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German Pages [488]
Das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen 1680–1806
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen Kleine Reihe Band 47
Oliver Heyn
Das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen 1680–1806
2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der „Historischen Kommission für Thüringen“.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Gemeiner Soldat des hildburghäusischen Landregiments um 1760. Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Becher’sche Uniformhandschrift, Ms. Q419, Nr. 62 (fol. 64r).
© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Anja Borkam, Jena Wissenschaftliche Redation: Pierre Fütterer Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-50154-9
Inhalt
1. Einleitung ...............................................................................................................11 1.1 Untersuchungsgegenstand, methodische Einordnung und Aufbau der Arbeit...........................................................................................................11 1.2 Forschungsstand ..............................................................................................18 1.2.1 Zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit in Thüringen .................19 1.2.2 Zum Fürstentum Sachsen-Hildburghausen ........................................23 1.3 Archivalische Quellenlage und Quellentypen ..............................................27 2. Das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen........................................................35 2.1 Die Entstehung des Fürstentums ..................................................................35 2.1.1 Herzog Ernst v. Sachsen-Gotha-Altenburg und sein Testament ...35 2.1.2 Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen und die Erbteilung .......37 2.2 Territorium und Ressourcen ..........................................................................40 2.2.1 Territoriale Entwicklung ........................................................................40 2.2.2 Bevölkerung .............................................................................................44 2.2.3 Landwirtschaft .........................................................................................46 2.2.4 Bergbau, Industrie und Handel.............................................................47 3. Die Landesdefension und das Landregiment ...................................................51 3.1 Struktur und Formation ..................................................................................51 3.1.1 Entstehung, Charakter und Struktur der gothaischen Landesdefension bis 1680......................................................................51 3.1.2 Die strukturelle Entwicklung des Landregiments bis 1806 ..............56 3.1.3 Das Munitionsgeld ..................................................................................62 3.1.4 Uniformierung und Ausrüstung ...........................................................64 3.1.5 Die Artillerie ............................................................................................70 3.1.6 Die Kriegskommission...........................................................................72 3.2 Aufgaben und Einsätze des Landregiments innerhalb der Landesgrenzen ..................................................................................................75 3.2.1 Der Wachdienst in der Residenzstadt und die Landesverteidigung .................................................................................75
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INHALT
3.2.2 Streifendienst gegen Bettler- und Diebesbanden ............................80 3.2.3 Einsatz im Rahmen epidemischer Krankheiten ..............................84 3.2.4 Die Unruhen des Jahres 1717 ............................................................86 3.2.5 Die Verteidigung von Hildburghausen im Jahre 1770 ...................87 3.3 Einsätze des Landregiments jenseits der Landesgrenzen .......................93 3.3.1 Der Charakter der militärischen Konflikte innerhalb der ernestinischen Linie .............................................................................93 3.3.2 Der Römhilder Krieg (1710/11) .......................................................96 3.4 Die Offiziere ............................................................................................... 104 3.5 Die Unteroffiziere und Gemeinen .......................................................... 112 3.6 Die Provisioner........................................................................................... 123 4. Die fürstlichen Garden................................................................................... 130 4.1 Struktur, Formation und Finanzen ......................................................... 130 4.1.1 Die Schlosswache unter Herzog Ernst (1700–1715) .................. 130 4.1.2 Venezianische Subsidien und die Blütezeit der Garden (1715– 1724) ...................................................................................... 134 4.1.3 Von der Reduzierung zur Auflösung (1724–1737)...................... 138 4.1.4 Ein unbeliebter Freiherr und die erneute Errichtung der Garde (1750) .................................................................................................. 145 4.1.5 Die Garde vor dem Hintergrund der Staatsverschuldung (1750–1771) ....................................................................................... 151 4.1.6 Uniformierung und Ausrüstung ..................................................... 155 4.1.6.1 Große Montur, kleine Montur und Ausrüstung .............. 155 4.1.6.2 Soldat und Uniform im Dienst ........................................... 158 4.1.6.3 Soldat und Uniform im dienstfreien Alltag ...................... 160 4.1.7 Die Rüstkammer ............................................................................... 163 4.2 Dienst und Aufgaben der Garden ........................................................... 164 4.2.1 Der Wachdienst in der Residenzstadt und andere Verpflichtungen................................................................................. 164 4.2.2 Die Garde du Corps und der Wachdienst im Residenzschloss . 175 4.2.3 Die Veste Heldburg und der Festungsdienst................................ 179 4.2.3.1 Der große Mäzen .................................................................. 179 4.2.3.2 Der Alltag der Garnison ...................................................... 184 4.2.3.3 Die Arrestanten ..................................................................... 192 4.2.3.4 Der unaufhaltsame Verfall der Anlage .............................. 196 4.3 Die Offiziere ............................................................................................... 198 4.4 Die Unteroffiziere und Gemeinen .......................................................... 203 4.4.1 Die Rekrutenwerbung ...................................................................... 203
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4.4.1.1 Freiwillige Rekrutenwerbung ................................................. 203 4.4.1.2 Gewaltsame Rekrutenwerbung und Dienstverpflichtung . 207 4.4.2 Sozialstrukturelle Hintergründe und Motivation ............................ 213 4.4.2.1 Regionale Herkunft.................................................................. 214 4.4.2.2 Alter, Familienstand und Ausbildung ................................... 218 4.4.2.3 Körpergröße ............................................................................. 224 4.4.2.4 Analyse der Anwerbungsmotivation ..................................... 227 4.4.3 Die Lebenswelt der Gardetruppen in Sachsen-Hildburghausen .. 236 4.4.3.1 Besoldung, Sachleistungen und Nebenerwerb .................... 236 4.4.3.2 Familie und Ehe ....................................................................... 244 4.4.3.3 Freundschaft und Kameradschaft ......................................... 251 4.4.3.4 Das Wirtshaus: Ort von Geselligkeit, Alkoholkonsum und Gewalt................................................................................ 254 4.4.3.5 Die Einquartierung und das Verhältnis zur Zivilbevölkerung ...................................................................... 266 4.4.3.6 Die medizinische Versorgung ................................................ 280 4.4.3.7 Methoden preußischer Werbung im Fürstentum zwischen 1720 und 1724......................................................... 287 5. Die Reichsdefension – Das Reichskontingent und der Spanische Erbfolgekrieg....................................................................................................... 292 5.1 Sachsen-Hildburghausen, der Obersächsische Kreis und das Reich .... 292 5.2 Formation und erste Anwerbung des Reichskontingents ...................... 300 5.3 Die Offiziere .................................................................................................. 308 5.4 Die Unteroffiziere und Gemeinen ............................................................. 318 5.4.1 Regionale Herkunft.............................................................................. 318 5.4.2 Alter, Familienstand und Ausbildung ............................................... 320 5.4.3 Analyse zur Motivation der Rekruten ............................................... 323 5.5 Die Feldzüge des Reichskontingents (1703–1713) .................................. 327 5.5.1 Die erste Schlacht von Höchstädt (1703) ........................................ 328 5.5.2 Anfeindungen und schwierige Versorgungslage in Franken (1703–1704) .......................................................................................... 331 5.5.3 In der Linie von Bühl-Stollhofen (1705) .......................................... 337 5.5.4 Von Philippsburg nach Landau (1706–1713) .................................. 340 5.6 Im Winterquartier ......................................................................................... 350 5.7 Die Desertion ................................................................................................ 355 5.7.1 Motive .................................................................................................... 355 5.7.2 Fluchtsituationen und Fluchtwege der Deserteure......................... 361 5.8 Finanzen, Verpflegung und Logistik.......................................................... 371
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5.8.1 Ergänzungen des Reichskontingents während des Krieges ....... 371 5.8.2 Proviantkontrakte und Verpflegungssituation ............................. 379 5.8.3 Besoldung und Geldmangel ............................................................ 387 5.9 Uniformierung und Ausrüstung .............................................................. 390 6. Die Militärgerichtsbarkeit .............................................................................. 394 6.1 Grenadiergarde und Landregiment ......................................................... 394 6.1.1 Der Auditeur und seine Pflichten................................................... 394 6.1.2 Kriegsgericht und Strafmaß............................................................. 399 6.1.3 Exemplarische Fälle vor dem Kriegsgericht ................................. 405 6.1.3.1 Der Fall des Johann Erhard Röhring in Gemünda (1723) ....................................................................................... 405 6.1.3.2 Der Fall des Johann Röder in Hildburghausen (1723) ... 408 6.1.3.3 Der Fall des Lorenz Braun in Rodach (1723) .................. 409 6.1.3.4 Der Fall des Johann Schlund in Weidhausen (1736) ....... 410 6.2 Das Reichskontingent ............................................................................... 412 6.2.1 Zur Jurisdiktion über das Reichskontingent ................................. 412 6.2.2 Kriegsgericht und Strafmaß............................................................. 414 7. Ergebnisse ........................................................................................................ 426 7.1 Organisationsgeschichte............................................................................ 426 7.1.1 Organisation des Militärs ................................................................. 426 7.1.2 Dynastische Konkurrenz und Prestigezuwachs ........................... 429 7.1.3 Konsolidierung des Staatshaushalts und fürstliches Reservat ... 431 7.1.4 Landesdefension als Mittel territorialer Expansion ..................... 433 7.2 Alltags- und Sozialgeschichte ................................................................... 435 7.2.1 Zwischen fürstlichem Disziplinierungswillen und bürgerlicher Sozialisation ....................................................................................... 435 7.2.2 Perspektivloser Offiziersdienst ....................................................... 437 7.2.3 Militärdienst als Möglichkeit alternativer Lebensgestaltung....... 438 8. Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................ 440 8.1 Ungedruckte Quellen................................................................................. 440 8.2 Gedruckte Quellen..................................................................................... 441 8.3 Literatur bis 1806 ....................................................................................... 444 8.4 Literatur ab 1806 ........................................................................................ 449 9. Verzeichnis der Abbildungen, Graphiken und Tabellen .......................... 473
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9.1 Abbildungsverzeichnis ................................................................................. 473 9.2 Graphikverzeichnis ....................................................................................... 474 9.3 Tabellenverzeichnis....................................................................................... 475 10. Stammtafel des Hauses Sachsen-Hildburghausen ...................................... 477 11. Register .............................................................................................................. 479 11.1 Ortsregister .................................................................................................. 479 11.2 Personenregister .......................................................................................... 484
1. Einleitung
1.1 Untersuchungsgegenstand, methodische Einordnung und Aufbau der Arbeit Am Abend des 20. April 1734 entstand in den Straßen der Residenzstadt Hildburghausen ein großer Tumult, der durch das Geräusch eines Musketenschusses ausgelöst worden war. Nachdem wenig später auch Schreie hörbar waren, begaben sich zahlreiche Schaulustige in die Apothekergasse, den Ort des Geschehens. Im Haus der erschrockenen Quartierwirtin Anna Margaretha Endter versuchten zwei Unteroffiziere den aufgebrachten und angetrunkenen Grenadier Johann Friedrich Stelzner in ihre Gewalt zu bringen. Als es ihnen schließlich gelang, führten sie den 25-jährigen Unruhestifter unter den Augen einer großen Menschenmenge ab. Unter den Neugierigen raunte es: „Was ist denn dieses?“ „Der Stelzner ist einmahl toll!“1. kam die Antwort. Tatsächlich hatte sich der Abgeführte noch immer nicht beruhigt und schrie: „Es sollte einer lieber ein Schneider seyn, als Soldat unter hiesigen Unter-Officiers!“2 In der Arrestzelle angelangt, tobte der Grenadier weiter und fuhr seine Kameraden an: „Es ist mir lieber, man führt mich morgen zum Galgen hinaus, als daß ich länger Soldat hier seyn will, ich sterbe doch keines natürlichen Todes, ich will nicht länger hier Soldat seyn!“3 Aus ihrem Kontext gerissen, vermittelt diese Geschichte lediglich den Eindruck einer unscheinbaren Anekdote. Tatsächlich aber weist sie auf die sozialen und alltäglichen Verhältnisse im Militär des Fürstentums SachsenHildburghausen hin, das bislang vollständig unerforscht gewesen ist. Dahingehend ergeben sich aus der vorgestellten Episode mehrere Fragen: Wer war der Grenadier Johann Friedrich Stelzner? Wie und warum kam es zur beschriebenen Ausschreitung? Was geschah mit ihm nach der Arretierung? Um diese Fragen einer Beantwortung zuzuführen, muss die Anekdote in ihren historischen Rahmen eingeordnet werden. Diese Einordnung muss zu einer Erweiterung des Blickfeldes führen, die wiederum unweigerlich neue Fragen aufwirft. Dazu gehören u. a.: Wie gestaltete sich das alltägliche soldatische Leben in der Residenzstadt? Woher kamen die Soldaten und auf welche Wei1 2 3
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, Geheimes Archiv Hildburghausen (GA Hbn), XXII, 42, 20.4.1734, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 20.4.1734, fol. 3v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 20.4.1734, fol. 5r.
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se gelangten sie in das Militär? Wie und unter welchen Umständen lebten und starben die hildburghäusischen4 Soldaten? Bei diesen Forschungsfragen handelt es sich zugleich um Kernbereiche der modernen, sozialgeschichtlich ausgerichteten Militärgeschichte.5 Die vorliegende Untersuchung ist im Rahmen dieser „neuen“ Militärgeschichte angesiedelt und folgt deren methodischen Vorgaben. Sie verschreibt sich zudem den bereits 1967 und 1979 formulierten Forderungen R. Wohlfeils und E. Hansens, die Militärgeschichte und deren Untersuchungsgegenstände nunmehr in allen Erscheinungsformen und unter sozialhistorischem Blickwinkel aufzufassen.6 Hansen meinte, die „Militärgeschichte [sollte sich] bemühen, nicht nur das Verhältnis von bewaffneter Macht und Gesellschaft zu analysieren; zu ihren vornehmsten Aufgaben gehört auch die Rekonstruktion der sozialen Wirklichkeit der Soldaten“.7 Relativierend sah er allerdings „das Spektrum möglicher Fragestellungen durch die Quellenlage eingeengt“. 8 In den kommenden zwei Dekaden erwies sich das genaue Gegenteil, und die moderne bzw. „neue“ Militärgeschichte konnte, angeregt durch zahlreiche methodische Impulse, bedeutende Fortschritte verzeichnen und neue Quel4
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Das Adjektiv „hildburghäusisch“ wird bei Zusammenhängen verwendet, die sich auf das Fürstentum bzw. Herzogtum Sachsen-Hildburghausen beziehen. Das Adjektiv „Hildburghäuser“ hingegen bezieht sich auf Sachverhalte, die mit der Stadt Hildburghausen zusammenhängen. Korrekt heisst es also beispielsweise: das hildburghäusische Staatsgebiet bzw. ein Hildburghäuser Stadtbürger. Dasselbe gilt bei Formen wie „meiningisch“, „römhildisch“, „gothaisch“, etc. Zur adjektivischen Bildung von Staats- und Ortsnamen siehe Johann Christian August HEYSE, Theoretisch-praktische deutsche Grammatik oder Lehrbuch zum reinen und richtigen Sprechen, Lesen und Schreiben der deutschen Sprache nebst einer kurzen Geschichte der Verslehre derselben, Bd. 1, Hannover 1838, S. 566, der u.a. die Beispiele Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Meiningen anführt. Ralf PRÖVE, Vom Schmuddelkind zur anerkannten Subdisziplin? Die „neue Militärgeschichte“ der Frühen Neuzeit und der AMG, in: AMG-Bulletin V/1 (2001), S. 6–16. Eine inhaltlich erweiterte Fassung findet sich bei Ralf PRÖVE, Vom Schmuddelkind zur anerkannten Subdisziplin? Die „neue Militärgeschichte“ der Frühen Neuzeit. Perspektiven, Entwicklungen, Probleme, in: DERS., Lebenswelten. Militärische Milieus in der Neuzeit. Gesammelte Abhandlungen. (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 11), Berlin 2010, S. 105–123. Rainer WOHLFEIL, Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1/1 (1967), S. 21–29, DERS., Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte?, in: Geschichte und Militärgeschichte. Wege der Forschung, hrsg. von Ursula v. GERSDORF, Frankfurt 1974, S. 165–175; Ernst Willi HANSEN, Zur Problematik einer Sozialgeschichte des deutschen Militärs im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Forschungsbericht, in: Zeitschrift für Historische Forschung 6 (1979), S. 425–460; Bernhard KROENER, Vom „extraordinari Kriegsvolck“ zum „miles perpetuus“. Zur Rolle der bewaffneten Macht in der europäischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Ein Forschungs- und Literaturbericht, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 43 (1988), S. 141–188. HANSEN, Zur Problematik, S. 426. Ebd.
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lenbestände erschließen.9 Die Abkehr von der traditionellen applikatorisch und ereignisgeschichtlich orientierten Kriegswissenschaft des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts öffnete gleichzeitig der Militärgeschichte neue und ausgedehnte Themenfelder.10 Die einschlägigen Forschungsfragen und Ansätze der „neuen“ Militärgeschichte sind von besonderer Vielfalt geprägt und entspringen verschiedenen historischen Teildisziplinen, sodass ein einheitliches methodisches Vorgehen nicht verzeichnet werden kann. Für die vorliegende Arbeit ist daher eine Spezifizierung unablässig. Wie bereits die einleitende Anekdote zum Fall des Grenadiers Stelzner zeigt, orientiert sich die Untersuchung zum Militär des Fürstentums SachsenHildburghausen stark am Kanon der klassischen Sozialgeschichte.11 Fragen nach Herkunft, Ausbildung, Lebensbedingungen und Lebenswandel stehen hier im Mittelpunkt. Die Übergänge zur Alltagsgeschichte sind fließend. Letztere versucht auf mikrohistorischer Quellenbasis größere Zusammenhänge zu erschließen und Lebenswirklichkeiten zu rekonstruieren.12 Grundlegende Widersprüche oder gar Ausschlusskriterien, wie sie gelegentlich von Seiten der Sozialgeschichte gegen eine Alltagsgeschichte formuliert werden,13 ließen
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Vgl. die methodischen Hinweise bei Bernhard KROENER, Militär in der Gesellschaft. Aspekte einer neuen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Benjamin ZIEMANN, Thomas KÜHNE (Hg.), Was ist Militärgeschichte? (= Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn 2000, S. 284–300. Zur Entwicklung der traditionellen Militärgeschichte vgl. den Überblick bei Bernhard KROENER, Kriegswesen, Herrschaft und Gesellschaft 1300–1800 (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 92), München 2013, S. 74–85 und Wolfram WETTE, Militärgeschichte zwischen Wissenschaft und Politik, in: Benjamin ZIEMANN, Thomas KÜHNE (Hg.), Was ist Militärgeschichte? (= Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn 2000, S. 52 f. Zur Entwicklung und methodischen Ausrichtung dieses historischen Teilbereichs vgl. Jürgen KOCKA, Sozialgeschichte. Begriff – Entwicklung – Probleme, Göttingen ²1986. Zur Verflechtung von Sozialgeschichte und „neuer“ Militärgeschichte vgl. Marcus FUNCK, Krieg, Militär und Gesellschaft. Soldaten und militärische Eliten in der Sozialgeschichte, in: Benjamin ZIEMANN, Thomas KÜHNE (Hg.), Was ist Militärgeschichte? (= Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn 2000, S. 157–174. Zur Methodik der Alltagsgeschichte vgl. Alf LÜDTKE, Was ist und wer treibt Alltagsgeschichte, in: Ders. (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt 1989, S. 9–47; Alf LÜDTKE, Stofflichkeit, Macht-Lust und Reiz der Oberflächen. Zu den Perspektiven von Alltagsgeschichte, in: Winfried SCHULZE (Hg.), Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie. Eine Diskussion, Göttingen 1994, S. 65–80. Hans Ulrich WEHLER, Neoromantik und Pseudorealismus in der neuen „Alltagsgeschichte“, in: Ders., Preußen ist wieder chic …, Frankfurt 1983, S. 99.
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sich im Rahmen de der Recherche- und Quellenarbeit nicht ausmachen en.14 Tatvorhandene Quellenbasis sowie der kleinstaatlichee R Rahmen sächlich lässt die vo das Fürstentum Sac Sachsen-Hildburghausen für einen alltagshistorischen en Ansatz heinen. Insgesamt plädiert die Untersuchung für ein eine Kooprädestiniert ersche peration beider Teil eilbereiche im Rahmen geschichtswissenschaftlicher er Methorischen Erkenntnisgewinn aus den vorhandenen Quuellen zu dik, um den historis maximieren und nic nicht per se zu „soziologisieren“.15
Organisation ionsgeschichte te
• Organisation, Funktion und Effektivität militärischer Strukturen (Landesdefension, professionalisiertes Militär) • Rolle des Militärs im Rahmen kleinstaatlicher Politik (Konkurrenz, Expansion, Subsidienkontrakte)
Sozialgeschich ichte
• Sozialstruktur der Soldaten (u.a. Herkunft, Ausbildung -> Motivation) • soziales Umfeld (Familie, Ehe, Freundschaft, Geselligkeit)
Alltagsgeschic hichte
•Rekonstruktion der Lebenswirklichkeit (Dienst, Finanzen, Versorgung) •Wechselwirkungen zwischen ziviler und militärischer Lebenswelt (Werbung, Konskription, Einquartierung) •Lebenswandel im Militär
Graphik 1: Untersuchu chungsfelder.
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Den alltagshistori orischen Zugang zur Militärgeschichte eröffneten die Beiträge ge des Sammelbandes von Wolfram W ärgeschichte WETTE, Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärg von unten, Münch nchen 1992. In besonderem Maße M gilt das für die Militärgeschichte, bei der Lynn für den angloamer an ikanischen Raum konstatiert: k „[…] when advocates of a ,new military history‘ urged us tto integrate […] sociology […]] in our field, for these approaches had a tendency to divert us from an essen ssential of military history at thee sa same time that they promised to enlighten us“, John LYNN, The Emba battled Future of Academic mic Military History, in: The Journal of Military History 61/ 1/4 (1997), S. 783.
