caspar David Friedrich prowadzi do powstania tzw. szkoły kowarskiej, gdzie na potrzeby wzmagającego się ruchu turystycznego produkuje się na masową skalę tzw. Landszafty. Literackie odkrywanie Karkonoszy pociąga za sobą wzmożoną liczbę publikacji przewodnikowych. Popularność tego regionu prowadzi także do wzniesienia

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na obszarze Kotliny Jeleniogórskiej licznych rezydencji artystokratycznych, w tym samej pruskiej rodziny królewskiej. Równocześnie dochodzi w rejonie Karkonoszy oraz środkowych Sudetów do wykształcenia się pierwszych profesji, ściśle związanych z turystyką: przewodników górskich, tragarzy, a także właścicieli gospód, karczm i zaimprowizowanych schronisk. Rozwój ruchu podróżniczego tłumaczy zarazem, dlaczego transformacja gospodarcza Prus połowy XIX wieku, szczególnie upadek tradycyjnych manufaktur tekstylnych, w mniejszym stoniu prowadzi tu do zaburzeń społecznych, jak w innych częściach Sudetów i Śląska. W drugiej połowie XIX wieku mamy już do czynienia z dynamicznym rozwojem turystyki w regionie karkonoskim. Przeobrażenia społeczne w Europie, przede wszystkim wykształcenie się licznej klasy średniej (burżuazji, urzędników, inteligencji, robotników-fachowców), prowadzą do zwiększenia się liczby podróżnych. Następuje także rozwój transportu, szczególnie od czasu wybudowania linii kolejowych, w tym wypadku łączących Jelenią Górę z Wrocławiem i Berlinem, względnie po czeskiej stronie gór z Pragą i Wiedniem. Karkonosze stają się tym samym celem wypadów weekendowych, a nawet jednodniowych, ze wschodnich prowincji ówczesnych Prus (w tym Wielkopolski i w mniejszym stopniu Pomorza) i Saksonii. Zjawisko to pociąga za sobą rozwój sektora usług, związanych z obsługą przyjezdnych (drogi, schroniska, hotele, lokale gastronomiczne). Przystosowanie gór do wymogów masowej turystyki prowadzi już wówczas do nadmiernego, w oczach niektórych współczesnych obserwatorów i historyków, ucywilizowania krajobrazu. Chyba najoryginalniejszym opisem tego typu jest relacja polskiego pioniera turystyki ze Lwowa, Mieczysława Orłowicza, z początku XX wieku, opisującego przesadne upraszczanie wędrówek, wybujałą gastronomię, komercjalizację turystyki, czy wręcz tworzenie sztucznych atrakcji (wodospady za opłatą, częste punkty widokowe). Należy tu zaznaczyć, że tak ukształtowana przestrzeń turystyczna naznaczyła krajobraz Karkonoszy aż po nasze czasy, mimo częstej krytyki ze strony polskich działaczy. Pod względem społecznym najważniejszym bodajże wydarzeniem tego okresu było powstanie w Jeleniej Górze (i równocześnie we Vrchlabí po czeskiej stronie gór) Towarzystwa Karkonoskiego (Riesengebirgsverein, RGV) w 1880 r. Celem tej organizacji, która z czasem rozrosła się do największej tego typu w tej części Europy, było lobbowanie u władz nadrzędnych, chociażby w kwestii infrastruktury drogowej, popularyzowanie gór oraz tworzenie swoistej platformy współpracy i dyskusji dla mieszkańców i przedsiębiorców. RGV było typowym niemieckim stowarzyszeniem lokalnym (choć o zasięgu ponadregionalnym), rekrutującym głównie miejscową inteligencję (nauczycieli), przedstawicieli wolnych zawodów, urzędników i w mniejszym stopniu niższe warstwy klasy średniej (np. rzemieślników). Charakteru tej organizacji nie należy mylić z powstałym kilka lat wcześniej Towarzystwem Tatrzańskim (następnie „Polskie Towarzystwo Tatrzańskie”, PTT), choć rozbieżności te nie były zasadniczej natury, co ostatnio wykazał Tomasz Przerwa. Pewną różnicą był fakt, że PTT nie tylko propagowało teren Tatr, ale i musiało niemal od zera

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stworzyć infrastrukturę turystyczną. RGV zaś rzadko budowało choćby schroniska. Poza samą popularyzacją regionu, Towarzystwo Karkonoskie koordynowało prace samodzielnych podmiotów gospodarczych, działaczy społecznych i mieszkańców i równoważyło interesy poszczególnych grup. Jak już wspominałem, rozwój infrastruktury turystycznej i konsumpcyjnej budził sprzeciw współczesnych. Od końca XIX wieku, a także w pierwszej połowie XX, pojawił się w Niemczech ruch „ochrony stron ojczystych“ (Heimatschutz), powiązany z ideą ochrony przyrody (Naturschutz). Aktywiści tego ruchu, najczęściej przedstawiciele elit umysłowych, upatrywali w przyrodzie, najbliższym otoczeniu człowieka, „zdrową“ podstawę niemieckego „ducha“, a w nadmiernej komercjalizacji narzędzie upadku moralnego i kulturalnego. Należy przy tym zaznaczyć, iż ideologia ta niekoniecznie kłóciła się z rozwojem przemysłu, względnie infrastruktury drogowej – za czasów tzw. Trzeciej Rzeszy idee (i ideolodzy) Heimatschutzu znajdowały się w symbiozie z rządowym programem budowy autostrad. Z dzisiejszym ruchem ekologicznym te grupy miały zatem niewiele wspólnego, chociaż są przez niektórych historyków uznawane za prekursorów dzisiejszych „zielonych“. W pierwszej kolejności ówcześni konserwatorzy kierowali swoje działania przeciwko szpeceniu krajobrazu, np. wszechobecnej reklamie. Nie jest jednakże dziełem przypadku, że pionierskie ustawodawstwo o ochronie przyrody dochodzi do skutku po objęciu władzy przez nazistów w 1933 r. Nieco wcześniej dochodzi do wyznaczenia pierwszych rezerwatów przyrody w Karkonoszach. Ostatnim aspektem, omawianym w rodziale poświęconym okresowi przedwojennemu jest kwestia nacjonalizacji krajobrazu. Szczególnie w latach 30–tych i 40– tych, ale także już na początku XX wieku zaostrza się konflikt narodowościowy między ludnością niemiecką, stanowiącą olbrzymią większość mieszkańców po obu stronach gór, a rodzącym się czeskim ruchem narodowym. Konflikt ten znajduje także odbicie w ówczesnym piśmiennictwie, chociażby literaturze krajoznawczej i przewodnikowej, oraz w nazewnictwie typowo turystycznym (np. wieże widokowe) czy też tablicach pamiątkowych. Antagonizmy narodowe kulminują w wybuchu II wojny światowej, poprzedzonej zagarnięciem czeskiego pogranicza przez hitlerowskie Niemcy, tym samym czyniąc Karkonosze centrum nazistowskiej turystyki socjalnej, realizowanej przez para-związkową organizację „Kraft durch Freude“. Od końca lat 30–tych w rejonie tym uwidaczniają się praktyczne skutki dyktatury nazistowskiej, takie jak ograniczanie swobody poruszania się po górach, tworzenie obozów pracy, czy też projekt tzw. Drogi Sudeckiej, przy której w późniejszej fazie pracowało tysiące jeńców wojennych i robotników przymusowych. Ideologizacja turystyki nie skończyła się wszakże wraz z upadkiem hitlerowskich Niemiec i przejściem omawianego obszaru pod polskie panowanie. Także w okresie powojennym wykorzystywano ją pod wieloma względami do propagandy politycznej. Początkowo uwidacznia się tendencja do szybkiej polonizacji zastałej rzeczywistości w kontekście ideologii tzw. Ziem Odzyskanych. I tak, wraz z napływem polskich osadników od wiosny 1945 roku, a także turystów z początkiem

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1946 roku, publikacje turystyczne doszukują się wszechobecnych śladów polskości w otoczeniu. Strategia ta miała na celu przybliżenie polskiemu społeczeństwu nieznanych dotąd obszarów i w nie mniejszym stopniu polityczne uzasadnienie nowych granic na Odrze i Nysie Łużyckiej. Informatory i przewodniki z tego okresu powstawały jednakże głównie na podstawie niemieckich publikacji sprzed II wojny światowej, podczas gdy rozwój wypadków w samym regionie szybko dezaktualizował zawarte w nich dane. Dopiero w lecie 1946 roku spenetrowali teren Sudetów działacze centralnych organizacji turystycznych, jak chociażby wspominany wcześniej Mieczysław Orłowicz. Niezwykle ciekawym przykładem takiej „literackiej“ polonizacji krajobrazu są publikacje nauczyciela Józefa Sykulskiego, przybyłego do Jeleniej Góry w lipcu 1945 roku. Na podstawie publikacji niemieckich oraz własnych obserwacji współtworzył on wiele wczesnych przewodników po rejonie, a także opublikował w listopadzie 1945 roku pierwszą polskojęzyczną książkę na Ziemiach Zachodnich pod tytułem „Liczyrzepa – zły duch Karkonoszy i Jeleniej Góry“. Jego dosłowne przetłumaczenie niemieckiej nazwy „Rübezahl“ było w latach późniejszych wielokrotnie krytykowane, w tym przez znanego językoznawcę Stanisława Rosponda, jednakże zostało ze względu na potrzebę utrwalania polskości Ziem Zachodnich szybko spopularyzowane. Sykulski przez kilka lat uchodził za głównego znawcę dziejów regionu i pisywał do kilku gazet, ukazujących się na Dolnym Śląsku. Nie mniej ciekawe są jego przewodniki po okolicy a także spolszczona wersja legendy o księżniczce Kunegundzie z zamku Chojnik. Jak wykazał już w 1981 roku znany literaturoznawca Jacek Kolbuszewski, powierzchowne opisy Karkonoszy były we wczesnych latach powojennych raczej regułą. Plany adminstracji lokalnej, przede wszystkim popularnego starosty Wojciecha Tabaki, stworzenia w powiecie jeleniogórskim polskiej kolonii artystycznej spotkały się początkowo z przychylnym przyjęciem niejednego pisarza czy malarza. Wraz z usuwaniem ludności niemieckiej, władze polskie mogły zachęcać literatów przede wszystkim domami, których w zniszczonej Polsce centralnej, szczególnie w Warszawie, tak brakowało. W warunkach tużpowojennych zabrakło jednak możliwości lub chęci, by w zamian za gościnność władz lokalnych stworzyć nową, polską literaturę o regionie, która mogłaby oswoić napływającą ludność i przyjezdnych z obcym otoczeniem. Powstałe w tym czasie utwory o Karkonoszach powtarzają tradycyjne tropy literackie, jak wyniosłość gór czy ogólne opisy przyrody, zamiast nadawać krajobrazowi specyficznych cech, chociażby związanych z kulturą regionu. Z drugiej strony, w relacjach prasowych z tych lat da się zauważyć daleko idący sprzeciw wobec rzekomo „niemieckiego“ charakteru tego miejsca. Potępia się polskich osadników za przejmowanie obyczajów poprzednich mieszkańców, sprzedawanie pamiątek regionalnych, lub tłumaczenie nazw miejscowych. Kwestii nazewnictwa poświęcono w niniejszej pracy stosunkowo dużo miejsca, jako że ogniskuje się w niej wiele istotnych aspektów. Po pierwsze w przypadku opisywanego regionu olbrzymia większość miejsc nie posiadała polskich nazw, ani

