Das Prinzip des Weltfreihandels und der europäische Agraraußenhandel: am Beispiel der Gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Zucker und Bananen [1 ed.] 9783428501304, 9783428101306

Die Weltagrarmärkte sind durch starke Marktschwankungen, abgeschottete Märkte und Agrardumping gekennzeichnet. Auch die

112 11 39MB

German Pages 435 Year 2001

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Das Prinzip des Weltfreihandels und der europäische Agraraußenhandel: am Beispiel der Gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Zucker und Bananen [1 ed.]
 9783428501304, 9783428101306

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

SILKE TRUMM

Das Prinzip des Weltfreihandels und der europäische Agraraußenhandel

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und DeUef Merten

Band 68

Das Prinzip des Weltfreihandels und der europäische Agraraußenhandel am Beispiel der Gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Zucker und Bananen

Von Silke Trumm

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Trumm, Silke: Das Prinzip des Weltfreihandels und der europäische Agraraußenhandel : am Beispiel der Gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Zucker und Bananen I von Silke Trumm. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 68) Zug\.: München, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10130-8

D 19 Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10130-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Für Gisela, Volker, Heike, Ramon, Luis und Theresa

Vorwort Diese Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Sommersemester 1999 als Dissertation vorgelegen. Änderungen des EGV durch den Vertrag von Amsterdam und Neufassungen der Gemeinsamen Marktordnungen für Zucker und Bananen sind bis Februar 2000 berücksichtigt. Mein Dank gilt vor allem meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter Badura, und Herrn Prof. Dr. Bruno Simma für die Übernahme des Zweitgutachtens. Außerdem danke ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera und Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, für die Aufnahme meiner Arbeit in die "Schriften zum Europäischen Recht". Besonders herzlich danken möchte ich Veronika, Marion, Gwendolyn, Silke, Christoph, Sascha, Andi, Monika und Jürgen für die vielen wertvollen Anregungen und Diskussionen zu dieser Arbeit. Die Freundschaft und Unterstützung seitens meiner Freunde und meiner Familie hat mir während des Schreibens sehr geholfen und wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. München, im März 2000

Silke Trumm

Inhaltsübersicht J. Kapitel

Einf"lihrung

43

A. Wirtschaftspolitischer Hintergrund .................................... . ............

43

I. Die Landwirtschaft als außergewöhnlicher Wirtschaftssektor ...................

43

11. Der Agraraußenhandel der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

III. Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern und der Weltagrarmarkt . . . . . . . .

46

IV. Die Verantwortung der EG gegenüber den Entwicklungsländern auf dem Gebiet des Agrarhandels ...............................................................

47

B. Wirtschaftspolitische Leitbilder im Außenhandel ...................................

47

I. Freihandel .....................................................................

48

11. Protektionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

C. Europarechtlicher Ansatz der Dissertation ...................... .. ..................

51

I. Ordnungsfunktion einer Wirtschaftsverfassung: Durchsetzung des Freihandels..

51

11. Rechtliche Determination des Weltfreihandels im Europäischen Agraraußenhandel ..........................................................................

52

III. Europaspezifische Auslegungsmethoden .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

IV. Vorgehen der Dissertation ......................................................

56

2. Kapitel

Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG A. Allgemeine Kompetenzverteilung im EGV .......... . .......... . .......... . ........

57 57

10

Inhaltsübersicht

I. Unterscheidung der Kompetenzen nach Rechtsquellen ..........................

58

11. Vertikale Kompetenzverteilung ....... . .......... . ........................... . ..

59

B. Kompetenzen der EG in der Handelspolitik ........................... . .......... . ..

61

I. Die Gemeinsame Handelspolitik................................................

61

11. Der Gemeinsame Zolltarif (GZT) ... . . . ... . . ... . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

64

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht ...........................................

65

I. Charakterisierung der Ziele und Aufgaben ......................................

65

11. Relevante allgemeine Ziele und Aufgaben im EGV ......... . ...................

70

III. Allgemeine Ziele und Aufgaben im EUV .......................................

86

D. Ziele der Handelspolitik ....... . .................................. . .................

92

I. Ziele des Art. 131 Abs. I EGV

92

11. Art. 131 Abs. 2 EGV ...........................................................

97

III. Zielsetzungen der Zollpolitik ...................................................

99

3. Kapitel Gemeinsame Agrarpolitik

102

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik ...................... 102

I. Anwendungsbereich ............................................................ \02 11. Qualifizierung der Gemeinschaftskompetenz auf dem Gebiet der Agrarpolitik .. \03 111. Einzelne Kompetenzen ................... .. .................................... \05

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ...................................... 111

I. Allgemeine Grundprinzipien und Zielvorstellungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ............................................................................ 111

Inhaltsübersicht

11

11. Ziele des Art. 33 Abs. I EGV ................................. . ................. 123 111. Gestaltungsrahmen des Art. 33 Abs. 2 EGV .................................... 132

4. Kapitel

Europäische Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit

135

A. Regionale Entwicklungshilfe ......... . ........................... . ................. 135 I. Konstitutionelle Entwicklungsassoziation . . . . .. . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . .. .. . .... 136 11. Das Lome IV-Abkommen ...................................................... 138

B. Globale Entwicklungshilfe ......................................................... 149 I. Die neu eingefügten Artt. 177 - 181 EGV ....................................... 150 11. Einzelne Maßnahmen auf dem Gebiet der globalen Entwicklungshilfe.......... 156

5. Kapitel

Der Europäische Agraraußenhandel und die WTO

162

A. GATI 1947, GATI 1994 und WTO ................................................ 162 I.GATII947 .................................................................... 162 11. Die Ergebnisse der Uruguay-Runde .......................... . .......... . ....... 163

B. Bindung der EG an das WTO-Regelwerk ........................................... 165

I. Kompetenz und Abschluß der Abkommen durch die EG ........................ 165 11. Bindung der EG und ihrer Mitgliedstaaten an das WTO-Regelwerk ............. 166

C. Für den Agrarhandel der EG relevante Regeln der WTO ............................ 173 I. Übereinkommen über die Landwirtschaft ....................................... 174 II. Regelungen im GATI 1994 .................................................... 182

12

Inhaltsübersicht 6. Kapitel

Handlungsrahmen auf dem Gebiet des Europäischen Agraraußenhandels mit Entwicklungsländern

188

A. Handlungsrahmen .................................................................. 189 I. Eröffnung eines Handlungsrahmens durch die Verfolgung eines oder mehrerer Gemeinschaftsziele .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189

11. Allgemeines Kohärenzprinzip als Einschränkung des Handlungsrahmens .... . .. 192 III. Durchsetzung der Kohärenz als Handlungsvorgabe ............................. 204

B. Zielekonglomerat und Zielkonflikte im europäischen Agraraußenhandel ............ 225 I. Immanente Ziel konflikte ....................................................... 226

11. Vertikale Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 237 III. Horizontale Zielkonflikte: Konflikte der Ziele der Politikbereiche untereinander

240

IV. Handlungsrahmen im europäischen Agraraußenhandel .......................... 250

7. Kapitel

Einzelne Gemeinsame Marktordnungen

260

A. GMO für Getreide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 260 I. Binnenmarktregelung .......................................................... 260

11. Regelung des Außenhandels .................................................... 265 III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV und dem GATT .......................................................................... 272

B. GMO für Zucker ... . .... . .......................................................... 296 I. Allgemeiner Regelungsinhalt ..... . ..................... . ... . ................... 297

11. Regelung des Außenhandels .................................................... 301 III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV und dem GATT .......................................................................... 306

Inhaltsübersicht

13

C. GMO für Bananen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 322 I. Allgemeiner Regelungsinhalt ................................................... 323

II. Regelung des Außenhandels .................................................... 325 III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV .............. 331 IV. Entwicklung seit der Revisionsentscheidung des WTO-Panels .................. 381

8. Kapitel

Abschließende Würdigung

388

A. Würdigung des bisherigen Agraraußenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 388 I. Zusammenfassung der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 388

II. Bewertung des bisherigen Agraraußenhandels .................................. 391

B. Ausblick auf weitere Refonnen ..................................................... 392 I. Agenda 2000 ................................................................... 392

H. Ausblick auf zukünftige internationale Entwicklungen ...... . . . . . ...... . ........ 396 Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam .................................... 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 406 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 428

Inhaltsverzeichnis

I. Kapitel

Einrührung

43

A. Wirtschaftspolitischer Hintergrund ...... . ..... . ................... . .......... . .....

43

I. Die Landwirtschaft als außergewöhnlicher Wirtschaftssektor ...................

43

11. Der Agraraußenhandel der EG ..................................................

44

III. Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern und der Weltagrarmarkt . . . . . . . .

46

IV. Die Verantwortung der EG gegenüber den Entwicklungsländern auf dem Gebiet des Agrarhandels ...............................................................

47

B. Wirtschaftspolitische Leitbilder im Außenhandel

47

I. Freihandel .....................................................................

48

I. Argumente für den Freihandel ...............................................

48

2. Vorübergehende Nachteile eines ungebremsten Freihandels

49

11. Protektionismus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

I. Politische Erklärungen für den Protektionismus ... . . . ...... . . . . . ...... . . . ....

49

2. Fonnen des Protektionismus ... . ... . ................ . .... . ..... . .............

50

C. Europarechtlicher Ansatz der Dissertation ..........................................

51

I. Ordnungsfunktion einer Wirtschaftsverfassung: Durchsetzung des Freihandels. .

51

11. Rechtliche Detennination des Weltfreihandels im Europäischen Agraraußenhandel ..........................................................................

52

16

Inhaltsverzeichnis III. Europaspezifische Auslegungsmethoden ........................................

53

1. Teleologische Auslegung ....................................................

53

2. Weitere Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

IV. Vorgehen der Dissertation .................. .. ..................................

56

2. Kapitel

Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

57

A. Al1gemeine Kompetenzverteilung im EGV ................................ . ........

57

I. Unterscheidung der Kompetenzen nach Rechtsquel1en ..........................

58

1. Kompetenzen kraft geschriebenen Rechts: Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Kompetenzen kraft ungeschriebenen Rechts: "implied powers" und AETRRechtsprechung des EuGH ..................................................

58

11. Vertikale Kompetenzverteilung .................................................

59

B. Kompetenzen der EG in der Handelspolitik.........................................

61

I. Die Gemeinsame Handelspolitik . . . . . .. .. . . . . . . . .. . .. .. . .. . . .. .. . . .. .. .. . . .. .. . .

61

I. Qualifizierung der Kompetenz auf dem Gebiet der Handelspolitik . . . . . . . . . . . .

61

2. Sachlicher Anwendungsbereich ..............................................

62

3. Einzelne Kompetenznormen .................................................

63

11. Der Gemeinsame Zol1tarif (GZT) ............... . ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Bedeutung der Zollunion ............. . ..... .. ... . ...........................

64

2. Kompetenznorm des Art. 26 EGV ...........................................

64

C. Al1gemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht .......... .. ...............................

65

I. Charakterisierung der Ziele und Aufgaben ......................................

65

I. Begriff der Ziele im EGV ....................................................

65

2. Funktionen der Ziele und Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .

66

Inhaltsverzeichnis

17

a) Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Ziele ...........................

66

aal Gemeinschaftsziele als Verfassungsziele ............................. bb) Aufgabeneröffnung und -begrenzung.................................

66 67

cc) Pflicht zur Verfolgung der Ziele......................................

67

dd) Keine Befugnisnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

b) Wirtschaftsverfassung durch die Ziele ....................................

68

aal Begriff und Qualifizierung des EGV als Wirtschaftsverfassung ....... bb) Ziele als konstituierende Elemente der Wirtschaftsverfassung ........

69 69

11. Relevante allgemeine Ziele und Aufgaben im EGV .............................

70

I. Präambel ............................................. . ......................

71

a) Rechtliche Wirkung der Präambel ........................................

71

b) Relevante Bestimmungen in der Präambel ................................

71

2. Art. 2 EGV ............... . ...... . . . . . ... . . . ........ . . . .......... . ...........

72

a) Rechtliche Wirkung ......................................................

72

b) Relevante Zielbestimmungen .............................................

73

aal Errichtung eines Gemeinsamen Marktes... . . . . .. .. .. . . . . . .. . . . .. . . . . . bb) Harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens im Binnenmarkt .....................................................

73

cc) Weitere Ziele ........................................................

75

3. Art. 3 EGV ..................................................................

76

a) Rechtliche Wirkungen ....................................................

76

b) Relevante Bestimmungen.................................................

77

4. Art. 4 EGV ..................................................................

78

a) Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ...........

78

b) Richtungweisende Grundsätze des Art. 4 Abs. 3 EGV ................... . .

80

5. Allgemeine Rechtsgrundsätze................................................

81

a) Grundrechte ..............................................................

81

aal Objektive Bedeutung der Grundrechte für das Prinzip des WeItfreihandels .............................................................. bb) Inhaltliche Auswirkungen der Grundrechte auf das Prinzip des Weltfreihandels ...........................................................

2 Trumm

74

82 83

(I) Eigentum ........................................................

83

(2) Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(3) Diskriminierungsverbot ............ . .............................

85

b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ............................................

85

18

Inhaltsverzeichnis III. Allgemeine Ziele und Aufgaben im EUV .......................................

86

1. Präambel ....................................................................

86

2. Art. 1 EUV ................................................................ . .

87

3. Art. 2 EUV ..................................................................

88

4. Das Kohärenzprinzip in Art. 3 EUV .........................................

90

a) Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Zielverwirklichung, Art. 3 Abs. 1 EUV ..............................................................

90

b) Kohärenz in den Außenbeziehungen der EU, Art. 3 Abs. 2 EUV ..........

91

D. Ziele der Handelspolitik ............................................................

92

I. Ziele des Art. 131 Abs. 1 EGV .................................................

92

1. Wirkung und Bedeutung des Art. 131 Abs. 1 EGV ...........................

92

a) Rechtliche Bindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Keine volljustitiabien Tatbestandsmerkmale ..............................

93

c) Keine subjektiven Rechte aus Art. 131 EGV ..............................

94

2. Wirtschaftspolitische Vorgaben aus Art. 131 Abs. 1 EGV ...... . .............

94

a) Harmonische Entwicklung des Welthandels ...............................

95

b) Beseitigung der Beschränkungen des internationalen Handels und Abbau der Zollschranken ........................................................

95

c) Im gemeinsamen Interesse................................................

96

d) Reziprozität ..............................................................

96

e) Inhaltliche Wertung..................................... . . . . . .............

96

11. Art. 131 Abs. 2 EGV ............................................. . .............

97

1. Inhalt ........................................................................

97

2. Verhältnis zu Abs. 1 .........................................................

98

III. Zielsetzungen der Zollpolitik ...................................................

99

1. Inhalt des Art. 27 EGV ......................................................

99

2. Bindungswirkung des Art. 27 EGV ..... . .................................... 100

Inhaltsverzeichnis

19

3. Kapitel

Gemeinsame Agrarpolitik

102

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik ...................... 102 I. Anwendungsbereich ............................................................ 102

11. Qualifizierung der Gemeinschaftskompetenz auf dem Gebiet der Agrarpolitik .. 103 1. Keine ausschließliche Kompetenz ........................................... 103

2. Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips

105

III. Einzelne Kompetenzen.......... . .............................................. 105 1. Art. 37 EGV ................................................................. 105

a) Reichweite der Kompetenz ............................................... 105 b) Rechtsetzungsverfahren .................................................. 107 2. Art. 34 EGV: Agrarmarktordnungen ......................................... 108 a) Auswahl an Marktordnungsmechanismen ................................. 108 b) Regelungsinhalt der Gemeinsamen Marktordnungen ...................... 109

3. Weitere Kompetenzen ....................................................... 110

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ...................................... 111 I. Allgemeine Grundprinzipien und Zielvorstellungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ............................................................................ 111

1. Gemeinsamer Markt für Agrargüter, Art. 32 EGV ................ . ........ . .. 111 a) Schaffung eines Gemeinsamen Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

111

b) Marktprinzip ............................................................. 112 c) Verknüpfung von Gemeinsamer Politik und Gemeinsamem Markt ........ 113 d) Ausnahmecharakter der Agrarvorschriften ................................ 113 2. Finanzielle Solidarität ....................................................... 114

3. Gemeinschaftspräferenz ..................................................... 115 a) Gemeinschaftspräferenz i. S. d. Art. 44 Abs. 2 EGV a.F. . . .. ... . . . .. .. .. . .. 115 aa) Inhalt ................................................. . .............. 115 bb) Rechtliche Bindungswirkung ......................................... 117 2"

20

Inhaltsverzeichnis b) Gemeinschaftspräferenz als politisches Konzept ..........................

118

aa) Inhalt................................................................

118

bb) Rechtliche Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I I 9 4. Ziele der Gemeinsamen Marktordnungen, Art. 34 EGV ................... . .. 120 a) Hoheitliche Regelung der Agrarmärkte ................................... 120 b) Kein Recht auf Marktfreiheit aus Art. 34 Abs. 1 und 2 UAbs. 1 EGV ..... 120 c) Verhältnismäßigkeit und Diskriminierungsverbot, Art. 34 Abs. 2 UAbs. 2 EGV ..................................................................... 122 d) Gemeinsame Preispolitik, Art. 34 Abs. 2 UAbs. 3 EGV ................ . .. 123 11. Ziele des Art. 33 Abs. 1 EGV .............. . .................................... 123 1. Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft (Art. 33 Abs. I lit. a EGV) .. 123 a) Produktivitätssteigerung .................................................. 124 b) Wirtschaftspolitische Aussage ............................................ 125 2. Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung (Art. 33 Abs. I lit. b EGV) ..................................... 126 a) Inhalt....................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126 b) Verhältnis zu lit. a ........................ .. .............................. 127 c) Wirtschaftspolitische Wertung............................................ 127 3. Stabilisierung der Märkte (Art. 33 Abs. I lit. c EGV) ......................... 128 a) Inhalt..................................................................... 128 b) Wirtschaftspolitische Wertung............................................ 129 4. Sicherung der Versorgung (Art. 33 Abs. Ilit. d EGV) ........................ 130 5. Gewährleistung angemessener Preise für den Verbraucher (Art. 33 Abs. I lit. e EGV) ................................................................... 131 111. Gestaltungsrahmen des Art. 33 Abs. 2 EGV .................................... 132 1. Notwendigkeit sozialer und struktureller Anpassung .......... . .............. 132 2. Stufenweise Anpassung.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 133 3. Enge Verflechtung mit der gesamten Volkswirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis

21

4. Kapitel

Europäische Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit

135

A. Regionale Entwicklungshilfe ............. .. ........................................ 135 I. Konstitutionelle Entwicklungsassoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136

I. Mittelbare Anwendbarkeit auf entkolonialisierte Länder ..................... 136 2. Ziele der Artt. 182 f. EGV .......... . ................ .. ...................... 137 a) Art. 182 EGV

137

b) Art. 183 EGV

138

11. Das Lome IV-Abkommen ...................................................... 138 I. Rechtsgrundlage aus dem EGV .............................................. 139

a) Kompetenz vor dem Vertrag von Maastricht .............................. 139 b) Kompetenzen nach dem Vertrag von Maastricht .......................... 141 c) Relevante Zielvorstellungen des EGV .................................... 142 2. Ziele des Lome IV-Abkommens............................................. 142 a) Allgemeine entwicklungspolitische Ziele ................................. 142 b) Handelsziele . . . . . . . .. . . . .. . . .. . . . .. . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. . .. .. ... 143 c) Ziele für den Rohstoffhandel und die Landwirtschaft......... . ............ 143 3. Relevante Regelungen....................................................... 144 a) Allgemeine Handelsregelungen ........................................... 145 aa) Nicht-reziproke Zollfreiheit für AKP-Einfuhren in die EG ............ 145 bb) Ausnahme für Marktordnungsprodukte ............................... 145 cc) Schutzklauseln ........ . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . 146 b) Stabex.................................................................... 147 aa) Begriff und Anwendungsbereich ..................................... 147 bb) Funktionsweise ...................................................... 148

B. Globale Entwicklungshilfe ......................................................... 149 I. Die neu eingefügten Artt. 177 - 181 EGV ....................................... I SO

I. Kompetenzen ..... . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . .. . . .. .. . . . .. .. .. .. .. .. . . . . .. . .. . . .. 150

a) Kompetenz für autonome Maßnahmen aus Art. 179 EGV ................. 151

22

Inhaltsverzeichnis b) Koordinierung und gemeinsame Maßnahmen, Art. 180 EGV .............. 152 c) Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen, Art. 181 EGV .... 152 2. Ziele ........................................................................ 153 a) Wirtschaftliche und soziale Komponente, Art. 177 Abs. 1 EGV ........... 153 aa) Nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung. . .. ... . . . .. . .... 153 bb) Eingliederung in die Weltwirtschaft.................................. 153 cc) Bekämpfung der Armut.............................................. 154 b) Außenpolitische Komponente, Art. 177 Abs. 2 EGV ...................... 154 c) Beachtung internationaler Verträge, Art. 177 Abs. 3 EGV ................. 155 d) Kohärenzprinzip, Art. 178 EGV .......................................... 155

11. Einzelne Maßnahmen auf dem Gebiet der globalen Entwicklungshilfe .......... 156

1. Zollpräferenzen für Entwicklungsländer: Allgemeines Präferenzsystem (APS) für Agrargüter ........................................................ 156 a) Anwendungsbereich und Kompetenzgrundlage ........................... 157 b) Inhalt..................................................................... 158 c) APS und das GATI ....................................................... 159 2. Rohstoffabkommen .......................................................... 159 3. Nahrungsmittelhilfen ........................................................ 160

5. Kapitel

Der Europäische Agraraußenhandel und die WTO

A. GATI 1947, GATI 1994 und WTO

162

162

I. GAlT 1947 ......................... . .......... . ............................... 162

11. Die Ergebnisse der Uruguay-Runde ............................................. 163 1. Gründung der WTO ......................................................... 163

2. Abschluß des GATI 1994 und weiterer Abkommen.......................... 163

B. Bindung der EG an das WTO-Regelwerk ........................................... 165 I. Kompetenz und Abschluß der Abkommen durch die EG ........................ 165

Inhaltsverzeichnis

23

11. Bindung der EG und ihrer Mitgliedstaaten an das WTO-Regelwerk ............. 166 1. GATf 1994 als integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts .......... 166 2. Begriff der unmittelbaren Anwendbarkeit .................................... 166 3. Unmittelbare Anwendbarkeit des WTO-Regelwerks ......................... 168 a) WTO-Recht als integrierendes Gemeinschaftsrecht unterhalb des Primärrechts und überhalb des Sekundärrechts ................................... 168 b) Klageberechtigung für Unionsbürger ...................................... 169 aa) Unmittelbare Anwendbarkeit i.e.S. des WTO-Rechts ................. 170 bb) Keine Einschränkung durch die Reziprozität ......................... 171 c) Objektive Rechtskontrolle ................................................ 172

C. Für den Agrarhandel der EG relevante Regeln der WTO ............................ 173 I. Übereinkommen über die Landwirtschaft ......... . ................ . ............ 174 1. Marktzugang für Drittlandswaren ............................................ 175 a) Tarifizierung ............................................................. 175 b) Zollbindung und -senkung ................................................ 176 c) Zusatzzölle ............................................................... 176 aa) Übersteigen einer Importrnenge ...................................... 176 bb) Absinken des Importpreisniveaus .................................... 177 d) Zollkontingente zu einem niedrigeren Zollsatz ............................ 177 aa) Mindestztigang ...................................................... 178 bb) Gegenwärtiger Zugang ............................................... 178 2. Interne Stützung heimischer Waren .......................................... 178 a) Grundsatz und Berechnung des Stützungsmaßes .......................... 178 b) Ausnahmen . .. . . . . . . .. . . . . .. .. . . . . .. .. .. . . . . .. . . . . .. . . . . .. .. .. .. . . . .. . . . .. 179 3. Einflußnahme auf den Exportwettbewerb auf dem Weltmarkt................ 180 4. StiIlhaltevereinbarung ....................................................... 181 11. Regelungen im GATf 1994 .................................................... 182 I. Meistbegünstigungsprinzip nach Art. lAbs. 1 GATf (,,most favoured nation c\ause") ..................................................................... 183 a) Grundsatz ................................................................ 183 b) Ausnahmen............................................................... 183 2. Bindung der Zollhöhe und -art, Art. 11 GATf ................................ 184

24

Inhaltsverzeichnis 3. Verbot nicht-tarifärer Handelsbeschränkungen nach Art. XI GAIT ........... 185 a) Grundsatz ................................................................ 185 b) Ausnahmen .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 185 4. Grauzonenmaßnahmen ...................................................... 187 5. AIIgemeine Ausnahmeregelungen ........................................... 187

6. Kapitel Handlungsrahmen auf dem Gebiet des Europäischen Agraraußenhandels mit Entwicklungsländern

188

A. Handlungsrahmen .................................................................. 189 I. Eröffnung eines Handlungsrahmens durch die Verfolgung eines oder mehrerer

Gemeinschaftsziele ............................................................. 189

1. Eröffnung eines Handlungsrahmens durch Zielverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Erweiterung des Handlungsrahmens durch unbestimmte Rechtsbegriffe ...... 190 3. Handlungsrahmen. Handlungsspielraum und Ennessen ...................... 190 11. AIIgemeines Kohärenzprinzip als Einschränkung des Handlungsrahmens ....... 192 1. AIIgemeine Kohärenz: Beachtung und Hannonisierung aIler betroffenen Ziele in jeder Einzelregelung .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . .. . .. . .. . .. . ... 192 2. Begründung durch Aufgabeneröffnung und effet utile ........................ 193 a) Effektive Zie\erreichung nur bei ständiger Beachtung ..................... 193 b) Keine Einschränkung durch Kompetenzwahl ............................. 194 3. Begründung durch ein integriertes Ziel der europäischen Integration ......... 195 a) Beschreibung der europäischen Integration durch die aIlgemeinen Ziele. . . 195 b) Gegenläufige Zielekonglomerate ......................................... 196 aa) Gegenläufigkeit der aIlgemeinen Ziele ............................... 196 bb) Notwendige Beschreibung einer Wirtschaftsverfassung durch ein gegenläufiges Zielekonglomerat ........................................ 196 c) Natürliche Rangordnung durch Zielpyramide ............................. 197 d) Durchsetzung der Integration durch eine Hannonisierung aller Ziele ...... 198

Inhaltsverzeichnis

25

4. Keine Hierarchie der Politikziele untereinander .............................. 198 a) Keine Rangordnung aufgrund leichterer Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 b) Keine Rangordnung wegen notwendiger Legitimierung der EG ........... 200 5. Vertragliche Normierung des Kohärenzgebots ......... . .......... . ........... 200 a) Artt. 6 und 178 EGV ............................................. . ....... 200 b) Art. 3 EUV .................................. . ............................ 201 c) Weitere Hinweise im EGV ................................................ 202 6. Höhere Bindungswirkung durch den Gemeinsamen Markt, die Grundfreiheiten und die Grundrechte ..................................................... 203 III. Durchsetzung der Kohärenz als Handlungsvorgabe ............................. 204 1. Anforderungen der Kohärenz an Entscheidungsfindung und Entscheidungsresultat ...................................................................... 204

a) Absolute Grenze des Handlungsrahmens bei der Nicht-Berücksichtigung einzelner Ziele in der Abwägung ......................................... 204 b) Voranstellen eines Zieles durch Prioritätensetzung ........................ 204 c) Langfristiger Ausgleich zwischen den Zielen ............................. 205 2. Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ........................... 207 a) Herleitung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit .......................... 207 b) Inhalt..................................................................... 208 aa) Geeignetheit ................ . ..... . .......... . ....................... 208 bb) Erforderlichkeit ...................................................... 209 cc) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn................................. 210 c) Zielausgleich durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung ..................... 211 aa) Verhältnismäßigkeit bewirkt Kohärenz zwischen den Zielen. .. . ... ... 211 bb) Verhältnis der Verhältnismäßigkeits- zur Kohärenzprüfung ........... 212 cc) Erweitertes Prüfungsschema ......................................... 213 3. Problem der Kontrolldichte bei Ermessensentscheidungen ................... 213 a) Begrenzte lustiziabilität von Ermessensentscheidungen ................... 214 b) Grenzziehung zwischen lustiziabilität und Ermessen...................... 215 aa) Ermessensgrenze gemäß der institutionellen Kompetenzverteilung ... 216 bb) Keine Ermessensgrenze entsprechend der Sachkenntnis.............. 217

26

Inhaltsverzeichnis cc) Weites Ennessen aufgrund des einschlägigen Konglomerates al1gemein fonnulierter und sich widersprechender Ziele................... 218 dd) Definition und Beurteilungsmaßstäbe für wirtschaftspolitische Ziele . 219 c) lustiziabilität der Verhältnismäßigkeit .................................... 221 aa) Keine unbestimmten Rechtsbegriffe .................................. 221 bb) Keine Ennessenserweiterung durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung . 222 cc) Erfordernis einer vol1ständigen Verhältnismäßigkeitsprüfung ......... 224 (1) Unverhältnismäßigkeitsfolge bei offenkundiger Ungeeignetheit .. 224 (2) Keine Reduktion auf die Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225

B. Zielekonglomerat und Zielkonflikte im europäischen Agraraußenhandel ............ 225 I. Immanente Zielkonflikte ....................................................... 226 1. Zielkonflikte innerhalb des Kapitels über die Landwirtschaft ................. 226 a) Eröffnung eines Handlungsspielraums .................................... 226 aa) Gegensätzliche und al1gemein fonnulierte Ziele ...................... 226 bb) Prioritäten im Rahmen des pflichtgemäß ausgeübten Ennessens ...... 227 b) Wirtschaftspolitischer Rahmen auf der Grundlage agrarpolitischer Ziele .. 228 aa) Keine Zielhierarchie in Art. 33 EGV ................................. 229 (1) Soziale und wirtschaftliche Ziele ................................ 230 (2) Produzenten- und Verbraucherinteressen ......................... 230 bb) Intervention versus freie Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 cc) Kein Vorrang der Preisstützungspolitik ............................... 232 dd) Weltfreihandel versus Protektionismus ............................... 233 2. Zielkonflikte innerhalb der Handelspolitik ................................... 235 a) Ziele des Art. 131 EGV ................................................... 235 b) Ziele des Art. 27 EGV ..................................................... 235 3. Zielkonflikte innerhalb der Entwicklungshilfekooperation ................... 237 a) Wandel durch Handel ..................................................... 237 b) Präferenzen für AKP-Staaten ............................................. 237 11. Vertikale Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 237 1. Verhältnis der al1gemeinen Ziele zu den speziel1en Zielen der einzelnen Politikbereiche .................................................................. 238

Inhaltsverzeichnis 2. Verhältnis der Ziele der GAP zu den allgemeinen Zielen

27 238

a) Art. 32 Abs. 2 EGV ........................................ .. . . . . .. .. .. ... 239 b) Sonderrolle der GAP als beschränkte Ausnahme .......................... 239 III. Horizontale Zielkonflikte: Konflikte der Ziele der Politikbereiche untereinander

240

I. Zielkonflikte innerhalb der al1gemeinen Zielbestimmungen hinsichtlich des Weltfreihandels .............................................................. 241 a) Präambel ................................................................. 241 b) Art. 2 EGV ............................................................... 242 c) Art. 3 EGV ............................................................... 243 d) Art. 4 EGV ............................................................... 244 e) Al1gemeine Rechtsgrundsätze ............................................ 244 f) Zusammenschau ......................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 245

2. Verhältnis der agrarpolitischen Ziele zu Zielen anderer Politikbereiche ....... 245 a) Explizite Regeln für das Verhältnis zu anderen Politikbereichen ........... 245 aa) Art. 36 EGV ......................................................... 245 bb) Art. 33 Abs. 2 lit. c EGV ............................................. 246 cc) Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 HS. 1 EGV .. . . . ... . . . ... . . . . .. ... ..... ... . . .. 247 b) Verhältnis der Ziele der GAP zur GHP .................................... 248 c) Verhältnis der Ziele der GAP zum GZT ................................... 249 d) Verhältnis der Ziele der GAP zur Entwicklungskooperation ............... 249 e) GAP und internationale Verpflichtungen.................................. 250 IV. Handlungsrahmen im europäischen Agraraußenhandel .......................... 250 I. Aussage der Wirtschaftsverfassung des EGV für den Agraraußenhandel ...... 250

a) Ordnungspolitische Grundsatzentscheidung für Marktwirtschaft und Wettbewerb ................................................................... 251 b) Besonderheiten des Agraraußenhandels ................................... 251 aa) Agrarpolitische Vorgaben ............................................ 252 bb) Handels- und entwicklungspolitische Vorgaben....................... 253 cc) Vorgaben aus dem Zielkonflikt ....................................... 253

28

Inhaltsverzeichnis 2. Ausrichtung des Agraraußenhandels bis zu den Agrarreformen. . . . . . . . . . . . . .. 254 a) Entwicklung der GAP bis zu den Agrarreformen .......................... 254 b) Wertung .................................................................. 255 3. Ausrichtung durch die Agrarreformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256 a) MacSharry-Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 257 b) Reformen durch die Uruguay-Runde ...................................... 258

7. Kapitel Einzelne Gemeinsame Marktordnungen

260

A. GMO für Getreide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 260 I. Binnenmarktregelung .......................................................... 260 1. Preisstützung ....................... . .................... . ................... 261

a) Vor der Agrarreform...................................................... 261 b) Nach der Agrarreform.................................................... 262 2. Beihilfen bei der Erzeugung und Verarbeitung ...................... . ........ 263 a) Hektarbeihilfen ........................................................... 263 b) Sonstige Regelungen ..................................................... 265 11. Regelung des Außenhandels ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265 1. Außenhandelsregime bis zur Uruguay-Runde ................................ 265 2. Einfuhrregelungen ........................................................... 266 a) Variabler Importzoll ...................................................... 266 b) Weitere Importregelungen .......................... . ..................... 267 c) Importe aus Entwicklungsländern............... . ......................... 268 aa) AKP-Getreideimporte in die EG ..................................... 268 bb) Getreideimporte aus anderen Entwicklungsländern................... 269 3. Ausfuhrregelung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 a) Variable Ausfuhrerstattungen ............................................. 269 b) Sonderregelungen bei Marktverknappung und Marktstörung ..... . ........ 270 c) Exporte in Entwicklungsländer ........................................... 270 4. Schutzmaßnahmen ........................................................... 271

Inhaltsverzeichnis

29

III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV und dem GATI .......................................................................... 272 1. Beweglicher Importzoll ....................................... . . . . . . . . . . . . . .. 272

a) Zielverwirklichung durch die bestehende Regelung ....................... 272 aa) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 272 (1) Steigerung der Produktivität ..................................... 273

(2) Angemessene Lebenshaltung .................................... 274 (3) Marktstabilität .................................... . . . . . . . . . . . . . .. 275 (4) Sicherstellung der Versorgung ................................... 276 (5) Angemessene Verbraucherpreise ................................. 277 (6) Marktprinzip .................................................... 277 (7) Weitere agrarpolitische Ziele .................................... 278 bb) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele ......................... 278 cc) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele. . . .. . . . .. . . . ... . . .. 279 dd) Verwirklichung weiterer Gemeinschaftsziele ......................... 281 ee) Vereinbarkeit mit dem GATI ........................................ 281 b) Zielverwirklichung durch Regelungsaltemativen .......................... 282 aa) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ............................ 282 bb) Verwirklichung weiterer Ziele........................................ 284 c) Abwägung hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung ................. 285 aa) Disharmonie vor den Reformen als Ausgangssituation ............... 285 bb) Agrarreformen als Schritt in die richtige Richtung.................... 286 2. Exportförderung ............................................................. 287 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ........... . ... . ................ 287 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele.............................. 288 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 289 d) Vereinbarkeit mit dem GATI .......................... . .................. 291 e) Wertung.................................................................. 292 aa) Zielverwirklichung durch Regelungsalternativen ..................... 292 bb) Abwägung hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung.......... . .. 293 3. Exportabgabe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 293 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele .................. . ...... . ...... 294 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele.............................. 294 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ............... . ........ 295