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Neben dieser theoretisch-methodischen Ausrichtung greift vorliegende Untersuchung auf das „neue, attraktive methodische Rüstzeug“,16 auf das in der „neuen“ Militärgeschichte häufig Bezug genommen wird, zurück. Hinter diesem verbergen sich faktisch Vorgehensweisen der traditionellen historischkritischen Methode sowie quantitative und statistische Auswertungsverfahren. Diese sind in der Sozialgeschichte erprobt und kommen auch in vorliegender Untersuchung zur Anwendung. Das Innovative dieses Rüstzeugs besteht hauptsächlich in den neuen Fragestellungen, die mit teilweise unbekannten Quellenbeständen konfrontiert werden oder bereits erschlossene Bestände neu interpretieren. Darüber hinaus gelingt es im Rahmen der modernen Militärgeschichte zusehends, die Borussozentrik der Vergangenheit zu überwinden. Die Entwicklung Brandenburg-Preußens, die nunmehr als Sonderfall klassifiziert wird, hat zu lange den Blick auf die militärischen Verhältnisse der Mittel- und Kleinstaaten des Alten Reiches verstellt.17 Jene Arbeiten, die mittlerweile unter Verwendung kulturgeschichtlicher Ansätze Forschungslücken schließen konnten, haben meist größere Territorien des Alten Reiches sowie Reichs- und Festungsstädte zum Untersuchungsgegenstand.18 Die Erforschung der militärischen und sozialen Zustän16 17
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KROENER, Kriegswesen, Herrschaft und Gesellschaft, S. 95. Bereits HANSEN, Zur Problematik, S. 432 f. wies darauf hin. Ralf PRÖVE, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft im Spiegel gewaltsamer Rekrutierungen (1648–1789), in: Ders., Lebenswelten – Militärische Milieus in der Neuzeit. Gesammelte Abhandlungen, S. 11 stellte dies erneut heraus. Im Rahmen der neueren Forschungen rief u. a. Stephan HUCK, Soldaten gegen Nordamerika. Lebenswelten Braunschweiger Subsidientruppen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 69), München 2011, S. 114 zur stärkeren Erforschung anderer Territorien des Reiches auf. Jutta NOWOSADTKO, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte (= Historische Einführungen, Bd. 6), Tübingen 2002, S. 158 weist im Zusammenhang mit den Rekrutierungsmethoden auf das Desiderat anderer Reichsterritorien hin. Zu den wichtigsten Monographien, an denen sich auch diese Arbeit orientiert, gehören u. a. Thomas SCHWARK, Lübecks Stadtmilitär im 17. und 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Sozialgeschichte einer reichsstädtischen Berufsgruppe (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Reichsstadt Lübeck), Lübeck 1990; Ralf PRÖVE, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713–1756, München 1995; Stefan KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728–1796 (= Krieg in der Geschichte, Bd. 26), Paderborn 2006; Markus v. SALISCH, Treue Deserteure. Das kursächsische Militär und der Siebenjährige Krieg (= Militärgeschichtliche Studien, Bd. 41), München 2009; Jutta NOWOSADTKO, Stehendes Heer im Ständestaat. Das Zusammenleben von Militär- und Zivilbevölkerung im Fürstbistum Münster 1650–1803 (Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 59), Paderborn 2011; HUCK, Soldaten gegen Nordamerika (wie Anm. 16). Politikgeschichtlich orientiert sind hingegen die älteren Studien von Georg TESSIN, Mecklenburgisches Militär in Türken- und Franzosenkriegen 1648–1718 (= Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 42), Köln 1966; Günter KNÜPPEL, Das Heerwesen des Fürstentums Schleswig-
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de in den deutschen Kleinstaaten stellt hingegen noch immer ein Desiderat dar. In besonderer Weise kann dies für die Militärgeschichte der ernestinischen Fürsten- und Herzogtümer auf dem Gebiet des heutigen Thüringen gelten.19 Aufgrund des rudimentären Forschungsstandes erscheint eine militärhistorische Beschäftigung innerhalb dieses kleinstaatlichen Rahmens daher äußerst lohnenswert. Den territorialen Rahmen der vorliegenden Untersuchung bildet das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen. Es handelt sich bei diesem Territorium um einen von insgesamt sieben Territorialstaaten, die im Jahre 1680 nach einer Landesteilung aus dem Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg hervorgingen. Dieses Jahr stellt zugleich den Beginn des Untersuchungszeitraums dar, der 1806 mit dem Ende des Alten Reiches und dem Beitritt des Fürstentums zum Rheinbund endet. Sachsen-Hildburghausen bestand, 1806 durch die Auflösung des Reichsverbandes formell in den Rang des Herzogtums erhoben,20 noch bis in das Jahr 1826 fort, doch stellten das Ende des Alten Reiches und die militärischen Verpflichtungen im Rahmen der Napoleonischen Kriege bedeutende Zäsuren in der Geschichte des Territoriums dar. Aus militärhistorischer Perspektive heraus kann ohne Weiteres keine Kontinuitätslinie vom 18. zum 19. Jahrhundert gezogen werden. Dass das Militär Sachsen-Hildburghausens für eine organisations- und sozialhistorische Untersuchung prädestiniert erscheint, ist v. a. bedingt durch das reichhaltig vorhandene militärische Quellenmaterial, das bislang keine wissenschaftliche Würdigung erfahren hat. Im Rahmen der Bearbeitung der vorgestellten Untersuchungsfelder erfolgte ein unterschiedlicher Zugriff auf
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Holstein-Gottorf 1600–1715 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte SchleswigHolsteins, Bd. 63), Neumünster 1972; Jürgen KRAUS, Das Militärwesen der Reichsstadt Augsburg 1548–1806. Vergleichende Untersuchung über städtische Militäreinrichtungen in Deutschland vom 16.–18. Jahrhundert, Augsburg 1980; Peter WILSON, War, State and Society in Württemberg 1677–1793, Cambridge 1995. Siehe Punkt 1.2.1: Zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit in Thüringen. Im Zuge bibliographischer Recherchen stößt man dabei stets auf die Prämisse, dass „insbesondere die Zeit von 1806 und davor wenig erforscht ist“, Klaus-Peter MERTA, Das Militär der sächsischen Herzogtümer in Thüringen 1806–1866, Potsdam 1996, S. 2. Zum Militär SachsenHildburghausens vermerkt das wichtigste Nachschlagewerk zur thüringischen Geschichte: „Ob und wie es im Krieg eingesetzt wurde, ist bisher nicht bekannt“, Wolfgang HUSCHKE, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, in: Hans PATZE (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 5/1/1, Köln 1982, S. 506. Zur „Erhebung“ Sachsen-Hildburghausens in den Rang eines Herzogtums vgl. Friedrich FACIUS, Zwischen Souveränität und Mediatisierung. Das Existenzproblem der thüringischen Kleinstaaten von 1806 bis 1813, in: Peter BERGLAR (Hg.): Staat und Gesellschaft im Zeitalter Goethes. Festschrift für Hans Tümmler zu seinem 70. Geburtstag, Köln 1977, S. 177.
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das zur Verfügung ng stehende Quellenmaterial.21 So sind serielle Que uellen für eine übergreifende de statistische Auswertung prädestiniert und könne nnen Entwicklungslinien in verschiedenen Zeiträumen sichtbar machen. Am Ende einer solchen Ausw swertung stehen u. a. graphische Darstellungen, diee ta tabellariprimiert und übersichtlich wiedergeben. Demgegenü nüber finsche Daten kompri den sich normative tive Quellen und Ego-Dokumente. Beide stehen in enger Beziehung zueinand ander und müssen bei der Auswertung stets kritisch isch miteinander sowie mitt de den seriellen Quellen abgeglichen werden, um Fehlin hlinterpretationen auszuschlie hließen. Die Einordnung in den Entstehungskontext text ist essentiell. Des Weite iteren können bereits auf Grundlage serieller Que uellen erschlossene Ergebnis nisse anhand von Ego-Dokumenten illustriert werd erden. Besonders herausgeste stellte Einzelfälle tragen dazu bei das Geschehen p plastisch erscheinen zu lasse ssen. Ziel der gesamten Auswertungsmethodik istt ddie weinäherung an die „historisch wirkliche“ Situation in SSachsentestmögliche Annäh Hildburghausen. D Diese kann jedoch nicht für sich selbst stehen,, ssondern einer Einordnungg in die Gesamtsituation. Insbesondere die im Rahm hmen der „neuen“ Militärges geschichte gewonnenen Forschungsergebnisse zuu aanderen kö eine vergleichende Einordnung der Ergebn ebnisse zu Reichsterritorien können ghausen zulassen. Sachsen-Hildburgha
z Quellenordung, Auswertung und Interpretation Graphik 2: Übersichtt zu
Die vergleichsweise ise geringe Größe des hildburghäusischen Militärs rs erlaubt zudem eine vollstä llständige Quellensichtung mit anschließender deta etaillierter Auswertung. Diee ggewonnenen Ergebnisse können damit die Situa tuation in
21
Zu Umfang und d Typologisierung T des Quellenmaterials, siehe Kapitel 1.3: Arch rchivalische Quellenlage und d Quellentypen. Q
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Sachsen-Hildburghausen adäquat abbilden und müssen nicht auf weiterführende Hypothesen zurückgreifen. Der Aufbau der Untersuchung orientiert sich in der Hauptsache an den organisatorischen Strukturen des hildburghäusischen Militärs und vermeidet es damit, historisch getrennte Formationen nachträglich zu vermischen. Die Arbeit beginnt mit einem einführenden Kapitel zum Fürstentum SachsenHildburghausen. Dieses klärt die territorialgeschichtlichen Hintergründe und informiert anhand der Ressourcen über die spezifischen Ausgangspositionen und Entwicklungen in Sachsen-Hildburghausen. Daran schließen sich drei umfassende Kapitel zum Landregiment, zu den fürstlichen Garden und dem Reichskontingent im Spanischen Erbfolgekrieg an. Sie bilden den Schwerpunkt der Untersuchung und weisen – soweit dies die verschiedenartige archivalische Quellenlage zuließ – eine vergleichbare Gliederung auf. Bei allen drei Teilen steht zunächst die Aufarbeitung der organisatorischen Strukturen im Vordergrund, bevor sich Ausführungen zu den spezifischen sozialhistorischen Hintergründen anschließen. Die zu behandelnden Themenfelder sollen dabei ein weites Spektrum abdecken und – soweit quellenmäßig möglich – alle Facetten des militärischen Lebens erfassen. Dazu gehören zum einen Fragen nach Herkunft, Ausbildung und Umständen der Anwerbung, zum anderen aber auch nach dem familiären und freundschaftlichen Umfeld sowie nach dem Verhältnis zur Zivilbevölkerung und den allgemeinen Tagesabläufen. Am Ende des Kapitels zum Reichskontingent im Spanischen Erbfolgekrieg wird zudem ein Ausblick auf die militärische Entwicklung im Zusammenhang mit der Reichsdefension bis zur Auflösung des Alten Reiches gegeben. Eine Untersuchung zur Militärgerichtsbarkeit, die sich diesen umfangreichen Kapiteln anschließt, stellt Ergebnisse zur Grenadiergarde und zum Reichskontingent im Spanischen Erbfolgekrieg vor. Die Darstellung wird durch die detaillierte Vorstellung einzelner Gerichtsfälle illustriert. Das letzte Kapitel führt die Ergebnisse der einzelnen Detailuntersuchungen zusammen und schließ die gesamte Arbeit ab. Die gewonnenen Ergebnisse werden im Rahmen der Abschnitte zusammengeführt und erläutern die maßgeblichen Entwicklungen innerhalb des hildburghäusischen Militärwesens.
1.2 Forschungsstand „Soll ich sagen, was mich zu dieser Arbeit bewogen hat, so ist es der rühmliche Fleiß unserer Herren Nachtbaren, die von Coburg, Meiningen, Römhild, Schleusingen etc. verschiedene schöne Schrifften heraus gegeben, worinnen die dasige […] Landes-Historie in ein merckliches Licht gesetzet ist. […] Hingegen der Hoch-Fürstlich Sachsen-
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Hildburghausische Landes-Theil ist von niemand […] berühret worden.“22 Hildburghäusischer Superintendent und Historiker Johann Werner Krauß, 1750
1.2.1 Zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit in Thüringen Im 19. Jahrhundert hat es in den thüringischen Staaten keine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem frühneuzeitlichen Militärwesen gegeben. Die wenigen Schriften, die sich zumindest abschnittsweise der Militärgeschichte des 17. oder 18. Jahrhunderts widmeten, taten dies meist in chronikalischer Absicht, ohne die besonderen Verhältnisse kritisch zu hinterfragen.23 In der Gesamtheit betrachtet, stand die zwischen 1815 und der Reichsgründung erschienene militärhistorische Literatur stark unter dem Einfluss der Napoleonischen Kriege. So wurde unter Hinzuziehung der Erinnerungen zahlreicher Veteranen die Thematik der Rheinbundkontingente im Regiment der Herzöge von Sachsen in dieser Zeit wiederholt rezipiert.24 Eine erste tiefgreifendere Darstellung, die sich u. a. mit dem frühneuzeitlichen Militär eines thüringischen Staates befasste, legte der meiningische Hauptmann M. v. Eelking im Jahre 1863 vor.25 Er beschäftigte sich auf immerhin mehr als einhundert Seiten mit der meiningischen Militärgeschichte seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. Die Tatsache, dass sich Eelkings Ausführungen mehrfach anhand archivalischen Quellenmaterials bestätigen lie22 23
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Johann Werner KRAUSS, Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlich SachsenHildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landes-Historia, Bd. 1, Hildburghausen 1750, S. 1. In dieser Tradition steht u. a. August MÜLLER, Geschichtliche Übersicht der Schicksale und Veränderungen des Großherzoglich Sächsischen Militairs während der glorreichen Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Carl August zur ehrerbietigsten Feyer Höchst Dessen fünfzigsten Regierungs-Festes, Weimar 1825. Diesem Werk sind erstmals gedruckte Informationen zum Militär Sachsen-Weimars der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu entnehmen. Zu den in dieser Zeit erschienenen Arbeiten gehören: Gustav JACOBS, Geschichte der Feldzüge und Schicksale der Gotha-Altenburgischen Krieger in den Jahren 1807 bis 1815, Altenburg 1835; Ludwig v. SEEBACH, Geschichte der Feldzüge des Herzoglich Sachsen-Weimarischen Scharfschützen-Bataillons im Jahre 1806 und des InfanterieRegiments der Herzöge von Sachsen in den Jahren 1807, 1809, 1810 und 1811, Weimar 1838; C. GEISSLER, Geschichte des Regiments der Herzoge zu Sachsen unter Napoleon mit der großen Armee im russischen Feldzuge 1812, Eisenach 1840; Friedrich SCHNEIDEWIND, Das Regiment der Herzöge von Sachsen in den blutigen Tagen des 4. und 5. August 1809, Aschaffenburg 1852. Max v. EELKING, Geschichte des herzoglich Sachsen-Meiningischen Contingents, Meiningen 1863. Eelkings Arbeit wurde 1875 im Rahmen eines kleinen Werkes vom meiningischen Obristleutnant v. Mauderode u. a. um die Ereignisse des Krieges 1866 ergänzt, vgl. Bodo v. MAUDERODE, Gedenkblätter an die Kriegsfahrten und Erlebnisse des ehemaligen Herzoglich Sachsen-Meiningischen Contingents von dessen Gründung 1807 bis zu dessen Einverleibung in die preußische Armee 1867, Meiningen 1875.
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ßen, legt die Vermutung nahe, dass der Autor tatsächlich im Meininger Archiv recherchiert hatte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte damit das Militär des Fürstentums Sachsen-Meiningen zum vergleichsweise am besten erforschten Heerwesen der thüringischen Staaten. Daran änderten auch die etwa zeitgleich vom Gothaer Archivar A. Beck publizierten Ergebnisse zur Landesdefension Sachsen-Gothas im 17. Jahrhundert nichts.26 Für die Zeit von der Reichseinigung bis zum Ersten Weltkrieg ist keine wesentliche Veränderung in der militärgeschichtlichen Forschungslage zu verzeichnen. Zwar erschienen während des Kaiserreiches zahlreiche offiziöse Geschichten thüringischer Regimenter, die ihre militärische Tradition auf ernestinische Truppen des 18. Jahrhunderts zurückführten, doch fand die frühneuzeitliche Militärgeschichte hier allenfalls als Randnotiz einen Platz.27 Den Schwerpunkt bildeten hier erneut die Napoleonischen Kriege sowie die Kriege um die Reichseinigung, mit denen sich die Zeitgenossen offensichtlich mehr identifizieren konnten. Für die Frühe Neuzeit enthalten diese Regimentsgeschichten nicht immer zuverlässige oder gar quellenbasierte Informationen.28 Eine umfassendere quellengestützte Erforschung der frühneuzeitlichen militärischen Zustände in Thüringen begann gegen Ende der 1920er Jahre, als sich der Gothaer Archivar W. Schmidt-Ewald intensiv mit den Landesaufgeboten der thüringischen Staaten vom 15. bis zum 17. Jahrhundert befasste.29 In den nächsten Jahren wurde der Untersuchungszeitraum auf das 26 27
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Becks Ergebnisse betten sich in seine umfassende Biographie zu Ernst dem Frommen ein, vgl. BECK, Ernst der Fromme, Herzog zu Sachsen-Gotha-Altenburg – Ein Beitrag zur Geschichte des siebzehnten Jahrhunderts, Bd. 1, Weimar 1865, S. 343–351. Eduard v. HEYNE, Geschichte des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen), Weimar 1869; Georg LANTZ, Geschichte der Stammtruppen des 6. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 95, Braunschweig 1898; H. v. DÖRING, Geschichte des 7. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 96, Berlin 1890; Karl v. HAGEN, Geschichte des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen), Berlin 1906; Leo v. PFANNENBERG, Geschichte des Infanterie-Regiments Großherzog von Sachsen Nr. 94 und seiner Stammtruppen 1702–1912, Berlin 1912. Nach dem Ersten Weltkrieg erschienen mehrere Kriegsgedenkbücher, die zeitgenössische militärische Formationen ebenfalls in Tradition zum 18. Jahrhundert sahen, vgl. u. a. Eleonore v. BOJANOWSKI, Thüringen im Weltkrieg. Vaterländisches Kriegsgedenkbuch in Wort und Bild für die thüringischen Staaten, Bd. 1, Leipzig 1921, S. 49. Unter dem Titel „Absolutismus und Soldatenspielerei“ geht es auf das ernestinische Militärwesen im Alten Reich ein. Die Regimentsgeschichten greifen für die Frühe Neuzeit meist auf gedrucktes Quellenmaterial des ausgehenden 18. Jahrhunderts zurück. Fanden archivalische Recherchen statt, waren diese entweder wenig umfangreich oder durch mangelnde Quellenverweise nicht nachvollziehbar. Walter SCHMIDT-EWALD, Das Landesaufgebot im westlichen Thüringen vom 15.– 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 36 (1929), S. 6–58.
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18. Jahrhundert erweitert und bis 1936 das Militärwesen des Herzogtums Sachsen-Weimar von den Jenaer Historikern H. Müller und G. Mentz30 auf archivalischer Grundlage erschlossen.31 Auch wenn man Müller nicht in allen Ausführungen zustimmen möchte, ist es dennoch bemerkenswert, dass seine Arbeit bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sozialgeschichtliche Fragestellungen berücksichtigte und u. a. Themenbereiche wie Werbung, Heirat, Beurlaubung und Einquartierung in die Untersuchung eingeflossen waren. Während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierte die Forschung erneut. Militärgeschichtliche Themen erfreuten sich nach 1945 allgemein keiner großen Beliebtheit, sodass Forschungen und Publikationen hier ausblieben. In diesem Zusammenhang ist eine bis 1954 vom Meininger Archivar U. Heß verfasste, sehr ergiebige und umfangreiche Untersuchung zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums SachsenMeiningen, die bedauerlicherweise nur maschinenschriftlich vorliegt, zu sehen.32 Obwohl Heß ansonsten äußerst akribisch und quellennah arbeitete, bezog er sich im Kapitel zum Militärwesen größtenteils auf bereits publizierte Quellen oder regionalgeschichtliche Literatur. Dabei gestaltete sich das Umfeld in der Deutschen Demokratischen Republik keinesfalls derart militärgeschichtsfeindlich, wie man annehmen könn-
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Biographische Daten zum Jenaer Geschichtsprofessor G. Menz vgl. Herbert GOTTWALD, Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Uwe HOSSFELD (Hg.), Kämpferische Wissenschaft: Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Köln 2003, S. 915. Hermann MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar von 1702–1775. Ein Beitrag zur Thüringischen Geschichte des 18. Jahrhunderts, Jena 1936; siehe Kapitel 5 „Heerwesen“ bei Georg MENTZ, Weimarische Staats- und Regentengeschichte vom Westfälischen Frieden zum Regierungsantritt Carl Augusts (= Carl August. Darstellungen und Briefe zur Geschichte des Weimarischen Fürstenhauses und Landes, Bd. 1), Jena 1936, S. 144–154. Im Vorjahr hatte der Berliner Historiker J. Frankenstein eine politikgeschichtlich orientierte Studie zum Verhalten Sachsen-Gotha-Altenburgs während des Ersten Koalitionskrieges publiziert, vgl. Julius FRANKENSTEIN: Die auswärtige Politik Sachsen-Gotha-Altenburgs und der Reichskrieg gegen Frankreich bis zum Ausscheiden des Herzogtums (1790–1797), Berlin 1935. An die bereits für Sachsen-Weimar erbrachten Forschungsergebnisse knüpfte an: Marcus VENTZKE, Das Herzogtum SachsenWeimar-Eisenach 1775–1783. Ein Modellfall aufgeklärter Herrschaft? (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 10), Köln/Weimar/Wien 2004, der im Rahmen eines Kapitels die weimarische Militärreform sowie Landesdefension und Soldatenwerbung thematisierte. Das Kapitel zum Militärwesen findet sich bei Ulrich HESS, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Coburg-Meiningen 1680– 1829, Bd. 2, Meiningen 1954, S. 349–369. Redigiert von Katharina Witter und als Onlinepublikation des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen verfügbar unter: http://www.thueringen.de/imperia/md/content/staatsarchive/meiningen/texte/hess_b and_ii.pdf, Stand: Oktober 2014.
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te.33 Tatsächlich existierte – getragen durch wenige Spezialisten wie H. Schnitter – ein militärgeschichtlicher Diskurs, dessen Mangel es war, zu borussozentrisch und methodisch zu begrenzt ausgerichtet zu sein.34 Die Erforschung der frühneuzeitlichen Militärgeschichte der ernestinischen Staaten hatte in dieser Situation keinen Platz. Vielmehr fanden sich nur vereinzelte Bezüge zum Militärwesen in verschiedenen Nachbardisziplinen wie beispielsweise der Volkskunde. Im Jahre 1988 legte die Volkskundlerin H. Raschke eine methodisch bereits weit fortgeschrittene Arbeit zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Gothaer Stadtbevölkerung vor.35 Im Rahmen dieser Arbeit, die in der Tradition von J. Kuczynskis alltagshistorischen Untersuchungen steht,36 befasste sich die Verfasserin u. a. mit der städtischen Militärbevölkerung Gothas.37 Raschke stellte ihre Beschäftigung mit den gothaischen Soldaten, die nur einen kleinen Teil ihrer Arbeit ausmacht und daher durchaus Ergänzungen bedarf, auf eine schmale archivalische Quellenbasis. Dennoch zeigen ihre Quellenauswertungen, welch hohen Erkenntnisgewinn bislang vernachlässigtes alltags- und sozialhistorisches Quellenmaterial erwarten lässt. Bis zum heutigen Tag konnte an die 1936 und 1988 von H. Müller und H. Raschke gelieferten methodischen Vorlagen nicht angeknüpft werden. Eine Weiterentwicklung im Sinne neuerer Forschungsmethoden erfolgte nicht. Stattdessen wurde das Forschungsfeld zahlreichen Laienforschern überlassen, die sich gemäß der Tradition des 19. Jahrhunderts nahezu ausschließlich auf formationsgeschichtliche oder uniformkundliche Aspekte des
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Ludwig RENN, Helmut SCHNITTER, Krieger, Landsknecht und Soldat, Berlin 1976 wurde vom Kinderbuchverlag Berlin herausgegeben und wandte sich dezidiert an eine junge Leserschaft. Zu Organisation und institutionellen Defiziten der Militärgeschichtsschreibung in der DDR vgl. Jürgen ANGELOW, Forschung in ungelüfteten Räumen. Anmerkungen zur Militärgeschichtsschreibung der ehemaligen DDR, in: Benjamin ZIEMANN, Thomas KÜHNE (Hg.), Was ist Militärgeschichte? (= Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn 2000, S. 73. Es handelte sich um eine Dissertation, die unter dem Titel „Klassen und Schichten von 1640 bis 1740“ an der Universität Berlin eingereicht wurde. Einige wenige Auszüge dieser Arbeit erschienen 1991 unter Helga RASCHKE, Gotha als Residenzstadt von SachsenGotha-Altenburg und Sachsen-Coburg-Gotha, in: FORSCHUNGSBIBLIOTHEK GOTHA (Hg.), Residenzstädte und ihre Bedeutung im Territorialstaat des 17. und 18. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, Heft 29), Gotha 1991, S. 9–26. Eine überarbeitete Form der Dissertation erschien unter Helga RASCHKE, Bevölkerung und Handwerk einer thüringischen Residenzstadt. Gotha zwischen 1640 und 1740, Bucha 2001. Vgl. Jürgen KYCZYNSKI, Geschichte des Alltags des deutschen Volkes 1650–1810, Bd. 2, Köln 1982. RASCHKE, Bevölkerung und Handwerk einer thüringischen Residenzstadt, S. 303 f.