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tradycyjnego słowiańskiego nazewnictwa, do którego można by było sięgnąć. Opis otaczającej nowych osadników rzeczywistości musiał być niejako tworzony od nowa. Po drugie, sam przebieg wydarzeń od wiosny 1945 roku narzucił procesowi nadawania nazw własne tempo. Jako pierwsze uaktywniły się władze kolei państwowych, nadające polskie nazwy obsługiwanym stacjom na Ziemiach Zachodnich. Najczęściej były to niemal dosłowne tłumaczenia nazw niemieckich, często jednak zdarzały się dziwolągi językowe i szybko zapomniane neologizmy. Następnie, własne nazwy zaczęli nadawać napływający spontanicznie osadnicy, często bez nawiązania, lub wręcz bez wiedzy o nazwie „kolejowej“, czasem jednakże tłumacząc nazwy przedwojenne. Dopiero z początkiem 1946 roku ruszyły prace rządowej komisji nadawania nazw miejscowych, posiadającej podkomisje regionalne, w których pracowali także aktywiści turystyczni. W pierwszej kolejności opracowano oficjalne nazwy większych miejscowości, ważniejszych punktów topograficznych itp. Co istotne, komisje te nie zajmowały się najczęściej nazwami pomniejszych przysiółków, charakterystycznych skał czy wzniesień lub strumyków – czyli tym, co stanowiło najbardziej bezpośrednie otoczenie nowych mieszkańców. Sytuacja utrudniona była dodatkowo ze względu na ograniczenia ideologiczne w spontanicznym nadawaniu nazw: nowe nazwy nie mogły być dosłownym tłumaczeniem starych, nie mogły nawiązywać do nazw miejscowych na Kresach wschodnich, musiały odpowiadać językowej poprawności nowoczesnej polszczyzny, a pierwszeństwo należało się odtwarzanym nazwom starosłowiańskim. Te ograniczenia oraz zaniedbania w nadawaniu nazw pomniejszym punktom krajobrazu doprowadziły do tego, że po usunięciu Niemców, nowi mieszkańcy znaleźli się w otoczeniu miejsc, które im (dosłownie!) nic nie mówiły. Jeszcze bardziej skomplikowanie przedstawiała się sprawa na obszarze turystyki. O ile można było w miarę szybko przejąć niezniszczoną infrastrukturę i uruchomić schroniska, pensjonaty czy lokale gastronomiczne – było to zasługą działaczy społecznych oraz przedsiębiorczych jednostek – o tyle oznaczenie przestrzeni kosztowało niemało trudu. Co najmniej do 1948 roku, a w częściach pogórza nawet i dłużej, drogowskazy były w większości niemieckie. Do tego dochodziła kwestia przekuwania kamieni granicznych oraz ogólne zabezpieczenie nowych rubieży, które w początkowym okresie były terenem istnej wędrówki ludów i niekontrolowanego przemytu. Przez większą część okresu powojennego, ale szczególnie w latach tużpowojennych, brakowało polskich planów i map, a istniejące szybko traciły na aktualności ze względu na zmiany nazw lub pożary poszczególnych obiektów. Na ironię zakrawa fakt, że nawet w oficjalnych dokumentach posługiwano się nazwami przedwojennymi, jako jednymi pewnymi. Ta wszechobecność nazw niemieckich (na drogowskazach, mapach, przedwojennych pocztówkach czy w użyciu miejscowych) doprowadziła do tego, że dominowało wrażenie kontynuacji „obcych“ tradycji. Miała ona prawdopodobnie swój udział w tym, że szybko poznikała część „hurrapatriotycznych“ nazw tużpowojennych, jak Głaz Tetmajera (Słonecznik – w latach 1942–45 zwany Głazem Hauptmanna, „Hauptmann-Stein”) czy „schro-

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nisko im. Stanisława Wyspiańskiego“ na schronisko „Pod Śnieżką“, zwane także „Domem Śląskim“, co jest dosłownym tłumaczeniem nazwy przedwojennej, notabene o podtekście nacjonalistycznym. Ta płytka, pragmatyczna i niepełna polonizacja krajobrazu, manifestująca się w kwestii nazewnictwa, przyczyniła się do wyobcowania nowych osadników wobec otaczającej ich rzeczywistości w latach powojennych. Równie ważne jak zerwanie ciągłości kulturowej w następstwie przesunięcia granic i wysiedlenia zastałej ludności, były przemiany z zakresu polityki gospodarczej w powojennej Polsce. Jak już wspominałem, początkowo doszło do spontanicznego napływu osadników polskich z województw centralnych i przymusowych migracji z ziem utraconych na Wchodzie. Ta nowa ludność stosunkowo szybko zaadaptowała się w regionie, przejmując stopniowo mieszkania i zakłady pracy od pozbawionych większości praw Niemców. Mimo wszechobecnej przemocy, związanej w niemałym stopniu z obecnością wojsk radzieckich oraz działalnością różnego rodzaju band i oddziałów paramilitarnych, doszło do uruchomienia dużej liczby przedsiębiorstw i przywrócenia działalności większości instytucji. Samo ułożenie się współżycia między tak różnymi grupami przesiedleńców na miejscu zajęło jednak długie lata. Unormowanie życia gospodarczego i społecznego było zresztą priorytetowym działaniem polskiej administracji, utworzonej jeszcze przed decyzjami poczdamskimi. Z jednej strony chodziło zatem o stworzenie wrażenia sprawnego zagospodarowania ziem, o które polski rząd tymczasowy zabiegał u mocarstw, z drugiej także o zapewnienie polskim osadnikom w miarę normalnego życia. Jak wyraźnie zaznaczał w swoich raportach starosta Tabaka, przyzwolenie na duży udział inicjatywy prywatnej w rozruchu gospodarczym regionu miało charakter przejściowy. Władzom komunistycznym od początku przyświecał cel nacjonalizacji przemysłu i docelowe wyeliminowanie przedsiębiorstw niepaństwowych i niespołecznych. Wraz z całkowitym przejęciem władzy przez Polską Partię Robotniczą po sfałszowanym referendum w czerwcu 1946 roku i równie niedemokratycznych wyborach do Sejmu w styczniu 1947 roku, zaczęto otwarcie realizować politykę komunizacji Polski. Zwalczano inicjatywę prywatną za pomocą komisji kontroli cen, za pomocą podatków i innych środków administracyjnych czy też pokazowych procesów przeciwko „spekulantom“ lub „sabotażystom“. Równocześnie już w 1947 roku uwidoczniły się braki państwowej polityki produkcji i zaopatrzenia w żywność i dobra konsumpcyjne, na które w rejonach turystycznych jak Karkonosze istniał zwiększony popyt. W kontekście tejże polityki należałoby w nowym świetle ocenić proces wysiedlania ludności niemieckiej i osiedlania Polaków. Dla władz, przetrzymywanie Niemców w ich dotychczasowych regionach zamieszkania, często opłacanych nawet o połowę gorzej niż pracownicy polscy, stanowiło pretekst do szeroko zakrojonej transformacji ustrojowej. Inaczej mówiąc, prościej było zatrudniać wykwalifikowanych Niemców do momentu, aż wykształci się odpowiednio zawodowo i politycznie przeszkolonych Polaków, niż pozwolić na przejęcie miejsc pracy przez

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polskich fachowców, którzy mogli by się poczuć właścicielami sklepów czy warsztatów. Podobne zjawisko występowało także w rolnictwie, gdzie projekt uwłaszczenia nowo osiadłych polskich chłopów został wstrzymany, a upaństwowiona ziemia stała się de facto własnością niczyją. W protokołach rad narodowych poszczególnych miejscowości znajdują się odpowiednie skargi rolników, których pola zadeptywane były przez wczasowiczów, tłumaczących, że pola te nie są własnością prywatną, a „poniemieckie“. Poniemieckie, czyli niczyje – komunistyczna polityka ubezwłasnowolniania ludności właśnie do tego dążyła. O ile początkowo w regionie karkonoskim osiedlało się stosunkowo wielu przedstawicieli sektora usług, o tyle zniechęceni postępowaniem władz i przetrzymywaniem pracowników niemieckich szczególnie w gastronomii i hotelarstwie, niebawem opuszczali znowu te strony. Nie zmienia to faktu, że z taniej niemieckiej siły roboczej korzystały na równi zakłady prywatne i państwowe. W świetle dotychczasowych badań oraz własnej kwerendy źródłowej ambiwalentnie oceniam proces centralizacji organizacji turystyki w Polsce w latach 1947– 1950. Przejęcie infrastruktury oraz udostępnienie tych terenów dla nielicznych jeszcze turystów było bez wątpienia dużą zasługą aktywistów przedwojennych organizacji: PTT i Polskiego Towarzystwa Krajoznawczego (PTK) oraz ich lokalnych mutacji jak Dolnośląskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze. To spontaniczne zjawisko doprowadziło w ogóle do uratowania wielu obiektów i zaskakująco pragmatycznego przejęcia infrastruktury i wzorców kulturowych. Mimo powtarzającej się krytyki pod adresem drobnomieszczańskiego, wręcz prostackiego charakteru zagospodarowania, nie dążono do zastąpienia go innym. Już niebawem zresztą infrastruktura ta była potrzebna tworzącej się w Polsce „turystyce demokratycznej“, opierającej się na kolektywnych wzorcach radzieckich a implicite także faszystowskich. Datę powstania centralnego Funduszu Wczasów Pracowniczych (FWP) pod auspicjami Centralnej Rady Związków Zawodowych podaje się często na rok 1949, przy czym poprzednik działał już od 1945 roku na zasadzie współpracy z podmiotami gospodarczymi, jak Dolnośląska Spółdzielnia Turystyczna w Karkonoszach. Infrastruktura turystyczna Sudetów stanowiła notabene punkt wyjścia dla organizacji wczasów zbiorowych i utrzymała kluczowe znaczenie w tym zakresie do końca PRL-u. Od roku 1947 mamy do czynienia z tendencjami do centralizacji organizacji turystyki i zarządzania obiektami. Z biegiem czasu, niemal wszystkie schroniska górskie przechodzą na własność powstałego w 1950 roku Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego, a pensjonaty i hotele w miejscowościach górskich przekazane zostają podmiotom państwowym, jak Biuro Podróży „Orbis“, FWP czy też poszczególnym zakładom i instytucjom. Równocześnie, coraz otwarciej zwalcza się prywatnych przedsiębiorców w branży turystycznej, aż po sprzedawców pamiątek i właścicieli furmanek czy zakładów fotograficznych. Mimo oczywistych braków w zaopatrzeniu czy też organizacji czasu wolnego, pod koniec lat 40–tych instytucje państwowe faktycznie przejmują na siebie wszystkie aspekty organizacji turystyki

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i usług okołoturystycznych. Jednak nigdy do końca nie udało się zwalczyć inicjatywy prywatnej, o czym świadczy choćby powracający w oficjalnych dokumentach problem niechcianej działalności gospodarczej miejscowych. Mimo to, powstanie FWP i centralizacja ruchu wczasowego oznaczała dla obszaru Karkonoszy kontynuację tradycji turystycznych. Szczególnie takie miejscowości jak Karpacz (z Bierutowicami) i Szklarska Poręba utrzymały swój status ośrodków turystycznych, podczas gdy wiele podgórskich wiosek skazanych było na degradację. Turystyka przedwojenna w dużo większym stopniu miała charakter rozdrobniony, przez co zyskiwała na niej większa liczba mieszkańców regionu. Turystyka Polski Ludowej koncentrowała się na wybranych ośrodkach, podczas gdy byłe pensjonaty i kwatery prywatne w miejscowościach podgórskich przeznaczano na obiekty mieszkalne czy gospodarcze, np. dla spółdzielni rolniczych (później PGR). Tym samym zniknęła zarówno możliwość, jak i zachęta do działalności turystycznej poza wielkimi ośrodkami FWP. Sytuację dodatkowo zaostrzały przepisy o poruszaniu się w strefie granicznej, przez co od 1947 roku większość miejscowości podgórskich była zamknięta dla indywidualnych podróżnych, a wędrówki górskie możliwe były tylko dla zorganizowanych, uprzednio zarejestrowanych grup. Można przypuszczać, iż nieznana przed wojną koncentracja uprawnień przewodnickich w rękach PTT/ PTTK miała właśnie związek z dążeniem do kontrolowania ruchu turystycznego w górach. Ostatnim zagadnieniem, rozpatrywanym w kontekście przełomu lat 1945– 1949, jest zmiana poglądów na charakter Ziem Zachodnich, związana z walką o władzę w obrębie PPR/PZPR. Do roku 1948 posługiwano się do legitymizacji przesunięcia granic retoryką antyniemiecką i argumentami historycznymi („granice piastowskie“). Przy tym propagowano specyficzną tożsamość regionalną, odwołującą się do rzekomo słowiańskiego charakteru tych terenów, co ówcześni krytycy nazywali „metodą szukania grobów“. Jednak z biegiem czasu i zapewne także pod wpływem relacji medialnych o przejmowaniu zwyczajów niemieckich przez powojennych mieszkańców, zaczęto zwalczać odrębności regionalne jako „seperatyzm“. Ta zmiana podejścia odbiła się bezpośrednio na działalności elit intelektualnych regionu karkonoskiego. Pomysł miejscowego środowiska artystycznego propagowania tożsamości „Polaka sudeckiego“ spotkał się z ostrą reakcją centralnych mediów i władz. „Łabędzim śpiewem“ ideologii „Ziem Odzyskanych“ jest wrocławska Wystawa Ziem Odzyskanych z lipca-października 1948 roku. W jej kontekście dochodzi do zintensyfikowania ruchu turystycznego w Karkonoszach i mobilizacji lokalnej administracji wobec zagadnienia zagospodarowania regionu. Zakończenie Wystawy i usunięcie Władysława Gomułki od władzy powoduje odwrót od jakichkolwiek odrębności regionalnych. Pod wpływem wydarzeń międzynarodowych: początek tzw. Zimnej Wojny i rychłe powstanie komunistycznego państwa niemieckiego, dotychczasowa retoryka zostaje zastąpiona argumentacją marksistowską. W podsumowaniu wyżej opisanego rozdziału stwierdzam, że w początkowym okresie panowania polskiego turystyka nie stała się czynnikiem sprzyjającym oswa-