30

Inhaltsverzeichnis d) Vereinbarkeit mit dem GATf ...................................... . ...... 295 e) Wertung .................................................................. 295 aa) Ziel verwirklichung durch Regelungsalternativen ..................... 295 bb) Abwägung hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung............. 296

B. GMO für Zucker ................................................................... 296 I. Allgemeiner Regelungsinhalt ................................................... 297 1. Quotensystem ............................................................... 298

2. Preissystem und Intervention ................................................ 298 3. Abgaben..................................................................... 300 4. Beihilfen ........................................... . ........................ 300 11. Regelung des Außenhandels .................................................... 301 1. Einfuhrregelungen ........................................................... 301

a) Allgemeine Einfuhrregelungen ........................................... 301 b) Sonderregeln für AKP-Länder ............................................ 302 aa) Zollfreiheit und Lieferverpflichtung .................................. 303 bb) Weitere Zollvergünstigungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 304 c) Einfuhrregeln für andere Entwicklungsländer............................. 304 2. Ausfuhrregelungen .......................................................... 305 a) Exportförderung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305 b) Exporthemmnisse ........................................................ 306 III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV und dem GATf .......................................................................... 306 1. Allgemeine Importregelung .................................................. 306

a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ................................ 306 aa) Produktivität .......... .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . .. .. . .. . . .. . . .. . . . . .. .. 306 bb) Lebenshaltung ....................................................... 308 cc) Stabilisierung der Agrarmärkte....................... .. .............. 308 dd) Versorgungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 309 ee) Angemessene Verbraucherpreise ..................................... 309 ff) Weitere agrarpolitische Ziele ......................................... 310

Inhaltsverzeichnis

31

b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele .............................. 310 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 311 d) Verwirklichung weiterer Gemeinschaftsziele ........... . .......... . ....... 311 e) Vereinbarkeit mit dem GATI ............................................. 312 f) Zielverwirklichung durch Gestaltungsalternativen ........................ 312

aa) Agrarpolitische Ziele ................................................ 313 bb) Handels- und entwicklungs politische Ziele ........................... 313 g) Abwägung hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung ................. 314 2. Exportzuschüsse ............................................................. 314 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ........................ . ....... 315 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele.............................. 315 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 315 d) Verwirklichung weiterer Gemeinschaftsziele .............................. 316 e) Vereinbarkeit mit dem GATI ............................................. 316 f) Vergleich mit den GestaItungsaItemativen hinsichtlich Zielerreichung und

-verdrängung............................................................. 316 3. AKP-Zuckerprotokoll ........................................................ 317 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ................................ 317 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele .............................. 318 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 318 aa) Ziele des Lome-Abkommens ......................................... 318 bb) Art. 177 EGV .................... '.' .................................. 320 d) Verwirklichung weiterer Gemeinschaftsziele .............................. 320 e) Vereinbarkeit mit dem GATI ............................................. 321 f) Vergleich mit den Gestaltungsalternativen hinsichtlich Zielerreichung und

-verdrängung ............................................................. 321

C. GMO für Bananen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 322 I. Allgemeiner RegelungsinhaIt ................................................... 323

I. Lage vor Einführung der GMO Bananen ..................................... 323 2. Regelungen für den Binnenmarkt ............................................ 324

32

Inhaltsverzeichnis 11. Regelung des Außenhandels .................................................... 325 I. Zollkontingente und Sonderregeln für die verschiedenen Ländergruppen ..... 326

a) AKP-Länder ................................. , . . . . . . . . . . .. . . . . . . ... . . . .... 326 aa) Traditionelle AKP-Importe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 326 bb) Nicht-traditionelle AKP-Importe ..................................... 327 b) Sonstige Drittländer ...................................................... 327 2. Importlizenzen .............................................................. 328 3. Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 329 4. Rahmenabkommen .......................................................... 330 III. Vereinbarkeit der Außenhandelsregelung mit den Zielen des EGV .............. 331 I. Kontingentierung mit verschiedenen Zollstufen .............................. 333 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ................................ 333 aa) Produktivitätssteigerung ............................................. 333 bb) Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung ............................................. 334 cc) Einkommen für Bananenimporteure .................................. 335 (I) Verluste der Driulandsbananenimporteure ....................... 336 (2) Keine landwirtschaftliche Bevölkerung i. S. d. Art. 33 Abs. I Ht. b EGV ........................................................... 336 dd) Stabilisierung der Märkte ............................................ 337 ee) Sicherstellung der Versorgung. .. . .... .. . . . ... ... . . . ... . . . . . .... . . .... 337 ff) Angemessene Verbraucherpreise ........... . ..... . .......... . ........ 339

gg) Weitere agrarpolitische Ziele ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 340 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele.......... . ................... 340 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 341 aa) Verpflichtungen gegenüber den AKP-Partnerländern ................. 342 (I) Einhaltung des Lome-Vertrags ................................... 342 (2) Einhaltung des Bananenprotokolls ............................... 342 (3) Auswirkungen auf allgemeine entwicklungspolitische Ziele ...... 343 bb) Globale Entwicklungspolitik......................................... 344 d) Verwirklichung weiterer Ziele des EGV ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 345 e) Grundrechtsschutz ........................................................ 346 aa) Eigentum ............................................................ 346 bb) Beruf..................... . .......................................... 347 cc) Gleichheit ........................................................... 347

Inhaltsverzeichnis

33

f) Vereinbarkeit mit dem WTO-Regelwerk .................................. 347

aa) Einrichtung eines Zollkontingents ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 348 bb) Einführung neuer Zollsätze .......................................... 349 (I) Höhe des Zolls .................................................. 349

(2) Umwandlung in Gewichtszoll ................................... 350 (3) Auswirkungen des Zolländerungsverfahrens ..................... 350 cc) Präferenzielle Behandlung der AKP-Staaten ......................... 350 (I) Ausnahme nach Art. XXIV GATI für Freihandelszonen und

Zollunionen ..................................................... 351 (2) Waiver nach Art. XXV Abs. 5 GATI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 352 g) Zielverwirklichung durch die Gestaltungsalternativen ..................... 354 aa) Verwirklichung agrarpolitischer Ziele ................................ 355 bb) Verwirklichung handelspolitischer Ziele und des WTO-Abkomrnens . 356 cc) Verwirklichung entwicklungspolitischer Ziele und des Lome IV-Abkommens ............................................................ 357 h) Abwägung hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung ................. 357 aa) Angemessenheit der gewählten Regelung ............................ 357 bb) Angemessenheit der Gestaltungsalternative .......................... 359 2. Aufteilung des Kontingents auf verschiedene Importeure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 360 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ................................ 360 aa) Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung ............................................. 360 (I) Allgemeine Auswirkungen auf die Importeure ................... 360 (2) Sonderregelung durch die Wirbelsturrnverordnungen ............ 361 (3) Wertung hinsichtlich der Zielerreichung ................ . ........ 362 bb) Stabilisierung der Märkte ............................................ 362 cc) Angemessene Verbraucherpreise ..................................... 363 dd) Gemeinschaftspräferenz ............................................. 364 ee) Gemeinsamer Markt ................................................. 364 ff) Weitere agrarpolitische Ziele ......................................... 365

b) Verwirklichung der handels- und entwicklungspolitischen Ziele........... 365 c) Verwirklichung des Prinzips des unverfälschten Wettbewerbs......... . ... 366 d) Grundrechtsschutz ........................................................ 367 aa) Gleichheitsgrundsatz ............. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 367 (I) Ungleichbehandlung ............................................. 367

(2) Vergleichbarkeit der Sachverhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 367 (3) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ......................... 369 3 Trumm

34

Inhaltsverzeichnis bb) Eigentum............................................................ 369 cc) Beruf ................................................................ 370 (I) Eingriff in den Schutzbereich .................................... 370

(2) WesensgehaIt der Berufsfreiheit ................................. 370 e) Vereinbarkeit mit dem WTO-Regelwerk .................................. 371 aa) Aufteilung nach Importeuren der Gruppe A, Bund C ................. 371 bb) Wirbelsturmverordnungen ........................................... 372 cc) Keine Rechtfertigung ................................................ 372 f) Vergleich mit den Gestaltungsalternativen hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung ............................................................. 373

aa) Zielverwirklichung durch die GestaltungsaIternativen ................ 373 bb) Angemessenheit ........................................ .. ... . ....... 373 3. Rahmenabkommen ............................. . ... . .............. . ... . ..... 374 a) Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele ................................ 375 b) Verwirklichung der handelspolitischen Ziele.............................. 375 c) Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele ........................ 375 d) Verwirklichung des Prinzips des unverfälschten Wettbewerbs ............. 376 e) Grundrechte.............................................................. 377 aa) Diskriminierungsverbot .............................................. 377 (I) Unterscheidung nach Herkunftsländern .......................... 377

(2) Kein Exportlizenzerfordernis für die Gruppe B .................. 377 bb) Eigentum und Berufsfreiheit ......................................... 378 f) Vereinbarkeit mit dem WTO-Regelwerk .................................. 379

aa) Aufteilung des Kontingents auf vereinzelte Länder ................... 379 bb) Erfordernis von Exportlizenzen ...................................... 379 cc) Befreiung der B-Importeure von dem Erfordernis der Exportlizenzen . 380 g) Vergleich mit den GestaItungsalternativen hinsichtlich Zielerreichung und -verdrängung ............................................................. 380 IV. Entwicklung seit der Revisionsentscheidung des WTO-Panels ...................... 381 l. Neuregelung durch die VO 1637/98 ......................................... 381

a) Kontingentierung mit verschiedenen Zollstufen ........................... 381 b) Aufteilung des Drittstaatskontingents nach Importeursgruppen ............ 382 c) Aufteilung des Drittstaatskontingents nach Herkunftsländern ............. 383 d) Sonstige Änderungen ..................................................... 384

Inhaltsverzeichnis

35

2. WTO-Widrigkeit der VO 1637/98 ........................................... 384 a) Folgen der teilweisen Nichtumsetzung der Revisionsentscheidung des WTO-Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 384 b) Vereinbarkeit mit dem WTO-Regelwerk .................................. 385 aa) Kontingent von 857.700 t für traditionelle AKP-Bananen............. 386 bb) Aufteilung des Drittlandskontingents ................................. 386 cc) Lizenzverteilung ..................................................... 387 dd) Verteilung von Lizenzen an Marktneulinge ................. . . . . . . . . .. 387

8. Kapitel

Abschließende Würdigung

388

A. Würdigung des bisherigen Agraraußenhandels ..................... . .......... . ..... 388 I. Zusammenfassung der Arbeit ....................................... . . . . . . . . . . .. 388 11. Bewertung des bisherigen Agraraußenhandels .................................. 391

B. Ausblick auf weitere Reformen ..................................................... 392 I. Agenda 2000 .............................................. . . . .................. 392 1. Auswirkungen auf die GMO Getreide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 395 2. Keine weiteren Änderungen der GMO Zucker und der GMO Bananen ....... 396 11. Ausblick auf zukünftige internationale Entwicklungen .......................... 396 1. Weitere WTO-Verhandlungsrunde ........................................... 396 2. Neugestaltung der Partnerschaft von Lorne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 397 Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam .................................... 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 406 Sachwortverzeichnis .................................................................. 428



Abkürzungsverzeichnis a.A. AB\. Abs. ACP a.E.

anderer Ansicht Amtsblatt Absatz African Caribbean Pacific (eng\. und frz. für AKP) am Ende

AETR

Europäisches Übereinkommen über die Arbeit der im internationalen Straßenverkehr beschäfttigten Frahrzeugbesatzungen

a.F. AgrarR

alte Fassung Agrarrecht

AKP

Afrika, Karibik, Pazifik. Die Abkürzung bezieht sich auf die AKPStaaten, die mit der EG den Vertrag von Lome geschlossen haben. (gesamtes) aggregiertes Stützungsmaß (i.S.v. Art. 6 ÜL)

AMS AöR APS APZG Art. Artt. ASCM Aufl. BALM BayVB\. BBPS

Bd. Bearb. BerDtGesVöR Ber. Ldw. BISD BMZ

Archiv des öffentlichen Rechts Allgemeines Präferenzsystem Aus Politik und Zeitgeschichte Artikel Plural für Artikel Agreement on Subsidies and Countervailing Measures (Abkommen über Subventionen und Ausgleichsrnaßnahmen) Auflage Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung Bayerische Verwaltugsblätter Beutler, Bengt I Bieber, Roland I Pipkorn, Jörn I Streil, Jochen: Die Europäische Union, Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden (Nomos) 1993 Band Bearbeiter Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Berichte über die Landwirtschaft Basic Information and Special Documents (GArn

BVerfG

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bundesverfasssungsgericht

CAP

Common Agricultural Policy: eng\. für GAP

CDE CE

Cahiers de Droit Europeen Communaute Europeenne

CEE

Communaute Economique Europeenne

38

Abkürzungsverzeichnis

cif

im internationalen Handel regelmäßig verwendetes Acronym für "costs, insurance, freight" und bestimmt den Importpreis einer Ware an der Grenze vor der Zahlung jeglicher Einfuhrabgaben.

CMLRev.

Common Market Law Review

CSA

Commonwealth Sugar Agreement

ders.

derselbe

d. h. DIE dies. Diss. DÖV DSB DSU

das heißt

DVBI.

Deutsches Verwaltungsblatt

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik dieselbe Dissertation Die öffentliche Verwaltung Dispute Settlement Body (Streitbeilegungsorgan der WTO) Understanding on Rules and Procedures governing the settlement of Disputes: Regeln zum Streitbeilegungsverfahren der WTO

EA

Europa-Archiv

EAFGL

Europäischer Ausgleichs- und Entwicklungsfonds für Landwirtschaft

EAFGL-Ausrichtung

EAFGL, Abteilung Ausrichtung

EAFGL-Garantie

EAFGL, Abteilung Garantie

ebd. EC

ebenda European Community

EEC

European Economic Community

EEF

Europäischer Entwicklungsfonds

EER EFARev.

European Economic Review European Foreign Affairs Review

EFLR

European Food Law Review

EFRE EG

Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

EGKS EGKSV

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3. 1957, geändert und umbenannt durch den EUV Europäischen Investitionsbank European Journal of International Law European Law Review Europäische Menschenrechtskonvention: Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 Europäische Politische Zusammenarbeit Europäischer Fonds für regionale Entwicklung Europäische Union Europäischer Gerichtshof

EIß EJIL ELR EMRK EPZ ERRE EU EuGH

Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Abkürzungsverzeichnis

39

EuGHE

Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofs

EuGRZ EuR

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EUV

Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet zu Maastricht am 7.2.1992

Europarecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

EWS E+Z FOB

Entwicklung und Zusammenarbeit im internationalen Handel regelmäßig verwendetes Acronym für "free on board" und bezeichnet den Preis einer Importware bei Verschiffung im Exportland.

FS GAP

Festschrift Gemeinsame Agrarpolitik

GASP

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Artt. J ff. EUV)

GATS

General Agreement on Trade in Services (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen)

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen)

Gel

Gericht der ersten Instanz

GHP GMO

Gemeinsame Handelspolitik Gemeinsame Marktordnung

GS GTE

Gedächtnisschrift

GZT

Gemeinsamer Zolltarif Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft

HdWW HYIL Hrsg.

Groeben I Thiesing I Ehlermann: Kommentar zum EWG-Vertrag

Hague Yearbook of internationallaw Herausgeber

HS

Halbsatz

IBRD

Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

ICLQ L e. S. IGR I.L.M. insb. i. S.

L S. d. L S. v.

International and Comparative Law Quarterly im engeren Sinne Internationaler Getreiderat International Legal Materials insbesondere im Sinne im Sinne des im Sinne von

IWF

Internationaler Währungsfonds

Lw.S.

im weiteren Sinne

IZÜ

Internationales Zucker-Übereinkommen

40

JA

Abkürzungsverzeichnis Juristische Arbeitsblätter

JCMS

Journal of Common Market Studies

JÖR n.F.

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JuS JWT

Juristische Schulung

JWTL

Journal of WorId Trade Law

JZ KSE

Juristenzeitung

LUFPIG MO

Land Use and Food Policy Intergroup in the European Parliament Marktordnung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

nwb

Neue Wirtschaftsbriefe Organization for Economic Co-Operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Journal of World Trade

Kölner Schriften zum Europarecht least developed countries (am wenigsten entwickelte Länder) LDC litera (Buchstabe) lit. Lome IV(-Abkommen) Vierter Vertrag von Lome, abgeschlossen zwischen der Gruppe der AKP-Staaten und der Gruppe der Mitgliedstaaten der EG

OECD ÖZP OOPEC

Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaften

PAC

Politique Agricole Commune: frz. für GAP

PJZS RabelsZ

RADlC Rev.econ.poL

Office for Official Publications of the European Communities Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue Africaine de Droit Internationale et Compare Revue economique et politique

Rev. trim.dr.europ.

Revue Trimestrielle de Droit Europeen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft

RMC

Revue du Marche Commun

S.

Seite siehe

s. Stabex TARIC

System für die Stabilisierung der Erlöse aus der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Grundstoffen im Rahmen des Lome-Abkommens Integrierter Zolltarif der EG

TRIPS

Spiegel strich Trade related investment measure handelsbezogene Investitionsmaßnahmen Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights

TUE

Traite sur I'Union Europeenne

Tiret TRIM

=

u. a.

unter anderem

UAbs.

Unterabsatz

ÜL

Übereinkommen über die Landwirtschaft (multilaterale HandeIsübereinkunft Nr. 3 zum Annex I A zum WTO-Abkommen)

Abkürzungsverzeichnis ÜLG UN UN-Charta UNCTAD

v. a. VER Verf. VO VRB Europa-Institut VVdStRL WAB WBRO WebJCLI WEGS

41

Überseeische Länder und Gebiete Unites Nations (Vereinte Nationen) Charta der Vereinten Nationen (vom 26.6. 1945) United Conferences on Trade and Development vor allem voluntary export restraints: freiwillige Selbstbeschränkungsmaßnahmen Verfasser Verordnung Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität Saarbrücken Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Währungsausgleichsbeträge The World Bank Research Observer Web Journal of Current Legal Issues Wohlfahrt I Everling I Glaesner I Sprung, Die Europäische Wirtschaftsgemeinseht, Kommentar zum Vertrag, 1960

WlM WTO WVÜ

World Trade Materials World Trade Organisation Wiener Übereinkommen über das Recht der völkerrechtlichen Verträge

WWU

Wirtschafts- und Währungsunion

ZaöRV z. B.

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel

ZEuS ZfV ZfZ zit.

Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern zitiert

1. Kapitel

Einführung Die Landwirtschaft spielt im Vergleich zu anderen Wirtschafts sektoren in den Volkswirtschaften der Industrieländer nur eine unbedeutende Rolle. Doch gerade die Industrieländer leisten sich einen stark subventionierten Agrarsektor, der mit viel Aufwand gegen die Konkurrenz aus anderen Ländern abgeschirmt wird. Die Liberalisierung des Welthandels wird durch die Restriktionen des Agrarhandels wiederholt gehemmt. Bereits die Uruguay-Runde des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), das dem Prinzip des Weltfreihandels verpflichtet ist, wurde durch die Verhandlungen über die Landwirtschaft lange hinausgezögert und ihr Erfolg ernsthaft gefährdet. Nunmehr droht die neue Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) anläßlich des Bananenstreites zwischen der EG 1 und den USA ihre Autorität und damit ihre Bedeutung einzubüßen. Der Agraraußenhandel der EG ist paradigmatisch für den Agrarprotektionismus der Industrieländer. Zusammen mit den USA wird die EG als Hauptstörfaktor des Agrarweltmarktes genannt2 • Dies ruft die Frage nach dem rechtlichen Hintergrund der europäischen Agraraußenhandelspolitik hervor. Der EGV 3 - Gründungsvertrag und Verfassung der EG zugleich - gibt den Gemeinschaftsorganen auch auf dem Gebiet des Agraraußenhandels inhaltliche Vorgaben vor. Wo er die Agraraußenhandelspolitik zwischen den antagonistischen Außenhandelsmodellen Weltfreihandel und Protektionismus ansiedelt und ob die tatsächlich verfolgte Politik den gesetzlichen Vorgaben entspricht, ist Thema dieser Dissertation.

A. Wirtschaftspolitischer Hintergrund J. Die Landwirtschaft als außergewöhnlicher Wirtschaftssektor Die Landwirtschaft weicht mit einigen charakteristischen Merkmalen von den übrigen Bereichen einer Volkswirtschaft ab. Abgesehen von der traditionellen Bedeutung und Homogenität der Gruppe der ländlichen Bevölkerung ist diese Son1 Durch Art. 8 EUV (Vertrag über die Europäische Union, vom 7.2. 1992) wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in ,,Europäische Gemeinschaft" (EG) umbenannt. 2 Vgl. für viele Tetsch, Wirtschaftsdienst 1980,294 passim. 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3. 1957.

44

1. Kap.: Einführung

derrolle auf die speziellen Produktions strukturen im Agrarbereich zurückzuführen. Landwirtschaftliche Erträge sind in hohem Maße von Klima, Wetterschwankungen und Bodenverhältnissen abhängig. Produktionsumstellungen aufgrund von Änderungen der Marktverhältnisse sind nur schwerfällig in Gang zu setzen und erfordern hohe Investitionen4 • Dies führt zu einer relativ großen Preisinstabilität auf den landwirtschaftlichen Märkten, die durch eine inflexible Nachfrage 5 und saisonale Angebotsschwankungen verstärkt wird 6 . Gleichzeitig sichert die Produktion von Agrarprodukten zu einem großen Teil die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung und berührt damit deren elementare Grundbedürfnisse7 • Die heimische Landwirtschaft wird wegen ihrer Sensibilität weltweit von den Staaten sorgsam beobachtet und regelmäßig vor äußeren, sich möglicherweise negativ auswirkenden Einflüssen geschützt8 .

11. Der Agraraußenhandel der EG Obwohl sie bei ihrer Gründung noch ein Nettoimporteur von Agrargütern war, hat sich die EG inzwischen zu einem Nettoexporteur entwickelt9 . Sie bleibt aber der weltgrößte Importeur von landwirtschaftlichen Produkten 10. Mit einem Weltmarktanteil von ca. 30% ist die EG ein Wirtschaftsfaktor, dessen auf den Welthandel bezogene Entscheidungen sich tiefgreifend auf die Entwicklung des Weltmarktes auswirken 11. Der Außenhandel der EG stellt sich nicht - wie bei den Nationalstaaten üblich als der grenzüberschreitende Güteraustausch mit Wirtschaftssubjekten aus anderen Nationalstaaten dar 12 • Bei der EG handelt es sich weder um einen (Bundes-) Staat13 , noch um eine internationale Organisation im herkömmlichen völkerrechtBoest, S. 30, 33; Koester, Marktlehre, S. 137 ff.; zurückhaltender Grant, S. 29. Siehe hierzu Koester, Marktlehre, S. 140 ff.; Gilsdorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 39 a.F., Rz. 37. 6 Balzer, Ztz 1984, 197 (197 f.). Vgl. gegen eine Rechtfertigung einer interventionistischen und protektionistischen Agrarpolitik aus diesen Gründen die Literaturhinweise bei Gardner, S. 102, Fn. 1. 7 Balzer, ztz 1984, 197 (197 f.). S Zur langen Tradition des Agrarprotektionismus: Haverkate, S. 317; OckendenlFranklin, S. 2; Balzer, ztz 1984, 197 (198); Bhagwati, Geschützte Märkte, S. X, 13 f. 9 Grant, S. 25; FennelI, S. 70; Gardner, S. 84 und 87; ausführlich Koester, APZG 1995, B 33 - 34, S. 25 (28 f., Tabelle 1). 10 Gardner, S. 87; Europäische Kommission, Lage der Landwirtschaft 1996, S. T 1182 f. 11 Vgl. Grilli, in: EI-Agraa, S. 135; Rosenblatt et al., S. 16; Koester, Marktlehre, S. 249 f.; FennelI, S. 70. Zumindest mittelbare Auswirkungen können auch Maßnahmen entwickeln, die allein auf den Binnenagrarmarkt gerichtet sind. 12 Volkswirtschaftlich wird der Außenhandel definiert als Austausch von Güterbündeln zwischen der Gesamtheit der Inländer und der Gesamtheit der Ausländer, Seil, S. 120. 4

5

A. Wirtschaftspolitischer Hintergrund

45

lichen Sinne, sondern um ein neues Gebilde im Rahmen des Völkerrechts, das als supranationale Organisation bezeichnet wird l4 . Der Begriff des Außenhandels übertragen auf die EG - bezieht sich daher auf den Warenaustausch zwischen Wirtschaftssubjekten aus den Mitgliedsstaaten und aus Nichtmitgliedstaaten 15, der die Außengrenzen des Binnenmarktes überschreitet. Die EG ist im Agraraußenhandel das einzige Handlungssubjekt mit eigenen Rechten und Pflichten. Zwar wurde im Vertrag von Maastricht durch Art. 1 EUV in der Gestalt der Europäischen Union (EU) ein neuer Akteur geschaffen, der organisationsrechtlich als eine einheitliche Organisation anzusehen ist. Der EUV bildet als sog. "Mantelvertrag" eine Tempelkonstruktion. Die Europäische Union stellt das Dach dar, während die Europäischen Gemeinschaften 16 einerseits und die neu hinzugefügten intergouvernementalen Foren 17 andererseits die das Dach stützenden drei Säulen repräsentieren. Da die EU keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist und auf die Organe und Instrumentarien der EG angewiesen ist, bleibt die EG alleiniges Handlungssubjekt l8 • Durch den Vertrag von Amsterdam 19 haben die Mitgliedstaaten, neben einer neuen Numerierung der Vorschriften 2o , erneut Kompetenzen ihrer einzelstaatIichen Souveränität entzogen und der EG zugeordnet21 .

13 Es fehlen die drei nach dem Völkerrecht notwendigen staatsbegründenden Charakteristika Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt: BVerfGE 22, 293 (296); BVerfG JZ 1993, 1100 (1105): Maastricht; zum Maastricht-Urteil: Götz. JZ 1993, 1081; Bleckmann. Europarecht. Rz. 977 -987; Oppermann. in: Hommelhoff I Kirchhof. S. 87 (9\); BBPS. S. 69 f.; Streinz. Rz. 121; Bogdandy / Nettesheim. in: Grabitz, EGV. Art. 1, Rz. 58; Seidl-HohenfeIdern. Rz. 622. 14 Ob diese supranationale Organisation einen neuen Typ einer internationalen Organisation darstellt (so für viele: Bleckmann. Europarecht. Rz. 989), oder ob es sich um eine vollständig neuartige Kategorie des Völkerrechts neben Staat und internationaler Organisation handelt. wie von Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. I, Rz. 59 vertreten, soll hier dahin gestellt bleiben, da praktische Konsequenzen daraus nicht erwachsen. 15 Diese Nichtmitglieder werden auch als Drittstaaten bezeichnet. 16 Die Europäischen Gemeinschaften bestehen aus der EG, der EGKS und dem Euratom. 17 Es handelt sich hierbei um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS); vgl. Artt. II ff. und Artt. 29 ff. EUV. 18 Streinz, Rz. 121 b; Bleckmann. DVBL. 1992.335; Oppermann. in: Hommelhoffl Kirchhof, S. 87 (90); Baetge, BayVBI. 1992, 711; Everling. DVBI. 1993, 936 ff.; BVerfGE 89, 155 (195); Bogdandy / Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. I, Rz. I, 2. Diesselben weisen aber in EuR 1996, 3 (23 ff.) auf die schrittweise Durchsetzung der EU als Rechtspersönlichkeit und Handlungssubjekt in der Priaxis hin. Hiergegen: Pechstein. EuR 1996, 137 ff. Für eine Rechtspersönlichkiet der EU: Ress. JuS 1992, 985 (986). Da der EG als Rechtssubjekt das Handeln nach dem EGV, und daher auch die Agraraußenhandelspolitik, zugerechnet wird, untersucht diese Arbeit allein die Entscheidungen der EG als Handlungssubjekt. 19 Der Vertrag von Amsterdam zur Änderung des EUV und des EGV wurde am 2. 10. 1997 unterzeichnet.

46

1. Kap.: Einführung

IH. Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern und der Weltagrarmarkt

Entwicklungsländer unterscheiden sich von den entwickelten Ländern nicht nur durch ihr niedriges Bruttosozialprodukt, sondern auch durch eine rückständige Industrialisierung. Mangels ausreichender anderweitiger Produktionskapazitäten nimmt die Rohstoffproduktion, und insbesondere die Landwirtschaft, einen herausragenden Platz in den Volkswirtschaften der unterentwickelten Staaten ein. Ein weiterer Grund für die wirtschaftliche Abhängigkeit der Entwicklungsländer von der Landwirtschaft ist ihre regelmäßige Unterversorgung mit Lebensmitteln, da die heimische Agrarerzeugung für eine gesunde Ernährung der gesamten Bevölkerung regelmäßig nicht ausreicht. Hieraus ergibt sich eine vielschichtige Abhängigkeit der Entwicklungsländer vom Weltagrarmarkt: Mangels Autarkie in der Nahrungsmittelversorgung sind sie darauf angewiesen, ihren noch offenen Bedarf auf dem Weltmarkt zu decken. Von erheblicher Bedeutung sind daher das Preisniveau, aber auch die Preis- und Angebotsschwankungen auf dem als Versorgungsquelle dienenden Weltmarkt. Diese Marktvariablen wirken sich entgegengesetzt aus, wenn Entwicklungsländer, soweit eine andere exportfähige Produktion fehlt, für die Erwirtschaftung von Devisen Agrargüter auf dem Weltmarkt zu möglichst lukrativen Preisen verkaufen wollen22 • Zusätzlich gefährden Agrarimporte aus den Industriestaaten in die Inlandsmärkte der Entwicklungsländer deren ohnehin auf wackeligen Füßen stehende inländische Landwirtschaft. Die vermöge Agrardumpings erheblich attraktiveren Agrarimporte substituieren häufig die traditionelle Nahrungsmittelproduktion und bedrohen deren Existenzfähigkeit. Eine Liberalisierung des Agraraußenhandels erweist sich für die Entwicklungsländer daher als Januskopf23 : Einerseits sind der Handel und die Eingliederung in die Weltwirtschaft ein notwendiges Instrument zur wirtschaftlichen Entwicklung. Andererseits drohen Weltmarktschwankungen die Inlandsmärkte der Entwicklungsländer weiter zu destabilisieren und ihre Abhängigkeit von den Industriestaaten zu verstärken.

20 Der EUV wie der EGV wurden vollständig neu durchnumeriert, vgl. Khan, S. XVII. In der vorliegenden Arbeit werden die Artikel der beiden Verträge nach der neu geltenden Fassung nach dem Amsterdamer Vertrag verwendet. Die TextsteIlen der Literatur werden dagegen - in Übereinstimmung mit den Quellen - weiterhin nach der alten Fassung zitiert und mit a.F. (alte Fassung) gekennzeichnet. 21 Khan, S. XI. 22 Haverkate, S. 316; OpokuAwuku, JWT 1994,75 (86). 23 Für die gewählte Fragestellung ausschlaggebend ist allein der Außenschutz der EG und seine Auswirkungen auf die Entwicklungsländer. Auf die Frage einer Öffnung der Binnenmärkte der Entwicklungsländer für Agrargüter aus Drittstaaten und ihre Exportförderung wird nicht eingegangen.

B. Wirtschaftspolitische Leitbilder im Außenhandel

47

IV. Die Verantwortung der EG gegenüber den Entwicklungsländern auf dem Gebiet des Agrarhandels Als Teil der reichen, industrialisierten Ersten Welt steht auch die EG in der allgemeinen moralischen Pflicht, die zum Teil katastrophalen Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern zu verbessern und ihnen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützend zur Seite zu stehen. Daneben muß sich die EG einer spezifischen, aus ihrer kolonialen Vergangenheit resultierenden Verantwortung stellen. Durch ihren dominierenden Einfluß auf den Weltagrarmarkt spielt die Agrarpolitik der EG für die vom Agrarhandel im besonderen Ausmaß abhängigen Entwicklungsländer eine erhebliche Rolle 24 • Zwischen der Agrarpolitik der EG und ihrer klassischen Entwicklungshilfe können auf zahlreichen Ebenen Konflikte entstehen. Eine Agrarpolitik der EG darf daher ihre entwicklungspolitischen Auswirkungen nicht mißachten, will sie deren Wirkungen nicht konterkarieren 2s . Produktions- und Versorgungskapazitäten der Binnenwirtschaft der meisten Entwicklungsländer reagieren sensibel darauf, daß der Zugang zum Europäischen Markt als Absatzmöglichkeit eingeschränkt, der Verkauf auf dem Weltmarkt aufgrund der Konkurrenz mit künstlich verbilligten Agrarprodukten aus der EG erschwert und der eigene Markt durch gedumpte Agrarimporte gestört wird 26 • Die EG muß sich dem Vorwurf stellen, daß die von ihr geleistete klassische Entwicklungshilfe den Schaden nicht aufwiegt, den ihre Agrarpolitik den Volkswirtschaften der Entwicklungsländer zufügt.

B. Wirtschaftspolitische Leitbilder im Außenhandel Der Handel auf dem Weltmarkt wird von den Gegenpolen des Weltfreihandels und des Protektionismus geprägt. Freihandel ist ein Leitbild der Außenhandelspolitik 27 , das den vöJ1igen Verzicht auf staatliche Beschränkungen grenzüberschreitender wirtschaftlicher Austauschbeziehungen fordert 28 • Freiheit im (Welt-)Wirtschaftssystem ist demnach als Freiheit des Wirtschaftens von Privatrechtssubjekten zu verstehen 29 . Mit Protektionismus dagegen bezeichnet man die staatlichen Lenkungseingriffe in den Außenhandelsverkehr, mit denen heimische Anbieter oder Koester, CAP, S. 3. Vgl. hierzu Cramon-Taubadel/Wehrheim/Braun/Koester, in der Einführung. 26 Grant, S. 28. 27 Ebenso wie ihre auf die Binnenwirtschaft bezogenen Leitbilder "Marktwirtschaft" und "staatliche Planwirtschaft" sind ,,Freihandel" und ,,Protektionismus" idealtypische Wirtschaftssysteme. Sie sind in einer Reinheit konzipiert, die reell nicht existiert. Alle realen Wirtschaftssysteme sind Mischsysteme mit heterogenen Systemelementen. Peters, S. 17 f. 28 Seil, S. 119; Vahlen, Stichwort: Freihandel. 29 Eiselstein, S. 79. 24

25

1. Kap.: Einführung

48

Nachfrager vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden sollen 30. Protektionistische Maßnahmen richten sich gegen die Auswirkungen des Freihandels, die für die Gesamtwirtschaft oder für Wirtschaftssektoren als negativ angesehen werden 31 . Grundsätzlich sind in allen Wirtschaftssystemen sowohl Freihandel als auch Protektionismus enthalten, so daß es bei der Bewertung eines Wirtschaftssystems darauf ankommt, welches Prinzip die Regel und welches die Ausnahme bildet32 •

I. Freihandel 1. Argumente für den Freihandel

Begründet wurde die Freihandelslehre durch die klassisch-liberale Wirtschaftstheorie des 18. und 19. Jahrhundert. Sie wurde vor allem von Adam Smith, David Ricardo und John Stuart Mill entwickelr3 3 . Ihre Überlegenheit gegenüber staatlichen Interventionen in den Außenhandel wird im Prinzip der komparativen Kostenvorteile gesehen: Wird ein Gut bei gegebenen Wechselkursen im Ausland billiger angeboten als im Inland, wird der rationale Verbraucher auf das importierte günstigere Gut zurückgreifen, der ausländische Anbieter die zusätzliche Nachfrage wegen der damit verbundenen Gewinne erfüllen 34 . Konsequenterweise wird sich jedes am Welthandel teilnehmende Land auf die Produktion derjenigen Güter spezialisieren, die es verhältnismäßig billiger produzieren kann 35 . Daher werden die knappen Produktionsfaktoren durch den freien Wettbewerb auf dem Weltmarkt am vorteilhaftesten eingesetzr36 . Jede Volkswirtschaft gewinnt durch Außenhandel an Wohlfahrt 37 , da der Außenhandelsgewinn durch die Realisierung von Spezialisierungsvorteilen und ProduktiPetersmann, RabelsZ 47 (1983) 478; Vahlen, Stichwort: "Protektionismus". Gründe für Protektionismus, siehe Seil, S. 160; Vahlen, Stichwort: Protektionismus. Vgl. als Stellvertreter zur Diskussion über Freihandel und Protektionismus: Krugman, Economic Perspectives 1987, 131 ff.; Gray, passim, sowie die Aufsätze in Gutowski (Hrsg.): Der neue Protektionismus. 32 Reelle Wirtschaftssysteme werden nach der vorherrschenden Art des Verfügungs-, Planungs- und Koordinierungssystems eingeordnet. V gl. hierzu ausführlich, Peters, S. 17 f. Vgl. auch Eise1stein, S. 79; Henrichsmeyer; S. 284. 33 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776; Ricardo, Principles of Political Economy and Taxation, 1817. 34 Seil, S. 119; Henrichsmeyer; S. 280. 3S Henrichsmeyer; S. 272 ff., der von "relativen Produktionsunterschieden" spricht und hierfür z. B. natürliche Standortvorteile, kostengünstigere Produktionsverfahren oder die besonderen Fertigkeiten der Arbeitskräfte aufzählt. 36 Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (479). 37 Der Begriff der "Wohlfahrt" stammt aus der Wohlfahrtstheorie und umschreibt den wirtschaftlichen Wohlstand für einzelne, Gruppen oder die Gesamtheit der Wirtschaftssubjekte unter bestimmten Nutzen-, Wert- und Wohlstandsvorstellungen; vgl. Meyers, Stichwort: Wohlstandstheorie. 30 31

B. Wirtschaftspolitische Leitbilder im Außenhandel

49

vitätssteigerungen ungemindert genutzt werden kann 38 . Aufgrund der effizienteren Allokation der Ressourcen erhöht selbst ein einseitiger Abbau von Handelsschranken nicht nur die weltweite, sondern auch die Wohlfahrt des sich einseitig für den Freihandel engagierenden Staates 39 . Die Verbrauchsmöglichkeiten sind nicht mehr durch die Produktionsmöglichkeiten, sondern allein durch die Tauschmöglichkeiten am Weltmarkt begrenzt, so daß zusätzlich die Güterpalette beträchtlich erweitert wird4o.