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Militärwesens beschränkt haben, dabei aber den Soldaten selbst und das, „was ihn umtrieb“, vollends vernachlässigen.38 Dies ist umso unverständlicher, als in ganz Thüringen reichhaltiges und ungesichtetes archivalisches Material zur Verfügung steht. Dessen Auswertung lässt in vielerlei Hinsicht neue Ergebnisse erwarten. Dort, wo archivalisches Material ansatzweise ausgewertet wurde, hat der Mangel an modernen methodischen Ansätzen die Gewinnung weiterführender Ergebnisse verhindert. Dahingehend muss in der Gesamtschau konstatiert werden, dass eine wissenschaftlich motivierte Militärgeschichte der Frühen Neuzeit in Thüringen derzeit nicht existiert. Die vorliegende Untersuchung möchte in dieser Hinsicht Pionierarbeit leisten und sieht sich zudem als Modellvorlage für zukünftige Forschungen im regionalen Rahmen. 1.2.2 Zum Fürstentum Sachsen-Hildburghausen Die Erforschung und Darstellung der Geschichte Sachsen-Hildburghausens begann bereits im 18. Jahrhundert, als der Eisfelder Superintendent J. W. Krauß39 sein Herzog Ernst Friedrich III. Carl gewidmetes vierbändiges Werk „Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlich Sachsen-Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landes-Historia“ vorlegte.40 Krauß, der zugleich Historiker und Zeitgenosse des Fürstentums war, konzentrierte sich in seinem Werk sowohl auf historische Entwicklungen seit dem Mittelalter als auch auf zeitgenössische Ereignisse. Zu vielen erwähnten Vorkommnissen bzw. auftretenden Personen hatte er einen aktuellen Bezug bzw. war mit diesen persönlich bekannt. Besonders die von Krauß zusammengestellten zahlreichen biographischen Hinweise zu Pfarrern, Amtmännern, Offizieren oder Hofbediensteten ma-
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Zu diesen Arbeiten gehören u. a. der Sammelband von THÜRINGER LANDESMUSEUM HEIDECKSBURG RUDOLSTADT (Hg.), Das Schwarzburger Militär. Truppengeschichte, Bewaffnung, Uniformierung (= Beiträge zur schwarzburgischen Kunst- und Kulturgeschichte, Bd. 2), Rudolstadt 1994; MERTA, Das Militär der sächsischen Herzogtümer in Thüringen 1806–1866, Potsdam 1996; Ulrich SCHIERS, Das Militär in den Thüringischen Staaten 1485–1918, in: Konrad SCHEURMANN (Hg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Bd. 2, Mainz 2004, S. 424–427 versucht die Militärgeschichte auf drei Seiten darzustellen; Ulrich SCHIERS (Hg.), „Mit Gott für Fürst und Vaterland“. Das Militär der mitteldeutschen Kleinstaaten von 1815 bis 1918, Gotha 2005. Biographisches zu Krauß, vgl. Hans GAUSS, Eisfelder Persönlichkeiten, in: FREUNDE VON KIRCHE UND SCHLOSS EISFELD E.V. (Hg.), Eisfeld in Geschichte und Gegenwart, Eisfeld 2002, S. 135 f. Johann Werner KRAUSS, Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlich SachsenHildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landes-Historia, 4 Bde., Hildburghausen 1750–1754.
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chen sein Werk nach wie vor zu einer wichtigen Quelle regionalgeschichtlicher Forschungen. Aufgrund des im Jahre 1826 geschlossenen Hildburghäuser Teilungsvertrages wurde das ehemalige hildburghäusische Territorium in das Herzogtum Sachsen-Meiningen einverleibt. Dennoch widmete sich die historische Forschung des 19. Jahrhunderts kaum dem nun verschwundenen Territorium. Der größte Teil der damaligen Forschungsgemeinde fand sich in lokalen Altertums- und Geschichtsvereinen zusammen.41 Zu den bedeutendsten zählten der Hennebergische Altertumsforschende Verein und der Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde, die trotz ihrer lokalen Zuständigkeit das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen zunächst vernachlässigten. Daher erschienen im gesamten 19. Jahrhundert nur einzelne und wenig gehaltvolle Kurzdarstellungen, die sich aus ihrer Perspektive heraus meist verächtlich über die territorialstaatlichen Zustände des 18. Jahrhunderts äußerten.42 Das Ende Sachsen-Hildburghausens als eigenständiges Territorium hat dazu geführt, dass die Geschichte des Fürstentums mit der Geschichte der Residenzstadt verknüpft wurde. Stadthistorische Forschungen besaßen damit gleichzeitig auch Relevanz für die Territorialgeschichte SachsenHildburghausens. Der Hildburghäuser Superintendent und Historiker R. A. Human ist seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts untrennbar mit diesem Ansatz verbunden.43 Seine erstmals im Jahre 1886 publizierte quellennahe „Chronik der Stadt Hildburghausen“ beinhaltet sowohl Stadt- als auch Territorial- und Regentengeschichte und ist nach wie vor als Überblicks- und Nachschlagewerk von großer Bedeutung.44 Bis zu seinem Tod im Jahre 1923 publizierte Human noch mehrere Monographien und wissenschaftliche Artikel zu
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43 44
Zur Forschungslandschaft in Thüringen vgl. Konrad MARWINSKI, Thüringens Museumslandschaft und die Geschichtsvereine, in: Jürgen JOHN (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar 1994, S. 435–441. Zu diesen Schriften zählen u. a. Friedrich HOFMANN, Das Ackerkreuz. Ein Nachtstück aus dem patriarchalischen Staat, in: Die neue Gartenlaube 12 (1864), S. 760–1762; Otto KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogthums [sic!] Sachsen- Hildburghausen, in: Programm der Realschule zu Weimar. Ostern 1864, Weimar 1864, S. 1–8; L. G., Die Garnison von Hildburghausen jetzt und vor hundert Jahren, in: Die Grenzboten – Zeitschrift für Politik und Literatur 28/1.2 (1869), S. 34–38. Zur Biographie Humans vgl. Hans-Peter WULFF-WOESTEN, Rudolf Armin Human – ein bedeutender Theologe, Historiker und Forscher, in: Jahrbuch des HennebergischFränkischen Geschichtsvereins 18 (2003), S. 9–37. Vgl. Rudolf Armin HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, Hildburghausen 1886. Eine weitere Ausgabe ist Ders., Die Chronik der Stadt Hildburghausen (= Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde, H. 59), Hildburghausen 1908 und Ders., Die Chronik der Landdiözese Hildburghausen I (= Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde, H. 81), Hildburghausen 1922.
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Themenbereichen der Hildburghäuser Geschichte, blieb in seinem Schaffen jedoch eine Ausnahme. Humans Zeitgenosse A. Buff hatte sich ebenfalls durch zahlreiche Veröffentlichungen um die Hildburghäuser Geschichte verdient gemacht.45 Im Gegensatz zu Human publizierte Buff, der ebenfalls quellennah recherchierte, einen Großteil seiner Arbeiten als Artikel in lokalen Tageszeitungen oder populärwissenschaftlichen Organen. Dies war bei zahlreichen ernstzunehmenden Lokalhistorikern der Fall, die ihre Aufgabe weniger im wissenschaftlichen Diskurs als mehr in der historischen Bildung der Stadt- und Landbevölkerung sahen. Den nach Human bedeutendsten Beitrag zur Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen leistete der Eisfelder Lehrer und Historiker E. Dahinten46 im Jahre 1938 mit dem vierten Band seines umfangreichen Werkes „Geschichte der Heimat“.47 Anders als der Titel möglicherweise vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine ernsthafte und auf zahlreichen ungesichteten Archivalien basierende lokalgeschichtliche Studie, die – im Gegensatz zu anderen Arbeiten – Quellenangaben nachweist. Dahinten geht innerhalb seines Werkes auf alle Bereiche des frühneuzeitlichen Staatswesens ein: Neben einem überblicksartigen Abschnitt zum Militärwesen finden sich Kapitel zum Verwaltungs- und Justizwesen, aber auch zur Finanz-, Wirtschaftsund Außenpolitik des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen. Dort, wo die Beschäftigung mit Sachsen-Hildburghausen über den regionalgeschichtlichen Rahmen hinausging, wurde meist die Regentengeschichte in den Mittelpunkt gestellt. In diesem Zusammenhang erfuhr der bereits im 18. Jahrhundert überregional bekannte Prinz Joseph Friedrich v. SachsenHildburghausen besondere Aufmerksamkeit. Seine tragische Rolle im Siebenjährigen Krieg wurde erstmals im Jahre 1904 vom Dresdner Archivar A. Brabant aufgearbeitet.48 45
46 47 48
Biographie und ausführliches Schriftenverzeichnis Albert Buffs bei Michael RÖMHILD, Albert Buff (1877–1966) – zweiter Vorsitzender des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins von 1935–1941, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 28 (2013), S. 9–40. Buff hinterließ zudem etwa neunzig unpublizierte Manuskripte. Zur Biographie Ernst Dahintens, vgl. Renate GAUSS, Dr. h. c. Ernst Dahinten (1885– 1969), in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 23 (2008), S. 201–209. Vgl. Ernst DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, Eisfeld 1938. Artur BRABANT, Joseph Friedrich, Herzog von Sachsen-Hildburghausen, des Heiligen Römischen Reichs teutscher Nation Generalissimus 1757 (= Das Heilige Römische Reich teutscher Nation im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1), Berlin 1904. Eine populärwissenschaftliche Aufarbeitung der Lebensgeschichte des Prinzen, vgl. Frank HUSS, Prinz Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen – Der Erbe des Prinzen Eugen, Wien 2004.
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Eine ähnliche Absicht brachte den bayerischen Archivar H. F. Schöppl kurz vor dem Ersten Weltkrieg dazu, sich mit dem hildburghäusischen Fürstenhaus zu befassen. Aus dieser Beschäftigung resultierte eine 1917 in Bozen publizierte, umfassende, biographisch angelegte Regentengeschichte SachsenHildburghausens und Sachsen-Altenburgs, die u. a. auf Human und Brabant aufbaute.49 Obwohl auch Schöppl Archivalien konsultierte, basiert sein Werk hauptsächlich auf gedruckten Quellen und Literatur. Auch wenn der Autor auf Fußnoten vollständig verzichtete, leistete er mit seiner Arbeit den bislang wichtigsten Beitrag zur Regentengeschichte Sachsen-Hildburghausens. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Erforschung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen keine weiteren Fortschritte gemacht. Die in den Jahren 1947 bis 1950 erfolgte Abtragung des durch Kriegseinwirkung stark beschädigten Hildburghäuser Schlosses führte zu einem weiteren Identitätsverlust. Zudem bot das in der DDR propagierte unkritische und stark überzeichnete Absolutismusbild wenig Anreize für eine wissenschaftliche Erforschung dieser Epoche der Lokalgeschichte. In einer 1966 erschienenen Handreichung für Lehrer des Landkreises Hildburghausen heißt es u. a. plakativ: „Für die Hildburghäuser Herzöge waren die Untertanen nur dazu da, die Mittel für ihre Repräsentationssucht aufzubringen.“50 In dieser Umgebung war eine wissenschaftliche Beschäftigung, die neue und gegen den allgemeinen Kanon laufende Ergebnisse hätte zu Tage fördern können, ausgeschlossen. Es verwundert daher wenig, dass die Arbeiten von Human, Schöppl und Dahinten nach wie vor als grundlegende Referenzwerke zur Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen herangezogen werden. Daran änderte auch die von W. Huschke verfasste und 1982 erschienene Überblicksdarstellung zu den ernestinischen Staaten im 18. Jahrhundert, die sich als wichtiger Beitrag in die „Geschichte Thüringens“ einfügte, wenig.51 Obwohl auch dem Fürstentum Sachsen-Hildburghausen breiter Raum zugestanden wurde,52 griff Huschke bei seiner Abhandlung ausschließlich auf bereits bekannte gedruckte Quellen und Literatur zurück. Bei genauerer Betrachtung des gesamten Themenfeldes zeigt sich, dass bislang nur kleine Teilaspekte der Geschichte des Fürstentums erforscht sind. Dazu gehören v.a. die Münz-53 und Postgeschichte54 Sachsen49 50 51 52 53
Vgl. Heinrich SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg ehemals von Hildburghausen, Bozen 1917. ABTEILUNG VOLKSBILDUNG BEIM RAT DES KREISES (Hg.), Der Kreis Hildburghausen. Die Geschichte des Kreises Hildburghausen von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Hildburghausen 1966, S. 55. HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 6–551. Ebd., S. 502–525. Vgl. Jenny HOLLMANN, Münzgeschichte des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen 1680–1826, Hildburghausen 1994.
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Hildburghausens sowie das jüdische Leben55 in Hildburghausen und die Geschichte der hugenottischen Siedlung.56 Nach wie vor gehört aber die in ihren Details weitestgehend im Dunkeln liegende Finanzgeschichte57 sowie die Geschichte der hildburghäusischen Landstände mit ihren wechselhaften Beziehungen zum Herrscherhaus zu den bedeutendsten Forschungsdesideraten des Fürstentums.58 Die umfassende Forschungslücke zur militärischen Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen wurde indes mit vorliegender Untersuchung geschlossen.
1.3 Archivalische Quellenlage und Quellentypen „[…] wie denn Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht bestens wird bewußt seyn, daß etliche Mann auf Hochfürstlichen Befehl der Fürstlichen Frau Mutter ihre Abschied sollten bekommen und die es uns betroffen, sind herzlich betrübt und hetten gerne dem Hochfürstlichen Hauße Hildburghaußen länger dienen wollen.“59 Hildburghäusische Gardegrenadiere an Herzog Ernst Friedrich II., 1724
Eine umfassende Untersuchung zum Militär des Fürstentums SachsenHildburghausen muss auf der Grundlage einer akribischen Aufarbeitung des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials erfolgen. Es wurde bereits ange54 55
56 57
58
59
Vgl. Hans-Jürgen SALIER, Aus der Postgeschichte von Hildburghausen. Beiträge zur postgeschichtlichen Forschung, Suhl 1976. Vgl. Rudolf Armin HUMAN, Geschichte der Juden im Herzogtum Sachsen-MeiningenHildburghausen (= Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde, H. 30), Hildburghausen 1898; Hans NOTHNAGEL, Karl-Heinz ROSS, Juden in Hildburghausen – ein chronikalischer Überblick von 1331–1943, in: HANS NOTHNAGEL (Hg.), Juden in Südthüringen geschützt und gejagt. Über jüdisches Leben im mittleren Werra- und Rennsteiggebiet, Bd. 2, Suhl 1999, S. 11–73. Vgl. Rudolf Armin HUMAN, Die französische Colonie in Hildburghausen, Magdeburg 1896. Kurze überblicksartige Darstellungen lieferte Katharina WITTER, Drohender Staatsbankrott in Sachsen-Hildburghausen, in: Hans HOFMEISTER (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Weimar 1999; Dies., Verschwendung und Sparsamkeit: Die Finanzverwaltung am Hof, in: Konrad SCHEURMANN (Hg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Bd. 1, Mainz 2004. Ausführlich und quellennah widmete sich S. Westphal der Finanzgeschichte Sachsen-Hildburghausens im Zusammenhang mit der kaiserlichen Schuldenkommission, vgl. Siegrid WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648–1806 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 43), Weimar 2002, S. 277–431. Katharina WITTER, Die Landstände in den Fürstentümern Meiningen und Hildburghausen, in: THÜRINGER LANDTAG (Hg.), Landstände in Thüringen. Vorparlamentarische Strukturen und politische Kultur im Alten Reich (= Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Bd. 27), Weimar 2008, S. 234–262. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 560r.
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deutet, dass sich die Relevanz einer Untersuchung des hildburghäusischen Militärs auch aus den reichhaltig vorhandenen archivalischen Quellen ergibt. Hinsichtlich der Überlieferung militärhistorisch interessanten Archivmaterials des 18. Jahrhunderts hebt sich Sachsen-Hildburghausen von den anderen fünf gothaischen Nebenlinien deutlich ab: Sachsen-Römhild, SachsenEisenberg und Sachsen-Saalfeld verfügten über keinerlei Streitkräfte und bestanden als Territorien vergleichsweise nur kurz. Eine umfassendere auswertbare Quellenüberlieferung existiert hier nicht. Sachsen-Coburg hingegen verfügte über eine schwache Landesdefension und eine Schlossgarde, doch lähmte der lang andauernde Sukzessionskonflikt (1699–1735) die Entwicklung eines eigenständigen Staatswesens bedeutend. Die fehlende dynastische Konstanz machte hier jegliche militärischen Ambitionen zunichte und führte im Bereich des Militärwesens zu einer inkonsistenten archivalischen Überlieferung.60 Obwohl das Quellenmaterial umfassender ist, stellt sich die Situation im Falle Sachsen-Meiningens ebenfalls ernüchternd dar. Jenseits der Landesdefension und des daraus formierten Reichskontingents existierten keine weiteren Truppen. Zudem ist die archivalische Überlieferung zum Militär im 18. Jahrhundert extrem lückenhaft. Sie umfasst im Wesentlichen ein Dutzend Aktenbände, die allesamt aus losen Blattsammlungen bestehen.61 Umfang und Laufzeit der einzelnen Bände haben kein Verhältnis und schwanken teilweise beträchtlich, sodass eine Auswertung gleichmäßiger Tiefe unmöglich ist. In Sachsen-Hildburghausen finden sich dahingehend wesentlich günstigere Umstände. Das Thüringische Staatsarchiv Meiningen verwahrt im Bestand des Geheimen Archivs Hildburghausen den größten Teil der militärischen Überlieferung des Fürstentums. Es handelt sich in der Hauptsache um 81 Aktenbände, die Dokumente zu allen Bereichen des kleinstaatlichen Militärwesens vom Pfälzischen Erbfolgekrieg bis hin zur Einsetzung der hildburghäusischen Debitkommission im Jahre 1770 enthalten.62 Insgesamt zwölf Aktenbände zum hildburghäusischen Militär aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurden dem Bestand des meiningischen Staatsministeriums des Innern zugewiesen.63 Sie enthalten vornehmlich Informationen zur Lan60 61
62 63
Vgl. BayStA Co, LAF (Landesarchiv, Abt. F). Vgl. ThStAM, GA Mgn, VII, J. Etwa die Hälfte der Überlieferung besteht aus Konzeptpapieren, die aus der Korrespondenz von Regierungsbeamten mit dem sich längerfristig in Frankfurt aufhaltenden Herzog Anton Ulrich resultierten. Inhaltlich handelt es sich hauptsächlich um Berichte zu aktuellen und lokalen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg. Vgl. ThStAM, GA Hbn. Die Akten verteilen sich sowohl auf GA Hbn als auch auf GA Hbn, XXII. Der Bestand ThStAM, SM, Inneres enthält darüber hinaus die militärische Überlieferung Sachsen-Hildburghausens bis 1826.
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desdefension dieser Zeit sowie zum Reichskontingent des Ersten Koalitionskrieges. Weitere 26 Aktenbände hildburghäusischer Provenienz, die für die Militärgeschichte des Fürstentums relevant sind, verteilen sich auf verschiedene andere Bestände. Sie finden sich vornehmlich im Bestand „Finanzarchiv Geschichtliches“, in der Zinck-Mattenberg-Sammlung, dem Amtsarchiv Heldburg und der Kaiserlichen Debitkommission Hildburghausen. Die archivalische Überlieferung zum hildburghäusischen Militär erscheint – soweit dies aus heutiger Sicht beurteilbar ist – nahezu komplett. Einzige Ausnahme bildet eine Lücke in den Aktenbeständen, die sich von etwa 1755 bis 1765 erstreckt und damit auch die Zeit des Siebenjährigen Krieges umfasst. Zum hildburghäusischen Reichskontingent, das in diesem Konflikt eingesetzt war, lassen sich daher keine quellenbasierten Aussagen und Ergebnisse erschließen. Die aus dem Meininger Material gewonnenen Informationen werden durch 13 dünne Aktenbände ergänzt, die im Kreisarchiv Hildburghausen verwahrt werden und Aufschluss über die Perspektive der residenzstädtischen Verwaltung auf das Militär geben. In der Gesamtheit erfasst man mit diesen 132 Aktenbänden die komplette archivalische Überlieferung des hildburghäusischen Militärwesens. Die Bände wurden, neben ergänzenden Quellen, im Rahmen der vorliegenden Arbeit umfassend ausgewertet.64 Innerhalb dieses reichen Quellenfundus lassen sich verschiedene Quellentypen unterteilen, die mit unterschiedlicher Aussagekraft zur Erschließung des hildburghäusischen Militärs beitragen. Die nachfolgende Erörterung stellt die wichtigsten dieser Quellentypen vor: Mannschaftslisten/Musterungslisten wurden vom Musterschreiber meist in tabellarischer Form angelegt bzw. fortgeführt und enthalten bei detaillierter Ausführung persönliche und dienstliche Informationen zu den Soldaten einer Einheit. Neben dem Namen eines Soldaten können die Mannschaftslisten vor allem Daten zu Alter, Herkunft, Familienstand, militärischer Erfahrung und Desertionsversuchen beinhalten. In jedem Fall erlaubt die Mannschaftsliste zum Zeitpunkt ihrer Erstellung eine quantitative Einschätzung eines Truppenteils. Wurde die Liste detailliert genug geführt und sind ausreichend Soldaten in ihr verzeichnet, wird eine statistische Auswertung möglich. Diese lässt übergeordnete Aussagen, beispielsweise zur Sozialstruktur einer Truppe, aber auch zur Werbemethode des Territoriums zu. Für SachsenHildburghausen liegt eine Vielzahl an Mannschaftslisten vor, die sich jedoch 64
Weiteres vereinzeltes Archivmaterial hildburghäusischer Provenienz lagert im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg. Es gelangte mit dem Umzug Herzog Friedrichs 1826 dorthin und befindet sich im Bestand des Hausarchivs verteilt sowie zusammengefasst als Anhang zum Geheimen Archiv Altenburg. Die Überlieferung umfasst Haus- und Privatangelegenheiten, insbesondere Dienstbestallungen und Nachlassangelegenheiten und erwies sich im Zusammenhang mit dem Militär als nicht ergiebig.
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qualitativ stark unterscheiden. Vom Ende des 17. Jahrhunderts bis in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts existieren zahlreiche Musterungslisten des Landregiments. Da der Großteil dieser Listen lediglich die Namen der Soldaten enthält, können sie keine über eine schlichte Quantifizierung der Truppen hinausgehenden Ergebnisse erbringen.65 Lediglich zwei Listen aus den Jahren 1745 und 1798 erlauben differenzierte Einblicke, die durch eine komparative Untersuchung Entwicklungslinien aufzeigen können.66 Ähnlich gestaltet sich die Situation bei den fürstlichen Garden, von denen etwa ein Dutzend Mannschaftslisten vorliegen, jedoch nur drei detailliert auswertbar sind.67 Glücklicherweise sind die Entstehungsjahre der drei Listen – 1720, 1735 und 1752 – derart gleichmäßig verteilt, dass eine differenzierte Betrachtung möglich wird. Von den hildburghäusischen Reichskontingenten hinterließen lediglich die Kontingente des Spanischen Erbfolgekrieges sowie des Ersten Koalitionskrieges detaillierte Mannschaftslisten.68 Die Liste aus dem Spanischen Erbfolgekrieg wurde bei Anwerbung des Reichskontingents im Jahre 1703 begonnen und bis Mitte 1704 fortgeführt. Sie bildet damit nur die Zustände bis Kriegsausbruch ab, zählt dafür mit ihren sechzig Seiten aber zu den ausführlichsten Mannschaftslisten überhaupt. Darüber hinaus existieren noch etwa zwei Dutzend summarische Listen, die der Hauptmann des Kontingents seinen regelmäßigen Rapporten beilegte. Sie enthalten lediglich die Namen der Soldaten und sollten Auskunft über Mannschaftsstärke und Ausfälle geben. Während des Ersten Koalitionskrieges verzichtete man fast vollständig auf das Anlegen von Mannschaftslisten. Stattdessen führte der Hauptmann des Kontingents das sogenannte Stammbuch mit sich. In diesem von 1795 bis 1799 geführten Buch war jedem Soldaten eine Seite zugedacht, die mit persönlichen und dienstlichen Informationen gefüllt wurde und ständig erweitert werden konnte. Kompanierechnungen/Lieferantenrechnungen geben zunächst Auskunft über Einnahmen und Ausgaben einer Kompanie. Die Kompanierechnungen können Informationen zu Besoldung, Abschieden, Instandhaltung und Einquartierung liefern. Bei genauerer Auswertung lassen sich anhand der seriellen Daten u. a. Rückschlüsse auf die Ausrüstung der Soldaten ziehen, so wie Ausgaben für medizinische Zwecke es erlauben, Aussagen zum Gesundheits65 66 67 68
Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 22–25. Kreisarchiv Hildburghausen (KreisA Hbn), Stadt Hildburghausen, 279/2000 und 279/2010. Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, Mannschaftsliste der Garde 1720; ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735; KreisA Hbn, Stadt Hildburghausen, 306a/2061. Für die Garde du Corps liegt nur eine undetaillierte Liste vor. Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704; ThStAM, Regimentskommando Meiningen, 58 (Stammbuch des Reichskontingents 1795–1799).
