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German Pages 130 [132] Year 1959
D A S P R O B L E M D E R S P R A C H E IN T H E O L O G I E U N D K I R C H E
DAS P R O B L E M
DER
IN T H E O L O G I E
SPRACHE
UND
KIRCHE
R E F E R A T E VOM DEUTSCHEN
EVANGELISCHEN
THEOLOGENTAG
27.—31. MAI 1958 IN
BERLIN
HERAUSGEGEBEN VON
WILHELM
SCHNEEMELCHER
VERLAG ALFRED TÖPELMANN • BERLIN W35 1959
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung Ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mlkrokopie) zu vervielfältigen.
Archiv-Nr. 67/59 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin WS5 — Druck: Buchdruckerei Paul Funk Berlin W 35
Zum Geleit Zum vierten Mal nach dem Kriege vereinigten sich vom 27. bis zum 31. Mai 1958 in Berlin-Spandau über 150 theologische Lehrer der deutschen Evangelisch-Theologischen Fakultäten und der Kirchlichen Hochschulen zum Theologentag. In gewisser Weise lenkte der Theologentag 1958 zurück zu der Tradition der Theologentage vor 1933: Er stand wie diese —jedenfalls in den Hauptreferaten —unter einem Gesamtthema. Diese Form der Arbeit des Theologentages war von mehreren Seiten gewünscht worden, und der Fakultätentag, der satzungsgemäß den Theologentag vorzubereiten hat, konnte und wollte sich dieser Anregung nicht verschließen und hat den Versuch gewagt, ein solches Generalthema zu wählen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß das gewählte Thema, „Das Problem der Sprache", eine erhebliche Aktualität besitzt, daß es weiter alle theologischen Disziplinen berührt und über sie hinausweist. Durch die große — und, wie es sich herausstellte, doch wohl zu große — Zahl der Hauptvorträge sollte der Komplexität des Themas Rechnung getragen werden. Dazu kam dann noch der Wunsch, daß die kirchengeschichtliche und die praktisch-theologische Disziplin stärker als auf den vorigen Theologentagen in den Haupt Vorträgen vertreten sein sollten. Daß ein Philosoph zum Thema sprach, schien notwendig und hat sich als segensreich erwiesen. So ist das Programm zustande gekommen und durchgeführt worden. Auch wenn die Diskussion durch die Zahl der Hauptvorträge zu kurz kam, so war das Echo doch sehr lebhaft. Die Wahl eines Gesamtthemas hat sich bewährt. Ob die Ausführung des Planes gelungen ist, mag der geneigte Leser dieses Bandes nun selbst entscheiden. Ohne seinem Urteil vorgreifen zu wollen, darf man wohl sagen, daß das Problem der Sprache den Teilnehmern des Theologentages 1958 als eines der Probleme nahegebracht worden ist, die der Theologe bei seiner Arbeit zu bedenken hat. In Anbetracht des Umfanges der Hauptvorträgeund der Konzentration auf ein Thema erschien es angebracht, den alten Brauch der Publikation in einem Band wieder aufzunehmen. Die Sektionsvorträge konnten in diesen Band nicht aufgenommen werden. Sie sollen als Bericht in der Theologischen Literaturzeitung erscheinen. Der Theologentag hat sich nach und nach als eine wichtige Einrichtung durchgesetzt und wir möchten ihn nicht mehr missen. Es geht uns dabei erstens um die wissenschaftliche Arbeit, den Austausch von Ergebnissen, um Hinweise auf neue Gesichtspunkte und um das wissenschaftliche Gespräch von all denen, die je an ihrem Ort Theologie als Wissenschaft betreiben. Zum andern geht es uns um die Einheit der theologischen Wissen-
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Zum Geleit
schaft, um die Zusammengehörigkeit aller theologischen Richtungen und Disziplinen, um die Gemeinschaft der Theologen über die Schul- und anderen Grenzen hinweg. Schließlich liegt die Bedeutung dieser Zusammenkünfte darin, daß wir hier die Möglichkeit haben, mit unseren jungen Kollegen — mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs, wie man heute gern sagt — zusammenzusein und sie kennenzulernen. Dadurch, daß wir die jüngeren Mitglieder unserer Fakultäten und Hochschulen mit in das Gespräch auf dem Theologentag hineinnehmen, sind wir um die Kontinuität der theologischen Arbeit bemüht. All denen, die am Gelingen des Theologentages mitgewirkt haben, sei der herzlichste Dank ausgesprochen. Vor allem muß hier mein Amtsvorgänger Wilhelm Maurer, Erlangen, genannt werden, der den Theologentag weitgehend vorbereitet hat. Den Herren Referenten sei noch einmal für ihre Mühe gedankt. Auch der Herren Kollegen, die die Diskussion geleitet haben, soll hier mit Dank gedacht werden. Die Drucklegung des Bandes, die der Verlag Walter de Gruyter freundlicherweise übernommen hat, besorgte ich mit Hilfe meines Assistenten Dr. Schäferdiek, der auch auf dem Theologentag mit anderen jüngeren Helfern um den reibungslosen äußeren Ablauf bemüht war. So möge dann der Band hinausgehen als Zeugnis einer ernsthaften Arbeitstagung und möge über die Tage hinaus wirken in der ganzen theologischen Arbeit, die ja immer ein Sprechen von der Sprache Gottes in seinem Wort sein will und soll. Wilhelm Schneemelcher Präsident des Fakultätentages der Evangelisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland
Inhaltsverzeichnis Seite
Walther Zimmerli: Die Weisung des Alten Testamentes zum Geschäft der Sprache . .
1
Ernst Fuchs: Die Sprache im Neuen Testament
21
Karl Löwith: Die Sprache als Vermittler von Mensch und Welt
36
Wilhelm Schneemelcher: Das Problem der Sprache in der Alten Kirche
55
Ernst Kahler: Der Niederschlag kirchengeschichtlicher Bewegungen in der deutschen Sprache
68
Dedo Müller Die Sprache als Problem der Praktischen Theologie
85
Hans-Rudolf Müller-Schwefe: Sprache und Liturgie
112
Walther Zimmerli
Die Weisung des Alten Testamentes zum Geschäft der Sprache Dem Nachdenken über den alttestamentlichen Beitrag zum Problem der Sprache sei eine geschichtliche Feststellung vorangestellt. Die von außen her in Kanaan eindringenden Stämme, die sich in der Folge unter dem Namen Israel um ein sakrales Zentrum der Jahweverehrung zusammenfanden, haben sich in gewissen Dingen des Lebens eigentümlich entschlossen von der vorgefundenen Bevölkerung Kanaans unterschieden. „So tut man nicht in Israel", lautet die ohne Zweifel alte Formel der Selbstunterscheidung Israels von Kanaan 1 . Zu dieser Sphäre der religiös verankerten Selbstunterscheidung von Kanaan hat im älteren Israel, soweit wir sehen können, an keiner Stelle die Sprache Israels gehört. Ein der erwähnten Formel analoges „So spricht man nicht in Israel" ist im Alten Testament nicht zu finden. Vielmehr kann eine späte Stelle im Buche Jesaja (19, 18) als Merkmal der Israelzugehörigkeit von fünf Diasporagemeinden in Ägypten neben ihrem Eidschwur bei Jahwe Zebaoth geradezu die von ihnen gesprochene „Sprache Kanaans" aufführen. Israel ist, wie auch die Sprachforschung bestätigt, ohne irgendwelche Symptome eines Sprachenkonfliktes in die Sprache der Kanaanäer hineingewachsen 2 . Zum Konfessionsproblem wird die Sprachenfrage erst in den Ausgängen der alttestamentlichen Zeit, wohl angesichts der anhebenden Kanonisierung der gottesdienstlich verlesenen hebräischen „Schrift". Der Statthalter Nehemia, der die lässigen Väter, welche dulden, daß ihre Kinder das Asdoditische, Ammonitische und Moabitische ihrer Mütter sprechen und das „Jüdische" 3 nicht mehr verstehen, beschilt, verflucht, schlägt und bei den Haaren rauft (13, 23—25) und diesen Zorn in der Sprachenfrage bezeichnenderweise von den antikanaanäischen deuteronomischen Ehegesetzen 4 her begründet, ist der erste greifbare Vertreter 1
2. Sam. 13, 12, vgl. auch Gen. 34, 7. Sind Bauer-Leander mit ihrer These vom Hebräischen als einer Mischsprache im Recht, so ist in den Aramaismen des älteren Hebräischen (n?K neben ilTn neben HX1 usw.) das von den Einwanderern, die noch in späterer Zeit in einer alten Liturgie ihren Ahnen als einen 13K "'STX bezeichnen (Dt. 26, 5), in die Sprache eingebrachte, in der Folge aber ganz dem Kanaanäischen eingeschmolzene Erbgut der einwandernden Stämme zu sehen, vgl. H. Bauer-P. Leander, Historische Grammatik der Hebräischen Sprache des Alten Testamentes, 1. Band, 1922 § 2. 3 rvrirr: noch 2. Reg. 18, 26; Jes. 36, 11. 4 Vgl. Dt. 7, 3, dazu den Hinweis von Neh. 13, 26 auf 1. Reg. 11, l f f . (dtr.). 2
1 Schneemelcher, Problem der Sprache
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W a l t h e r Zimmerli
einer grundsätzlich neuen Sicht der Beziehung von Sprache und Glaube 5 . Die nachträgliche hebräische Anpassung des Eingangs ( 1 , 1 — 2 , 4 a ) des älteren aramäischen Danielbuches (Dan. 1—7) und die wohl genuin hebräische Abfassung der aus der makkabäischen Konfessionszeit stammenden Ergänzungskapitel 8—12® sind ein weiterer Hinweis auf das Schwinden der Unbefangenheit in der Spätzeit. Im Mischnatraktat Sota 7 , 1 — 5 wird dann genau geregelt werden, was im Gottesdienst in „jedweder S p r a c h e " 7 und was nur in der „heiligen Sprache" (tfipn p®1?) gesprochen werden darf. Zur Heilsnotwendigkeit wird die hebräische Sprache da, wo die Tradition nach R . Meir dem die zukünftige Welt verheißt, welcher der „heiligen S p r a c h e " mächtig ist 8 . Der Begriff der „heiligen S p r a c h e " ist in der Folge auch in die christliche Kirche übernommen worden und hat hier bis in die Zeit des jüngeren Buxtorf als Fessel freier Sprachforschung im Hebräischen nachgewirkt 9 . Das Alte Testament weiß nichts von einem Ehj? yi©1?, wie es denn nicht einmal den Begriff des JWV gebildet hat, auch nicht bei dem in fremdsprachiger Umgebung lebenden Exilspropheten Ezechiel, der sonst durch seine überlegten Neuprägungen mit dem Namen Israel auffällt 1 0 . Israel weiß sich in seinem Sprechen dem allgemeinmenschlichen Sprachschicksal verbunden. So finden sich denn die spärlichen Ansätze zu einem bewußteren Nachdenken über das Phänomen „ S p r a c h e " im Alten Testament nicht im Zusammenhang der Abrahamgeschichte, welche Israels Sonderart begründet, sondern in der Menschheitsschicksal berichtenden Urgeschichte. Schon Herder hat in seiner Preisarbeit „über den Ursprung der Sprac h e " 1 1 zum Erweis seiner These, daß „der Mensch sich selbst Sprache erfand", auch auf Gen. 2 , 1 9 gewiesen, wo berichtet wird: „Und J a h w e Elohim bildete aus Erde alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zum Menschen um zu sehen, wie er sie nennen würde; und ganz so, wie der Mensch sie nennen würde . . . so sollten sie heißen (Nin 10®)." Nun geht es zwar keinesfalls an, hier einen Bericht über die E n t s Auch Jes. 19, 18 mit seinem Wertlegen auf die „Sprache Kanaans" muß hier nochmals genannt werden. • Vgl. dazu etwa Baumgartner, RGG8 II 29, auch Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 1956 2 , 651 f. 7 JW1? VD? nach Mishnayoth III (P. Blackman), 1953, 360. — Bietenhard (Gießener Mischna III 8, 1956,108f.) bevorzugt die Lesung DlwVa „in ihrer (der Hörer) Sprache". 8 Nach L. Gulkowitsch, Zur Grundlegung einer begriffsgeschichtlichen Methode in der Sprachwissenschaft (Acta et commentationes universitatis Tartuensis B 41, 1938) 72 Anm. 2. • W. Baumgartner, Was wir heute von der hebräischen Sprache und ihrer Geschichte wissen (Anthropos 35/36, 1940/41, 593—616) 593. 1 0 Vetus Testamentum 8, 1958, 75—90. 1 1 Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache, herg. von T. Matthias (Neudrucke pädagogischer Schriften 16, 1901) 61.
Die Weisung des Alten Testamentes zum Geschäft der Sprache
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stehung der menschlichen Sprache zu finden. Nicht die Ätiologie der menschlichen Sprache, die ganz unbefangen vorausgesetzt wird, soll hier gegeben werden, sondern die Ätiologie der Tiernamen in ihrer Verschiedenheit vom Namen der Frau, der dann gleich im Folgenden fällt: „Diese ist nun endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Diese soll 'Männin' (n#N) genannt werden, denn vom Manne (B,K) ist sie genommen" (2, 23). Wohl aber weiß diese Erzählung des Jahwisten etwas von dem geheimnisvollen Erstereignis der Namengebung und der besonderen, gottgeschenkten Ermächtigung des sprechenden Menschen in diesem Bereich. Daß Namengebung, diese qualifizierte Weise erstmaliger Sprach-Anrede eines Dinges, die im Alten Testament in Unterscheidung von dem einfachen Sprechen, Reden (131, als (An-, Zu-, Be-)Rufen (N1p) bezeichnet wird, etwas vom Gewicht der Vollendung des Schöpfungsvorganges an sich hat, läßt der priesterliche Bericht von Gen. 1 an Gottes eigenem Sprach-Tun sichtbar werden. Dreimal ist hier bei der Erschaffung der kosmischen Ordnungen von Zeit und Raum zu erkennen, daß ein Ding erst durch seine „Be-Rufung" im Namen seine volle Existenz erhält. „Gott rief das (bereits durch seinen Befehl in Erscheinung getretene) Licht Tag und die Finsternis rief er Nacht" (1, 5). „Gott rief die Feste Himmel" (1, 8). „Gott rief das Trockene Erde und die Sammlung der Wasser rief er Meer" (1,10). An diesem Recht des Be-Rufens der Kreatur wird nun nach Gen. 2 auch der Mensch in seiner Sprache beteiligt. Was die Priesterschrift in Gen. 1, 26. 28 stärker begrifflich als Herrenrecht des Menschen über die niedrigere Kreatur bezeichnet und von der Gottebenbildlichkeit des Menschen her begründet, ist hier anschaulich im Vorgang der Namengebung konkretisiert. Namengeben ist Teilnahme an einem göttlichen Geschäft — sollte dabei die auffallende Komplementarität zu Gen. 1, wonach dort Gott selber die hohen Ordnungen des Kosmos be-ruft, die Kreatur auf Erden unten dagegen hier vom Menschen benannt wird, lediglich Zufall sein? Wie dem auch sei, deutlich ist auf jeden Fall in Gen. 2 die Erkenntnis ausgesprochen, daß der Mensch im Sprachvorgang des Namengebens ein Stück verliehener Herrschaft ausübt 12 . In der göttlichen Namensverleihung am Tag der Thronbesteigung des neuen Königs, die von Ägypten her auch ins Jerusalemer Königsritual Eingang gefunden haben dürfte 13 , im souveränen Akt der Umbenennung eines vom Großkönig eingesetzten Vasallen durch seinen Oberherrn, wie ihn Jojakim und Zedekia nach 2. Reg. 23, 34; 24,17 erfahren mußten, ist dieses Königsmäßige der Namengebung auch in Jerusalem politisch aktualisiert worden. Es lebt aber auch etwas davon im Vorgang der Benennung eines 12 Auch die Tatsache, daß der Mann die Frau be-ruft, will von daher verstanden sein, vgl. dazu 3,16. 18 A. Alt, Jes. 8, 23—9, 6, Befreiungsnacht und Krönungstag (Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel 11,1953, 206—225) 218f.; G. von Rad, Das judäische Königsritual, Theol. Literaturzeitung 72, 1947, 211—216.