2. Vorübergehende Nachteile eines ungebremsten Freihandels

Bei strikter Einhaltung des Freihandelsprinzips schrumpfen aufgrund der zusätzlichen Konkurrenz diejenigen Wirtschaftszweige, die einen relativen Preisnachteil haben. Da Produktionskapazität und Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig zurückgehen, entstehen Einbußen für einzelne Wirtschafts sektoren oder sogar für die gesamte Volkswirtschaft41 • Zwar gibt die Theorie der komparativen Kostenvorteile keine Antwort auf die Frage, wie sich die durch den ungehinderten Freihandel ausgelöste, abrupte Freisetzung von Produktions anlagen und Arbeitskräften auf die Wohlfahrt der Volkswirtschaft auswirkt42 • Andererseits verursacht auch der Schutz einzelner Wirtschaftssektoren vor ausländischer Konkurrenz hohe Kosten, ohne die langfristigen, aber notwendigen Anpassungsprobleme zu lösen oder überflüssig zu machen43 . Insbesondere belasten kompensatorische Subventionen, die für wettbewerbsunfahige Sektoren auf Kosten produktiverer Wirtschaftszweige erfolgen, Staatshaushalt und Kapitalmärkte44 .

11. Protektionismus 1. Politische Erklärungen für den Protektionismus

Die meisten Argumente für protektionistische Außenhandelspolitik leiten sich aus gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Zielen ab45 . Für den Handel mit den lebenswichtigen Agrargütern wird der Außen schutz vor allem darauf gestützt, daß eine ausreichende Selbstversorgung ohne geschützte eigene Herstellung für Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (480); Vahlen, Stichwort: Freihandel. Vgl. Weck-Hannemann, S. 12,22; Siebert, S. 175. 40 Henrichsmeyer, S. 279 ff. 41 Vgl. hierzu Siebert, S. 175, der den Begriff des Handels im Sinne eines Freihandels verwendet. 42 Seil, S. 130 f. 43 Vahlen, Stichwort: Freihandel. 44 Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (479). 45 Henrichsmeyer, S. 284 f.; Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (481 f.). 38

39

4 Trumm

50

1. Kap.: Einführung

den Krisenfall nicht gewährleistet werden kann46 . Die Protektion einzelner Wirtschaftsbereiche beruht teilweise auch auf stabilitätspolitischen Erwägungen, etwa um kurzfristige, aber starke Marktschwankungen auszugleichen und größere regionale Arbeitslosigkeit zu verhindem47 . Gerade im Agrarbereich wird durch den Protektionismus als verteilungspolitisches Instrument der heimischen Landwirtschaft eine staatliche "Rente" auf Kosten der Verbraucher, Verarbeitungsindustrie und Exportwirtschaft zugestanden 48 • Unter diesem Umverteilungsaspekt läßt sich eine protektionistische Außenhandelspolitik zusätzlich durch die politische Einflußnahme einzelner Interessengruppen (Lobbyismus) zur Durchsetzung ihrer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele erklären49 • Die vom Weltfreihandel negativ Betroffenen können sich als abgegrenzte Gruppe organisieren und institutionelle Regelungen zum Schutz ihres Sektors gegen die Konkurrenz des Weltmarktes durchsetzen (rent-seeking)50. Dies gilt insbesondere für die Gruppe der Landwirte, die innerhalb der Gesellschaft wegen ihres großen sozialen Zusammenhalts und ihrer kulturellen Symbolkraft herausstechen 51 . Dagegen begreifen sich die von Handelshemmnissen benachteiligten Verbraucher und die nicht protegierten Wirtschaftszweige nicht als Interessengruppe, die sich für ihre Vorteile einsetzt52 .

2. Formen des Protektionismus

Mit Zöllen als handelspolitischen Instrumenten wird, sobald eine Ware die Außengrenze des Zollgebiets überschreitet, eine Abgabe eingefordert, die entweder nach dem Wert oder der Menge bemessen wird 53 . Im Gegensatz dazu versteht man 46 Henrichsmeyer. S. 285 nennt hierfür die Beispiele Landwirtschaft und den Bergbau. Auch fürchtet z. B. Allais, Rev.econ.pol. 104 (I) 1994, S. 3 (10) im Falle einer Liberalisierung des Agraraußenhandels, daß die Landwirtschaft in der EG beinahe vollständig ver· schwinden wird. Nach Siebert, S. 177 läßt sich Autarkie LS. einer völligen wirtschaftlichen Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Importsubstitute aber durch Protektionismus nicht errei· chen, da sich das Versorgungsrisiko nur begrenzen, nicht aber beseitigen läßt. 47 Henrichsmeyer. S. 285. Der mittel- und langfristige Schaden, den der Sektor selbst dadurch nimmt, daß er sich aufgrund des Außenschutzes durch Kostensenkung und Qualitätsverbesserung keine bessere Wettbewerbsfahigkeit durch Anpassungsinvestitionen verschafft, bleibt dabei unbeachtet, siehe Siebert. S. 176; vgl. auch Giesecke. in HilflPetersmann. S. 63 (66), der auch auf die Gefahr von Fehlinvestitionen hinweist. Stellvertretend für die Befürworter des Protektionismus: Allais. Rev.econ.pol. 104 (I) 1994, S. 3 (11 f.). 48 Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (482); Grant, S. 28; Henrichsmeyer. S. 285. 49 Weck-Hannemann, S. 15; Henrichsmeyer. S. 285; vgl. auch Giesecke. in Hilf IPetersmann, S. 63 (65 f.) aus der Sicht der deutschen Wirtschaft; Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478. !IO Siebert, S. 175 f.; Koester. Marktlehre, S. 251 f. SI Grant, S. 10 und 30 f. S2 Petersmann. RabelsZ 47 (1983) 478 (483 f.); Man spricht in diesem Fall auch von "diffusen Interessen".

C. Europarechtlicher Ansatz der Dissertation

51

unter nicht-tarifären Handelshemmnissen alle Instrumente, die den Außenhandel in seiner natürlichen Entwicklung stören54 : Darunter fallen die mengen- und wertmäßigen Beschränkungen der Einfuhr (Importkontingente)55 ebenso wie die sog. freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen, in denen sich Exportländer bilateral oder multilateral zu einer Beschränkung ihres Exports verpflichten 56 • Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen zählen auch die variablen Abschöpfungen: Um ein im Binnenmarkt herrschendes Preisniveau abzusichern wird für jede Importware die Differenz zwischen dem Importpreis und dem im Binnenmarkt geltenden Preis verlangt51 . Noch einschneidender sind vollständige Import- und Exportverbote. Aber auch technische Handelshemmnisse wie Sicherheitsstandards und Verwaltungsvorschriften, wie Zollformalitäten oder Ursprungszeugnisse, können, auch wenn sie häufig anderen Zwecken dienen, den Außenhandel behindern 58 .

c. Europarechtlicher Ansatz der Dissertation I. Ordnungsfunktion einer Wirtschaftsverfassung: Durcbsetzung des Freihandels Die Gewährung absoluter Freiheit im Wirtschaftsleben eröffnet zugleich die Möglichkeit, daß diese Freiheit durch ökonomische Machtgebilde ausgenutzt wird und zur Unfreiheit anderer Wirtschaftssubjekte führt. Entsprechend diesem sog. ,,Freiheitsparadoxon" kann die totale Freiheit die Tendenz zur Unfreiheit einschließen. In marktwirtschaftlichen Systemen müssen daher der Wettbewerb und die individuelle Freiheit der Bürger durch einen Ordnungsrahmen gesichert werden 59 . 53 Zum Wert- und Mengenzoll Siebert. S. 178 f., 182 f.; Je nach Transportrichtung wird zwischen Einfuhrzöllen beim Eintritt und Ausfuhrzöllen bei der Ausfuhr einer Ware aus dem Zollgebiet unterschieden. Ausführlich: Seil. S. 161. 54 Herrmann. in: FS Koester, S. 159 (161 f.); Seil, S. 160 f. und 167; Sieben. S. 185 ff. Eine Übersicht über die weltweiten nichttarifaren Handelshemmnisse bietet eine Datenbank der Kommission, siehe EuZW 1997,69. 55 Eiselstein. S. 89. 56 Hier bleibt aber die zusätzliche Produzentenrente beim exportierenden Staat, Siebert. S. 186 f. 57 Ausführlich zu dieser Einordnung: Herrmann, in: FS Koester, S. 159 (162, Fn. 3); Siebert. S. 179. 58 Eiselstein, S. 94; allgemein zu nicht-tarifären Handelshemmnissen: Herrmann, in: FS Koester, S. 159 (161 ff.). 59 Der Schutz des Wettbewerbs und der wirtschaftlichen Freiheit des einzelnen wird vor allem im sog. "Ordoliberalismus" gefordert, der der Freiburger Schule der Nationalökonomie zuzuordnen ist. Bekannte Vertreter sind Walter Eucken (1891 - 1950) und der Nobelpreisträger Friedrich von Hayek (1899-1992). Ausführlich hierzu Peters, S. 144 ff. Zur Notwendigkeit verfassungsrechtlicher Schranken für die Außenhandelspolitik auch: Petersmann, 3 EJIL (1992) I (18 f.).

4'

52

1. Kap.: Einführung

In keiner nationalen oder internationalen Wirtschaft haben sich der freie Handel und der freie Wettbewerb als natürliche, d. h. sich selbst entwickelnde Ordnungen, durchgesetzt. Stattdessen zeigen sich immer neue Erscheinungsformen eines "modernen" Protektionismus 60• Nur das Recht kann die ordnungspolitische Aufgabe erfüllen, die erforderlichen Rahmenbedingungen für einen allseits vorteilhaften Freihandel zu sichern und dessen wohlstandsfördernde Wirkung gegen wettbewerbs- und freiheitseinschränkende Eingriffe zugunsten von Sonderinteressen zu schützen61 • Dieser Ordnungsrahmen wird für den Außenhandel der EG in erster Linie durch die unterschiedlichen Aspekte des EGVals Wirtschaftsverfassung und normative Festlegung der Wirtschaftsordnung im staatsrechtlichen Sinn gesetzt62 . Die politische Freiheit der Exekutive wird zum einen in ihrer Beziehung zur Verfassung durch die Gewaltenteilung und die materiellen Prinzipien der Wirtschaftsordnung, zum anderen in ihrer Beziehung zum Bürger durch die Grundrechte beschränkt63 • Die wirtschaftlichen "Verfassungsgarantien" des EGV setzen daher grundsätzlich auch fest, wie weit der Schutz der grenzüberschreitenden Grundrechtsausübung der Bürger und die rechtsstaatliche Beschränkung außenpolitischer Regelungsbefugnisse der Exekutiven im Agraraußenhandel der EG reichen 64 .

11. Rechtliche Determination des Weltfreihandels im Europäischen Agraraußenhandel Die EG besitzt als supranationale Organisation keine Kompetenzkompetenz i.S. einer Allzuständigkeit, wie dies bei Nationalstaaten der Fall ist, sondern bezieht ihre Rechtsetzungsbefugnisse durch die Gründungsverträge von den Mitgliedstaaten. Wegen des Prinzips der begrenzten Ermächtigung darf die EG nur tätig werden, wenn sie aufgrund der ihr zugewiesenen Kompetenzen handelt, um die im EGV festgesetzten Ziele zu erreichen. Der rechtliche Gestaltungsrahmen der EG ergibt sich daher aus den Kompetenzen und Zielen des EGV. Grundlage der Ana(i() Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (487 und 488); Berthold/Hilpert, Internationale Politik 1997,20 ff., für die EG auf S. 24 ff. 61 Petersmann, RabelsZ 47 (1983) 478 (488). Hierzu auch StolI, ZaöRV 1997,83 (87 ff.). Vgl. hierzu auf das Grundgesetz bezogen: Badura, FS Fröhler, S. 321 (322). Inwieweit diese Gruppeninteressen durch den EGV aus Gründen der sozialen Solidarität geschützt werden und zu einer wirtschaftlichen Verteilung führen sollen, wird unten bei Art. 33 EGV angesprochen. 62 Der Begriff der "Wirtschaftsverfassung" ist hier in einem weiten Sinn als primäres Regelwerk zu verstehen, das die grundlegenden wirtschaftspolitischen Leitlinien festlegt. Everling, FS Mestmäcker, S. 365 (366); Basedow, Wirtschaftsverfassung, S. 8. Eine genauere Bestimmung des Begriffs und die Folgen hieraus finden sich unten, 2. Kapitel, C.I.2.b). 63 V gl. zu den verfassungsrechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung in der sozialen Marktwirtschaft des deutschen Grundgesetzes und zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten gegen den Machtanspruch des Mehrheitswillens durch das Bundesverfassungsgericht: Badura, AöR 92 (1967) 383 (insb. 383 f.). 64 Vgl. Petersmann, EuZW 1993,593.

c. Europarechtlicher Ansatz der Dissertation

53

Iyse der Bedeutung des Weltfreihandels im Agraraußenhandel mit Entwicklungsländern ist daher die Frage nach den Kompetenzen und den das Handeln inhaltlich bestimmenden Zielen der drei tangierten Politiken, der Gemeinsamen Handelspolitik, der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite wird die Ausgestaltung des europäischen Agraraußenhandels durch diejenigen völkerrechtlichen Verträge bestimmt, die integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts geworden sind. Dazu zählt einerseits das Regelwerk der neuen Welthandelsorganisation WTO und des GATI 1994, die das Prinzip des Weltfreihandels durchsetzen sollen. Andererseits obliegt der EG durch die Partnerschaftsverträge von Lome die Verpflichtung gegenüber den AKP-Staaten, letzteren auch im Außenhandel Vergünstigungen einzuräumen. IH. EuropaspezifIsche Auslegungsmethoden Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gemacht, den EGV auf inhaltliche Leitlinien zu untersuchen, die die Gestaltung des Agraraußenhandels, insbesondere das Ausmaß der Marktöffnung, beeinflußen oder sogar vorgeben. Soll einem Gesetzestext die Antwort auf eine bestimmte Fragestellung entnommen werden, wird die Methode der Rechtsauslegung herangezogen, um den Sinn und normativen Gehalt des geschriebenen Rechts zu erkennen und hinsichtlich der Fragestellung zu konkretisieren 65 . Mangels einer einheitlichen, für alle Rechtsgebiete geltenden Methode richtet sich auch die Auslegungsmethode für das Gemeinschaftsrecht nach dem Auslegungsobjekt selbst. Die für die Gründungsverträge spezifisch geltenden Auslegungsgrundsätze orientieren sich an der diffizilen Einordnung der Gemeinschaftsverträge als einer Rechtsordnung sui generis zwischen Volkerrecht und Verfassungsrecht66 • Die· europaspezifischen Auslegungsmethoden sind daher aus dem Volkerrecht und dem nationalen Recht zu entlehnen und den besonderen Bedürfnissen und Prämissen der Gemeinschaftsrechtsordnung anzupassen. Die für völkerrechtliche Verträge und Verfassungen geltenden Auslegungsmethoden stimmen weitgehend überein und richten sich nach den von Savigny für die Exegese von Gesetzestexten entwickelten vier Auslegungsmethoden 67 . 1. Teleologische Auslegung

Die teleologische Methode stellt auf den Sinn und Zweck der einschlägigen Rechtsnormen ab68 . Die Auslegung einer Gemeinschaftsnorm soll zu einer weitest65 Bernhardt, FS Kutscher, S. 17; Zur Aufgabe der Methodenlehre allgemein: Grabitzl Nettesheim, in: Grabitz, EGV, Art. 4 a.F.; Rz. 43 f. 66 Bernhardt, FS Kutscher, S. 17 f.; ders., in: FS Bindschedler, S. 229 ff. VgI. auch zu den Besonderheiten der europaspezifischen Auslegung: Behrens, EuZW 1994,289. 61 V gI. Bernhardt, FS Kutscher, S. 17, Fn. 2; Kutscher, Thesen, S. I 15,23 ff. Zur Anwendbarkeit auf das Gemeinschaftsrecht Nettesheim, in Grabitz, EGV, Art. 4 a.F., Rz. 44.

54

1. Kap.: Einführung

gehenden Verwirklichung höherrangiger Ziele führen, aber auch dafür Sorge tragen, daß der jeder einzelnen Nonn innewohnende Zweck weitestgehend umgesetzt wird69 . Unter dem Begriff des effet utile wird angestrebt, jeder Nonn die unmittelbare Wirksamkeit zu verleihen, die vom Gesetzgeber intendiert war70 • Ursprünglich als reine Wirtschaftsgemeinschaft konzipiert ist der EGV insbesondere auf die Verwirklichung wirtschaftspolitischer Ziele ausgerichtet 71. Wenn die Auslegung nach der teleologischen Methode den wirtschaftlichen Zielen des Vertrages entsprechen soll, müssen die dahinter stehenden wirtschaftlichen Probleme erkannt werden, aber auch Veränderungen der wirtschaftlichen Parameter in die Begriffsbestimmung einfließen72 • Selbst wenn der EuGH hierbei ökonomische Begriffe einbezieht oder in der Subsumtion wirtschaftliche Wertungen vornimmt, wendet er keine wirtschaftliche 73, sondern eine rein juristische Auslegungsmethode an. Sofern der EGV eine Wirtschaftsordnung vorgibt, darf der EuGH ein bestimmtes Wirtschaftssystem nicht nur, er muß es sogar bevorzugen74. 2. Weitere Auslegungsmetboden

Im Gemeinschaftsrecht wird durch die Wortlautauslegung der normale, natürliche und gewöhnliche Wortsinn festgestellt. Da der EGV inzwischen sogar in zwölf Sprachen verbindlich ist75 , ist ein klarer und eindeutiger Wortlaut selten zu ennitteln 76 . Seine Hauptfunktion besteht darin, die durch andere Methoden gewonnenen Auslegungsergebnisse zu begrenzen, für die der Vertragstext zumindest einen ,,Anhaltspunkt" bieten muß77 • 68 Oppenrumn, S. 255, Rz. 685; EuGHE 1976,455 (472 f., Rz. 7, 8/11) Rs. 43175: Gabrielle Defrenne/Sabena. Bei der Feststellung dieser Ziele geht der EuGH vom Wortlaut der Norm aus, um dann den Sinn und das Wesen des Systems zu erfragen; EuGHE 1986, 3477 (3508 f., Rs. 14 f.) Rs. 201 und 202/85: Marthe Klensch u. a. 69 BBPS, S. 247. 70 BBPS, S. 247. Bezogen auf den Gemeinsamen Markt wandelt sich der Begriff des "effet utile" zum "effet necessaire", der den inzwischen erreichten Stand erhalten soll; Chevallier; S. 21 (34 f.). 71 BBPS, S. 247. 72 Blecknumn, Europarecht, S. 129, Rz. 261; Constantinesco, in KSE I, S. 205-207. 73 BredinUJs, S. 74 ff. Unter dem Begriff "wirtschaftliche Auslegung" wurde darüber diskutiert, ob bei der Auslegung eines wirtschaftlichen Begriffs eine Auslegungsmethode anzuwenden ist, die auf den wirtschaftlichen Zielen basiert, oder eine juristische Methode. Der Streit hat inzwischen an Schärfe verloren. 74 BredinUJs, S. 76. A.A. Monaco, in KSE 1, S. 185 -188; Rueff, KSE 1, 13.ff. 75 Vgl. Art. 314 EGV, insbesondere den im Amsterdamer Vertrag eingefügten Abs. 2. Hierzu Röttinger; in: Lenz, EGV, Art. 314, Rz. 1. 76 Everling (1988), in Kruse, S. 59, Zuleeg, EuR 1969,97 (100); Bernhardt, FS Kutscher. S. 17 (64, Fn. 4); EuGHE 1956, 197 (226 f.) Rs. 8/55: Fedechar. 77 Zuleeg, EuR 1969,97 (99 f.); BlecknUJnn, Europarecht, Rz. 250 und 252; WesternUJnnl Lepsien, NJW 1966,430 (431).

c. EuroparechtJicher Ansatz der Dissertation

55

Die systematische Auslegungsmethode erforscht den Sinn einer Norm aus dem inneren Zusammenhang, in dem alle Bestimmungen, die im Vertrag enthalten sind, stehen78 . Die Funktion der einzelnen Bestimmung wird aus ihrer Eingliederung in den gesamten Vertragstext, aber auch aus der gesetzestechnischen Formulierung jedes einzelnen Satzes heraus bestimmt79 • Die historische Methode spielt im Rahmen der Auslegung des EGV eine unbedeutende Rolle. Als objektiv-historische Methode, die den Willen des Gesetzes anhand seiner Funktion im Zeitpunkt ihres Erlasses ermittelt, ist sie zu vernachlässigen, da bei einer so dynamischen Institution wie der EG die ursprüngliche Funktion einer Norm sehr schnell verblaßt8o. Der EuGH lehnt insbesondere die subjektiv-historische Methode ab, die den auszulegenden Text als Willenserklärung seiner Verfasser begreift und daher nach deren wirklichen Willen hinter dem Wortlaut forscht 81 . In der EG als supranationaler Gemeinschaft verdrängt die Weiterentwicklung als Gemeinschaft die Bedeutung der Souveränität der Vertragspartner82 • Auch ergeben sich bei der Feststellung des Willens des historischen Gesetzgebers nicht von der Hand zu weisende Schwierigkeiten, da ein über den Wortlaut hinausgehender übereinstimmender Wille der Vertragspartner zumeist nicht zu ermitteln ist83 . Die Kenntnis dessen, was die Verfasser der Norm bei der Entstehung wollten, behält zwar ihre Bedeutung als Interpretationsmöglichkeit, nicht aber als absolute Bindung an die subjektive Meinung84 . Als zusätzliche Auslegungsmethode zu den von Savigny entwickelten Methoden ist die kritisch-wertende Rechtsvergleichung heranzuziehen. Als Vergleichsmaßstab dient aber nicht die Mehrheit, sondern die Rechtsqualität des RechtsverständBleckmann, Europarecht, Rz. 253 Zuleeg, EuR 1969,97, 102 f.; Bernhardt, S. 79. 80 Everling, in Kruse, S. 59 f.; Zuleeg, EuR 1969,97 (102): Hinweise des EuGH auf den "objektivierten Willen des Gesetzgebers" stellen nicht auf die im Text zum Ausdruck gekommene Absicht der Vertragsverfasser, sondern vielmehr auf den Sinn und Zweck der Regelungen und ihren logischen Zusammenhang ab. 81 Everling, FS Groeben, S. 126; Böhm, Kompetenzauslegung, S. 29 ff., Zuleeg, EuR 1969,97 (101 f.); a.A.: Ophüls, in: FS Müller-Armack, S. 285 ff. Bei der Bezugnahme mancher Urteile auf die Absichten der Vertragsverfasser handelt es sich eher um rhetorische Floskeln als um Auslegungsgrundsätze; Plender, Yearbook ofEuropean Law 1982,57. 82 Vgl. Oppermann, S. 257, Rz. 687. In diesem Punkt überwiegt die Verfassungsinterpretation gegenüber der im Völkerrecht üblichen Auslegung, unter Betonung der staatlichen Souveränität der Völkerrechtssubjekte auf den Willen der vertragsschließenden Staaten zur Zeit des Vertragsschlusses aus den "travaux preparatoires" zurückzugreifen. Neben dem Rückgriff zeigt sich dies in einer im Zweifel restriktiven Auslegung zugunsten der Freiheit der souveränen Staaten und der Bedeutung der nachfolgenden Vertragspraxis. Bernhardt, FS Kutscher, S. 18 f. 83 Verhandlungsniederschriften sind häufig nicht veröffentlicht oder geben taktische Äußerungen wieder. Pescatore, KSE I, S. 202 f.; Zuleeg, EuR 1969,97, 101 f. 84 Oppermann, S. 257, Rz. 687; ähnlich: EuGHE 1961, S. 239 (261 f.) Rs. 15/60: Gabriel Simon, EuGHE 1973, S. 575 (583, Rz. 8,585, Rz. 13) Rs 81/72: Kommission/Rat. 78

79

I. Kap.: Einführung

56

nisses in den Mitgliedstaaten. Es wird die Lösung gewählt, zu der die verglichenen Rechtsordnungen tendieren und die den Zielsetzungen der Gemeinschaft am nächsten kommt85 .

IV. Vorgehen der Dissertation In den drei folgenden Kapiteln wird der rechtliche Rahmen für die Gestaltung der Agraraußenhandelspolitik erarbeitet. Zu diesem Zweck sind die Agrar-, Handelspolitik und Entwicklungskooperation, aber auch die allgemeinen Bestimmungen im EUV und im ersten Teil des EGV vorzustellen. Hier liegt, nach Feststellung der zulässigen Kompetenznormen, der Schwerpunkt auf den Zielen und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Das fünfte Kapitel legt die Bedeutung der WTO und des GATT für die Gestaltung des Agraraußenhandels der EG dar. Die Ziele der angesprochenen Politikbereiche und die weiteren Vorgaben führen zu einem Zusammentreffen verschiedener, zum Teil hinsichtlich des Weltfreihandels gegenläufiger Aussagen. Das Problem der Gestaltungsmöglichkeiten bei sich widersprechenden Zielen und Handlungsvorgaben wird im sechsten Kapitel erst abstrakt diskutiert. In einem zweiten Teil bleibt dann konkret - bezogen auf den Agraraußenhandel - zu untersuchen, ob die materiellen Vorgaben die Gemeinschaftsorgane zu einer Förderung des Weltfreihandels oder zu einem Schutz der heimischen Agrarwirtschaft vor störenden Außenwirkungen verpflichten. Die konkrete Umsetzung des für den Agraraußenhandel bestehenden Handlungsrahmens, soweit dieser ordnungspolitische Aussagen zum Prinzip des Weltfreihandels trifft, wird anschließend anhand der Gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Zucker und Bananen überprüft.

85

Ipsen, S. 113, Anm. 5/20.

2. Kapitel

Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG A. Allgemeine Kompetenzverteilung im EGV Die EG als supranationale Organisation besitzt im Unterschied zu den hoheitlichen Strukturen der Nationalstaaten keine allumfassende und unbestrittene Kompetenz im Sinne einer Kompetenzkompetenz 1. Die Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane wurden nicht im Sinne eines derivativen Rechtserwerbs von den Nationalstaaten übertragen 2 . Vielmehr haben die Mitgliedstaaten mit Abschluß der Römischen Verträge ihren Anspruch auf Ausschließlichkeit eigener Hoheitsausübung auf einem bestimmten Gebiet aufgegeben und gleichzeitig der EG das Recht ihrer Hoheitsentfaltung auf diesem Gebiet eingeräumt, so daß durch diese Öffnung der Staatlichkeit seitens der Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Hoheitsentfaltung bei den EG-Organen neu und originär entstand 3 . Die Kompetenzordnung des EGV hat die allgemeine Funktion, Aufgabe und das die Aufgabe erfüllende Organ einander sachgerecht zuzuordnen, um das Organisationsgefüge in horizontaler und vertikaler Hinsicht zu stabilisieren und eindeutige Verantwortlichkeiten zu schaffen4 . Innerhalb der Kompetenzordnung der EG ist zu unterscheiden zwischen der vertikalen Gewaltentrennung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten von denen der EG und der horizontalen Gewaltenteilung hinsichtlich der Beteiligung der verschiedenen Gemeinschaftsorgane und der anzuwendenden Rechtsetzungsverfahren 5 •

Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 9. Ipsen, S. 55 f., Rz. 2/ 13. 3 Ipsen, S. 56, Rz. 2/14 f.; Zuleeg, JÖR 20 (1971) 1 (2); Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 9. Die Mitgliedstaaten haben dadurch ihre ursprüngliche, umfassende Kompetenz nicht verloren, sondern üben die Souveränität gemeinsam mit der EG aus, nicht zuletzt auch durch die direkt oder indirekt von den Völkern der Mitgliedstaaten bestellten Personen; Lenz, EuGRZ 1993,57 (64), Bogdandy/Neuesheim, in: Grabitz. EGV. Art. 3 b a.F., Rz. 11. 4 Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV. Art. 3 b a.F., Rz. 1. 5 Die horizontale Gewaltenteilung spielt in dieser Arbeit nur bei der Abgrenzung der konkret einbezogenen Kompetenznormen eine Rolle. Vgl. ausführlich zu den horizontalen Kompetenzkonflikten: Nettesheim, EuR 1993, 243 ff. I

2

58

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

I. Unterscheidung der Kompetenzen nach Rechtsquellen 1. Kompetenzen kraft geschriebenen Rechts: Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung

Mangels Allzuständigkeit dürfen die Gemeinschaftsorgane nur aufgrund der ihnen zugewiesenen Kompetenzen zur Erreichung der Gemeinschaftsziele tätig werden. Die Gemeinschaftskompetenz ist daher eine "com.,etence d'attribution", d. h. sie besteht nur im Fall der vertraglichen Zuweisung und ist notwendigerweise begrenzt6 . Nicht zutreffend ist für die im EGV geltende Kompetenzordnung die Bezeichnung mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, bei dem alle Kompetenzen einzeln aufgezählt werden7 • Zwar bedient sich der Vertrag weitgehend dieses Enumerationsprinzips, doch sieht der EGV auch Generalermächtigungen wie Art. 308 EGV vor, so daß allein die Bezeichnung als "begrenzte Ermächtigung" zutreffend ist8 . Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung wird durch Art. 5 Abs. 1 EGV verdeutlicht, der vorschreibt, daß die Gemeinschaft nur innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig werden dar-f.

2. Kompetenzen kraft ungeschriebenen Rechts: "implied powers" und AETR-Rechtsprechung des EuGH

Um den geschriebenen Kompetenzen zu einer effektiven Wirkung zu verhelfen, umfasst eine einem Gemeinschaftsorgan ausdrücklich verliehene Kompetenz nach der "implied-powers"-Doktrin zusätzlich solche subsidiären Handlungsbefugnisse, die vom Wortlaut des EGV zwar nicht gedeckt sind, aber ohne die die Hauptkompetenz nicht vernünftig und zweckmäßig ausgeübt werden kann 10. Während Art. 308 EGV eine Kompetenzerweiterung auf die vertraglichen Ziele des EGV 6 Grabitz. in: Grabitz, EGV. Art. 189 a.F.. Rz. 4; vgl. auch die Schlußanträge des GA Lagrange in EuGHE 1957, 83 (167), verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57: Algera u. a. 7 So aber Nicolaysen. S. 43; Bleckmann. Europarecht, Rz. 380 ff.; Jarass. EuGRZ 1994, 209. 8 Bogdandy / Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 3; Grabitz. in: Grabitz, EGV, Art. 189 a.F., Rz. 4; Schwartz. in: GTE, EGV, Art. 235 a.F., Rz. 22; Ipsen. S. 427. Anm. 201 26. 9 Jarass. AöR 121 (1996), 173 (174). Dasselbe besagt Art. 249 Abs. I EGV, jedoch nur für Kommission und Rat, vgl. Schmidt. in: GTE, EWG, Art. 189 a.F., Rz. 15, 18. 10 Dem EuGH genügt für die kompetenzbegründende Notwendigkeit der Maßnahme, daß eine ausdrücklich zugewiesene Materie ohne den in Frage stehenden, vom Wortlaut nicht erfaßten Aspekt im Hinblick auf die Ziele der Art. 2 und 3 EGV nicht vernünftig geregelt werden kann; EuGHE 1988, 5545 (5560) Rs. 165/87: Kommission 1Rat (Harmonisiertes System zur Bezeichung der Waren); EuGHE 1987, 3203 (3253), Rs. 281 u. a./85: Deutschlandl Kommission; Jarass. AöR 121 (1996) 173 (176); Grabitz. in: Grabitz, EGV, Art. 189 a.F., Rz.5.

A. Allgemeine Kompetenzverteilung im EGV

59

stützt, liegt den "implied powers" eine ausdrückliche Kompetenznoim zugrunde, aus der zusätzliche stillschweigende Kompetenzen abgeleitet werden 11 • Als besonderen Unterfall der implizierten Kompetenzen hat der EuGH mit seinem AETR-Urteil eine Befugnis zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge entwikkelt, die sich nicht aus einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Vertrag ergibt, sondern auch aus anderen Vertragsbestimmungen und den in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten, d. h. sogar aus sekundärem Recht l2 • Der EuGH entnimmt dem System des Vertrages und den materiellen Vorschriften, daß die der Gemeinschaft in Art. 281 EGV verliehene Rechtspersönlichkeit die Fähigkeit beinhaltet, vertragliche Bindungen mit Drittstaaten im Rahmen der ihr zugewiesenen Ziele einzugehen. Gemeinschaftszuständigkeiten können sich so als Reflexwirkung aus Vertragsbestimmungen und aufgrund dieser ergangenem Sekundärrecht mit interner Zielrichtung ergeben, sobald Mitgliedstaaten völkerrechtliche Vereinbarungen treffen und dadurch die Ziele des EGV beeinträchtigen oder in ihrer Tragweite ändern könnten l3 . In seiner neueren Rechtsprechung betont der EuGH, daß diese externe Gemeinschaftskompetenz nicht bereits aus der Befugnis zum Erlaß von Vorschriften für den Binnenbereich, sondern erst aus der Ausübung dieser Befugnis folgt. Die Mitgliedstaaten verlieren ihr Recht zum Eingehen von Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten nur in dem Maße, wie gemeinsame Rechtsnormen erlassen werden, die durch diese Verpflichtungen beeinträchtigt werden könnten l4 .