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janiu otoczenia przez nowych mieszkańców. Wprawdzie zastano obszar niezniszczony, a dzięki działalności instytucji administracyjnych i organizacji społecznych doprowadzono do stosunkowo szybkiego zagospodarowania regionu. Jednakże okoliczności polityczne, z wielopłaszczyznową stalinizacją Polski na czele (m. in. w kwestii polityki gospodarczej, faworyzującej ciężki przemysł), doprowadziły do zaprzepaszczenia tych pionierskich dokonań i narzucenia systemu, który ubezwłasnowolnił mieszkańców. Pod względem kulturowym, mimo zrozumiałej początkowej wrogości i odrzucenia obcej specyfiki regionalnej, dochodziło także do specyficznej polsko-niemieckiej symbiozy, przejawiającej się choćby w przejmowaniu przedwojennego nazewnictwa. Proces ten został powstrzymany przez czynniki oficjalne, obawiające się tendencji seperatystycznych. Mimo to, pragmatyczne przejęcie regionu przez polskich osadników skutkowało także w spontanicznym oswojeniu wielu zjawisk kulturowych, jak np. Ducha Gór-Karkonosza. Kolejna część pracy poświęcona jest przemianom zastałej sytuacji od połowy lat 50–tych. Nie podważając przełomowego charakteru samego roku 1956 jako kulminacji pewnego procesu, podkreślam kontekst tzw. odwilży i datuję początek tego zjawiska na rok 1954. Wtedy to dochodzi w środowisku działaczy turystycznych do pierwszej fali krytyki stanu rzeczy. Jednym z ważniejszych punktów w dyskusji staje się z czasem kwestia otwarcia Polski na zagranicznych turystów, co uzasadnia się możliwością uzyskania dewiz. Dyskusja ta nabiera rozmachu właśnie w 1956 roku, kiedy to dają o sobie znać pogarszająca się sytuacja gospodarcza kraju oraz pewna liberalizacja systemu. Wydaje się, że pewną rolę odgrywała w tej debacie nadzieja na polepszenie wizerunku Polski na Zachodzie w celu rozwoju kontaktów politycznych i gospodarczych. Nadzieje te niebawem okażą się przedwczesne, jednakże już na jesieni 1956 roku dochodzi do wizyt pierwszych zagranicznych grup turystycznych. Wbrew oficjalnym założeniom, gros tych turystów to obywatele Republiki Federalnej Niemiec, odwiedzający byłe miejsca zamieszkania w Polsce zachodniej. Zjawisko to nabiera stosunkowo znaczących rozmiarów aż do roku 1960, kiedy to władze PRL decydują się na zamknięcie granic pod pozorem „zagrożenia rewizjonistycznego“ ze strony tak zwanych ziomków. Niemałą rolę odgrywają przy tym liczne relacje w mediach niemieckich na temat upadku byłych ziem wschodnich. Relacje te kształtują w olbrzymiej mierze negatywny, ale poniekąd także realistyczny, obraz Polski w społeczeństwie zachodnioniemieckim, podczas gdy polskie władze starają się zwalczać ten obraz za pomocą kontrpropagandy. Pośrednim skutkiem zwiększonego zainteresowania polskimi Ziemiami Zachodnimi w zagranicznej i rodzimej opinii publicznej jest większy napływ środków inwestycyjnych w te regiony. Powrót „kwestii niemieckiej“ w Polsce drugiej połowy lat 50–tych ma także inny wymiar: w tzw. akcji łączenia rodzin pozwala się na wyjazd około 270 tys. Niemców i tzw. autochtonów, tym samym unaoczniając skalę obecności niemieckiej na Ziemiach Zachodnich. Zarazem wydarzenie to powoduje zwrócenie uwagi władz Niemieckiej Republiki Demokratycznej na mniejszość niemiecką

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i kwestie śladów historii niemieckiej w Polsce. Wyjeżdżający z kraju Niemcy w większości wybierają na nową ojczyznę RFN, co skłania komunistów z Berlina Wschodniego do większego propagowania ich państwa za Odrą. Jak pokazują dokumenty, regionalne środowiska turystyczne, działacze społeczni (szczególnie Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, TRZZ) i uaktywniająca się inteligencja szybko podchwytują retorykę reformistyczną. Powołując się na przeszłość ziemi jeleniogórskiej oraz innych części Sudetów, działacze z terenu Dolnego Śląska starają się przyciągnąć uwagę i środki finansowe z centrali, celem modernizacji i rozbudowy podupadłej infrastruktury. Propagują otwarcie tych rejonów turystycznych na przyjezdnych z zagranicy i mobilizują lokalne społeczeństwo wokół swych celów. Apogeum dyskusja ta osiąga pod koniec lat 50–tych, kiedy ogłasza się program transformacji powiatu pod nazwą „Tezy Jeleniogórskie“ (rok 1958) oraz dochodzi do skutku kilka ważniejszych inwestycji, jak choćby budowa wyciągu na Kopę (1959). „Odkrywanie“ turystyki jako czynnika gospodarczego istotnego dla regionu obejmuje notabene także zwrot ku zbadaniu i spopularyzowaniu jej dziejów. Nieprzypadkowo na okres od końca lat 50–tych do początku lat 70–tych przypadają liczne ważne publikacje w prasie lokalnej, czasopismach specjalistycznych i monografiach na temat historii turystyki w Karkonoszach. Miało to na celu przybliżenie mieszkańcom regionu tego zjawiska jako utrwalonego i zatem części historii tego miejsca, co zarazem miało zwiększyć jego akceptację w czasach obecnych. Mimo oczywistych postępów i nieprzeciętnej mobilizacji społecznej w drugiej połowie lat 50–tych, rozwój turystyki, a zarazem rozwój regionu, miał w systemie PRL swoje granice. Pierwsze ograniczenie związane było z ideologicznym prymatem państwa w życiu gospodarczym. Wprawdzie zachęcano miejscową ludność do wynajmowania kwater przyjezdnym, co związane było z niemożliwością zorganizowania wystarczającej ilości miejsc noclegowych, ale w kwestii usług prywatne przedsiębiorstwa były niemile widziane. Z biegiem czasu pogodzono się jednak z istnieniem „szarej strefy“ w sektorze turystycznym, zwalczając jedynie szczególnie rażące zjawiska. System produkcji i dystrybucji w dalszym ciągu podlegał państwowej kontroli, co prowadziło zresztą do częstych skarg ze strony władz miejscowości turystyczno-wypoczynkowych, które nie były w stanie zapewnić odpowiedniej ilości żywności czy artykułów konsumpcyjnych. Drugie ograniczenie miało charakter ideologiczny – władze narzucały swoją wizję przeszłości, w której nie było miejca na podkreślanie „obcej“ tradycji. Oba zagadnienia znajdują swoje odbicie w kwestii braku pamiątek regionalnych: nie chciano nawiązywać do niemieckiej historii, ale nie udało się też stworzyć własnych wzorców. Za pomocą licznych konkursów starano się je akwirować, jednak zcentralizowany system produkcji i dystrybucji pamiątek stanął na drodze stworzenia regionalnych suwenirów. Lukę tę skutecznie wypełnili lokalni twórcy i przedsiębiorcy, co władze przyjęły do wiadomości.

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Przełom 6–ej i 7–ej dekady XX wieku przynosi kolejne zmiany sytuacji. W Polsce gomułkowskej następuje odwrót od reform gospodarczych i społecznych i tym samym kończą się wszelkie dyskusje na temat racjonalizacji czy komercjalizacji organizacji turystyki. W walce z wyimaginowanymi wrogami wewnętrznymi (Kościół katolicki, rewizjoniści wewnątrz partii, „syjoniści“) i zewnętrznymi („imperialiści“, „rewanżyści“ zachodnioniemieccy) zaostrza się także sytuacja polityczna. Paradoksalnie, ów zwrot ma dla regionu jeleniogórskiego pewien pozytywny skutek. Propaganda „przyjaźni“ między PRL a NRD, czy też Czechosłowacją, powoduje konieczność wzmożenia kontaktów obywateli państw socjalistycznych, chociażby na polu turystycznym. Po 1956 roku następuje pewna liberalizacja przepisów granicznych, a na początku lat 60–tych dalsza intensyfikacja współpracy. Szczególnie Niemcy Wschodnie zdane są na otwarcie granic z innymi państwami Europy Środkowo-Wschodniej, jako że wyjazdy zagraniczne stanowią ważny element polityki socjalnej, a także ze względu na zamknięcie granic z Niemcami Zachodnimi w 1961 roku. W tym kontekście już od 1960 roku przyjeżdżają w region jeleniogórski grupy Niemców, a w 1963 roku następuje otwarcie granic dla tzw. turystów konwencyjnych, spędzających weekend w Karkonoszach. Już w 1961 roku rozszerzono polsko-czechosłowacką umowę o swobodnym poruszaniu się w strefie przygranicznej na części Sudetów. Rozszerzenie współpracy turystycznej z państwami tzw. bloku wschodniego i niektórymi państwami niezaangażowanymi (Austria, Skandynawia) oraz ogólny boom turystyczny w Polsce od końca lat 50–tych prowadzą do gwałtownego wzrostu liczby przyjezdnych w opisywanym regionie. Okazuje się, że teren nie jest przygotowany na tak szybki rozwój turystyki, a władze nie nadążają z inwestycjami. Wiele potrzebnych przedsięwzięć utyka w gąszczu PRL-owskich instytucji, a zdobyte środki nie mogą być często spożytkowane ze względu na brak „możliwości przerobowych“ czy materiałów. Jedynym wyjściem jest improwizacja i rozwijająca się szara strefa, stanowiąca najpóźniej w latach 70–tych konieczne uzupełnienie państwowej oferty w zakresie turystyki. W ciągu niecałych 10 lat, sama liczba turystów z NRD, będących główną grupą przyjezdnych z zagranicy, zwiększa się z kilkuset do kilkudziesięciu tysięcy. Gdy władze PRL po układzie z RFN w 1970 roku otwierają ponownie granice dla turystów zachodnich, region karkonoski zdołał się już w pewien sposób przystosować do warunków nowoczesnej turystyki masowej. Nie mniej istotne było utorowanie drogi dla uwzględnienia wybranych niemieckich aspektów przeszłości Dolnego Śląska przez NRD. Same przyjazdy Niemców wschodnich do Polski zmuszały do zaakceptowania obecności języka niemieckiego w obiegu publicznym, a nierzadko dochodziło także z ich strony do odwiedzania miejsc urodzenia, czy też kwestionowania granic powojennych. Przypadki tego typu były wprawdzie rejestrowane przez poszczególne instytucje, władze lokalne, czy też służby specjalne obu krajów, jednak nakaz realizowania „zadekretowanej przyjaźni“ nie pozwalał na wyciągnięcie dalej idących konsekwencji. Zarazem na-