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Walther Zimmerli
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Kindes durch Vater oder Mutter 14 oder der Benennung bisher namenloser Orte, die durch menschliche Sprache erst im Namen ihre volle Existenz bekommen 16 . Gen. 2 macht auch den alttestamentlichen Glauben an die Wahrheit des Namens sichtbar, der tief geschieden ist von Fausts „Name ist Schall und Rauch". In der Benennung der Frau zeigt sich, daß der Mensch in der Nennung nicht nur ein unverbindliches Spiel anstellt, das er morgen mit anderen Worten neu spielen könnte. Im Namen der Frau ergreift der Mann die Wahrheit der Frau und beugt sich ihr — wie denn zuvor schon Jahwe selber sich in einer wunderlichen Demut der Wahrheit gebeugt hatte, die der Mensch in den Namen der Tiere aussprach, und so lange bei seinem Schöpfungswerke geblieben war, bis das Wesen geschaffen war, das der Mensch in seiner Namengebung als das zu ihm passende Wesen (an)erkannte. So redet der Sprachrealismus des Alten Testamentes über den Sprachbereich des Be-Rufens im Namen. Neben dem Phänomen der Sprache steht das Phänomen der Sprachen — nur in der Vielgestalt tritt Sprache ja geschichtlich in Erscheinung. Auch davon redet die Urgeschichte. Der priesterschriftliche Anteil der Völkertafel Gen. 10 schließt sich ganz unmittelbar an das göttliche Segenswort über die noachitische Menschheit in Gen. 9 an. Wenn nun hier dem von Japhet stammenden Völkerstrom die Unterschrift beigefügt wird: „Das sind die Nachkommen Japhets in ihren Ländern, jeder nach seiner Sprache, — nach ihren Geschlechtern und ihren Völkern" (10, 5c.T.) und ähnliches bei Ham und Sem folgt, so ist gar nicht zu überhören, daß hier auch die Vielheit der Sprachen staunend als Auswirkung jenes göttlichen Segenswortes verstanden wird. In Humboldts Verständnis der Vielheit der Sprachen als Vielfalt der Erzeugung menschlicher Geisteskraft 16 möchte man den säkularisierten Widerhall dieser biblischen Aussage finden. Vielerlei Sprache, viel Segen, sagt die Priesterschrift. Hart daneben steht das „Vielerlei Sprache, viel Fluch" der jahwistischen Turmbaugeschichte (Gen. 11, 1—9). Humboldt empfindet nichts Beunruhigendes in seiner Feststellung: „Durch denselben Akt, vermöge dessen er (der Mensch) die Sprache aus sich herausspinnt, spinnt er sich in dieselbe ein und jede zieht um das Volk, welchem sie angehört, einen Kreis, aus dem es nur insofern herauszugehen möglich ist, als man zugleich in den Kreis des anderen hinübertritt" 1 7 . Angesichts der „Einheit der menschlichen Natur" 1 8 wird ja nach Humboldt der Mensch, der sich zur anderen Sprache hinüberbegibt, dort nur wieder seinem Eigenen begegnen. „Was mich in ihr beschränkt und bestimmt, ist in sie aus mensch11
Gen. 21, 3; 25, 25f.; 29, 32ff. u. ö. Gen. 16, 14; 19, 22; 21, 31 u. ö. 16 W. von Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechtes ( = Einleitung zum Kawiwerk, Gesammelte Schriften VII 1, 1907) 13—15. 17 1. c. 60. 18 1. c. 63. 16
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licher, mit mir innerlich zusammenhängender Natur gekommen, und das Fremde in ihr ist daher dies nur für meine augenblickliche individuelle, nicht meine ursprüngliche, wahre Natur" 1 9 . Der Jahwist weiß nichts von dieser Möglichkeit des Ausweichens aus der augenblicklichen individuellen, d. h. der existentiellen Situation in eine ursprüngliche wahre Natur. So behält die Härte der geschichtlichen Situation, in welcher sich ein Mensch durch seine Sprache vom anderen getrennt findet, den ganzen Schrecken einer Fluchsituation. Nicht von ungefähr begegnet diese Situation dann wieder in der prophetischen Drohung mit dem Einbrechen des unheimlichen Fremdvolkes, „dessen Sprache du nicht kennst und dessen Wort du nicht verstehst" (Jer. 5, 15), durch das Jahwe selber „mit stammelnder Lippe und fremder Zunge" (Jes. 28,11) im Gerichte reden wird. Die fremde Sprache ist hier Ort der zürnenden Anrede Gottes in seinem Gericht. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel kann diese Gefangenschaft des Menschen in je seiner Sprache nur als ein urzeitliches Gottesgericht über menschliche Hybris verstehen — es ist eine tiefsinnige Weisheit, daß die Verkündigung dieser isolierenden, das gemeinsame große Werk des Menschen verhindernden Sprachverschlossenheit des Menschen gerade aus dem Namen der durch ihre politische Macht scheinbar völkerverbindenden Metropole Babel herausgehört wird. Neben der Urgeschichte ist es im Alten Testament vor allem die Weisheit, welche den Menschen abgesehen von seiner Zugehörigkeit zum Volke Israel in seinen allgemeinmenschlichen Zügen ins Auge faßt. In der Weisheit hat auch die Sprache besondere Pflege erfahren. „Künstler im Wort" zu werden, obwohl nichts schwieriger ist als das Reden, ist schon der ägyptischen Weisheit, die besonders im Kreis der Schreiber und Beamten gepflegt worden ist, ein erstrebenswertes Ideal 20 . So fehlt denn auch in Israel unter den Merkmalen, die einen David für den Hofdienst qualifizieren, das 13T (sprechkundig) nicht (1. Sam. 16, 18). In der alttestamentlichen Weisheit ist an vielen Stellen die bewußte Pflege der Sprache in Verwendung von Alliteration, Reim, Parallelismus verschiedener Art, Bildrede u. a. zu erkennen 21 . Es ist nun nicht von ungefähr, daß gerade hier neben dem zuversichtlichen Sich-Tummeln im Privilegbereich der Sprache auch wieder etwas 19
1. c. 64. Lehre des Ptahhotep: „Ein Künstler ist es, der im Rate redet und schwieriger ist das Reden als jede andere Arbeit" (Erman, Die Literatur der Ägypter, 1923, 94). Lehre des Merikare: „Sei ein Künstler im Reden, damit du stark seiest, denn die Kraft eines (Menschen) ist die Zunge und das Reden ist kräftiger als jedes Kämpfen" (Erman 110). Auch die ältere Fassung der Präambel der Lehre des Ptahhotep mag erwähnt werden, die von Ptahhotep sagt, daß „er die Unwissenden zum Wissen erzieht und zur Richtigkeit schöner Rede, als ein Segen für den, der darauf hören wird, und als ein Fluch für den, der abweicht" (Erman 88). 21 Vgl. etwa Koh. 1, l f f . ; Prov. 11, 2; 25, l f f . u. a., dazu J. Hempel, Die althebräische Literatur, 1930, 44ff.; O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19562, 93—100. 20
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von der Begrenzung des Menschen als Sprachwesen erkannt wird. Rühmen Prov. 15, 23 zuversichtlich: „Freude erfährt der Mann, der zu antworten weiß, und wie gut ist ein Wort zur rechten Zeit" 22 , so ist beim Prediger das Erschrecken darüber zu erkennen, daß Sprache auch am Orte ihrer Mächtigkeit nur je in der Zeit geschehen kann und in ihrem Erfolg an den Kaipös gebunden bleibt. Unter den 7 Antithesenpaaren, welche auf das geheimnisvolle Fallen der Zeiten weisen, begegnet auch die Antithese: „Schweigen hat seine Zeit — Reden hat seine Zeit" (3, 7). Entzieht sich aber Zeit als das Ungreifbare dem Menschen 23 — wie jämmerlich preisgegeben ist dann auch der sprachmächtige Mensch. In anderer Weise zeigt 1, 8 das Erschrecken im Bereich des Nachdenkens über die Sprache. Wieder möchte man Humboldts Worte über die unstillbare, immer zu Neuem drängende gvEpysia der Sprache zitieren. Humboldt konstatiert in dieser ewigen Unabgeschlossenheit staunend den Reichtum des menschlichen Geistes24. Der Prediger aber ist gerade an dieser Stelle tief betroffen. „Alle Worte mühen sich ab, keiner kann sie ausreden 25 . Das Auge wird nicht satt vom Schauen, noch das Ohr vom Hören." Nicht nur im menschlichen Auge und Ohr, sondern ganz ebenso in der Unaussagbarkeit des von der Sprache zu sagen Begehrten entdeckt er die jammervolle Ungesättigtheit menschlicher Sprache, die auf ihrem Königsweg der Weltbemächtigung doch nie ihr Ziel zu ergreifen vermag. Der Mensch findet sich auch in seinem Sprechen in seiner Begrenztheit und begegnet auch hier der Teilhaftigkeit all seiner Erfüllungsmöglichkeit. So kann Sprache die Not des Menschen werden. In dem bekannten: „Gott ist im Himmel und du bist auf Erden, darum seien deiner Worte wenige" (5,1), ist die Gefährdung des Menschen im Blick auf eine eingebildete Gebets-Wortmächtigkeit von dieser Wächtergestalt am Rande der alttestamentlichen Weisheit nochmals scharf zum Ausdruck gebracht. Die Äußerungen vergegenständlichender Reflexion über die menschliche Sprache sind im Alten Testament selten. So ist es nun an der Zeit, die weitere Frage zu stellen: Was läßt sich im Alten Testament aus dem unreflektierten Vollzug der Sprache über die Eigenart nun gerade der alttestamentlichen Sprache erkennen ? Gen. 2 mag uns dabei anleiten, zunächst die Frage zu stellen: Wie vollzieht die alttestamentliche Sprache, die Israel von Kanaan her übernommen hat 2 6 , das Königsgeschäft der Ordnung und Durchheilung, das Be-Sprechen und Be-Rufen und darin auch Bannen des in anonymer Mächtigkeit Begegnenden und die Errichtung ihrer eigenen Sprachwelt ? Wie kommt es überhaupt zum Wort ? 22
Übersetzung der Zürcherbibel. Vgl. auch 25,11. Vgl. Koh. 3, 11; 9,11 f. " 1. c. 45 f. 26 -DT, das in dem folgenden Verb weitergeführt wird, ist hier in seiner eigentlichen Bedeutung zu verstehen (Hertzberg). 26 Ich beschränke mich auf das Hebräische. 23
Die Weisung des Alten Testamentes, zum Geschäft der Sprache
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Da fehlen zunächst nicht Erscheinungen, die Herders These, daß „das Ohr der erste Lehrmeister der Sprache wurde" („die ganze vieltönige göttliche Natur ist Sprachlehrerin und Muse!") 27 bestätigen. Die Exklamationen "HN, KäN nXH) HHX liegen noch ganz am Rande der Semantik. Näher an diese heran führen die Lallworte DX TIT. Deutlich lautmalend sind Worte wie p3j?3 „Flasche", TJS „ K r u g " , welche den Vorgang des glucksenden Austretens der Flüssigkeit abmalen. In der Bezeichnung der Vorgänge des Spaltens (S?p3), Abhauens (fSp, TT!) klingen entsprechende Geräusche nach. Im weiteren kann das schallnachahmende Element durch ein zugesetztes Wurzelaugment erweitert werden, so vor allem durch präfigiertes 3 (nD3 blasen, rnJ bellen, tfSJ atmen) 2 8 . Darin verrät sich auch schpn der dem Semitischen eigenartige Drang zur Normalisierung des Verbs auf die dreiradikalige Wurzel. Neben den schmalen Bereich der lautlich durchhellbaren Grundbildungen tritt dann weiter die Fülle des undurchsichtigen Wortgutes, bei dessen Formung Gesetze der Analogie, der Bedeutungsverwandtschaft, in deren Bildung die Sprache ihre weiterzeugende IvepyEia spüren läßt, wirksam werden. Es tritt dazu das Fremdwortgut, in dem sich Handelsgeschichte wie kriegerisch-politische Geschichte in die „Sprache Kanaans" eingezeichnet haben. Neben etwa 100 akkadischen Lehnwörtern zählt Baumgartner nur etwa ein Dutzend ägyptischer Worte — ein einziges griechisches in Ct. 3, 9 29 . In der Prägung bestimmter nominaler Bildungsformen, welche gelegentlich bestimmten Bedeutungsklassen zugeordnet sind, geschehen neue Ordnungsvorgänge (die Form für berufs- oder gewohnheitsmäßiges Vornehmen einer Handlung: 3ji| Dieb, !"QÖ Schlächter, npT1 Salbenmischer; mit Präfix gebildete nomina loci bzw. instrumenti). Im nomen deverbale kann dabei das verbale Element im Nomen hörbar gemacht werden (das nomen Wffia „Schlüssel" läßt den Vorgang des Öffnens sichtbar werden), das denominierte Verb benennt die Tätigkeit eines zunächst appellativisch Benannten (^Va — ^i?1?)In Nomen und Verb, die deutlicher als im Akkadischen, das im Stativ auch das Substantiv konjugiert, auseinandergehalten werden, sind die beiden großen Wortklassen genannt. Das Adjektiv tritt demgegenüber in der Sprache des Alten Testamentes auffallend zurück. Auf die ganz undoktrinäre Beweglichkeit der Abstraktbildungen, die erst in nachalttestamentlicher Zeit dem starren Schema der Abstraktbildung auf W (vgl. unser -heit, -keit) weicht, hat Gulkowitsch 30 gewiesen. Man darf seine Materialdarbietung dahin interpretieren, daß der Vorgang der Abstraktion im Alten Testament noch ganz in die Bewegung des Lebens 27
1. c. (Anm. 11) 59 und 60. Vgl. W. von Soden, Grundriß der akkadischen Grammatik, 1952 § 102b. Dazu kommt aramäisches, arabisches, churritisches, indo-iranisches, lydisches, persisches und vielleicht sogar indisches Gut. W. Baumgartner 1. c. (Anm. 9) 610—612. 30 L. Gulkowitsch, Die Bildung von Abstraktbegriffen in der hebräischen Sprachgeschichte, 1931. 28 28
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hineingebunden ist, wo Alters-, Sozial-, Berufsklassen, juristische und theologische Aussagen, substantivierte Eigenschaften benannt werden müssen, das generalisierende Begriffsdenken dagegen wenig Raum hat. So tritt denn im Alten Testament oft das Konkretum stellvertretend für das Abstraktum ein. Das fehlende Wort „Sprache" wird durch die Konkreta „Zunge", HD® „Lippe" ersetzt. D'örp, pl. von Dnp „Mutterleib" bezeichnet das Erbarmen, „Nase" den Zorn. Sprache ordnet auch den Raum. Die Bezeichnung des Ostens als Dlj?. „vorn" und entsprechend des Westens als "linx „hinten" dürfte aus einer Frühzeit solarer Orientierung stammen. Der Mensch „verhält sich" in Richtung der aufgehenden Sonne 31 . Daß daneben in der Bezeichnung des Nordens als |1SS („Ausschauen") eine alte (babylonische ?) Nordorientierung zu erkennen sei, wie Bauer-Leander 32 meinten, ist von Eißfeldt 33 mit beachtlichen Gründen bestritten worden. Ez. 8 , 1 6 f. führt dann an die Stelle, wo dieses der alttestamentlichen Sprache natürliche, scheinbar sprachwahre „Verhalten" in Konflikt gerät mit der Ordnung der alttestamentlichen Offenbarung. In der Wendung des Gebetes gegen Jerusalem (Dan. 6, 11), an die sich die frühe Kibla Muhammeds anschließt, um sich später nach Mekka umzuorientieren, siegt die heilsgeschichtliche Orientierung über die frühere Naturorientierung, die sich in der Sprache niedergeschlagen hat. Obwohl die Sprache hierin der Lüge geziehen wird, bleibt D"3J> Bezeichnung des Ostens und beweist damit das auch von Stalin in seinem Artikel über den Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft 34 anerkannte zäh unrevolutionäre Wesen der Sprache. Die Bewältigung und Ersonderung des umgebenden Raumes ist weiter in den Flur- und Ortsnamenbezeichnungen der alttestamentlichen Sprache zu erkennen. Wie Zinsli es für die Sprache der schweizerischen Bergtäler nachgewiesen hat 3 5 , so ist auch für die alttestamentliche Sprache zu erkennen, wie diese das Land Palästina modelliert, wenn sie vom „Berg", dem „Niederland", dem „Tal", dem „Trockenland" redet, wie sie es durch Verwendung menschlicher Körperteilbezeichnungen sich vertraut macht, Geländeformationen als „Rücken", „ H a u p t " , „Zahn", „Daumen" 3 6 bezeichnet, ihm in den Ortnamen „Gibea Sauls", „Stadt Davids", „Menephthoach" 3 7 geschichtliche, und in den NamenBethsche31
So heißen Ost und West denn auch rtfT» und tfatfn 103!?. 1. c. (Anm. 2) 499 Anm. 2. 83 O. Eißfeldt, Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten durchs Meer, 1932, 17 f. 31 Prawda 20. Juni 1950. 36 P. Zinsli, Berglandschaft, Berglersprache. Studium Generale 4, 1951, 136—145. 36 Vgl. weiter das Material bei A. Schwarzenbach, Die geographische Terminologie im Hebräischen des Alten Testamentes, 1954. 37 Jos. 15, 9; 18, 15, dazu M. Noth, Josua (Handbuch zum Alten Testament I, 7, 19532) 88. — W. Borée, Die alten Ortsnamen Palästinas, 1930, 113f. 32
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mesch, Jericho, Baala, Bethel, Pnuel 38 religiöse Akzente verleiht. Es wird dabei auffallen, daß der Jahwename in dieser religiösen Vertrautmachung des Landes (im Unterschied zur Personnamenbezeichnung) an keiner Stelle auftaucht — es ist dies wohl in einem tiefen Sinne bezeichnend für das Alte Testament. Die Sprache begegnet auch dem Rätsel der Zeit. Wie in unserer Sprache stoßen wir auch im Alten Testament auf das Phänomen der Verräumlichung der Zeit. Das Frühere liegt dabei nach alttestamentlichem Sprachgebrauch D'IS1? „vor dem Gesicht", das Spätere ist pin.N „das hinten Befindliche". Boman 39 weist darauf, daß auch in unserer Rede von den „Vorfahren", der „Vorzeit", den „Nachkommen", der „Nachwelt" noch etwas von dieser Sprachsicht erhalten ist. In unserer unmittelbaren Empfindung hat allerdings die gegenteilige Sicht, nach welcher Zukunft vor uns, Vergangenheit hinter uns liegt, gesiegt. Es lohnte wohl nähere Untersuchung, in welcher Weise diese, von Israel ohne Zweifel vorgefundene Sprachsicht, nach welcher der Mensch das Geschehen in seinen Vätern vor sich hat — sich also ganz unmittelbar daraufhin verhalten kann —, seine Zukunft dagegen hinter seinem Rücken, für das Verständnis der alttestamentlichen Aussagen von Bedeutung ist 40 . In diesem Zusammenhang ist ein Wort über die sog. tempora im Hebräischen nicht zu umgehen. Es belastet all unser Übersetzen hebräischer Texte schwer, daß die verbale Aussage der alttestamentlichen Sprache mit ihrer ganzen semitischen Umwelt zunächst auffallend gleichgültig an der Fixierung der subjektiven Zeitstufe eines Geschehens vorbeigeht. Hebräisches Perfekt und Imperfekt meinen offensichtlich von Hause aus keine Tempusdifferenzierung im Sinne der indogermanischen Sprachen, wonach ein Vorgang je nach seinem Zeitverhältnis zur Gegenwart des redenden Subjektes als vergangen, gegenwärtig oder zukünftig bestimmt wird. Wie ist ihre Bedeutung aber positiv zu bestimmen ? Driver 41 glaubte sie als objektiven Ausdruck der Aktionsart des Geschehens verstehen zu können — das Perfekt bezeichne die vollendete, das Imperfekt die unvollendete Handlung, während das Partizip zum Ausdruck der Dauer verwendet werde. Demgegenüber hat sich in jüngerer Zeit die Ansicht stärkere Geltung verschafft, daß wir es mit subjektiven Aspekten zu tun hätten. Brockelmanh 42 findet im Perfekt den subjektiven Aspekt der einfachen Konstatierung einer Handlung, während das Imperfekt den Verlauf der Handlung kursiv feststellen will. In anderer Weise möchte 38
Vgl. weiter die Liste bei Borée, 1. c. 105f. ° T. Boman, Das hebräische Denken im Vergleich mit dem Griechischen, 19542, 128 f. 40 Der Begriff der „Vergegenwärtigung", der heute in der alttestamentlichen Kultforschung Bedeutung hat, müßte von hier aus wohl neu überprüft werden. 41 S. R. Driver, A Treatise on the Use of the Tenses in Hebrew, 18812. 42 G. Brockelmann, Hebräische Syntax, 1956, § 40. s
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Engneil 43 im Perfekt die emphatische Aus drucks weise finden, während das Imperfekt Nebensächlicheres, Ungewisses und Beiläufiges bezeichne. Es zeigt sich aber immer deutlicher, daß bei der Beurteilung der ganzen Frage von einer genaueren Beachtung der sprachgeschichtlichen Verschiebungen nicht abgesehen werden kann. Das affigierende Perfekt, das im akkadischen Stativ gewissermaßen in statu nascendi zu erkennen ist, erweist sich danach als sprachgeschichtlicher Spätling. Dem von H. Bauer 44 daraus gezogenen Schluß, daß wir dann also im Hebräischen zunächst mit der Alleinherrschaft eines omnitemporalen Imperfekts (Aorists) zu rechnen hätten, aus dem das aufkommende Perfekt (Nominal) den Bereich der präsentisch-perfektischen Aussagen herausgebrochen und jenem noch die präsentisch-futurische Aussage überlassen hätte, tritt aber neuestens die von Wahrnehmungen an den Qumrantexten (und Ugarit) ausgehende Vermutung entgegen, daß auch das Hebräische ursprünglich gleich dem Akkadischen zwei präfigierende Formen besessen habe 46 . Danach wäre schon für die Frühzeit auch hier mit dem Nebeneinander eines (erzählenden) Praeteritums und eines durativen Praesens-Futurs zu rechnen. Soll es angesichts dieser ungeklärten Lage gewagt werden, etwas Zusammenfassendes zu sagen, so scheint auf jeden Fall das Eine deutlich, daß das Weltbild des hebräischen Verbs den Menschen nicht als den König seiner Gegenwart gleichermaßen von seiner Vergangenheit wie seiner Zukunft absetzt. Mag sich im imperfectum consecutivum, für das Köhler und Maag die Bezeichnung Narrativ wählen möchten 48 , eine Form erzählender Vergangenheitsaussage herausgebildet haben, eine Scheidung präsentischer von futurischer Aussage wird an keiner Stelle versucht 47 . Der uns auffallenden temporalen Undifferenziertheit im Verbalbereich kann eine Analogie im nominalen Bereich zur Seite gestellt werden, die neuerdings stärker beachtet worden ist. Unter dem Stichwort der synthetischen Lebensauffassung haben Fahlgren 48 und Koch 49 , ausgehend 43 I. Engneil, Studies in Divine Kingship in the Ancient Near East, 1943, 207—209 (Special note No. 17). 44 H. Bauer, Die Tempora im Semitischen, 1910, dazu Bauer-Leander 1. c. § 35. — Ähnlich F. R. Blake, A. Resurvey of Hebrew Tenses, 1951. 46 R. Meyer, Spuren eines semitischen Präsens-Futur in den Texten von Chirbet Qumran (Von Ugarit nach Qumran, Festschrift O. Eißfeldt, BZAW 77, 1958, 118—128). 4 « L. Köhler, Syntactica IV, Vetus Testamentum 3, 1953, 299—305; V. Maag, Morphologie des hebräischen Narrativs, ZAW 65, 1953, 86—88. 47 Wenn allerdings M. E. Chasey, Leben und Sprache im Alten Testament, 1957, 24 urteilt: „Die bloße Gegenwart bedeutete ihm (dem althebräischen Menschen) wenig, da er im Zeitlosen lebte", so ist damit der alttestamentliche Tatbestand gründlich verzeichnet. 48 K. H. Fahlgren, § e däkä, nahestehende und entgegengesetzte Begriffe im Alten Testament, 1932, bes. 50—54. 48 K.Koch,§dqim AltenTestament (Diss. Heidelberg 1953, ungedr.); dazu: Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament, ZThK 52,1955,1—42, bes. 26ff.