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zustand der Soldaten zu treffen. Für Sachsen-Hildburghausen haben sich umfangreichere Kompanierechnungen der Grenadiergarde lediglich aus der Regierungszeit Ernst Friedrichs II. erhalten.69 Sie werden durch Lieferantenrechnungen ergänzt, die genauere Informationen zur Uniformierung und zu den Ausrüstungsgegenständen liefern können. Besonders im Bereich der Schneiderrechnungen finden sich des Öfteren beigelegte Stoffproben, die über Farbe und Verarbeitung der Uniformstoffe Auskunft geben und damit eine Rekonstruktion bedeutend erleichtern. Verhörprotokolle und Kriegsgerichtsunterlagen entstanden im Umfeld der Militärjustiz. Abgefasst wurden die Verhörprotokolle auf der Grundlage eines Verhörs, das einem etwaigen Kriegsgerichtsprozess vorgelagert war. Anhand der Verhöre und der Schwere des begangenen Rechtsbruches entschied die Militärjustiz anschließend über die Einleitung eines Kriegsgerichtsprozesses. Die Verhörprotokolle berichten vordergründig über Delinquenten und deren Delikte. Im Rahmen vorliegender Untersuchung kommt ihnen jedoch auch jenseits der Strafjustiz- und Kriminalitätsforschung eine große Bedeutung zu: Da die hildburghäusischen Soldaten hier selbst zu Wort kommen und tendenziell sehr ausführlich berichten, eröffnen sich wichtige Einblicke in den frühneuzeitlichen soldatischen Alltag. Dabei stehen weniger die genauen strafrechtlichen Umstände eines Vorfalls im Mittelpunkt als vielmehr die von den Delinquenten beiläufig getätigten Aussagen. Es sind diese – gelegentlich auch „zwischen den Zeilen“ auftauchenden – Aspekte, die Rückschlüsse auf dienstliche und alltägliche Abläufe zulassen.70 Der Fragenkatalog der Verhöre richtete sich nach allgemeinen Vorgaben und wich innerhalb eines ersten Verhörs nicht vom Muster ab. Individuellen Spielraum zeigten hingegen darauf aufbauende Verhöre, wenn sie nach bestimmten unklaren bzw. widersprüchlichen Sachverhalten fragten. In diesem Zusammenhang erwies sich das militärische Verhör als durchaus flexibel und nicht an starre 69 70
Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 43 und XXII, 47. Eine lückenhafte Rechnungsführung zum Landregiment findet sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 53. Die Auswertung dieses Quellentyps stützt sich methodisch auf MOHRMANN, Zwischen den Zeilen und gegen den Strich (1991), S. 234–246; Rudolf VIERHAUS, Die Rekonstruktion historischer Lebenswelten. Probleme moderner Kulturgeschichtsschreibung, in: Ders. (Hg.), Wege zu einer neuen Kulturgeschichte, Göttingen 1995, S. 7–28; Helga SCHNABEL-SCHÜLE, Ego-Dokumente im frühneuzeitlichen Strafprozess, in: Winfried SCHULZE (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (= Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte, Bd. 2), Berlin 1996, S. 295–317; Winfried SCHULZE, Zur Ergiebigkeit von Zeugenbefragungen und Verhören, in: Ders. (Hg.), Ego-Dokumente, S. 319–325; Ralf-Peter FUCHS, Zeugenverhöre als historische Quellen – einige Vorüberlegungen, in: Winfried SCHULZE (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit (= Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Hamburg 2002, S. 7–40.
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Grenzen gebunden. Im Gegensatz dazu zeigt sich das Argumentationsmuster der hildburghäusischen Delinquenten im Allgemeinen als eingängig und wenig komplex. Eine umfassende Auswertung von Argumentationsstrukturen, wie sie im Rahmen ziviler Rechtsquellen erfolgte, scheint in diesem Fall wenig ergiebig.71 Weitere Einblicke in die Abläufe der zeitgenössischen Rechtsprechung erlauben indes Kriegsgerichtsunterlagen. Diese fassten die Verhöre noch einmal summarisch zusammen und dokumentierten die Urteilsfindung der Kriegsgerichtsmitglieder sowie den finalen Urteilsspruch. In den Aktenbänden zum Militär des Fürstentums SachsenHildburghausen wurden Verhörprotokolle und Kriegsgerichtsunterlagen nicht gesondert abgelegt. Die insgesamt etwa zwei Dutzend erhaltenen ausführlichen Verhörprotokolle finden sich teilweise ungeordnet sowie vermischt mit Dokumenten anderer Themenbereiche.72 Offizielle/persönliche Berichte und Suppliken bilden den größten Teil der archivalischen Überlieferung. Im Falle der Berichte handelte es sich dabei nur in den seltensten Fällen um Korrespondenzen, da die Berichterstattung nur einseitig – zum Herzog hin – ablief. Zu den offiziellen Berichten gehören die im Abstand von zwei Wochen abgesandten Schreiben der Kontingentshauptmänner während des Spanischen Erbfolgekrieges. Es ist als Glücksfall zu bezeichnen, dass diese Offiziere von Herzog Ernst angewiesen wurden, in regelmäßigen Abständen vom Kriegsschauplatz zu berichten. Eine ähnliche Weisung erließ auch Herzog Friedrich für das Reichskontingent im Ersten Koalitionskrieg, dessen Berichte in einem Rapportbuch gesammelt wurden.73 Die Offiziere gaben in ihren Berichten u. a. Auskunft über besondere Vorkommnisse sowie über den Zustand und Aufenthaltsort der Reichskontingentskompanie. Da die Einheit nahezu ausschließlich außerhalb des Fürstentums unterwegs war, handelt es sich bei diesen Berichten um die wichtigsten Quellen zur Geschichte der Reichskontingente. Die anderen offiziellen Berichte, denen Bedeutung im militärischen Bereich zukommt, haben unterschiedliche Provenienz. Hier waren es hauptsächlich Regierungsbeamte oder Amtsverwalter, die u. a. über die Umsetzung 71
72
73
Zu Argumentationsmustern aus zivilen Rechtsquellen siehe Christina GERSTENMAYER: Spitzbuben und Erzbösewichter. Räuberbanden in Sachsen zwischen Strafverfolgung und medialer Repräsentation (= Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 27), Konstanz 2013, S. 233–240. Verhörprotokolle befinden sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 34–37 sowie XXII, 42 und XXII, 46. Die Verhörprotokolle des Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg stammen aus den Jahren 1711 und 1712. Die Protokolle der Grenadiergarde stammen aus den Jahren 1721 bis 1723, 1734 bis 1737 sowie 1750/51. Dieses Rapportbuch lässt sich in keinem der hildburghäusischen Bestände auffinden und muss als verloren gelten.
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der Verordnungen des Herzogs oder über Ausschreitungen von Soldaten Bericht erstatteten. Auch von Offizieren verfasste Memoriale, die auf bestimmte Missstände Bezug nahmen, sind hier einzuordnen. Besondere Einblicke in den Alltag einer Festungsgarnison erlauben die als serielle Quelle einzuordnenden täglichen Rapporte des kommandierenden Offiziers der Veste Heldburg, die zwischen 1718 und 1724 angelegt wurden.74 Die innerhalb des Quellenbestandes bei allen militärischen Einheiten zahlreich anzutreffenden Suppliken75 stammten fast ausschließlich von Unteroffizieren und gemeinen Soldaten bzw. deren Familienmitgliedern und waren an den Herzog persönlich gerichtet. Die Soldaten beklagten sich in den Schreiben hauptsächlich über konkrete Missstände des Dienstes und hofften dadurch Abhilfe zu erlangen. Gelegentlich übersandten Soldaten Bittschreiben an Familienangehörige, die sich für sie beim Herzog einsetzen sollten. Vornehmlich gelangten auf diesem Weg Selbstzeugnisse gemeiner Soldaten aus dem Spanischen Erbfolgekrieg in den staatlichen Archivbestand, die in privater Hand die Zeit nicht überdauert hätten. Artikelbriefe und Reglements zählen zu den normativen Quellen innerhalb der militärischen Archivüberlieferung. Der Artikelbrief steckte den juristischen Rahmen ab, in den sich angeworbene Rekruten begaben. Er kodifizierte die Rechte und Pflichten eines Soldaten und lag der Vereidigung der Rekruten und den Kriegsgerichtsprozessen zugrunde. Der Artikelbrief musste jedem Soldaten bekannt sein und wurde daher regelmäßig vom Auditeur öffentlich verlesen. Für Sachsen-Hildburghausen haben sich vier Artikelbriefe aus den Jahren 1690, 1733, 1748 und 1781 erhalten.76 Eine vergleichende Betrachtung der Artikelbriefe kann u. a. Hinweise auf die Entwicklung der militärischen Disziplin geben. Reglements sind von den Artikelbriefen typologisch zu trennen. Während Letzteren als Gesetzestexten eine vornehmlich juristische Funktion zukam, enthielten Reglements Anweisungen zum Ablauf des täglichen Dienstes. Sie 74 75
76
Die Rapporte befinden sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 36. Zu Bedeutung und Auswertung von Suppliken vgl. André HOLENSTEIN. „Ad supplicandum verweisen“. Supplikationen, Dispensationen und die Policeygesetzgebung im Staat des Ancien Regime, in: Cecilia NUBOLA (Hg.), Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert), Berlin 2005, S. 167–210; Andreas WÜRGLER, Bitten und Begehren. Suppliken und Gravamina in der deutschsprachigen Frühneuzeitforschung, in: NUBOLA (Hg.), Bittschriften und Gravamina, 17–52. Articuls-Brieff oder Verordnung […] nach welcher die unter Seine Fürstliche Durchlaucht Land-Miliz begriffene Officiers und Gemeine bei denen militärischen Verrichtungen sich zu achten haben sollen, Schleusingen 1690 (nachfolgend als: Artikelbrief 1690); ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733 (nachfolgend als: Artikelbrief 1733); Sammlung der im Herzogtum Hildburghausen vom 16. Mai 1684 bis zum 1. April 1770 ergangenen merkwürdigsten Landesgesetze und Verordnungen, Hildburghausen 1770, S. 196–201 (Artikelbrief 1748, erneuert 1781).
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wurden meist vom Herzog nach seinen besonderen Vorstellungen entworfen und mit Hinweisen versehen, die auf einem praktischen Erfahrungsschatz beruhten. Zudem beinhalteten Reglements wesentlich mehr Details als Artikelbriefe und sind daher für eine alltagsgeschichtliche Untersuchung bedeutend ergiebiger. Da sich Reglements und Artikelbriefe in einigen Bereichen überschnitten, ging im Verlauf des 18. Jahrhunderts die terminologische Trennung zusehends verloren. Bereits 1748 erhielt das hildburghäusische Landregiment einen Artikelbrief, der als Reglement bezeichnet wurde. Insgesamt haben sich vier hildburghäusische Reglements erhalten, die alle zur Grenadiergarde gehörten und über den Wachdienst in der Residenzstadt Auskunft geben. Zur Zitierweise einiger Archivquellen: Bei den im Bestand des Geheimen Archivs Hildburghausen, XXII im Thüringischen Staatsarchiv Meiningen aufbewahrten Aktenbänden handelte es sich um wissenschaftlich vollständig unerschlossenes Quellenmaterial. Zu Beginn der Forschungsarbeiten für vorliegende Untersuchung war die Paginierung oder Foliierung bei nur sehr wenigen Bänden vorhanden.77 Im Falle des Fehlens einer Foliierung bzw. Paginierung wurde bei der Zitierweise daher auf das Datum des jeweiligen Dokuments als Referenz zurückgegriffen. Da die einzelnen Dokumente innerhalb der Aktenbände stets chronologisch abgelegt worden waren, gestaltete sich das Wiederauffinden unproblematisch. Wo eine Foliierung bzw. Paginierung vorhanden war, wurde diese zitiert. Mit Fortschreiten der Forschungsarbeit wurden einzelne Bände des Bestandes von Mitarbeitern des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen foliiert. Die enorme Menge an Material, die bis dahin innerhalb der Untersuchung ausgewertet worden war, erlaubte es jedoch nicht, die einmal gesetzten Zitationen auf die Foliierung umzustellen. Je nach Umstand ist daher in den Fußnoten entweder die Referenz auf das Datum eines Schreibens oder aber auf die Foliierung anzutreffen.
77
Die bereits vorhandene Paginierung oder Foliierung einiger Akten ist bereits im 18. Jahrhundert vorgenommen worden.
2. Das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen
2.1 Die Entstehung des Fürstentums „Wünschen hierauf einander von treuen Hertzen zu denen erlangten Landesportionen Glück, Wohlfahrt und beständigen reichen Seegen und daß der Höchste Sie allerseits bey immerwährenden Flor und Auffnehmen erhalten wolle.“78 Abschlussformel im Landesteilungsrezess, 1680
2.1.1 Herzog Ernst v. Sachsen-Gotha-Altenburg und sein Testament Herzog Ernst v. Sachsen-Gotha-Altenburg, genannt der Fromme, regierte seit 1640 das Herzogtum Sachsen-Gotha. Es handelte sich dabei zunächst um ein weitgehend geschlossenes Territorium im Nordosten des heutigen Thüringen. Aufgrund des Erlöschens der ernestinischen Linien von SachsenEisenach und Sachsen-Altenburg gelang es Ernst, sein Territorium bis zu seinem Tode im Jahre 1675 bedeutend zu erweitern. Gegen Ende seiner Regierung vereinigte der Herzog etwa zwei Drittel der gesamten ernestinischen Besitzungen in seiner Hand. Im Jahre 1636 heiratete Herzog Ernst die Prinzessin Elisabeth Sophia v. Sachsen-Altenburg. Die Ehe war äußerst kinderreich – der Verbindung entsprangen insgesamt 18 Kinder. Von diesen sollte jedoch nur die Hälfte den Vater überleben, darunter sieben erbberechtigte Söhne. In weiser Voraussicht beschäftigte sich der Herzog daher bereits frühzeitig mit Erbregelungen und seiner Nachfolge. Eine erste testamentarische Verfügung erstellte der Herzog im Jahre 1654 und setzte hier alle seine Söhne als gleichberechtigte Erben ein.79 Gleichzeitig favorisierte er eine gemeinschaftliche Regierung seiner Söhne unter dem Direktorium des Ältesten. Da innerhalb des ernestinischen Hauses für den Fall mehrerer erbberechtigter Nachkommen ein derartiges Vorgehen bereits im Jahre 1629 vertraglich geregelt worden war, handelte es sich dabei um keinen ungewöhnlichen Modus.80 Auch im Rahmen der Ernestinischen Teilung der Jahre 1640/41 wurde festgelegt, dass es keine weiteren 78 79
80
Johann Christian LÜNIG, Das Teutsche Reichsarchiv, Bd. 8 [Pars Spec. Cont. II], Leipzig 1712, S. 629 f. Saalfeldisches Receß-Buch die Verfassung des Herzoglich Sachsen-Gothaischen Gesamthauses, die in demselben vorgenommenen Erbtheilungen vornehmlich aber die Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Gerechtsamen betreffend, Coburg 1783, S. 1 ff. WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 115.
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Landesteilungen geben sollte, außer die neu entstandenen Territorien verfügten über eine ausreichend große Landesportion, um eine fürstliche Hofhaltung zu gewährleisten.81 Als Herzog Ernst die erste Fassung seines Testaments erarbeitete, war eine solche Situation nicht gegeben und eine Landesteilung völlig ausgeschlossen. Daher wies er seine Söhne in dem Testament nachdrücklich darauf hin, eine gemeinschaftliche Regierung zu bewahren und sich gegenseitig zu unterstützen. Gleichranging neben dem Vorschlag einer gemeinschaftlichen Regierung stand die Überzeugung des Herzogs, dass alle Söhne zu gleichen Teilen erbberechtigt seien. Im Testament heißt es dazu: „Und dieweil Unsere liebe Söhne, vermög des kundbaren Herkommens in Unsern Fürstlichen Hauße, an Unsern hinterlassenen Fürtenthumen und Landen alle mit einander und zu gleichen Theilen interessiret seyn, und keiner vor dem andern […] einigen vorzug hat […].“82 De facto stellt sich diese Prämisse dem Vorschlag einer gemeinschaftlichen Regierung mit Direktorium entgegen und impliziert bereits die Möglichkeit einer späteren Landesteilung. Im Jahre 1672 konnte Herzog Ernst sein Territorium durch größere Gebietsteile der ausgestorbenen Linie SachsenAltenburg erweitern. Angesichts dieses bedeutenden Gebietszuwachses überdachte und präzisierte Herzog Ernst sein Testament. Am Ende stand die sogenannte „Regiments-Verfassung“ des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg als überarbeitete Version des herzoglichen Testaments des Jahres 1654.83 Hier ließ Herzog Ernst nun die Möglichkeit einer Landesteilung zu, wenn auch nur unter der Bedingung, dass den neuen Landesteilen eine Reichs- und Kreistagsstimme zugestanden werde.84 In der Gesamtschau zeigt sich, dass Herzog Ernst im Rahmen seiner Testamente vor allem zukünftige Zwistigkeiten unter den Söhnen verhindern wollte. Paradoxerweise waren aber eben die von ihm dazu favorisierte Gemeinschaftsregierung seiner Söhne sowie der Interpretationsspielraum, den das Testament bot, die hauptsächlichen Ursachen für die nachfolgenden vielfachen Erbstreitigkeiten. Diese gaben Anlass für weitreichende Konflikte und prägten die Geschichte des ernestinischen Hauses bis weit ins 18. Jahrhundert hinein.
81 82 83 84
Johann Adolph v. SCHULTES, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, unter der Regierung des kur- und fürstlichen Hauses Sachsen vom Jahr 1425 bis auf die neueren Zeiten, Coburg 1818, S. 140 f. Saalfeldisches Receß-Buch, S. 14. Ebd., S. 24 f. Ebd., S. 32.
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2.1.2 Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen und die Erbteilung Herzog Ernst v. Sachsen-Gotha-Altenburg starb im Jahre 1675 und hinterließ sieben erbberechtigte Söhne: Friedrich, Albrecht, Bernhard, Heinrich, Christian, Johann Ernst und Ernst. Letzterer war der Zweitjüngste unter den Brüdern und sollte später der erste Herzog des neugeschaffenen Fürstentums Sachsen-Hildburghausen werden. Bevor es jedoch dazu kam, gerieten die Brüder über das väterliche Erbe in Konflikt. Ernst wurde am 12. Juli 1655 auf Schloss Friedenstein in Gotha geboren. Er war zum Zeitpunkt des Ablebens seines Vaters noch nicht volljährig und stand bis 1676 unter der Vormundschaft des ältesten Bruders Friedrich.85 Dieser übernahm bereits im Jahre 1674 die Regentschaft in Sachsen-GothaAltenburg, da Herzog Ernst gesundheitlich stark angeschlagen war. Einen Monat nach dem Tod des Herzogs bekräftigten die sieben Brüder schriftlich, das väterliche Testament einzuhalten.86 Gemäß den Bestimmungen wurde eine gemeinschaftlich geführte Regierung eingerichtet, die unter dem Direktorium des ältesten Bruders Friedrich stand. Den Brüdern wurden verschiedene Ämter des Fürstentums zugewiesen, aus denen sie ihre Einkünfte, die Deputatgelder, bezogen. Als Grundlage der Zuweisung dienten die sogenannten Portionsbücher aus dem Jahre 1572, die aus Anlass der Erfurter Teilung angelegt worden waren und die Einkünfte aller Ämter vermerkten. Problematisch war, dass die dort aufgeführten Rechnungsanschläge bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts veraltet waren. Dies führte dazu, dass bei der Ämterzuweisung verschiedene Ungleichheiten entstanden. In diesem Zusammenhang wurden Ernst im Jahre 1678 die Einkünfte aus den gothaischen Ämtern Hildburghausen, Heldburg, Eisfeld und Schalkau zugewiesen, die beispielsweise nur einen Bruchteil der Einkünfte aus Friedrichs Ämtern abwarfen.87 Zudem traten vor allem logistische Schwierigkeiten bei der gemeinschaftlichen Regierung auf. Dies führte bereits 1676 zu einer Trennung der älteren Brüder, die ihren Aufenthalt in den ihnen zugewiesenen Ämtern nahmen.88 Zudem erhoben wenig später auch die älteren und verheirateten Brüder Albrecht, Heinrich und Christian beim Direktorium Friedrichs
85 86 87
88
SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 13. Saalfeldisches Receß-Buch, S. 43 f. Ernst wurden die genannten Ämter im Jahre 1678 in einem gesonderten Vertrag zugewiesen, vgl. Johann RÖDER: Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen und der Frage: Ob der Grund der jetzigen Stimmen der alt-welt-fürstlichen Häuser im Reichs-Fürsten-Rath, und besonders der Herzoglich-Sächsischen, in der Observanz des Reichs-Tags vom Jahr 1582 zu suchen sey?, Hildburghausen 1779, S. 153. SCHULTES, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, S. 141.
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Anspruch auf eine eigene, weitgehend von Gotha losgelöste Hofhaltung.89 Die den einzelnen Brüdern zugewiesenen Deputatgelder aus den Ämtern sollten anschließend den finanziellen Grundstock bei der Etablierung einer eigenen Herrschaft bilden.90 Die jüngeren Brüder, darunter auch Ernst, schlossen sich den Forderungen der älteren Brüder an. Sie waren es insbesondere, die durch eine gemeinschaftliche Regierung und das Direktorium des Seniors benachteiligt waren: Aufgrund ihrer Jugend hatten die Brüder weder Aussicht auf das Direktorium noch auf eine eigene Herrschaft.91 In der Folgezeit zeigte besonders Ernst Bestrebungen, einen eigenständigen Herrschaftsbereich zu erlangen – auch wenn dessen Ausdehnung sehr gering ausfallen sollte. Um eine derartige Forderung zu artikulieren, übersandten Heinrich, Ernst und Johann Ernst ihrem Bruder Friedrich im Jahre 1678 den Vorschlag, ihnen die zugewiesenen Ämter erblich zu übertragen, um dort „auf gewisse masse Regierungen anzustellen“,92 jedoch unter dem Vorbehalt, die volle Landeshoheit inklusive der Reichsund Kreisangelegenheiten bei Sachsen-Gotha-Altenburg zu belassen. Auf diesen Vorschlag bezugnehmend, kam es im März 1679 zu einer Punktation zwischen Friedrich und den jüngeren Brüdern.93 Letztere bekamen von Friedrich das Recht zugestanden, in ihren angewiesenen Ämtern die weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit sowie die Lehenshoheit auszuüben. Darüber hinaus wurde ihnen zugestanden, eine eigene Regierung mit Konsistorium einzurichten. Im Gegenzug verzichteten die jüngeren Brüder auf jegliche weitere Forderungen an das väterliche Erbe und überließen Friedrich die Ausübung aller landeshoheitlichen Rechte. Damit erlangten die jüngeren Brüder lediglich eine Landesherrschaft mit beschränkter Unabhängigkeit und waren in Reichs- und Kreisangelegenheiten an Sachsen-Gotha-Altenburg gebunden – ein Zustand, der de facto aus dem Vorschlag des Jahres 1678 erwuchs und nachfolgend als Nexus Gothanus bezeichnet wurde.94 Die Punktation vom März 1679 sollte im Nachgang um die beiden älteren Brüder Alb89 90 91 92 93 94
LÜNIG, Das Teutsche Reichs-Archiv, Bd. 8, S. 617. WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 130. Die detaillierten Ausführungen von Westphal stützten sich weitestgehend auf Gottfried August ARNDT, Archiv der sächsischen Geschichte, Bd. 1, Leipzig 1784 ohne jedoch explizit darauf zu verweisen. ARNDT, Archiv der sächsischen Geschichte, S. 12. Saalfeldisches Receß-Buch, S. 63. Saalfeldisches Receß-Buch, S. 89 f. Der Nexus Gothanus begriff „Alle Reichs- und Creiß-Sachen, welcherley solche seyn mögen, mit allen dahin gehörigen Expeditionibus, Beschickung der Reichs-, Creyß-, Probation- und anderer Conventen, Ertheilung der darzu gehörigen Vollmachten, Instructionen und Verordnungen, Führ- und Ablegung der Reichs- und Creyß-Votorum, Verrichtungen der Reichs-Deputationen, Cammer-GerichtsVisitation, Beybring- und Abstatt- auch respective Verwilligung der Cammer-, Reichs- und CreyßAnlagen, Römer-Monate, Reichs- und Creyß-Hülffen an Volcke und dergleichen“, LÜNIG, Das Teutsche Reichs-Archiv, Bd. 8, S. 619 sowie Saalfeldisches Receß-Buch, S. 108 f.