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wet w obiegu oficjalnym NRD zaczęto podkreślać pewne wątki niemieckiej historii polskich Ziem Zachodnich, co zostało ukazane w tekście na przykładzie postaci Gerharta Hauptmanna, pisarza-noblisty z Jagniątkowa pod Jelenią Górą. Tego typu zabiegi prowadziły także w Polsce do zmiany podejścia i selektywnego uznania wkładu Niemców w dziedzictwo kulturowe Ziem Zachodnich. Na osobnym przykładzie ukazano, że dyskusja na temat spuścizny materialnej w regionie karkonoskim i sposobów oswajania krajobrazu przez polskich mieszkańców nie ograniczała się do zmagań z niemieckimi zjawami. Kwestia budowy nowego schroniska i obserwatorium na szczycie Śnieżki skupiła na sobie uwagę opinii publicznej na wiele lat. Chęć nadania temu miejscu wyjątkowego charakteru, w oderwaniu od argumentów historycznych, stanowiła zapewne o atrakcyjności projektu Witolda Lipińskiego. Słynne „marsjańskie talerze“ oddawały także ducha czasu, czyli fascynację nowoczesnością i astronautyką, pobudzoną chociażby przez dokonania radzieckiej kosmonautyki. Do wybudowania „UFO“ Lipińskiego, zaprojektowanego w 1960 roku, wiodła jeszcze długa droga, kształtowana w niemałym stopniu sporem między „centralą“ a działaczami z regionu. Sam projekt zaczęto jednak propagować już na początku lat 60–tych, a decyzja o wybudowaniu „talerzy“ została przyjęta z entuzjazmem. Cel nadania miejscu nowego, w domyśle: polskiego, nowoczesnego, charakteru z pewnością się powiodła, o czym świadczą powracające po dziś dzień kontrowersje na temat tego obiektu. Ostatni rozdział pracy poświęcony został obrazowi Heimatu w środowisku tzw. wypędzonych w Niemczech Zachodnich. Analiza ta miała na celu sprawdzenie, w jakim stopniu przemiany regionu jeleniogórskiego oddziaływały na „krajobraz pamięci“ ziomków. Podkreślono przy tym medialny charakter obrazu stron ojczystych. Chodzi o to, że wytworzenie w środowisku tzw. wypędzonych takiego obrazu wymagało sięgnięcia po różnego rodzaju media, jak zdjęcia, obrazy, publikacje książkowe, mapy, pocztówki, aż po osobiste wspomnienia, listy czy przedmioty codziennego użytku. Najczęściej nośniki te były gromadzone po rozpoczęciu nowego życia w zachodnich strefach okupacyjnych Niemiec, często jednak obiekty tego typu nabywano od nowa. W sytuacji wysiedlenia mało kto zabierał ze sobą przedmioty związane mentalnie ze stronami ojczystymi, a nieliczne artefakty tego typu otaczane były swoistym kultem. Często też media te reprezentowały estetykę i retorykę minionych czasów, nierzadko okresu nazistowskiego, przez co w środowisku ziomkowskim wytworzył się specyficzny dyskurs pamięciowy, zdominowany przez poczucie niezasłużonej krzywdy, nostalgię oraz domniemaną wyższość nad Polakami. „Krajobraz pamięci“ wyznaczały konkretne miejsca czy też zjawiska kulturowe – rynek jeleniogórski, schroniska w górach, postać Gerharta Hauptmanna i Ducha Gór-Karkonosza – oraz dominująca narracja historyczna. Nawiązując do tropu „krajobrazu kulturowego“ podkreślano przy tym niemieckie osiągnięcia cywilizacyjne, „typowo niemiecki“ charakter krajobrazu i zabudowy oraz kreślono obraz upadku tych ziem za polskiego panowania. Tradycyjne uprzedzenia wobec Słowian

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karmione były dodatkowo przez retorykę tzw. Zimnej Wojny, gdzie „Wschód“ utożsamiano ze zniszczeniem, barbarzyństwem, biedą i zagrożeniem. Przekonanie o upadku cywilizacyjnym byłych ziem wschodnich Niemiec wzmacniane było przez relacje prasowe, szczególnie liczne w latach 1956–1959. Wtedy to niejeden podróżny mógł na własne oczy przekonać się o stanie zagospodarowania tych regionów. Nie mniej jednak, dziennikarze zaczęli dostrzegać rzeczywistość polskich Ziem Zachodnich poza kwestią niemieckiego dziedzictwa i wypędzeń. Od połowy lat 60–tych media zachodnioniemieckie coraz częściej pisały o odbudowie, o życiu polskich mieszkańców i mniej lub bardziej otwarcie kwestionowały prawo do powrotu niemieckich wypędzonych. Reakcją na tego typu doniesienia, związanymi ze zmieniającą się w RFN oceną skutków II wojny światowej, jak i na własne podróże w strony ojczyste, była „wirtualizacja“ Heimatu w opisanym środowisku. Na skutek rzeczywistych przemian w regionach pochodzenia, pisano coraz częściej o własnych wspomnieniach, o dziejach poszczególnych miejscowości, czy też przeżyciach związanych z obcowaniem z przyrodą stron ojczystych. W tym odrealnionym dyskursie wyidealizowany obraz Heimatu zachował swoją ważność, podczas gdy podróże nostalgiczne do starej ojczyzny nabrały charakteru turystycznego. Świadczą o tym zarówno zmieniające się cele wycieczek, jak i przywożone stamtąd przedmioty i uwagi związane z obsługą podróżnych na miejscu. Co ciekawe, badania etnografów sugerują, że niejedna pamiątka związana ze stronami ojczystymi została nabyta podczas tego typu podróży nostalgicznych. Tym samym to powojenni mieszkańcy wpływali w pewnym stopniu na obraz stron ojczystych w środowisku ziomkowskim. Oprócz tego już od lat 70–tych niemałą rolę zaczęły odgrywać bezpośrednie spotkania starych i nowych mieszkańców, nierzadko prowadzące do trwałych kontaktów. Pracę zamyka rozdział poświęcony historii regionu jeleniogórskiego od lat 70– tych po dzień dzisiejszy. Zwracam przy tym uwagę na kwestię tożsamości regionalnej, powiązanej z przemianami politycznymi w Polsce, stosunkami polsko-niemieckimi i sporami na temat dziedzictwa niemieckiego w zachodniej Polsce oraz rolę turystyki w procesie tworzenia się nowej społeczności. W najogólniejszym zarysie podkreślam przy tym rolę turystyki jako katalizatora pewnych zjawisk społecznych, np. tworzenie image’u regionu na potrzeby odbioru zewnętrznego i oddziaływanie tegoż na mieszkańców. Szczególnie ciekawym jest przy tym przełomowy okres 1980/81, wraz z pojawieniem się nowych tematów w dyskusji publicznej oraz stworzeniem „Święta Przewodników“ w Karkonoszach, nawiązującego do historii turystyki tego miejsca. W latach 80–tych można zaobserwować zmianę podejścia niektórych środowisk do kwestii tożsamości regionu. Grupy artystów, osiedlających się na przedgórzu, odrzucają narrację narodową i zwracają się ku mistycznym właściwościom Karkonoszy, odkrywając na nowo postać Ducha Gór-Karkonosza. Ożywienie romantycznych tradycji opisu gór pozwala na uniknięcie sporów na temat przeszłości regionu oraz odejście od czysto utylitarnego podejścia do krajobrazu tego miejsca. Transfor-

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Turystyka a oswajanie krajobrazu w Karkonoszach po 1945 roku

macja ustrojowa i wzmożona komercjalizacja turystyki w tym rejonie onaocznia ponownie konflikt interesów między gospodarczym wykorzystaniem gór a chęcią zachowania ich charakteru. Przypomina to poniekąd spory sprzed wieku, kiedy to w obrębie RGV ścierali się zwolennicy różnych opcji. Dziesięciolecia polskiego osadnictwa na Ziemiach Zachodnich i burzliwe dzieje ich zagospodarowania doprowadziły zarazem do tego, że ucichły spory na temat obcości tych ziem. Obecnie można bez ideowych ograniczeń odwoływać się do ich przeszłości, a w pamięci mieszkańców zapisane są lata powojenne, z własną narracją kulturową. W podsumowaniu stwierdzam, że skoncentrowanie się na problematyce turystycznej w obrębie tematu oswajania przestrzeni po wojnie przyniosło wymierne korzyści. Nie tylko charakter opisanego regionu, ale i złożoność samego zjawiska turystyki wymagały podejścia interdyscyplinarnego do tematu. Pozwoliło to oprócz opisania dziejów politycznych także na analizę kulturowo-lingwistyczną, historyczno-literacką, etnograficzną oraz, co nie mniej istotne, uwzględnienie czynników ekonomicznych. Niewątpliwym wkładem niniejszej pracy w dzieje Dolnego Śląska i Polski w ogóle jest szerokie spojrzenie poza narodowe opłotki. Transnarodowa historia Polski Ludowej nabiera powoli kształtów, a moje badania mogą się przyczynić do dostrzeżenia istoty czynników egzogenicznych w życiu codziennym polskiej prowincji – nawet jeśli jest to nietypowa prowincja. Druga ogólniejsza uwaga dotyczy historiografii PRL, która przesadnie dużą uwagę przywiązuje do cezur i przełomów politycznych, a mniej uważnie bada zjawisko długiego trwania i powolnych przemian w sferze mentalności i struktur. Historyczna antropologia Polski między rokiem 1945 a 1989 pozostaje nadal dezyderatem, a prawda o społeczeństwie tego okresu kryje się nie tylko w aktach policji politycznej i najwyższych czynników władzy. Jak się okazuje, o rzeczywistości PRL-u wiele mówią także dokumenty działaczy turystycznych...

Anhang Abkürzungsverzeichnis CFTiW Centralny Fundusz Turystyki i Wypoczynku (Zentraler Tourismus- und Ferienfonds) CPLiA Centrala Przemysłu Ludowego i Artystycznego (Zentrale der volkstümlichen und künstlerischen Industrie) CRZZ Centralna Rada Związków Zawodowych (Zentralrat der Gewerkschaften) DST Dolnośląska Spółdzielnia Turystyczna (Niederschlesische Touristische Genossenschaft) DTTK Dolnośląskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze (Niederschlesische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde) FWP Fundusz Wczasów Pracowniczych (Fonds für Arbeitererholung) GKKFiT Główny Komitet Kultury Fizycznej i Turystyki (Hauptkomitee für Körperkultur und Touristik) GRN Gminna Rada Narodowa (Gemeindenationalrat) KCZZ Komitet Centralny Związków Zawodowych (Zentralkomitee der Gewerkschaften) KdST Komitet dla Spraw Turystyki (Komitee für Fragen des Tourismus) KOPI Komisja Oceny Projektów Inwestycyjnych (Kommission zur Bewertung von Investitionsprojekten) KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion MfAA Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR MO Milicja Obywatelska (Bürgermiliz) PPR Polska Partia Robotnicza (Polnische Arbeiterpartei) PPRN Prezydium Powiatowej Rady Narodowej (Präsidium des Kreisnationalrates) PPS Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei) PPUT Powiatowe Przedsiębiorstwo Usług Turystycznych „Turystyka“ (Kreisunternehmen für Touristische Dienstleistungen „Turystyka“) PRN Powiatowa Rada Narodowa (Kreisnationalrat) PTK Polskie Towarzystwo Krajoznawcze (Polnische Gesellschaft für Landeskunde) PTT Polskie Towarzystwo Tatrzańskie (Polnische Tatra-Gesellschaft) PTTK Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze (Polnische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde) PZPR Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei)

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Anhang

PZZ Polski Związek Zachodni (Polnischer Westverband) TKRiCh Towarzystwo Klubów Robotniczych i Chłopskich (Gesellschaft der Arbeiter- und Bauernklubs) TPPR Towarzystwo Przyjaźni Polsko-Radzieckiej (Gesellschaft für PolnischSowjetische Freundschaft) WZO Wystawa Ziem Odzyskanych (Ausstellung über die Wiedergewonnenen Gebiete) YMCA Young Men’s Christian Association ZZLP Związek Zawodowy Literatów Polskich (Gewerkschaft der Polnischen Schriftsteller)

Abbildungsnachweise Abb. 1: bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Sign. 40015676. Abb. 2: Archiwum Państwowe we Wrocławiu – Oddział w Jeleniej Górze. Abb. 3: aus: Grieben Reiseführer, Bd. 81: Riesengebirge. Kleine Ausgabe mit Angaben für Autofahrer und Wintersportler mit 6 Karten und 8 Abbildungen, Berlin 35 1941, 20. Abb. 4: aus: Sudetendeutsches Riesengebirge. Hg. v. Landesfremdenvekehrsverband Sudetenland, 1939. Abb. 5: aus: Sykulski, Józef: Piastowski zamek Chojnasty koło Jeleniej Góry, Jelenia Góra 1946. Abb. 6: Privatbesitz Mateusz Hartwich. Abb. 7: aus: Mapa turystyczna Karkonoszy i okolic Jeleniej Góry z uwględnieniem szlaków narciarskich i schronisk, Kraków 1946. Abb. 8: Fot. Mateusz Hartwich, 2008. Abb. 9: Fot. Stefan Arczyński, 1985. Abb. 10: aus: Książnica Karkonoska, Sign. jbc.jelenia-gora.pl:1586 (Fot. Jerzy Wiklendt, 1958). Abb. 11: aus: Książnica Karkonoska, Sign. oai:jbc.jelenia-gora.pl:440. Abb. 12: aus: Roth, Walter: Rübezahl heimatlos [...], Hamburg 1949.