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von der Untersuchung des Begriffes np>"]5, auf die Eigentümlichkeit gewiesen, daß manche hebräischen Begriffe ein menschliches Verhalten und die über es ergehende Folge in einer einzigen Vokabel zusammenfassen und so die nach unserem Empfinden auseinanderzulösende Ursache und Wirkung nicht differenzieren. So bezeichnet „Vergehen" wie „Strafe", Hfnx „Gerechtigkeit" wie das darüber ergehende „Heil". Diese Worte umgreifen je eine Ganzheit, in der wiederum die zeitliche Abfolge, in der wir Ursache und Wirkung in ihrem Vorher und Nachher unterscheiden möchten, gänzlich außer acht bleibt. Man möchte es eine primitive Sprachganzheit nennen, hinter der aber eine ganz bestimmte Weltsicht der Einheit von Tat und Ergehen steckt. Gese 50 , der das Beiwort primitiv ablehnt, sucht diese Weltsicht beispielhaft im ägyptischen Maatglauben nachzuweisen. Wir haben bisher in einigen skizzierenden Strichen nachzuzeichnen versucht, wie alttestamentliche Sprache die ihr anonym begegnende Weltwirklichkeit erobert und darin ihr von Gen. 2 her gebotenes Herrenwerk des Be-Rufens und Ordnens vollzieht. Jetzt gilt es aber weiter ganz in die Mitte hinein zu fragen: Wie begegnet diese Sprache der unverwechselbar eigenartigen Wirklichkeit, von der alttestamentlicher Glaube zeugt ? Wir fragen damit, nun nicht mehr im Umkreis der bewußten Gedanken ü b e r die Sprache, sondern innerhalb der Prüfung des Sprachvollzuges selber, nach der tiefsten Begründung und zugleich der Weisung des Sprachgeschäftes im Alten Testament. Es sei gestattet, von einer zentralen alttestamentlichen Aussage auszugehen und von ihr her einige Züge zu beleuchten, welche nun allerdings den alttestamentlichen Brauch der „Sprache Kanaans" zu einem unverwechselbar Eigentümlichen machen. Der klassische Dekalog, der seinen Sitz im Gottesdienst Israels gehabt haben dürfte, beginnt mit dem Satz der Gottesrede: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, dem Knechtshause, herausgeführt hat . . ." (Ex. 20, 2). In dieser Einleitung begegnet zunächst der Name Jahwe, mit dem alttestamentliche Sprache den Israel Begegnenden benennt. Weiß sich der alttestamentliche Mensch in diesem Benennen bei jenem Königsgeschäft des Be-Rufens von Gen. 2, dem Geschäft des Zuordnens und Bannens anonymer Mächtigkeit ? Angesichts der Tatsache, daß wir etwa in den babylonischen Urgottheiten Tiamat und Apsu die Zuordnung der Weltmächte des Salz- und Süßwasserozeans, in Anu den Ordnungsgedanken des „Oberen", in Schamasch und Sin die Zuordnung zur astralen und im Gott Assur die Zuordnung zur politischen Potenz der Reichsstadt finden, ist diese Frage keineswegs abwegig 51 . 80
H. Gese, Lehre und Wirklichkeit in der alten Weisheit 1958. In Ägypten vollzieht gerade der Eiferer um die Alleingültigkeit des Sonnenglaubens Echnaton eine besonders enge Verbindung seines Gottes Aton mit dem Naturphänomen der Sonnenscheibe. 51
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Im Jahwenamen ist nichts dergleichen festzustellen. Er ist Israel offensichtlich als unaufgehellter „bloßer Name" 8 2 (von Midian her?) zugekommen. Alle Versuche, die ursprüngliche Etymologie des Wortes, das man nach seinem Bau gerne als Imperfekt-Namen ansprechen würde 63 , aufzuhellen, müssen hinter die Zeit, in der Jahwe Israels Gott war, zurückgreifen. Für Israel ist der Jahwename ein das Persongeheimnis feststellender, kein das Wesen Jahwes aufschließender, es zuordnender Name. Es ist bezeichnend, daß die einzige Stelle, an welcher eine (zweifellos sekundäre und darum nie sonst aufgenommene) Durchheilung des Namens versucht wird (Ex. 3,14), gerade die Zurückweisung des Fragers verspüren läßt. In dem herrischen „Ich bin, der ich bin", mit dem Jahwe Moses Frage nach seinem Namen beantwortet, liegt zunächst ganz wie in dem: „Was fragst du mich nach meinem Namen", mit dem der Geheimnisvolle von Gen. 32, 30 die analoge Frage Jakobs beantwortet, eine Abweisung. Ob und wie dann darin verhüllt mit dem HTI auch eine positive Aussage gemacht wird, ist im einzelnen umstritten. Einigkeit herrscht unter den Neueren aber darin, daß hier keinesfalls mit einem abstrakten Seinsbegriff im Sinne der Eleaten philosophisch erhellt, sondern vielmehr das sich jedem Zugriff entziehende Zukommen, Gegenwärtig- und Wirksamwerden des Herrn ausgesagt sein will 64 . So hat denn auch das 3. Gebot: „Du sollst den Namen Jahwes, deines Gottes nicht aussprechen", das Gewicht einer echten, auch für das Sprachverständnis relevanten Interpretation des mit dem Jahwenamen Gegebenen. In der Nennung des Namens „Jahwe" ist Israels Sprache nicht mehr am Orte ihrer Mächtigkeit 66 . Im völligen Sprachtabu, welches das spätere Judentum so gründlich auf den Jahwenamen gelegt hat, daß dessen ursprüngliche Aussprache bei den Menschen, welche das Ketib des Tetragramms bei der gottesdienstlichen Lesung immer wieder vor Augen hatten, gänzlich vergessen werden konnte 66 , wird dieser Reservatcharakter des Gottesnamens besonders sinnenfällig. 52 F. Rosenzweig polemisiert in seinen wertvollen Ausführungen über den Gottesnamen (M. Buber und F. Rosenzweig, Die Schrift und ihre Verdeutschung: „Der Ewige" 184—-210) S. 207 wohl zu Unrecht gegen die Auffassung des Jahwenamens als „bloßen Namens". 63 L. Köhler (Lexicon in Veteris Testamenti libros 368) möchte darin ein ursprüngliches Substantiv mit dem Praefix"' in der Bedeutung „Wesen" sehen. 64 Vgl. etwa C. H. Ratschow, Werden und Wirken, eine Untersuchung des Wortes hajah, BZAW 70, 1941; Th. C. Vriezen, 'Ehje "aser 'ehje, Festschrift A. Bertholet, 1950, 498—512. — G. von Rad, Theologie des Alten Testaments I, 1957, 181—188. 56 Diese Erkenntnis würde man in den reichen Ausführungen G. van der Leeuw's über „Das schöne Wort" (Vom Heiligen in der Kunst, 1957,125—157) gerne schärfer ausgesprochen hören. 56 Zu solcher Verdrängung des Wortes aus frommer Scheu vgl. F. Tschirch, Religion und Sprache (Solange es „heute" heißt, Festgabe für Rud. Hermann, 1957, 260—292).
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Das noch nicht unter der Furcht vor dem Gebot erstarrte Alte Testament spricht den Namen Jahwe aus — so allerdings, daß es der Weisung, mit der schon der Vorspruch des Dekalogs zum rechten Gebrauch des Gottesnamens einlädt, sich beugt. In seinem STirp "OIN beginnt der Dekalog mit der Formel der Selbstvorstellung. Diese ist etwas ganz anderes als der übliche Nominalsatz, in welchem ein Subjekt durch eine Prädikatsaussage näher gekennzeichnet wird (etwa: Ich bin groß, bin König). Hier tritt ein Ich in voller Freiheit aus seinem Geheimnis heraus und macht sich in seinem Namen (Name ist Wahrheit!) dem anderen nennbar und tut sich darin zur Gemeinschaft auf. In der Erweiterung „Ich bin (Jahwe,) dein Gott", in der für Israel die Wirklichkeit des ihm von Jahwe her geschenkten Bundes mitschwingt, kommt dieses Sich-Schenken voll zum Ausdruck 57 . Die alttestamentliche Sprache ist sich dieser Weisung, wonach alles Aussprechen des Gottesnamens auf der Grundlage der göttlichen Selbstvorstellung ruht, wohl bewußt 58 . Das kann sich schon an der ungewöhnlich weiten Streuung, die das Element der Selb st Vorstellung im Alten Testament erfährt 5 9 , verraten. Der ursprüngliche Sitz im Leben, an dem sich göttliche Selbstvorstellung auch außerhalb Israels findet, ist die Theophanierede. Im Alten Testament bekommt sie eine weit über den Raum der ausdrücklichen Theophanieschilderung hinausreichende Bedeutung im Rahmen der Rechtsproklamation. Dabei kann es im Heiligkeitsgesetz geschehen, daß die Selbstvorstellung an den Schluß der Rechtsproklamation rückt und sich dort der Gefahr eines Verblassens zum einfachen Begründungssatz 60 aussetzt. Sie taucht im prophetischen Stil in dem eigentümlich alttestamentlichen Element der Erkenntnisformel im Erweiswort 61 auf. Die Verwendung dieser Redeform reicht von den Mosegeschichten (nicht nur der Priesterschrift) über einzelne Prophetensprüche in 1. Reg. 20, über die besonders breite Verwendung im Ezechielbuch zu Deuterojesaja und in einzelnen Ausläufern bis in das Wort nachexilischer Propheten. 67
So möchte denn Elliger das „Ich bin Jahwe, euer Gott" als,, Huldformel" von der reinen Namensvorstellung, die er als „Heiligkeitsforniel" bezeichnet, unterschieden wissen. Vgl. K. Eiliger, „Ich bin der Herr, — euer Gott" (Theologie als Glaubenswagnis, Festschrift für Karl Heim, 1954, 9—34). 68 Das ist von Rosenzweig (1. c., Anm. 52) voll erkannt und in eindrücklicher Weise erläutert, wenn es auch, wohl zu Unrecht, mit der These von der „Transparenz des Namens", seinem „Durchleuchtetsein von Sinn" (196) verbunden ist. 69 Vgl. die Zusammenstellung in meinem Beitrag zur Festschrift für A. Alt (Geschichte und Altes Testament, 1953, 179—209). Auch: Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel, 1954. 60 B. Gemser, The Importance of the Motive Clause in Old Testament Law (Congress Volume Copenhagen 1953, Supplements to Vêtus Testamentum I, 50—66). 61 Vgl. dazu meinen Beitrag: Das Wort des göttlichen Selbsterweises (Erweiswort), eine prophetische Gattung (Mélanges Bibliques rédigés en l'honneur de André Robert, 1957, 154—164).
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Wichtiger noch ist die inhaltliche Wahrnehmung, daß unter dem Wissen um die Unverfügbarkeit des Gottesnamens im Alten Testament die in der ganzen Umwelt Israels lebendigen Sprachbereiche des Zaubers und der Magie, deren eigentliche Lebensmitte die Verfügbarkeit des Gottesnamens ist, restlos absterben und die Redeformen von Segen und Fluch, die vom Glauben an das mächtige Wort herkommen, sich wandeln62. Was an außerjahwistischer Gottesbenennung Eingang in die Sprache des Alten Testamentes gewinnt63, bekommt ihn nur um den Preis der völligen Unterwerfung unter den Jahwenamen und die Ordnung des Umgehens mit diesem Namen. Wo, wie etwa im Baalnamen, sich im Lauf der Geschichte Jahwefremdes wieder regt und dem Menschen ein eigenmächtiges Umgehen mit dem Gottesnamen erlauben will, da wird dieses schonungslos ausgemerzt. Bis in die Eigennamen hinein hat sich der Sprachkampf der Verfolgung des Baalnamens vollzogen64. Diesem negativen Vorgang der Entmythologisierung oder Entdynamisierung der frommen Sprache steht aber dag Positive gegenüber: Wo der Mensch weiß, daß sich ihm der unverfügbare Herr in gnadenvoller Freiheit in seinem Namen erschlossen und anrufbar gemacht hat, da wird menschliche Sprache ganz frei für die beiden großen Grundbewegungen des Lobens und der Bitte (Klage)66. In ihrem Lob rühmt sie den, der sich im Namen kundgemacht, indem sie ohne berechnenden Hintergedanken allein auf sein Tun blickt. In der Bitte ruft sie ihn, den kein Menschenwort zu be-rufen vermag, zur Hilfe in der Bedrängnis, weil er in der Erschließung seines Namens sich aus freien Stücken zu solcher Hilfe erboten hat. Gewiß, Lob und Klage kennt schon die Umwelt des Alten Testamentes. Es ist uns heute in hohem Maße eindrücklich, wie viel in der Psalmensprache des Alten Testamentes von dort her aufgenommen ist. Im Alten Testament aber wird die Sprache ganz frei von der Versuchung, es auch vor Gott mit ihrer Mächtigkeit zu versuchen, wie es sich in den magisch-litaneiartigen Elementen der Wortwiederholung, den der Klage vorgeordneten, Namen und Prädikate häufenden Herrlichkeitsschilderungen, der zum Zauber abgesunkenen Nachverwendung etwa babylonischer Psalmen je und je verrät 66 . Noch sind aber zwei wichtige Bereiche nicht genannt, welche die alttestamentliche Namenserschließung Gottes erst voll kennzeichnen. Die Selbstvorstellung Jahwes hat Israel nicht nur einen undurchsichtigen 62
J. Hempel, Die israelitischen Anschauungen von Segen und Fluch im Lichte altorientalischer Parallelen (ZDMG 79, 1925, 20ff.). 6S Etwa die Namen: VN; nVi» 7X; HC* Vx u. a. 64 Vgl. die Namen ntfa-Uf'tf für VyasfX; nöa-'Bp für V s n n a .Beim -qVaNamen hat sich die Polemik nur noch der Vokalisation zu bemächtigen gewagt. 65 C. Westermann, Das Loben Gottes in den Psalmen, 1953. — Ders.: Struktur und Geschichte der Klage im Alten Testament, ZAW 66,1954, 44—80. 68 F. Stummer, Sumerisch-akkadische Parallelen zum Aufbau alttestamentlicher Psalmen, 1922; A. Falkenstein—W. von Soden, Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete, 1953.