11. Vertikale Kompetenzverteilung Die vertikale Kompetenzverteilung beantwortet die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gemeinschafts- und den nationalen Kompetenzen. Eine Abstufung ergibt sich aus dem Umfang des gemeinschaftsrechtlichen Verbots, entsprechende nationale Kompetenzen auszuüben l5 . Der EGV selbst sieht diese Unterscheidung zwar vor l6 , bietet jedoch keine eigenen Differenzierungskriterien an l1 •

Grabitz, in: Grabitz, EGV, Art. 189 a.F., Rz. 7. EuGHE 1971, 263 (264) Rs. 22170: Kommission/Rat (AElR); Jarass, AöR 121 (1996) 173 (174); Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 9. 13 Jarass, AöR 121 (1996) 173 (174 f., Fn. 9); vgl. EuGHE 1971,263 (274 f.) Rs. 22170: Kommission/Rat (AElR); EuGHE 1993,1-1064 (1077, Rz. 9 ff.) Gutachten 2/91: IAO-Abkommen. 14 EuGHE 1994,1-5267 (5411, Rz. 77) Gutachten 1/94: WTO (GATS und TRIPS); EuGH EuZW 1995,347 (349 Rz. 31) Gutachten 2/92: Beitritt zum OECD-Beschluß über Inländerbehandlung. Kritisch zu dieser Weiterentwicklung der AElR-Rspr.: Lecheier, AöR 119 (1994) 1; Gilsdorf, EuR 1996, 145 (153 ff.). 15 Bogdandy/Nerresheim, in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 11. 16 Seit Einfügung des Art. 5 EGV steht jedenfalls die Existenz einer "ausschließlichen" Kompetenz außer Frage, vgl. Jarass, AöR 121 (1996), 173 (185 f.). 17 Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 21, Jarass, AöR 121 (1996) 173 (185). 11

12

60

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

Die ausschließliche Kompetenz im engeren Sinn ist dadurch gekennzeichnet, daß Maßnahmen der Mitgliedstaaten, selbst wenn die EG von ihrer Kompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hat, unzulässig sind, weil letztere unabhängig von ihrem Inhalt die Wirksamkeit einer späteren Gemeinschaftsregelung nachhaltig beeinträchtigen würden 18 • Mitgliedstaaten können in diesem Bereich nur rechtsetzend tätig werden, wenn die EG ihnen Regelungskompetenzen zurücküberträgt 19 . Als ausschließliche Kompetenz im weiteren Sinne sind jene Bereiche zu bezeichnen, bei denen die Mitgliedstaaten durch eine umfassende Regelung durch Sekundärrecht Zuständigkeiten verlieren, die sie zuvor vorübergehend ausgeübt haben 20. So wird z. B. für den Agrarbereich angenommen, daß der Erlaß von Sekundärrecht eine konkurrierende Kompetenz in eine ausschließliche verwandelt21 . Im Rahmen der konkurrierenden 22 Kompetenz dürfen die Mitgliedstaaten konkretisierende Regelungen erlassen, solange die Gemeinschaft noch zu keiner Regelung gelangt ist oder soweit diese nationalen Normen dem bestehenden Gemeinschaftsrecht nicht entgegenstehen oder es abändern23 • Abschließende EG-Regelungen, die nationale Maßnahmen vollständig ausschließen, sind folglich möglich 24 • Unter dem Begriff der parallelen25 Kompetenz versteht die Literatur, daß die Ausübung der Gemeinschaftskompetenz keine Sperrwirkung für Regelungen durch die Mitgliedstaaten entfaltet, sondern daß entgegenstehende oder abändernde nationale Regelungen durch den Vorrang des Gemeinschaftsrechts verdrängt werden 26 . 18 Jarass. AöR 121 (1996) 173 (186) weist auch darauf hin, daß der hier verwendete Begriff der "ausschließlichen Kompetenz" nicht mit dem Begriff des deutschen Verfassungsrechts übereinstimmt. Siehe hierzu auch Streinz. Rz. 130; Bogdandy/Nettesheim. EuZW 1993,465; diess., in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 12. 19 EuGHE 1986, 559 (586 Rz. 31) Rs. 174/84: Bulk Oil. In der Literatur wird zum Teil vertreten, daß die Mitgliedstaaten als "Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses" aus Art. 10 EGV tätig werden müssen. wenn die EG ihre ausschließliche Kompetenz trotz Regelungsbedarf noch nicht genützt hat, vgl. Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 12; Gilsdoif, Grenzen, S. 11; kritisch zu der Konstruktion: Schwarze. EuR 1982, 133. 20 EuGH, Gutachten 2/91, ABI. 1993 C 10917 Rz. 9. 21 Pieper, S. 263 f.; dagegen Jarass. Grundfragen, S. 14; Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F. Rz. 12; Borries, EuR 1994,274. 22 Wird auch als alternativ-konkurrierend bezeichnet. Die Begriffe werden unterschiedlich verwendet. Vgl. nur: Jarass. AöR 121 (1996) 173 (188); Streinz. Rz. 132 f. 23 Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 13 ff.; diess., EuZW 1993, 465; Jarass, AöR 121, 173, 189; ders., Grundfragen, S. 13. 24 Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 13; EuGHE 1986, 3513 (3532, Rz.12) Rs. 218/85: Cerafel/Campion; EuGHE 1984, 1299 (1324, Rz.13) Rs. 16/83: Prantl. Ob diese dann als ausschließliche Kompetenzen im weiteren Sinne anzusehen sind, ist umstritten, vgl. Jarass, AöR 121 (1996) 173 (189). 25 Wird auch als kumulativ-konkurrierend bezeichnet. 26 Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 21; Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 14; Streinz. Rz. 136 f.; Borries. EuR 1994,274 f. A.A.: Jarass. AöR 121 (1996)

B. Kompetenzen der EG in der Handelspolitik

61

B. Kompetenzen der EG in der Handelspolitik Die Kompetenz- und Verfahrens vorschrift des Art. 133 EGV weist der EG die Aufgabe und Pflicht zu, eine gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen zu gestalten. Sie ist damit die wichtigste Kompetenznorm der EG zur Gestaltung der weltwirtschaftlichen Beziehungen und des Zugangs zum Binnenmarkt durch autonome Rechtsetzung und Vertragsschlüsse 27 .

I. Die Gemeinsame Handelspolitik 1. Qualifizierung der Kompetenz auf dem Gebiet der Handelspolitik

Die Handelspolitik gehört als gemeinsame Politik zusammen mit der Errichtung des Binnenmarktes zur höchsten im EGV vorgesehenen Integrationsform 28 • Deutlich wird diese Einordnung anhand der Betonung des Begriffs der "Gemeinsamen Handelspolitik" in Art. 133 EGV, die sich in Art. 3 lit. b EGV wiederfindet 29 . Die Formulierung "nach einheitlichen Grundsätzen" in Art. 133 EGV meint nicht, daß die EG im Rahmen der Handelspolitik nur Grundsätze formulieren dürfe 3o, sondern sieht in diesen Grundsätzen vielmehr Hilfsmittel, auf die sich die Gemeinsame Handelspolitik als Voraussetzung und inhaltliche Grundlage stützt, aber keineswegs beschränkt 3 ! . Die ausschließliche Gemeinschaftskompetenz im Bereich der GHP beruht mangels Aussage des Vertrages auf einer vollständigen Regelung durch die Gemeinschaft, so daß eine eigenständige Handelspolitik der Mitgliedstaaten nach dem Ende der Übergangszeit nur mit besonderer Genehmigung durch die Kommission möglich ist 32 • Funktional kann diese Qualifizierung als ausschließliche Kompetenz 173 (190): Es besteht kein Bedarf für eine parallele Kompetenz, da es sich um Sachbereiche handelt, in denen eine konkurrierende oder ausschließliche Gemeinschaftskompetenz auf bestimmte Teilfelder beschränkt ist. Die verbleibende Kompetenz ist eine ausschließliche der Mitgliedstaaten, so daß Gemeinschaftsmaßnahmen dort keine Sperrwirkung entfalten können. 27 Lux, ZfZ 1990, 194 (195); Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 10; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 113 a.F., Rz. 1. 28 Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 113 a.F., Rz. 2, Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 13. 29 Bleckmann, Europarecht, Rz. 1427; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 113 a.F., Rz. 2; Bourgois, in: GTE, EGV, Art. 113 a.F., Rz. 2; Ipsen, S. 819 f., Anm. 46/6; Pescatore, in: Ganshof, No. 2309; Raux, S. 62. 30 Siehe für Vertreter dieser Meinung die Liste bei Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 113 a.F., Rz. 2; die Meinung wird offenbar nicht mehr vertreten, Bleckmann, Europarecht, Rz. 1427. 31 Dies wird durch die französische Fassung des Art. 133 EGV noch mehr betont, in der es heißt: " ... la politique commerciale est fondee sur des principes uniformes ... ". Vgl. auch Bourgois, in: GTE, EGV, Art. 113 a.F., Rz. 1; Nicolaysen, Europarecht 11, S. 486 f. 32 EuGHE 1975, 1355 (1363 f.) Gutachten 1175: OCDE-Vereinbarung; EuGHE 1976, 1921 (1937, Rz.32) Rs. 41176: Donckerwolcke 1Procureur de la Republique; ebenso die Literatur, so u. a. Bogdandy/Nettesheim, EuZW 1993,465; Nicolaysen 11, S. 487. Tatsächlich

62

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

dadurch begründet werden, daß unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen und HandeIsverlagerungen nur vermieden werden können, wenn keine Unterschiede im Außenschutz zugelassen werden und die Außenhandelspolitik nur durch die EG betrieben wird 33 • Das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV, das die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, die Erforderlichkeit und Effizienz gemeinschaftlichen HandeIns mit Blick auf die Verwirklichung der gemeinschaftlichen Ziele zu überprüfen, ist wegen der Einordnung als ausschließliche Kompetenz nicht anwendb~4.

2. Sachlicher Anwendungsbereich

Entgegen der großen Bedeutung der Handelspolitik als Flankenschutz für eine Zo11gemeinschaft enthält der EGV außer einer nicht abschließenden Aufzählung von Beispielen keine Begriffsbestimmung einer Handelspolitik oder der einheitlichen Grundlagen, nach der die Handelspolitik gestaltet werden S011 35 . Unbestritten wird Art. 133 EGV auf alle Waren angewendet, die als körperliche Gegenstände Objekte von Handelsgeschäften sein können 36 • Der Streit zwischen der subjektiv-finalistischen Theorie des Rates und der objektiv-instrumentalen Theorie der Kommission, der sich an der Kompetenzverteilung zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten und dem Einstimmigkeitserfordernis in der organinternen Abstimmung entzündet hatte, ist praktisch nur relevant bei politisch motivierten Wirtschaftssanktionen, bei der Einbeziehung von Dienstleistungen und bei Stahl- und Kohleprodukten und spielt infolgedessen hier keine Ro11e 37 • Der EuGH verbleiben den Mitgliedstaaten dennoch Möglichkeiten, mit ihrer nationalen Politik durch protektionistische Maßnahmen exportierende Drittstaaten zu diskriminieren, vgl. Koopmann. in: Gomper, S. 26-46. 33 Bogdandy/Nettesheim. EuZW 1993,465; Bleckmann. Europarecht. Rz. 1428. In der Literatur wurde zum Teil die Meinung vertreten. im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik handele es sich um eine alternativ-konkurrierende Kompetenz. Nur auf diese Weise könnten die durch Untätigkeit der Gemeinschaft bei der Verwirklichung der GHP verbleibenden Lükken im System der staatlichen und europäischen Kompetenzen verhindert werden, ohne auf die Konstruktion der "Sachwaltschaft der Mitgliedstaaten" zurrückgreifen zu müssen, vgl. Bogdandy/Nettesheim. EuZW 1993,465; Zur Sachwalterschaft der Mitgliedstaaten: EuGHE 1981, 1045 (1075 f., Rz. 30 ff.) Rs. 804179: Kommission/Großbritannien; ausführlich Pechste in. S. 86 ff. 34 Vgl. Bogdandy/Nettesheim. in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 19. Unter ausschließlicher Kompetenz ist die im engeren Sinn zu verstehen, die jede Regelung seitens der Mitgliedstaaten auschließt. 35 Lux, ZfZ 1990, 194 (196); Grabitz/Bogdandy/Nettesheim, S. 1; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 113 a.F., Rz. I. 36 Grabitz/Bogdandy/Nettesheim. S. 25. 37 Ehlermann. in: FS Teitgen, S. 145 (145 f., 157 ff.); Gilsdorf, Grenzen. S. 4 f. Stellungnahmen der Kommission und des Rates in EuGHE 1979, 2884 (2883 und 2887) Gutachten 1178: Naturkautschuk.

B. Kompetenzen der EG in der Handelspolitik

63

hat einen politikindifferenten Begriff der Handelspolitik eingeführt, der sich am aktuellen Sprachgebrauch der international maßgeblichen Akteure und Organisationen, insbesondere des GATI oder der UNCTAD, orientiert und damit sämtliche Konstellationen, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt international unter dieses Wort gefaßt werden, umfaßt38 • Diese Dynamisierung des Begriffs durch ständige Anpassung an den Auffassungswandel in der Völkergemeinschaft ist notwendig, da das dem Art. 131 EGV zu entnehmende Ziel, zur harmonischen Entwicklung des Welthandels beizutragen, nur effektiv erreicht werden kann, wenn eine einheitliche Regelung für alle relevanten Bereiche Wettbewerbsverzerrungen und Umwegeinfuhren innerhalb der EG verhindert 39 . Trotz der dem Begriff des Handels insoweit immanenten Dynamik wurde im Vertrag von Maastricht der sachliche Anwendungsbereich entgegen der Erwartungen40 nicht auf Dienstleistungen, geistiges Eigentum und ausländische Direktinvestitionen ausgeweitet. Bei Agrarprodukten handelt es sich jedoch unstreitig um Waren, die unter Art. 133 EGV fallen 41 •

3. Einzelne Kompetenznormen

Art. 133 EGVenthält die zentrale und umfassende Kompetenz zur Verwirklichung der GHP kraft autonomer wie vertraglicher Maßnahmen42 • Durch Art. 134 EGV soll vermieden werden, daß Handelsbeschränkungen, die für einzelne Mitgliedstaaten gelten, unter Ausnutzung der Freizügigkeit des Warenverkehrs mittels der Einfuhr über einen anderen Mitgliedstaat umgangen werden43 • Zur Vermeidung der Verlagerung von Handelsströmen sieht Art. 134 EGV die Möglichkeit vor, die Einfuhr von im freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates befindlichen Drittlandswaren an der Binnengrenze zu verhindern. Diese Han-

38 EuGHE 1973,897 (907, Rz. 4) Rs. 8173: Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson; EuGHE 1975,1355 (1362 f.) Gutachten 1175: lokale Kosten. 39 EuGHE 1979, 2871 (2912 f.) Gutachten 1178: Naturkautschuk; EuGHE 1973, 897 (907 f., Rz. 4) Rs. 8173: Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson; Grabitz/Bogdandy/Nettesheim. S. 14 f.; Bogdandy/Nettesheim, EuZW 1993,465, (466); EuGHE 1990,11527 (1550) Rs. C-62/88: Griechenland/Rat (Tschernobyl). Der EuGH schränkt den dynamischen und politikindifferenten Begriff der Handelspolitik in EuGHE 1994, 5267 (5271, 10 Leitsatz und 5275, 17. Leitsatz) Gutachten 1/94: WTO wieder ein. 40 Stellungnahme der Kommission vom 28. 2. 1996, Rz. 25, Dok. KOM (96) endg., zit. in Nanz, S. 36 (51); Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. 6. 1997, Rz. 12 , EPDrucksache PE 260.311, zit. in Nanz. S. 198 (204). 41 Die Abgrenzung des Art. 133 EGV zu der Ausnahmevorschrift des Art. 37 EGV wird im Rahmen der GAP diskutiert. 42 Müller-Ibold. in: Lenz, EGV, Art. 133, Rz. 1. 43 Unterschiede der Ein- und Ausfuhrbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten beruhen nicht mehr auf Binnenzöllen, sondern auf der quotenmäßigen Aufteilung von Einfuhrkontingenten. Drittstaatsimporteure sollen keine Möglichkeit zu Umwegeinfuhren über andere Mitgliedstaaten haben; BBPS. S. 547 f.; Müller-Ibold. in: Lenz, EGV, Art. 134, Rz. 5.

64

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

deisbeschränkungen an den Binnengrenzen stellen allein eine Einschränkung der Freizügigkeit des Warenverkehrs gern. Art. 23 EGV im Binnenmarkt dar, nicht jedoch eine Fonn des Protektionismus an den Außengrenzen der EG. Art. 134 EGV wurde vor Einführung der GMO Bananen als Rechtsgrundlage für die Abschottung der einzelnen nationalen Bananenmärkte herangezogen. Da aufgrund des Art. 116 a.F. die Mitgliedstaaten der EG verpflichtet waren, in internationalen Organisationen wirtschaftlicher Natur einheitlich aufzutreten, und Entscheidungen auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden konnten, hat die Abschaffung des Art. 116 a.F. durch den Vertrag von Maastricht eine erhebliche Rechtsunsicherheit herbeigeführt. Fortan ist mit der Blockade des Abschlusses internationaler Handelsabkommen seitens einzelner Mitgliedstaaten zu rechnen 44 .

11. Der Gemeinsame Zolltarif (GZT) 1. Bedeutung der Zollunion

,,zollunion" als Rechtsbegriff umfasst alle Gemeinschaftsregelungen auf dem Gebiet des Zollwesens, die darauf abzielen, die Zollschranken im Binnenhandel zu beseitigen und eine einheitliche Behandlung von Drittlandswaren zu gewährleisten45 . Nach innen gerichtet besteht sie in dem Verbot der Ein- und Ausfuhrzölle und mengenmäßiger Beschränkungen sowie der Abgaben gleicher Wirkung im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, während der Gemeinsame Zolltarif (GZT) die Außenseite der Zollunion bildet46 . Der Integrierte Tarif der EG (TARIC), der einmal im Jahr veröffentlicht wird, enthält alle für den Handelsverkehr geltenden gemeinschaftlichen Zollmaßnahmen 47 •

2. Kompetenmorrn des Art. 26 EGV

Durch die schrittweise Abschaffung der Zölle innerhalb der EG, die Aufstellung eines GZT gegenüber Drittländern und einer Harmonisierung des sonstigen Zollrechts, haben die Vorschriften der Artt. 9 - 29 a.F. größtenteils ihre Aufgabe erfüllt48 . Relevant sind nur noch die autonome Änderung und Aussetzung der Sätze Sack, in: Birk/Ehlers, S. 66 (76). Vaulont, in: GTE, EGV, Art. 9 a.F., Rz. I; Ipsen, S. 569, Anm. 29/1 und S. 575, Anm.29110. 46 VgI. Artt. 23 Abs. I, 28 EGV sowie den inzwischen aufgehobenen Art. 31 EGVa.F.; Voß, in: Grabitz, EGV, Art. 9 a.F., Rz. 4 a, 39 ff. 47 ABI. 1997 C 102 und 102 A. Ein Zolltarif ist ein als Rechtsnorm erlassenes systematisches Verzeichnis, das alle Waren mit den zugehörigen Zollsätzen erfaßt. Es besteht aus dem zolltechnischen Element Zolltarifschema (Nomenklatur), einem umfassenden Warenverzeichnis und den Zollsätzen als zollpolitischem Element. VgI. hierzu Lux, in: Regul, S. 73 ff. 44

45

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

65

des GZT nach Art. 26 EGV und die Zielvorgaben für die Kommission nach Art. 27 EGV49 . Die Regelung des Art. 26 EGV verleiht dem Rat die Zuständigkeit, alle autonomen Änderungen oder Aussetzungen der Sätze des GZT im Rahmen von Verordnungen, Zollabkommen oder anderen Maßnahmen der Gemeinsamen Handelspolitik zu beschließen und ist damit die zentrale Vorschrift für die Legislative auf dem Gebiet des Zolltarifrechts (Nomenklatur und Zollsätze)5o. Es handelt sich um eine ausschließliche Kompetenz, da die Mitgliedstaaten von der Befugnis zur Änderung, Aussetzung oder Aufstellung eigener Tarife ausgeschlossen sind 51 .

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht I. Charakterisierung der Ziele und Aufgaben 1. Begriff der Ziele im EGV

"Ziele,,52 und "Aufgaben,,53 sind innerhalb des EGV nicht strikt zu trennen, da sie verschiedene Aspekte der Bestimmung der Aufgabenbereiche der EG betreffen 54 . Indem die ,,ziele" den Integrationszustand, den die Mitgliedstaaten durch die Gründung der EG erreichen wollen, umschreiben, wird die Richtung festgelegt, in der die Gemeinschaftsorgane tätig werden dürfen und sollen55 . Anders aus ge48 Lux, in: Regul, S. 158; ders., in: GTE, EGV, vor Art. 18 a.F., Rz. 20; Voß, in: Grabitz, EGV, vor Art. 9 a.F., Rz. 2 weist darauf hin, daß die überholten Vorschriften der Zollpolitik durch den Vertrag von Maastricht nicht aufgehoben wurden. 49 Vaulont, in: Hilf/Tomuschat, S. 69 (73); Voß, in: Grabitz, EGV, vor Art. 9 a.F., Rz. 2. 50 Voß, in: Grabitz, EGV, Art. 28 a.F., Rz. 1. 51 EuGHE 1973,1609 (1609 f., 3. Leitsatz) Rs. 37 und 38173: Diamantarbeider. 52 Der Begriff "Ziel" wird z. B. in Artt. 5 Abs. I und 3, 10 Abs. 2, 33 Abs. I, 105 Abs. I EGV verwendet, während in den Artt. 131 Abs. I, 136, 152 Abs. I, 177 Abs. I EGV der angestrebte Zustand - meist in einer Mittel-Zweck-Relation - dargestellt wird. Besonders deutlich wird dies in Art. 157 Abs. I S. 2 EGV, der den Inhalt des S. I als ,.zweck" bezeichnet und selber die einzusetzenden Mittel aufzählt. 53 Als "Aufgabe" wird es in den Artt. 2, 7 Abs. I, 10 Abs. I S. 2 EGV bezeichnet, den dort bezeichneten Zustand anzustreben. 54 Ipsen, S. 556, Anm. 28/vor 20, der die Ziele und Aufgaben daher einheitlich als ,.zielbestimmungen" bezeichnet; ebenso: Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 2, Rz. 1; Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. I; EuGHE 1987, 3697 (3715 f., Rz. 10) Rs. 126/86: Gimenez Zaera/ Instituto Nacional de la Seguridad Social. Vgl. ausführlich zu der Begriffsvermengung Müller-Graf!, in Dauses, A.I.3.a, Rz. 78, der zugleich die Aufteilung von Grabitz kritisiert. 55 Zu beachten ist, daß das Tätigkeitsfeld der EG bestimmt wird durch die Zielsetzungen, Aufgaben und die Befugnisse, die Beispiele der Ausfüllung der Ziele und Aufgaben darstellen, sie aber gleichzeitig begrenzen. Die Kompetenz der EG ergibt sich daher aus einem Zusammenspiel zwischen diesen drei Normarten. Ziele sind in Verbindung mit den anderen Normarten zu begreifen und auszufüllen. 5 Trumm

66

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

druckt ist es "Aufgabe" der EG und ihrer Organe, diese Ziele durchzusetzen oder zumindest sich ihnen weitestgehend anzunäherns6 . Eine Wechselwirkung entsteht auch durch die Bestimmung von ,,Mitteln", die den Gemeinschaftsorganen zur Zielerreichung zur Hand gegeben werden. Neben der Funktion als Mittel zum Zweck der Erreichung des allgemeineren Zieles werden die ,,Mittel" durch die Positivierung im EGV insoweit zum Selbstzweck, als der EGV den Gemeinschaftsorganen die Aufgabe überträgt, die angegebenen Mittel weitestgehend zu erreichen. Die ,,Mittel" werden zu "Zwischenzielen", deren Umsetzung nach Konzeption des EGVautomatisch und logisch zur Erreichung der allgemeinen Ziele der Integration führen solls7. Demnach ist die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes in Art. 2 EGV sowohl ,,Mittel" zur Förderung der ausgewogenen Entwicklung des Wirtschaftslebens als auch "Ziel", das die Gemeinschaftsorgane in der wiederum in den Artt. 3 und 4 EGV beschriebenen Weise erreichen sollen s8 •

2. Funktionen der Ziele und Aufgaben

a) Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Ziele

aa) Gemeinschaftsziele als Verfassungsziele Die EG wird als zielbezogenes Gemeinwesen eigener Art definiert, das sich als Zweckverband funktioneller Integration über seine Ziele definiert und das als Entscheidungs- und Hoheitsträger eindeutig zielbezogen agiertS9 • Der Charakter der normativen Grundlagen des EGV ist daher durch seine Zielbezogenheit geprägt60. Behält man den Begriff der Verfassung nicht allein den staatlich oder staatsähnlich organisierten Gemeinwesen vor61 , ist unter Verfassung der Bestandteil der Rechtsordnung zu verstehen, der die Grundlagen der politischen Ordnung und des politischen Prozesses durch Recht regeln will und - in einem außerordentlichen Verfahren gesetzt und änderbar - Vorrang vor sonstigen Rechtssätzen genießt. Der EGVermächtigt die EG als eine auf selbständiger politischer Entscheidung beruhenden öffentliche Gewalt, sich in unmittelbar verbindlichen Rechtsakten zu äußern. Mittels seiner Vorrangstellung bindet er sie aber zugleich rechtlich und ge56 Veranschaulicht wird dies durch An. 2 EGV, der der EG die Aufgabe stellt, bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Ziele wie z. B. eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens zu fördern. ~7 Vgl. Barents, 34 CMLRev. 34 (1997) 811 (834). ~8 Vgl. Ipsen, S. 556, Anm. 28/ vor 20. ~9 Müller-Graf!, in Dauses, Anm. A.I.1.d.cc, Rz. 58; Ipsen, S. 197 ff., Anm. 8/27 -29. 60 Müller-Graf!, in Dauses, Anm. A.I.2.b.bb, Rz. 69. 61 Vgl. hierzu Müller-Graf!, in Dauses, A.I.2.a.aa, Rz. 62.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

67

richtlich durchsetzbar, indem er diese Gewalt begrenzt und ihr Ziele setzt62 • Daher bildet der EGV, obwohl in der Form eines völkerrechtlichen Vertrages abgeschlossen, gleichwohl die Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft 63 • Da die EG als Zweckverband funktioneller Integration über seine Ziele definiert wird, können die im EGV festgelegten Ziele als Verfassungsziele im juristisch-normativen Sinn bezeichnet werden64 •

bb) Aufgabeneröffnung und -begrenzung Als supranationale Organisation ist die Gemeinschaft in ihrer Tätigkeit auf die Zweckbestimmung eingeengt, die im EGVals ihrem Gründungsstatut festgeschrieben ist65 • Die Ziele des EGV enthalten Sach- und Zielprogramme, um - mangels Kompetenz-Kompetenz der Gemeinschaft - den Organen Aufgabenprogramme zu stellen und gleichzeitig zu begrenzen. Die Gemeinschaftsorgane dürfen nur aufgrund ausdrücklicher Befugnis und gerichtet auf die Verwirklichung zumindest eines Vertrags ziels tätig werden (Prinzip der begrenzten Ermächtigung)66. Während die Kompetenzen die Entscheidungsmacht über einzelne Tätigkeitsbereiche an die EG als supranationale Organisation und an ihre einzelnen Organe zuordnen, geben die Ziele die inhaltliche Ausrichtung für die Ausübung der Kompetenzen vor. Dadurch eröffnen die Zielbestimmungen den Gemeinschaftsorganen die Möglichkeit zu zielverwirklichenden Handlungen, begrenzen diese Handlungsmöglichkeiten aber gleichzeitig wieder, da nur Gemeinschaftsakte zulässig sind, die auch auf die Durchsetzung zumindest eines Zieles gerichtet sind67 •

cc) Pflicht zur Verfolgung der Ziele Die Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Ziele besteht in der ihnen auferlegten Pflicht, diese bei ihren Handlungen zu beachten und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen68 • Die Ziele stellen aber nur InBadura, in: FS Stern, S. 409 (411). Müller-Graff, in Dauses, A.1.2.b.aa, Rz. 68. 64 Müller-Graff, in Dauses, A.1.3, Rz. 77. 65 Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. 2; ders., ebd., Art. 1, Rz. 4; Ipsen, S. 188, Anm. 8/8. 66 Ipsen, S. 87 f., Anm. 3/31, 32 und S. 558, Anm. 28/21. Das Handeln der Gemeinschaftsorgane setzt eine Ausrichtung auf Gemeinschaftsziele voraus, nicht jedoch, daß diese explizit im Vertrags text vorgeschrieben sind. Durch die teleologische Auslegung werden auch sog. "implizite Ziele" erfasst, die aus anderen Gemeinschaftszielen abgeleitet werden, vgl. hierzu Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 235 a.F., Rz. 35. 67 Dies führt zu einer funktionalen Abgrenzung der verschiedenen Kompetenzen, die von den Mitgliedstaaten zwar häufig kritisiert wird, aber angesichts der verschiedenen Regelungsprinzipien in den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten notwendig ist; Mestmäcker. Wirtschaftsverfassung, S. 10. 62 63

5"

68

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

halts- und Zweckbestimmungen für Organhandlungen dar, so daß sie und die daraus abgeleiteten Handlungspflichten nicht in dem Sinn justitiabel sind, daß sie konkrete subjektive Rechte einzelner begründen 69 . Trotz ihrer tatbestandlichen Unbestimmtheit besitzen die Vertragsziele "rechtsverbindlich steuernde Wirkung" und sind keine bloßen Programmsätze70. Die Pflicht zur Verwirklichung der Ziele kann sich nach dem EuGH soweit verdichten, daß sich wie z. B. aus der Aufgabenaufzählung des Art. 3 EGV das justitiable Gebot für die Entscheidungsträger der EG konkretisiert, bestimmte Politiken zu regeln 71.

dd) Keine Befugnisnonnen Die allgemeinen Ziel- und Zweckbestimmungen stellen keine eigenständigen Ennächtigungs- und Handlungsgrundlagen für die Organe dar. Handlungsbefugnisse ergeben sich aus (anderem) Primärrecht oder darauf begründetem Sekundärrecht. Die allgemeinen Ziele dagegen beschreiben die Aktionsbereiche der Gemeinschaftsorgane und halten sie zur Beobachtung der Aktionsziele an. Als einzige Kompetenz vennitteln sie die Befugnis, bei Handlungen aufgrund einzeIgesetzlicher Befugnisnonnen unter mehreren zu verfolgenden Zielen abzuwägen, Prioritäten zu setzen und dadurch wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen 72 • b) Wirtschaftsverfassung durch die Ziele

Ursprünglich für die EG als reine Wirtschaftsgemeinschaft konzipiert, enthält der EGV hauptsächlich Ziele wirtschaftlichen Inhalts. Indem die Ziele richtungsweisend den Inhalt der Gemeinschaftsaktivitäten bestimmen, haben diese wirtschaftspolitischen Bekenntnisse grundlegende Bedeutung für die Gestaltung der der EG zugewiesenen Bereiche der Wirtschaftspolitik. Ob sich diese Leitlinien zu 68 Zuleeg, in: GTE. EGV, Art. 2, Rz. 7 f.; Glaesner, in: Bieber/Ress. S. 435 (436); Barents, 34 CMLRev. (1997) 811 (834). 69 lpsen, S. 559, Anm. 28/21 und 22; Zu leeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. 7. 70 Hofmann-Becking, S. 65; Zuleeg, JöR 20 (1971) 1 (5). 71 Zum Gebotscharakter der Normierungen in Art. 3 EGV. wonach das Fehlen einer GAP dem Gebot des Art. 3 Iit. d EGV zuwiderläuft: EuGHE 1974, 1383 (1394 f.. Rz. 19) Rs. 481 74: Charmasson; Pemice, S. 93, Fn. 165; Vg\. auch Kommission, in: EuGHE 1985, 1513 (1591, Rz. 31) Rs. 13/83: Parlament/Rat (Gemeinsame Verkehrspolitik): die Verpflichtung zum Tätigwerden ergibt sich sowohl aus Artt. 70 und 71 als auch aus Art. 3 Iit. e EGV. Der EuGH selbst (1597, Rz. 53) sieht in dem Fehlen einer gemeinsamen Politik nicht notwendig eine inhaltlich ausreichend bestimmte Untätigkeit i.S.d. Art. 232 EGV. Vg\. auch EuGHE 1987,3712 (3716, Rz. 11) Rs. 126/86: Gimenez Zaerallnstituto nacional de la Seguridad socia\. 72 lpsen, S. 559 f., Anm. 28/22; Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 2; sowie ders., GTE. EGV. Art. 2, Rz. 5 f.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

69

einem so festen Ordnungsrahmen verdichten, daß von einer Wirtschaftsverfassung gesprochen werden kann, zeigt eine Analyse des EGV.

aa) Begriff und Qualifizierung des EGVals Wirtschaftsverfassung Unter Wirtschaftsverfassung sind die Grundprinzipien der Wirtschaftsordnung und -politik sowie der Zuständigkeiten und Verfahren der Wirtschaftspolitik und verwaltung zu verstehen, die in einer Verfassung ausdrücklich oder implizit geregelt sind73 • In der vorliegenden Arbeit wird "Wirtschaftsverfasssung" nur in diesem engen, auf den Rang staatlicher Verfassung begrenzten, und nicht in einem weiten, alle die Wirtschaftsordnung betreffenden Rechtsnormen - auch unter Verfassungsrang - umfassenden Sinn verstanden74 • Aufgrund ihres ursprünglich auf die Wirtschaftsintegration beschränkten Ansatzes setzt die EG in ihren Gründungsverträgen Leitlinien der Wirtschaftsordnung und -politik, um diese Integration durch die engere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten und dauerhafte Konvergenz ihrer Wirtschaftsleistungen zu erreichen 75. Diese im EGV vorgenommene Zuweisung und Beschränkung wirtschaftspolitischer Entscheidungsgewalt an die Gemeinschaftsorgane zur Setzung wirtschaftsgestaltenden und -verwaltenden sekundären Wirtschaftsrechts ist als Wirtschaftsverfassung im engen Sinn zu werten76 •

bb) Ziele als konstituierende Elemente der Wirtschaftsverfassung Jede Wirtschaftsverfassung besteht aus den zwei Elementen einer Kompetenzordnung einerseits und den Prinzipien der Wirtschaftsordnung andererseits. Wahrend die Kompetenzverteilung des EGV die Aufgabe einer jeden Verfassung erfüllt, die Machtfülle der öffentlichen Gewalt durch ein Kräftegleichgewicht zwischen EG und den Mitgliedstaaten und zwischen den Gemeinschaftsorganen zu beschränken, bleibt die andere Komponente der verfassungsmäßigen Ordnung, der Schutz der Freiheiten des einzelnen gegenüber dem Staat, den Zielen und Rechts73 Badura, Wirtschaftsverfassung, S. 17; vgl hierzu auch Ipsen, S. 563, Anm. 28/27; Müller-Graf!, in Dauses, A.I.2.a.cc, Rz. 64. Peters, S. 5, weist ausdrücklich auf die mögliche Qualifizierung einer politischen Verfassung als Wirtschaftsverfassung hin, wenn aus dem Charakter der Gesamtverfassung und den garantierten Grundrechten auf die gewollte Ausgestaltung von Wirtschaftssystemen geschlossen werden kann. 74 Siehe hierzu Ipsen, S. 564, Anm. 28/27; Badura, Wirtschaftsverfassung, S. 18; Basedow, Wirtschaftsverfassung, S. 7 f. 75 Badura, in: FS Stern, S. 409 (412); Ipsen, S. 564, Anm. 28/28. 76 SO Z. B. Badura, in: FS Stern, S. 409 (410); Basedow, Wirtschaftsverfassung; passim; Behrens, in: Brüggemeier, S. 78. Ophüls, in: Planung I, S. 229 (235); vgl. zum Begriff der Wirtschafts verfassung: VerLoren von Themaat, in: FS Groeben, S. 425.