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recht und Bernhard erweitert werden, stieß bei diesen jedoch auf heftigen Widerstand.95 Nach zähen Verhandlungen gelangten Albrecht und Bernhard mit Friedrich im September 1679 zu einer Übereinkunft. Letzterer gestand den beiden Brüdern – im Gegensatz zu den Jüngeren – den vollen väterlichen Erbteil, jedoch ohne die Bindung an den Nexus Gothanus zu. Damit verfügte Sachsen-Gotha-Altenburg nach wie vor über die volle Landeshoheit in den später neu entstandenen Gebietsteilen Sachsen-Hildburghausen, SachsenRömhild, Sachsen-Saalfeld und Sachsen-Eisenberg. Es ist an dieser Stelle wichtig zu konstatieren, dass die beiden Absprachen des Jahres 1679 lediglich Punktationen bzw. Vorverträge darstellten. Ein endgültiger, dem Kaiser zur Vorlage bestimmter Vertrag existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sondern sollte erst am 24. Februar 1680 in Form eines Rezesses abgeschlossen werden.96 Dieser Rezess griff die Absprachen des Jahres 1679 auf und fügte zweifelsfreie Erläuterungen hinzu. Neben der Bestätigung des Nexus Gothanus verzichteten die jüngeren Brüder erneut auf ihren vollen Erbteil und gaben sich mit einem geringeren Wert zufrieden, sollten aber durch Friedrich mit sogenannten Nachschussgeldern finanziell dafür entschädigt werden. Nach eingehender Prüfung wurden die Verträge zwischen den Brüdern im Jahre 1686 von kaiserlicher Seite bestätigt.97 Infolge des Rezesses des Jahres 1680 kam es zu einer Landesteilung Sachsen-Gotha-Altenburgs und neben den anderen sechs Brüdern wurde auch „Herrn Hertzog Ernsts Portion, Ambt und Stadt Heldburg, Ambt und Stadt Eißfeld, Ambt und Stadt Hildburgshausen, Ambt Veilsdorf98 und Stadt und Gericht Schalckau“99 aus der territorialen Verfassung des Herzogtums herausgelöst. Damit entstand das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen. Doch die Loslösung von Sachsen-Gotha-Altenburg war zunächst nur relativ und dazu teuer erkauft. Ernst sowie die Brüder Heinrich, Christian und Johann Ernst wurden durch die Landesteilung des Jahres 1680 stark benachteiligt und gaben sich mit Landesportionen weit unterhalb ihres Erbanspruches zufrieden. Die jährlichen Einkünfte des Territoriums von Sachsen-Hildburghausen beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 7330 Gulden, 9 Groschen und 3 Pfennig.100 Im Vergleich dazu verbuchten Sachsen-Coburg und Sachsen-Meiningen mehr als das Doppelte, Sachsen-Gotha-Altenburg mit ungefähr 50.000 Gulden sogar mehr 95 96 97 98
WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 134 f. Saalfeldisches Receß-Buch, S. 105 f. WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 154. Das sogenannte Klosteramt Veilsdorf bestand aus den ehemaligen Besitzungen des Klosters Veilsdorf. Diese waren nicht zusammenhängend und umfassten lediglich vier Dörfer mit Zugehörungen. Das Klosteramt Veilsdorf wurde mit dem Amt Hildburghausen gemeinschaftlich verwaltet. 99 LÜNIG, Teutsches Reichs-Archiv, Bd. 8, S. 621 f. 100 SCHULTES, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, S. 149.
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als das Sechsfache der hildburghäusischen Einnahmen.101 Um zu den mächtigeren Brüdern aufzuschließen, musste Herzog Ernst für die Zukunft darauf bedacht sein, neue Einnahmequellen zu erschließen bzw. weiteren territorialen Besitz zu akquirieren. Diesem Leitsatz folgte seine Politik in den nächsten dreißig Regierungsjahren. Während dieser Zeit gelang es dem Herzog, im Rahmen der territorialen Entwicklung den Status des Fürstentums SachsenHildburghausen innerhalb des ernestinischen Hauses bedeutend zu verbessern.
2.2 Territorium und Ressourcen „Der Schwarzenbrunn giebt Gold, dergleichen bricht Schalkau, das Salz schenkt Lindenau. Gott ist dem Lande hold.“102 Revers einer Medaille auf die Goldwäsche zu Schwarzenbrunn, 1716
2.2.1 Territoriale Entwicklung Der politische Einfluss, die Finanzen und damit zusammenhängend auch die Stärke des Militärs waren wesentlich von der territorialen Ausdehnung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen abhängig. In der Landesteilung des Jahres 1680 erhielt Herzog Ernst Stadt und Amt Hildburghausen mit dem Klosteramt Veilsdorf, Stadt und Amt Eisfeld sowie Stadt und Amt Heldburg und die Stadt/das Gericht Schalkau zugewiesen. Dieser Landesteil des gothaischen Erbes war viel zu gering, um eine fürstliche Hofhaltung mit standesgemäßer Repräsentation zu gewährleisten. Zudem schränkte der Nexus Gothanus die Hoheit über das erhaltene Territorium stark ein. Es ist also wenig verwunderlich, dass Herzog Ernst bereits kurze Zeit nach den Teilungsverhandlungen mit den Brüdern seinen Unmut am kaiserlichen Hof äußerte.103 Um Ernst zu beschwichtigen, schloss Herzog Friedrich I. v. Sachsen-GothaAltenburg mit diesem im Jahre 1683 einen Vertrag, der das Amt Königsberg von Sachsen-Römhild löste und an Sachsen-Hildburghausen übergehen ließ.104 Zudem wurde Herzog Ernst die Land- und Tranksteuer in allen seinen Ämtern zugestanden. Damit begann der hildburghäusischee Herzog mit der Vergrößerung seines Territoriums auf vertraglichem Wege. Diese energische Politik gegen 101 Ebd., S. 150. 102 HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen I, S. 229; SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 39. 103 ARNDT, Archiv der sächsischen Geschichte, S. 39 f.; WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 144 ff. 104 RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 293 ff.
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seine Brüder betrieb Herzog Ernst bis zu seinem Tode weiter. Damit entstand letztendlich ein Territorium, das die im Teilungsvertrag von 1680 zugewiesene Ausdehnung weit überstieg. Ein weiterer Schritt in diese Richtung bahnte sich im Jahre 1699 an, als Herzog Albrecht v. Sachsen-Coburg kinderlos verstarb. Das Fürstentum sollte zunächst zwischen Sachsen-GothaAltenburg und Sachsen-Meiningen aufgeteilt werden, wogegen sich Herzog Ernst erneut zur Wehr setzte. Zwar erhielt er eine finanzielle Abfindung, wandte sich aber dennoch an Kaiser und Reichshofrat und bat um Vermittlung.105 Die langwierigen Verhandlungen mit Sachsen-Gotha-Altenburg mündeten im Jahre 1702 zunächst in den wichtigsten Vertrag für die Geschichte Sachsen-Hildburghausens – den sogenannten Liberationsrezess, der das Fürstentum nun endgültig vom Nexus Gothanus befreite und Herzog Ernst die volle Territorialhoheit zugestand.106 Im Vertrag heißt es dazu: „Zum anderen werden Herrn Herzog Ernsts Hochfürstlichen Durchlaucht die […] hohe Jura, und was denen anhängig ist, zu eigener beliebiger Verführung und Administration […] überlassen und zurückgegeben […].“107 Ebenso wichtig war die Abtretung des gothaischen Anteils der Hennebergischen Reichstagsstimme an Sachsen-Hildburghausen.108 Da dies im Jahre 1702 auch den ehemaligen Altenburger Teil des Hennebergischen Votums umfasste, erlangte Sachsen-Hildburghausen insgesamt einen Anteil von sechs Zwölftel daran. So erreichte das Fürstentum über Verhandlungen und den Umweg des Hennebergischen Votums letztendlich die Standschaft im Fürstenkollegium des Regensburger Reichstages.109 Im fürstlichen Verständnis galt dies als weiteres Zeichen der Souveränität, das zu einem höheren Ansehen innerhalb des Reiches führte. Da Herzog Ernst damit begann, sich von den jüngeren Brüdern abzuheben und auch in der Reichspolitik zu SachsenGotha-Altenburg und Sachsen-Meiningen aufzuschließen, regte sich einiger Unmut. Während sich Sachsen-Römhild und Sachsen-Eisenberg ruhig verhielten, legte Sachsen-Saalfeld im Jahre 1705 beim Kaiser Widerspruch gegen die Reichsstandschaft Sachsen-Hildburghausens ein. Wenige Jahre später 105 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 180–185. 106 RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 300. Der Liberationsrezess stammte vom 10. April 1702. In einem darauffolgenden Rezess zwischen Gotha und Meiningen vom 18. April 1702 heißt es: „Den Sachsen-Hildburghausischen Liberations-Accord belangend, sollte Sachsen-Hildburghausen von Sachsen-Gotha mit Überlassung der Hennebergischen Jurium am Schleusingischen Reich- und Creyß-Voto, so viel die zu dem Gothaischen Fürstenthum ehemals geschlagene Hildburghausische Landes-Portion und deren jura betrifft, pure a nexu liberiret werden“, LÜNIG, Das Teutsche Reichsarchiv, Bd. 8, S. 717. 107 RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 304. 108 Ebd., S. 87. 109 Gregor RICHTER, Die Vertretung der thüringischen Staaten beim Regensburger Reichstag 1663–1806, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 98 (1962), S. 130.
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folgte Kursachsen und versuchte eigene Ansprüche geltend zu machen.110 Während der Einspruch Sachsen-Saalfelds abgewiesen wurde, verzögerte der Konflikt mit Kursachsen die Beteiligung des Hennebergischen Votums am Reichstag bis zum Jahre 1710. Interessanterweise wurden im Rahmen dieses Konfliktes Überlegungen angestellt, für Sachsen-Hildburghausen eine eigene Reichstagsstimme zu schaffen, die jedoch unverwirklicht blieben.111 Letztendlich erhob noch Sachsen-Meiningen – mittlerweile ein traditioneller Rivale Sachsen-Hildburghausens – Einspruch gegen die Führung des Hennebergischen Votums. Am Ende der Verhandlungen stand im Jahre 1705 ein Vertrag, der beiden Kontrahenten zusicherte, für die jeweiligen Gesandten offizielle Nebenvollmachten auszustellen.112 Dabei handelte es sich lediglich um einen repräsentativen Akt, der ohne tatsächliche Einflussnahme auf die Führung der jeweiligen Voten blieb. Nach diesen Verhandlungen nahm Sachsen-Hildburghausen ab 1710 offiziell an der Hennebergischen Reichstagsstimme teil. Da aufgrund des Coburger Sukzessionskonflikts das von Sachsen-Meiningen geführte Coburger Votum bis 1771 ruhte, nahm der meiningische Herzog des Öfteren Anstoß an der hildburghäusischen Reichsstandschaft, jedoch ohne irgendwelche Erfolge zu erzielen.113 Die Führung des Hennebergischen Votums wurde turnusmäßig praktiziert. Dabei wurden die zwölf Anteile des Votums auf zwölf Jahre umgelegt. Aus dem Jahre 1790 wird berichtet, dass „dermahlen der Turnus folgendermaßen beobachtet [wird]: 4 Jahre als vom October 1786 bis dahin 1790, Kursachsen wegen Naumburg; 4 Jahre 1790 bis 1794, Sachsen-Hildburghausen wegen Altenburg; 2 Jahre 1794 bis 1796, Sachsen-Weimar; 2 Jahre 1796–1798, Sachsen-Hildburghausen wegen Sachsen-Gotha.“114
110 Ebd., S. 132. 111 Ebd., Anm. 36. 112 Es handelte sich dabei um die meiningischen Gesandten für das coburgische Votum, sowie um die hildburghäusischen Gesandten für das hennebergische Votum. 113 So beispielsweise im Jahre 1742, als Sachsen-Meiningen den Gesandten von SachsenHildburghausen nicht anerkennen wollte, da dieser mit keiner Nebenvollmacht versehen war. Sachsen-Meiningen berief sich dabei auf den Vertrag des Jahres 1705. SachsenHildburghausen entgegnete, dass Sachsen-Meiningen den Vertrag ebenfalls nicht einhalte, da 1742 das Coburger Votum ruhte und daher Sachsen-Hildburghausen den – nicht vorhandenen – meiningischen Gesandten ebenfalls mit keiner Nebenvollmacht ausstatten konnte. „Es ist auch der von Hildburghausen Bevollmächtigte von dem Fürstlichen Collegio dafür erkannt worden“, Johann Jakob MOSER, Von denen teutschen Reichs-Ständen, der ReichsRitterschaft, auch denen übrigen unmittelbaren Reichsgliedern, Frankfurt 1767, S. 267. 114 Grundriß einer historisch-geographischen Beschreibung der Grafschaft Henneberg, als eine Berichtigung der, in den allgemeinen Erdbeschreibungen, von diesem Lande befindlichen fehlerhaften Nachrichten, in: Journal für Franken 1/5 (1790), S. 520.
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Die Loslösung vom Nexus Gothanus und die Führung eines Teils der Hennebergischen Reichstagsstimme blieben nicht die einzigen Bestimmungen innerhalb des Liberationsrezesses. Eine dritte wichtige Absprache bestand zwischen Herzog Ernst und Friedrich v. Sachsen-Gotha-Altenburg. Letzterer versprach dem hildburghäusischen Herzog das römhildische Amt Behrungen für den Fall, dass der Herzog des Fürstentums Sachsen-Römhild kinderlos versterben sollte. Der Liberationsrezess stellt einen wichtigen Einschnitt in der reichspolitischen Bedeutung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen dar. Die zugestandene Militärhoheit, die Selbständigkeit in Reichs- und Kreisangelegenheiten und die de facto erlangte Reichsstandschaft trugen wesentlich zur Souveränität des kleinen Fürstentums bei und trugen den Namen Sachsen-Hildburghausen auch über Mitteldeutschland hinaus. Mit den Verhandlungen des Jahres 1702 wurde der Konflikt über das Coburger Erbe zwischen Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-GothaAltenburg beigelegt. Die Verhandlungen mit Sachsen-Meiningen standen noch aus. Aber auch hier erreichte der hildburghäusische Herzog eine Stärkung seiner Position durch geschickte Verhandlungen. Im Jahre 1705 befriedigte Sachsen-Meiningen die hildburghäusischen Forderungen aus dem Coburger Erbe durch die Abtretung des Amtes Sonnefeld. Der Liberationsrezess gewann noch einmal im Jahre 1710 an Bedeutung, als Herzog Heinrich v. Sachsen-Römhild kinderlos verstarb.115 Zu diesem Zeitpunkt erhob Ernst Anspruch auf das ihm bereits 1702 von SachsenGotha-Altenburg zugesicherte Amt Behrungen. Noch während der Sukzessionsstreitigkeiten setzte er sich in den Besitz des Amtes und dessen Einnahmen.116 Offiziell ging das Amt Behrungen erst nach kaiserlicher Schlichtung im Jahre 1714 an Sachsen-Hildburghausen über. So erreichte das Fürstentum kurz vor dem Tode des Herzogs Ernst seine größte Ausdehnung. Damals umfasste das Fürstentum die Ämter Hildburghausen, Eisfeld, Heldburg, Königsberg, Sonnefeld, Behrungen und die Hälfte des Amtes Schalkau. Nach dem Tod Herzog Ernsts übernahm sein Sohn Ernst Friedrich I. im Jahre 1715 die Regierung und kam bald in drückende Finanznot. Daher fanden in den Jahren 1720 bis 1723 zahlreiche Veräußerungen statt, darunter vor allem diverse Erbansprüche sowie die Grafschaft Culembourg, die Mitgift der Herzogin Sophia Albertine. Auch die Hälfte des Amtes Schalkau wurde gegen Geld und einige weniger einträgliche Dörfer in der Umgebung von Behrungen an Sachsen-Meiningen veräußert.117 Damit erhielt das Fürstentum Sach115 Allgemeines zu den Vorgängen nach dem Absterben der Römhilder Linie siehe HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 412; WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 213–225. 116 Zur Rolle Sachsen-Hildburghausens während des Sukzessionskonflikts auf archivalischer Grundlage siehe Punkt 3.3.2: Der Römhilder Krieg (1710–1711). 117 Diese Dörfer wurden anschließend dem Amt Behrungen angegliedert.
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sen-Hildburghausen eine territoriale Struktur, wie sie bis ins 19. Jahrhundert hinein Bestand haben sollte. Im Zuge der Napoleonischen Kriege war Sachsen-Hildburghausen – ebenso wie andere ernestinische Territorien – gezwungen, 1806 dem Rheinbund beizutreten.118 Dies brachte eine formale Standeserhöhung vom Fürstentum zum Herzogtum mit sich. Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege erlitt das Herzogtum keinerlei Gebietsverlust und trat im Jahre 1815 dem Deutschen Bund bei.119 Erst 1826 wurde aus Anlass des kinderlosen Ablebens Herzog Friedrichs IV. v. Sachsen-Gotha-Altenburg eine Umbildung der ernestinischen Territorien notwendig. Unter Vermittlung von Kursachsen verzichtete Herzog Friedrich v. Sachsen-Hildburghausen auf sein Herzogtum. Er übernahm als Herzog die Regierung im neu gebildeten Herzogtum Sachsen-Altenburg.120 Die Gebietsteile des ehemaligen Herzogtums SachsenHildburghausen fielen fast vollständig an Sachsen-Meiningen. Lediglich die Exklaven Sonnefeld und Königsberg wurden Sachsen-Coburg einverleibt. 2.2.2 Bevölkerung Eine Charakteristik der Bevölkerung des Fürstentums SachsenHildburghausen im 18. Jahrhundert fällt aufgrund fehlender flächendeckender Quellen sowie durch das lediglich auf kleine Räume bezogene Archivmaterial schwer. Daher soll an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick über die lokalen Bevölkerungsverhältnisse gegeben werden. Das Territorium Sachsen-Hildburghausens umfasste in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts insgesamt fünf Städte (Hildburghausen, Heldburg, Eisfeld, Königsberg, Ummerstadt) und 118 Dorfschaften. Während für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts keinerlei Quellen vorliegen, wurde für das Jahr 1763 eine Bevölkerungszahl von 25.171 Einwohnern angegeben, die sich auf diese Ortschaften verteilten.121 Im Jahre 1807 „wurden 29.006 Köpfe im Lande gezählt, welche Volkszahl denn auch auf dem Bundes-Tage zu Frankfurt 1817 offiziell angegeben worden ist“.122 Bei einer Fläche des Fürstentums von ca. zwölf Quadratmeilen123 ergibt dies eine 118 Karl SCHNEIDER, Der Beitritt des ehemaligen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen zum Rheinbund, in: Sonntagsblatt der Dorfzeitung 13 (1926), S. 93. 119 Peter GALPERIN, Deutsche Wehr im Deutschen Bund 1815–1866, Osnabrück 2000, S. 39. 120 SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 171 f. 121 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 224. 122 August Friedrich CROME, Geographisch-statistische Darstellung der Staatskräfte von den sämtlichen zum deutschen Staatenbunde gehörigen Ländern, Leipzig 1828, S. 113. 123 Zwölf Quadratmeilen entsprechen etwa 660,75 Quadratkilometern.
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durchschnittliche Bevölkerungsdichte von etwa 37 Einwohnern pro Quadratkilometer. Eine 1817 erfolgte Volkszählung ergab aber bereits eine Bevölkerungszahl von 29.699 Einwohnern. Im Vergleich zu 1763 stellte dies einen Bevölkerungszuwachs von 18 Prozent dar.124 Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der Zuwachs verglichen mit 1817 sogar 33 Prozent.125 Der ländliche Charakter des Fürstentums wird indes durch die Tatsache unterstrichen, dass die Bevölkerung in den Dorfschaften am stärksten zu diesem Zuwachs beitrug, während die Einwohnerzahl der kleineren Städte nahezu unverändert blieb. Obwohl von sächsischen Dynasten regiert, kann die Bevölkerung Sachsen-Hildburghausens – so wie alle Einwohner der ehemaligen hennebergischen Territorien – in der Hauptsache dem fränkischen Kulturraum zugeordnet werden. Dies drückt sich besonders durch das Brauchtum sowie die hier allgemein verbreitete mainfränkische Dialektsprache und durch gebräuchliche Architekturformen aus.126 Im Hinblick auf die religiösen Verhältnisse zeigt sich eine vergleichsweise homogene Situation: Der Großteil des Gebietes des späteren Fürstentums Sachsen-Hildburghausen gehörte zu Anfang des 16. Jahrhunderts zur kursächsischen Pflege Coburg, wo schon wenige Jahre nach Luthers Thesenanschlag die Verbreitung reformatorischer Gedanken von herrschaftlicher Seite geduldet wurde.127 Die evangelische Konfession lutherischer Prägung war daher im 18. Jahrhundert in Sachsen-Hildburghausen allgemein vorherrschend. Ausnahmen bildeten lediglich die Gemeinde der im Jahre 1711 in die Residenzstadt emigrierten Hugenotten sowie kleinere jüdische Gemeinden in Hildburghausen und Simmershausen. Die vereinzelt in SachsenHildburghausen lebenden Katholiken bildeten während des 18. Jahrhunderts keine Gemeinde und unterhielten auch kein eigenes Kirchengebäude.128
124 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 224. 125 Dieser Wert wurde auf Grundlage der Daten bei DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 225 errechnet. 126 Zum kulturellen Leben in Südthüringen und Franken geben die Beiträge im Sammelband von Wolfgang BRÜCKNER (Hg.), Heimat und Arbeit in Thüringen und Franken. Zum Volksleben einer Kulturregion, Würzburg 1996 Aufschluss. 127 SCHULTES, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, S. 28; Albert GREINER: Die Einführung der Reformation in der Pflege Coburg 1520–1555, Coburg 1938. 128 CROME, Geographisch-statistische Darstellung, S. 115.
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2.2.3 Landwirtschaft Die Landwirtschaft des Fürstentums bestand hauptsächlich aus dem Anbau von Weizen, Gerste, Hafer und Dinkel. Was die Erträge anbelangt, bestand ein klares Süd-Nord-Gefälle. Die fruchtbaren Böden im Süden des Fürstentums waren vor allem durch das hier herrschende milde Klima für den landwirtschaftlichen Anbau prädestiniert. So verzeichnete das Amt Heldburg allein an Korn einen fast so hohen Ertrag wie die restlichen Ämter des Fürstentums zusammen.129 Am schwierigsten gestaltete sich die landwirtschaftliche Situation im Norden des Fürstentums, am Südausläufer des Thüringer Waldes. Hier befand sich das Amt Eisfeld mit kargen Böden und rauem Klima. In diesem stark bewaldeten Gebiet wurde vornehmlich Sommerkorn angebaut, ohne jedoch die Ernährung der Bevölkerung damit umfassend absichern zu können. Diese Situation änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als hier zunehmend Kartoffeln angepflanzt wurden und in den zahlreichen Tälern die typischen Terrassenäcker entstanden.130 Die Kultivierung der Kartoffel führte bald dazu, dass die Bevölkerung des Amtes Eisfeld auch in den entlegensten Waldgebieten versorgt werden konnte. Der Ertrag der Kartoffel überstieg hier jene Erträge der südlich gelegenen Ämter teilweise um das Fünffache.131 Ähnlich verhielt es sich mit der Holzproduktion. „Am meisten ist diese im Amt Eisfeld der Fall, welches sein treffliches Bau-, Werkund Brennholz auf der Werra und Schleuße verflößt, auch in der Nachbarschaft in Menge absetzt.“132 Im Laufe des 18. Jahrhunderts fand jedoch in einigen Gebieten des Fürstentums eine Abkehr vom Getreideanbau zur Schafzucht statt – vor allem aufgrund der zahlreichen Wildschäden, die durch die fürstliche Jagd angerichtet wurden. Die immer wieder vorgebrachten Beschwerden der Untertanen blieben dabei unberücksichtigt, sodass der Wildbestand stark überhandnahm.133 Weiterhin bot die Schafzucht den Vorteil, sowohl die Wolle als auch das Fleisch verwerten zu können, was diese Form der Viehhaltung in mehrfacher Hinsicht profitabel machte.