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Personennamen, der sakral umhegt werden müßte, erschlossen. Der sich in diesem Namen Erschließende ist der um sein Recht Eifernde 67 . Zum Jahwebund gehört von allem Anfang an der Vortrag eines Rechtes, das für Vater und Mutter, Weib, Sohn und Tochter, für Sklaven und Magd, ja für Ochs und Esel besorgt ist. Alles menschliche Tun, auch die dem Menschen anvertraute Gewalt des Namengebens ist von da her zum Antwortgeben vor dem Rechtswillen Jahwes gerufen, — ver-antwortlich gemacht. „Wehe denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen (be-rufen), die Finsternis zu Licht und Licht zu Finsternis machen, die bitter zu süß und süß zu bitter machen", ruft Jesaja (5, 20) einem Geschlechte zu, das meint unter Absehen von dem in seinem Recht sich vorstellenden Herrn Lebensbereiche und Ordnungen benennen zu können. Des Konfuzius Programm der „Richtigstellung der Begriffe" als erster Reformtat in einer Zeit der Verwilderung 68 erfährt hier seine tiefbiblische Begründung. Auch alles Sprechen zum anderen Menschen hin wird von da aus zur Sprache der Verantwortung werden müssen und der Willkür entnommen sein. Es ist dann gerade hier auf der höheren Ebene des Rechtsstils nochmals eindrücklich zu sehen, wie wenig sich das Alte Testament gesetzlich einem Btypfltt?1?,d. h. hier einem sakral fixierten Rechtsstil verpflichtet weiß. In seiner Untersuchung der Ursprünge des israelitischen Rechtes hat Alt 6 9 sichtbar gemacht, wie sich im Bundesbuch Rechtsreihen, welche alle Merkmale der Prägung aus dem Geist jahwistisch-apodiktischer Gültigkeit heraus an sich tragen, in Rechtsordnungen einschlingen, die in der hochkultivierten kasuistischen Rechtssprache kanaanäisch-vorderorientalischer Rechtstradition geformt sind. Das Bundesbuch verkündet in der einen wie in der anderen Sprache den Rechtswillen Jahwes. 67
Das wird in der zweiten, formal zum „motive clause" (Anm. 60) zum 2. Gebot abgesunkenen Introduktionsformel des Dekalogs Ex. 20, 5b—6 ausdrücklich ausgesprochen. 68 Kung-futse, Gespräche (Lun Yü), herg. von R. Wilhelm, 1914*, Buch XIII 3 (S. 135): Dsi Lu sprach: „Der Fürst von We wartet auf den Meister, um die Regierung auszuüben. Was würde der Meister zuerst in Angriff nehmen ?" Der Meister sprach: „Sicherlich die Richtigstellung der Begriffe." Dsi Lu sprach: „ D a r u m sollte es sich handeln? Da hat der Meister weit gefehlt! Warum denn deren Richtigstellung?" Der Meister sprach: „Wie roh du bist, Yu! Der Edle läßt das, was er nicht versteht, sozusagen beiseite. Wenn die Begriffe nicht stimmen, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Darum sorge der Edle, daß er seine Begriffe unter allen Umständen zu Worte bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Der Edle duldet nicht, daß in seinen Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt." 69 A. Alt, Die Ursprünge des israelitischen Rechts (Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel I 1953, 278—332).
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Die Verankerung des Jahwebundes im Gottesrecht ist ohne Zweifel der Grund für das starke Einwirken der Rechtssphäre auf die Gesamtsprache des Alten Testamentes. Der prophetische Angriff auf die Sünde Israels nimmt schon bei Hosea die Gestalt der Aufforderung zum Prozeß gegen die buhlerische Mutter an (2, 4ff.). Das Weinberglied Jesajas wandelt sich in einer unerhörten Dramatik aus einem Liebeslied zur Gestalt des Appells an die Rechtsgemeinde (5, 1—7). Die Aufforderung Jahwes an Ezechiel, das Volk seiner Sündgeschichte zu zeihen, geschieht in der Sprache des Prozesses (OD® 20, 4, vgl. 22, 2; 23, 36). Deuterojesaja lädt nicht nur die Götter in der Weise von Ps. 82 vor Gericht, sondern auch das der Heilsbotschaft gegenüber ungläubige Volk70. Der Knecht Jahwes, aber auch der vom Volke Israel scheinbar ganz gelöste Einzelfromme Hiob bringen ihre Frage in Rechtsform vor ihren Gott und erwarten dessen Rechtshilfe vor Gericht (Jes. 49, 4; 50, 8f.; Hi. 19, 25 u. ö.). Noch folgenschwerer aber ist ein Zweites. Fragt Israel seinen Gott, den es rühmen möchte: Wer bist du?, so antwortet dieser im Dekalogvorspruch: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, dem Knechtshause, herausgeführt hat", und weist es damit auf die Geschichte rettender Begegnung, die vor seinen Augen liegt. Nicht in einem Hintergeschichtlichen, das dann in der Sprache der Abstraktion beschrieben werden müßte, auch nicht in dem übergewaltigen Gefühlseindruck der Mächte der Natur, der in Adjektiven zu schildern wäre, sondern in der Geschehnissphäre geschichtlicher Ereignisse, von denen im Verbalsatz berichtet wird, hat Jahwe sich offenbar gemacht und seinen Namen ausgesprochen71. Alles Rühmen Jahwes wird infolgedessen ein Nacherzählen dieses geschichtlichen Handelns sein müssen, alle Klage ein Gott-Vorerzählen seiner Geschichte mit seinem Volk, seiner Welt, in der er seinen Namen offenbar gemacht hat. So schreit der Glaube zu ihm „um seines Namens willen". Das darin Ausgesagte ist in seinen Folgerungen für die Sprache des Alten Testamentes nicht leicht zu überschätzen. Von hier aus allein ist der unerhörte Triumph des Verbalsatzes im Alten Testament zu erklären. Hier liegt aber auch der tiefste Grund für den weitgehenden Adjektivverzicht des Alten Testamentes, der etwa dazu führen kann, daß der hebräische Text von Ps. 23 in all geiner Anschaulichkeit kein einziges schmückendes Adjektiv verwendet72. Von hier aus wird es, wenn wir an 70
J. Begrich, Studien zu Deuterojesaja, 1938, 19—42, auch 42—47. Das ist die Weise der Sinnerhellung des Jahwenamens im Alten Testament (vgl. Anm. 58). In den abschließenden Erkenntnisformulierungen des Erweiswortes, das zunächst ein bevorstehendes Handeln Jahwes ansagt, um dann auszumünden in das „Und sie sollen erkennen, daß ich Jahwe bin" (vgl. dazu „Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel", s. o. Anm. 59) ist voll auf dieses Transparentwerden des Namens, das aber nun eben nicht in einem gedanklichen Vorgang, sondern einem geschichtlichen Taterweis geschieht, gewiesen. 72 Darauf weist T. H. Robinson, The Genius of Hebrew Grammar, 1928, 23. 71
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die großen Gattungen der Rede denken, innerlich verständlich, daß die Redeweise des Naturmythus, der an den grundsätzlich unabgeschlossenen Phänomenen der Naturgeschehnisse orientiert ist, ganz vom geschichtlichen Erzählen verschlungen wird. Im Einhegen der Schöpfungserzählung in den klar umrissenen Lauf von 6 Wochentagen und der Vergeschichtlichung des in Babylon und Ugarit belegten, vielleicht mit dem spielerischen Zahlenspruch zusammenhängenden Schemas des Heptaemerons 73 ist dieser großartige EntmythologisierungsVorgang besonders eindrücklich zu sehen. Das Künden der Himmel muß gerade da, wo es seine gewaltigste Sprache redet, zum „Erzählen (ISO)" von der Herrlichkeit Gottes und zum „Verkündigen (TSH)" der Werke seiner Hände (Ps. 19, 2) werden. Ganz ebenso verliert das Märchen, das nach Jolles auch unter die „Einfachen Formen" zu rechnen ist, sein zeitfrei Schwebendes. Wie ernsthaft, konkreter Geschichte Jahwes mit verantwortlichen Menschen dienstbar ist doch das Märchen vom Wal, der einen Menschen verschluckt und wieder ausgespuckt hat, in der Jonageschichte, und das Reden der Tiere in der Paradies- und der Bileamgeschichte geworden. So bricht geschichtliches Erzählen in breiter Form in die Psalmrede ein und schafft hier die eigentümlich alttestamentliche Form des Geschichtspsalms, in dem Jahwe sowohl in der Erzählung seines großen Tuns an Israel (Ps. 105), wie in dem Bekenntnis der eigenen Sündgeschichte (Ps. 106) die Ehre gegeben 74 und seine Hilfe unter dem Hinweis auf seine Treue zu seiner Geschichte (Ps. 78. 89) angerufen wird. Die erzählende Sprache wird dort besonders spürbar, wo in Psalm- und Prophetenrede Bilder aufgenommen werden, die an sich auf eine ruhige Schilderung angelegt wären. So das Bild der edlen Rebe, in dem die alttestamentliche Sprache den Adel der berufenen Gemeinde auszusagen versucht. Statt ihre Pracht zu schildern — wie nahe läge hier die adjektivische Beschreibung —, erzählt Ps. 80 ihre Geschichte: Aus Ägypten ausgepflanzt, auf den Bergen Kanaans eingepflanzt, dann aber von Zerstörern ausgerissen und verwüstet. In harter Dissonanz endet die in der Klage vor Gott getragene Geschichte. Im Weinberglied Jesajas endet die Erzählung in der prophetischen Drohung. Ähnlich Ez. 15, wo in revolutionär-verletzender Umprägung verächtlich nur vom Holz der Rebe geredet wird, das im Feuer versengt worden ist (hier ist auf die Geschehnisse von 598/7 gedeutet) und nochmals zu völliger Verbrennung ins Feuer geworfen werden soll (hier ist angedroht, was sich dann 587 73 Vgl. den wertvollen Hinweis von J. B. Bauer, Biblische Zeitschrift N. F. 1, 273—277, in dem allerdings die entscheidende geschichtliche Umprägung im Alten Testament verkannt wird. Wenn die in Gen. 2 , 1 — 3 vorliegende Ätiologie des Sabbats erkannt ist, wird man keinesfalls mehr sagen können, „daß die sechs, sieben Tage weder in ihrer Anzahl, noch in irgendeiner Form als Zeitmaß und Zeitspannen für den tatsächlichen Ablauf der Schöpfungstat Gottes ernstzunehmen sind". 74 Zum Sündenbekenntnis als Lobpreis Jahwes vgl. F. Ilorst, Die Doxologien im Amosbuch, ZAW 47, 1929, 45—54.
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erfüllt). Oder die Bildrede von Israel bzw. Jerusalem als der Ehefrau Jahwes — in Hos. l f . als Geschichte von Versündigung und Gericht, in Hos. 3 als Geschichte einer Läuterung erzählt, in Ez. 16 als Geschichte eines Findelkindes, das aufsteigt zu hohen Ehren (in knappsten parataktischen Verbalsätzen wird seine Erhebung und Schmückung zu höchster Schönheit geschildert, wobei erneut das malende Adjektiv völlig fehlt), das aber seine Ehre schändet und daraufhin jammervoll gerichtet wird. Ez. 23 erzählt die analoge Geschichte von den beiden Beduinenmädchen Ohola und Oholiba, hinter denen sich die beiden Reiche des aus der Wüste gekommenen Israel verbergen. Im 1. Kapitel seines Buches Mimesis hat E. Auerbach 75 an einer Vergleichung von Gen. 22 mit der homerischen Episode von der Narbe des Odysseus deutlich gemacht, wie anders dabei das Verhaftetsein alttestamentlichen Erzählens an die Konkretion der Geschichte ist gegenüber der Epik Homers. Bleibt dort das liebevolle Schildern und Ausmalen des konkreten Vorganges ganz dem schaubaren Vordergrund verhaftet, so hat hier das biblische Erzählen, das sich ebenfalls ganz dem Geschehnis verpflichtet weiß, die volle hintergründige Tiefe dessen, der um die Verantwortung vor Gott und menschliche Entscheidung in dieser Verantwortung weiß. Nicht der Vollständigkeit der Vordergrundsschilderung eines Geschehnisses, in der dann Größtes neben Kleinstes, Wichtigstes neben Belanglosestes treten kann, weiß sich der Erzähler verpflichtet, sondern der Antwort an den, welcher in diesem Geschehen seinen Namen zu Gehör bringen will 76 . Von da her kann alttestamentliches Erzählen so eigenartig andeutend, sprunghaft inkohärent von einer Szene zur anderen wechseln. Gerleman 77 möchte hier den Begriff der Funktionalität der einzelnen Aussage einführen. Ist Homer der Wirklichkeit mit den Augen verhaftet, so das Alte Testament mit dem Ohr. In der Begegnung mit der geschichtlichen Wirklichkeit geht es hier im letzten nur immer wieder um das Hören des darin ausgesprochenen Namens Jahwes, der erkannt werden soll, und um das Rühmen und Anflehen dieses Namens. Jahwe hat Israel seinen Namen in der Geschichte, die es weiterverkündigen soll, kundgetan. So ist es kein Zufall, daß nicht nur rein äußer76 B. Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur 1946. Dieses „Reden" Gottes durch ein Geschehnis wird etwa in Gen. 24 offen ausgesagt. Nachdem der Knecht Abrahams im Hause Labans seine Fahrt, seine Begegnung mit Rebekka am Brunnen und die überraschende Entdeckung bei dieser Begegnung erzählt hat, quittieren Laban und die Seinen diesen Bericht mit der offenen Anerkenntnis: „Von Jahwe ist das ("irnn) ausgegangen. Wir können dazu nichts sagen, weder Gutes noch Schlimmes. Da hast du Rebekka, nimm sie und zieh hin und sie werde das Weib des Sohnes deines Herrn, w i e J a h w e g e r e d e t hat." 77 G. Gerleman, Struktur und Eigenart der hebräischen Sprache, Svensk exegetisk Arsbok 22—23, 1957—1958, 252—264.
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lieh mehr als die Hälfte des alttestamentlichen Schrifttums Geschichtserzählung ist, sondern daß auch hier — etwa in der Erzählung von der Thronnachfolge Davids 78 — eigentümlichste Leistungen alttestamentlichen Wortes entstehen. Hier ist die Sprache bei ihrem Eigentlichsten. Hier setzt sie nun all die ihr verliehene Mächtigkeit und ihre innere lebendige -Bewegung ein, um die begegnende Wahrheit recht zu erfassen und, etwa in der Verwendung des Leitwortstils 79 , in ihrer Beziehungsfülle sichtbar zu machen. Dabei hat alttestamentliches Erzählen, weil es aus dem Hören geboren ist, immer wieder eine auffallende Kraft der Anrede, die auch den Hörer der Erzählung zum Gehorsam ruft 8 0 . In der Sprache des Alten Testamentes ist neben dem konservativen Zug, der die gleichbleibende Treue Jahwes zum Ausdruck zu bringen trachtet, der Zug einer revolutionären Freiheit zu erkennen, der jeder definitiven Fixierung in einer abschließend verfestigten „heiligen Sprache" wehrt. Die Sprache hat die Anfänge der geschichtlichen Begegnung Jahwes in festen Formulierungen, die credoartig gottesdienstliche Würde bekamen, bekennend festgehalten 81 . Sie hat etwa in den Vokabeln N")382 und nbo 8 3 kultische Reservatvokabeln, in denen allein göttliches Tun ausgesagt werden kann, ausgesondert. Sie hat aber daneben im Munde der Propheten, die von unerhörtem Neueinbruch Jahwes in die Geschichte, in dem er sein hörunwilliges Volk in gellender GeschehnisAnrede neu zum Hören bringen wird, das konventionell Geheiligte in ganz neuen Bildern und Redeweisen aufgesprengt. Und ist dann doch da, wo sie die bleibende Treue über das Gericht hinweg auszusagen hatte, auch gerade im prophetischen Wort in neuer Form zu den geheiligten Bildern des Ältesten zurückgekehrt, etwa in der Neuansage von Exodus und Wüstenwanderung bei Hosea, in Ez. 20 und bei Deuterojesaja oder in der Verwendung der Paradiesbilder bei Jegaja. Das Alte Testament, das in Grammatik und Wortgebrauch, aber auch in seinem Rechts- und Gebetsstil in die Solidarität mit Kanaan hineingetreten ist, weiß nichts von einer „heiligen Sprache". Wohl aber weiß das Alte Testament etwas von der Umkehr der Sprache. Rosenstock-Huessy hat die Abkehr von der Schulgrammatik, welche konjugiert: amo, amas, amat . . . ich . . . du . . . er, zur echten Sprachgrammatik, welche weiß, daß am Anfang Vokativ und Imperativ stehen, besonders leidenschaft7 8 L. Rost, Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids, 1926. — G. von Rad, Der Anfang der Geschichtsschreibung im Alten Israel, Archiv für Kulturgeschichte 32, 1944, 1—42. ( = Ges. Studien, 1958, 148—188). 7 9 Vgl. etwa M. Buber, Leitwortstil in der Erzählung des Pentateuchs (Buber-Rosenzweig 1. c., s. o. Anm. 52, 211—238); ders. Das Leitwort und der Formtypus der Rede (ebda. 262—275). , 0 Vgl. dazu F. Rosenzweig, Das Formgeheimnis der biblischen Erzählungen, 1. c. 239—261; W. Zimmerli, Das Alte Testament als Anrede, 1956. 11 G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs, 1938. M P. Humbert, Emploi et portée du verbe bârâ (créer) dans l'Ancien Testament, Theol. Zeitschrift 3, 1947, 401—422. " J . J . Stamm, Erlösen und Vergeben im Alten Testament, 1940.