70

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

grundsätzen des Gemeinschaftsrechts überlassen77. Als Freiheitsgewährleistungen binden die Ziele des EGV nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern setzen ebenso den Gemeinschaftsorganen in ihrer Kompetenzausübung Grenzen 78 . Als al1gemeine Leitlinien stel1en die Ziele, aber auch die al1gemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, zwischen den wirtschaftspolitischen Antipoden der reinen Marktwirtschaft und des Sozialismus (Zentralverwaltungswirtschaft) ein Spannungsfeld auf, innerhalb dessen die Gemeinschaftsorgane ihre Wirtschaftspolitik ausrichten können. Die Ziele geben im Verhältnis zwischen Staat und Bürger Grundlinien der Wirtschaftsordnung vor, indem sie einerseits das Ausmaß der staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen umschreiben und andererseits durch die Pflicht zur Förderung bestimmter Gruppen oder Regionen eine Umverteilung innerhalb der EG vorschreiben. Indem die Zielbestimmungen des EGVals herausragende Elemente der Gemeinschaftsverfassung diejenigen wirtschaftspolitischen Leitlinien normativ erfassen, mit denen die Wirtschaftsintegration verfolgt wird, kommt ihnen im Rahmen der europäischen Wirtschaftsverfassung grundlegende Bedeutung zu 79. Die Durchsetzung dieser die Wirtschaftsverfassung der EG prägenden Normen ist im besonderen Maße der richterlichen Kontrol1e unterworfen und in entsprechendem Maß dem politischen Einfluß der Gemeinschaftsorgane und der Mitgliedstaaten entzogen80•

11. Relevante allgemeine Ziele und Aufgaben im EGV

Um Politik vertragsgemäß und rational zu betreiben ist es unerläßlich, sich über den Inhalt der anzustrebenden Ziele, aber auch über ihre Erreichbarkeit und Vereinbarkeit Klarheit zu verschaffen. Für die Zielerreichung müssen als Definitionsmerkmale reale und meßbare Gegebenheiten beschrieben werden 81 •

77 Mestmiicker, Wirtschaftsverfassung, S. 16 ff. Mit dieser Formulierung ist nicht allein der Schutz der Freiheiten der einzelnen durch die Zuweisung subjektiver, jusitiziabler Rechte angesprochen. Auch durch objektive, beschränkt justiziable Ordnungsnormen wird den Gemeinschaftorganen der Schutz der Wirtschaftsfreiheit aufgetragen. 78 Mestmiicker, Wirtschaftsverfassung, S. 3; ders., in: FS Groeben, S. 9 (18); GA Capatorti, in: EuGHE 1979, 115 (147 f.) Rs. 34178: Yoshida; ebenso GA Rozes, in: EuGHE 1983, 555 (571) Rs. 172/82: Interhuiles. 79 Ipsen, S. 556, Anm. 28/20, S. 560, Anm. 28/23 und S. 563, Anm. 28/27. 80 Mestmiicker, Wirtschaftsverfassung, S. 16; Everling, in: FS Mestmäcker, S. 365 (366). 81 Goeman, in: Stuhler, S. 125; Grosskopf, in: Stuhler, S. 143.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

71

1. Präambel

a) Rechtliche Wirkung der Präambel Nachdem völkerrechtliche Vertragspräambeln Zeugnis ablegen von den gemeinsamen Absichten der Unterzeichnenden sowie den Umständen bei Vertragsschluß, werden sie meist bloß als politische Bekenntnisse und nicht als abgeschlossene Rechtssätze angesehen 82 . Die Präambel des EGV jedoch erlangen als Bestandteil der Gründungsverträge einer supranationalen Organisation eine weitergehende rechtliche Bedeutung für die Gestaltung der auf dem Vertrag aufbauenden autonomen Rechtsordnung 83 . Die darin zu erkennenden gemeinsamen Grundanschauungen der Vertragsparteien sind als Rechtsgrundsätze für die teleologische Auslegung der Verträge und des daraus abgeleiteten Sekundärrechts heranzuziehen 84 . Indem sie den elementaren Impetus für die Gründung der EG festhält, steckt die Präambel die grundlegende Aufgabe der Gemeinschaft ab85 . Wegen ihrer Funktion als allgemeiner Zusammenfassung der Ziele der europäischen Integration können die Erwägungsgründe der Präambel Anleitungen zur Lösung einzelner Fragestellungen - wenn auch aufgrund der allgemeinen Formulierung nur in beschränktem Maß - geben.

b) Relevante Bestimmungen in der Präambel Mit dem 6. Erwägungsgrund der Präambel erteilen die Vertragsparteien einem Protektionismus im Welthandel grundsätzlich eine Absage. Der hierin ausgedrückte Wunsch, durch eine Gemeinsame Handelspolitik zur fortschreitenden Beseitigung der Beschränkungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr beizutragen, bezieht sich wegen der Begriffsidentität mit Art. 182 EGVauf den Außenhandel. Der liberale Grundzug in der Verpflichtung des 4. Erwägungsgrunds zu einem einverständlichen Vorgehen zur Beseitigung der bestehenden Handelshindernisse dagegen Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 2. Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel; Rz. 1; Müller-Graf!, in Dauses, A.I.3.a, Rz. 79; bezweifelt von Herzog, in: Smit 1 Herzog, preamble, Rz. 0.02, S. P-48, der sie sicher nicht zum rechtswirksamenTeil des Vertrages zählt. 84 EuGHE 1978, 2155 (2175, Rz. 21) Beschluß 1178: Übereinkommen über den Objektschutz von Kernmaterial, kerntechnischen Anlagen und Nukleartransporten; EuGHE 1963, 1 (24) Rs. 26/62: N.V. Algemene Transport- en Expeditie Ondememing VanGend & Loosl Niederländische Finanzverwaltung; EuGHE 1976, 455 (473, Rz.lO) Rs. 43175: Gabrielle Defrenne 1Sabena. Allgemein zu der Funktion als Auslegungsmaßstab Grabitz. in: Grabitz, EWGV, Art. 235 a.F., Rz. 26; Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 2; Herzog, in: Smitl Herzog, preamble, Rz. 0.02, S. P-48. 85 EuGHE 1966, 321 (388) Rs. 56 und 58/64: Consten GmbH und Grundig-VerkaufsGmbH 1Kommission. 82

83

72

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

meint ausschließlich den Binnenhandel 86 . Die Wahrung von "Frieden und Freiheit" im 8. Erwägungsgrund ist zwar außenpolitisch, allerdings rein politisch und nicht wirtschaftspolitisch im Sinne von "Freihandel" zu verstehen 87 . Die 2. und 3. Erwägungsgründe beinhalten den Willen, den durch den Abbau der Binnenschranken und konzertierte Wirtschaftsgestaltung erwarteten wirtschaftlichen Fortschritt auch in höhere Sozialstandards münden zu lassen. Die erwartete stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen stellt den sozialen Fortschritt für alle europäischen Völker als wesentliches Ziel gleichrangig neben die wirtschaftliche Komponente 88 • Der im 7. Erwägungsgrund ausgedrückte Wunsch, den Wohlstand der überseeischen Länder zu fördern, ist als Versprechen einer gewissen Teilhabe an der positiven europäischen Wirtschaftsentwicklung zu verstehen. Da ein solcher Wunsch für andere Entwicklungsländer fehlt, wird hierin eine Präferenz für - ehemalige - überseeische Gebiete angedeutet.

2. Art. 2 EGV

Art. 2 EGV bezeichnet die Verwirklichung einzelner Ziele der europäischen Integration als Aufgabe der Gemeinschaft, die es durch Errichtung des Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion einerseits, sowie durch die Durchführung der in Artt. 3 und 4 EGV genannten Gemeinsamen Politiken und Maßnahmen andererseits zu erreichen gilt. Die "Aufgabe" i. S. d. Art. 2 EGV ist als Mittel zum Zweck, d. h. als Entwicklung hin zur Erreichung der Vertragsziele, zu sehen, wobei die Errichtung des Gemeinsamen Marktes und die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion ebenfalls ein Ziel - wenn auch ein untergeordnetes - des EGV darstellen 89 .

a) Rechtliche Wirkung Durch den Anspruch, den Aufgabenbereich der EG umfassend zu beschreiben, und die allgemeinen Grundsätze, die sich in prägender Weise durch den ganzen Vertrag ziehen, kommt dem Art. 2 EGV Verfassungsrang und zentrale Bedeutung zu90 • Ähnlich allgemein gehalten wie die Bestimmungen in der Präambel besitzen die Ziele des Art. 2 EGV ebenfalls keine unmittelbare Rechtswirksamkeit LS. der Gewährung subjektiver Rechte einzelner. Die Gemeinschaftsorgane sind jedoch in86 V gl. Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 10, Fn. 31; ders., Wirtschaftsverfassung, S. 73 (76-83). 87 Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 13. 88 Zuleeg, in: GTE, EWGV, Präambel, Rz. 11. 89 EuGHE 1987, 3712 (3715 f., Rz. 10) Rs. 126/86: Gimenez Zaerallnstituto Nacional de la Seguridad Social. 90 Grabitz. in Grabitz, EGV, Art. 2, Rz. 1.

C. AUgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

73

soweit gebunden, als Art. 2 EGV als Aufgabeneröffnung den Entscheidungsspielraum der Gemeinschaftsorgane umreißt und zur Auslegung des EGV heranzuziehen ist91 . Er ist daher als justiziable Rechtsnorm und nicht als bloßer Programmsatz zu werten 92 . Andererseits ist Art. 2 EGV in seinem normativen Inhalt nur begrenzt bestimmt und vollziehbar, aber auch nur begrenzt vollzugsbedürftig, da die in Art. 3 EGVaufgezählten Aufgaben die allgemeinen Ziele und Aufgaben näher konkretisieren 93.

b) Relevante Zielbestimmungen aa) Errichtung eines Gemeinsamen Marktes Der Begriff des "Gemeinsamen Marktes" umfaßt als Kern der Gemeinschaft sowohl die Grundfreiheiten als auch die Befugnis zur Formulierung der Gemeinschaftspolitiken und geht damit über den Begriff des Binnenmarktes in mehrfacher Hinsicht hinaus 94 • Die teilweise Überschneidung mit den ebenfalls aufgezählten Gemeinschaftspolitiken ist dadurch aufzulösen, daß die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes auf die institutionelle Integration der Volkswirtschaften und die damit verbundenen Rechte der Marktfreiheit, Marktgleichheit und Wettbewerbsfreiheit abstellt. Die Ausgestaltung der Maßnahmen zur Erreichung des Gemeinsamen Marktes und seines Fortbestands wird dagegen durch die verschiedenen Aufgaben des Art. 3 EGV bestimmt. Der Gemeinsame Markt hat nach innen den Wegfall der Binnengrenzen und eine einheitliche Regelung des Binnenmarktes, nach außen die Einführung eines einheitlichen Außenhandelsregimes und des GZT zur Folge95 , ohne eine inhaltliche Aussage zum Niveau des Außenschutzes zu treffen. Außerdem enthält das Prinzip des Gemeinsamen Marktes die integrationspolitische Grundentscheidung, die Koordination der wirtschaftlichen Einzelentscheidungen dem Markt und daher der Selbststeuerung zu überlassen 96 • Das Binnenmarktprogramm der wirtschaftlichen 91 EuGHE 1987,3712 (3715 f., Rz.lO) Rs. 126/86: Gimenez Zaerallnstituto Nacional de la Seguridad Social; EuGHE 1969, 277 (284) Rs. l/ 69: Italien 1Kommission; Schlußanträge GA ReischI, in EuGHE 1974, 1037 (1057) Rs. 27174: DEMAG; Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. 3; Grabitz, in Grabitz, EGV, Art. 2, Rz. I; Herzog, in: Smit/Herzog, preamble, 0.02, P-49, ders., ebd., Preliminary observations on articles 1-8, S. 1-3, Anm. 2; ders., Art. 2, S. 1-45, Anm. 2.03. 92 Grabitz, in Grabitz, EWGV, Art. 2, Rz. I. 93 /psen, S. 87, Anm. 3/29. 94 BBPS, S. 54 f.; ZackeT; RlW 1989,489 (490). 95 /psen, S. 551, Anm. 28112; Grabitz, in: Grabitz: EWGV, Art. 2, Rz. 13; Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. 13. 96 Badura, VVdStRL 23 (1966) 34 (77); Müller-Graf!, in: Dauses, Anm. A.I.3.cc.aaa, Rz. 101 spricht auch von der Festlegung auf das ökonomische Prinzip der komparativen Kostenvorteile.

74

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

Integration zielt bewußt darauf ab, daß sich die EG in der Auseinandersetzung mit ihren wichtigsten Kontrahenten auf den Weltmärkten aufgrund gesteigerter Produktivität und Konkurrenzfähigkeit zukünftig besser behaupten kann. Die erwartete Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit soll auf einer besseren Ausnutzung der komparativen Kostenvorteile in einem größeren Wirtschaftsgebiet und nicht auf einem besseren staatlichen Schutz der Gemeinschaftsproduktion gegenüber Drittstaatskonkurrenz beruhen. Der Gemeinsame Markt schließt daher keineswegs eine Liberalisierung des einheitlichen Außenwirtschaftsregimes der EG aus 97 • Andererseits enthält das Prinzip des Gemeinsamen Marktes auch keinen zwingenden Grundsatz, die den freien Warenverkehr betreffenden Vorschriften auf den Handel mit Drittstaaten anzuwenden98 •

bb) Harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens im Binnenmarkt Die erste der Komponenten, die dieses Ziel gemeinsam bilden, ist das hauptsächlich durch Struktur- und Regionalpolitik verfolgte Ziel der Konvergenz, den divergierenden Entwicklungsstand der Mitgliedstaaten und Regionen der Gemeinschaft aneinander - auf möglichst hohem Niveau - anzugleichen 99 • Die harmonische und ausgeglichene Wirtschaftsentwicklung zielt aber auch auf die sich im Zeitablauf ergebenden Schwankungen der Marktparameter ab. Extreme Konjunkturschwankungen innerhalb der Gemeinschaft sollen demnach durch wirtschaftslenkende Maßnahmen vermieden werden 100. Damit wird zwar nicht eine Abwehr der Weltmarktschwankungen vom Binnenmarkt durch Außenschutz gefordert, doch kann sie die Einschränkung des Weltfreihandels zugunsten der Binnenmarktverhältnisse erforderlich machen und begründen.

97 So aber Borrmann, in: Nuscheler/Schmuck, S. 213 (217 f.). Siehe auch die Diskussion zum Begriff "Festung Europa" bei Müller-Huschke, passim; Jungfer, in: Walter, S. 243 ff. Differenziert zu den Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes auf die Drittlandsbeziehungen: Krenzler, EA 1988,241-248. 98 EuGHE 1976, 811 (849, Rz. 17) Rs. 51175: EMI/CBS. Der Unterschied zwischen der Gestaltung des Binnenhandels und des Außenhandels wird auch durch die Rechtsprechung des EuGH verdeutlicht, der aufgrund der abweichenden Zielsetzungen des EGV und der Abkommen mit Drittstaaten zu unterschiedlichen Auslegungen gleicher oder ähnlicher Begriffe kommt: während der EGV auf die Schaffung eines einheitlichen Marktes abzielt, dessen Bedingungen denjenigen eines Binnenmarktes möglichst nahe kommen soUen, haben Regelungen betreffend Beziehungen zu Drittstaaten aUgemein nicht zum Ziel, "binnenmarktähnliche Zustände" herbeizuführen: EuGHE 1982,329 (348 f., Rz. 16, 18) Rs. 270/80: Polydor/Harlequin Record Shops. 99 Grabitz. in: Grabitz, EWGV, Art. 2, Rz. 3: dieses Ziel kommt bereits im 5. Erwägungsgrund der Präambel zum Ausdruck. !OO Vgl. Grabitz, in: Grabitz: EWGV, Art. 2, Rz. 3; Eiselstein, S. 81.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

75

Drittens trägt Art. 2 EGV dem Umstand Rechnung, daß eine Wirtschaftspolitik als Ganzes betrachtet und die unterschiedlichen Teilbereiche einer Volkswirtschaft in einen harmonischen Ausgleich gebracht werden müssen. Einzelne Maßnahmen zur Verwirklichung der Vertrags ziele dürfen nicht ohne Rücksicht darauf getroffen werden, weIche Auswirkungen sie auf die Verwirklichung anderer Vertragsziele haben 101 .

cc) Weitere Ziele Das Teilziel des beständigen, nichtinflationären und umweltvertäglichen Wachstums beruht auf der Theorie der positiven Effekte der Integration mehrerer Volkswirtschaften und ist nicht um jeden Preis anzustreben 102 • Ihre gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit soll auf einer größeren Spezialisierung und Ausnutzung komparativer Kostenvorteile beruhen. Bedingt durch die Änderungen im Rahmen von Maastricht wurde das Teilziel einer höheren Stabilität bei Preisen, Angebot und Nachfrage in Art. 2 EGV durch einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz ersetzt 103 • Dieser Verzicht unterstreicht, daß wirtschaftslenkende Maßnahmen eher die Härten wirtschaftlicher Umstellungen abfedern sollen als bestehende MarktverhäItnisse zu zementieren 104 • Als soziale Komponente der europäischen Einigung und zusätzlicher Bestandteil neben der wirtschaftlichen Integration umfassen die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität auch die allgemeine Steigerung des LebensniveauslOs. Die Lebensbedingungen sollen sich in ihrer Gesamtheit verbessern, nicht aber speziell der Einkommensdurchschnitt 106 • Art. 2 EGV löst sich daher insoweit vom klassischen Freihandelsdenken, als er berücksichtigt, daß sich Verbraucherwohlfahrt und Lebensqualität nicht allein durch eine völlig liberalisierte Wirtschaft einstellen 107 • Insbesondere durch die Beachtung von sozialen Zielen soll sich die EG dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft annähern 108. Unter Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ist die Annäherung der verschiedenen Standards durch Anschluß der schlechter abschneidenden Länder, insbesondere durch Ausgleichszahlungen und Unterstützung durch die reicheren MitgliedGlaesner. in: Bieber IRess, S. 435. Zuleeg, in: GlE, EGV, Art. 2, Rz. 10. 103 Zu den Änderungen des Art. 2 EGV durch Maastricht siehe auch Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Art. 2, Anm. 2.04. 104 Vgl. Zuleeg, in: GlE, EWGV, Art. 2, Rz. 14 zu der alten Vertragsfassung. lOS Grabitz, in: Grabitz: EWGV, Art. 2, Rz. 7. 106 Müller-Graf!, in: Dauses, Anm. A.1.3.c.bb, Rz. 96. 107 Zuleeg, in: GlE, EWGV, 1. Aufl., 1994, Art. 2, Rz. 15; so aber Reich, S. 26. 108 Langguth/ Lenz, in: Lenz, EGV, 1. Aufl., 1994, Art. 2, Rz. 4. 101

102

76

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

staaten zu verstehen lO9 . Zusammen mit anderen vorgestellten Teilzielen zeigt sich hierin die Forderung nach einer Politik zum Wohl des einzelnen, die über den erreichten Stand hinausgeht, sowie einer Verbesserung des Schutzniveaus und Berücksichtigung von Interessen, die, wie z. B. Verbraucherinteressen, ein geringes Durchsetzungsvermögen aufweisen 11 O•

3. Art. 3 EGV

a) Rechtliche Wirkungen Die nicht abschließende Auflistung der grundlegenden Aufgaben der EG in Art. 3 EGV gibt spezifischere Auskünfte über die Gemeinschaftsaufgaben als Art. 2 EGV oder die Präambel, zählt aber andererseits aufgrund der fortschreitenden Konkretisierung enger gefaßte Ziele aue l1 . In Art. 3 EGV werden die in den einzelnen Politiken detaillierter ausgeführten Gemeinschaftsaufgaben angekündigt und als für die Erreichung der Gemeinschaftsaufgaben unerläßliche Mittel qualifiziert 112 . Wegen der lediglich ankündigenden Aufzählung nachfolgend genau geregelter Politiken ist seine rechtsverbindliche Wirkung darauf beschränkt, bei der Auslegung und Anwendung des sonstigen Gemeinschaftsrechts 113 als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des Gemeinschaftshandelns 114 und als Grundlage für die Rechtsfortbildung herangezogen zu werden 115. Eine Pflicht zum Tatigwerden in den in Art. 3 EGV aufgezählten Bereichen verdichtet sich nur bei ausreichender Bestimmtheit zur Begründetheit einer Untätigkeitsklage nach Art. 232 EGV 116 •

109 In diesem Teilziel des Art. 2 EGV ist die Grundlage für den Grundsatz der finanziellen Solidarität der GAP zu sehen. 110 Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 2, Rz. 11. 111 Ipsen, S. 556, Anm. 28/19-20; Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 3, Rz. I; Herzog. in: Smit/Herzog, Art. 2 EGV, S. I-54, Anm. 3.01; Müller-Graf!, in: Dauses, Anm. A.I.3.cc.bbb, Rz. 120; Zuleeg. in: GTE, EGV, Art. 3, Rz. 1. 112 Ausführlich hierzu: Herzog, in: Smit/ Herzog, Art. 2 EGV, S. I-55 ff., Anm. 3.01, der v.a. darauf hinweist, daß der EuGH über die Verletzung der spezielleren Einzelregelungen hinaus eine konkrete Verletzung des Art. 3 EGV verneint hat. Trotz der Ablehnung eines Verstoßes im konkreten Einzelfall zeigt der EuGH, daß er eine gerichtlichen Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EGV für möglich hält. 113 EuGHE 1974.223 (254, Rz. 32) Rs. 6 und 7173: Instituto Cherniotherapico ltaliano S.p.A. und Commercial Solvents Corporation/Komrnission der EG; Herzog. in: Srnit/Herzog, Art. 2 EGV, S. 1-56, Anm. 3.01. 114 Grabitz. in: Grabitz, EWGV, Art. 3, Rz. 2. l1S Zuleeg. in: GTE. EGV, Art. 3 Rz. 3. 116 Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 3, Rz. 1; Grabitz. in: Grabitz, EWGV, Art. 3, Rz. I; EuGHE 1985, 1513 (1596, Rz. 49 ff.) Rs. 13/83: Parlament/Rat der EG (Gemeinsame Verkehrspolitik).

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

77

b) Relevante Bestimmungen

Die Aufzählung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche der EG in Art. 3 EGV umfaßt mehrere Bereiche, die den Agraraußenhandel der EG mit Entwicklungsländern betreffen. Mit lit. b wird die Gemeinsame Handelspolitik als eine einheitliche Regelung für den Handel mit Drittstaaten als grundlegende Zielrichtung des Gemeinsamen Marktes eingeführt 117. Bemerkenswert ist, daß in der Präambel die Gemeinsame Handelspolitik als Beitrag zur fortschreitenden Beseitigung der Beschränkungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr festgelegt, in Art. 3 Iit. b EGV diese Ausrichtung aber nicht mehr erwähnt wird. Um den Zielgehalt der Präambel vollständig auszudrücken, ist Art. 3 lit. b EGV daher nur im Zusammenhang mit Art. 131 Abs. 1 EGV zu begreifen, der den Gedanken der Förderung des WeItfreihandels wieder aufgreift" 8 . Lit. e begründet die Pflicht, die Tätigkeit der Gemeinschaft auf das Gebiet der Agrarwirtschaft zu erstrecken, das zuvor durch die unterschiedlichen Lenkungsmechanismen der einzelnen Nationalstaaten geprägt war 1\9. Die gesonderte Erwähnung der Gemeinsamen Agrarpolitik neben dem freien Warenverkehr in lit.a beweist, daß über den offenen Binnenmarkt hinaus für Agrargüter eine aktive Politik betrieben werden soll 120. Durch Iit. q wird die nun in Artt.l77 ff. EGV geregelte Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit ausdrücklich in den Tätigkeitsbereich der EG aufgenommen, obgleich sie bereits seit mehr als 35 Jahren zu den Gemeinschaftsaktivitäten zählt 121 . Lit.r erwähnt zusätzlich die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete und präzisiert die geforderte Wohlstandsförderung auf die Steigerung des Handelsverkehrs und Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Die vergleichsweise ausführliche Formulierung bestimmt die wirtschaftliche und soziale Ausrichtung der Assoziierung, die dem Begriff an sich nicht zu entnehmen ist, und läßt nicht auf eine besondere Bedeutung i.S. eines Vorranges schließen.

117 EuGHE 1980, 1713 (1728, Rz. 11) Rs. 135179, Gedelfi Großeinkauf GmbH & Co. KG 1Hauptzollamt Hamburg-Jonas. 118 Ipsen, S. 817, Anm. 46/3. 119 Zuleeg, in: GTE, EGV, Art. 3, Rz. 5; EuGHE 1971, 823 (828) Rs. 6171: Rheinmühlen Düsseldorf 1Einfuhr- und Vorratsstelle für Gestreide und Futtermittel. 120 Herzog, in: Smit/Herzog, Art. 2 EGV, S. I-55, Anm. 3.01. 121 Herzog, in: Smit/Herzog, Art. 2 EGV, S. 1-61 f., Anm. 3.02.

78

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG 4. Art. 4 EGV

Die in Art. 4 EGV formulierte, für Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorgane verbindliche Festlegung auf eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsverfassung 122 ist unverzichtbar für die Einführung und den Erhalt einer Wirtschafts- und Währungsunion. Da die Mitgliedstaaten weiterhin umfassend für die allgemeine Wirtschaftspolitik zuständig sind, regelt Art. 4 EGV unter besonderer Rücksichtnahme auf das Zusammenwirken zwischen den Mitgliedstaaten und der EG die WWU als neuen "gemischten" Politik- und Kompetenzbereich mit besonderen Verfahrensvorschriften, Lenkungsmechanismen und eigenen Organen 123 • Die nationalen Kompetenzen im Wirtschaftsbereich sollen im Rahmen der Gemeinschaft koordiniert werden und schrittweise in den Aufgabenbereich der EG überführt werden. Hiervon sind die in Art. 3 EGV einzeln aufgezählten Gemeinsamen Politiken und Koordinierungsaufgaben der EG getrennt zu sehen, in deren Bereich der EG bereits eine originäre Gestaltungskompetenz übertragen wurde. Wenn auch für diese bereits integrierten Bereiche der Wirtschaftspolitik die Koordinationsmechanismen nicht einschlägig sind 124, gelten doch die allgemeinen Grundsätze des Art. 4 EGV für die Verwirklichung und den Erhalt der gesamten WWU - zumindest mittels der Pflicht zu einer kohärenten Gesamtpolitik 125 . a) Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb

Mit Art. 4 Abs. 1 EGV werden die EG und die Mitgliedstaaten dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in der Wirtschafts union i. S. d. Art. 2 EGV verpflichtet 126• Diese Formulierung geht in ihrer Deutlichkeit über den bisherigen EWGV hinaus und beinhaltet einen neuen ordnungspolitischen Ansatz 127 • 122 Rengeling, S. 28 f. und 208; Bleckmann, DVBI. 92, 341; EstorJfI Molitor; in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 4; Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 3. 123 Als neues Koordinierungsinstrument wurden die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft eingeführt, Artt. 98 S. 2, 99 Abs. 2 S. I und 2 EGV; Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 103 a.F., Rz. 4.und ders. in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 2 und 5. 124 VerLoren van Themaat, in: Snyder: Constitutional dimensions, S. 3 (6); Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 20. 125 Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 20. 126 Siehe hierzu die durch den EUV neu eingeführten Artt. 4 Abs. 2,98 S. 2, 105 Abs. I S. 3 EGV. EstorJfl Molitor; in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 5. 127 Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 7 und EstorJfI Molitor; in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 18 in Art. 3 a a.F. EGV. Müller-Graf!, in: Dauses, Anm. A.I.3.cc.aaa, Rz. 102 dagegen sieht in Art. 4 Abs. 1 EGVeine ausdrückliche KlarsteIlung einer bereits bisher im Vertrag vorhandenen Rechtslage. Der Streit kann aber, da es hier allein um die gegenwärtige Rechtslage geht, dahingestellt bleiben.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

79

Unter ,,Marktwirtschaft" als Wirtschaftsform ist die dezentrale Zuordnung der wirtschaftlich relevanten Entscheidungen über Produktion, Investition, Distribution und Konsum an die einzelnen Wirtschaftssubjekte auf der Grundlage von Privatautonomie, Privateigentum, Berufs- und Gewerbe- und Vertragsfreiheit zu verstehen 128. Diese Absage an eine interventionistische Wirtschaftspolitik bedeutet u. a., daß Marktzugang, Marktaustritt und Preisbildung nicht staatlich festgelegt werden dürfen, es sei denn aus zwingenden gesamtwirtschaftlichen Gründen 129 . Die "Offenheit" der Marktwirtschaft eröffnet die Freiheit des Marktzugangs und austritts. Da die Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion sinnvollerweise auch die Außenbeziehungen zum Weltmarkt einschließen muß, bezieht sich der Begriff der Offenheit nicht allein auf die Öffnung des Marktzugangs für Unionsbürger, sondern auch für Drittstaatsanbieter 13o. Das neue Fundament, auf das die WWU durch den Vertrag von Maastricht gestellt wurde, fordert daher in außenwirtschaftlicher Hinsicht, daß - entsprechend dem Ziel des Art. 131 EGV - der Weltfreihandel beständig angestrebt wird l3l . Der Begriff des "freien Wettbewerbs" meint wie Art. 3 lit. g und Artt. 81 - 86 EGV den weitestgehenden Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt vor Verfälschungen l32 • Als eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten wirtschaftlichen Orientierungen der EG impliziert der weitreichende Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, daß wirtschaftliche Leistungen grundsätzlich im Wettbewerb erbracht werden sollen. Durch die herausragende Betonung dieses Prinzips wird es vor andere Ziele des Art. 2 EGV gestellt und das Verhältnis der Ziele untereinander komplizierter gestaltet. Weichen Gemeinschaftsmaßnahmen von diesem Prinzip ab, muß diese Diskrepanz im Rahmen der Verhältnismäßigkeit noch genauer gerechtfertigt werden 133.

128 Badura, in: Schmidt-Aßmann, S. 201 (209); Müller-Graf!, in: Dauses, Anm. A.I.3.cc.aaa, Rz. 101. Vgl. auch EuGHE 1980,907 (1008, Rz. 80) Rs. 154 et al.l78 und 31 et al.l 79: Valsabbia/ Kommission; Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 7. 129 Estorff/ Molitor, in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 19. Vgl. den Begriff des "offenen Marktes" in EuGHE 1990,1-3125 (3157, Rz. 29) Rs. C-35/88: Kommission/Griechenland, der dadurch gekennzeichnet ist, daß jeder Erzeuger unter Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs Zugang zu diesem hat. 130 Estorff/ Molitor, in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 20. 131 VerLoren van Themaat, in: Snyder, S. 3 (6); Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., RZ.9. 132 Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 8. 133 V gl. die vorsichtigen Stellungsnahmen zu dem Problem des Konflikts zwischen dem freien Wettbewerb als Teil des Grundsatzes der "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" und der gemeinschaftsintemen Kohäsion von VerLoren van Themaat und Streit in den Diskussionsbeiträgen in: Snyder: Constitutional dimensions, S. 38 ff.

80

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

b) Richtungweisende Grundsätze des Art. 4 Abs. 3 EGV

Durch die richtungweisenden Grundsätze des Art. 4 Abs. 3 EGV, der stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen, monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz für Schaffung und Bestand der WWU vorschreibt, sollen die Organe der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zu einer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik rechtsverbindlich verpflichtet werden. Die Grundsätze bilden Auslegungs- und Anwendungsmaßstäbe, geben jedoch keine konkreten Handlungsanweisungen 134. Das Ziel, stabile Preise im Binnenmarkt anzustreben \35, unterscheidet sich in einem für die Marktwirtschaft entscheidenden Punkt von der Forderung des Art. 33 Abs. 1 lit. c EGV nach einer Stabilisierung der Agrarmärkte. Verlangt Art. 33 Abs. 1 lit. c EGV, daß die charakteristisch instabilen Agrarmärkte durch staatliche Maßnahmen beruhigt werden, fordert die Preisstabilität des Art. 4 Abs. 3 EGV, daß bei Ausübung der Wirtschafts- und Finanzpolitik eine Inflation vermieden werden SOll136. Während Art. 33 Abs. 1 lit. c EGV hoheitliche Eingriffe in das freie Spiel der Marktkräfte rechtfertigen kann, begründet Art. 4 Abs. 3 EGV nicht den Eingriff, sondern fordert im Falle einer hoheitlichen Maßnahme, daß das Interesse der Allgemeinheit an einer stabilen, nicht-inflationären Wirtschaftspolitik geschützt wird. Zwar ist der Grundsatz einer dauerhaft finanzierbaren Zahlungsbilanz 137 relevant für den Außenhandel, da die Zahlungsbilanz neben Devisenbewirtschaftung, Kapitalverkehrs-, Wechselkurs- und Binnenwirtschaftspolitik auch durch Handelspolitik beeinflußt werden kann 138 . Doch ist seine Bedeutung für den europäischen Außenhandel insofern gering, als einerseits Art. 4 Abs. 3 EGV mit dem Begriff der "dauerhaft finanzierbaren Zahlungsbilanz" betont, daß die Gesamtzahlungsbilanz nicht kurzfristig, sondern bloß dann ausgeglichen zu werden braucht, wenn das Vertrauen in die Währung und Wirtschaftskraft des Landes zu erschüttern droht. Andererseits zielt diese Forderung vor allem auf die nationalen Wirtschaftspolitiken ab, weil es während der 2. Stufe der WWU nur nationale Währungen und Zahlungsbilanzen gibt 139. 134 Estorffl Molitor, in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 28 f.; Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 13 ff. 135 EstorfflMolitor, in: GTE, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 29 sieht darin in Abgrenzung zu den Konvergenzkriterien des Art. 121 Abs. I EGV die Forderung nach einem allgemeinen und nicht bloß relativen Preisniveau, das keine nennenswerten Veränderungen aufweist; ebenso Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 14. 136 Vgl. Bandilla, in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F., Rz. 14, der darin die Maxime einer Geldwertstabilität sieht. 137 Unter "Zahlungsbilanz" ist die systematische Aufzeichnung aller wirtschafltichen Transaktionen von Waren, Dienstleistungen und Vermögenstiteln zwischen Inländern und Ausländern für einen bestimmten Berichtszeitraum zu verstehen, HdWW, Band 9, S. 539 f. 138 HdWW, Band 9, S. 555.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

81

5. Allgemeine Rechtsgrundsätze

Als Rechtsgemeinschaft ist die EG auf das Recht und die Rechtsakte als Handlungsinstrumente beschränkt und den aus der Rechtsstaatlichkeit abgeleiteten Handlungsgeboten 140 unterworfen. Die hierzu zählenden allgemeinen Rechtsgrundsätze bedürfen keiner Kodifizierung im Vertrag selbst, sondern werden im Wege einer kritisch-wertenden Rechtsvergleichung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gewonnen 141. Als integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sind die vom EuGH entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere die Grundrechte, durch die Gemeinschaftsorgane zu beachten. Hiergegen verstoßendes Sekundärrecht ist ungültig l42 •

a) Grundrechte

Die Grundrechte werden vom EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze charakterisiert und sind von den Gemeinschaftsorganen auch bei der Ausübung ihres Ermessens zu beachten 143. Entwickelt werden sie einerseits aus der den Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungskonzeption und ständigen Gesetzgebungspraxis sowie andererseits aus den internationalen Verträgen über den Schutz der Menschenrechte wie dem EMRK, durch die die Mitgliedstaaten gebunden sind l44 . Für die Frage nach dem Prinzip des Weltfreihandels können sich Grundrechte als relevant erweisen, da im europäischen Agraraußenhandel durch Ermessensentschei139 Vgl. Bandilla. in: Grabitz, EGV, Art. 3 a a.F.. Rz. 18 sieht bis zur 3. Stufe in den Mitgliedstaaten die einzigen Verpflichteten. Sie wirkt sich aber für die Gestaltung der Handelspolitik durch die Gemeinschaftsorgane im Rahmen der Koordinierung zwischen EG und Mitgliedstaaten bereits vorher aus. 140 Im wesentlichen fallen hierunter die Gewaltenteilung, die Bindung an Gesetz und Recht und die Grundrechte. 141 Die vom EuGH angewandte kritisch-wertende Rechtsvergleichung achtet nicht auf die Mehrheit in den Mitgliedstaaten, sondern auf die Rechtsqualität. Er wählt diejenige Lösung, zu der sich die verglichenen Rechtsordnungen tendenziell orientieren und die den Zielsetzungen der EG am nächsten kommt, Vgl. /psen. S. 113, Anm. 5/20. Zu dem ganzen, ders .• S. 112-114, Anm. 5/17 -22 und S. 162 f., Anm. 6/46. 142 GA Gulmann, in EuGHE 1994,1-4973 (4993, Rz. 42) Rs. C-280/93: Deutschland/Rat (Bananen). 143 Schwarze. Verwaltungsrecht I, S. 400; Pernice. Grundrechtsgehalte, S. 27 ff.; ders. in: Grabitz, EGV, Art. 164 a.F., Rz. 46; Beutler. in: GlE, EUV, Art. F a.F., Rz. 65; EuGHE 1974, 491 (507 f.; Rz. 14) Rs. 4173: Nold/Kommission; EuGHE 1979, 3727 (3747, Rz. 22) Rs. 44179: Hauer / Rheinland-Pfalz. 144 Bestätigung und Legitimationserweiterung dieser Rechtsprechung durch Art. 6 Abs. 2 EUV, der aber selbst nicht zu einer unmittelbaren Geltung der EMRK führt, deren Rezeption ausdrücklich über die allgemeinen Rechtsgrundsätze vermittelt bleibt, Beutler. in: GTE: EUV, Art. F a.F., Rz. 23, 28, 31 und 67 f.; Rengeling. S. 1. EuGHE 1974, (507) Rs. 4173: Nold; EuGHE 1970, 1125 (1135) Rs. 11/70: Internationale Handelsgesellschaft; EuGHE 1979,3727 (3746, Rz. 19) Rs. 44179: Hauer/Rheinland-Pfalz.