129 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 205. 130 Oliver HEYN, Die Geschichte des unteren Bibertales. Von der mittelalterlichen Besiedlung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Leipzig/Hildburghausen 2009, S. 74 f. 131 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 205. 132 CROME, Geographisch-statistische Darstellung, S. 109. 133 HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 518.
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2.2.4 Bergbau, Industrie und Handel Ein Schwerpunkt der ersten Regierungsjahre von Herzog Ernst lag auf der Wiederbelebung des ehemaligen Bergbaus und dem Auffinden neuer Bodenschätze. In besonderem Maße wurde dies im bergigen Amt Eisfeld forciert, da hier – am Rande des Thüringer Waldes – bereits seit dem 14. und 15. Jahrhundert intensiver Bergbau betrieben wurde.134 Die zu dieser Zeit etablierten gewerblichen Strukturen wurden durch den Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen und unter Herzog Ernst dem Frommen nicht planmäßig wiederbelebt. So hatte sich im Hinblick auf den Bergbau die Situation seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht wesentlich verändert. Um eine Besserung herbeizuführen, erließ Herzog Ernst im Jahre 1688 eine Bergfreiheit und bestärkte Personen von außerhalb des Fürstentums, hier nach Bodenschätzen zu suchen.135 Tatsächlich wurde Eisen und Kupfer an mehreren Orten aufgefunden, es konnte jedoch nicht in einer solchen Qualität und Quantität abgebaut werden, um die Bergwerke lohnend zu betreiben. Am bedeutendsten ist das Gold einzuschätzen, das in dieser Zeit bei Schwarzenbrunn mittels Goldwäsche geschürft wurde. Obwohl hier noch in der Regierungszeit Herzog Ernst Friedrichs I. Gold gewaschen und 1716 sogar ein Golddukat geprägt wurde,136 zeigte sich in der Gesamtschau auch hier die Unrentabilität des Unternehmens. Es musste wenig später vollständig aufgegeben werden. An der allgemeinen Situation des Bergbaus änderten auch das im Jahre 1751 entdeckte Kupfer bei Brattendorf und die 1754 unter der Regierung von Herzog Ernst Friedrich III. Carl erlassene Bergfreiheit nichts. Zwar bestanden noch bis ins 19. Jahrhundert zahlreiche Blech- und Eisenhämmer, die zu diesem Zeitpunkt aber wenig Rohstoffe verarbeiteten und diese größtenteils aus den benachbarten Staaten bezogen. Gegen Ende seiner Regierungszeit förderte Herzog Ernst besonders die Glasproduktion im Amt Eisfeld, da man hier problemlos auf die reichen Holzbestände zurückgreifen konnte. Um
134 Als beispielhaft konnte die Entwicklung der im Amt Eisfeld gelegenen Eisenhämmer Lichtenau und Tellerhammer gelten, siehe HEYN, Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 28 f., 40 f., 66 f., 88 f.; weitere Beispiele im Fürstentum sowie im benachbarten kursächsischen Gebiet vgl. Louis HEINZ, Mühlen und Hämmer im Schleusegebiet. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Südthüringens (= Südthüringer Forschungen, Bd. 14), Suhl 1979. 135 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 474. 136 Otto MÜLLER, Die Münze zu Hildburghausen. Zur Münzkunde der ernestiner Sachsen, Leipzig 1889, Sp. 13.
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1715 waren im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen Glashütten in Neustadt (bis 1770), Fehrenbach und Eisfeld (bis 1723/um 1740) in Betrieb.137 Die Münzprägung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen stand in enger Verbindung mit den aufgefundenen Bodenschätzen. Im Jahre 1703 – zum Zeitpunkt der Loslösung des Fürstentums vom Nexus Gothanus – gründete Herzog Ernst in Hildburghausen eine Münzstätte.138 Dies ist umso bemerkenswerter, da das Fürstentum zu diesem Zeitpunkt über keine hinlänglichen Bodenschätze verfügte. Daher wurden in Hildburghausen zunächst lediglich Kupfermünzen geprägt, deren Rohstoff aus den ertragreichen Bergwerken von Suhl oder Lauenstein stammte und importiert werden musste. Unter Ernst Friedrich I. wurde die Münzprägung weiter intensiviert. Allgemein blieb die Münzstätte jedoch ein zweifelhaftes Unternehmen und geriet mit dem wachsenden Schuldenberg des Fürstenhauses nach 1719 zusehends in Verfall. Als im Jahre 1724 sowohl kurbayerische als auch kursächsische Mandate vor den hildburghäusischen Münzen warnten, wurde die Münzstätte komplett geschlossen. Bis zum Jahre 1736 fanden im Fürstentum keinerlei Prägungen statt. Erst Herzog Ernst Friedrich II. ordnete erneut die Herstellung von Kupferhellern in so großer Zahl an, dass sich wenig später Friedrich August II. von Sachsen über die massenweise im Kurfürstentum auftauchenden hildburghäusischen Münzen beschwerte.139 Die Prägungen ebbten danach erneut stark ab und blieben bis kurz vor dem Siebenjährigen Krieg auf niedrigem Niveau. In den Jahren 1751 bis 1754 entschloss sich Herzog Ernst Friedrich III. Carl, das alte Kupferbergwerk nahe Brattendorf wieder in Betrieb zu nehmen. Aus dem hier geförderten Kupfer wurden während des Siebenjährigen Krieges wiederholt geringwertige Münzen in Umlauf gebracht, die 1759 durch ein kaiserliches Mandat in Verruf gerieten. Andere Territorialherren waren angehalten, die hildburghäusischen Münzen ihren Untertanen abzukaufen. Der entstandene Schaden sollte durch Sachsen-Hildburghausen und den Obersächsischen Kreis beglichen werden.140 In rascher Folge erließen Frankfurt, Kursachsen und Sachsen-Gotha-Altenburg ähnlich lautende Mandate und man versuchte damit bis 1766, die hildburghäusische Münzprägung endgültig zum Erliegen zu bringen. Dies alles blieb aber ohne durchgreifenden Erfolg. Da das Praktizieren des Münzregals als wichtiges Element der Landeshoheit verstanden wurde, prägte man in Sachsen-
137 Grundlegend zu den Glashütten, vgl. Louis HEINZ, Die Geschichte der Glashütten des Thüringer Waldes. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Bezirkes Suhl, Suhl 1983. 138 SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 25 f. 139 MÜLLER, Die Münze zu Hildburghausen, Sp. 17. 140 Vgl. Nachdeme des Herzogs zu Sachsen-Hildburghausen Liebden eine HeckenMünzstatt aufzurichten unternommen […], Wien 1759.
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Hildburghausen – trotz aller Rückschläge – bis zum Ende des Alten Reiches und darüber hinaus regelmäßig Münzen.141 Die Situation im gewerblichen Sektor unterschied sich von jener des Bergbaus nur unwesentlich. Bereits unter Herzog Ernst wurde ein Salzwerk in Lindenau gegründet, das im Laufe der Zeit jedoch ebenfalls in Verfall geriet. Erst 1761 konnte es wiedererrichtet werden, um den steigenden Salzbedarf gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu decken. Zu Ehren der Geburt von Erbprinz Friedrich wurde es 1763 in Friedrichshall umbenannt.142 Um den anwachsenden Schulden zu begegnen, engagierte sich besonders Herzogin Sophia Albertine während ihrer Regentschaft für die Etablierung wirtschaftlicher Betriebe. Dazu zählte vor allem die Gründung des Blaufarbenwerkes Sophienau sowie des Glaswerks Friedrichshöhe. Zu den bedeutendsten wirtschaftlichen Unternehmungen in SachsenHildburghausen gehörte zweifelsohne die Gründung der Porzellanmanufaktur von Kloster Veilsdorf durch Prinz Friedrich Wilhelm Eugen im Jahre 1760. Obwohl diese bis in die jüngste Vergangenheit hinein in Betrieb war, war ihr im 18. Jahrhundert kein andauernder Erfolg beschieden.143 Aufgrund der territorialen Zersplitterung im Thüringer Raum fanden sich hier zahlreiche Porzellanmanufakturen verschiedener Staaten auf engstem Raum. Zum regional eingeschränkten Absatzmarkt trat die verstärkte Konkurrenz unter den Manufakturen.144 Im Vorteil waren jene Territorialstaaten, die ihre Manufakturen finanziell unterstützen konnten, und dazu gehörte SachsenHildburghausen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht. Weitere Produkte des Fürstentums umfassten Tonwaren, Vitriol und Tuche. Letztere wurden vor allem von den zahlreich in den Städten ansässigen Leinwebern verfertigt. Im Überblick lässt sich feststellen, dass zwar im Rahmen der merkantilistischen Wirtschaftspolitik zahlreiche Manufakturen gegründet wurden, dies jedoch ohne eine höhere Rentabilität zu erzielen oder längerfristig überregionale Bedeutung zu erlangen. Der Handel, der meist auf Warentausch basierte, war für SachsenHildburghausen besonders wichtig, da das Fürstentum auf Korneinfuhren aus dem Hochstift Würzburg angewiesen war. Dies hing vor allem mit der schwierigen landwirtschaftlichen Situation im gebirgsnahen Amt Eisfeld zusammen, wo die Versorgung der Bevölkerung stets problematisch war. Erschwerend kam hinzu, dass aufgrund von Getreideverknappung des Öfteren 141 Die vollständigste und übersichtlichste Zusammenstellung der Hildburghäuser Prägungen vgl. HOLLMANN, Münzgeschichte des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen. 142 Johann Ernst FABER, Geographie für alle Stände, Bd. 1/4, Leipzig 1793, S. 140. 143 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 92. 144 LANGE, Kleinstaatlichkeit und Wirtschaftsentwicklung in Thüringen, in: Jürgen JOHN (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar 1994, S. 192 f.
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Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Weimar, Kurmainz, Hessen-Kassel und die brandenburgischen Gebiete des Fränkischen Kreises den Getreidehandel gänzlich sperrten.145 Damit wurde das Hochstift Würzburg zum wichtigsten Handelspartner des Fürstentums. Neben Korn wurden vor allem Güter eingeführt, die die lokalen Wirtschaftsbetriebe benötigten. Dazu gehörte beispielsweise Hopfen für die Brauereien des Fürstentums. Das gebraute Bier wurde anschließend ausgeführt. Kobalterz wurde aus Sachsen-Saalfeld und dem Alpenraum eingeführt, um die Blaufarbenproduktion zu Zeiten eines gesteigerten Bedarfs am Ende des 18. Jahrhunderts in Gang zu halten. Hochwertiges Tuch, v.a. für die höfische Gesellschaft und die zahlreichen Beamten, stammte aus Kursachsen. Ausgeführt wurden vornehmlich Holz, Salz, Ton, Malz, Bier, Farben und Glas. Letzteres wurde meist in das Hochstift Würzburg geliefert, während die Farben aus dem Sophienauer Werk nach Holland gingen. Wein und Obst wurde vorrangig aus dem klimatisch begünstigten Amt Königsberg ausgeführt. Seit 1790 erleichterte ein Abkommen – die sogenannte Rodacher Konvention – den Handel zwischen Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg-Saalfeld bedeutend. „Von nun an [soll] zu ewigen Zeiten zwischen den gedachten Landen ein völlig freyes Commerz und freyer Ein- und Verkauf aller Artickel […] verbleiben […].“146 Die Rodacher Konvention stellte gewissermaßen einen frühen Zollverein dar. Mit ihr fielen die Zollschranken und Ausfuhrgebühren zwischen den beteiligten Territorialstaaten vollständig.147 Bis zum Ende des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1826 blieb die Rodacher Konvention in Kraft.
145 Johann GRUNER, Historisch-Statistische Beschreibung des Fürstentums Coburg Sachsen-Saalfeldischen Anteils, Bd. 4, Coburg 1793, S. 78. 146 Ebd., S. 75. 147 HESS, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 170.
3. Die Landesdefension und das Landregiment
3.1 Struktur und Formation „Als Wir dann die Officier vom Ausschuß hiermit befehligen bey allen Occurentien denen Unterthanen treulich beyzustehen […].“148 Herzöge von Sachsen-GothaAltenburg, 1676
3.1.1 Entstehung, Charakter und Struktur der gothaischen Landesdefension bis 1680 Herzog Ernst der Fromme, der im Jahre 1640 die Regierung des Herzogtums Sachsen-Gotha übernahm, prägte im Laufe seiner Regierung ein Landesdefensionswesen, das nach der Landesteilung der Jahre 1680/81 auch vom hildburghäusischen Herzog Ernst übernommen wurde. Das gothaische Landesdefensionswesen bildete damit den strukturellen Ursprung des hildburghäusischen Landregimentes und soll nachfolgend eingehender untersucht werden. Die Landesdefension bezeichnet im Allgemeinen das Aufbieten der tauglichen männlichen Bevölkerung eines Gebietes durch den Landesherrn. Dieses Aufgebot, das lediglich in Kriegszeiten unter Waffen stand, wurde bereits im Jahre 1555 durch den § 54 der Reichsexekutionsordnung sanktioniert, der die Aufgaben der Landesdefension anschaulich zusammenfasste. Hier heißt es, dass „ein jeder […] Fürst und Stand in guter Bereitschafft sitze, auch in seinen Fürstenthumen […] solche embsige Versehung thue, daß er und die seinen dannoch dermassen gefasst, damit sie sich unversehens Überfalls selbst zu entschütten, […] auf daß er und die seinen in solchen Nothfällen zusammenlaufen und gegen die Versammlungen eines jeden Kriegs-Volcks seinen Genachbarten fürderliche Rettung leisten […] möge“.149 Die Reichsexekutionsordnung sowie die in der gothaische Landesordnung zur Verteidigung des Herzogtums festgeschriebene Landesfolge bildete im
148 Von Gottes Gnaden Wir Friederich Hertzog zu Sachßen Jülich Cleve und Bergk für Uns und die Durchläuchtige Fürsten Unsere freundlich geliebte Brüdere Herrn Albrechten Herrn Bernharden Herrn Henrichen Herrn Christianen Herrn Ernsten und Herrn Johann Ernsten allerseits Hertzoge zu Sachsen […], (1676), fol. 1r. 149 Johann Jacob SCHMAUSS (Hg.), Neue und vollständigere Sammlung der ReichsAbschiede, Bd. 3, Frankfurt 1747, S. 25.
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17. Jahrhundert die rechtliche Grundlage zur Dienstverpflichtung der Untertanen.150 Das auf diese Weise formierte Aufgebot wurde besonders in Krisenzeiten oder zur Abwehr äußerer Gefahr eingesetzt. Als Ernst der Fromme inmitten des Dreißigjährigen Krieges die Regierung Sachsen-Gothas übernahm, waren solche Krisen und Gefahren mannigfach vorhanden. Im Herzogtum existierten zu dieser Zeit keinerlei militärische Einrichtungen, sodass die Bevölkerung zahlreichen Durchmärschen plündernder Truppen, aber auch umherstreifenden Banditen hilflos ausgesetzt war. So richtete Herzog Ernst von Anfang der Regierung an sein besonderes Augenmerk auf die Errichtung einer praktikablen Landesdefension. Im Jahre 1644 gelangten durch eine Landesteilung die ehemaligen coburgischen Gebiete um Heldburg und Eisfeld an Sachsen-Gotha. In diesen Gebieten bestanden noch Reste einer Defensionsordnung, die aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammte, aber durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in Verfall geraten war. Hier war bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts die wehrfähige Mannschaft in sogenannten Harnischbüchern zusammengefasst worden.151 Es handelte sich dabei um einen frühneuzeitlichen Ausschuss, der organisatorisch noch in spätmittelalterlicher Tradition stand. Es ist davon auszugehen, dass Herzog Ernst rund ein Jahrhundert später diese Grundlagen zum Aufbau der Landesdefension im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg nutzte.152 Ab dem 18. Februar 1641 fand der erste Landtag des Herzogs in Gotha statt, auf dem u.a. die Errichtung der Landesdefension diskutiert wurde.153 Hier gelang es Herzog Ernst, die Zustimmung der Landstände zur Errichtung einer sogenannten Landmiliz zu erwirken. Zu dieser Miliz sollten die Ämter des Herzogtums Kompanien formieren, die von Leutnants kommandiert wurden. Die gesamte gothaische Landmiliz unterstand um die Mitte des 150 Fürstlich Sächsische abermals verbesserte Landesordnung, Gotha 1667, S. 130 (nachfolgend als: Landesordnung 1667). Zu den rechtlichen Hintergründen und überhaupt dem Recht eine Landmiliz aufzubieten vgl. Michael SIKORA, Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert (= Historische Forschungen, Bd. 57), Berlin 1996, S. 236. Obwohl vielfach von herrschaftlicher Seite aus mit der Landfolge begründet, wollte Moser die Landmiliz ganz von der Landfolge getrennt sehen, vgl. Johann Jacob MOSER, Von der Landes-Hoheit in Militär-Sachen (= Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 18), Frankfurt 1773, S. 225. Seine Schrift gibt einen Überblick zur bereits von Zeitgenossen kontrovers diskutierten rechtlichen Lage. Zum verfassungsgeschichtlichen Aspekt vgl. Hideo SHINPO, Zur verfassungsgeschichtlichen Bedeutung des Landesdefensionswesens, in: Zeitschrift für historische Forschung 19 (1992), S. 341 f. 151 Ernst DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 3, Eisfeld 1938, S. 26 f. 152 SCHMIDT-EWALD, Das Landesaufgebot im westlichen Thüringen, S. 53. 153 Dieter STIEVERMANN, Landstände und Landschaft im Herzogtum Sachsen-Gotha von 1640 bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: THÜRINGER LANDTAG (Hg.), Landstände in Thüringen, S. 195 f.
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17. Jahrhunderts dem Landeshauptmann Johann Vogel v. Ülleben und belief sich auf 8238 Mann.154 Zu ihren Aufgaben gehörten der Wachdienst in den Städten, die Verfolgung flüchtiger Verbrecher und alles Weitere, was „zu Schirm, Vertheidig- und Rettung unserer Lande und Leute oder des Reichs oder Craises Behuff nöthig“.155 Die gesamte taugliche Mannschaft der Landesdefension wurde unter dem sogenannten weiten Ausschuss zusammengefasst. Diesem gehörten alle männlichen Untertanen zwischen dem 18. und 60. Lebensjahr an. Aus diesen wurden die brauchbarsten Männer zum sogenannten engen Ausschuss rekrutiert, aus dem heraus die Landmiliz formiert wurde. Als Grundlage für die Zusammensetzung des Ausschusses dienten Musterungslisten. Diese wurden von den Ämtern des Herzogtums erstellt und anlässlich spezieller Musterungstage aktualisiert.156 Die Musterungstage wurden im Herzogtum SachsenGotha alljährlich am dritten Pfingstfeiertag abgehalten. Sie dienten dazu, alte und gebrechliche Ausschussmitglieder auszumustern und den Nachwuchs einzutragen.157 Mitunter erschienen Ausschüsser nicht, sodass die Musterung unvollständig war. Um dem Abhilfe zu schaffen, wurden im Jahre 1677 schärfere Strafen für das Fernbleiben von den Musterungstagen angedroht.158 Gleichzeitig wurden Handwerker und Bauern, die ohne gewerbliche Einbuße ihre Arbeitsstätte nicht verlassen konnten, gegen Erlegung eines Geldbetrages von der Musterung befreit. Die Summe des erlegten Geldes wurde anschließend dazu verwandt, neue Montierungsstücke für den engen Ausschuss anzuschaffen. In der Hauptsache wurde dieser jedoch durch die herzogliche Kammer und die Landstände finanziert. Um die Ausbildung der Landmiliz voranzutreiben, versammelten sich die Mitglieder der Kompanien im Frühjahr und Herbst an den Sonntagen nach dem Gottesdienst zu Waffenübungen.159 Darüber hinaus waren die Ausschüsser in der gothaischen Landesordnung von 1667 dazu angehalten: „Auff daß auch die zum Außschuß beschriebene desto mehrere Übung der Waffen erlangen mögen [sollen] sie zu bequemen Zeiten, wenn es mit mindester Versäumnis der Arbeit geschehen kann, fleissig üben.“160 Man sah es gerne, wenn ein Ausschüsser bereits über 154 BECK, Ernst der Fromme, S. 345. 155 Landesordnung 1667, S. 130. 156 Den Musterungslisten lagen des Öfteren die kirchlichen Seelenregister der Gemeinden zugrunde. Später wurden die Musterungslisten gelegentlich mit diesen Dokumenten abgeglichen und die Angaben der Ausschüsser kontrolliert. 157 Ernst DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 1, Eisfeld 1932, S. 168. 158 ThStAM, GA Hbn, XXII, 7, 26.10.1677, fol. 1v.: „[So sollen][…] Handwercks- und andere Leute, die ihrer Nahrung und Gewerbs auch schweren Ackerbaues halben, ohne sonderbahren Schaden und Versäummniß nicht wol abkommen können, sondern ein merckliches an ihrer Arbeit versäumen oder in schweren Zinße und Frohngüttern stecken […] [von der Musterung befreit sein]“. 159 DAHINTEN: Geschichte der Heimat, S. 65. 160 Landesordnung 1667, S. 131.
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eine Waffe verfügte, doch kam es des Öfteren vor, dass diese Ausstattung vom Amt gestellt wurde.161 Aufgrund fehlender Reglementierung fanden sich Ausschüsser mit verschiedensten Waffentypen auf dem Übungsplatz ein, sodass die Exerzier- und Schießausbildung keine hohen Standards erfüllen konnte.162 Eine einheitliche Uniformierung existierte zunächst ebenfalls nicht, sodass die Mitglieder der gothaischen Landmiliz zu Musterungstagen und Übungen in ihren eigenen Kleidern erschienen. Erst 1673 wurde eine einheitliche Uniformierung für die Ausschüsser eingeführt.163 Somit zeigte sich bereits die begrenzte militärische Einsatzfähigkeit der Landmiliz. Während man allenfalls einen passablen Grenzschutz von den Ausschüssern erwarten konnte, war die Landmiliz für eine offene Feldschlacht oder einen längeren Feldzug völlig ungeeignet. Als nach dem Dreißigjährigen Krieg die Bedrohung durch fremde Heere nachließ und sich die innere Situation des Reiches deutlich stabilisierte, rückte die Landesdefension allgemein stärker in den Hintergrund. Diese Entwicklung wurde durch den Reichsabschied des Jahres 1654 noch bedeutend verstärkt. Hier hieß es unter § 180: „[…] sonderlich aber sollen jedes Churfürsten und Stands Landsassen, Unterthanen und Bürger zu Besetz- und Erhaltung der einem oder andern Reich-Stand zugehörigen nöthigen Vestungen, Plätzen und Guarnisonen, ihren Landes-Fürsten, Herrschaften und Obern mit hülfflichem Beytrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig seyn.“164 Dieser Reichsabschied bildete mit dem ius armorum die Grundlage für den Landesherrn, ein professionell organisiertes stehendes Heer aufzubieten.165 Auch in Sachsen-Gotha-Altenburg betrachtete man die Landesdefension bald als obsolet. Die prekäre Situation, aus der heraus die gothaische Landesdefension während des Dreißigjährigen Krieges entstanden war, existierte nicht länger. Während der Landesherr einst das Aufbieten eines Ausschusses als Zeichen seiner Souveränität begriffen hatte, wurde diese Institution nun allmäh-
161 „Ingleichen wollen wir, daß männiglich, so unter den Außschuß gehörig, sich mit Gewehr jederzeit ohne alle Verwahrlosung gefasst halte und solches, zumal wenn es ihm von Herrschaffts- oder Gerichtswegen gegeben würde, nicht veräussern, noch von abhanden kommen lassen […] sollen“, Landesordnung 1667, S. 131. 162 Helmut SCHNITTER, Volk und Landesdefension. Volksaufgebote, Defensionswerke, Landmilizen in den deutschen Territorien vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (= Militärhistorische Studien, Bd. 18), Berlin 1977, S. 168. 163 Ebd., S. 155. 164 SCHMAUSS, Reichs-Abschiede, S. 674. 165 Dirk GÖTSCHMANN, Das Jus Armorum. Ausformung und politische Bedeutung der reichsständischen Militärhoheit bis zu ihrer definitiven Anerkennung im Westfälischen Frieden, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 129 (1993), S. 264; Siegfried FIEDLER, Taktik und Strategie der Kabinettskriege 1650–1792 (= Heerwesen der Neuzeit, Bd. 2/2), Augsburg 2002, S. 175.