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Walther Zimmerli
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lieh gefordert 8 4 . Die Sprache des Alten Testamentes ist hörende Sprache. Sie erfüllt dabei die Aussage von Gen. 2 wohl noch in einer größeren Tiefe, als es Herder gemeint hatte. Nicht nur „die ganze tönende Natur", die ihr in den Kreaturen von Gott vorgeführt wird, ist ihre Lehrmeisterin, auf die sie hört. Sie weiß, daß der Herr aller Geschichte und Natur, der ihr seinen Namen kundgemacht, sie zum Sprechen ermächtigt hat und daß darum ihr königliches Sprachgeschäft dort zu seiner Erfüllung kommt, wo sie in ihrem Be-Rufen der Kreatur dem Herrn, der Vergangenheit und Zukunft hält, antwortet. In solchem Antworten dürfte dann auch die alleinige Hoffnung im Angesicht des Sprachfluches von Gen. 11 und die einzig mögliche Antwort auf die Sprachbedrängnis Kohelets liegen. 84
E . Rosenstock-Huessy, Der Atem des Geistes, 1950.
Ernst Fuchs
Die Sprache im Neuen Testament Sprache ist Mitteilung. Wer von der Sprache im Neuen Testament reden will, der muß ja wohl sagen oder wenigstens zu zeigen versuchen, wovon das Neue Testament spricht. Das kann auf sehr verschiedene Weise geschehen. Ich entscheide mich für ein Vorgehen, das zugleich die aus historischen und inhaltlichen Gründen problematisch gewordene Einheit des Neuen Testaments andeuten soll. Die Gliederung des Referats umfaßt drei Teile: einen einleitenden, der die Untersuchung an einer der Diskussion bedürfenden These orientieren soll, dann einen zweiten Teil, der von dem sprachlichen Charakter der Gottesherrschaft handelt, und endlich einen dritten Teil über die sprachliche Tendenz des Neuen Testaments im Blick auf die Theologie des Glaubens. I. Die T h e s e Das Neue Testament reflektiert nicht über die Sprache, weil es damit beschäftigt ist, selbst zu sprechen. Trotzdem könnte es sein, daß das Neue Testament dem Phänomen der Sprache ein auch anderwärts zu beobachtendes Schicksal bereitet. Vergleichen wir mit dem, was vorausgeht! Jesus hat nichts geschrieben. Seine Jünger wohl auch nicht. Der Apostel Paulus nimmt vielleicht eine Mittelstellung ein. Aber er schrieb noch unfreiwillig. Nach Paulus entsteht freilich eine ganze Literatur. An ihrer Grenze finden wir die Evangelien. Was später kommt, wirkt, wenigstens innerhalb des Neuen Testaments, wie ein Anhang. Schon um der Evangelien willen kann man nicht sagen, daß etwa Jesu Wort im Neuen Testament einfach untergegangen sei. Dennoch stehen wir im Neuen Testament vor einem neuen Phänomen: jetzt hat sich die T h e o l o g i e des Glaubens angenommen, während Jesus vom Reiche Gottes gesprochen hatte. Das Neue Testament verdankt sich in gewissem Sinne der Theologie. Schon deshalb kann man nicht etwa nur sagen, es sei eben das Produkt der urchristlichen Mission und habe Jesus so verkündigen oder übersetzen müssen, wie ihn Nichtjuden verstehen konnten. Schwerer wiegt das Argument, daß die Ereignisse um Jesu Tod Jesu Person eben über sein historisches Wort stellten. Aber die Evangelien nahmen ja Jesu Wort wieder auf. Der Glaube an Jesus konnte auf Jesu Wort nicht verzichten. Warum ? Die neutestamentlichen Schriftsteller haben sich über den Glauben theologisch Rechenschaft gegeben. Das konnten sie nur tun, indem sie über Jesus nachdachten. Wenn nun Jesu Wort für eine Weile zurücktritt,
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so liegt der Gedanke nahe, daß dies an Jesu Wort selber liegen könnte. Nicht nur in dem Sinne, daß Jesus eben nicht mehr da war, so daß er sozusagen verstummt wäre. Wichtiger ist die Überlegung, daß Jesu Wort Folgen gehabt hat, die mitbedacht werden mußten, wenn Jesus verstanden werden sollte. In der T a t : schon Jesu Tod verbietet eine einseitige Isolierung der Verkündigung Jesu. Sein Tod und andere Folgen von Jesu Wort mußten mit ihren Ursachen verglichen werden. Wer sich über den Glauben Rechenschaft gab, der mußte sich auf diesen Denkprozeß einlassen. Das hat das Neue Testament getan. Nicht nur Jesu Verkündigung, sondern auch die nach Jesus auftretende Theologie war ein Phänomen des Lebens, eines, wie es scheint, durchaus in sich zusammenhängenden Lebens. Damit wir jedoch zu einer brauchbaren These kommen, bedarf unsere Besinnung noch einer Erweiterung. Das Neue Testament kann nicht einfach der Theologie zugeschlagen werden. Weil man sich den Vorgang nicht so denken darf, als laufe eine mündliche Tradition sozusagen im Neuen Testament aus und erstarre dort, muß man zuerst darauf achten, daß und wie sich das Leben im Neuen Testament sprachlich gesehen auf neue Weise äußert. Dafür mag das literarisch gewordene Evangelium als Beispiel dienen. Das Neue Testament hat ja in den literarischen Evangelien eine ganz neue Stilgattung entwickelt, die nicht mit der Etikette „Kleinliteratur" überklebt werden sollte. Die Evangelisten machten sich an die Aufgabe, die Jesustradition literarisch aufzuarbeiten. Aber diese Aufgabe war schwer lösbar. Um nur Eines herauszugreifen: wie wollte man mit den vielerlei Logien zurechtkommen, von denen ja immerhin mindestens schon eine Sammlung vorlag ? Ein Vergleich unter den synoptischen Evangelien ergibt ohne weiteres, daß die Schwierigkeit empfunden wurde. Matthäus kann uns dafür als Beweis dienen. Er wahrt die stilgerechte Form der Logien besser als Lukas, während Markus nur wenige Logien in sein Evangelium aufnimmt, weil er mit ihnen nicht recht fertig wird. Die Logien waren in sich zu verschiedenartig, um auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden zu können. Sie verlangten nach einer sachgerechten Verteilung und Interpretation. Der stilkundige Matthäus interpretiert seinen Stoff, indem er ihn auf verschiedene Themen verteilt, also bewußt komponiert. J a , alle drei Evangelisten interpretieren ihren Stoff durch ihre je verschiedene Komposition. Will man die Kompositionstechnik der Evangelisten richtig erkennen, so muß man sich freilich davor hüten, sie voreilig als historisierende Tendenz aufzufassen. Gleichwohl fehlt auch diese Tendenz nicht. Aber sie steht ihrerseits unter bestimmten theologischen Vorzeichen. Matthäus blickt mit Jesu Augen auf Israel zurück, mag er auch die Kirche damit warnen wollen. Lukas dagegen sieht mit der Kirche auf Jesus zurück, um ihre Hoffnung zu bestärken. Markus ist bemüht, dem Glauben in Wort und Tat Jesu und des Geistes ein Fundament zu geben und so der Frage nach Jesus einen festen Anhalt zu verschaffen. Aber diese Tendenzen machen die Eigenart des Stoffs nicht unkenntlich. Es ist für die Sprödigkeit des Stoffs, aber auch für seine Eigenart bezeichnend,
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daß alle drei Evangelisten auch ihre Komposition selber betont zu verklammern suchen, Markus in den Leidensweissagungen Jesu, im apokalyptischen Kapitel und im Petrusbekenntnis, Matthäus darüber hinaus und Ansätze bei Markus weiterführend in Reflexionszitaten und durch sie gestützten Summarien; auch Lukas folgt einem theologisch entworfenen und wie in 4, 21, so in 24, 26 festgemachten Programm. Wirkt sich in alledem zwar der traditionelle Gedanke der zu erfüllenden und erfüllten Weissagung aus, so ist doch nicht zu verkennen, daß jeweils die ganze Evangelien-Komposition wie ein Drama auf die Ebene der Sprache hinaufgehoben wird. Alles, was sich ereignet und ereignen wird, ist zugleich Offenbarung im Wort, auch der Tod und die Auferstehung Jesu. Die äußeren Begleitumstände treten abgesehen von der Passion und dem Anfang des Evangeliums zurück oder bleiben hinter einem Schleier, das Redegut drängt nach vorn; auch die Wundergeschichten zeigen die Tendenz zum Wort hin. Dieser Zug zur Sprache wird im Johannesevangelium durch den Logos-Begriff christologisch unterstrichen, wenn nicht sogar überbetont. Die Evangelien wollen insgesamt als Sprachphänomene gewürdigt sein. Sie sind auch Sprachleistungen von einmaligem Rang (E.Auerbach). Was von den Evangelien gilt, das ist schon vom Urchristentum zu sagen: wie sich die Evangelien literarisch nirgends ganz einordnen lassen, so paßt das Urchristentum in keine soziologische Kategorie hinein. Das Urchristentum ist selbst ein Sprachphänomen. Eben deshalb hat es sich in der neuartigen Stilform des Evangeliums ein Denkmal gesetzt. Auch die johanneische Apokalypse und erst recht die apostolische Briefliteratur sind Schöpfungen einer neuen Sprache, die alles verwandelt, was sie berührt. Sprachliche Assimilation macht sich erst an den Rändern des Neuen Testaments, z. B. in den Pastoralbriefen, und nach dem Neuen Testament bemerkbar, als sich die kirchlichen Institutionen und das kirchliche Dogma zu entwickeln begannen. Mag die ausdrückliche Zusammenfassung des Neuen Testaments zu einem Kanon der Nötigung zur kirchlichen Rechtsbildung zu verdanken sein, die ihrer regula fidei sicher werden wollte, — der Inhalt des neutestamentlichen Kanons war längst gegeben und ragt nun weit oberhalb der Apokryphen wie etwas Fremdes, so nicht mehr zu Bewältigendes in die ganze Zeit nach dem Neuen Testament hinein. Ein Vergleich mit den modernen Leben-Jesu-Romanen könnte den Sachverhalt sehr anschaulich zu Bewußtsein bringen. Auch das Passions- oder das Krippenspiel hat die sprachliche Gewalt Jesu und des Urchristentums nicht eingefangen; von den Möglichkeiten musikalischer Darstellung darf ich hier absehen. Offenbar deckt sich der Inhalt des Neuen Testaments weitgehend mit seiner Form. Wir müssen deshalb fragen, wieso sich die Sache des Neuen Testaments, Jesu Rede von Gott, zwar alsbald übersetzen lassen konnte, sogar übersetzen lassen wollte, aber offenbar gleich mit der ersten Übersetzung als Neues Testament ihr Ziel erreichte. Inwiefern haben wir es hier der Sache nach mit einer neuen Sprache zu tun ?
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Die Antwort liegt nahe. Die im Neuen Testament niedergelegte Sprache des Urchristentums ist eben in erster Linie gar nicht eine dem Urchristentum selbst gehörende Sprache gewesen, die dann in der Folgezeit durch eine andere Sprache hätte ersetzt werden müssen. Ich bezeichnete vorhin auch das Urchristentum als Sprachphänomen. Damit ist gemeint: die neue Sprache diente nicht dem Urchristentum, sondern das Urchristentum war um der neuen Sprache willen da und hatte seinen Dienst getan, als das Neue Testament geschrieben war. Insofern war der Satz, daß sich das Urchristentum in den Evangelien ein Denkmal gesetzt habe, nur ein vorläufiger, uneigentlicher Satz. Wir müssen in dieser Sache umdenken. Jesus sprach vom Reiche Gottes. Es ist nicht wahr, daß statt des Reiches Gottes die Kirche kam. Es ist auch nicht so, daß mit dem Reiche Gottes die Kirche kam. Sondern: D u r c h d a s R e i c h G o t t e s k a m d a s N e u e T e s t a m e n t . Diese These ist nunmehr zu entfalten. Das Mittel dazu wird die im Neuen Testament geleistete theologische Denkarbeit sein. II. Der s p r a c h l i c h e C h a r a k t e r d e r G o t t e s h e r r s c h a f t a) Das Qaddisch bittet: Und er lasse herrschen sein Königreich in euren Lebzeiten und in euren Tagen und zu Lebzeiten des ganzen Hauses Israel bald und in naher Zeit! Amen. (Fiebig.) Brächte das Reich Gottes nicht sogar das E n d e dieser Weltzeit? die Auferstehung der Toten? den Anbruch einer neuen Schöpfung? Macht man sich einer Spiritualisierung der jüdischen eschatologischen Hoffnung schuldig, wenn man sagt, mit dem Reiche Gottes sei das Neue Testament gekommen ? Oder sollen wir vorsichtiger sagen, daß an die Stelle lediglich einer V o r s t e l l u n g von der Zukunft Gottes die Zukunft selbst getreten sei, die sich, sofern sie unsere Existenz gegenwärtig bestimme, eben damit schon als gegenwärtige Macht erweise, so daß das Neue Testament als Beispiel für die Wirkung dieser Macht angeführt werden muß ? Die Gottesherrschaft wäre dann teilweise in Analogie zu der Macht des Todes verstanden. Der Tod kann ja seine Macht auch nur als Zukunft ausüben, während sie zu Ende ist, wenn der Tod eintrat. Das paulinische Taufverständnis sagt aber darüber hinaus den Tod sogar als in Christus schon erledigt an und gibt nun den G l a u b e n daran in die Hand der Zukunft, so daß wir hoffen können, im Glauben jedes Leiden und das Sterben so zu bestehen, daß Christus aus unserem Leben, Leiden und Sterben als Sieger hervorgeht. Wir wissen, daß Paulus dazu überging, die ganze apokalyptische Konzeption der Gottesherrschaft seiner Christusbotschaft dienstbar zu machen. Der Vorwurf einer Spiritualisierung der Reich-Gottes-Erwartung kann aber dem Apostel schon deshalb nicht gemacht werden, weil der zentrale paulinische Begriff, das Pneuma, keineswegs spiritualistisch gedacht ist. Im Gegenteil! Das für Paulus mit der Gottesherrschaft durchaus verbundene Pneuma besagt für den Apostel, daß sich der christliche Glaube schon innerhalb der Gottesherrschaft bewegt. Diese Bewegung
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des Glaubens ist mit den Machtwirkungen der Gottesherrschaft sogar identisch, so daß dort, wo der Glaube wirksam wird, in der Liebe, sofort Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste als die Kräfte der Gottesherrschaft um sich greifen und, wie die paulinischen Charismen zeigen, auch Wunder tun. Dem steht die mit dem Glauben ebenfalls verbundene Gewissenserfahrung nicht entgegen. Der paulinisch verstandene Glaube hält sich zwar innerhalb der Gewissenserfahrung, weil er nur in der Gewissenserfahrung als Glaube an Gottes Gnade zustande kommt, so daß der Mensch im Glauben immer auch gegen sich selbst steht. Aber die in der Gewissenserfahrung als überwundene präsenten Mächte der Vergangenheit sind ja die Macht des Fleisches, der Sünde und des Todes. Diese Mächte sind ihrerseits Weltmächte, so daß sich der diese Mächte als überwunden bezeugende Glaube immer zugleich auf die Welt selbst auswirkt. Es ist ein Fehler des positivistischen Psychologismus, daß er die Glaubensaussagen über die Weltmächte nur als D e u t u n g e n der Welt auffaßt, so daß er gezwungen ist, die in der Gewissenserfahrung unbestreitbar gegen uns aufstehende M a c h t nur als die nach innen, in das Bewußtsein gekehrte Macht der Sinnlichkeit zu verstehen und so die Macht der Welt auf die Sinnlichkeit einzuschränken. Dem steht aber schon jedes tiefere Verständnis der Angst als einer existentiellen Bestimmtheit durch die Seinsart der Welt (der Vergänglichkeit) entgegen. Im paulinisch verstandenen Glauben weicht man der Erfahrung des geängsteten Gewissens nicht aus, sondern man geht in sie hinein, so daß Furcht und Zittern zu Glaubenserfahrungen werden. Weil der Glaube die Gewissenserfahrung im Horizont der Welterfahrung durchsteht, begnügt er sich nicht mit irgendeiner Reue oder einem Schuldgefühl, sondern der Glaube v e r g e g e n w ä r t i g t die Nichtigkeit der Welt im Gewissen. Deshalb überspielt der Glaube das Gewissen nie, sondern er respektiert das Maß an Kraft, das jeder der Nichtigkeit der Welt im Glauben als eigenes Bewußtsein entgegenzusetzen vermag. Der Macht der Angst tritt die je konkrete Freiheit zu einem bestimmten Verhalten entgegen, so daß einer des andern Bruder und Hilfe wird. Der Kampf mit der Welt wird nicht leichter oder abstrakter, sondern ernster, konkreter, wenn er im Gewissen ausgefochten wird. Und es ist auch deutlich, daß der Christenmensch leicht als Verlierer daliegen kann, wenn Christus der Gewinner sein soll. Christen müßten sogar bis in die Arena hinein das Vorbild der guten Verlierer werden können, meint Paulus. Es ist höchst beachtlich, daß dieser Kampf des Glaubens nicht etwa die Welt neutralisiert, — es sei denn, man spräche in anderem Zusammenhang von einer Ethik der Neutralität —, sondern daß er die Welt weit eher komprimiert. Der Glaube muß seinen Kampf mit der Welt sogar stets neu beginnen, weil nicht er, sondern sein Herr der Sieger sein soll. Deshalb sieht er sich in seinem Kampf mehr und mehr auf desselben Gottes Werk angewiesen, das schon den Glauben in uns ermöglichte. Das vollkommene Ende wäre ein „geistlicher" Leib, ein Dasein, das den um der Sünde willen dann „toten" Leib, also seine Vergangen-