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Anhang

PZZ Polski Związek Zachodni (Polnischer Westverband) TKRiCh Towarzystwo Klubów Robotniczych i Chłopskich (Gesellschaft der Arbeiter- und Bauernklubs) TPPR Towarzystwo Przyjaźni Polsko-Radzieckiej (Gesellschaft für PolnischSowjetische Freundschaft) WZO Wystawa Ziem Odzyskanych (Ausstellung über die Wiedergewonnenen Gebiete) YMCA Young Men’s Christian Association ZZLP Związek Zawodowy Literatów Polskich (Gewerkschaft der Polnischen Schriftsteller)

Abbildungsnachweise Abb. 1: bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Sign. 40015676. Abb. 2: Archiwum Państwowe we Wrocławiu – Oddział w Jeleniej Górze. Abb. 3: aus: Grieben Reiseführer, Bd. 81: Riesengebirge. Kleine Ausgabe mit Angaben für Autofahrer und Wintersportler mit 6 Karten und 8 Abbildungen, Berlin 35 1941, 20. Abb. 4: aus: Sudetendeutsches Riesengebirge. Hg. v. Landesfremdenvekehrsverband Sudetenland, 1939. Abb. 5: aus: Sykulski, Józef: Piastowski zamek Chojnasty koło Jeleniej Góry, Jelenia Góra 1946. Abb. 6: Privatbesitz Mateusz Hartwich. Abb. 7: aus: Mapa turystyczna Karkonoszy i okolic Jeleniej Góry z uwględnieniem szlaków narciarskich i schronisk, Kraków 1946. Abb. 8: Fot. Mateusz Hartwich, 2008. Abb. 9: Fot. Stefan Arczyński, 1985. Abb. 10: aus: Książnica Karkonoska, Sign. jbc.jelenia-gora.pl:1586 (Fot. Jerzy Wiklendt, 1958). Abb. 11: aus: Książnica Karkonoska, Sign. oai:jbc.jelenia-gora.pl:440. Abb. 12: aus: Roth, Walter: Rübezahl heimatlos [...], Hamburg 1949.

Quellen- und Literaturverzeichnis

241

Quellen- und Literaturverzeichnis a.

Archivalische Quellen

1. Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Berlin Ministerium für Staatssicherheit

2. Archiwum Akt Nowych w Warszawie (AAN, Archiv der Neuen Akten in Warschau) Centralny Fundusz Turystyki i Wypoczynku Główny Komitet Kultury Fizycznej i Turystyki Komitet Centralny PZPR Komitet dla Spraw Turystyki Polskie Biuro Podróży „Orbis“ Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Urząd Rady Ministrów

3. Archiwum Państwowe we Wrocławiu (APW, Staatsarchiv Breslau) Komitet Powiatowy PZPR w Jeleniej Górze Komitet Wojewódzki PZPR we Wrocławiu Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich (Zarząd Wojewódzki we Wrocławiu)

4. Archiwum Państwowe we Wrocławiu – Oddział w Jeleniej Górze (APW-JG, Staatsarchiv Breslau – Abteilung Hirschberg) Miejska Rada Narodowa i Zarząd Miejski w Cieplicach Śląskich-Zdroju Powiatowa Rada Narodowa w Jeleniej Górze Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Karpaczu Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Sobieszowie Prezydium Gminnej Rady Narodowej w Szklarskiej Porębie Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Karpaczu Prezydium Powiatowej Rady Narodowej w Jeleniej Górze Starostwo Powiatowe w Jeleniej Górze

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Anhang

Zbiór akt Gerharta Hauptmanna z Jagniątkowa Zbiór Józefa Pałki

5. Bundesarchiv und Bundesarchiv – Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR in Berlin (BA, BA-SAPMO) Deutscher Turn- und Sportbund Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Liga für Völkerfreundschaft Reisebüro der DDR Zentralrat der Freien Deutschen Jugend

6. Historisches Archiv für Tourismus in Berlin

7. Instytut Pamięci Narodowej w Warszawie (IPN Warszawa, Institut für Nationales Gedenken in Warschau)

8. Instytut Pamięci Narodowej we Wrocławiu (IPN Wrocław, Institut für Nationales Gedenken in Breslau)

9. Karkonoski Park Narodowy (Nationalpark Riesengebirge)

10. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin (PAAA) Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR 11. Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, Warszawa (PTTK, Polnische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde, Warschau)

12. Zakład Narodowy im. Ossolińskich we Wrocławiu (ZNiO, Nationales Ossoliński-Institut in Breslau) Zbiór Józefa Sykulskiego

Quellen- und Literaturverzeichnis

243

b. Gedruckte Quellen Adamko, J.: Jak pogodzić interesy Parku Narodowego i turystyki? In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 30 vom 18. Juli 1963, 7. Aurich, Peter: Jenseits des Stromes. Die deutschen Ostgebiete im westdeutschen Rundfunkprogramm (1956–1960), Leer (Ostfriesland) 21961. Bach, Erle: In ihrem Atem schläft die Zeit. Eine Suche nach Quellen, Wurzeln und Herkunft, Husum 1995. Baedeker, Karl: Schlesien. Riesengebirge, Grafschaft Glatz. Handbuch für Reisende, Leipzig 1923. Bajer, Wacław: Wspomnienia z pierwszych miesięcy pobytu na Ziemi Jeleniogórskiej w roku 1945 (Czarne). In: Rocznik Jeleniogórski 39 (2007) 163–166. Becher, Johannes R.: Versunkene Glocke. In: Tägliche Rundschau, Nr. 128 vom 11. Oktober 1945, 1–2. Bialikiewicz, Stanisław u. a.: O niektórych aspektach turystyki w regionie jeleniogórskim. In: Rocznik Jeleniogórski 4 (1966) 43–59. Birke, Ernst: Das Riesengebirge und Isergebirge in 144 Bildern, Leer (Ostfriesland) 1958. Blank, Ulrich (Bearb.): Wo heute fremde Wegweiser stehen. Die deutschen Ostgebiete im Spiegel der westdeutschen Presse (1959–1962), Leer (Ostfriesland) 1962 (Schriften zur deutschen Frage 8). Budar, Ben: Jenseits von Oder und Neiße. Reisebilder aus den polnischen Westund Nordgebieten, Bautzen 1962. Ćwikowski, Franciszek: Nekrolog Wojciecha Tabaki. In: Rocznik Jeleniogórski 13 (1975) 89–91. Dauster, Georg: Achtzig Jahre Verkehrsentwicklung. In: Höhne, Alfred (Hg.): Hirschberg im Riesengebirge – ein Heimatbuch, Groß Denkte/Wolfenbüttel 1953, 133–142. Drewieńska, Elżbieta: Ziemia Jeleniogórska, Katowice 1967. Grosfeld, Leon/Kula, Witold/Leśnodorski, Bogusław (Hg.): Konferencja śląska Instytutu Historii. Przemówienia, Referaty, Dyskusje, Wrocław 1954. Grund, Bernhard: Das kulturelle Leben der Deutschen in Niederschlesien unter polnischer Verwaltung 1947–1958, Bonn/Berlin 1967 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland). Hirschberg, Erwin (Hg.): Unser Schlesien heute. Eine Reise in die Heimat. Aufzeichn[ungen] über e[ine] Reise durch alle schlesischen Kreise im Jahre 1954. Ein aktuelles Städte- u[nd] Landschaftsbild, unter Verwendung von Briefen, Informationen u[nd] Gesprächen in u[nd] ausserhalb Schlesiens, Aachen 1955. Höhne, Alfred: Der Riesengebirgsverein. In: ders. (Hg.): Hirschberg im Riesengebirge – ein Heimatbuch, Groß Denkte/Wolfenbüttel 1953, 250–255. Igielski, Władysław: Na szlakach przyjaźni. Przewodnik po rejonie objętym konwencją turystyczną polsko-czechosłowacką w Sudetach, Wrocław 1962.

244

Anhang

Jarkiewicz, Zenon: Pionierskie lata w Jeleniej Górze. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 51–80. Jarmoluk, Borys: Stawiamy na wypas, mleko, masło i sery. In: Rocznik Jeleniogórski 7 (1969) 65–69. Jarmoluk, Borys: Kto ruszy pamiątkarstwo? In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 48 vom 1. Dezember 1960, 5. Jeżewski, T.: O wczasowej stonce słów kilka. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 22 vom 4. Juni 1959, 4. Jonek, Henryk: Z dziejów o doświadczeń „Nowin Jeleniogórskich“ (notatki b. sekretarza redakcji). In: Rocznik Jeleniogórski 3 (1965) 50–64. K.: Pamiątki czekają w ukryciu – tymczasem włada przemożna szmira. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 45 vom 7. Dezember 1961, 3. K., H.: Erinnerung an die Schlingelbaude. In: Meine liebe Heimat Du. Jahrbuch für die Stadt- und Landkreise des Riesen- und Isergebirges 1959, 26. Kincel, Ryszard: Sarmaci na Śnieżce, Wrocław u. a. 1973. Kincel, Ryszard/Tyblewski, Tyburcjusz (Hg.): Początki przewodnictwa turystycznego w Karkonoszach, Jelenia Góra 1972. Krygowski, Władysław: Zarys dziejów polskiej turystyki górskiej, Warszawa 1973. Krzeptowski, Leszek: Początki turystyki. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 45–50. Kulczycki, Zbigniew: 100 lat społecznej turystyki w Polsce. Szkice z dziejów PTTK i jego poprzedników, Warszawa 1973. Kwaśny, Zbigniew/Inglot, Stefan (Hg.): Teksty źródłowe do historii Jeleniej Góry, Wrocław u. a. 1964. Lenartowicz, Stanisław: Z wędrówki po Sudetach. In: Ziemia 30/5 (1946) 16–19, 30/6 (1946) 10–14. Leski, Wojciech: Moje pionierskie lata. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 33–40. Leszczycki, Stanisław: Sprawozdanie ze zjazdu geografów polskich 1946 we Wrocławiu. In: Przegląd Geograficzny 20 (1946) 169–174. Man.: Młodzi Niemcy z NRD w schronisku „Bronka Czecha“. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 4 vom 28. Januar 1960, 1. Matzke, W.: Koppenreise fern der Heimat. In: Schlesische Bergwacht, Nr. 25 vom 5. September 1960, 466. Mellerowa, Emilia u. a.: Mit Mikrofon und Kamera durch die polnischen Westgebiete, Warszawa 1959. Michniewicz, Zbisław: O najstarszym wizerunku Rzepióra z r. 1561. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 100–118. Michniewicz, Zbisław: Szkic dziejów turystyki śląskiej w Karkonoszach. In: Rocznik Wrocławski 3/4 (1959/60) 372–392. (mj): Jedziemy do Jagniątkowa. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 40 vom 3. Oktober 1963, 7.