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lich durch das stehende Heerwesen verdrängt.166 Man erinnerte sich zusehends an die starken Einschränkungen, die eine Landmiliz mit sich brachte, und so kritisierte bereits im Jahre 1671 Herzog Ernst der Fromme auf einem Landtag: „Das unförmliche Corpus eines, wenn auch ziemlich starken Landesausschusses könne bei ernstlichen Operationen schon um deswillen wenig leisten, weil es meist aus unwilligen, ungeschickten, mit Haus- und Feldarbeit, auch mit Versorgung von Frau und Kindern beladenen, zaghaften und keiner scharfen Occasion gewachsenen Bauers- und Bürgersleuten bestehen muß. Man habe also Ursache bei heutigen, geschwinden Läuften auf andere Mittel zu denken.“167 Im weiteren Verlauf forderte der Herzog die radikale Reduzierung der Landmiliz und die Aufstellung stehender Truppen. Der Landtag konnte sich dieses Vorschlages noch einmal erwehren, sich jedoch nicht der allgemeinen Entwicklung entgegenstellen. Diese schritt besonders unter Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg, dem Nachfolger Ernsts des Frommen, ab 1675 stetig fort. Friedrich I., der zunächst in Gemeinschaft mit seinen sechs Brüdern regierte, behielt nach dem Tode seines Vaters die Landesdefension noch einige Zeit bei. Die Ausschüsser wurden in dieser Zeit hauptsächlich bei Durchmärschen fremder Truppen aufgeboten. Aufgrund der Reunionspolitik Ludwigs XIV. häuften sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Durchmärsche befreundeter Truppen, die auf dem Weg zum Kriegsschauplatz am Rhein waren.168 Das mitunter gewalttätige Verhalten dieser Truppen in den Dörfern des Herzogtums gab besonders während des Holländischen Krieges Anlass, eine Verordnung zu erlassen, in der besondere Verhaltensregeln für den Ausschuss erwähnt werden: „[Es sollen] gewiße Oerther, worinnen man sich auf dem Nothfall zur Wehre und Sicherung samblen und aufhalten könne, bestimmet; die Mannschafft zum Ausschuß gehörig, mit Gewehr, Kraut und Loth der gebühr versehen; auch die darzu verordnete Officierer, die ieden Orths vorhandene Pferde, ohne Verweigerung der Eigenthums-Herren mit Musquetierern zu besetzen, befugt seyn.“169 Das stärkere Engagement Sachsen-Gotha-Altenburgs, Subsidientruppen zu werben und ein stehendes Militär zu etablieren, ließ jedoch die alte Verfassung des Ausschusses zunehmend entbehrlich werden.170 Diese war gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Sachsen-Gotha-Altenburg nur noch als Rumpforganisation präsent und diente vor allem in Kriegszeiten den stehenden 166 Gerhard PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus, in: MILITÄRGESCHICHTLICHES FORSCHUNGSAMT (Hg.), Deutsche Militärgeschichte 1648– 1939, Bd. 1/1, München 1983, S. 78; Karl LINNEBACH, Die stehenden Heere, in: Ders. (Hg.), Deutsche Heeresgeschichte, Hamburg 1935, S. 95 f. 167 Ediert in BECK, Ernst der Fromme, S. 347. 168 Die Landesordnung 1667, S. 224 f. widmete diesen Belangen ein eigenes Kapitel. 169 Von Gottes Gnaden Wir Friederich Hertzog zu Sachßen, fol. 1r. 170 SCHMIDT-EWALD, Das Landesaufgebot im westlichen Thüringen, S. 56.
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Truppen als Mannschaftsreservoir.171 So wies Herzog Friedrich I. bei der Musterung des Jahres 1677 darauf hin, vor allem jene Mannschaft zum engen Ausschuss zu mustern, „welche am wenigsten begüttert, ledigen Standes oder doch wenig Kinder und etwa freywillige Belieben hierzu haben“.172 Mit diesen Voraussetzungen war es wesentlich einfacher, einen Ausschüsser aus seinem gesellschaftlichen Umfeld herauszulösen und als Angeworbenen in das stehende Heer zu integrieren. 3.1.2 Die strukturelle Entwicklung des Landregiments bis 1806 Nach der Landesteilung der Jahre 1680/81 unterstand das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen dem Nexus Gothanus und war damit in außenpolitischen und militärischen Angelegenheiten eng an Sachsen-Gotha-Altenburg gebunden. Herzog Ernst vermochte es jedoch bereits wenig später, sich auch im Hinblick auf die Organisation der Landesdefension weitestgehend von Sachsen-Gotha-Altenburg zu lösen. Im sogenannten Deklarationsrezess des Jahres 1683 wurde bestimmt, dass „Herrn Herzog Ernstens Durchlaucht in Ihrer Landes-Portion dieselbe [Landesdefension] zu Erhaltung nöthiger Conformität denen von Herrn Herzog Friedrichs [von Sachsen-Gotha-Altenburg] Durchlaucht gemachten und communicirten Anstalten gemäß, an Mannschafft, Montirung, im Exercitio und sonsten einrichten lassen, geschickte und solche Officirer, wobey Herrn Herzog Friedrichs Durchlaucht keine erhebliche Erinnerung haben, darzu bestellen, auch beyderley in gewöhnliche Pflichten nehmen [lassen kann].“173 Diese relativ formlose Bindung an strukturelle Vorgaben aus SachsenGotha-Altenburg erfolgte aus praktischen Gründen, da im Ernstfall die verschiedenen Landregimenter eine größere Einheit bilden sollten. Während aber im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts die Landesdefension in SachsenGotha-Altenburg zunehmend an Bedeutung verlor, ist in SachsenHildburghausen eine gegenläufige Entwicklung zu verzeichnen. Aufgrund der geringen flächenmäßigen Ausdehnung und den damit verbundenen geringen Einnahmen des Fürstentums war es unmöglich, eine schlagkräftige stehende Truppe aufzustellen und zu unterhalten. In Sachsen-Hildburghausen wie in zahlreichen anderen Kleinterritorien des Reiches kam der Landesdefension daher eine bedeutende Rolle zu.174 Sie stellte die einzige Alternative zum ste171 PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer, S. 100. Gerhard OESTREICH, Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500 bis 1800. Ein Versuch vergleichender Betrachtung, in: Richard DIETRICH (Hg.), Forschungen zu Staat und Verfassung – Festgabe für Fritz Hartung, Berlin 1958, S. 421. 172 ThStAM, GA Hbn, XXII, 7, 26.10.1677, fol. 1v. 173 RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 296. 174 SCHNITTER, Volk und Landesdefension, S. 154.
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henden Heer dar, und ihr forcierter Ausbau sollte die Disziplin der gesamten Truppe steigern. Nach der Regierungsübernahme durch Herzog Ernst im Jahre 1680 bestanden auf dem Gebiet des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen zwei Kompanien der gothaischen Landesdefension mit einer Gesamtstärke von lediglich 278 Mann. Sie wurden gemeinhin als Landmiliz bezeichnet, bildeten noch keine geschlossene militärische Einheit und verfügten über keinen zentralen Stab. Die Kompanien der Landmiliz wurden von den Ämtern des Fürstentums aufgestellt. Später existierten in den meisten Ämtern jeweils zwei Kompanien, die nach den Ärmelaufschlägen der Uniformen in rote und graue Kompanien unterschieden wurden. Diese gliederten sich wiederum in vier Musketier- und zwei Pikenierkorporalschaften.175 Pikenierkorporalschaften waren am Ausgang des 17. Jahrhunderts bereits antiquiert und waren ein Überbleibsel der gothaischen Landesdefension, die in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges errichtet worden war. Eine Korporalschaft bestand aus drei Rotten zu sechs Mann. Die Mannschaftstärken der Kompanien schwankten bis um 1700 stark. Um 1690 ergab sich für die hildburghäusische Landmiliz inklusive Prima Plana die folgende Aufstellung: Stadt/Amt Hildburghausen Stadt/Amt Eisfeld Stadt/Amt Heldburg Amt Königsberg Anteile Stadt/Amt Schalkau Gesamte Mannschaft
= = = = = =
132 Mann 252 Mann 175 Mann 103 Mann 134 Mann 796 Mann
Die Herbstmusterung im November 1695 brachte die Mannschaftsstärke der Landmiliz auf einen einheitlicheren Stand. Die Stärke einer Kompanie sollte ohne Prima Plana 108 Mann betragen.176 In dieser Form blieb die Landmiliz bis Anfang des 18. Jahrhunderts bestehen. Es war jedoch im Reich allgemein zu beobachten, dass dort, wo Reste alter Landesdefension nicht von stehenden Truppen verdrängt wurden, organsierte Landregimenter entstanden.177 Diese Entwicklung lässt sich auch für Sachsen-Hildburghausen konstatieren: Am 9. Februar 1711 erging eine Verordnung des Herzogs Ernst, der sich bewogen sah, „Unsere Land-Miliz auf einen bessern und regulirtern Fuß zu stellen;
175 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1988. 176 ThStAM, Amtsarchiv Heldburg, 2231–2232. DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 104. 177 FIEDLER, Taktik und Strategie der Kabinettskriege, S. 177 f.
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Allermaßen Wir dann in Absicht dessen, insonderheit aber zu desto mehrerer Defension Unserer Lande, ein Regiment Infanterie errichten […] lassen“.178 Hierbei handelte es sich um die Geburtsstunde des Landregiments, welches fortan die Landmiliz ersetzte. Dabei ist die Verordnung jedoch nicht zu überschätzen, denn dies war keine völlige Neuerung. Vielmehr wurden die bekannten Strukturen der Landmiliz übernommen und die bestehenden Kompanien zu einem Regiment zusammengefasst. Der in der Verordnung genannte „regulirte Fuß“ existierte mit dem Artikelbrief des Jahres 1690 ebenfalls bereits und wurde übernommen, und auch die Verpflichtungen der gemeinen Soldaten änderten sich nicht. Als einzige Neuerungen lassen sich der zentrale Stab ausmachen, der nun das Landregiment kommandierte und koordinierte, sowie diverse Personalbefreiungen, die den Mitgliedern zugestanden wurden.179 Die „Errichtung“ des Landregimentes beinhaltete also nur wenige und geringfügige strukturelle Veränderungen der Landmiliz. Eine begriffliche Differenzierung zwischen Landmiliz und Landregiment ist in Sachsen-Hildburghausen daher nur nach den genannten Kriterien möglich.180 1722 1725 1731 1746 1748 1750 1781 1792
426 Mann 660 Mann 380 Mann 530 Mann 563 Mann 659 Mann 601 Mann 557 Mann
Tabelle 1: Mannschaftsstärke des Landregiments ohne Prima Plana, 1722–1792. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 25, 45 u. 51 sowie SM, Inneres, 24217, 23940 und DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4 (1938)
Die Mannschaftsstärke der gesamten Landmiliz sowie des späteren Landregimentes schwankte während des 18. Jahrhunderts zwischen etwa 350 und 700 Mann. Dies hing vor allem mit dem Besitzstand des Fürstentums zusammen, der in dieser Zeit ebenfalls nicht stabil war. Beispielsweise wurde im Jahre 1714 der Anteil des Amtes Schalkau an Sachsen-Meiningen abgegeben und dafür das kleine Amt Behrungen in Besitz genommen, dessen Mannschaftsstärke lediglich aus 43 Mann bestand und keiner Kompanie des Land178 Demnach Wir nach dem löblichen Exempel Unsers Fürstlichen-Gesamt Hauses bewogen worden Unsere Land-Miliz auf einen bessern und regulierten Fuß zu stellen […], Hildburghausen 1711, fol. 1r. 179 Nachdeme das untern 9. Februar 1711 wegen einiger Unserm im Lande errichteten und stehenden Regiment allhier gegönneter Personal-Befreyung und Douceurs […], Hildburghausen 1711, fol. 1r. 180 Nach 1711 verschwindet der Begriff „Landmiliz“ vollständig aus den Quellen.
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regiments zugewiesen war. Andere Ämter vermochten es im Laufe des 18. Jahrhunderts, ihre Dienstverpflichtungen abzukaufen. Das Amt Königsberg diente ab 1746 nicht mehr beim Landregiment, bezahlte jedoch erst ab 1802 eine jährliche Ablöse von 242 Gulden und 8½ Kreuzer. Ebenso verfuhr das Amt Behrungen, welches seit 1802 keinen Dienst mehr tat und dafür 173 Gulden und 30 Kreuzer abführte.181 Ein besonderes Kuriosum stellte das Dorf Reurieth dar, nur ein kleines Stück jenseits der westlichen Landesgrenze des Fürstentums gelegen. Das Dorf wurde von Sachsen-Gotha-Altenburg verwaltet, doch im Jahre 1712 kaufte Sachsen-Hildburghausen das dortige Rittergut und verfügte seitdem über die Vogtei der dazugehörigen Untertanen.182 Um Streitigkeiten unter den Dorfbewohnern und mit Sachsen-GothaAltenburg zu vermeiden, erließ Herzogin Caroline im Namen ihres Sohnes Ernst Friedrich Carl im Jahre 1746 eine Verordnung, mit der die Reuriether Untertanen von der Dienstpflicht zum Landregiment befreit wurden.183 Von Vergünstigungen und Befreiungen ausgenommen waren lediglich die Ämter Hildburghausen, Heldburg und Eisfeld. Doch auch hier gab es mit den sogenannten zentfreien Rittergütern geringfügige Ausnahmen. Diese Güter verfügten über eine althergebrachte Gerechtigkeit in Fron-, Steuerund Gerichtssachen und waren vom Dienst im Landregiment befreit.184 Die Ämter Hildburghausen, Heldburg und Eisfeld stellten die Kernmannschaft des Landregiments. Um die Kompanien der Ämter mit Mannschaften zu komplettieren, war von den einzelnen Orten eine bestimmte Zahl an Männern aufzubringen. Die aufzubringende Mannschaft richtete sich nach der Anzahl der in den Musterungslisten verzeichneten Männer eines Ortes. Ein Schlüssel, der die Aushebung reglementierte, existierte jedoch nicht, sodass kaum vorhersehbar war, wie viele Männer eines Ortes gefordert wurden. Im Jahre 1746 erfolgte ein erster Vorstoß Herzog Ernst Friedrich III. Carls, der die Stellung der Mannschaften nach Haushalten durchzusetzen versuchte.185 Zahlreiche Beamte sprachen sich jedoch dagegen aus, sodass zunächst keine Veränderungen eintraten. Irgendwann während der späten Regierungsjahre Herzog Ernst Friedrich III. Carls – wahrscheinlich um 1770 – setzte 181 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, S. 172. 182 Dabei handelte es sich um 25 Häuser und 11 dazugehörige Güter, Johann BUNDSCHUH, Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken, Bd. 4, Ulm 1801, Sp. 487 f. und FABER, Geographie für alle Stände, S. 137. 183 Vgl. ThStAM, SM, Inneres, 24216. 184 Zur Eigenart der Cent-/Zentfreiheit im sächsischen Raum vgl. Johann RÖDER, Von Erbgerichten und Lehnsvogteien nach der Landesverfassung in der Pflege Coburg, Hildburghausen 1782, S. 72 f. In Sachsen-Hildburghausen waren die Dorfschaften Heßberg, Eishausen, Schwarzbach, Engenstein, Massenhausen, Bockstadt, Weitersroda und Steudach zentfrei. 185 Vgl. ThStAM, SM, Inneres, 23940.
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sich dann doch die Praxis durch, das Landregiment entsprechend der Anzahl der Haushalte eines Ortes aufzubieten.186 Nach wie vor blieb das Aufbietungssystem nicht reglementiert. Die Mannschaftsstärke des Regimentes schwankte in dieser Zeit zwischen fünf- und sechshundert Mann. Ebenso verhielt es sich bei der Aufteilung der Kompanien: Während für die Jahre 1751 bis 1781 eine Gliederung der fünf Kompanien des Landregiments in zwei Grenadier- und drei Musketierkompanien nachzuweisen ist, waren es um 1790 drei Grenadier- und zwei Musketierkompanien zu je 109 bis 112 Mann inklusive Prima Plana.187 Getreu dem Vorbild anderer Territorialstaaten existierten auch im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen Bestrebungen, das Landregiment aufzulösen und durch eine stehende Truppe, die sogenannte obligate Mannschaft, zu ersetzen.188 Einen ersten Versuch in diese Richtung unternahm der militärbegeisterte Herzog Ernst Friedrich I. Durch Einrichtung der Garde zu Fuß und der Garde du Corps glaubte man auf das Landregiment weitestgehend verzichten zu können, und so erfolgte im Jahre 1717 eine starke Reduzierung der Mannschaften.189 Man projektierte, lediglich 350 Mann des vormaligen Landregimentes gemäß nachfolgender Aufstellung in Dienst zu behalten:190 Stadt/Amt Hildburghausen Stadt/Amt Eisfeld mit Schalkau Stadt/Amt Heldburg mit Königsberg Amt Sonnefeld mit Behrungen Gesamte Mannschaft
= = = = =
100 Mann 100 Mann 100 Mann 50 Mann 350 Mann
Demgemäß erfolgte am 12. Juni 1717 der Befehl Herzog Ernst Friedrichs I., weite Teile des Landregiments aus seinen Diensten zu entlassen: „Nachdeme Wir aus bewegenden Ursachen resolviret unser bißanhero gestandenes Land-Regiment zu dimittiren und selbiges seiner aufgehabten Militair-Dienste zu entlaszen; Alß […] begehren [Wir] hiermit gnädigst, Ihr wollet euch sofort an die behörigen 186 Damit folgte man dem bereits seit 1733 im preußischen Kantonsystem praktizierten Verfahren, die Enrollierung nach Anzahl der „Feuerstellen“ vorzunehmen, vgl. FIEDLER, Taktik und Strategie der Kabinettskriege, S. 117, KUCZYNSKI, Geschichte des Alltags des deutschen Volkes, Bd. 2, S. 335. Ein weiteres Verfahren war die Stellung der Mannschaften nach dem Steuerfuß einer Ortschaft, wie es beispielsweise im Herzogtum SachsenWeimar praktiziert wurde. Müller fand heraus, dass – ähnlich, wie in SachsenHildburghausen – der Aushebung keine einheitlichen Berechnungen zugrunde lagen, vgl. MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 22 u. 36. 187 ThStAM, SM, Inneres, 24217, 8.4.1781, fol. 1r. 188 Überlegungen in diese Richtung wurden in den meisten Territorialstaaten angestellt. Zum Beispiel von Schwarzburg-Rudolstadt vgl. ORTENBURG, Das Militär in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 29. 189 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35. 190 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 82r.
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Orte begeben, [den Kompanien] hievon Eröffnung [zu] thun, auch selbige sogleich ihrer Militair-Pflicht entlaßen und sie dimittiren, das Gewehr aber und Montur abnehmen und in die Aemter verwahrlich liefern laßen, nicht minder die Leute, weiln die ihnen der Dienste halber ertheilte Freyheiten hiermit aufhören […] behörend anweisen […].“191 In den nächsten Jahren zeigte sich jedoch, dass die Garden mit ihrer geringen Mannschaftsstärke die vielfachen Aufgaben des Landregiments nicht zur Zufriedenheit erfüllen konnten. Bereits im Jahre 1721 wurde die Mannschaftsstärke des Landregiments wieder erhöht. Es sollte jedoch zu keinem späteren Zeitpunkt eine Stärke wie vor der Reduktion des Jahres 1717 erreichen. Mit dem Tod Ernst Friedrichs I. im Jahre 1724 setzte eine umfassende Sparpolitik seiner Witwe ein. Die extrem begrenzten finanziellen Mittel des Fürstentums erforderten zunächst die Reduzierung, später aber die komplette Auflösung der Garde, sodass dem Landregiment erneut größere Bedeutung zukam. Seine Relevanz wurde erst von Herzog Friedrich im Jahre 1788 erneut in Frage gestellt. Fehlerhafte Kalkulationen hinsichtlich des Kostenaufwands für das mittlerweile aus vier Kompanien bestehende Landregiment führten zu dem Entwurf, dieses zu entlassen und durch eine stehende Truppe zu ersetzen. Diese sogenannte obligate Kompanie sollte aus achtzig Mann bestehen und die Aufgaben des Landregiments übernehmen.192 Ein vom Herzog in Auftrag gegebenes Gutachten des Obristen Johann Carl v. Heßberg gab jedoch zu bedenken: „Gleichwie mir nun aber zuförderst die gänzliche Entlaßung und Aufhebung des Land-Regimentes um deßwillen bedencklich und nachtheilig scheinet, weilen bey vorfallenden starcken Extra Commandis als Streifen und dergleichen man deßen in der gegenwärtigen effectiven Verfaßung immer noch nöthig haben dürffte.“193 Im weiteren Verlauf wurden die Pläne zur Entlassung des Landregimentes verworfen. Die Verfassung dieser Formation der Landesdefension, die ihren Ursprung in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges hatte, blieb so bis zum Ende des Alten Reiches bestehen und diente nach 1806 als Truppenreservoir für die hildburghäusische Kompanie im Rheinbund-Regiment „Herzöge von Sachsen“.194
191 192 193 194
Ebd., fol 87r. ThStAM, SM, Inneres, 24217, 13.5.1788, fol. 1r. Ebd., fol. 1v. HERTEL, Neue Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Meiningen. Meiningische Geschichte von 1680 bis zur Gegenwart, in: Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde 47 (1904), S. 278, Anm. 2; MERTA, Das Militär der sächsischen Herzogtümer in Thüringen, S. 10.
62
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Hildburghausen 73
Eisfeld
62
Heldburg
30
Adelhausen
2
Biberschlag
4
Albingshausen
5
Bedheim
12
Brattendorf
3
Colberg
4
Birkenfeld
4
Brünn
6
Gellershausen
12
Bürden
6
Crock
13
Gompertshausen 16
Ebenhards
6
Fehrenbach
5
Hellingen
16
Harras
7
Gießübel
10
Holzhausen
4
Häselrieth
14
Goßmannsrod
4
Käßlitz
6
Leimrieth
4
Herbartswind
3
Lindenau
7
Pfersdorf
8
Heubach
7
Poppenhausen
4
Roth
9
Hinterrod
1
Rieth
10
Schackendorf
5
Hirschendorf
4
Schlechtsart
4
Simmerhausen
10
Merbelsrod
4
Seidingstadt
8
Steinfeld
2
Oberneubrunn
10
Ummerstadt
22
Stressenhausen
13
Oberwind
4
Völkershausen
2
Streufdorf
24
Poppenwind
4
Westhausen
15
Veilsdorf
14
Sachsendorf
13
Gesamt
165
Wallrabs
3
Schirnrod
2
Zeilfeld
3
Schnett
7
Gesamt
219
Schwarzenbrunn 6 Stelzen
4
Unterneubrunn
3
Waffenrod
6
Gesamt
185
Tabelle 2: Übersicht zur Mannschaft ohne Prima Plana, die von den Städten und Ämtern Hildburghausen, Eisfeld und Heldburg an das Landregiment abgegeben wurde, um 1770. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, SM, Inneres, 23940.