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heit, völlig befreit hinter sich gebracht hätte. Das ist existentiell in dieser Welt nicht möglich, in welcher man sich vielmehr kämpfend auf das Ziel zu bewegen muß. Trotzdem bleibt der Mensch im Glauben nicht nur mit sich selbst konfrontiert. Paulus weiß sich vielmehr dem Herrn überantwortet. Hier erscheint nun die S p r a c h l i c h k e i t der paulinischen Existenz. Das gesamte Wirken Gottes hat sich für den paulinischen Glauben sprachlich auf den N a m e n Jesu Christi und damit auf die Person des H e r r n Christus konzentriert. Für den Theologen Paulus entsteht an dieser Konzentration des Wirkens Gottes auf den Herrn Christus Jesus die Aufgabe, Jesu Herrschaft im Blick auf alles, t& ttocvtoc, auszusagen. Dieser Aufgabe entledigt er sich aber im wesentlichen nicht durch Theoreme, obwohl Paulus die traditionellen, dem Israeliten und der Urgemeinde geläufigen Lehraussagen noch verwendet. Paulus bemüht sich vielmehr darüber hinaus, die menschliche Existenz selbst neu auszulegen. Das Mittel dazu ist für ihn das Gesetz. Es ist nicht richtig, daß der paulinische Christ immer noch der Mensch u n t e r dem Gesetz sei. Er erfüllt zwar Gottes Gebote, aber er tut das in Freiheit, sei er nun in der Welt Sklave oder ein Herr. Das als Liebe verstandene Gesetz Gottes wird dadurch selbst zum Instrument der Freiheit. Das Gesetz d i e n t dem Christenmenschen, so daß jeder das will, was Gott tut, und dorthin sät, wo G o t t die Ernte schickt, während der Mensch vorher nicht tat, was Gott wollte. Christi Herrschaft ist dehalb für Paulus allerdings an der konkreten Erfüllung der Gebote ablesbar. Was daran noch fehlt, wird sich in der Gemeinde der Glaubenden als Leiden nur indirekt, aber an der Welt als Gericht direkt auswirken, so daß am Ende gerade Gottes Gesetz triumphieren wird. Nun sagt Paulus freilich, wer im Geist lebt, der solle auch im Geist sein Leben führen. Aber dieser Imperativ wirft den Glaubenden nicht unter das Gesetz zurück, sondern spricht ihm seine Freiheit aufs neue zu. Denn der Geist, in welchem der Glaube sein Leben führt, ist der Geist, in welchem man Gottes Gesetz als das von Gott selbst in Christus durchgeführte Gesetz vor Augen behält. Gott wird sein Gesetz auch in Zukunft, aber nun nicht mehr gegen uns, sondern uns zugute, mit Christus, durchführen. Das tägliche Verderben des alten Menschen schafft jetzt die Kontinuität des neuen Menschen, bis Gott alles in allem sein, d. h. Gottes Herrschaft die einzige Herrschaft in allem sein wird. Diese höchst lebendige Auffassung von der Gottesherrschaft als einer geschichtlich schon wirksamen Macht bestimmt die paulinischen Aussagen durch und durch, vor allem im konkreten Dank und in der konkreten Bitte. Das Reich Gottes ist noch bei Paulus ohne das G e b e t überhaupt nicht denkbar. Erweist es sich aber nicht schon dadurch als ein seinem Wesen nach zu Wort kommen wollendes Phänomen ? b) Auch bei J e s u s gehört die Gottesherrschaft zum Gebet. Mag das Vaterunser so, wie es von Matthäus und Lukas wiedergegeben wird, als Gemeindegebet formuliert worden sein — daß dieses Gebet Jesu Haltung widerspiegelt und voraussetzt, läßt sich schwerlich bestreiten. Zwar
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schwingt in der 5. Bitte, die sich bei Matthäus und bei Lukas findet, ein gesetzlicher Akzent mit, den Matthäus sogar unterstrich. Aber die Beziehung zum Gesetz ist dennoch auch hier wie bei Paulus lediglich auf die Probe gestellt. Das Vaterunser ist ein eschatologisches Gebet. Es erwartet die Gottesherrschaft, es ruft sie aber auch her und setzt sie damit praktisch schon im Heute voraus. Gewiß, die Gottesherrschaft wird wie beim Täufer so auch von Jesus als die nahe herangekommene Macht mit der Mahnung zur Umkehr eingeschärft, weil auch Jesus die Umkehr mit dem Blick auf ihre Nähe motiviert. Dabei wird freilich zu beachten sein, daß der Ruf zur Umkehr ja an diejenigen ergeht, die dem Gericht nicht anheimfallen sollen. Gottes Gericht und die Forderungen des Gesetzes sind auch bei Jesus zu unterscheiden. Wendet er sich gegen den Mißbrauch des Gesetzes, so doch keineswegs gegen das Gesetz selber, das er in Gottes Namen sogar neu formuliert. Jesus weist das ex opere operato ab, aber nicht den Glauben, daß Gott belohnt. Er kennt die dem Gesetz mitgegebene Freude an Gott. Was Jesus eigentlich will, ist diese Freude. Aber solche Freude ist Geschenk, man kann sie nicht lehren. Setzt sich Jesus mit bußfertigen Zöllnern und Sündern zusammen, so nimmt er mit diesem Verhalten freilich eine Vollmacht in Anspruch, die vom Gesetz zwar nicht unter allen Umständen verboten, aber auch nicht gewährt wird. Unbestreitbar hat Jesus sogar heilen können und Macht über Besessene erlangt. Für uns und angesichts einer kritisch gesichteten Tradition äußert sich Jesu Vollmacht vor allem in seiner S p r a c h e , in seinen von anderen kaum erreichten Gleichnissen und in seinen pointierten Logien. Die moderne Stiluntersuchung der Gleichnisse hat zur Abwehr der Allegorese und zum Grundsatz der Unterscheidung von Bildhälfte und Sachhälfte geführt. Dennoch ist Jesu Sprache nicht in erster Linie nach künstlerischen Gesichtspunkten zu werten. Ihre Bilder stammen mit Vorliebe aus dem Alltag eines ländlichen Lebens, aber sie sind nicht provinziell gedacht, sondern fast immer paradox zugespitzt. Dadurch wird man leicht dazu verleitet, Jesu Verständnis der Gottesherrschaft ebenfalls als ein paradoxes aufzufassen. Nichts wäre verkehrter. Wir haben auf das sprachliche Wagnis dieser Bildsprache zu achten, mag sie formal auch die Bildworttechnik des semitischen Sprichworts weiterentwickeln. Nicht das Bild selbst, sondern sein Daß, seine implizite Anwendung ist gewagt I Jesus geht in seinen Parabeln und Gleichnissen nicht nur von dem Gedanken der Gottesherrschaft aus; es ist auch gleichgültig, ob er die Gottesherrschaft dabei ausdrücklich nennt oder nicht. Er beteiligt die Zuhörer vielmehr durch dieses Vorgehen, durch die völlig deutliche Bildwahl, an seiner eigenen Vollmacht, obwohl er doch wissen muß, daß und worin er sich von ihnen unterscheidet. Aber es ist bezeichnend, daß Jesus seine Zuhörer nicht etwa an der ihm persönlich vorbehaltenen Erfahrung mit der Gottesherrschaft beteiligt, sondern daß er nur diejenigen Erfahrungen mit ihr gelten läßt, die alle miteinander machen können, wenn sie auf ihn hören. Indem er Bilder der Entschlossenheit, des Wagemuts,
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der Naturkraft, der gewissen Belohnung, der Überraschung, des unerwarteten Ausgleichs zeichnet, weckt er Zuversicht zu Gottes Tun. Jesus will, daß seine Zuhörer mit alledem die Freiheit bekommen, nun auch ihrem Nächsten neu zu begegnen. Aber er weiß, daß dieses Verhalten nur mit Gott, nicht gegen ihn gewagt werden kann, so wie der Bauer nicht gegen die Natur, sondern mit ihr arbeiten muß, wenn er der Natur etwas abgewinnen will. Die Gottesherrschaft hebt also mit einer neuen Einstellung des Menschen an, in einer Umkehr, die der Sprache Gottes mächtig wird, so wie der Bauer durch seine Arbeit der Natur mächtig wird. Die Gottesherrschaft ist schon da, weil diese Sprache möglich wurde. Sie bewegt den Menschen dazu, nunmehr Gott und dem Menschen gerecht zu werden, indem einer den andern wie die Syrophönizierin beim Wort nimmt. Nur so kann ja ein unter Menschen verbindliches Wort gewagt werden. Deshalb ist Jesu Sprache so natürlich und unbefangen, bald kritisch, bald voll Zuspruch, überlegt und doch ohne jede einschränkende Bedingung, entschlossen, Gott dadurch Meister sein zu lassen, daß zwischen Menschen volle Klarheit herrscht. Dergleichen kann nur in völliger Freiheit vor sich gehen. So ist Jesu Sprache vor allem ein Zeugnis seiner Freiheit. Diese Freiheit konnte ihrem Wesen nach so wenig auf ihn allein beschränkt bleiben wie das Pneuma des Apostels auf Paulus. Das vierte Evangelium hat Jesu Freiheit auch terminologisch zum Ausdruck gebracht. Obwohl mit einem starken Einfluß der Täuferbewegung auf Jesu Jünger und Anhänger zu rechnen ist, ist der Unterschied zwischen Jesus und dem Täufer bedeutend genug. Jesu Gerichtsverkündigung ist nicht etwa die Vorstufe zu seiner Freiheit (auch die Gerichtsverkündigung des Täufers darf übrigens nicht so aufgefaßt werden), sondern Jesu Gerichtsverkündigung ist die Konsequenz aus einer Freiheit, die freilich das Vermögen eines prophetischen Charismatikers weit übersteigt. Die Schärfe seiner Gesetzesinterpretation mag sich zwar dem Bewußtsein verdanken, daß Gottes Tun keine Halbheiten zuläßt. Ist sie polemisch zugespitzt, so wendet sie sich offenbar gegen törichte Einwände. Aber sogar die zugespitzten Antithesen der Bergpredigt sind doch eigentlich nur Bildhälfte und haben insofern dialektischen, didaktischen Charakter, als sich ja ein anderes Verhalten als das von Jesus z. B. gegen den Feind ins Auge gefaßte für die Liebe überhaupt nicht mehr lohnt. Jesus hat weder einer Interimsethik noch überhaupt einer Ethik das Wort geredet. Er denkt nicht daran, dem Menschen in die Windungen seiner Praktiken zu folgen. Ihn kümmert ganz allein das Neue selbst, wie es zwischen den Menschen Ereignis werden will (G. Bornkamm). Wer die Gottesherrschaft kennt, der bedauert die, welche ohne sie auskommen wollen, und widersteht denen, die sie leugnen oder verunstalten und mißbrauchen. Was ist es nun um das Wesen dieser Gottesherrschaft, wenn sie bei Jesus als Freiheit erscheint und in Freiheit gehütet und angeboten wird ? Sie trägt wie angedeutet auch bei Jesus die Züge des Phänomens, das bei Paulus als Pneuma angesprochen ist, also die Züge der Macht über alles das, was dem Menschen sonst unverfügbar bleibt. Wenn das Wort
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Glaube von Jesus wirklich gebraucht wurde, so ist die Rede vom bergeversetzenden Glauben die Jesus immer noch angemessenste. Aber es geht beim Glauben Jesu nicht um Macht überhaupt, etwa im Gegensatz zu irgendwelcher Ohnmacht, sondern um die Macht Gottes, die jetzt ins alltägliche Leben des Menschen hineingeht. So wie sich im literarischen Evangelium das von Gott gestellte neue Thema des Lebens und Sterbens Jesu mit der Sprache des Volkes verband, so verband sich auch für Jesus selbst Gottes Macht mit dem Alltag. Hier liegen die Akzente vom Auftreten Jesu. Weil die damals maßgebende jüdische Theologie den Alltag zugunsten sakraler Illusionen preisgab oder sich in Rechtspraktiken verwickelte, wandte sich Jesus gegen die Unart der Schriftgelehrten auf Moses Stuhl. Und sofern die Apokalyptik an Garantien für die Zukunft interessiert war, widersprach Jesus in der Tat ihrer arithmetischen Phantasie. Dennoch war Jesus nicht einfach ein Volksmann. Aber er hielt sich an die Bedingungen, die gelten, wenn Gottes Herrschaft eine Sache des Volkes sein sollte. Wir können an dieser Stelle Parallelen beiziehen: Jesus machte die Sache Gottes ganz zur Sache des freien Worts, während Sokrates in den Gedanken ausweichen mußte. Jesu Wort gewinnt seine Autorität nicht erst an seinen Bildern und Vergleichen, auch nicht wie Paulus an der Diskussion über das Gesetz oder wie Piaton an der Macht der Idee, sondern zuvor und ursprünglicher am Phänomen des R e c h t s selber, das ein Mensch dem andern und damit Gott schuldig ist (E. Käsemann). Das Recht beschränkt sich nicht auf Güter, wie beim Erbrecht, sondern es meint den Menschen selbst. Eben deshalb verbindet es sich bei Jesus stets mit dem freien Wort. Es ist nicht nur wie bei den Griechen und dann auch in der Urgemeinde das Recht auf das freie Wort, sondern das Recht, das mit dem freien Wort kommt und geht wie Sonnenschein und Wind oder Regen. Wer darauf achtet, sieht ein, daß Jesu Wort eigentlich ein Recht schaffendes Wort ist, dem freilich in dem Augenblick Gewalt angetan war, als es in Rechtsvorschriften für die Gemeinde verwandelt wurde. Das Recht, das von Jesu Wort geschaffen wird, ist in Wahrheit das freie W e s e n der Gottesherrschaft, Gottes Spruch im Heute. Hier wächst der Mensch seiner Bestimmung entgegen, Gottes Ebenbild in Freiheit zu sein. Daher ist Gottes Macht oder Recht bei Jesus Vollmacht zur Freiheit. Die Freiheit Jesu bewährt sich als das Wort, das Gott bei den Menschen und den Menschen bei Gott ins Recht setzt. So kommt es, daß Jesus alles an sein Wort wagt. Er läßt sich nicht zum Schweigen bringen. Daher wird die Gefahr um ihn herum wohl immer größer geworden sein. Aber Jesus kümmert sich darum nicht. Auch um den theologischen Ausgleich seiner Terminologie sorgt er sich nicht, zumal er auf echt jüdische Weise den Vergleich oder das Bild vor dem Begriff bevorzugt. Gottes Herrschaft erschöpft sich bei Jesus weder in einer Vorstellung noch in einem Begriff, sondern sie ist, wo sie ist, sei es im Himmel, sei es auf Erden. Wer sie kennt, wird erst recht um sie bitten. Er bittet dann Gott um das Wort. Es geht bei Jesus nicht um den homo coram Deo, sondern um ein Deus cofam homine.