6 Trumm

82

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

dungen regelmäßig Grundrechte europäischer Im- und Exporteure tangiert werden l45 • aa) Objektive Bedeutung der Grundrechte für das Prinzip des Weltfreihandels Die Grundrechte und Grundfreiheiten der EG sind rechtsdogmatisch auch als Schutzpflichten 146 zu qualifizieren. Soweit sie dem einzelnen Freiheiten zugestehen, nehmen sie dem Staat objektiv Handlungsspielräume und ziehen dadurch den Machtbefugnissen der öffentlichen Hand Grenzen. Diese Beschränkung der Staatsgewalt erfolgt unabhängig von der Geltendmachung des subjektiven Freiheitsanspruchs durch den einzelnen 147. In der vorliegenden Arbeit werden nicht die subjektiven Freiheitsrechte der Unionsbürger gegenüber der EG als Träger öffentlicher Gewalt untersucht l48 , sondern derjenige Aspekt der Wirtschaftsverfassung behandelt, der die Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane gegenüber dem EGV als Verfassung objektiv beschränkt l49 • Wahrend im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Grundrechte zusätzlich zu ihrer subjektiven Bedeutung als Freiheitsrechte und der objektiven Beschränkung der Kompetenzen objektive Wertentscheidungen enthalten, die sich in schwach konturierten Schutzpflichten und Maßstäben für Gestaltung, Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts auswirken 150, bleibt dieser Aspekt mangels Kodifizierung 151 den durch die Rechtsprechung entwickelten europäischen Grundrechten fremd. Da die gerichtliche Entscheidung meist durch ein individuelles Freiheitsverlangen ausgelöst wird, orientiert sie sich an einem möglicherweise unzulässigen Eingriff in subjektive Rechtspositionen. Für objektive Wertentscheidungen ist der EGV selbst heranzuziehen und nicht ein künstlicher Umweg über erst in der Rechtsprechung durch Rechtsvergleichung und Bezug auf den EMRK entwickelte Grundrechte zu wählen. Relevant für diese Arbeit bleibt daher allein, ob die Grundrechte die Gemeinschaftsorgane in ihrer Ausgestaltung des Agraraußenhandels hinsichtlich des Weltfreihandels negativ beschränken. 145 Gildsorfl Priebe. in: Grabitz. EGV. Art. 40 a.F., Rz. 72 f. Allgemein zur Bedeutung der Grundrechte im Bereich des internationalen Handels: Petersmann, 3 EJIL (1992) 1 (1 ff.); ders., Aussenwirtschaft 49 (1994) 31 (37). 146 Beutler, in: GTE, EUV, Art. F a.F., Rz. 86. 141 Petersmann. 3 EJIL (1992) 1 (4 f.); Rengeling. S. 206. Die objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte wird zu Recht als bloßer Perspektivwechsel bezeichnet, vgl. zu den deutschen Grundrechten: Hesse. Verfassungsrecht, Rz. 290 ff.; PierothlSchlinck, Rz. 90 ff. 148 Vgl. zu der Verletzung von europäischen Grundrechten durch die Bananenmarktordnung ausführlich, vgl. z. B. Weustenfeld. S. 44 ff. 149 Rengeling. S. 205; StolI. ZaöRV 1997,83 (87). 150 PierothlSchlinck. Rz. 93 f. 151 Im EGV kann allein Art. 12 und Art. 141 EGVein Grundrechtsgehalt zugesprochen werden, vgl. Beutler, in: GTE, EUV, Art. F a.F., Rz. 34.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

83

bb) Inhaltliche Auswirkungen der Grundrechte auf das Prinzip des Weltfreihandels Die Rechtsprechung des EuGH ist daraufhin zu untersuchen, ob objektive Aspekte der vornehmlich wirtschaftlichen Grundrechte l52 den Gemeinschaftsorganen die Pflicht zum Weltfreihandel oder zu einem Schutz der Agrarproduzenten vor Drittstaatskonkurrenz auferlegen. In Betracht kommt vorwiegend die Verletzung des Eigentumsrechts, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, des Diskriminierungsverbotes und der Berufsfreiheit der Handeltreibenden 153. Diese Grundrechte gelten grundsätzlich auch für die Freiheit der Unionsbürger auf außenwirtschaftliche Betätigung l54 . ( J ) Eigentum

In den Schutzbereich des auch im Gemeinschaftsrecht geschützten Eigentums 155 fallen zwar keine bloßen Erwerbschancen und Aussichten, da die Gewährleistung des Eigentums nicht auf den Schutz kaufmännischer Interessen ausgedehnt werden kann, deren Ungewißheit zum Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit gehört l56 . Folglich werden Marktanteile nicht geschützt, da diese nur eine augenblickliche wirtschaftliche Position darstellen, die regelmäßig Risiken durch Änderung der Umstände ausgesetzt sind l57 • Doch ist das Eigentum betroffen, wenn ein Unternehmer durch eine gemeinschaftsrechtliche Regelung entschädigungslos um die Früchte seiner Arbeit und der von ihm vorgenommenen Investitionen gebracht wÜfde l58 • Nicht erfaßt wird das Recht zur kommerziellen Verwertung eines Vorteils, der weder aus dem Eigentum noch aus der Berufstätigkeit des Betroffenen herfÜhrt i59 • Auf euro/psen, S. 722, Anm. 41/4. StolI, ZaöRV 1997, 83 (90 ff.). 154 StolI, ZaöRV 1997,83 (92). 155 EuGHE 1979, 3727 (3745, Rz. 14) Rs. 44179: Hauer/Rheinland-Pfalz; Beutler, EuR 1980,130: ohne Definition des Eigentums; ders., in: GTE, EUV, Art. F a.F., Rz. 56; Frowein, in: FS Kutscher, S. 189 (189 f.). Der EuGH grenzt zumeist das Eigentum nicht von der Berufsfreiheit ab, vgl. auch GA Gulmann in EuGHE 1994,1-4973 (4993 f., Rz. 44 f.) Rs. C280/93: Deutschland/Rat (Bananen). Der Inhalt des Eigentumsrechts wird außerdem weiterhin allein durch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bestimmt, vgl. Art. 295 EGV. 156 EuGHE 1980,907 (1010 f., Rz. 89) Rs. 154 u. a.178 und 39 u. a./79: Valsabbia u. a./ Kommission, vgl. auch GA Capatorti, ebd., S. 1054; Beutler, in: GTE, EUV, Art. F a.F., Rz. 56. 157 EuGHE 1994,1-5039 (5065, Rz. 79) Rs.C-280/93: Deutschland/Rat (Bananen). Weustenfeld, S. 44; Nettesheim, EuZW 1995, 106 (108) lehnen Eigentum an einem Marktanteil und erst recht an einem bestimmten Umsatzbetrag wegen der unerwünschten Fixierung eines wirtschaftlichen Status Quo ab. 158 EuGHE 1989, 2609 (2639, Rz. 19) Rs. 5/88: Wachaufl Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft ohne einen Hinweis, auf weiches Grundrecht er sich bezieht; bestätigend EuGHE 1991,1-5119 (5156 f., Rz. 28) Rs. C-44/ 89: von Deetzen / Hauptzollamt Oldenburg. 152 153

84

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

parechtlicher Ebene wird auch ein Grundrecht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anerkannt 160, ohne den Eigentumsschutz inhaltlich zu erweitern l61 . Aus dem Grundrecht auf Eigentum ist keine Aussage zu einer Verpflichtung zum Weltfreihandel zu entnehmen, da ein durch Eigentum oder Berufstätigkeit entstandener Vorteil bewahrt werden soll, ohne sich über den Erwerb dieses Vorteils selber zu äußern. Eigentumsrechte können nur indirekt dem Freihandel zugute kommen, soweit die fraglichen vermögenswerten Rechte auf einer liberalen Gestaltung des Außenhandels beruhen, bilden jedoch keinen eigenständigen Grund für den Freihandel. (2) Berufsfreiheit

Zölle oder andere Handelshemmnisse beschränken die Einfuhr und Vermarktung von Drittlandswaren und greifen daher in den unter den Schutzbereich der Berufsfreiheit fallenden Aspekt der Berufsausübung der Gemeinschaftsimporteure ein l62 . Durch die Einführung eines Zollkontingents und eines bestimmten Aufteilungsmechanismus wird die Berufsfreiheit der Importeure verletzt, indem die Wettbewerbsstellung dieser Wirtschaftsteilnehmer sich zu ihren Ungunsten ändert l63 . Nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit fallen demgegenüber Rechte auf Beibehaltung eines Vorteils, der sich für ein Unternehmen nicht aus der beruflichen Anstrengung ergibt, sondern nur vorübergehend aus der Einführung einer Gemeinsamen Marktordnung 164. Die Berufsfreiheit wird nicht unbeschränkt gewährt, sondern ihrer gesellschaftlichen Einbindung gemäß durch verhältnismäßige, gemeinwohlmotivierte Eingriffe eingeschränkt l65 . Sie ist im öffentlichen Interesse Restriktionen unterworfen, die den Zielen der EG entsprechen müssen und die Berufsfreiheit nicht in ihrem IS9 EuGHE 1991,1-5119 (5156, Rz. 27) Rs. C-44/89: von Deetzen/Hauptzollamt Oldenburg. Allgemein zu durch vermögenswerte subjektive Rechte des öffentlichen Rechts geschaffene Rechtspositionen, die denjenigen von Eigentümern nahekommen: GA Lenz, in: EuGHE 1984, 3881 (3912) Rs. 232/81: Agricola Commerciale Olio I Kommission. 160 Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 18, 46; a.A. Weustenfeld, S. 45, der als Referenz Rengeling falsch zitiert. Der EuGH prüft das ReaG als freie Nutzung des Eigentums, EuGHE 1984,4057 (4079, Rz. 22) Rs. 59/83: Biovilac I EWG. 161 Vgl. etwa EuGHE 1984,4057 (4080, Rz. 23) Rs. 59/83: Biovilac I EWG; Weustenfeld, S.45. 162 Die Berufsfreiheit wird auch im Gemeinschaftsrecht geschützt; EuGHE 1986, 2519 (2545, Rz. 27) Rs. 116/82: Kommission I Deutschland; EuGHE 1986,2897 (2912, Rz. 6-8) Rs. 234/85: Keller. Zum Grundrecht der Handelsfreiheit, auch für den Außenhandel: Petersmann, 3 EJIL (1992) 1 (13 ff.). Siehe auch Weustenfeld, S. 45 f. 163 EuGHE 1994,1-4973 (5066, Rz. 81) Rs. C-280/93: Deutschland I Rat (Bananen). 164 EuGHE 1979,2749 (2768, Rz. 21) Rs. 230178: Eridania. 165 EuGHE 1974,491 (507 f., Rz. 14) Rs. 4173: Nold/Kommission; EuGHE 1989,2609 (2639, Rz. 18) Rs. 5/88: Wachaufl Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

85

Wesensgehalt antasten dürfen l66 . Unabhängig hiervon bleibt eine grundsätzliche, objektive Verpflichtung für die Gemeinschaftsorgane erhalten, den Außenhandelstreibenden eine möglichst unbeschränkte wirtschaftliche Tätigkeit zu ermöglichen. Ein eigenes Grundrecht der Handelsfreiheit i.S.v. Freihandel ist weder aus den Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten noch der Rechtsprechung des EuGH zu folgern. Selbst wenn die Handelsfreiheit für den Binnenmarkt als Freiheit des Warenverkehrs als ein grundlegendes Prinzip des Gemeinsamen Marktes auch gegenüber Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane klassifiziert wird 167 und sogar über Art. 32 Abs. 2 EGV in der Agrarpolitik - wenn auch eingeschränkt - Anwendung findet, bleibt sie eine auf den Binnenmarkt beschränkte Grundfreiheit 168 •

(3) Diskriminierungsverbot Das Diskriminierungsverbot ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes 169 und zugleich ein grundrechtsgleiches Recht, welches in Art. 12 EGV und speziell in Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 EGV normiert ist 170. Das Interesse der Wirtschaftsteilnehmer am Weltfreihandel schützt es jedoch nur mittelbar, wenn und soweit vergleichbare Außenhandeltreibende in größerem Umfang von einer Liberalisierung des Außenhandels profitieren.

b) Verhältnismiißigkeitsgrundsatz Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde als allgemeines Prinzip mit Verfassungs rang als ein den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsatz entwickelt 171 . Im EGV ist er in Teilaspekten ausdrücklich nor166 EuGHE 1994, 1-4973 (5066, Rz. 81) Rs. C-280/93: DeutschlandlRat (Bananen); EuGHE 1979, 3727 (3747, Rz. 23) Rs. 44179: Hauer/Rheinland-Pfalz; EuGHE 1974,491 (507 f., Rz. 14) Rs. 4173: Nold/Kommission; EuGHE 1989,2609 (2639, Rz. 18) Rs. 5/88: WachauflBundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft; Beutler, in: GlE, EUV, Art. F a.F., Rz. 51, 57. Hinsichtlich dieser Grenzziehung wird dem EuGH vorgeworfen, er würde gemeinschaftsbezogene Abwägungspunkte zu Lasten der Grundrechte bevorzugen, Coppel/ 0' Neill, 29 CMLRev. (1992) 669; Weiler/Lockhan, 32 CMLRev. (1995) 51; Nettesheim. EuZW 1995, 102; Beutler, in: GlE, EUV, Art. F a.F., Rz. 77 f. 167 Diese Pflicht gilt nicht nur gegenüber den Mitgliedstaaten. da die Gemeinschaftsinstitutionen als Träger des Integrationsprozesses in besonderer Weise den grundSätzlichen Normierungen des EGV unterliegen. Pemice. S. 68, 92 f. 168 So wird auch in EuGHE 1985,2857 (2882, Rz. 23) Rs. 63 und 147/84: Finsider, zwar das Grundrecht auf wirtschaftliche Betätigung als verletzt gerügt, während das Gericht nur feststellt, daß eine Verletzung vorliegt, ohne es als Grundrecht zu qualifizieren. Vgl. auch EuGHE 1974,491 (507 f., Rz. 14) Rs. 4173: Nold; EuGHE 1985,531 (548 f., Rz. 9-13) Rs. 240 183: Procureur de la Republique I ADBHU. 169 EuGHE 1978, 1365 (1379, Rz. 26/29) Rs. 149177: Defrenne III für Art. 141 EGV. 170

Weustenfeld. S. 42; Notthoff, Martin. RIW 1995,541 (544).

86

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

miert 172 • Hoheitliche Maßnahmen müssen demnach zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sein. Wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen, ist die am wenigsten belastende zu wählen und die auferlegten Belastungen haben in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen zu stehen l73 • Der Verhältnismäßigkeit kommt die Funktion zu, zur Rationalisierung hoheitlicher Entscheidungen beizutragen. Sie stellt ein zusätzliches Rechtmäßigkeitserfordernis hoheitlichen Handeins auf, strukturiert Abwägungsprozesse und hat somit normergänzende Funktion. Sie schützt die Freiheit des einzelnen gegenüber Beschränkungen durch die öffentliche Gewalt als allgemeines Leitprinzip für jedes staatliche Handeln. Sie ist aber selber kein selbständiges subjektives Recht, sondern kann nur in Verbindung mit anderweitig begründeten Rechten Geltung erlangen l74 . Wegen dieser Funktion als Hilfsmittel zur angemessenen Durchsetzung anderer, materiellrechtlicher, Rechtspositionen wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst weiter unten ausführlich dargestellt l7S •

111. Allgemeine Ziele und Aufgaben im EUV Die gemeinsamen Bestimmungen des EUV in seinem Titel I erstrecken sich auf alle drei "Säulen" der Tempelkonstruktion und finden auch Anwendung auf die autonomste Säule die EU, der Europäische Gemeinschaft l76 • 1. Präambel

Ohne konkrete Rechtspflichten der Entscheidungsträger der EU zu formulieren oder eine gerichtliche Überprüfung auszulösen, kommt der Präambel des EUV als Bestandteil des Vertrages eine rechtliche Bedeutung dadurch zu, daß sie zur Auslegung des eigentlichen Vertragstextes und zur Lenkung der Ermessensentscheidungen der Gemeinschaftsorgane heranzuziehen ist 177 • Unter den mannigfaltigen 171 lpsen, S. 512, Anm. 24/14; Usher; S. 44 f.; Gilsdorj/Booß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 21; Korte/van Rijn, in: GTE, EGV, Art. 40 a.F., Rz. 98. Der Grundsatz wird auch als Übermaßverbot oder Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs bezeichnet, Schwarze, Verwaltungsrecht I, S. 408; 11, S. 699 ff. 172 Ein Unterfan, für das Verhältnis zwischen EG und den Mitgliedstaaten, ist in Art. 5 Abs. 3 EGV normiert. 173 EuGHE 1989, 2237 (2269) Rs. 265/87: Schräder. 174 Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz, EGV, Art. 3 b a.F., Rz. 42. 175 Siehe 6. Kapitel, A.III.2. 176 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 3. Zur Charakterisierung und Bedeutung der Ziele des EUV siehe Müller-Graff, EuR, Beiheft 2, 1998,67 (69). 177 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Präambel, Rz. 5 ff. Siehe hierzu auch Müller-Graff, EuR, Beiheft 2, 1998,67 (69 f.).

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

87

Beweggründen der Präambel sind mehrere für die Gestaltung des Außenhandels von Bedeutung, ohne unmittelbare und konkrete Vorgaben an die Hand zu geben. Indem die Vertragsparteien allgemein gesellschaftspolitische Ziele wie den sozialen Fortschritt, inneren Zusammenhalt und den Umweltschutz neben die Stärkung und Konvergenz der Volkswirtschaften stellen, sollen Fortschritte in allen Integrationsbereichen in vergleichbarem Maß erreicht werden. Durch dieses integrierte Konzept wird die Tendenz der Weiterentwicklung der Wirtschafts- zu einer umfassenden Union verstärkt 178 • Die Betonung der Identität Europas im Zusammenhang mit der Einführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Vorbereitung einer gemeinsamen Verteidigung, umfasst als einen Unterbereich der Außenpolitik auch das bereits durch die Gemeinsame Handelspolitik der Artt. 131 ff. EGV vereinheitlichte Auftreten der EG als Handelsakteur l79 • Die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten geht nicht über das durch die Rechtsprechung des EuGH für den Bereich der Gemeinschaftskompetenzen erreichte Schutzniveau hinaus, erstreckt es aber auf die neu hinzugekommenen Säulen. Auch das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit umfasst zahlreiche, bereits an verschiedenen Stellen in den Vertragstexten konkretisierte Elemente wie die Grundrechte in Art. 6 Abs. 2 EUV und das VerhältnismäBigkeitsgebot in Art. 5 Abs. 3 EGV, verpflichtet aber durch die allgemeine und damit umfassende Formulierung an dieser prominenten Stelle die Entscheidungsträger der EU in allen zugewiesenen Aufgabenbereichen über die normierten Teilaspekte der Rechtsstaatlichkeit hinaus 180. 2. Art. 1 EUV

In Art. 1 Abs. 3 S. 2 EUV wird die Union als Dach der EG, der GASP und der ZJI aufgefordert, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen ihren Volkem kohärent und solidarisch zu gestalten. Unter Kohärenz ist allgemein das Gebot für ein aufeinander abgestimmtes, zusammenhängendes Verhalten zu sehen, durch welches eine widerspruchslose Politik ermöglicht wird. Als Rechtsgestaltungsprinzip geht die Kohärenz über die bloße Pflicht zur Rücksichtnahme und Widerspruchsfreiheit hinaus und fordert zur aktiven Verfolgung der verschiedenen, durch eine Maßnahme betroffenen Ziele auf l81 • Zwar ist dieser Grundsatz nicht ju178 Vg16. und 7. Erwägungsgrund der Präambel; Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Präambel, RZ.29. 179 9. Erwägungsgrund der Präambel. Vgl. auch Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Präambel, RZ.31. 180 3. Erwägungsgrund der Präambel; Hilf/Pache, in: Grabitz, EUV, Präambel, Rz. 16, 19 f. 181 Vgl. Krenzler/Schneider, EuR 1994, 144 (145); Hilf, in: Grabitz, EUV, Art. A a.F., Rz. 22; Ress, JuS 1992,985 (987). Müller-Graf!, EuR, Beiheft 2, 1998,67 (74 f.) sieht daneben auch noch die Förderung des Zusammenhalts gedeckt.

88

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

stiziabel 182 und postuliert keine konkreten Maßnahmen 183, doch hält auch er zu einer ständigen Harmonisierung zwischen den Zielen an. Die Normierung des Kohärenzgebotes des Art. lAbs. 3 S. 2 EUV in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gründung der Union aus ihren drei Pfeilern verdeutlicht, daß die Kohärenz für alle drei Tatigkeitsbereiche der Union gelten soll, und manifestiert zugleich an herausragender Stelle das allgemeine Kohärenzgebot als einen grundlegenden Wesenszug der Union und ihrer einzelnen Säulen. Im Gegensatz zu Art. 3 EUV regelt Art. lAbs. 3 S. 2 EUV nicht ein einheitliches Auftreten nach außen, sondern eine Kohärenz nach innen l84 • Der Hinweis auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen ihren Völkern macht deutlich, daß nicht eine Abstimmung allein der nationalen Politiken mit der Gemeinschaftspolitik im Bereich sich überschneidender Kompetenzen verschiedener Entscheidungsträger gefordert wird, sondern ganz allgemein eine widerspruchsfreie Politik in allen der Union übertragenen Aufgabenfeldern 185 unabhängig von der Beteiligung mehrerer Entscheidungsträger.

3.Art.2EUV

In Art. 2 Abs. I EUV werden die wesentlichen und übergeordneten Zielbestimmungen der EU so aufgezählt, daß sich der komplexe Aufbau der Union in ihrem Inhalt widerspiegelt 186. Tiret I ergibt sich aus der ersten Säule, der EG, in ihren auch im Art. 2 EGV angedeuteten Komponenten und verdeutlicht, daß die Union sich nicht auf die wirtschaftliche Entwicklung beschränken darf, sondern Solidari182 Der Verstoß durch die Gemeinschaftsorgane ist nicht justiziabel, Art. 46 EUV. Denkbar ist allein, daß eine Mißachtung des Kohärenzgebots durch die Mitgliedstaaten als Verstoß gegen die Gemeinschaftstreue des Art. 10 EGV qualifiziert und so eine gerichtliche Überprüfung ermöglicht wird. KrenzlerlSchneider. EuR 1994, 144 (158 f.). 183 Ress, JuS 1992, 985 (987). 184 KrenzlerlSchneider. EuR 1994, 144 (146). 185 Der Union wird durch die Kohärenzpflicht keine neue Aufgabe zugewiesen, etwa Maßnahmen der Mitgliedstaaten untereinander auf solchen Gebieten in Einklang zu bringen, in denen die Union selber keinerlei Zuständigkeit besitzt. So aber HilfI Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 10. Aufgrund dem auch hier geltenden Prinzip der begrenzten Ermächtigung besteht eine Koordinations- und Abstimmungspflicht nur in den ausdrücklich geregelten Fällen der GASP und der ZU sowie in einigen Bereichen der EG wie Art. Art. 180 Abs. I und Art. 181 Abs. I S. I EGV. 186 TIret I wiederholt die Ziele des Art. 2 EGV und Tiret 2 weist auf die GASP hin. Vgl. allgemein hierzu HilfI Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. I; Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. B a.F., S. 61 f., Anm. 1. Tiret 5 dagegen beinhaltet keine materielle Verhaltensanordnung an die Entscheidungsträger in der EU, sondern eine Selbstverpflichtung, den Vertrag zu revidieren und weiter zu entwickeln, wobei wegen der Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes hinsichtlich des Integrationsstandes kein Rückschritt erlaubt ist. HilfI Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 17 - 20; Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. B a.F., S. 62, Anm. 2; S. 65 f., Anm. 9.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

89

tät zwischen den Mitgliedstaaten und sozialen Fortschritt anstreben muß 187 . Die in Tiret 2 vorgestellte, intergouvernemental angelegte GASP soll die Identität der EU auf internationaler Ebene behaupten. Der durch den EUVerstmals eingeführte und bereits im 9. Erwägungsgrund der Präambel verwendete Begriff der ,,Identität" führt vor Augen, daß die Mitgliedstaaten durch die Bündelung ihres politischen und wirtschaftlichen Gewichts gemeinsame Standpunkte wirksamer durchsetzen können und sollen '88 . Über das bloße NebeneinandersteIlen dieser Ziele der drei Säulen hinaus deutet Art. 2 Abs. 1 EUV zugleich an, daß die verschiedenen Ziele der Union sich gegenseitig beeinflussen und kohärent durchzusetzen sind l89 • Abs. 2 EUV beschränkt die Verwirklichung der Ziele des Abs. 1 durch die Maßgaben aus dem EUV und verweist die EU klar und deutlich auf den rechtlichen Rahmen für die Zielverwirklichung, der insbesondere aufgrund der durch den EUV verliehenen Kompetenzen und der dort vorgesehenen Zeitfolge gesetzt wird l90 . In den für den Agraraußenhandel relevanten Bereichen ist gerade durch die weiterhin beschränkte Aufgabenzuweisung keine nennenswerte Neuerung aufgetreten. Wie bisher ist die EG, wie die gesamte Union, vom Solidaritätsgedanken bestimmt und hat - anders als von der reinen Freihandelstheorie vorgesehen - soziale Standards einzuhalten. Die EPZ wurde zur GASP weiterentwickelt und steht als zweiter Pfeiler mit intergouvernementaler Struktur grundSätzlich unabhängig neben der EG als erstem Pfeiler, ohne sich auf den bereits im EGV geregelten Agraraußenhandel inhaltlich auszuwirken. Die durch die Intensivierung einer gemeinsamen Außenpolitik entstehenden Konsequenzen und Interdependenzen mit dem Agraraußenhandel werden v.a. im nachfolgenden Art. 3 EUVerkannt und mit dem Kohärenzprinzip geregelt. Die rechtliche Bedeutung der Ziele des Art. 2 EUV erschöpft sich darin, zwar die zuständigen Handlungsträger der EU zum Anstreben der genannten Ziele zu verpflichten, beinhalten aber wegen ihrer begrifflichen Weite und des hinsichtlich der Zielverwirklichung bestehenden weiten Ermessens keine konkrete Handlungspflicht l91 • Die Einhaltung des Art. 2 EUV ist gern. Art. 46 EUV nicht der Zustän187 Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. B a.F., S. 63, Anm. 4; Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 7 f.; Jacque, in: GTE, EUV, Art. B a.F., Rz. 2; Müller-Graf!, EuR, Beiheft 2, 1998, 67 (72). 188 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 11. 189 V gl. Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 1. Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. B a.F., S. 62, Anm. 1, sieht das Kohärenzprinzip bereits in Art. 2 EUVangedeutet, da er ansonsten eine überflüssige Wiederholung der Ziele anderer Verträge darstellen würde. Da das Kohärenzprinzip bereits in Artt. 1 und 3 EUV ausdrücklich vorgesehen ist, aber zusätzlichen Regelungsgehalt aufweist, ist eine weitere Andeutung des Prinzips in Art. 2 EUV einsichtig, beinhaltet aber rechtlich keine zusätzliche Bedeutung. 190 Vgl. Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 21. 191 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 2; Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. B a.F., S. 61 f., Anm. 1, hält die Ziele in Art. 2 EUV für eine Konkretisierung der Präambel.

90

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

digkeit des EuGH unterstellt. Justiziabel wird Art. 2 EUVerst, wenn er für die Auslegung derjenigen Bestimmungen des EUV herangezogen wird, die der Kontrolle durch den EuGH unterworfen sind l92 . Die Fonnulierung "Die Union setzt sich folgende Ziele" in Art. 2 Abs. I EUV beinhaltet keine Kompetenzkompetenz der EU in dem Sinn, daß sie sich selbst über die geschriebenen Ziele hinaus weitergehende Ziele zuweisen darf, sondern beschreibt bloß die Gründung der EU durch die unter "EU" zusammengefassten Hohen Vertragsparteien l93 •

4. Das Kohärenzprinzip in Art. 3 EUV

a) Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Zielverwirklichung, Art. 3 Abs. 1 EUV Art. 3 Abs. 1 EUV führt die Identität seiner Organe und die Kohärenz zwischen den verschiedenen Tätigkeitsbereichen als grundlegende Prinzipien für Bestand und Funktionieren der Union ein l94 • Wegen der nicht ganz einheitlichen Verwendung des Begriffs der Kohärenz in den in allen Sprachen verbindlichen Vertragstexten 195 ist unter Kohärenz die sinnvolle inhaltliche Abstimmung und Zusammenfügung aller Maßnahmen der EU und die Venneidung von Widersprüchen zu verstehen. Durch die unterschiedslose Bezugnahme auf alle Ziele des Art. 2 EUVerfasst die Kohärenzpflicht die gesamte Tatigkeit der EU und fordert die konzeptionelle Abstimmung der Aktivitäten nicht allein zwischen den verschiedenen Säulen wie EG und GASP, sondern auch zwischen oder innerhalb einer der unter EG zusammengefassten Gemeinschaften 196. Die ebenfalls in Art. 3 Abs. 1 EUVangesprochene Kontinuität will eine Einheitlichkeit der Unionsmaßnahmen in zeitlicher Hinsicht gewährleisten. Die Unionsziele sollen dauerhaft umgesetzt werden. Personelle und politische Änderungen in den Mitgliedstaaten sollen keinen Einfluß auf die Union und ihre Politiken ausüben 197. Obwohl Kohärenz und Kontinuität als Handlungs- und Rechtsgestaltungprinzipien der EU von den Entscheidungsträgern zu beachten sind, werden sie mangels Justiziabilität durch Art. 46 EUVin ihrer Verbindlichkeit wieder relativiert l98 • 192 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 3. Vgl. hierzu auch Müller-Graf!, EuR, Beiheft 2,1998,67 (78). 193 Vgl. Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 1. 194 Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. C a.F., S. 69, Anm. I. Müller-Graf!, EuR, Beiheft 2, 1998,67 (75) spricht auch von der ,Jnstitutionellen Kohärenz". 195 Siehe Art. 53 EUV. Im englischen Vertragstext ist der Begriff "consistency" verwendet, obwohl "coherence" als Pendant existiert, vgl. Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 8. 196 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 9. 197 Hilf/Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 12.

C. Allgemeine Ziele im Gemeinschaftsrecht

91

b) Kohärenz in den Außenbeziehungen der EU, Art. 3 Abs. 2 EUV Art. 3 EUV fordert in seinem Abs. 2 S. 1 insbesondere die Kohärenz aller im Außenbereich getroffenen Maßnahmen der EU und erwähnt dabei die Außen-, Sicherheits- Wirtschafts- und Entwicklungspolitik J99 • Er betont, daß die Maßnahmen innerhalb der einzelnen Bestandteile der Union, der Säulen und des Dachs, aber auch zwischen diesen abgestimmt sein müssen2OO • Die Verteilung der Kompetenzen und damit der Aufgaben "politische Außenbeziehungen" an die Union und "Wirtschaft" und "Entwicklungshilfe" an die Gemeinschaft soll nicht zu einer aufgesplitteten Verantwortung und zu widersprüchlichen Aktionen der Union und ihrer Mitgliedstaaten führen 20J • Kohärenz bedeutet jedoch nicht Unterordnung. Einzelne Maßnahmen sollen sich ergänzen und nicht widersprechen. Mittels des in Art. 3 Abs. 2 EUV spezifisch formulierten Kohärenzprinzips wird auch von der Gemeinsamen Handelspolitik der EG ein eigenständiger Beitrag zur Erreichung der Ziele der GASP durch handelsfördernde oder handelsbeschränkende Maßnahmen auf der Grundlage des Art. 133 EGV und ein Einfügen in das einheitliche Auftreten der EU nach außen erwartet202 • Um eine einseitige Unterordnung der Handelspolitik der Gemeinschaft unter die GASP zu venneiden, müssen aber auch im Rahmen einer europäischen Außenpolitik die in der Handels-, Agrarpolitik und Entwicklungskooperation der EG durchzusetzenden Ziele und Belange berücksichtigt werden. Art. 3 Abs. 2 EUV regelt insofern einen Spezialfall des Kohärenzprinzips, als es auf die Koordinierung der für Drittstaaten relevanten Bereiche der Gemeinschaftspolitiken einerseits und der intergouvernementalen Zusammenarbeit andererseits abstellt. Nur mittelbar angesprochen, aber logisch vorausgesetzt ist die Harmonisierung einzelner Wirtschaftsbereiche eines einzigen Entscheidungsträgers. Die Kohärenz zwischen GASP auf der einen Seite und Außenhandel, Agrarpolitik und Entwicklungshilfe der EG auf der anderen Seite kann erst angestrebt werden, wenn etwa die Agrarpolitik der EG selbst nicht die Maßnahmen auf dem Gebiet des Außenhandels und der Entwicklungshilfe konterkariert.

198 Ress, JuS 1992, 987; Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 9. Auf diesen Unterschied zu den Zielbestimmungen des EGV weist Müller-Graf!, EuR, Beiheft 2, 1998, 67 (77) ausdrücklich hin. 199 Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. C a.F., S. 73, Anm. 10. 200 Für diese Übereinstimmung der Maßnahmen sind allein der Rat und die Kommission zuständig. Besondere prozessuale Regeln sind nicht vorgesehen, vgl. Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. C a.F., S. 73 f., Anm. 10. 201 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. C a.F., Rz. 13; Simon, in: Constantinesco, EUV, Art. C a.F., S. 73, Anm. 10. Stellungnahme der Kommission vom 28. 2. 1996, Rz. 24, Dok. KOM (96) endg., zit. in Nanz, S. 36 (50). 202 Hilf/ Pache, in: Grabitz, EUV, Art. B a.F., Rz. 10 f.

92

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

D. Ziele der Handelspolitik Jedes Tatigwerden der Gemeinschaft auf dem Gebiet des außengrenzenüberschreitenden Handels muß sich nach dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung auf eine Kompetenz stützen, gleichzeitig aber inhaltlich an den in Art. 131 EGV festgelegten Zielen ausrichten.