Quellen- und Literaturverzeichnis

245

(mj): Po kilku latach rozstrzygnięto wreszcie spór – A jednak będą talerze! In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 11 vom 14. März 1963, 1. (mj): W setną rocznicę urodzin Gerharta Hauptmanna. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 38 vom 20. September 1962, 2. Müller, Josef: Rundgang durch Hohenelbe. In: Riesengebirgsheimat. Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe 32/9 (1978) 3–4. Müller-Hattorf, F.: Pfingsten in der Heimat! In: Riesengebirgsheimat. Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe 18/10 (1964) 304–305. [N. N.]: Kres epoki „góralszczyzny“. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 29 vom 22. Juli 1959, 3. [N. N.]: O właściwy poziom wytwórczości pamiątkarskiej. In: Nowiny Jeleniogórskie, Nr. 6 vom 8. Mai 1958, 2. [N. N.]: „Pohl“itisches. In: National-Zeitung vom 15. Juni 1950. [N. N.]: Życie organizacyjne PTK. In: Ziemia 30/6 (1946) 18. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 60 (1940) 77–80. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 57 (1937) 169–172. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 53 (1933) 96–99. [N. N.]: Vom Gebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 48 (1928) 184–185. Nasarski, Peter (Bearb.): Nachbarn im Osten. Wandlungen und Erkenntnisse in zwei Nachkriegsjahrzehnten, Leer(Ostfriesland) 1965. Nase, D.: Die Schaffung von Naturschutzgebieten im Riesen- und Isergebirge. In: Wanderer im Riesengebirge 48 (1928) 179–183. Olszewski, Jan: Od Wiesensteinu do Warszawianki. In: Nowe Sygnały. Tygodnik społeczno-kulturalny, Nr. 21 vom 26. Mai 1957, 5, 7. Orłowicz, Mieczysław: Moje wspomnienia turystyczne, Wrocław u. a. 1970. Orłowicz, Mieczysław: 640 km pieszo przez Sudety. In: Wierchy 17 (1947) 39–56. Orłowicz, Mieczysław: Sudety. In: Ziemia 30/1–2 (1946) 9–12. Orłowicz, Mieczysław: Zwiedzajmy Ziemie Odzyskane! In: Ziemia 30/1–2 (1946) 5–9. Orłowicz, Mieczysław/Małachowski, B[ohdan]: Polskie Sudety. In: Wierchy 21 (1952) 22–46. Pohl, Gerhart: „Bin ich noch in meinem Haus?“ Die letzten Tage Gerhart Hauptmanns, Herne 62006 [11953]. Pohl, Gerhart: A Report on the German Dramatist’s Last Days in his Occupied Homeland. Gerhart Hauptmann and Silesia, Grand Forks 1962. Roth, Walter: Rübezahl heimatlos, von Dr. Walter Roth, früher Rechtsanwalt u[nd] Notar in Hirschberg/Riesengebirge, vom 9.5.1945 bis 30.6.1946 Aeltester der Bezirksobleute der Stadt Hirschberg unter russischer Besatzung und polnischer Verwaltung, Hamburg 1949. Rzęsista, Tadeusz: W Ratuszu zastaliśmy... czterech ojców miasta. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 5–10.

246

Anhang

Saulson, Rozalia: Warmbrunn i okolice jego... Przewodnik po Cieplicach Śląskich Zdroju i Karkonoszach z 1850 r. z oryginalnym tekstem Rozalii Saulson, Jelenia Góra 22008 [12000]. Silesius alter [Pohl, Gerhart]: Jenseits von Oder und Neiße. Eine Bilanz von 6 Jahren, Bonn 1952 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland). Sobański, Marian: Karkonosze. Popularny przewodnik turystyczny i wczasowy, Warszawa 1947. St., K.: Ein Weg durch das Heimatdorf. In: Schlesische Bergwacht, Nr. 34 vom 5. Dezember 1960, 628. Steć, Tadeusz: Zamek Chojnik, Warszawa 1952. Steć, Tadeusz/Walczak, Wojciech: Karkonosze. Monografia krajoznawcza, Warszawa 21962 [11956]. Storm, Ruth: Ich schrieb es auf. Das letzte Schreiberhauer Jahr, Würzburg 1961. Storm, Ruth: Das vorletzte Gericht, Würzburg 1953. Sykulski, Józef: Niezapomniane lata. In: Rocznik Jeleniogórski 23 (1985) Sonderbeilage „Wspomnienia pionierów“, 23–32. Sykulski, Józef: Ilustrowany przewodnik turystyczno-uzdrowiskowy po Dolnym Śląsku, Informator cz. IV: Jelenia Góra, Bierutowice, Cieplice, Karpacz, grupa Kowary, Świeradów, Szklarska Poręba, Wrocław 1947. Sykulski, Józef: Jelenia Góra – Perła Gór Olbrzymich, Jelenia Góra 1946. Szewczyk, Wilhelm: Dramaturgia niemiecka. Szkice literackie, Warszawa 1954. Taubitz, Monika: Schlesien – Tagebuch einer Reise, Heidenheim [1972]. Tyblewski, Tyburcjusz (Bearb.): Ziemia Jeleniogórska. Informator turystyczny, Jelenia Góra 1972. Wagner, Kazimierz: Niektóre sprawy turystyki jeleniogórskiej. In: Rocznik Wrocławski 3/4 (1959/60) 393–408. Wagner, Kazimierz/Jonek, Henryk: Jeleniogórskie Towarzystwo Klubów Robotniczych i Chłopskich. In: Rocznik Jeleniogórski 2 (1964) 17–38. Wąsowicz, J[ózef ]: O nowych nazwach polskich. In: Ziemia 30 (1946) 7–9. Wassermann, Charles: Unter polnischer Verwaltung. Tagebuch 1957, Hamburg 4 1960 [11957]. Wüsten, Johannes: Der Strom fließt nicht bergauf, Rudolstadt 1963. c.

Unveröffentlichte Manuskripte

Cordes, Marcus: Das Erfinden von Landschaft. Erinnern und Gedächtnis im Bilden von Orten [unveröffentl. Diss., 2009]. Dickinson, Edward: Germanizing the Alps and Alpinizing the Germans: Race and Altitude, 1875–1935 [unveröffentl. Referat auf der Jahrestagung der German Studies Association, 2006].

Quellen- und Literaturverzeichnis

247

Frieberg, Annika: The project of reconciliation. Journalists and religious activists in Polish-German relations, 1956–1972 [unveröffentl. Diss., 2008]. Geise, Piotr: Relacje z podróży na wschód od Odry – przegląd literatury okresu przedprzewodnikowego [unveröffentl. Diss., 2009]. Häberlen, Joachim C.: Trust and Politics. The Working-Class Movement in Leipzig and Lyon at the Moment of Crisis, 1929–1933/38 [unveröffentl. Diss., 2011]. Keller, Tait S.: Mountains for the Masses: Alpine Tourism and National Rebirth, 1919–1929 [unveröffentl. Referat auf der Jahrestagung der German Studies Association, 2006]. Peleikis, Anja: Deutsche „Heimwehtouristen“ in Litauen und die Inszenierung der Vergangenheit [unveröffentl. Referat beim Workshop „Soziale und kulturelle Praktiken im Tourismus“, Potsdam 25. Januar 2007]. Service, Hugo: Forced Migration and Identity in Silesia, 1945–1949 [unveröffentl. Referat auf der Tagung „Migration and Movement in European History“, Florenz 28.-30. April 2009]. Spode, Hasso: Tourism Research and Tourism Theory in the German Speaking Countries of Central Europe [unveröffentl. Aufsatz, 2009]. Spode, Hasso: Zur Geschichte der historischen Tourismusforschung [unveröffentl. Referat beim Workshop „Soziale und kulturelle Praktiken im Tourismus“, Potsdam 25. Januar 2007]. Szczepaniak, Stefan: Turystyka zagraniczna przyjazdowa w rejonie jeleniogórskim w latach 1970–1974 i wynikające stąd zadanie w kontrwywiadowczym zabezpieczeniu terenu [unveröffentl. Diplomarbeit, 1976]. Szczepański, Edmund: Wpływ turystyki na życie gospodarcze w powiecie jeleniogórskim od połowy XIX wieku [unveröffentl. Diss., 1982]. d. Gesprächspartner Joachim Kopbauer, 8. März 2007 (Telefonat) Horst Herr, 6. Juli 2007 Monika Taubitz, 27. Juli 2007 (Telefonat) Janusz Michalewski, 11. August 2007 Ivo Łaborewicz, 11. September 2007 Janina Korpal, 15. September 2007 und 13. Juli 2008 Rudolf Friemelt, 17. September 2007 Andrzej Paczos, 20. September 2007 Aniela Magdeczko, Tadeusz Czarczyński, Helena Irzycka, Regina Kryło, 15. Februar 2008 Roland Schimpf, Friedemann Benad, 20. April 2008 Ingeborg Gräfin von Pfeil, 10. Juli 2008

248

Anhang

Wacław Bajer, 11. Juli 2008 Stanisław Andrzej Jawor, 14. Juli 2008 Stefan Arczyński, 16. August 2008 Zygmunt Kowalczuk, 21. August 2008 Andrzej Schubert, 21. August 2008 Christian Neumann, 12. September 2008 Rolf Rohmer, 29. Oktober 2008 (Telefonat) Christian Müller, 4. Dezember 2008 (Telefonat) Winfried Bien, 20. Januar 2009 (Telefonat) Lotte Nowak, 12. Februar 2009 e. Darstellungen Anderson, Sheldon: A Cold War in the Soviet Bloc. Polish-East German Relations 1945–1962, Boulder/Oxford 2001. Applegate, Celia: A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Berkeley u. a. 1990. Arndt, Agnes: Intellektuelle in der Opposition. Diskurse zur Zivilgesellschaft in der Volksrepublik Polen, Frankfurt a. M. u. a. 2007 (Campus-Forschung 919). Ashworth, Gregory J./Larkham, Peter J. (Hg.): Building a New Heritage. Tourism, Culture and Identity in the New Europe, London/New York 1994. Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992. Bahlcke, Joachim (Hg.): Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa, Berlin/Münster 2008 (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 4). Bahlcke, Joachim (Hg.): Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft, Köln/Weimar/Wien 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 11). Bahlcke, Joachim/Mrozowicz, Wojciech (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 2: Repertorium. Forschungsperspektiven – Quellenkunde – Bibliographie, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 37). Bahlcke, Joachim/Schmilewski, Ulrich/Wünsch, Thomas (Hg.): Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne, Würzburg 2010. Bankowiak, Aleksy/Wagner, Kazimierz: Rekonstrukcja rynku staromiejskiego w Jeleniej Górze. In: Rocznik Jeleniogórski 1 (1963) 60–73.

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Wasiak, Kazimierz: Wpływ otwartej granicy pomiędzy Polską a NRD na przebieg procesów internacjonalizacyjnych, Szczecin 1985 (Rozprawy i studia. Wyższa Szkoła Pedagogiczna w Szczecinie 63). Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten – Polens Westen. Vergleichende Studien zur geschichtlichen Landeskunde, Frankfurt a. M. u. a. 2001 (Mitteleuropa – Osteuropa 2). Weber, Matthias: Über die Notwendigkeit einer Standortbestimmung der historischen Schlesienforschung in Deutschland. Zur Konzeption dieses Buches. In: ders./Rabe, Carsten (Hg.): Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. Geburtstag, Würzburg 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens 4), 13–26. Weber, Matthias/Rabe, Carsten (Hg.): Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. Geburtstag, Würzburg 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens 4). Weber, Pierre-Frédéric: RFN-NRD-PRL (1950–1972). Normalizacja polsko-niemiecka jako „ménage à trois“. In: Przegląd Zachodni 65 (2009) 147–161. Weber, Pierre-Frédéric: Le triangle RFA-RDA-Pologne (1961–1975). Guerre froide et normalisation des rapports germano-polonais, Paris 2007. Wettengel, Michael: Staat und Naturschutz 1906–1945. Zur Geschichte der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen und der Reichsstelle für Naturschutz. In: Historische Zeitschrift 144 (1993) 355–399. Wiater, Przemysław: Walonowie u Ducha Gór. Podziemne skarby Karkonoszy i Gór Izerskich, Jelenia Góra 2010. Wiater, Przemysław: Kolonia artystyczna w Szklarskiej Porębie. In: Mazur, Zbigniew (Hg.): Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowego na Ziemiach Zachodnich i Północnych, Poznań 1997 (Ziemie zachodnie 18), 127–148. Wichmann, Hans: Georg Wichmann 1876–1944. Der Maler des Riesengebirges und sein Kreis, Würzburg 1996. Wierzbicki, Marek: Związek Młodzieży Polskiej i jego członkowie. Studium z dziejów funkcjonowania stalinowskiej organizacji młodzieżowej, Warszawa 2006. Wikorejczyk, Marek Kazimierz: U stóp Śnieżki. Wybrane opowiadania krajoznawcze, Wrocław 1998. Williams, William H. A.: Tourism, Landscape, and the Irish Character. British Travel Writers in Pre-Famine Ireland, Madison 2008. Wiśniewski, Wojciech W.: Maciej Bogusz Zygmunt Stęczyński (1814–1890). Pierwszy miłośnik Tatr, Beskidów i Sudetów. Życie i twórczość, Kraków 2006. Witczak, Antoni: Muzeum i jego zbiory pierwszym etapem poznania historii turystyki w Karkonoszach. In: Studia i materiały, Bd. 4: Sympozjum Popularnonaukowe „Turystyka i krajoznawstwo w muzealnictwie“ (Karpacz, 23.X.1985 r.). Hg. v. Muzeum Sportu i Turystyki, Warszawa 1986, 21–24.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Anhang