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E r n s t Fuchs III. Die S p r a c h e u n d die T h e o l o g i e des G l a u b e n s
Nehmen wir jetzt wieder das Neue Testament als ein einheitliches Ganzes in den Blick, so dürfte deutlich geworden sein, daß es eine Kurve beschreibt, die sich freilich nicht mehr mit seinen literarischen Anfängen deckt. Diese Kurve geht historisch von Jesu Wort aus und geht im Evangelium literarisch zu Jesu Wort zurück. Auf diesem Wege passiert Jesu Wort die Ebene der Theologie des Urchristentums oder, inhaltlich gesprochen, der Theologie des Glaubens. Die ersten Glaubensformeln bezeichnen Jesus als Gegenstand des Glaubens, während Jesus selbst nur Glauben an die Macht des Wortes gefordert hatte, des Wortes, das er selber sprach und anbot, weil es Gottes Spruch im Heute war. Nunmehr wird also Jesus selbst zum Wort, das der Glaube glaubt und spricht, indem er es bekennt (R. Bultmann). Aber dabei bleibt es nicht. Jesu Wort bringt sich noch einmal in den Evangelien zur Geltung. So erleben wir das eigentümliche Schauspiel, daß Jesus und sein Wort im Neuen Testament miteinander zu konkurrieren scheinen. a) Im Vordergrund steht zunächst das Bekenntnis zu dem Jesus, der für uns starb und auferweckt ist (¿ynyepTai). Dieses Bekenntnis hat seinen Akzent auf dem pro nobis. Mit dem pro nobis wird Gottes Recht als Gnade zum Menschenrecht auf Glauben proklamiert. Das Menschenrecht des Glaubens ist die Freiheit zum Glauben. Die ihr gemäße Theologie des Glaubens wird zwar erst von Paulus entfaltet. Aber der Kern dieser Theologie, eben die Freiheit zum Glauben, vereinigt das gesamte Urchristentum. Zweifellos ist die Freiheit zum Glauben nicht nur als Freiheit zum Bekenntnis, wie es in der Taufe abgelegt wurde, sondern weit darüber hinaus als Freiheit zum Wort verstanden worden. Sie war nicht irgendeinem Amt vorbehalten, obwohl es von Anfang an als bevorzugt anerkannte Zeugen des Glaubens gab, wie auch Paulus erkennen läßt. Während die Theologie des Glaubens ein charismatisches Produkt der Frühzeit war, erscheinen die Ämter, die dann für Lehre und Disziplin sorgen, erst spät im Neuen Testament. Jedoch, die Kennzeichnung der Theologie des Glaubens als eines charismatischen Werks verrät noch nichts über die Notwendigkeit einer derartigen Theologie. Weder das urchristliche Bekenntnis zu Jesus noch der an diesem Bekenntnis orientierte Glaube hatten die Entstehung einer judaistischen Bewegung und einer spekulativen Gnosis verhindern können, die sich beide, sogar mit einem liturgischen Akzent, verbinden mochten. Gegen sie wurden die paulinischen Briefe, später der Kolosserund der Epheserbrief, aber wohl auch die großen Evangelien geschrieben, die Jesu Wort wieder in den Vordergrund rückten. Der Unterschied zwischen den Synoptikern auf der einen, Johannes auf der andern Seite macht die Verlegenheit deutlich, die von der Theologie des Glaubens bewältigt werdenmußte und doch nurgrundsätzlich bewältigt werdenkonnte. Es genügte eben nicht, einfachan Jesu historisches Wort zu erinnern. Was besaß denn der Glaube am Glauben ? DieFrage wurde empfunden. Sie wurde
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auch beantwortet und führte so die Kehre von Jesus zu Jesus herbei. Denn es gab ja ein Maß des Glaubens. Dieses Maß war in der Tat Jesus selbst. An diesem Punkt haben sich auch in unseren Tagen die Geister geschieden, obwohl die Scheidung genau genommen nicht recht einleuchten will. Der Streit um die Entmythologisierung wurde nicht zu Ende gedacht, weil die Prämisse auf beiden Seiten zu ähnlich blieb. Ich meine den Begriff der H e i l s t a t s a c h e , der sich noch bei Bultmann findet. Wer an diesem Begriff festhält, der sollte zeigen können, wie sich Heilstatsachen mit dem Phänomen eines ursprünglich nur im mündlichen Bereich sich ereignenden, Recht schaffenden Worts vereinigen lassen. Der Begriff der Heilstatsache begünstigt die Konzentration der theologischen Aussagen und dann auch der Verkündigung auf das Bekenntnis zum Tode und zu der Auferstehung Jesu. Neutestamentlich formuliert geht es dabei um den Begriff des A u g e n z e u g e n (H. Conzelmann; M. Barth). Auch dieser Begriff schränkt die theologischen Aussagen und ihnen zufolge die Verkündigung auf dasjenige Minimum ein, für das Augenzeugen einstehen können. In den johanneischen Schriften ist die Gefahr erkannt. Aber schon in der durch Paulus 1. Kor. 15,1—11 aufgenommenen Tradition zeigt es sich, daß die Botschaft der Augenzeugen durch Schriftaussagen bereichert werden mußte. Es ist merkwürdig, daß gerade der Augenzeuge den historischen Jesus zurückdrängt. Wir müssen neu ansetzen. Die frühesten Glaubensformeln wurden erst in den kerygmatischen Stücken der Apostelgeschichte mit dem historischen Jesus kombiniert. Die Rede von der Auferweckung Jesu von den Toten dürfte anfänglich einen viel umfassenderen Sinn gehabt haben, als wir unter dem Einfluß der Kategorie der Heilstatsache oder des Augenzeugen, man könnte vielleicht auch sagen: unter dem Einfluß des Petrus meinen. Noch in der Darstellung von 1. Kor. 15, 5—8 zeichnet sich sozusagen eine Kettenreaktion von apokalyptischen Erfahrungen und eine eschatologische Wertung (des Todes und) der Auferstehung Jesu ab, die in einen wesentlich anderen Zusammenhang hineinweisen. Wer von einer eschatologischen Enttäuschung zu reden wagt, der sollte prüfen, woran er diese Aussage anknüpfen will. Ihr Anknüpfungspunkt muß nicht von vornherein der historische Jesus sein. Sehr wohl aber hat man zu urteilen, daß die apokalyptischen Hoffnungen oder besser Erfahrungen dieser Frühzeit in der Tat zusammengebrochen sind, mögen sie auch in dem schwärmerischen Bewußtsein eine Fortsetzung gefunden haben, gegen welches dann die Theologie des Glaubens kämpft. Wie bei der Präzisierung der Herrnmahlliturgie, so hat die Theologie des Glaubens auch im Blick auf den Tod Jesu und seine Bedeutung für den Glauben unter dem Zwang der Antithesen zu Konsequenzen geführt, die im Ergebnis nicht kritiklos übernommen werden dürfen. Denn die eigentliche Intention dieser Theologie ist eine andere, wie wir sofort sehen, wenn wir wieder auf das Ganze blicken. Die paulinische und die johanneische Theologie des Glaubens bewegen beide den Glauben in die Existenz hinein. Warum tun sie das ? Weil beide gegenüber aller schwärmerischen Erlebnisfreudigkeit an Jesu Freiheit
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festhalten. Als Paulus der Gemeinde in Korinth die Freiheit zum Glauben klarmachen mußte, reiste er lieber ab und begab sich in eine allen sehr genau bekannte Todesgefahr, die durch die Reise noch vergrößert wurde, wie er später gesteht, als daß er der Gemeinde seine persönliche Autorität aufgenötigt hätte. Und von Johannes können wir vielleicht so viel sagen, daß er das Evangelium lieber ganz neu schrieb, als daß er den Glauben einer traditionell gewordenen Institution überlassen hätte, die gegen ihre Schwärmer nicht mehr aufkommen konnte. Zwischen dem Schwärmertum und einer die Vollmacht zum freien Wort verlierenden Tradition sucht die Theologie des Glaubens ihren Weg mit Jesus selbst zu gehen. b) Damit kehrt der Einwand der Spiritualisierung noch einmal zu uns zurück. Ist der Jesus, mit dem die Theologie des Glaubens gehen will, nicht notwendig ein spiritualisierter Jesus ? Es scheint doch, als würde der Herr bei Paulus eben zum Geist, zwar zur Macht, aber zur Macht vornehmlich des Glaubens ? In der Tat, das wäre ein Einwand, wenn die Theologie des Glaubens nicht auf der ganzen Linie Kreuzestheologie wäre. Wir können jetzt auch den Hebräerbrief bei unseren Erwägungen berücksichtigen. Wo es darum geht, daß der Glaube wie Abraham gehorcht, weil er im Finstern geht, oder anders ausgedrückt, weil und obwohl der Kampf mit der Sünde, mit dem Unglauben, immer brennender wird, da wird Jesus allerdings selbst zum Sinnbild des Glaubens und seiner Macht. Man darf über der Gefahr einer Verflüchtigung der sichtbaren, nach außen wirksamen Bezüge des Glaubens die viel größere Gefahr der falschen Objektivierung der Person Jesu nicht übersehen. Jesu Subjektivität ist in bezug auf den Glauben die Objektivität des Geistes und der Wahrheit. Die urchristliche Theologie des Glaubens hat sich nicht damit begnügt, in Jesu Kreuz ein Sinnbild des auf sein Recht haltenden Gottes vorzustellen. Paulus begnügt sich bei seinem Rechtfertigungsverständnis nicht mit den Mitteln der juridischen Schriftexegese. Und Johannes greift radikaler als der Hebräerbrief zu einer Sprache, die von keiner traditionsgebundenen Schriftexegese erschüttert werden kann. Die Beziehungen zwischen dem Alten Testament und der Theologie des Glaubens sind nicht so harmlos, daß sie mit einem Mehr oder Weniger an Allegorese ausgeglichen werden dürften. Wo Geschichte zustande kommt, da ist die Sprache nicht mehr nur ein Instrumentar für alle möglichen Sinndeutungen, sondern da wird die Sprache selbst weltbildend und weltzerstörend zum Ereignis. Diejenigen, die von der Erfüllung der Weissagung ausgehen, stehen zwar formal der neutestamentlichen Theologie des Glaubens näher. Man muß sich nur davor hüten, diese Einsicht mit Hilfe des mangelhaften Begriffs einer G e s c h i c h t s t h e o l o g i e zu belegen. Denn dieser Begriff .schützt noch nicht vor der geheimen Skepsis, die gerade die Theorie von der Erfüllung der Weissagung umwittert. Die Theorie kommt aus dem Judentum. Sie wird in der Theologie des Glaubens modifiziert, und das gerade dadurch, daß man sich die Weissagungen herausgreift, deren Erfüllung behauptet werden soll. Der Glaube entscheidet sich dabei für
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dasjenige Wort, das mit den Erfolgen des Glaubens übereinstimmt. Der Hauptfehler der Diskussion unserer Tage scheint mir zu sein, daß der Glaube aus dem Z w e i f e l interpretiert wird. Statt dessen muß man davon ausgehen, daß der Glaube e r f o l g r e i c h ist. Nicht Enttäuschungen, sondern die Erfolge des Glaubens bringen die Theologie des Glaubens hervor. Der Glaube macht Erfahrungen des Glaubens. Wer diese Erfahrungen kennt, sieht aber leicht, daß auch die tiefere G e f a h r des Glaubens nicht in seinem Mißerfolg, sondern gerade in seinen Erfolgen liegt und aus diesen Erfolgen erwächst. Hier steckt die Wurzel wie des Schwärmertums, so der Gesetzlichkeit. Denn die Erfahrungen des Glaubens schlagen unvermeidlich auf den Glauben zurück und verwandeln ihn fast immer in ein den Glauben aufhebendes und dann bald nicht mehr zureichendes Schauen. Das hat die Theologie des Glaubens erkannt. (In dieser Sicht gewinnen die apokalyptischen Restaussagen bei Paulus neues Interesse. Sie verhindern immerhin, daß der Glaube schon ins Schauen umschlägt. Das Gleiche gilt für das noch eschatologisch verstandene Sakrament.) Sogar die Erfahrungen mit Jesus konnten dem Glauben in Zukunft im Wege stehen. Jesus wußte sehr wohl, warum er seine Zuhörer nur an diejenigen Erfahrungen wies, die sie mit seinem Worte machen werden. Von seinen ihm eigenen Erfahrungen hat er geschwiegen. Der Glaube braucht um seiner selbst willen einen diakritischen Punkt, an welchem er als Glaube zu sich selbst zurückgerufen wird. Dieser Punkt ist in der Theologie des Glaubens der Todesgehorsam Jesu. Jesu Todesgehorsam liegt zwar nicht so auf der Waage, daß er den Ungehorsam der Sünder aufwöge. In diesem Sinne liegt vielmehr Jesu Tod selbst auf der Waage. Aber die ihn derart objektivierende Einschätzung des Todes Jesu darf nicht dazu verführen, daß wir vom Verhalten des historischen Jesus absehen. Jesus wird selbst zumMaß des Glaubens, weil sein T o d e s g e h o r s a m dieses Maß ein für allemal illustriert hat, ob man ihn nun mit der Tat des Präexistenten zusammensieht oder nicht. Wer an Jesus glaubt, der überliefert den Glauben eben nicht an die eigenen, noch so unerhörten Erfahrungen, sondern er blickt auf Jesu Verhalten, auf Jesu Freiheit, auf Jesu Freiheit zum Wort. Gewiß, die Freiheit des historischen Jesus hat sich in hymnischen Liedern zum Lob seines Verhaltens, seines Gehorsams, seiner Liebe verdichtet. Aber gerade die Lieder sind selber als Sprachgefüge ein Zeugnis dafür, daß die Freiheit zum Wort wichtiger ist als jede erfahrene Freiheit, weil der Glaube Zukunft hat, während die Erfahrung die Zukunft verliert. Sogar Jesu Worte werden in den Evangelien ebenfalls zum Sinnbild seines Verhaltens, zum Sinnbild seiner F r e i h e i t zum Wort, zum Sinnbild des Glaubens, so daß auch sie an Rang und Würde mit den Christushymnen nicht selten konkurrieren. Was sich uns anfänglich als Konkurrenz Jesu mit seinem eigenen Wort darstellte, das erweist sich jetzt als ein höchst sachgemäßer Zirkel: der Glaube bringt sich als Freiheit zum Wort hervor, die Freiheit zum Wort bewirkt sich als Glaube. Wer an Jesus glaubt, der will im Glauben bleiben. Was ihm in solchem Glauben ge3
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schenkt wird, das i s t die Freiheit zum Wort, die er an Jesus wiedererkennt, so daß er sich im Glauben mit Jesus verbunden weiß. Die Freiheit des Glaubens greift nicht in Gottes Wirken ein, sondern sie hält sich an die ihr jeweils gegebene Freiheit zum Wort. Das Wort des Glaubens bleibt wie bei Jesus das Wort des Rechts, das Gott dem Menschen gibt und das der Mensch dem Menschen schuldet. Sind wir in diesem einen Stück Mitarbeiter Gottes, so wird uns Gottes Wirken um so gewisser. Der Glaube will wie Jesus, was Gott tut. Und Gott will, daß wir auf diese Weise glauben. Der Glaube vertraut dann in der Freiheit zum Wort ganz auf Gottes Wirken, wie Abraham, und er beschränkt sich darauf, zu sagen, was recht ist, wie Jesus. Aber in diesem Stück ist der Glaube nun ganz frei. Nimmt der Glaube das Wort, so teilen sich die Schleier, und die Herrschaft Gottes erscheint. — Die T h e s e lautete, daß mit dem Reiche Gottes und durch das Reich Gottes das Neue Testament gekommen sei. Ihre Wahrheit hängt davon ab, ob der Glaube im Neuen Testament wirklich das Wort nahm. Das Neue Testament lehrt uns im Blick auf Jesus, daß die Freiheit des Glaubens die Freiheit zum Wort ist. Jetzt kommt es darauf an, ob der Glaube auch bei uns das Wort nehmen wird. Das Neue Testament schickt uns die Verantwortung für die Freiheit des Glaubens zu, es nimmt sie uns nicht ab. Es will nicht, daß wir das Wort ihm überlassen, sondern es will, daß wir selber das Wort nehmen, wie Jesus das Wort nahm. So bleibt das Neue Testament in seinen für es charakteristischen Aussagen ein selbständiges Sprachphänomen. Und weil es dasjenige Wort meint, das in der Freiheit zum Wort Ereignis wird, hält es uns bei einem Sprachverständnis fest, für welches das Wort den Gewinn der Freiheit und die Freiheit den Gewinn des Worts bedeutet. Der Glaube nimmt das Wort, wenn wir dieser Sprache folgen und von der Freiheit zum Wort Gebrauch machen. So gilt: der Glaube verdankt sich dem Wort, das Wort ergibt sich dem Glauben. Das Wort geht aber nicht in den Glauben über! G o t t entbindet den Glauben als Freiheit zum Wort, Er entbindet den Menschen im Wort zum Menschsein. Aber der Mensch hat dann Gott im Wort. In der Freiheit zum Wort berührt sich der Mensch mit Gott. Ein Austausch findet statt: Gott gibt dem Menschen im Wort teil an der Freiheit, der Mensch gibt Gott sein Menschliches, sein Sterbliches hin. Denn wohl ist der Mensch für seine Freiheit zum Wort verantwortlich, weil das Wort Ereignis werden will. Aber die Macht und das Gewicht des Recht schaffenden Worts bleibt beim Wort und geht nicht auf den Menschen über. Wohl ist der Mensch selbst gemeint. Aber es ist Gott, der ihn meint und trifft, wenn das freie Wort Ereignis wird. Nur aus diesem Grunde verbindet sich das Wort im Neuen Testament mit dem Sakrament. Denn im S a k r a m e n t will sich genau die Freiheit ereignen, in welcher der Mensch am Wort teil hat, in welcher aber zugleich klar wird, daß Gott selbst für das Wort der Freiheit einsteht. So greift das Wort über das Sein der Lebenden hinaus. Es gibt ja auch kein Recht, das die Toten
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abschreiben dürfte. W i r verstehen j e t z t vielleicht, warum das W o r t im Neuen Testament zum Worte J e s u zurückdrängt. Dieses W o r t ist, weil es ganz nur W o r t ist, noch nicht voll eingelöst, seine Freiheit begnügt sich nicht mit den Anfängen im Alltag, sondern es wartet auf die Stunde, in welcher G o t t das Recht des Wortes einlöst, das wir einander schuldig sind und doch nie ganz geben können. Unsere Verantwortung für die Freiheit zum W o r t erweist sich jetzt als das Pfand dafür, daß Gott seine Gottheit vor dem Menschen zu verantworten gedenkt. Jesus wartet auf die Stunde, in welcher der Mensch Gott Recht geben m u ß , ob einer will oder nicht. W e r in Jesu Art glaubt, der weiß das. Unser W o r t kann nichts anderes sagen wollen als J e s u W o r t : daß wir uns Gottes freuen wollen. E s bleibt im Neuen Testament beim W o r t , weil das Neue Testament weiß, aus Erfahrung weiß, daß das W o r t Recht bekommt, hier im Glauben, dort im Schauen, weil es das W o r t der Freiheit ist, die nur noch den Unterschied zwischen Gott und dem Menschen als verbindlich anerkennt. Gott ist uns nirgends näher als im W o r t . Deshalb werden wir ihm am nächsten sein, sobald a l l e s nur noch auf das W o r t ankommt. Davon spricht das Neue Testament. Anmerkung: Die Diskussion veranlaßte mich, das Referat mündlich wie folgt zu ergänzen: 1. Auch im Neuen Testament hat man zwischen der Sprache und den Sprachen zu unterscheiden, weil z. B. auch innerhalb des griechisch vorliegenden Neuen Testaments Sprachverfremdungen eintreten, die nicht wenige Worte ihrem mitgebrachten Zusammenhang entreißen und sie zur vox theologica machen. 2. Das Phänomen der Sprache birgt die Frage, wie sich das Wort zum Sein verhält. 3. Reduziert man die Sprache des Neuen Testaments auf das Wort, so läßt sie sich als jenes J a vernehmen, das in Gericht und Gnade die Auferstehung der Toten meint: Gott steht zu seinem Willen. 4. Was daraus für das Verständnis der Kirche und der Geschichte folgt, ist neu zu fragen. (Dasselbe gilt für das Phänomen der Leiblichkeit.) — Für die Details und die Literatur verweise ich auf meine Hermeneutik, 1954, 2. Aufl. mit Ergänzungsheft 1958, sowie auf die jüngsten Jahrgänge der ZThK und auf meine Schrift: Das urchristliche Sakraments Verständnis, 1958.
Karl Löwith
Die Sprache als Vermittler von Mensch und Welt Der Titel enthält eine nicht eigens genannte Abgrenzung gegen die andere Möglichkeit, die Sprache als Medium zwischen Mensch und Gott aufzufassen. Angesichts des Umstandes, daß es Theologen sind, die mir freundlicherweise das Wort erteilen, das ein menschliches Wort von der Welt und kein göttliches Wort von Gott sein wird, mag es nützlich sein, diese Abgrenzung der weltlichen Rede des Menschen vom Gotteswort einleitungsweise zu verdeutlichen. I. Seit Luther hat das Wort des Alten und Neuen Testaments wieder das entscheidende Gewicht bekommen, das ihm zukommen muß, wenn der christliche Glaube, und mit ihm die Theologie, auf etwas Ausgesagtem und Niedergeschriebenem beruht, auf einem Buch, der Heiligen Schrift, in deren Wort sich Gott durch Jesus Christus und die Propheten des Alten Testaments offenbart haben soll. Auch wer nicht an den verbalen Inspirationscharakter der Bibel glaubt, kann als Theologe nicht umhin, sie philologisch wörtlich zu nehmen — sei es auch nur, um die historisch bedingten und mythischen Elemente als solche zu erkennen und so das Wesentliche der christlichen Verkündigung, ohne Einkleidungen, Zutaten und Entstellungen, interpretierend herauszustellen. Die Heilige Schrift verlangt einen aufhorchenden Leser, das gesprochene Befehlswort Gottes einen gehorsamen Hörer. Dieser auf Gottes Wort gehorsam hörende Leser ist aber ein gefallener, gottloser, ungöttlicher Mensch und darum als angesprochener Fürsprecher Gottes — als „Theo-loge" — in einer fundamentalen Verlegenheit. Es ist das Verdienst von K. Barth, daß er vor fünfundzwanzig Jahren diese Verlegenheit deutlich machte. „ W i r s o l l e n " , heißt es in seinem programmatischen Vortrag von 1922 über „Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie", „als T h e o l o g e n v o n G o t t r e d e n . W i r s i n d a b e r M e n s c h e n u n d k ö n n e n als s o l c h e n i c h t v o n G o t t r e d e n . W i r s o l l e n B e i d e s , unser Sollen und unser Nicht-können, w i s s e n u n d e b e n d a m i t G o t t die E h r e g e b e n " 1 . Wenn die Fragwürdigkeit des theologischen Redens von Gott an den „ G r e n z e n der Humanität" liegt, dann kann der Mensch von Gott nicht so reden, als stünde er mit Ihm auf dem gemeinsamen Boden einer wechselseitigen Unterredung. Wie soll er in seiner erbärmlichen Menschlichkeit und Endlichkeit von 1 Vgl. R. Bultmann, „Welchen Sinn hat es von Gott zu reden" und: „Der Begriff des Wortes Gottes im Neuen Testament", beides in: Glauben und Verstehen, I 1933.