I. Ziele des Art. 131 Abs. 1 EGV 1. Wirkung und Bedeutung des Art. 131 Abs. 1 EGV

In Art. 131 Abs. 1 EGV erklären die Mitgliedstaaten ihre Absicht, durch die Schaffung ihrer Zollunion zu einer Liberalisierung des Welthandels beizutragen. Unabhängig von der Bezugnahme auf die Mitgliedstaaten gilt diese Absichtserklärung für die inzwischen ausschließlich zuständigen Gemeinschaftsorgane.

a) Rechtliche Bindung Auch wenn Art. 131 EGV in der politischen Absicht verfasst wurde, Drittstaaten und Handelspartner in ihren Befürchtungen bezüglich der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft zu beruhigen 203 , liegt der Vorschrift eine verbindliche und justiziable Rechtspflicht der Gemeinschaftsorgane zugrunde, die liberale Ausrichtung durch autonome Maßnahmen und Abkommen zu verwirklichen. Seine wirtschaftliche und politische Natur sowie allgemeine Formulierung bieten keine ausreichenden Gründe, den Art. 131 Abs. 1 EGV nur als unverbindliche Leitlinie zu qualifizieren 204. Auch als Absichtserklärung erfüllt die Zielbestimmung des Art. 131 Abs. 1 EGV - ebenso wie andere Ziele des EGV - seine Funktion zur Bestimmung und Eingrenzung des Handlungsrahmens sowie zur Verpflichtung zur Zielverfolgung und bindet insoweit die Gemeinschaftsorgane inhaltlich 205 . Über 203 Sciolla-Lagrange / Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. HO.03, S. 3 - 712.16; Bourgois, in: GTE, EGV, Art. HO a.F., Rz. 2; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. HO a.F., Rz. I; Pescatore, in: Ganshof, No. 2297. 204 So aber vertritt GA ReischI in seiner Stellungnahme in EuGHE 1981, 1095 (1137) Rs. 112 I 80: Firma Anton Dürbeck, die Meinung, daß Art. 131 EGV nur ein Programm vorschreibt, aber kein Gültigkeitsmaßstab für Verordnungen sei. GA Mayras, in: EuGHE 1978, 995 (10 16) Rs. 90 I 77: Stimming KG I Kommission, sieht Art. 131 EGV schwer mit den Zielen des Art. 33 EGV in Einklang zu bringen und lehnt seine Beachtung, da ein politisches Argument, ab. Vedder; in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. I. Dies ist aber keine Frage des Art. 131 EGV als Rechtmäßigkeitsmaßstab, sondern der Abwägung im Falle des Zielkonflikts. Vgl. auch Vedder; in: Grabitz, EWGV, Art. HO a.F., Rz. I. 205 Bleckmann, Europarecht, Rz. 1448, stützt die Verpflichtung zur Einhaltung der Ziele auf die Wiederholung der Ziele aus der Präambel und der Artt. 2 und 3 EGV. Arnold, in: Dauses, K.I, Rz. 22.

D. Ziele der Handelspolitik

93

die rechtliche Unverbindlichkeit erhebt sich Art. 131 EGV auch durch seine SteIlung an der Spitze des Kapitels. Er beinhaltet überdies die in Art. 133 Abs. 1 HS. 1 EGV bezeichneten "einheitlichen Grundsätze" der GHP, die die Gemeinschaftsorgane zur Gestaltung der Gemeinsamen Handelspolitik heranziehen müssen 206 . Selbst der EuGH reduziert Art. 131 EGV nicht auf eine reine Leitlinie der Orientierung und bloße Absichtserklärung, die keine rechtliche Verpflichtung enthält, sondern mißt ihm die Qualität eines Maßstabes im Falle einer gerichtlichen Überprüfung zu 207 . Zur Rechtfertigung einer Beschränkung im Anwendungsbereich einer Ausfuhrerstattung hat der EuGH eine Zielvorstellung des Art. 131 Abs. 1 EGV als zu beachtendes Rechtmäßigkeitskriterium herangezogen 208 und damit die lustiziabilität der Verpflichtung der Kommission aus Art. 131 EGV verdeutlicht. Konsequenterweise kann eine Gemeinschaftshandlung bei Verstoß gegen diese Vorschrift für ungültig erklärt werden.

b) Keine volljustitiabien Tatbestandsmerkmale Sind einerseits die Begriffe "Abbau der Zollschranken" und "Beseitigung der Handelsbeschränkungen" noch klar zu verstehen, eröffnen andererseits die unbestimmten Rechtsbegriffe "harmonische Entwicklung" und "schrittweise" Frei~ räume für die Ausübung politischen Ermessens. Mangels einer ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit stellen die grundsätzlichen Vorgaben aus Art. 131 Abs. 1 EGV keine Tatbestandsmerkmale in dem Sinne dar, daß ein Verstoß gegen ein Element ihrer Definition (im Rahmen der Subsumtion) automatisch, in einer der Rechtssicherheit genügenden Regelmäßigkeit die Ungültigkeit der fraglichen Gemeinschaftsmaßnahme zur Folge hätte 209 • Der normative Charakter dieser Vorgaben wird durch ihre Unbestimmtheit aber nicht in Frage gestellt. Die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten sind dennoch intern gehalten, bei der Ausgestaltung der Handelspolitik diese Grundsätze zu beachten, da Art. 131 EGV i.Y.m. Art. 133 EGV den Organen bindende Direktiven ihres politischen Ermessens vorgibt. Dabei wirkt sich der Grad der Konkretheit oder Konkretisierbarkeit auf den Umfang der Kontrolldichte aus, schließt die richterliche Überprüfung aber nicht völlig aus 210 . /psen, S. 821, Anm. 46/6. EuGHE 1989, 1081 (1102, Rz. 19) Rs. 263/87: Königreich Dänemark I Kommission der EG (Grana-Padano-Käse).; Sciolla-Lagrange/Herzog, in: SmitlHerzog, EEC, Rz. 110.04, S. 3-712.18; Bleckmann, Europarecht, Rz. 1448. 208 EuGHE 1989, 1081 (1102, Rz. 19) Rs. 263/87: Königreich DänemarkIKommission der EG (Grana-Padano-Käse). 209 Vgl./psen, S. 821 f., Anm. 46/6; GA Roemer, in: EuGHE 1973,1091 (1127) Rs. 51 73: Balkan Import-Export I HZA Berlin-Packhof. 210 Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 11 0 a.F., Rz. 1; /psen, S. 821 f., Anm. 46/6; Bleckmann, Europarecht, Rz. 1448; Amold, in: Dauses, Anm. K.I, Rz. 23. Vgl. Bourgois, in: GTE, 206 207

94

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

c) Keine subjektiven Rechte aus Art. 131 EGV

Weitgehend Einigkeit besteht dahingehend, daß Art. 131 EGV keine Grundlage für einen einklagbaren Anspruch im Sinne eines subjektiven Rechts von Drittstaaten oder Unionsbürgern bietet, da er keine Interessen einzelner behandelt, sondern allein das gemeinsame Interesse der Mitgliedstaaten an der Liberalisierung des Welthandels formuliert. Aufgrund der konkretisierungsbedürftigen und allgemein gehaltenen Formulierung fällt es schwer, aus der Vorschrift die Vorgabe einer bestimmten Verhaltensweise für die Gemeinschaftsorgane und den dadurch Begünstigten zu entnehmen 2 \1. Gegenüber Drittstaaten besteht seitens der EG wie bei normalen Nationalstaaten aus dem als Gründungsvertrag für die Mitgliedstaaten verbindlichen EGV keine rechtliche Bindung, da sie nicht Vertragsparteien des EGV sind 212 • Im autonomen Bereich und bei Eingehen völkerrechtlicher Handelsverträge kann die EG ihre GHP frei ohne Rücksicht auf Drittstaaten gestalten, wie es den Gemeinschaftsinteressen am besten entspricht. Sind die EG oder die Mitgliedstaaten mit Drittländern völkerrechtliche Bindungen eingegangen, ist die EG an die Abkommen als integrierendes Gemeinschaftsrecht gebunden 213.

2. Wirtschaftspolitische Vorgaben aus Art. 131 Abs. 1 EGV

In Art. 131 Abs. 1 EGV wird die Gemeinschaft aufgefordert, zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen. Diese wirtschaftspolitischen Ziele sind nicht allein - wie vom Wortlaut nahegelegt - durch die Schaffung einer Zollunion zu verfolgen, sondern ebenso durch die anderen Aspekte des Gemeinsamen Marktes 214 •

EGV, Art. HO a.F., Rz. 8. Ohne nähere Begründung die Stellungnahme der Kommission in: EuGHE 1979, 2871 (2884) Gutachten 1178: Naturkautschuk. So ist auch GA Roemer, in: EuGHE 1973, 1091 (H27) Rs. 5173: Balkan Import-Export/HZA Berlin-Packhof zu verstehen, der die Vorschrift für unpräzise hält, und damit ein weites Ennessen der Gemeinschaftsorgane begründet. Er hält einen Verstoß gegen Art. 131 EGV wegen der konkurrierenden Ziele des Art. 33 EGV kaum für möglich. Dennoch scheint er von einer gewissen Verbindlichkeit und lustiziablität des Art. 131 Abs. I EGVauszugehen. 211 Pescatore, in: Ganshof, No. 2298; Bourgois, in: GTE, EGV, Art. 110 a.F., Rz. 8. 212 Bourgois, in: GTE, EGV, Art. HO a.F., Rz. 8; Everling, in: WEGS, EWGV, Art. HO a.F., Rz. 1; Sciolla-Lagrange/Herzog, in: Smit/Herzog, EEC, Rz. HO.04, S. 3-712.17. 213 Siehe Artt. 133 Abs. 1,282 und 300 EGV; Sciolla-Lagrange/Herzog, in: Smit/Herzog, EEC, Rz. HO.04, S. 3-712.17. 214 Sciolla-Lagrange/Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. 110.03, S. 3 -712.16 f.

D. Ziele der Handelspolitik

95

a) Hannonische Entwicklung des Welthandels In einer Negativdefinition ist hierunter zu verstehen, daß starke Schwankungen in Angebot, Nachfrage und Preisen, die zur wirtschaftlichen Vernichtung von Handeisteilnehmern führen, sowie auch aggressive Handelspraktiken wie Handelskriege verhindert werden sollen. Konkret hat der EuGH bisher entschieden, daß das Ziel der harmonischen Entwicklung des Welthandels gefährdet sein könnte, wenn eine Exporterstattung nicht nur bewirkt, daß der Unterschied zwischen dem Gemeinschaftspreis und dem Weltmarktpreis ausgeglichen wird, sondern auch, daß ein bestimmter Anteil dieses Produktes unter dem Weltmarktpreis verkauft wird, so daß berechtigte negative Reaktionen von Handelspartnern der Gemeinschaft zu erwarten sind215 • Die Verlagerung von Handelsströmen im Welthandel als Nebenfolge von Gemeinschaftshandeln ist von Art. 131 Abs. 1 EGV nicht absolut verboten, soweit sie durch die Verwirklichung anderer Gemeinschaftsziele gerechtfertigt oder sogar geboten ist216 •

b) Beseitigung der Beschränkungen des internationalen Handels und Abbau der Zollschranken In diesem Teilziel wird die besondere Beziehung des Art. 131 EGV zum GATT deutlich, der mit seiner Terminologie auf den Art. XXIV Abs. 5 GATT verweist217 • Die EG ist angehalten, an den multilateralen Verhandlungsrunden teilzunehmen und auf die Beseitigung der Barrieren im internationalen Handel durch bi- und multilaterale, völkerrechtlich bindende Vereinbarungen hinzu wirken. Die EG kommt dieser Verpflichtung durch die Unterzeichnung der GATT-Verhandlungsergebnisse, zuletzt im Rahmen der Uruguay-Runde, die Schaffung weiterer Freihandelszonen und die Gewährung von Handelspräferenzen durch zahlreiche bilaterale Abkommen fortwährend nach, bleibt aber wegen der fortbestehenden Protektion zu einer weiteren Liberalisierung verpflichtet218 •

215 EuGHE 1989,1081 (1102, Rz. 19) Rs. 263/87: Königreich Dänemark/Kommission der EG (Grana-Padano-Käse); vgl. auch EuGHE 1982,2319 (2339, Rz. 14) Rs. 3/81: Wünsche/BALM. 216 Vgl. EuGHE 1982,2745 (S. 2757, Rz. 23 f.) Rs. 245/81: Edeka. 217 Vedder. in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. I. 218 Vedder. in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. 5; Scharrer. Intereconomics 1987, 9 ff. zur Bedeutung des Art. 131 Abs. I EGV bei der Einführung des europäischen Binnenmarktes.

96

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

c) Im gemeinsamen Interesse

Einerseits besteht das gemeinsame Interesse darin, daß ein wirklich gemeinsamer Markt nur erreicht werden kann, wenn die Zollunion nach außen einheitlich geregelt ist und im Welthandel als eine einzige Handelsrnacht auftritt. Der andere Aspekt des gemeinsamen Interesses ist darin zu sehen, daß der Gemeinsame Markt eingerichtet wurde, um die internen Interessen der in der EG verbundenen Mitgliedstaaten zu schützen. Die entstehende Marktrnacht soll aktiv nach außen zur Geltung gebracht werden219 , um interne Interessen der EG gegenüber anderen Weltmarktbeteiligten durchzusetzen. Unter die "gemeinsamen Interessen" des Art. 131 Abs. 1 EGV fällt aber auch, daß die EG selber von einer Liberalisierung des Welthandels profitiert. Der liberalen Grundausrichtung der Verträge stehen daher in der Formulierung "im gemeinsamen Interesse" nicht rein protektionistische Tendenzen gegenübe?20.

d) Reziprozität

Dem Art. 131 Abs. 1 EGV ist kein Grundsatz der Reziprozität zu entnehmen, der im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik fordert, daß die EG als grundlegendes juristisches Prinzip der GHP dieselbe souveräne Gestaltungsfreiheit genießt wie ihre Handelspartner. Mit diesem Argument würde dem Art. 131 EGV seine liberale Grundausrichtung sowie der Verpflichtungscharakter abgesprochen221 . Die damit verbundene Preisgabe der rechtlichen Bindungswirkung, zu dem Zweck, sich international alle Verhandlungspositionen offen zu halten, widerspricht dem Rechtstaatsprinzip. Die Gemeinschaftsorgane sind in der Gestaltung ihrer Außenhandelspolitik durch den EGV rechtlich determiniert. Das Weltfreihandelsprinzip kann zwar in einzelnen Regelungen eingeschränkt werden. Jedoch muß jede Einschränkung aus konkreten Gründen durch die angestrebte Verwirklichung eines anderen Gemeinschaftsziels gerechtfertigt werden.

e) Inhaltliche Wertung

Ebenso wie die Präambel und Art. 27 lit. a EGV beinhaltet Art. 131 Abs. 1 EGV ein klares und eindeutiges Bekenntnis der EG zum Prinzip des Weltfreihandels. Die Gründungsparteien erklären darin ihren festen Glauben an die auch der EG entstehenden Vorteile aus einer Liberalisierung des internationalen Handels und der Beseitigung der Zoll- und anderer Handelsschranken 222 •

219 220

221

Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. 2. Vgl. hierzu Pescatore, in: Ganshof, Nr. 2298. Pescatore. in: Ganshof, No. 2298.

D. Ziele der Handelspolitik

97

Die freiheitliche Marktwirtschaft ist Ausgangspunkt der gemeinschaftlichen Handelspolitik, jedoch ist daraus keine "orthodoxe Freihandelspolitik" zu folgern. Angedeutet durch das "gemeinsame Interesse" bleiben zentrale Kriterien jeder Gemeinschaftsaktivität die wirtschaftlichen und sozialen Integrationsziele, die die EG innergemeinschaftlich wahrnehmen und nach außen verteidigen muß. Zusätzlich wird das stark herausgestellte Freihandelsprinzip durch den Zusammenhang mit den anderen Gemeinschaftspolitiken wieder eingeschränkt223 •

11. Art. 131 Abs. 2 EGV Wie Abs. I muß Art. 131 Abs. 2 EGV die Gemeinschaftsorgane bei Regelungen, die den Außenhandel der EG betreffen, angemessen berücksichtigt werden und ist nicht auf einen lediglich programmatischen Charakter ohne Rechtswirkung beschränkt224 .

1. Inhalt

Art. 131 Abs. 2 EGV geht von einer Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit der Privatunternehmen in der EG durch die Einführung des Gemeinsamen Marktes aus, berücksichtigt dabei jedoch nicht allein die günstigen Auswirkungen der Abschaffung der Binnenzölle, sondern alle Wettbewerbsvorteile aus allen Bestandteilen der Wirtschaftsgemeinschaft225 . Wesentliche Impulse für den beabsichtigten wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erwartet man von der Öffnung der nationalen Märkte durch die Beseitigung der Binnenhandelsschranken, ihrer gegenseitigen Durchdringung und der Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse innerhalb der EG für Waren und Produktionsfaktoren sowie von der Sicherung des Wettbewerbs als Koordinationsinstrument für den Wirtschaftsablauf und damit von der Schaffung eines erweiterten Wirtschaftsraumes 226 • Eine Verbesserung der lebens- und Arbeitsbedingungen erhofft man auch von der eine Abstimmung der Sozialordnungen begünstigenden Wirkung des Gemeinsamen Marktes und der Angleichung ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften 227 . 222 Bourgois, in: GTE, EGV, Art. 1I 0 a.F., Rz. 2; Sciolla-Lagrange / Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. 1I0.03, S. 3-712.16. und Rz. 1I0.05, S. 3-712.19; Pescatore, in: Ganshof, Nr. 2297; Ipsen, S. 817, Anm. 46/3; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 1I0 a.F., Rz. 1. 223 Kapteyn/Ver/oren van Themaat, S. 795; Pescatore, in: Ganshof, Nr. 2298; Eise/stein, S. 81; Steenbergen, 17 CMLRev. 1980,229 (240 f.). 224 Sciolla-Lagrange/Herzog, in: Smit/Herzog, EEC, Rz. 1I0.4; S. 3-712.18; a.A. Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. 5; BBPS, 16.4.1.3. 225 Sciolla-Lagrange/Herzog, in: Smit/Herzog, EEC, Rz. 110.03, S. 3-712.16 f.; Bourgois, in: GTE, EGV, Art. 110 a.F., Rz. 6. 226 Pernice, S. 67. 227 Vgl. Art. 136 EGY.

7 Trumm

98

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

Hinsichtlich des Prinzips des Weltfreihandels besagt Art. 131 Abs. 2 EGV, daß die von Art. 131 Abs. 2 EGV anvisierte Fähigkeit, qualitativ und preislich neben den Konkurrenten auf den Weltmärkten zu bestehen, auf unternehmerischen Leistungen und nicht auf der Stützung durch Subventionen oder staatliche Ein- und Ausfuhrmonopole gründet. Der erwartete Wettbewerbs vorteil beruht auf einer günstigeren Gestaltung des volkswirtschaftlichen Umfeldes, das im Binnenmarkt auf dem Prinzip der offenen Marktwirtschaft mit Wettbewerbsfreiheit aufbaut. Die gesteigerte Wettbewerbsfahigkeit soll der als Handelspartner gestärkten Gemeinschaft ermöglichen, die für den Schutz der Binnenproduktion nicht mehr notwendigen Außenbarrieren abzubauen 228 . Abs. 2 EGV verbietet den Organen, Ein- und Ausfuhrmonopole zu begründen, schließt handelspolitische Lenkungsmaßnahmen aber nicht völlig aus229 •

2. Verhältnis zu Abs. 1

Das Verhältnis des Abs. 2 zu Abs. 1 des Art. 131 EGV ist nicht eindeutig formuliert. Zum Teil wird in Abs. 2 eine Bekräftigung des Abs. 1 dahingehend gesehen, daß insbesondere dann zu den Zielen des Abs. 1 beizutragen ist, wenn eine wie in Abs. 2 beschriebene positive Entwicklung eintritt23o • Dahinter steht der Gedanke, daß, um die Auswirkungen der Gründung der Zollunion auszugleichen, die durch den Gemeinsamen Markt erwartete Steigerung der Wettbewerbsfahigkeit der Unternehmen über die Ausweitung wirtschaftlicher Tatigkeit· und Nachfragesteigerung hinaus zur Verringerung der Außenhandels schranken führt231 . Andere sehen hierin sogar eine einseitige Vorleistungspflicht der EG zur Wahrung der Interessen der Drittländer, sobald die Steigerung der WeUbewerbsfahigkeit dies zuläßt232 • Vertreten wird auch, Art. 131 Abs. 2 EGV als eine Einschränkung des Abs. 1 aufzufassen. Wie bei einer Bedingung soll die EG nur bei Eintreten der Wirkung i. S. d. Abs. 2 zu den Zielen des Abs. 1 beitragen. Der Wortlaut des Art. 131 Abs. 2 EGV spricht hingegen dafür, in Abs. 2 nur eine weitere Erwägung zu sehen, die in die Ermessensabwägung und innerhalb dieser in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubringen ist 233 • Aus der Verwendung des Wortes "berücksichtigen" läßt sich keine wirtschaftspolitische Wertung, insbesondere weder eine Vorleistungs pflicht zur Durchsetzung des Weltfreihandels noch eine zusätzliche Bedingung durch feststellbare Wettbewerbsvorteile entnehmen.

228 229 230

231 232 233

Vedder. in: Grabitz, EWGV, Art. 110 a.F., Rz. 5. Bleckmann, Europarecht, Rz. 1449. BBPS. S. 526; Vedder, in: Grabitz, EWGV, Art. liD a.F., Rz. 5. Ipsen. S. 817, Anm. 46/3. Vorgeschlagen und gleich abgelehnt von Bourgois. in: GTE, EGV, Art. liD a.F.. Rz. 6. Bourgois. in: GTE, EGV, Art. 110 a.F., Rz. 6.

D. Ziele der Handelspolitik

99

Zwar stellt auch das Einstellen eines zusätzlichen Abwägungkriteriums eine weitere Einschränkung des Weltfreihandelsprinzips dar, ist aber weit weniger einschneidend als eine Bedingung. Art. 131 Abs. 2 EGV erlaubt daher auch, daß die zuständigen Organe - im Umkehrschluß zu Art. 13 lAbs. 2 EGV - bei der Abwägung der hierzu wesentlichen Elemente auch die jeweils gegebene Steigerung der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit im Gemeinsamen Markt berücksichtigen dürfen. Es ist ihnen somit nicht verwehrt, trotz grundsätzlicher Öffnung der Gemeinschaft nach außen gleichwohl das Eigeninteresse der Binnenwirtschaftsteilnehmer in die Entscheidung einfließen zu lassen, und diesem im Einzelfall Priorität zu gewähren234 .

IH. Zielsetzungen der ZoUpolitik 1. Inhalt des Art. 27 EGV

Art. 27 EGV enthält einen Katalog verschiedener Ziele, die teils zueinander im Widerspruch stehen und nicht immer gleichzeitig verfolgt werden können235 . In lit. a des Art. 27 EGV ist in der Förderung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten die Ablehnung jeden Autarkie- und Abschottungsgedankens zu sehen 236 . Als Bekenntnis zum Weltfreihandel 237 ist er als Hinweis auf die Anforderung aus Art. XXIV GATI zu werten, daß eine Einrichtung einer Zollunion sich nicht negativ auf den Welthandel auswirken soll.

Lit.b spielt ähnlich wie Art. 131 Abs. 2 EGV auf die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EG an, die zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen führen soll. Wieder wird keine aktive Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EG gefordert, die mit dem Instrument Zollpolitik die Konkurrenzfähigkeit zugunsten der europäischen Anbieter über das den Wirtschaftskräften gebührende Maß hinaus verschiebt. Indem er nur die Beachtung der "Entwicklung,,238 als Gesichtspunkt bei der Regelung des GZT, nicht jedoch die Abwehr unerwünschter Einfuhren einfordert, verpflichtet lit.b allein zur Berücksichtigung einer Steigerung der Wettbewerbs fähigkeit aufgrund der Wirtschaftsintegration. Art. 27 lit. b EGV bietet daher keine Grundlage für "Schutzzölle" etwa für "infant industries", die noch nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind und noch eines Außenschutzes bedürfen 239 . Ipsen, S. 822, Anm. 46/6. Lux, in: GTE, EGV, Art. 29 a.F., Rz. 6 f.; Voß, in: Grabitz, EGV, Art. 29 a.F., Rz. 2; EuGHE 1963,286 (318) Rs. 34/62: Apfelsinen. 236 Lux, in: GTE, EGV, Art. 29 a.F., Rz. 2. 237 Colliard/ Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. 29.03, S. 2 -118. 238 Wie die englische und französische Vertragsfassung "developments in" und "I'evolution" erkennen lässt, ist unter ,.Entwicklung" der Aspekt einer zu beobachtenden "Veränderung" und nicht eines aktiven staatlichen "Aufbaus" zu verstehen. 234

23S

7'

100

2. Kap.: Die Gemeinsame Handelspolitik in der EG

Der Wortlaut des lit.b läßt nicht eindeutig auf die Bedeutung des Nebensatzes schließen. Anders als in Art. 131 Abs. 2 EGV wird in lit. b zwar deutlich die Bedingung gestellt, daß eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen nur zu berücksichtigen ist, wenn die Integration zu einer tatsächlichen Steigerung der Konkurrenzfähigkeit der Gemeinschaftsunternehmen führt. Jedoch ist daraus nicht zu schließen, daß bei der Gestaltung des GZT die Entwicklung der Wettbewerbsbedingungen nur in dem Maße der tatsächlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beachtet werden soll. Das "soweit" führt vielmehr dazu, daß nur eine Verbesserung, nicht aber eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden soll. Dagegen ist die Aussage des lit.c hinsichtlich des Weltfreihandels als zweischneidig einzustufen. Die Berücksichtigung des Versorgungsbedarfs der EG mit Rohstoffen und Halbfertigwaren kann für günstige Importbedingungen im Fall eines Importbedarfs seitens der EG sprechen. Im Falle eines Versorgungsengpasses auf dem Weltmarkt kann mit Hilfe dieses Aspektes aber auch der Abfluß der Binnenproduktion durch Exportzölle verhindert werden. Für den weit häufiger auftretenden Fall des Importbedarfs der EG besagt lit.c daher, daß im Interesse der Verbraucher, v.a. der weiterverarbeitenden Industrie, mittels niedriger Importpreise die Importzölle möglichst gering gehalten werden müssen 240. Lit.d dagegen erwähnt mit Binnenerzeugung und -verbrauch allein Aspekte des Binnenmarktes. Mit dem Hinweis auf eine rationelle Entwicklung der Erzeugung verdeutlicht der EGV, daß die Ausweitung der Produktion zwar erwünscht ist, sich aber marktgerecht dem Gemeinschaftsbedarf annähern soll. Der GZT soll als Produktionsanreiz daher nicht zu Überschüssen führen, die nur noch auf dem Weltmarkt absetzbar sind. Die angesprochene Ausweitung des Verbrauchs fordert zwar mittelbar niedrige Verbraucherpreise, doch fällt ein Bezug zum Außenhandel weg, da die Ausweitung des Verbrauchs auf günstige Gemeinschaftsprodukte beschränkt und von den durch Importzölle verteuerten Importgütern abgehalten werden kann.

2. Bindungswirkung des Art. 27 EGV

Damit Art. 27 EGV nach der Übergangszeit nicht jede Bedeutung verliert, erstreckt sich die Bindung durch die darin niedergelegten Grundsätze entgegen dem Wortlaut mittels einer teleologischen und systematischen Auslegung nicht nur auf die bloß vorschlagsberechtigte Kommission, sondern auch auf den rechtsetzungsbefugten Rat241 .

So aber vertreten von Colliard/He17.og, in: Smit/Herzog, EEC, Rz. 29.03, S. 2- I18. Colliard/ Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. 29.03, S. 2 - I 18. 241 Colliard/ Herzog, in: Smitl Herzog, EEC, Rz. 29.03, S. 2 - II 8; Voß, in: Grabitz, EGV, Art. 29 a.F., Rz. I; Lux, in: GTE, EGV, Art. 29 a.F., Rz. 10. 239

240

D. Ziele der Handelspolitik

101

Die Zielvorgaben des Art. 27 EGV sind von den Gemeinschaftsorganen bei der Festlegung des GZT zu beachten. Gerichtlich überprüfbar ist, ob die Einführung des GZT im Hinblick auf die Ziele der Gemeinschaft nach Art. 2 EGV und unter Berücksichtigung der Leitlinien des Art. 27 EGVerfolgt ist 242 • Subjektive Rechte einzelner, etwa von Importeuren oder sonstiger vom Import abhängiger Gemeinschaftsuntemehmen, sind in Art. 27 EGV mangels konkreter Verhaltensanweisungen oder eines bestimmten begünstigten Personenkreises nicht zu erkennen.

242 EuGHE 1990, 1-4477 (4495, Rz. 13) Rs. C-343/89: Witzemann; EuGHE 1963, 141 (154) Rs. 24/62: Branntwein.

3. Kapitel

Gemeinsame Agrarpolitik Als Rechtfertigung für protektionistische Regelungen des Agraraußenhandelsregimes der EG wird regelmäßig der Schutz der Landwirtschaft innerhalb des Binnenmarktes herangezogen. Art. 33 EGV verlange eine interne Stützung der Landwirtschaft in der EG, die nur durch eine Abschirmung von den Konkurrenten, aber auch von den Konjunkturschwankungen auf dem Weltmarkt wirkungsvoll funktionieren könne. Die Vorgaben aus dem EGV, die Kompetenzen und die Ziele der Agrarpolitik, sind daher auf ihre Aussage hinsichtlich Art und Umfang einer Stützung der europäischen Landwirtschaft zu untersuchen.

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik I. Anwendungsbereich Die Ausnahmeregelungen des Kapitels über die Landwirtschaft knüpfen an den Begriff der Agrargüter an 1. Die Legaldefinition der Agrargüter in Art. 32 Abs. 1 S. 2 versteht unter "landwirtschaftlichen Erzeugnissen" alle Erzeugnisse des Bodens, der Viehzucht und der Fischerei sowie der mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe. Diese Definition stimmt jedoch nicht vollständig mit der im Anhang 11 beigefügten Liste 2 überein, auf die Abs. 3 verweist 3 . Aufgelöst wird diese Unstimmigkeit in der Praxis dadurch, daß die Aufnahme in die Liste des Anhangs 11 als entscheidend angesehen und Art. 32 Abs. 1 S. 2 EGV auf eine Grundaussage reduziert wird4 • Um ein geBarents, S. 26. Diese Liste kann nun nach Ablauf der Ausschlußfrist nicht mehr erweitert werden; vgl. Barents, S. 28; Ehlermann, KSE 10, S. 57 (65); GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 8 f.: Das Problem wird gelöst, indem die Überschriften der Listen weit ausgelegt oder für nicht miteinbezogene Erzeugnisse marktordnungsähnliche Regelungen aufgrund Art. 308 EGVerlassen werden. J Barents, S. 27; GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 6. 4 GilsdorfI Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 7. Diese Liste erfasst nicht ausschließlich Grunderzeugnisse oder Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe, vgl. Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., RzO.4 f.; Usher, S. 3 ff.; EuGHE 1984, 1257 (1266, Rz. 12) Rs. 77 183: CILFIT. I

2

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik

103

schlossenes System der Marktordnungen zu erreichen, werden verarbeitete Agrarprodukte auf der Grundlage von Art. 308 EGV miteinbezogen 5 • Landwirtschaftliche Tätigkeiten werden von der Agrarproduktion bis zum Handel und dem Verbrauch landwirtschaftlicher Produkte von der Regelungskompetenz der GAP erfasst 6 . Der territoriale Anwendungsbereich ergibt sich grundsätzlich auch rur die GAP aus Art. 299 EGV7 • Die für zahlreiche überseeische Gebiete vorgesehenen Sonderregelungen wurden zum Großteil aufgehoben und die allgemeinen Regeln sind inzwischen anwendbar8 .

11. QualifIZierung der Gemeinschaftskompetenz auf dem Gebiet der Agrarpolitik 1. Keine ausschließliche Kompetenz

Trotz der Weite des Aufgabenfeldes besteht auf dem Gebiet des Agrarrechts keine ausschließliche Kompetenzzuweisung. Die konkurrierende Kompetenz der EG ermöglicht die gemeinschaftliche Regelung aller Fragen, die agrarpolitisch von Bedeutung sind9 . Von dieser Rechtsetzungsbefugnis hat die EG indes in so umfassendem Maß Gebrauch gemacht hat, daß angesichts der Regelungsintensität dem nationalen Recht keine eigenständig steuernde Funktion mehr zukommt und von der GAP als der einzigen wirklich gemeinsamen Politik der Gemeinschaft gesprochen wird lO • Die an sich noch neben der EG zuständigen Mitgliedstaaten werS Vgl. hierzu ausführlich Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz.6; Nicolaysen, Europarecht 11, S. 404. Barems, S. 29 f. Dies gilt z. B. fur den Zuckerersatz Glucose. 6 Gilsdorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 3. Barents, S. 36 und 46: Dies ergibt sich aus Art. 34 Abs. 1 EGV, Art. 32 Abs. 1 S. 1 EGV, aber auch aus der Aufzählung der Ziele in Art. 33 Abs. 1 EGV, insbesondere aus der Sorge um eine Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen nach lit. e. 7 Die britische Hoheitszone auf Zypern, Gibraltar und die Faröer sind vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Für die Kanalinseln und die Insel Man gelten Sonderregeln nach Art. 299 Abs. 4 und 5 EGV; vgl. GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 30; Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 6, v.a. Fn. 11. 8 Für die überseeischen Gebiete Frankreichs gilt die GAP seit Ablauf der in Art. 299 Abs. 2 S. 2 EGV vorgesehenen Frist, vgl. EuGHE 1978, 1787 (1805, Rz. 11) Rs. 148177: Hansen jun. & O.C.Balle I HZA Flensburg. Die Kanarischen Inseln sind mit Wirkung vom 1. 7. 1992 einbezogen worden, VO Nr. 1911/91, ABI. 1991 L 171/1, VO Nr. 284/92, ABI. 1992 L 31/6; Barents, S. 31. In den überseeischen Gebieten Portugals (Madeira, Azoren) ist die GAP seit Aufnahme Portugals in die EG anwendbar; GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 29. 9 Dies ergibt sich u. a. aus der Tatsache, daß die Landwirtschaftspolitik nicht als auschließliehe Zuständigkeit in der von Rat und Kommission beim Edinburgher Europäischen Rat abgegebenen Erklärung zum Subsidiaritätsprinzip aufgeführt ist, vgl. GilsdorflBooß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 36 f.

104

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

den aus ihren Befugnissen verdrängt, soweit die EG-Organe von der Gemeinschaftskompetenz Gebrauch machen. Insbesondere bei Bestehen einer Gemeinsamen Marktordnung müssen sich die Mitgliedstaaten aller einseitigen Maßnahmen enthalten, auch wenn sie geeignet sind, die gemeinsame Agrarpolitik zu unterstützen, da es allein Sache der Gemeinschaft ist, eine Lösung für mögliche Marktprobleme zu finden 11. Die Exklusivität der Gemeinschaftskompetenz auf dem Gebiet der Agrarpolitik ergibt sich daher nicht bereits aus dem EGV selbst, sondern erst als Folge der Entwicklung des Gemeinsamen Instrumentariums l2 . Soweit die Harmonisierung noch nicht abgeschlossen ist, verbleibt den Mitgliedstaaten die Kompetenz zum Erlaß sanitärer, veterinärer und phyto-sanitärer Maßnahmen sowie zum Großteil die Strukturpolitik l3 • Auch vollziehen die Mitgliedstaaten das Agrarrecht im konkreten Einzeifall l4 und genießen hierbei trotz Berücksichtigung des vorrangigen Gemeinschaftsrechts 15 einen nicht unwesentlichen Spielraum - wie etwa bei der Aufteilung der Quoten im Zuckerbereich oder der Aufteilung von Einfuhrquoten. Mangels Prüfungs- und Aufsichtsrechten wahrt die Kommission l6 ein Mindestmaß an Chancengleichheit und Einheitlichkeit der Weubewerbsbedingungen, indem sie auf der Basis der grundlegenden Verordnungen des Rates detaillierte Durchführungsbestimmungen erläßt 17. Entstehen dennoch Abgrenzungsprobleme bei der Überschneidung der gemeinschaftlichen Agrarpolitik mit Regelungsbereichen, die in ausschließlicher oder zumindest konkurrierender Kompetenz der Mitgliedstaaten stehen, wird die Regelungsbefugnis 10 Ehlermann, Beilage II/1989 in AgrarR 3/1989, S. 3 (4); GilsdorflBooß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 37; GrabitzlBogdandylNettesheim, S. 3; vgl. auch Barents, S. 58. II Barents, S. 57 f., 85; Gilsdorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 55; EuGHE 1988,4285 (4307, Rz. 26) Rs. 90/86: Zoni; EuGHE 1989,229 (256, Rz. 22 sowie 3. Leitsatz) Rs.274/84, Kommission 1Bundesrepublik Deutschland (Reinheitsgebot für Wurst). 12 Vgl. hierzu Gilsdorf, Grenzen, S. 9; GilsdorflBooß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 37 und 39. 13 Barents, S. 18 und S. 58. 14 Wie z. B. durch Verwaltungs- und Vollstreckungsverfahren, Überwachungs- Kontrollkompetenzen, Sanktionen, vgl. Snyder, CAP, S. 60 ff.; Gildsorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 40 a.F., Rz. 66; GilsdorfI Booß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 41 f. 15 EuGHE 1972, 307 (319, Rz. ll) Rs. 94171: Schlüter & Maack/HZA Hamburg; EuGHE 1983,2633 (2665, Rz. 17) Rs. 205-215/82: Deutsche MiIchkontor/BR Deutschland; Boest, S. 291 ff.; Bleckmann, Europarecht, Rz. 2301 ff. 16 Die Kommission hat mangels Rechts- oder Fachaufsicht keine Möglichkeit, durch unmittelbare Weisungen auf den Vollzug in den Mitgliedstaaten einzuwirken. Auch ist das VerstoBverfahren nach Art. 226 EGV zu schwerfällig, um einen gemeinschaftskonformen und raschen Vollzug zu erzwingen. Vgl. GilsdorflBooß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 41. 17 Eiden, DVBI. 1988, 1087 (1093); Tiedemann, EuR 1980,219 (225 ff., 229 ff.); Gildsorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 40 a.F., Rz. 66; Gilsdorfl Booß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 41; vgl. auch Gilsdorf, in Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 25,45, der eine faktische Weisungsgewalt der Kommission durch ständige Kontakte zwischen Kommission und staatlichen Vollzugsbehörden und der Tatsache, daß Mitgliedstaaten die finanziellen Konsequenzen einer Falschanwendung selber zu tragen haben, entstehen sieht.