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Personenregister

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Personenregister Adams, John Quincy 23 Arczyński, Stefan 76f., 144 Becher, Johannes R. 139f., 143 Behl, Carl Friedrich Wilhelm 139 Bełza, Stanisław 48, 81 Bernatt, Stanisław 183 Bernhard, Hz. von Löwenberg 16 Biały, Lucyna 33 Bierut, Bolesław 85, 103 Birke, Ernst 193f., 196 Bismarck, Klaus von 200 Bismarck, Otto von 66 Blochwitz, Mathias J. 140 Boleslaw I. der Tapfere (Chrobry), Kg. von Polen 73 Boleslaw III. Schiefmund (Krzywousty), Hz. von Polen 16, 39, 46, 73 Bringmann, Henry 137 Bułhak, Jan 76 Cencora, Arkadiusz 75 Chruschtschow, Nikita 119 Ciereszko, Dominik 148 Conwentz, Hugo 28 Cyrankiewicz, Józef 121 Dąbrowa, Mieczysław 102 Daroszewski, Zbigniew 150 Dolęga Kozierowski, Stanisław 83 Donat, Theodor (Teodor) 35, 37 Dreßler, Walther 33 Drewieńska, Elżbieta 146, 184 Drobniak, Zdzisław 173 Eckert, Gerhard 204 Eichendorff, Joseph von 137 Enzensberger, Hans-Magnus 2 Firszt, Stanisław 145, 164 Friedrich, Caspar David 23, 225 Friedrich II., Kg. von Preußen 66 Friedrich Wilhelm III., Kg. von Preußen 21 Fuchs, Jürgen 172 Galiński, Tadeusz 71 Gierek, Edward 206, 209

Goethe, Johann Wolfgang von 23 Gomułka,Władysław 103, 111, 133, 150, 155f., 206, 220, 232 Grundmann, Günther 194 Hanke, Karl 33 Hartung, Hugo 33 Hauptmann, Carl 32 Hauptmann, Gerhart 32, 80, 137–144, 165, 192, 194, 236 Hegen, Joseph 137f. Heinrich II. der Fromme, Hz. von Schlesien 75 Heinrich von Preußen 37, 74 Helwig, Martin 17, 31 Hendrich, Hermann 32, 68 Herder, Johann Gottfried 28 Hieroszewski, Zdzisław 69 Hitler, Adolf 66, 135, 170 Hlond, August 85 Hofman,Wlastimil 70, 77 Hofmann, Andreas R. 53 Höhne, Alfred 36, 193 Höhne, Kläre 193 Hryciuk, Grzegorz 49 Hubáček, Karel 180 Iwanek, Marian 35, 165 Jackowski, Franz von 77 Janota, Eugeniusz 212 Kania, Piotr 61 Kasprowicz, Jan 142 Kaszycki, Stanisław 109 Kincel, Ryszard 20, 72, 164f., 208, 212 Klose, Karl Franz 76, 194 Knippel, Ernst Wilhelm 19, 23 Knips-Hasse, Werner 76 Koerner, Christian Gottlieb 19 Kohl, Helmut 209 Kolbuszewski, Jacek 70f., 164, 215, 228 Korn, Gottlieb Wilhelm 47 Korpal, Jan 77 Kozikowski, Edward 69, 108 Krakowski, Józef 121 Kuczyński, Stefan 70

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Anhang

Kulczycki, Zbigniew 118, 146 Kulik, Zbigniew 50, 71, 164 Kunigunde (Sagenfigur) 65f., 228 Kurtyka, Tadeusz → Worcell, Henryk Łaborewicz, Ivo 164, 208 Lange, Borys 182 Lech, Jerzy 160 Lenartowicz, Stanisław 62f. Lenin (eig. Uljanow, Wladimir Iljitsch) 120 Leszczycki, Stanisław 78 Lipiński, Witold 180, 184-186, 236 Lipski, Jan Józef 209 Lorentz, Stanisław 85 Łyżwiński, Michał → Rola-Żymierski, Michał Mann, Thomas 139 Margas, Czesław 50, 178, 208 Marosz, Zofia 54 Masaryk, Tomáš Garrigue 30 Matejko, Jan 85 Mattis, Carl Theodor 23, 47 Michniewicz, Zbisław (Zdzisław) 164f., 212 Mickiewicz, Adam 120 Milik, Karol 85 Minc, Hilary 103 Miśko, Wojciech 74 Morgenstern, Carl 74 Musäus, Johann Karl August 23, 31 Muszkiewicz, Marian 104 Neumann, Werner 178 Nowak, Lotte (Lotta) 21 Ociepka, Beata 128 Orłowicz, Mieczysław 25-28, 59, 63, 76, 85f., 92, 95, 116, 217, 226, 228 Osóbka-Morawski, Edward 103 Pabel, Franz 21 Peuckert, Will-Erich 30, 188, 194 Piaskowski, Stanisław 60 Piasten, Fam. 46, 55, 73 Piechucki, Bolesław 157 Pohl, Fam. 20f., 181 Pohl, Gerhart 131, 139-141, 143, 194, 196 Pohl, Kläre 194 Pokój, Jerzy 212 Pol, Wincenty 32, 47

Poser, Hans 7 Praetorius, Johannes 31 Ratzel, Friedrich 28 Reinhardt, Carl Christoph 23 Renner, Otto 54 Richter, Adrian Ludwig 31 Riehl, Wilhelm Heinrich 28 Rohmer, Rolf 142 Rola-Żymierski, Michał (auch Żymierski, Michał, eig. Łyżwiński, Michał) 61 Rolski, Aleksander 153, 158 Romer, Eugeniusz 78 Rospond, Stanisław 67, 81, 84, 86, 88, 228 Roth, Walter 190f. Różewicz, Tadeusz 215 Różycki, Ludomir 144 Rudorff, Ernst 28 Saulson, Rozalia 47, 212, 225 Schaffgotsch, Franz Gf. von 164 Schaffgotsch, von, Fam. 20, 35, 73, 225 Schwenckfeld (Schwenkfeld), Caspar (Kaspar) 17 Schwenkfeld, Caspar (Kaspar) → Schwenckfeld, Caspar (Kaspar) Schwind, Moritz von 31, 68 Skowron, Wanda 72 Skowroński, Janusz 139, 141, 144 Sobański, Marian 72f. Sobieska, Maria, Kgn. von Polen 18, 73 Sosnowski, Czesław 183f. Sowiński, Paweł 99, 156, 208 Sroga, Teresa 69 Sroka, Piotr 116, 118 Stalin, Josef 56, 115, 119, 187 Stando, Robert 140 Staszewski, Kazimierz 60 Steć, Tadeusz 17, 68, 79, 144, 164f., 184, 208 Stęczyński, Zygmunt Bogusz 47, 82 Stehle, Hansjakob 200 Stehr, Hermann 194 Stoga, Stanisław 122 Storm, Ruth 189 Strzeszewska-Bieńkowska, Danuta 70 Światło, Józef 119 Sykulski, Józef 48, 50, 64-68, 71, 81, 84, 159, 228

Personenregister Szczepański, Edmund 164, 208 Szewczyk, Wilhelm 143 Szyndralewicz, Artur 107 Szyperski, Alfons 88 Tabaka, Wojciech 50, 58, 61, 68f., 89, 91, 93f., 104, 150, 230 Taczak, Stanisław, jun. 60 Taubitz, Monika 201f. Thum, Gregor 115 Tittel, Friedrich August 23 Tomczyk, Roman 68 Tyblewski, Tyburcjusz 72, 164, 212 Uljanow, Wladimir Iljitsch → Lenin Valtingojer, Maria 76f. Voigt, Felix A. 139 Wagner, Kazimierz 146, 153 Walczak, Wojciech 80, 164f. Wander, Wilhelm 137

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Waniek, Henryk 32, 76 Wassermann, Charles 130f., 142 Wenzel, Heinz 136f. Wiater, Przemysław 164 Wichmann, Georg 23 Wichmann, Hans 23 Wikorejczyk, Marek Kazimierz 37 Wilhelm II., dt. Ks. 75 Willimczik, Kurt 147 Wojciechowski, Zygmunt 55 Worcell, Henryk (eig. Kurtyka, Tadeusz) 189 Woźniak, Michał 81 Wrzosek, Antoni 78 Wüsten, Johannes 33 Wyspiański, Stanisław 87 Załuski, Franciszek 60, 79 Zaremba, Piotr 69 Żelasko, Stefania 31 Żymierski, Michał → Rola-Żymierski, Michał

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Anhang

Ortsregister Im Ortsregister sind Bauden, Berggipfel, Burgen und Pässe ebenfalls berücksichtigt worden, da ihnen für das Thema des vorliegenden Bandes hohe Bedeutung zukommt. Agnetendorf (poln. Jagniątków, ztw. Agnieszków) 100, 117, 138, 141–144, 148 Agnetendorfer Schneegrube (poln. Czarny Kocioł Jagniątkowski) 42 Agnieszków → Agnetendorf Altvater (tsch. Praděd) 30 Arnsdorf (poln. Miłków, ztw. Hlondów) 85 Baberhäuser (poln. Borowice) 43, 81, 117 Bad Flinsberg (poln. Świeradów-Zdrój) 43, 72 Bad Salzbrunn (poln. Szczawno-Zdrój) 142 Bad Schwarzbach (poln. Czerniawa-Zdrój) 72 Bad Warmbrunn (poln. Cieplice ŚląskieZdrój) 16f., 23, 32, 47f., 52, 64, 72f., 93, 103, 148, 160, 163, 166, 211, 225 Barcinek → Berthelsdorf Berlin 23f., 127, 129, 131f., 137f., 140, 143, 226, 234 Berthelsdorf (poln. Barcinek) 85 Bierutowice → Brückenberg Bogatynia → Reichenau in Sachsen Borowice → Baberhäuser Breslau (poln. Wrocław) 5, 7, 18, 23f., 47f., 51f., 61, 65, 68, 76, 78, 93, 108–110, 117, 140, 144, 147, 153, 155, 157, 161f., 164, 171, 176, 184, 189, 194, 208, 211, 215, 226 Brückenberg (poln. Bierutowice, ab 1993 Karpacz Górny) 72f., 85, 100–102 Brussel → Brüssel Brüssel (fr. Bruxelles, ndl. Brussel) 123, 180 Bruxelles → Brüssel Buchwald (poln. Bukowiec) 85 Bukowiec → Buchwald Chojnasty → Kynast Chojnik → Kynast Cieplice Śląskie-Zdrój → Bad Warmbrunn Ciszyca → Ruhberg Czarna Kopa → Schwarze Koppe

Czarny Kocioł Jagniątkowski → Agnetendorfer Schneegrube Czerniawa-Zdrój → Bad Schwarzbach Dom Śląski → Schlesierhaus Dreisteine (poln. Pielgrzymy) 36 Druskienniki (lit. Druskininkai) 48 Druskininkai → Druskienniki Elbfallbaude (tsch. Labská bouda) 21 Friedrichsroda 134 Garmisch-Partenkirchen 42 Giewont 160 Glatz (poln. Kłodzko) 78, 122, 167 Glatzer Schneeberg (poln. Śnieżnik Kłodzki) 30, 208 Glogau (poln. Głogów) 156 Głogów → Glogau Görlitz (poln. Zgorzelec) 10, 78, 156, 172, 176, 197, 213 Greiffenberg (poln. Gryfów Śląski) 196 Groß Purden (poln. Purda Wielka) 4 Große Schneegrube (poln. Wielki Śnieżny Kocioł) 42, 80, 89 Großer Heuscheuer (poln. Szczeliniec Wielki) 21 Grüssau (poln. Krzeszów) 16, 20 Gryfów Śląski → Greiffenberg Hain (poln. Przesieka, ztw. Matejkowice) 60, 69f., 72, 85, 108, 117 Hampelbaude (poln. Strzecha Akademicka) 20, 60, 80, 87, 180 Harrachov → Harrachsdorf Harrachsdorf (tsch. Harrachov) 95 Hermsdorf (poln. Sobieszów) 72, 84, 103, 117, 138 Hirschberg (poln. Jelenia Góra) 11, 16–18, 23f., 35f., 39f., 42, 46, 48-50, 57–60, 65f., 68, 70, 72f., 78, 80, 82, 91f., 95,