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dem ewigen Gott reden und ihn bezeugen können, es sei denn „dialektisch", durch ein beharrliches Nein-sagen zu dem jeweils einen Glied des Mißverhältnisses ? Denn von Gott, der ganz anders ist, reden, bedeutet ja nicht vom Menschen ,,in etwas erhöhtem Ton" reden 2 . Die Möglichkeit, daß nicht nur der Mensch, indem er ü b e r Gott redet, zu Worte kommt, sondern daß Gott s e l b s t zum Menschen spricht, wo von ihm gesprochen wird, diese Möglichkeit, sagt Barth, liegt auch nicht auf dem dialektischen Weg, sondern dort wo auch dieser Weg abbricht und als Ausweg erkannt wird. Der Dialektiker ist an sich nicht besser daran als der Dogmatiker und der Kritiker. Eigentlich von Gott kann nur Gott selber reden. Und wenn die Aufgabe der Theologie das „Wort Gottes" ist, dann bedeutet das „die sichere N i e d e r l a g e aller Theologie und aller Theologen". Auch der Hinweis darauf, daß unsere Bedrängnis unsere Verheißung sein könnte, nutzt nichts, wenn ich —ein Mensch — das so hinsage. Es müßte auch hier wieder Gott selber sein, der solches sagt und verheißt. Einen wirklichen Ausweg aus der Verlegenheit gäbe es nur dann, wenn das Wort Gottes, „das wir nie sprechen werden", unsere Schwachheit und Verkehrtheit angenommen hat, „so daß u n s e r Wort in seiner Schwachheit und Verkehrtheit fähig geworden wäre, wenigstens Hülle und irdenes Gefäß des Wortes Gottes zu werden". Das könnte, meint Barth, so sein. Wenn ich recht verstehe, bedeuten diese letzten Sätze, daß man von Gott nur sprechen kann, weil und sofern er sich selbst in einem irdenen Gefäß, in der Gestalt eines von ihm r e d e n d e n M e n s c h e n geoffenbart hat. Die vermittelnde Mitte, durch die wir Menschen Gottes Wort vernehmen können, ist Jesus Christus, durch den Gott selbst auf menschliche Weise zum Menschen spricht. Das Problem der Theologie als eines Redens von Gott wird aber damit nicht weniger problematisch. Es sammelt sich in dem Wunder der Selbstoffenbarung Gottes in einem sterblichen Menschen. Dieses Wunder der Inkarnation ist der letzte Grund alles menschlich-theologischen Hören- und Redenkönnens. Barth ist in den fünfundzwanzig Jahren seit seinem programmatischen Aufruf naturgemäß älter und auch weiser und humaner geworden. Er hat seine damalige kritisch-polemische Position in einer retractatio über „Die Menschlichkeit Gottes" korrigiert, ohne die prinzipielle anthropologisch-theologische Differenz auszugleichen oder gar preiszugeben. Es ist erstaunlich, wie er im Ausgang von dem schmalen Gratweg der entscheidenden Differenz dennoch zu einer breitangelegten „kirchlichen Dogmatik" fortschreiten konnte. Aber auch dieses Werk enthält m. W. nichts Weiterführendes zur Problematik des Verhältnisses von Gotteswort und menschlicher Rede, in der auch der orthodoxeste Theologe sprechen und schreiben muß, wenn er nicht überhaupt schweigen will. Das Problem wäre nur dann k e i n Problem, wenn — wie es einmal bei Piaton heißt — die Götter alles anders nennen als wir, so daß Götter und Menschen an2
Vgl. K. Barths Abhandlung über L. Feuerbach in „Zwischen den Zeiten",
1927, H. 1.
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einander vorbeireden, oder wenn Christus nur so wie der Ironiker Sokrates vom Göttlichen geredet hätte, ohne zu beanspruchen, daß Gott selbst authentisch aus ihm spricht. Angenommen aber, daß Gott selbst durch Christus in der Sprache des Menschen redet (aramäisch oder griechisch oder deutsch), wo bleibt dann die entscheidende Differenz zwischen Gott und Mensch ? Verwandelt sie sich in eine Identität oder doch in eine Analogie ? Und wie sollte man, wenn Gott mittels des Gottmenschen die Sprache des Menschen spricht, noch eindeutig unterscheiden können, was in dieser zwiefachen Sprache Gotteswort und Menschenwort ist, was von uns hörend aufgefaßt und hineingelegt und was von ihm sprechend ausgesagt wird ? Er spricht z. B. von der „Liebe" zum Nächsten, die etwas anderes ist als die bekannte sinnliche Menschenliebe zum anderen Geschlecht. Aber wie sollte man ihre Andersartigkeit als Mensch verstehen können, wenn nicht die dem Menschen natürliche Liebe auch den Zugang zur platonisch oder christlich verstandenen gibt und sich in dieser mehr als natürlichen Liebe steigert, umkehrt und fortsetzt ? Auch der vielbefufene „Anspruch" der Anrede Gottes vermag keine kritische Unterscheidung beizustellen, denn j e d e r Anspruch eines jeden andern ist, indem er von mir vernommen wird, zweideutig: er wird nur als Anspruch vernehmbar, indem ich auch selber etwas beanspruche, nämlich eben dies, daß mich die Rede eines andern in ganz besonderer Weise angeht oder in Anspruch nimmt. Desgleichen besteht in jedem Fall die Möglichkeit, einem Anspruch gehorsam zu folgen oder nicht zu folgen. Auch Heidegger spricht vom Logos 3 als einem versammelnden „Hören" im Sinn von Gehorchen, und auch er beansprucht das Wort des sich ihm zusprechenden Seins zur Sprache zu bringen, ohne jedoch offenbarungsgläubig im christlichen Sinne zu sein. In jedem Fall e n t s p r i c h t dem hörbaren Anspruch des einen — Gottes, beziehungsweise des Seins — die horchsame Antwort des andern: des Christen, beziehungsweise des menschlichen Daseins. Aus diesem dehnbaren, aber unzerbrechlichen Kreise des einander Entsprechens ist nicht herauszukommen, es sei denn, daß uns etwas in einer Sprache gesagt wird, die uns überhaupt nicht anspricht, weil wir sie nicht verstehen können, so daß wir der Anrede auch gar nicht entsprechen können. Wir hören dann nur Laute ohne Sinn, auch wenn wir wissen oder vermuten, daß sie für den andern einen solchen haben müssen, der aber nicht für menschliche Ohren ist. In diesem Fall treten wir aber auch nicht aus dem Umkreis einer möglichen Entsprechung heraus, sondern wir begeben uns gar nicht in ihn hinein, wir ziehen uns statt dessen auf uns und unseresgleichen zurück, weil wir nur mit solchen reden können. Ein Mensch oder auch ein Gott, der eine nur ihm eigene Sprache spräche, kann nicht erwarten, daß man ihm Rede und Antwort steht und seinen Anspruch vernimmt. Es bedürfte dazu eines Dolmetschers, der sich sowohl auf die Sprache der Menschen wie auf die Sprache Gottes versteht. Die seit Barth und Bultmann gebräuchlich gewordene Rede vom „Anspruch" des „Wortes Gottes" 3
Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 207 ff.
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bleibt unfruchtbar, dogmatisch-existenziell, solange nicht versucht wird, die besondere Sprache der christlichen Verkündigung und Theologie in ihren prinzipiellen Zusammenhang mit der allgemein menschlichen Sprach- und Denkfähigkeit hineinzustellen. E . Schlink 4 hat in einer durch den ökumenischen Gesichtspunkt bedingten Abhandlung über „Die Struktur der dogmatischen Aussage" einen solchen Versuch unternommen. Seine leitende Absicht ist jedoch nicht die Erörterung der Sprache als solcher, sondern die Einbeziehung der dogmatischen Aussage über Gott in die elementaren Aussageweisen des Glaubens, wie Anbetung und Gebet, Verkündigung, Predigt, Bekenntnis. Dabei stößt Schlink, im Anschluß an Cassirer und Leisegang, auf die „anthropologischen Grundformen" des Denkens, Erkennens und Sagens, innerhalb derer sich auch die theologische Aussage bewegt, um sie in ihrer besonderen Eigenart davon abzuheben. Wodurch hebt sie sich aber ab, wenn nicht schon durch ihren dogmatischen Anspruch ? Schlink sagt, daß die christliche Verkündigung, wenn sie den Menschen treffe, ihn bis in sein Grundgefüge erschüttere und die Grundformen durchbreche, in denen er gemeinhin sein Leben gesichert wähnt. „Die Selbstverständlichkeiten seines . . . Existenzbewußtseins und das Gehäuse seiner Umwelterkenntnis und -bemächtigung werden ihm zerschlagen." Kann dies aber wirklich als das unvergleichlich Besondere des Hörens und Lesens des Evangeliums beansprucht werden ? Gewiß sind die Bekehrten aller Zeiten, von Augustin bis zu Hamann, durch das Lesen des Evangeliums erschüttert und aufgeschlossen worden, und sofern sie über die Sprache nachdachten, hat ihre Umkehr auch die gewöhnliche Ansicht von ihr verändert. Aber welcher bedeutende Denker von Piaton bis Nietzsche hat nicht auch die selbstverständlichen Grundformen unseres gewöhnlichen Existenzbewußtseins und unseres alltäglichen Denkens und Sprechens durchbrochen, ohne den Anspruch des Evangeliums zu Hilfe zu nehmen ? Und was sind diese gewöhnlichen Grundformen unseres Sprechens und Denkens ? Schlink führt als eine solche Grundform unseres Denkens die bekannte Subjekt-Objekt Spaltung an und in sprachlicher Hinsicht die unter der Herrschaft der traditionellen Logik zum Modell gewordene Aussage eines Subjekts über einen objektiven Sachverhalt, im Unterschied zu den ursprünglichen Formen der Rede, wie Anrede, Frage, Wunsch, Befehl. Aber auch dieses Aufbrechen einer festgefahrenen und unzulänglichen Aussageform und einer fixierten Gegenüberstellung von S u b j e k t und Objekt ist keineswegs eine besondere Leistung der Theologie, sondern eine kritische Entdeckung der Philosophie, die sich seit Hegels spekulativer Logik und seit Heideggers Destruktion der traditionellen Ontologie um gar nichts anderes bemüht als um den Abbau der gegenständlichen Aussage und der objektivierenden Subjektivität, indem sie alle metaphysischen Grundformen des Denkens in Frage stellt, nicht zuletzt die Grundsätze der überlieferten Philosophie, den Satz vom Grunde 4
Kerygma und Dogma, Oktober 1957.
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und von der Identität. E s bedarf also offenbar keines göttlichen Mittlers, um über den Gegensatz von Subjektivität und Objektivität oder von Immanenz und Transzendenz hinaus zu kommen. E s bedarf auch nicht des Evangeliums, um das „Vorverständnis" in allem Verstehen in Frage zu stellen. Vielmehr hat die protestantische Theologie diesen Begriff aus Heideggers „Sein und Z e i t " übernommen. Desgleichen ist der Versuch, das Verhältnis von Gott und Mensch nicht sach-, sondern personenhaft, als persönliche „Begegnung" von „ I c h und D u " zu fassen, bereits lange vor M. Buber und F . E b n e r von Feuerbach unternommen worden, obschon nicht im Dienste der Theologie, sondern der Anthropologie, und lange vor Feuerbach hat W . von Humboldt die prinzipielle Zusammengehörigkeit von erster und zweiter Person im Unterschied zur Dritten sprachphilosophisch entwickelt. I m übrigen warnt Schlink selbst mit Recht vor einer Verabsolutierung dieses Ich-Du-Modells, als ließe sich dadurch die ontologisch-theologische Frage beseitigen und der Abstand zwischen Gott und Mensch überbrücken. Wenn somit die gegenwärtige Philosophie der gegenwärtigen Theologie auf mehr als halbem Wege entgegen kommt, kann dann die „theologische Aussage" einen von allen andern Aussagen verschiedenen Grund in Anspruch nehmen, der nur ihr zu eigen ist, weil sie allein „Antwort auf Gottes Offenbarung" ist ? Daß sie darauf antworten möchte, ist unbestreitbar, wohl aber wäre zu fragen, ob der Mensch überhaupt etwas offenbart bekommen und darauf antworten kann, wenn diese Offenbarung nicht auch zu seinen menschlichen Sinnen und in menschlicher Sprache spricht und also auf uns abgestimmt ist und nicht wie etwas gänzlich Anderes und Fremdes in das Eigene hereinbricht ? Das würde aber, theologisch gesagt, bedeuten, daß sich die übernatürliche Offenbarung nicht ohne eine natürliche offenbaren kann und daß sich folglich die christliche Theologie nicht ohne die natürliche Theologie der Philosophie menschlich verständlich machen kann. Woher sollten wir Menschen überhaupt wissen, daß Gottes Offenbarung Gottes Offenbarung ist, wenn sich Gott nicht in menschlicher Weise und in menschlicher Sprache offenbart und sich damit in die prinzipielle Zweideutigkeit des Zirkels der Entsprechung hineinbegibt ? Gerade wenn man einsieht, daß Gottes Offenbarung, wie schon eine jede menschliche Selbstenthüllung, kein objektiver Sachverhalt gegenüber einer in sich verschlossenen Subjektivität ist, wird man zum mindesten der Barthschen „ D i a l e k t i k " Raum geben müssen und damit die Unmöglichkeit einer rein theologischen Aussage anerkennen müssen. Auch der „Beweis des Geistes und der K r a f t " hilft hier nichts, denn eine umwandelnde Wirkung auf unser Denken, Sprechen undTun hat nicht nur die Lesung der Heiligen Schrift, sondern auch das Lesen ganz anderer Schriften, und auch ohne jedes hörbare und lesbare W o r t kann es geschehen, daß jemand eine Erfahrung macht und eine wortlose Erleuchtung hat, die fortan sein ganzes Leben und Denken neu bestimmt. Die „theologia crucis" wird zwar auch eine „philologia crucis" erfordern und wie bei J . Böhme und Hamann die tiefsinnigsten
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und unsinnigsten Spekulationen über die Sprache veranlassen, aber das bedeutet nicht, daß das universale und fundamentale Problem der Sprache und ihrer Aussageweisen, wenn es „vom Evangelium her" behandelt wird und also im Hinblick auf Gottes Offenbarung, aus dem Umkreis der menschlichen Möglichkeiten des Hörens und des entsprechenden Antwortens herausführen könnte — es sei denn, es geschähe in den Antworten des Glaubens „die pfingstliche Durchbrechung" der Schranken der Sprache und der durch sie bedingten Denkformen. Wer aber an die Möglichkeit des geistlichen Redens „mit andern Zungen" glaubt, ohne sich wie die Zeitgenossen des Verfassers der Apostelgeschichte zu „entsetzen" und „irre zu werden", der kann m. E. auch von vornherein an die verbale Inspiration der Heiligen Schrift glauben und damit das Problem der theologischen Aussage mit einem Schlage lösen. Ohne eine solche Durchbrechung des menschlichen Geistes durch den Heiligen Geist, d. h. ohne ein absolutes Wunder, das von einem Mirakel schwerlich zu unterscheiden ist 6 , kann es keine spezifisch und ausschließlich theologische Aussage geben, d. h. eine Aussage, die den Anspruch einseitig und eindeutig von Gott empfängt und nicht auch vom Menschen als solche beansprucht wird. Wir verlassen damit die Problematik der theologischen Aussage, um uns dem nicht minder Rätselhaften der menschlichen Rede zuzuwenden, deren dunkler Ursprung im Faktum der Menschwerdung liegt und deren unerschöpfliches Thema das Ganze des Seienden oder die Welt ist. II. Die Besinnung auf das Rätsel der Sprache ist so alt wie die Philosophie; Sprachphilosophie im modernen Sinn gibt es jedoch erst seit Herder, F. Schlegel und W. von Humboldt. — Im Lehrgedicht des Parmenides heißt es, die Menschen hätten den Dingen einen Namen gesetzt, einem jeglichen zur Bezeichnung. Zugleich sagt Parmenides aber auch: bloße Namen nur sind es, die der Sterblichen Sprache erfunden. In diesen beiden Sätzen liegt eine Anerkennung und zugleich eine Kritik der Sprache: alles was ist empfängt durch den es nennenden Menschen einen Namen, der es in bezeichnender Weise zur Sprache bringt; alles von uns zur Sprache Gebrachte ist aber ein bloßer Name, eine Erfindung des Menschen, der ein Sterblicher ist und dessen Benennungen darum ebenso unbeständig sind wie er selbst. Die Reichweite des Bereichs der Sprache begrenzt sich in diesen Sätzen des Parmenides theologisch an der Endlichkeit des Menschen, im Unterschied zu den unsterblichen Göttern. Mit dieser Unterscheidung von Mensch und Göttern taucht zugleich die von Piaton entwickelte Frage nach dem Verhältnis von menschlicher Sprache und anonymer Sache auf oder von Wort und Ding. Ist es bloß menschliche Satzung und Willkür, die den Dingen bestimmte Namen zuspricht, oder kommt die Natur der Dinge in den menschlichen Worten wahrhaft zur Sprache ? Sind unsere Worte bloße und also ver6
Bultmann, Glauben und Verstehen I, 214ff.
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tauschbare Zeichen für etwas ganz anderes, ohne für das mit ihnen Bezeichnete sachlich kennzeichnend zu sein, oder ist das Wort in irgendeiner Weise eine Nachahmung und ein natürliches Abbild der Natur der Dinge ? Piatons Dialog Kratylos spricht unter dem Titel vöhds und