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik

105

der Mitgliedstaaten aufgrund Art. 10 EGV insoweit eingeschränkt, als die nationalen Normen auch die Ziele des Art. 33 EGV beachten müssen und nicht in Widerspruch zu den gemeinschaftlichen Regelungen treten oder deren Wirksamkeit beeinträchtigen dürfen 18.

2. Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips

Da die GAP im Ansatzpunkt keine ausschließliche Kompetenz der EG ist, findet das Subsidiaritätsprinzip in diesem Bereich an sich Beachtung. Die Gemeinsame Organisation der Agrarmärkte ist jedoch in ihrem Kembereich der Markt- und Einkommensstützung mit der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes und des freien Warenverkehrs untrennbar verknüpft. Dieser Bereich gehört zu den ausschließlichen Kompetenzen der Gemeinschaft und wird nicht der Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 EGV unterworfen l9 . Insbesondere die einmal gewählte Organisationsform "Gemeinsame Marktordnung" nach Art. 34 Abs. 2 lit. c EGV darf - auch in der Detailregelung - nicht mehr der Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 EGV unterzogen werden. Die ansonsten zu befürchtende Zersplitterung und Richtungswechsel in der Politik sollte unterbunden werden 20 .

IH. Einzelne Kompetenzen 1. Art. 37 EGV

a) Reichweite der Kompetenz In der zentralen Verfahrensvorschrift des Art. 37 Abs. 2 EGV ist eine weitgefaßte Ermächtigung enthalten 21 • Art. 37 EGV ist die richtige Kompetenz für die explizit vorgesehene Ablösung der einzel staatlichen Marktordnungen durch eine der in Art. 34 Abs. 2 EGV vorgesehenen gemeinsamen Organisationsformen und die Durchführung der in diesem Titel bezeichneten Maßnahmen. Außerdem werden alle Rechtsakte bezüglich Produktion und Vermarktung der im Anhang 11 des EGV aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die zur Verwirklichung eines oder mehrerer der in Art. 33 EGV genannten Ziele der Agrarpolitik beitragen, auf Art. 37 EGV gestützt22 • Gilsdoif/ Booß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 40; Barents, S. 18, 62. Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 26; Gilsdorf, in: GS Grabitz, S. 77 (91). 20 Gilsdorf, in: GS Grabitz, S. 77 (93 ff.). 21 Ehlermann, KSE 10, S. 57 (59); EuGHE 1981, 3211 (3251, Rz. 37) verb. Rs. 197 bis 200,243,245,247: Ludwigshafener Walzmühle, EuGHE 1990,1-2515 (2533, Rz. 11) Rs. e8/89: Zardi. 22 Daß es sich bei der um eine nicht abschließenden Aufzählung handelt, ist aus den Worten "unter anderem" in Art. 43 a.F. Abs. 2 UAbs. 1 EGV zu folgern; vgl. Eiden, DVBI. 1988, 18

19

106

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

Selbst wenn Art. 37 EGV sich nicht allein auf Ziele der Agrarpolitik, sondern auch auf andere Ziele bezieht, ist er als Kompetenzgrundlage heranzuziehen 23 • Soweit für die Verwirklichung der Ziele der GAP erforderlich, können daher Vorschriften über die Strukturpolitik24 , Rechtsangleichung 25 , die Produktionsbedingungen, Qualität und Vermarktung, den Verbraucher- und Gesundheitsschutz und die agromonetäre Regelung 26 auf der Basis von Art. 37 EGVerlassen werden 27 • Art. 37 EGV verdrängt wegen seiner Spezialität auch die Kompetenzen aus der Konjunkturpolitik, der allgemeinen Wirtschaftspolitik und greift sogar bei einzelnen steuerrechtlichen Fragen, die in engem Zusammenhang mit den Preis- und Beihilfemaßnahmen stehen, wie z. B. für Abgaben als Interventionsmechanismen 28 • Dagegen 1087 (1090); GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 4. A.A. Götz, AgrarR 1971, 33, (35), der für eine starke Eingrenzung der EG-Kompetenzen plädiert. Götz sieht in Art. 37 EGV aufgrund der Systematik im Titel 11 eine bloße Regelung des Verfahrens und der Kompetenzverteilung unter den Organen der EU. Als Kompetenznormen zum Tatigwerden der EG akzeptiert er nur die Artt. 34 - 36 EGY. 23 EuGHE 1994,1-4973 (5059, Rz. 54) Rs. C-280/93: Deutschland/Rat (Bananen); Gilsdorf / Booß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 1. Art. 308 EGV kann daher nur greifen, wenn die Grenzen der GAP eindeutig überschritten werden und keine andere Rechtsgrundlage in Frage kommt. Art. 308 EGV ist dann neben Art. 37 heranzuziehen, wenn das weitere verfolgte Ziel gleichrangig neben die landwirtschaftliche Zielsetzung tritt und nicht nur Instrumente der Agrarpolitik eingesetzt werden; GilsdorfI Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., RZ.27. 24 In der Strukturpolitik sollen durch gezielte Maßnahmen die landwirtschaftliche Produktion und der Absatz der Erzeugnisse längerfristig beeinflußt und allgemein die Entwicklung des ländlichen Raumes gefördert werden. Hierzu dienen z. B. die Strukturfonds EAFGL, EFRE und der Europäische Sozialfonds; ausführlich hierzu GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 39 a.F., Rz. 43 a.F. ff.; Bleckmann, Europarecht, Rz. 2269 f.; Gay, in: Stuhler, S. 89 (91 f., 95 ff.). 25 Rechtsangleichung beinhaltet z. B. die Regelung gemeinschaftliche Produktkategorien und Qualitäts- und Vermarktungsnormen im Rahmen einzelner Marktorganisationen. Verfolgen Rechtsangleichungsmaßnahmen auch andere als agrarpolitische Ziele, verdrängt Art. 37 EGV mangels einer besonderen Kollisionsregelung in seinem Anwendungsbereich die Artt. 94 f. EGV vollständig. Ausführlich: BardenhewerlPipkom, in: GTE, EGV, Art. 100 a a.F., Rz. 48; Gilsdorfl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 18; diess., in: Grabitz, EGV, Art. 40 a.F., Rz. 58 g, h; Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 17; Nettesheim, EuR 1993,243 (249); Ehlermann, Beilage 11/1989 in AgrarR 3/1989, S. 3 (4); Bleckmann, Europarecht, Rz. 2224-2226; EuGHE 1988, 855 (896, RzO.l5 f.) Rs. 68/86: Großbritannien/Rat (Hormone); EuGHE 1988,905 (930, Rz. 20 f.) Rs. 131/86: Großbritannien/Rat. 26 Regelung in va 2799/98, ABI. 1998 L 241, S. 1. Ausführlich hierzu Eiden, DVBI. 1988, 1090. Inzwischen wird in Euro abgerechnet; Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 20, siehe auch Anhang B nach Art. 47 a.F.; vgl. auch Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 4; Art. 38 a.F., Rz. 15. Zur agromonetären Regelung ausführlich und sehr kritisch: Schmidt, E., Agrarwirtschaft 45 (1996), 257 -259. Die agromonetäre Regelung hat durch die Einführung des Euro und den damit verbundenen Wegfall der Notwendigkeit des Ausgleichs von Wechselkursschwankungen im Verhältnis zu den noch nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten an praktischer Bedeutung verloren und wurde mittlerweile auch neu geregelt, vgl. va Nr. 2799/98, ABI. 1998 L 249, S. 1. 21 Bleckmann, Europarecht, Rz. 2219, 2221, 2223 f.; Ehlermann, Beilage 11/1989 in AgrarR 3/1989, S. 3 (4).

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik

107

sind der Strukturfonds29 und der Kohäsionsfonds 3o nach Art. 161 Abs. I und 2 EGV Bestandteil der Regionalpolitik und werden nicht auf Art. 37 EGV gestützt. Art. 133 EGV und Art. 37 EGV treten bei der Regelung des Außenhandels mit Agrargütern in Konkurrenz, da Art. 37 EGV den Außenschutz der Agrarwaren als Abrundung des Gemeinsamen Agrarmarktes konsequenterweise miterfaßt. Bestätigt wird dies durch die Aufzählung von Import- und Exportmaßnahmen in Art. 34 Abs. 3 EGV 31 • Art. 37 EGV ist daher die geeignete Rechtsgrundlage für autonome Maßnahmen des gemeinsamen Agraraußenhandels wie für den Abschluß internationaler Abkommen, solange eines oder mehrere der Ziele der GAP verwirklicht werden sollen32 . Abkommen mit Drittstaaten, selbst wenn sie Agrarprodukte betreffen, werden auf der Grundlage von Art. 133 EGV verhandelt und abgeschlossen, solange mit diesen internationalen Verträgen kein Ziel des Art. 33 EGV verfolgt wird33 • Für den Teil der Agrargüter, auf den der GZT angewendet wird, gilt für Aufstellung und Änderung des Zolltarifs Art. 26 EGV. Soweit sie dagegen durch ein spezifisches Instrument der Agrarpolitik wie die früher häufig eingesetzten variablen Abschöpfungen geschützt werden, wird Art. 37 EGV als Sondervorschrift zu Art. 26 EGVals Rechtsgrundlage herangezogen 34 •

b) RechtsetzungsverJahren

Das in Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV geregelte Verfahren sieht vor, daß der Rat in seiner Funktion als Rat der Agrarminister die Normen auf Vorschlag der KommisGilsdorJl Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 19 ff.; Barents, S. 87. Darunter fallen EFRE, ESF und EAFGL-A (Ausrichtung). Aufgaben des letzteren sind z. B. Stärkung der landwirtschaftlichen Strukturen einschließlich Verarbeitung und Vermarktung, Umstellung der Agrarproduktion und Förderung der Entwicklung komplementärer Tätigkeiten, vgl. Art. 3 Abs. 3 der RahmenVO und Artt. 2, 3,5 der VO Nr. 4256 i.d.F. der VO Nr. 2085/93; vgl. Stabenow, in: Grabitz, EGV, Art. 130 d a.F., Rz. 1 und 14. 30 Dieser finanziert eine zusätzliche Unterstützung von Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, die Förderung der umweltpolitischen Ziele des Art. 174 EGV und Bau und Ausbau transeuropäischer Verkehrsnetze nach Art. 154 und 155 EGV, vgl. Stabenow, in: Grabitz, EGV, Art. 130 d a.F., Rz. 21 ff. 31 EuGHE 1989, 3743 (3771, Rz. 28) Rs. C-131187: Kommission/Rat (Drüsen und Organe); Schlußanträge des GA Lenz ebd. S. 3762, Rz. 41; GildsorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 16 f.; Barents, S. 66. 32 Vgl. Art. 37 Abs. 3 lit. b EGV. Barents, S. 26, 52. In der Praxis werden jedoch die meisten Handelsabkommen im landwirtschaftlichen Bereich über Art. 133 EGV abgeschlossen, ders., S. 67. 33 GilsdorflBooß, in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. la; EuGHE 1994,1-5267 (5397, Rz. 29) Gutachten I /94: WTO. Art. 32 Abs. 2 EGVeröffnet die Möglichkeit flir die Anwendung des Art. 131 EGV als allgemeine Regelung des Gemeinsamen Marktes. 34 GilsdorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz.l7; Barents, S. 78; EuGHE 1967, 591 (607) Rs. 17/67: Neumann/Hauptzollamt Hof/Saale. Dazu zählen auch zusätzliche Einfuhrzölle, Lux, in: GTE, EGV, vor Art. 18 a.F., Rz. 29. 28

29

108

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

si on und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses erläßt35 . Seit Ende der Übergangszeit werden die Beschlüsse grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit gefaßt. Eine durch Probleme der Agrarfinanzierung 1965 ausgelöste institutionelle Krise endete mit dem Luxemburger Komprorniß vom 29. 1. 1966. Dieses als großen Rückschritt für die Integration empfundene Gemeinschaftsgewohnheitsrecht schreibt für Willensbildung im Rat bei Angelegenheiten von "sehr wichtigem Interesse" das Einstimmigkeitserfordernis vor, und entpuppt sich somit praktisch als Vetorecht jedes Mitgliedstaates. Erst seit den achtziger Jahren werden im Rat wieder Mehrheitsentscheidungen akzeptiert 36• Wegen der großen Anzahl kurzfristig zu erlassender wirtschaftslenkender Maßnahmen im Agrarbereich, ist es nicht immer möglich, das Verfahren des Art. 37 EGVeinzuhalten. Es hat sich daher eine drei- bis vierstufige Nonnenhierarchie herausgebildet, für deren Rechtsetzung die Befugnisse zum Teil auf andere Organe, wie die Verwaltungsausschüsse 37 , delegiert worden sind 38 • Als Besonderheit im Rechtsetzungsverfahren ist hervorzuheben, daß innerhalb des Rates die Arbeiten der Minister statt durch den Ausschuß der Ständigen Vertreter durch einen Sonderausschuß Landwirtschaft vorbereitet werden 39 .

2. Art. 34 EGV: Agrarmarktordnungen

a) Auswahl an Marktordnungsmechanismen Art. 34 Abs. 1 EGV schreibt die Schaffung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte vor, für die er in einer abschließenden Aufzählung drei verschiedene Organisationsfonnen unterschiedlicher Lenkungsintensität vorschlägt: Einerseits ennöglicht er die Vereinbarung gemeinsamer Wettbewerbsregeln, die nur ein Mindestmaß an Gemeinschaftsorganisation beinhalten müssen und der Marktorganisa35 Barents. S. 53; Trotman. CMLRev. 32 (1995) 1385. 36 Abgedruckt in Bull.-EWG 1966. Nr. 3, S. 9 f. Vgl zu dem Ganzen: Ipsen. Rz. 6/3037; Barents. S. 53; Schweitzer; in: Grabitz, EGV, Art. 148 a.F., Rz. 10 ff.; BBPS, S. 461 f.; Gilsdorj/Booß. in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 1; Korte/van Rijn. in: GTE, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 23; sehr kritisch zum "Veto", Lücker; in: Stuhler, S. 19 (22 f.). 371mVerwaltungsausschuß werden die Stimmen wie beim Rat nach Art. 205 EGV gewichtet; Grant. S. 147 f.; Korte/van Rijn. in: GTE, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 20. 38 Gilsdorf, in Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F.; Nicolaysen. Europarecht 11, S. 404; Siehe ausführlich zu der Unterteilung und Zuordnung der untergeordneten Normen: Gilsdorj/ Booß. in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 4-16. 39 Gilsdorj/Grabitz. in: Grabitz, EGV, Art. 43 a.F., Rz. 18; Barents. S. 53. Der Ausschuß wird im Englischen als "Special Cornrnittee on Agriculture" (CSA) bezeichnet. Ausführlich zu den Entscheidungsstrukturen in der GAP und dem darin manifestierten Demokratiedefizit: Trotman. CMLRev. 32 (1995) 1385 (1386 ff.); vgl. auch Jaenicke. KSE 10, 119 (145 f.); kritisch auch Koester/Tangermann. S. 20 ff.

A. Kompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik

109

tion für industrielle Güter entsprechen40 . Geringe Preisdifferenzen oder eine strenge Anwendungskontrolle, durch die verdeckte Weubewerbsverzerrungen verhindert werden sollen, können auch durch die bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen sichergestellt werden. Andererseits können auch umfassende europäische Marktordnungen eingeführt werden. Diese werden vom EuGH definiert als die Gesamtheit von Rechtsvorschriften, die die Regulierung des Marktes der betreffenden Erzeugnisse hoheitlicher Aufsicht unterstellt, um durch die Steigerung der Produktivität und durch den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, die Ziele der GAP zu erreichen 41 • In seinem weiten Ermessen hinsichtlich der Wahl der Organisationsform hat der Gemeinschaftsgesetzgeber inzwischen die landwirtschaftlichen Produkte beinahe ausschließlich in Gemeinsamen Marktordnungen erfaßt. Nicht von sektoriellen GMOs geregelte Produkte des Anhangs 11 EGV werden großenteils von der sog. "Reste-VO" erfaßt42 .

b) Regelungsinhalt der Gemeinsamen Marktordnungen Art. 34 Abs. 2 UAbs. 1 EGV legt zwar die Einführung eines gemeinsamen Systems, nicht aber den Inhalt dieser gemeinsamen Organisation fest43 . Die aufge~ zählten Instrumente finden sich freilich alle in den bestehenden Marktordnungen wieder, wie etwa gemeinsame Einrichtungen zur Stabilisierung der Ein- und Ausfuhr44 . Die umfangreiche und nicht abschließende Aufzählung in Abs. 2 verdeutlicht aber auch, daß kein Instrument für die Marktregulierung von vornherein ausgeschlossen ist45 . Marktordnungen i. S. d. Art. 34 Abs. 1 lit. c EGVenthalten nur grundsätzliche Regelungen. Erst zusammen mit zahlreichen Ergänzungen und Durchführungsregelungen, die zum Teil auch von der Kommission erlassen werden, bilden sie die detaillierte und komplexe Gesamtregelung für die Agrarprodukte46 • Einzelne MaBarents. S. 45. GildsoiflPriebe. in Grabitz. EGV. Art. 40 a.F.. Rz. 4-8; EuGHE 1974, 1383 (1395 f., Rz. 26) Rs. 48/74: Charmasson. 42 VO Nr. 827/68 für bestimmte im Anhang 11 des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse (AbI. 1968 L 151, S. 16). Noch gar nicht von GMOs erfasst sind v.a. Alkohol, Honig und Kartoffeln, vgl. Barents. S. 75; Kortelvan Rijn. in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 18, für die auch Art. 38 weiterhin anwendbar bleibt. Die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen, die auch nicht im Anhang 11 zum EGV aufgelistet werden, werden von der Handelsregelung der VO Nr. 3448/93, ABI. 1993 L 318, S. 18 betroffen; GildsoiflPriebe. in: Grabitz, EGV, Anhang zu Art. 40 a.F. 43 Gildsoifl Priebe. in: Grabitz, EGV, Art. 40 a.F.. Rz. 4; Nicolaysen. Europarecht 11, S.403. 44 Bleckmann. Europarecht, Rz. 2221. 45 Barents. S. 47. 46 Nicolaysen. Europarecht 11, S. 404; 1iedemann. EuR 1980, 219 (223). 40 41

110

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

terien sind für alle Erzeugnisse einheitlich in horizontalen Bestimmungen geregelt47 . 3. Weitere Kompetenzen

Trotz der umfassenden Kompetenzzuweisung des Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV regelt der EGVeinzelne Befugnisse speziell. Gern. Art. 34 Abs. 3 EGV wurde ein Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft (EAFGL) gegründet, der die Gemeinschaftsfinanzierung im Rahmen der Agrarmarktordnungen durch Interventionen und Ausfuhrerstattungen (Abteilung Garantie) sowie der Strukturpolitik (Abteilung Ausrichtung) unmittelbar ennöglicht48 • Der EAFGL ist in die Kommission eingegliedert, die Gemeinschaftsgelder werden jedoch durch nationale Behörden als Zahlstellen ausgezahlt49 . Die notwendige Ausgabenbeschränkung im Bereich der Marktpolitik (EAFGL-Garantie) als vorrangiges Ziel soll v.a. durch eine "Agrarleitlinie" erreicht werden, die die zulässigen Ausgaben des EAFGL-Garantie im Rahmen einer mehrjährigen Finanzplanung nach oben begrenzt50 • Art. 35 lit. a EGV sieht in einer Sonderregelung in seiner nicht abschließenden Aufzählung gemeinsame Maßnahmen zur Koordinierung der Bestrebungen auf dem Gebiet der Berufsausbildung, Forschung und der Verbreitung landwirtschaftlicher Fachkenntnisse sowie die Förderung des Verbrauchs VO~l. Die Förderung betrifft nicht nur den Verbrauch innerhalb der Gemeinschaft, sondern auch den Export, so daß auch die spezifische Exportförderung durch den Aufbau von Drittlandsmärkten mittels Erstattungen hierunter fcillt 52 . Art. 36 EGVennöglicht in Abweichung von den allgemeinen Regeln über den freien Wettbewerb innerhalb der EG die Regelung von staatlichen Beihilfen und wird zumeist neben Art. 37 EGV als weitere Kompetenzgrundlage für die GMOs herangezogen 53 •

47 Vgl. die Verordnungen für Ein- und Ausfuhrlizenzen (VO Nr. 3719/88, ABI. 1988 L 331, S. 1), Ausfuhrerstattungen (VO Nr. 3665/87 AB1.l987 L 351, S. I), Überwachung der Verwendung oder Bestimmung von Erzeugnissen aus den Beständen der Interventionsstellen (VO Nr. 3002/92, ABI. 1992 L 301, S. 17) und das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (VO Nr. 3508/92, ABI. 1992 L 355, S. I). vgl. zu dem Ganzen: GildsorflPriebe, in: Grabitz, EGV, Art. 40 a.F., Rz. 58 j. 48 Art. 1 VO Nr. 729170, ABI. 1970 L 94, S. 13. 49 Blecknumn, Europarecht, Rz. 2290. 50 Diese ist in der interinstitutionellen Vereinbarung (ABI. 1993, C 331) enthalten. Vgl. hierzu Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 23. 51 Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 41 a.F., Rz. 1; GildsorflPriebe, in Grabitz, EGV, Art. 41 a.F., Rz. 1. 52 Gildsorfl Priebe, in Grabitz, EGV, Art. 41 a.F., RZ.4. 53 Barents. S. 75. Vgl. hierzu ausführlich zu Art. 36 EGVals Kollisionsnorm im 6. Kapitel, B III.2.a)aa).

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik

111

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik Im Kapitel über die Landwirtschaft sind nur allgemeine Angaben zur Ausgestaltung der einzusetzenden Instrumente zu finden 54 • Die Leitlinien für die Gestaltung der GAP sind hauptsächlich den Zielen des Art. 33 Abs. 1 EGV, dem Gestaltungsrahmen seines Abs. 2 und anderen agrarpolitischen Zielen zu entnehmen. Die GAP ist daher eine funktional konzipierte Gemeinschaftspolitik55 •

I. Allgemeine Grundprinzipien und Zielvorstellungen der Gemeinsamen Agrarpolitik 1. Gemeinsamer Markt für Agrargüter, Art. 32 EGV

a) Schaffung eines Gemeinsamen Marktes

Auf der Grundlage des Spaak-Berichts vom April 195656 wurde beschlossen, daß die europäische Wirtschaftsintegration der Einbeziehung der Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt bedarf. Zum einen sollte sich die durch den gemeinsamen Markt erwartete Produktivitätssteigerung in Fonn einer fortschreitenden Spe" zialisierung57 und Ausweitung der Absatzmärkte besonders günstig auf den Wohlstand von Produzenten und Verbrauchern auswirken. Zum anderen muß sich der Binnenmarkt auf die Landwirtschaft als ein mit anderen Bereichen eng verknüpfter Wirtschaftssektor erstrecken, um nicht zu Ungleichgewichten im Handelsverkehr unter den Mitgliedstaaten zu führen 58 . Art. 32 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EGV sehen daher vor, daß der Gemeinsame Markt auch die Landwirtschaft und den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern umfaßt und die allgemeinen Bestimmungen grundsätzlich anwendbar sind. Der einheitliche Markt für Agrargüter schließt für den innergemeinschaftlichen Handel die Anwendung eines Zolls oder einer mengenmäßige Beschränkung sowie Maßnahmen gleicher Wirkung seitens der Mitgliedstaaten aus 59 . Bei einer Zollunion führt die Einführung eines Binnenmarktes 54

Barents, S. 42 f.

EuGHE 1979, 713 (720 f., Rz. 4 f.) Rs. 138178: Stölting/Hauptzollamt HamburgJonas. 56 Vgl. allgemein zum Spaak-Bericht: Glaesner, in: Schwarze I Schermers, S. 13 (21 f.). 57 Die wegen der Zollunion und dem gemeinsamen Preissystem erwartete Spezialisierung innerhalb der Produktion ist jedoch ausgeblieben. Das Produktionsspektrum ist in den Mitgliedstaaten weitestgehend erhalten geblieben. Nur in Irland und Luxembourg sind Spezialisierungstendenzen zu erkennen, FenneIl, S. 62. 58 Barents, S. 4 f. 59 EuGHE 1978, 927 (947, Rz. 36) Rs. 80, 81177: Commissionnaires Reunis, Ramel/Receveurs des douanes; Snyder, S. 15; Usher, S. 9 f.; Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 7; Barents, S. 19 ff., vgl. aber S. 24 f.: Die Gemeinschaftsorgane sind dagegen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte befugt, gerechtfertigt durch die 55

112

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

für Agrargüter notwendigerweise zu einem einheitlichen Agraraußenhandelsregime 60 • b) Marktprinzip

Neben dem Aspekt des "gemeinsamen" bedeutet das Ziel der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes auch, daß die Landwirte den Regeln einer Marktwirtschaft unterworfen sind. Das idealtypische Wirtschaftssystem "Freie Marktwirtschaft" wird geprägt durch die unbeschränkte private Verfügung über Produktionsmittel und Ertragsverteilung sowie die Koordinierung aller Handlungen der Unternehmen und Privathaushalte über die Märkte. In der Marktwirtschaft hat der Marktpreismechanismus eine herausragende Bedeutung. Durch seine Informations-, Lenkungs- und Ausgleichsfunktionen zeigt er den Bedarf an und sorgt für die rentabelste Verteilung 61 der Güter und Produktionsfaktoren62 • Dem Gemeinsamen Markt des Art. 32 EGV kann ein Marktprinzip in dem Sinn entnommen werden, daß Landwirte ihre Einkünfte durch Verkäufe am Markt und nicht durch Subventionen erzielen sollen63 . Diesem Prinzip wird dadurch Rechnung getragen, daß die Landwirte ihre Waren grundsätzlich mittels frei verhandelter Verträge an Private verkaufen können. Die Auszahlung direkter Subventionen an die Landwirte wird als mit dem Marktprinzip nicht vereinbar abgelehnt64 • Jedoch ist vor diesem Hintergrund das System der festgeschriebenen und gestützten Preise und der Ankauf in die Intervention als nicht marktgemäß zu kritisieren, da es die Kontroll- und Lenkungsfunktion der Marktpreise, die einem freien Markt zu eigen ist, behindert. Eher entspricht es dem Marktprinzip, das als Durchsetzung einer freien Marktwirtschaft verstanden wird, den Landwirten für Dienstleistungen wie Instandhaltung der Natur zu Umweltschutz- oder Fremdenverkehrszwecken einen Lohn zu zahlen 65 . Durch das Marktprinzip wird außerdem der Grundsatz des offenen Marktes angesprochen, zu dem jeder Erzeuger unter den Bedingungen eiVerfolgung der Ziele des Art. 33 EGV den zwischenstaatlichen Handel zu beschränken und die Markteinheit zu verletzen. 60 Balzer, ZfZ 1984, 197 (200); Usher, S. 10. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Agraraußenhandelspolitik wird auch mit Art. 3 lit. b EGV begründet. Barents, 34 CMLRev. (1997) 811 (815); EuGHE 1980, 1713 (1728 f., Rz. ll) Rs. 135179: Gedelfi. 61 Diese Verteilung wird wirtschaftswissenschaftlich auch mit "Allokation" bezeichnet. 62 V gl. hierzu umfassend: Peters, S. 19 ff. 63 Oppernumn. S. 559, Rz. 1366; Becker-(:elik. S. 32. 64 Vergleiche zu dem Fehlen jeglicher staatlicher Subventionen, aber auch jeder anderen staatlichen Intervention in das Marktgeschehen im Modell der reinen Marktwirtschaft, Peters. S. 19. 65 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Studie der Kommission über ,,Alternative Strategien für die Entwicklung der Beziehungen im Bereich Landwirtschaft ( ... )", AB 1.1 997 C 20, S. 148 (152, Rz. 27 f., 30 f.).

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik

113

nes wirksamen Wettbewerbs freien Zugang hat und auf dessen Funktionieren ausschließlich mit den in den GM Os vorgesehenen Instrumentarien Einfluß genommen wird66 •

c) Verknüpfung von Gemeinsamer Politik und Gemeinsamem Markt Um den Gemeinsamen Markt auf die Landwirtschaft zu erstrecken, mußte wegen der Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit und den großen Unterschieden zwischen den nationalen Agrarpolitiken erst ein gemeinsames politisches Konzept entwickelt werden. Die Schaffung des Gemeinsamen Marktes und ein hierauf begründeter freier Verkehr von Agrarwaren bedurfte konsequenterweise einer weitreichenden Integration der nationalen Politiken in eine eigenständige aktive europäische Politik67 . Die in Art. 32 Abs. 4 EGV betont enge Verknüpfung der Landwirtschaft mit der Einführung und Ausgestaltung der Gemeinsamen Politik und das darauf beruhende Spannungsverhältnis ist charakteristisch für die GAP68 •

d) Ausnahmecharakter der Agrarvorschriften Aus wirtschaftlichen wie politischen Gründen konnte der Gemeinsame Markt nur auf die landwirtschaftliche Produktion erstreckt werden, wenn der EGV gleichzeitig Abweichungen vom Prinzip der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb vorsieht. Als wirtschaftlicher Grund für eine gesonderte Regelung ist hier neben den ungünstigen, heteronom bestimmten Produktionsbedingungen die Rückständigkeit des Agrarsektors zu nennen, die durch besondere Maßnahmen ausgeglichen werden sollte, u. a. um die durch die Integration allgemein angestrebte Wohlstandssteigerung auch für die in der Landwirtschaft Tlitigen zu erreichen. Politisch ausschlaggebend war, daß bereits allen vor Gründung der EG bestehenden nationalen Marktordnungen zum Schutz der Landwirtschaft eine restriktive Regulierung des zwischenstaatlichen Handels gemeinsam war. Die darin vorgesehenen Zölle, mengenmäßigen Beschränkungen, Mindestpreisgarantien und direkten Subventionen standen im Widerspruch zu den Grundsätzen des freien Waren verkehrs im gemeinsamen Markt 69 . Der Binnenmarkt für Agrargüter war politisch nur durchsetzbar, indem die nationalen Agrarpolitiken durch eine ebenfalls interventionistische gemeinsame Agrarpolitik ersetzt und Sonderregeln vom marktwirtschaftlich geprägten Binnenmarkt und eine entsprechende Übergangszeit vorgesehen EuGHE 1990, 1-3125 (3157, Rz. 29) Rs. C-35/88: Kommission/Griechenland. Herzog, in: Smit/Herzog, Art. 2 EGV, S. I-55, Anm. 3.01; Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 8; Nicolaysen, Europarecht 11, S. 401 f.; Barents, S. 15. 68 Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. I; Barents, S. 5,14 f. 69 Barents, S. 5. 66

67

8 Trumm

114

3. Kap.: Gemeinsame Agrarpolitik

wurden 7o • Die Rücksichtnahme auf die zuvor bestehenden Schutzmechanismen ging über die Forderung nach Übergangsregelungen weit hinaus und schlug sich in einzelnen Zielen des Art. 33 EGV und der inhaltlichen Ausgestaltung der GAP nieder. Um diesen Interessen Rechnung zu tragen, gelten nach Art. 32 Abs. 2 EGV rur Agrargüter die im Titel 11 vorgesehenen Ausnahmen zu den allgemeinen Bestimmungen des EGV über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes 71 • Nach seinem Wortlaut erstreckt sich der Vorrang der agrarpolitischen Normen allein auf den Gemeinsamen Markt, dagegen keinesfalls auf sonstige allgemeine Vorschriften, die über den Gemeinsamen Markt hinausreichen 72 • Indes bezieht sich Art. 32 Abs. 2 EGV nicht nur auf die Zeit der Errichtung, sondern auch der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Gemeinsamen Marktes 73 • Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Agrarregelungen als Ausnahmevorschriften einschränkend auszulegen 74 •

2. Finanzielle Solidarität

Das Prinzip der finanziellen Solidarität, nach der die Kosten der gemeinsamen Politik von der Gemeinschaft zu tragen sind7s , ist kein im Vertrag angelegtes Rechtsprinzip, so daß an sich auch eine auf nationalen Beiträgen beruhende Finanzierung möglich ist. Die gemeinsame Finanzierung soll gewährleisten, daß die Einheit des Marktes, eine einheitliche Politik und die Ziele und Grundsätze der Artt. 33 und 34 EGV auch bei einer teilweise dezentralisierten Durchführung gemeinschaftlicher Regelungen beachtet werden 76. Rechtlichen Niederschlag findet dieses Prinzip in der grundsätzlichen Übernahme der in der Marktpolitik entstandenen Kosten durch die EG seit Anfang 1967 und in der Gründung des EAFGL77 ftir den wirtschaftlichen und finanziellen Interessenausgleich zwischen den MitgliedstaaBoest. S. 23,41-46; Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 8; BBPS, S. 459 Abweichende Vorschriften sind v.a. Artt. 36, 44 a.F., 45 a.F. und 38, vgl. Konelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 11. 12 GilsdorfI Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 33. Zur Qualifizierung des Art. 32 EGVals Kollisionsnonn bejahend Kortelvan Rijn, in: GTE, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 9 f., ablehnend GilsdorfI Priebe, in: Grabitz, EGV, Art. 38 a.F., Rz. 32. 73 Art. 32 Abs. 2 EGV beansprucht zwar im wesentlichen Geltung flir die Übergangsperiode, gilt trotzdem zeitlich unbeschränkt, Gilsdorf, in: GS Grabitz, S. 77 (88). 74 Geiger, Art. 2, Rz. 8; EuGHE 1962,867 (885) Rs. 2 und 3/62: Kommission/Luxemburg, Belgien, EuGHE 1964, 1329 (1347) Rs. 90 und 91/63: Kommission/Luxemburg, Belgien, EuGHE 1969, 377 (383) Rs. 16/69: Kommission/Italien. 7S FennelI, 2 EFARev. (1997) 235 (236); Balzer, ZfZ 1984,197 (200) leitet das Prinzip aus der Gemeinsamen Politik her. 76 Gilsdorf, in: Grabitz, EGV, vor Art. 38 a.F., Rz. 9 f. Ausnahmen zu dem Prinzip der finanziellen Solidarität ebendort. 77 Eiden, in: Bleckmann, Europarecht, Rz. 2286. 70 71

B. Zielsetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik

115

ten 78. Die finanzielle Solidarität wurde wegen der Überschußproduktion in den GMOs jedoch in Frage gestellt, da der Anteil des EAFGL am Gesamthaushalt der Gemeinschaft permanent anwuchs, die Mitgliedstaaten hieraus aber auf sehr unterschiedliche Weise Nutzen zogen 79 .

3.