Ortsregister 100f., 103f., 106, 108, 111, 117, 126, 135, 144, 148, 150f., 162f., 168, 190f., 194, 196, 208, 210–213, 215, 219, 226, 228, 236 Hlondów → Arnsdorf Hochstein (poln. Wysoki Kamień) 106 Hohenelbe (tsch. Vrchlabí) 24, 35, 202 Jagniątków → Agnetendorf Jalta 56 Jannowitz (poln. Janowice Wielkie) 50 Janowice Wielkie → Jannowitz Janské Lázně → Johannisbad Jelenia Góra → Hirschberg Johannisbad (tsch. Janské Lázně) 24 Jugendkammhaus Rübezahl (poln. Schronisko „Odrodzenie“) 87, 169 Kaławsk → Kohlfurt Kamienna Góra → Landeshut Karpacz → Krummhübel Karpacz Górny → Brückenberg Katowice → Kattowitz Kattowitz (poln. Katowice) 67, 209 Kleine Schneegrube (poln. Mały Śnieżny Kocioł) 42, 80, 89 Kleine Teichbaude (poln. Samotnia) 80, 87 Kłodzko → Glatz Kocioł Łomniczki → Melzergrund Kohlfurt (poln. Węgliniec, ztw. Kaławsk) 52 Koppenplan (poln. Równia pod Śnieżką) 38, 43, 72, 75, 80, 87, 156, 180f., 185 Kowary → Schmiedeberg Krakau (poln. Kraków) 25, 60, 79f., 98 Kraków → Krakau Krummhübel (poln. Karpacz) 19, 42, 52–54, 72, 84–86, 91, 96, 100f., 104–106, 116f., 120, 147, 153, 156f., 175f., 178, 184, 186, 208, 211, 213, 219, 232 Krynica 47, 55 Krzeszów → Grüssau Kynast (poln. Chojnik, auch Chojnasty) 16–18, 60, 65f., 84, 187, 225, 228 Labská bouda → Elbfallbaude Landeshut (poln. Kamienna Góra) 18, 76, 86, 89 Legnica → Liegnitz Leipzig 18, 23, 142

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Lemberg (ukr. Ľviv) 25, 59, 226 Liebauer Tor (poln. Przełęcz Lubawska) 11 Liegnitz (poln. Legnica, ztw. Lignica) 78, 156 Lignica → Liegnitz London 35, 180 Lüben (poln. Lubin) 156 Lubin → Lüben Ľviv → Lemberg Mały Śnieżny Kocioł → Kleine Schneegrube Matejkowice → Hain Mauer (poln. Pilchowice) 72 Melzergrund (poln. Kocioł Łomniczki) 42 Miłków → Arnsdorf Mysłakowice → Zillerthal-Erdmannsdorf Neu Sandez (poln. Nowy Sącz) 152 Neue Schlesische Baude (poln. Schronisko Na Hali Szrenickiej) 60, 87, 116, 124 Neuweltpass (poln. Przełęcz Szklarska) 11 Nowy Sącz → Neu Sandez Obří bouda → Riesenbaude Opava → Troppau Ost-Berlin → Berlin Pec pod Sněžkou → Petzer Petersdorf (poln. Piechowice) 22, 103 Petzer (tsch. Pec pod Sněžkou) 42 Piechowice → Petersdorf Pielgrzymy → Dreisteine Pilchowice → Mauer Pomellen 172 Poronin 120 Posen (poln. Poznań) 55, 83, 110 Potsdam 51, 56 Poznań → Posen Praděd → Altvater Prag (tsch. Praha) 23f., 35, 226 Praha → Prag Prinz Heinrich-Baude (poln. Schronisko im. Księcia Henryka) 37, 73f., 80 Przełęcz Karkonoska → Spindlerpass Przełęcz Lubawska → Liebauer Tor Przełęcz Szklarska → Neuweltpass Przesieka → Hain Purda Wielka → Groß Purden

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Anhang

Reichenau in Sachsen (poln. Bogatynia) 156 Reifträger (poln. Szrenica) 87, 116, 124, 157 Reifträgerbaude (poln. Schronisko Na Szrenicy) 38, 60, 87, 124 Riesenbaude (tsch. Obří bouda) 38, 80, 181 Rohrlach (poln. Trzcińsko) 117 Rosenberg (tsch. Růžová hora) 182 Równia pod Śnieżką → Koppenplan Ruhberg (poln. Ciszyca) 73 Růžová hora → Rosenberg Saalberg (poln. Zachełmie, ztw. Szczęsnowo) 73, 144 Samotnia → Kleine Teichbaude Samuelsbaude → Hampelbaude Schildau (poln. Wojanów) 117 Schlesierhaus (poln. Dom Śląski, auch Schronisko Pod Śnieżką, Schronisko im. Stanisława Wyspiańskiego) 38, 60, 75, 80, 87f., 180f., 212 Schlingelbaude (poln. Schronisko im. Bronka Czecha) 19, 80, 87, 100, 169, 199, 211 Schmiedeberg (poln. Kowary) 72, 76, 91 Schneegrubenbaude (poln. Schronisko Nad Śnieżnymi Kotłami) 21, 87, 116, 124 Schneekoppe (poln. Śnieżka) 13, 17, 19–21, 24, 26, 32, 36f., 42f., 47f., 55, 60, 70, 72, 74, 78, 80, 82, 88, 93f., 96, 106, 116, 120, 124, 157, 160, 169, 173, 180– 183, 185f., 196, 204, 212f., 221, 225, 236 Schneekoppenbaude 120, 124, 180, 207, 223 Schreiberhau (poln. Szklarska Poręba) 11, 17, 22, 32, 42f., 53, 61, 68, 70, 72, 77, 82, 85, 89, 94–96, 103f., 106, 116, 120, 147, 156, 164, 167f., 173, 176, 213, 219, 232 Schronisko im. Bronka Czecha → Schlingelbaude Schronisko im. Księcia Henryka → Prinz Heinrich-Baude Schronisko im. Stanisława Wyspiańskiego → Schlesierhaus Schronisko Na Hali Szrenickiej → Neue Schlesische Baude Schronisko Na Szrenicy → Reifträgerbaude Schronisko Nad Śnieżnymi Kotłami → Schneegrubenbaude

Schronisko „Odrodzenie“ → Jugendkammhaus Rübezahl Schronisko „Orlinek“ → Teichmannbaude Schronisko Pod Śnieżką → Schlesierhaus Schwarze Koppe (poln. Czarna Kopa) 86 Seidorf (poln. Sosnówka) 72, 117 Śnieżka → Schneekoppe Śnieżnik Kłodzki → Glatzer Schneeberg Sobieszów → Hermsdorf Sosnówka → Seidorf Spindelmühle → Spindlermühle Spindlermühle (auch Spindelmühle, tsch. Špindlerův Mlýn) 43 Spindlerpass (poln. Przełęcz Karkonoska) 43, 87, 124 Špindlerův Mlýn → Spindlermühle Staniszów → Stonsdorf Stonsdorf (poln. Staniszów) 19, 199 Strickerhäuser (poln. Tkacze) 95 Striegau (poln. Strzegom) 16 Strzecha Akademicka → Hampelbaude Strzegom → Striegau Świeradów-Zdrój → Bad Flinsberg Szczawno-Zdrój → Bad Salzbrunn Szczeliniec Wielki → Großer Heuscheuer Szczęsnowo → Saalberg Szklarska Poręba → Schreiberhau Szrenica → Reifträger Teichmannbaude (poln. Schronisko „Orlinek“) 153 Tkacze → Strickerhäuser Troppau (tsch. Opava) 43 Truskavec’ → Truskawiec Truskawiec (ukrain. Truskavec’) 47 Trzcińsko → Rohrlach Türchau (poln. Turów) 156 Turów → Türchau Vrchlabí → Hohenelbe Warschau (poln. Warszawa) 54, 60, 72f., 76, 85, 109, 124, 131, 135f., 170f., 183– 185, 194, 212, 228 Warszawa → Warschau Wartburg 134 Węgliniec → Kohlfurt Weißwasser 78 West-Berlin → Berlin

Ortsregister Wielki Śnieżny Kocioł → Große Schneegrube Wojanów → Schildau Wrocław → Breslau Wysoki Kamień → Hochstein

285

Zachełmie → Saalberg Zakopane 47, 87, 119f., 134, 156, 208 Zgorzelec → Görlitz Zillerthal-Erdmannsdorf (poln. Mysłakowice) 22, 37, 54, 84

Jacek Friedrich

Neue Stadt iN altem GewaNd der wieder auFbau daNziGS 1945–1960 auS dem PolNiScheN voN heidemarie PeterSeN ( viSuelle GeSchichtSkultur, baNd 4)

Das historische Zentrum von Danzig erscheint vielen heutigen Besuchern als eine originalgetreue Nachbildung der im Zweiten Weltkrieg untergegangenen Stadt. Tatsächlich verbirgt sich aber hinter den rekonstruierten Fassaden eine neue urbane Struktur, die den Leitbildern des modernen Wohnungsbaus entspricht und auch in den bauplastischen Details viele Abweichungen zu den alten Häusern aufweist. Jacek Friedrich belegt in seinem Buch, dass Danzig nicht nur demographisch, sondern auch visuell polonisiert wurde. Entstanden ist eine neue Stadt in altem Gewand. 2010. VIII, 276 S. 105 S/w-Abb. Auf 48 TAf. Gb. 170 x 240 mm. ISbN 978-3-412-20312-2

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AndreAs K Appeler (Hg.)

die UKr Aine prozesse der nAtionsbildUng

Seit zwanzig Jahren ist die Ukraine ein unabhängiger Staat. In diesem Band geben führende HistorikerInnen, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen aus mehreren Ländern einen Überblick über zahlreiche Aspekte der ukrainischen Geschichte und Gegenwart, der weit über das Thema der Nationsbildung hinausgeht. Behandelt werden einzelne Faktoren wie Sprache, Religion und Territorium, Frauen, Bauern und Stadt, das Verhältnis zu Russland, Polen und Juden und zeitliche Brennpunkte wie die beiden Weltkriege und die Nationsbildung seit 1991. Der Band hat den Charakter eines Handbuches, das Studierenden, Lehrern, Journalisten und einem breiteren Publikum grundlegende Informationen über das zweitgrößte europäische Land und seine Geschichte vermittelt. 2011. XIV, 453 S. MIt 7 S/w-Abb. IM teXt und 4 fArb. Abb. Auf tAf. Gb. 170 X 240 MM. ISbn 978-3-412-20659-8

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Stephanie Zloch

polniScher nationaliSmuS politik und GeSellSchaft ZwiSchen den beiden weltkrieGen (induStrielle welt, band 78)

Im Zentrum der Studie stehen die Auseinandersetzungen um das Selbst­ verständnis Polens nach der staatlichen Unabhängigkeit von 1918. Die Dis­ kurse um Nation und deren Praktiken werden u.a. am polnisch­sowjetischen Krieg sowie den politischen Festtagen erläutert und mit den wichtigsten Rah­ menbedingungen der Zwischenkriegszeit verknüpft: mit der Neugestaltung politischer Partizipationsmöglichkeiten, dem gesellschaftlichen Wandel, der Multiethnizität und der internationalen Lage Polens. Dabei konkurrierten die unterschiedlichen Deutungsangebote in Politik und Gesellschaft derart heftig miteinander, dass das Ideal einer nationalen Einheit zusehends unerreichbar erschien. 2010. 631 S. Gb. 155 x 230 mm. ISbN 978-3-412-20543-0

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ANDREAS WEIGL

BEVÖLKERUNGSGESCHICHTE EUROPAS VON DEN ANFÄNGEN BIS IN DIE GEGENWART UTB 3756 S

Diese Einführung in die europäische Bevölkerungsgeschichte zeichnet die großen Linien der demografischen Ent wicklung des Kontinents im globalen Kontext nach. Der besprochene Zeitraum reicht vom Auseinanderbrechen des „Imperium Romanum“ im späten 5. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Besonderheiten der europäischen Bevölkerungsgeschichte werden am Beispiel der großen Pestepidemien, der hochmittelalterlichen Siedlungsexpansion, des in Teilen Europas ab der frühen Neuzeit verbreiteten hohen Heiratsalters und des im späten 19. Jahrhunderts einsetzenden „Demografischen Übergangs“ beleuchtet und Zusammenhänge zur europäischen Migrationsgeschichte hergestellt. So wird ein Verständnis für die bis in die Gegenwart reichende demografische Eigenart Europas vermittelt. 2012. 210 S. MIT 4 GRAFIKEN, 10 TAB. UND 1 ABB. BR. 120 X 185 MM. ISBN 978-3-8252-3756-1

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bd. 2 | uLf brunnbauer,

Die erfinDung Von nationen

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das schlesische rieseNgebirge

deutsche und polnische natio-

die polonisierung einer

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