3.1.3 Das Munitionsgeld Um dem jährlichen Kostenaufwand der Musterungen zu begegnen und das Landregiment auszurüsten, wurde von Herzog Ernst im Juli 1689 eine allgemeine Steuer erlassen, die als Munitionsgeld bezeichnet wurde und bis 1708
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fortbestand.195 Diese besondere Steuer war von allen männlichen Untertanen sowie von vermögenden Witwen abzuführen. Befreit waren lediglich Mitglieder des Landregimentes, Bürgermeister, Ratsmitglieder der Städte sowie Stadt-, Amts- und Gerichtsschreiber. Darüber hinaus waren Personen, die zwar im Fürstentum Besitz hatten, jedoch hier nicht wohnhaft waren, vom Munitionsgeld befreit. Auch Waisen und mittellose Personen, wie beispielsweise der Heubacher Branntweinbrenner Hans Müller, konnten durch besondere Atteste vom Munitionsgeld befreit werden: „Hanß Müller, ein Brantweinbrenner wohnet zu Heubach, hat nichts eigenes, ist itzo blindt darzu worden, kann unter das Munitionsgeld nicht mehr gezogen werden; wirdt hiermit attestirt. Eisfeld den 5. Oktober 1689.“196 Im Gegensatz dazu standen gelegentliche Gesuche, doch zum Munitionsgeld herangezogen zu werden. Vornehmlich wurden diese durch invalide Mitglieder des Landregimentes formuliert, die um Dienstentlassung nachsuchten und im Gegenzug das Munitionsgeld zu zahlen versprachen. Zu diesen nicht sehr zahlreichen Invaliden zählte Daniel Eberth aus Hellingen, der 1694 mit folgenden Worten um seine Entlassung nachsuchte: „[Da] durch zugestoßenes Unglück eine solche Beschwehrung an mich bekommen, daß wen[n] ich nur ein wenig erkalte, dermaßen unpäßlich werde, daß ich offt drey, vier und mehr Tage bettlagerlich sein muß und nicht von der Stelle kommen kann, dieweil ich dann durch solchen Zustandt zum Ausschuß gantz untüchtig worden bin und besorgen muß, das bey etwan vorfallender Erkaltung gar das Leben einbüßen möchte. Alß ersuche […] mir die Gnade zu erweißen und gegen Erlegung des Munitiongeldes, des würklichen Ausschußes mich zu erlaßen […].“197 Jene, die zur Steuer herangezogen wurden, unterteilte man zunächst in die drei Klassen „Vermögenste“, „Mittelmäßige“ und „Unvermögende“, die anschließend noch einmal zunächst in sechs, später aber in acht Klassen des Vermögens differenziert wurden. Auf diese Art wurde die gesamte Bevölkerung von den Ämtern des Fürstentums in jährlich zu aktualisierenden Listen erfasst. Gemäß den Abstufungen des Vermögens waren zwischen zwölf Groschen und zwei Reichstaler abzuführen. Im ersten Jahr der Erhebung des Munitionsgeldes wurden 2020 abgabepflichtige Personen im gesamten Fürstentum Sachsen-Hildburghausen erfasst. Dies ergab insgesamt eine Einnahme von 1584 Reichstaler und 20 Groschen.198 Zu dieser regelmäßigen Einnahme konnten noch Strafgelder kommen. Diese wurden von Milizionären bezahlt,
195 196 197 198
Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 19. ThStAM, GA Hbn, XXII, 19, 5.10.1689, fol. 1r. ThStAM, Amtsarchiv Heldburg, 1526, fol. 1r. DAHINTEN, Geschichte der Heimat, S. 107. An dieser Stelle findet sich auch eine Edition der Munitionsliste der Stadt Eisfeld von 1689.
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DIE LANDESDEFENSION UND DAS LANDREGIMENT
die ihre Uniformierung hatten verkommen lassen oder Teile ihrer Ausrüstung verliehen bzw. verkauft hatten.199 Alle eingenommenen Gelder wurden in eine Munitionskasse abgeführt, die einen separaten Etat des Militärs darstellte. In dieser Form wurde das Munitionsgeld in Sachsen-Hildburghausen bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts aufgebracht. Der 1701 ausgebrochene Spanische Erbfolgekrieg belastete in den folgenden Jahren das hildburghäusische Land erheblich. Durchmarschierende Truppen verübten Ausschreitungen, erpressten Geld und Vorspanndienste. Bei Einquartierung fremder Soldaten verließen viele Untertanen aus Sorge ihre Häuser nicht mehr und versäumten ihre täglichen Arbeiten. Mehr und mehr Untertanen gerieten in finanzielle Not, und das Abführen des Munitionsgeldes gestaltete sich als problematisch.200 Die lange Dauer des Krieges verschlechterte diese Situation zunehmend, sodass Herzog Ernst mit einer Verordnung vom 17. Dezember 1708 das Munitionsgeld vollständig aufhob: „Demnach Wir zuvor verschiedentlich mit unseren getreuen Landständten gepflogenen Anrath aus trifftigen und bewegenden Ursachen, daß bißanhero zu Bestreitung der Landmiliz eingeführt und üblich gewesene beschwerliche Munitionsgeld, von iezig abgewichenen Michaelis dieses Jahres an gänzlich abgestellet und aufgehoben, dargegen aber fürhin deren Besorgung aus der Landschafftscassa gethan werden solle […].“201 3.1.4 Uniformierung und Ausrüstung Ebenso wie die Struktur des Landregiments im Laufe des 18. Jahrhunderts einigen Veränderungen unterlag, verhielt es sich auch mit der Uniformierung und Ausrüstung. Erstere begegnet in den Quellen des Öfteren unter dem Begriff Montur oder Montierung. Eine genauere begriffliche Bestimmung kann der „Encyclopädie“ des Johann Georg Krünitz entnommen werden: „[…] gewöhnlicher Bedeutung nach ist die Montur die Kleidung der gemeinen Soldaten, welche ihnen von ihrem Herrn gegeben wird, sie sowohl unter sich, als von den Soldaten anderer Herren zu unterscheiden; im gemeinen Leben gleichfalls die Montirung.“202 In der gothaischen Landesdefension des 17. Jahrhunderts existierte noch keine Uniformierung der Milizsoldaten. Die verpflichteten Untertanen erschienen in ihren eigenen Kleidern zum Dienst und gaben auf den Muste199 Artikelbrief 1690, S. 6. 200 Aus Eisfeld wurde 1705 berichtet: „Wie denn die jüngsten fünf Märsche unserer Stadt […] nur allein über 500 fl. ohne die unzähligen Anspanndienste, Botenlohn und dergleichen gekostet hat […].“ DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 114. 201 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 348, fol. 86r. 202 Johann KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 93 (1803), S. 647.
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rungstagen ein uneinheitliches Bild ab. Dies änderte sich erst im Jahre 1673, als auch in Sachsen-Gotha-Altenburg eine einheitliche Uniformierung eingeführt wurde.203 Es handelte sich dabei um hellgraue, weit geschnittene Röcke mit verschiedenfarbigen Ärmelaufschlägen. Auf dem Gebiet des späteren Fürstentums Sachsen-Hildburghausen bestanden zwei Kompanien der gothaischen Landesdefension, welche lichtgraue Waffenröcke mit rotem Futter und roten Strümpfen trugen. Als Kopfbedeckung verfügten die Soldaten über rot eingefasste Hüte. Diese erste Uniformierung der gothaischen Landesdefension wurde in den Jahren nach 1680 zunächst auch in Sachsen-Hildburghausen übernommen bzw. beibehalten. Die Farben der Ärmelaufschläge waren maßgebend für die Einteilung der hildburghäusischen Landmiliz in verschiedene Kompanien. So unterschied man diese gegen Ende des 17. Jahrhunderts in sogenannte graue und rote Kompanien.204 Allgemein orientierten sich diese Uniformierungen sowie jene des Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg stark an österreichischen Vorbildern. Mit dem Erstarken Brandenburg-Preußens gingen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Territorien des Reiches dazu über, Blau als vorherrschende Uniformfarbe für ihre Truppen zu definieren. Dieser Wandel ist auch in Sachsen-Hildburghausen zu beobachten, obwohl man hier der preußischen Politik stets reserviert gegenüberstand. Da sich die archivalischen Quellen zu diesem Thema ausschweigen, stellt die Handschrift des Johann Christian Becher aus Weimar die wichtigste Quelle zur Uniformierung dieser Zeit dar.205 Sie enthält unter dem Titel „Ein Soldat von Hildburghausen“ die bildliche Darstellung eines Uniformierten, bei dem es sich um ein Mitglied des hildburghäusischen Landregiments handelt.206 Allgemein ist zu konstatieren, dass das Reichskontingent meist dieselbe Uniformierung wie das Landregiment trug. Dies sparte Kosten bei der Anschaffung aufwändiger Uniformen. Bei näherer Analyse der Darstellung aus der Becher’schen Handschrift lassen sich für die Uniformierung des Landregimentes diverse Aussagen treffen: Es handelte sich dabei um einen blauen Uniformrock mit beidseitigen, dreifach geknöpften Taschen. Der Rock hatte einen gelben Kragen und schmale, gelb aufgeschlagene Rabatten, die mit jeweils zehn Knöpfen einreihig besetzt waren. Ebenfalls von gelber Farbe waren die Schoßumschläge sowie die mit drei Knöpfen besetzten schwedischen Ärmelaufschläge. Unter dem Rock wurden ein taschenloses, gelbes 203 204 205 206
SCHNITTER, Volk und Landesdefension, S. 155. ThStAM, Amtsarchiv Heldburg, 2231; DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 103. BECHER, Wahrhaftige Nachricht (1760). Richtig formuliert Klaus ROIDER, Die fränkischen Kreistruppen im Siebenjährigen Krieg, Nürnberg 2009, S. 72: „Daß es sich bei der folgenden Figur um die jeweilige Hausuniform handelt, ist natürlich nicht auszuschließen.“
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Kamisol sowie hellgelbe Hosen mit schwarzen Gamaschen getragen. Auf dem Kopf der Soldaten saß ein schwarzer Dreispitz mit weißem Pompon, dessen Rand weiß gefasst und an beiden Seitenspitzen mit schwarzen Quasten versehen war. Eine schwarze Halsbinde vervollständigte das Bild. Um 1765 waren die Kompanien des Landregiments in drei Bataillone zusammengefasst, von denen das erste die in der Becher’schen Handschrift abgebildete Uniform trug. Die beiden anderen Bataillone unterschieden sich lediglich in den rosaroten bzw. hellroten Aufschlägen vom ersten Bataillon.207 Bis zum Ende des Alten Reiches veränderte sich diese Uniformierung nicht wesentlich. Bemerkenswert ist ein Bericht aus dem Jahre 1792, der zum Landregiment vermerkte: „Die Uniforms sind jetzo blau, mit gelben Aufschlägen, Westen und Hosen. Statt Hüte haben die Soldaten Kaskets mit Federbüschen auf, welches sich auserordentlich gut ausnimmt.“208 Die Uniformröcke, Hosen und Hüte für das Landregiment wurden von herrschaftlicher Seite angeschafft und den dienstverpflichteten Untertanen ausgehändigt. Die sogenannte kleine Montur wurde dagegen von den Landregimentsmitgliedern auf eigene Kosten besorgt. Dazu gehörten Unterhosen, Hemden, Kamisol und Halsbinde, Schuhe, Socken, Gamaschen und andere Kleinigkeiten. Im Artikelbrief des Jahres 1690 wurde darauf hingewiesen: „Ein Jeder soll […] die übrige ihme ertheilte Montirung reinlich und in guten Stand halten, daran durch […] unfleissiges Säubern und unachtsames Pflegen nichts verwahrlosen oder zu Schaden kommen lassen […].“209 Da die Uniformen des Landregimentes, anders als bei der Garde, nur an gewissen Tagen getragen werden sollten, rechnete man mit einem wesentlich geringeren Verschleiß der Stücke. Um 1740 galt der Grundsatz, alle zwölf Jahre neue Uniformen für das Landregiment anschaffen zu lassen.210 Trotz des eindeutigen Verbotes des Tragens der Uniformen außerhalb des Dienstes wurde dies immer wieder von den Mannschaften des Landregimentes praktiziert, denn das Selbstverständnis der Soldaten stand in enger Verbindung mit der Uniformierung.211 Um dem widerrechtlichen Austragen der Uniform Einhalt zu gebieten, wurden Geldstrafen verhängt, und Herzog Ernst Friedrich II. formulierte im Jahre 1734: „daß solche Montirungsstücke zu Unserem beson207 KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogthums Sachsen-Hildburghausen (1864), S. 6, DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 139. 208 Christian Friedrich DOTZAUER, Georg Paul HÖNN, Sachsen-Coburgische Chronik in welcher eine genaue Beschreibung aller in den Fürstenthümern Sachsen-Coburg und Sachsen-Hildburghausen gelegenen Ortschaften und Klöstern […] enthalten ist, Bd. 1, Coburg 1792, S. 132. 209 Artikelbrief 1690, S. 6. 210 ThStAM, SM, Inneres, 23940. 211 Siehe Abschnitt 3.5: Die Unteroffiziere und Gemeinen.
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deren Nachtheil vor der Zeit und ohne Noth abgenutzt würden, welchem einschleichenden schädlichen Unwesen wir in alle Weiß und Wege gesteuert wißen wollen“.212 Dabei war das Austragen der Uniformierung nicht die einzige widerrechtliche Handlung, welche die Mannschaften beging. Sie waren sich – wie auch die Herrschaft – des Geldwerts der Uniformstücke bewusst. So scheint es durchaus häufiger vorgekommen zu sein, dass Landregimentssoldaten ihre Uniform an Dritte verkauften oder im Spiel verloren. Im Artikelbrief des Jahres 1746 heißt es dazu: „[…] worferne aber einer gar […] die ganze Montirung zu versetzen, zu verhandeln oder gar zu verspielen sich gelüsten ließe; derselbe soll nach Befinden einer härtern [Strafe] auch wohl Leibesstrafe zu gewarten haben; Der aber, so solches kaufet, ertauschet, erhandelt oder im Spiel gewinnet, soll solche nicht nur ohnentgeldlich restituieren, sondern, wenn es ein Soldat, mit gleicher Strafe des Verbrechers, es ist aber ein Bürger, Bauer, Jude oder sonst jemand, mit einer empfindlichen Geldstrafe beleget werden.“213 Zwei Jahre später hielt Herzog Ernst Friedrich III. Carl die Städte und Ämter des Fürstentums dazu an, auf die Uniformen der Landregimentsmitglieder Acht zu geben und Zuwiderhandlungen sofort zu melden. Wo solches nicht geschehe, werde im Anschluss die gesamte Gemeinde für den entstandenen Schaden haftbar gemacht.214 Im selben Jahr 1748 wurden die alten Uniformen abgelegt, und es wurde für das Landregiment eine neue Anschaffung getätigt. Durch den 1756 ausgebrochenen Siebenjährigen Krieg war man in Sachsen-Hildburghausen im Zusammenhang mit dem Reichskontingent zu ungeplanten Sonderausgaben gezwungen. Dies verhinderte wohl auch die im Allgemeinen nach zwölf Jahren stattfindende Erneuerung der Uniformen. So berichtete im Jahre 1762 der Obrist Ernst Heinrich Carl v. Beust an Herzog Ernst Friedrich III. Carl: „Es ist schon soweit gekommen, daß viele nicht im Stande sind ihre Wachten zu versehen, mithin fällt dieses onus denienigen, deren Montur noch zu tragen ist, [zu].“215 Bis zum Ende des Alten Reiches wurden die Uniformen in SachsenHildburghausen noch mehrmals ersetzt. Dennoch scheint ihr Zustand stets ein Thema gewesen zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass die vielfachen Beschwerden der höheren Offiziere des Landregiments zu diesem Thema gelegentlich aus einem zu stark ausgeprägten Diensteifer resultierten. Im Jahre 1785, kurz vor der Heirat des Herzogs Friedrich mit Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, trafen sich die Obristen v. Tilling und v. Heßberg zu einer privaten Unterredung und sinnierten über eine mögliche Festveranstaltung aus Anlass der fürstlichen Heirat. Dazu sollten unter anderem eine Parade des 212 213 214 215
ThStAM, SM, Inneres, 23781, 12.4.1734, fol. 1r. Landesgesetze und Verordnungen, S. 197 f. Vgl. ThStAM, SM, Inneres, 23781, 28.10.1748. ThStAM, SM, Inneres, 23781, 17.8.1762, fol. 1r.
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Landregimentes sowie verstärkte Wachen in der Residenzstadt abgehalten werden. Schlussendlich stellten die Offiziere fest, dass zu diesem Anlass „verschiedene Dienstgewähre und Mützen ganz dazu angeschaffet und repariret werden müßen“.216 In der Euphorie des privaten Gesprächs schrieb Obrist v. Heßberg am nächsten Tag persönlich an den Regenten Prinz Joseph Friedrich, um alles Weitere einzuleiten, so als ob bereits alles entschieden sei. Dieser antwortete jedoch zurückhaltend, „weil Uns hiervon gar nichts wißend ist“.217 Aufgrund der vorschnellen Euphorie und des Diensteifers war der Obrist v. Heßberg letztendlich gezwungen, sich in einem peinlichen und unterwürfigen Entschuldigungsschreiben an den Regenten zu wenden. Ähnlich wie zu Zeiten der gothaischen Landesdefension war auch die Bewaffnung der Landmilizmannschaften zunächst ausgesprochen uneinheitlich und erlaubte keine geschlossene Exerzierausbildung. Man war von herrschaftlicher Seite aus daher darauf bedacht, Waffen anzuschaffen und diese an die Milizionäre auszugeben, was in Sachsen-Hildburghausen bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts geschah. Die Bewaffnung der Landregimentssoldaten bestand damit aus Ober- und Untergewehr. Ersteres umfasste die Muskete, Letzteres Säbel und Bajonett. Dazu kamen noch eine schwarze Patronentasche mit weißem Riemen und ein ebensolcher Leibriemen. In den Kriegsartikeln wurden die Mannschaften besonders darauf hingewiesen, ihre Ausrüstungsgegenstände regelmäßig zu säubern und zu pflegen. Mannschaften, die dagegen verstießen, hatten nicht nur den entstandenen Schaden zu ersetzen, sondern auch noch ein gesondert festgelegtes Strafgeld in die Munitionsbzw. Regimentskasse zu zahlen.218 Überzählige, also nicht an die Landmiliz ausgegebene Waffen wurden in gesonderten Depots sicher verwahrt. Solche Depots befanden sich in den Amtsstädten und im Hildburghäuser Schloss. Die allgemeine Rüstkammer des Fürstentums befand sich auf der Veste Heldburg. Diese Orte wurden häufig visitiert, und gesondert dazu abkommandierte Soldaten holten mitunter Waffen von dort ab oder lagerten neue Waffen ein. Eine Aufstellung aus dem Jahre 1711 trägt dazu bei, die Größe eines dieser Depots einzuschätzen. Nach diesem Dokument befanden sich im Januar 1711 insgesamt 81 Flinten, 33 Grenadierflinten, 83 alte Musketen und zahlreiche Patronentaschen mit Blechbeschlag oder mit Fellüberzug im Depot des Hildburghäuser Rathauses.219 Die Produktions- und Herkunftsorte sowie die Typen eines großen Teils der Waffen in den Depots zu bestimmen ist schwierig. Es handelte sich größtenteils um fürstliche Geschenke, Beute 216 217 218 219
ThStAM, SM, Inneres, 23781, 12.7.1785, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 23781, 12.7.1785 [II], fol. 1r. Artikelbrief 1690, S. 7. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1986, fol. 6r.
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oder Waffen, die in der Suhler Waffenmanufaktur bestellt worden waren.220 In diesem Zusammenhang ist ein Versuch der fürstlichen Regierung in Hildburghausen von 1737 erwähnenswert, im Sinne der Landesdefension zahlreiche Musketen unter die Bevölkerung zu verteilen. Ausgangspunkt war ein Schreiben an die Stadträte und Schultheißen des Fürstentums: „Nachdem auf der hiesigen Fürstlichen Rüstcammer annoch eine ziemliche Quantität von alten Gewehr in Vorrath lieget, und denn der Durchlauchtigste Fürst und Herr gnädigst vor gut gefunden haben, selbiges, damit es zu Dienst und Nutzen aufbehalten mithin auch nach denen sich äußernden Weltläufften zur Defension des Landes gebraucht werden möge, zu sothanen Behuff in denen Städten, Gemeinden und Dorfschafften dero Fürstenthum und Landen wo die Unterthanen mit dergleichen nicht versehen, gegen Bezahlung 16ggr. vor ein jedes Stück austheilen zu laßen […].“221 Dass es von Seiten der Regierung dabei nicht nur um Wohltätigkeit, sondern auch um Profit für das sich immer weiter verschuldende Fürstentum ging, wurde auch den Untertanen schnell klar. Von den insgesamt 764 angebotenen Musketen nahm zunächst die Stadt Hildburghausen 191 ab. Eisfeld erklärte sich dazu bereit, 250 weitere Waffen zu übernehmen. Doch hier zweifelte man bereits an der Qualität der Stücke: „[…] wobey aber sowohl der eine, als der andere Theil [der Bürgerschaft und der Dorfschaften in] der unterthänigen Hoffnung lebet, daß solches zum Schiessen annoch brauchbar seyn möge.“222 Auch im Amt Heldburg zweifelte man an der Qualität der „alten Gewehre“, ohne dies jedoch offen auszusprechen. Der Amtmann Georg Michael Staffel suchte stattdessen Ausflüchte und teilte der Regierung mit, dass zahlreiche Dörfer des Unterlandes durch ein Unwetter stark beschädigt seien, eine Schafseuche derzeit grassiere und aufgrund der hohen Steuern niemand gewillt sei, etwas zu kaufen.223 Gleichlautende Nachrichten liefen auch aus dem Amt Behrungen ein. Der Behrunger Schultheiß Wölfing meldete: „Als habe ich solches [Schreiben] der Gemeinde vorgetragen, daß sie sich sollte melden wer eine [Waffe] haben wollte, es hat sich aber niemand darzu gemeltet […].“224 Dennoch gelang es der Regierung, mehr als die Hälfte der Waffen gegen Geld abzugeben. Die Bezahlung erfolgte bar, doch bereits bei der Übersendung zeigte sich, dass der Zustand der Waffen tatsächlich mangelhaft war, da beispielsweise an zahlreichen Gewehren die Schlösser defekt waren oder komplett fehlten.225 Die durch diesen Verkauf erzielten Einnahmen wurden 220 Im Jahre 1742 erfolgte ein großer Ankauf von „Kommissgewehr“ bei der Waffenmanufaktur Suhl. Einen historischen Überblick zur Suhler Waffenmanufaktur bietet Heinrich ANSCHÜTZ, Die Gewehrfabrik in Suhl im Hennebergischen, Dresden 1811. 221 ThStAM, GA Hbn, 465, fol. 2r. 222 Ebd., fol. 4v. 223 Ebd., fol. 14 f. 224 Ebd., fol. 19r. 225 Ebd., fol. 34r.
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als „Gewehrgeld“ bezeichnet und konnten die fürstliche Kasse nur geringfügig aufbessern: Beispielsweise betrug die Einnahme für an das Amt Eisfeld verkaufte Musketen insgesamt lediglich 128 Gulden, 16 Groschen und 11½ Pfennig.226 3.1.5 Die Artillerie Das Landregiment des Fürstentums Sachen-Hildburghausen verfügte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts über eine kleine Artillerieabteilung. Die genauen Umstände der Entstehung dieser Formation sind jedoch unklar. Die archivalischen Quellen schweigen sich in diesem Bereich fast vollständig aus. Sicher scheint zunächst nur, dass diese Einheit während der Regierungszeit des Herzogs Ernst Friedrich III. Carl im Jahre 1752 ins Leben gerufen wurde.227 Anfänglich verfügte die in der Residenzstadt stationierte Artillerie über eine Stärke von achtzig Mann und wurde von einem Major kommandiert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand sich der verdiente Artillerieoffizier Christoph Erdmann v. Feuchtersleben als Major der hildburghäusischen Artillerie. Nach zahlreichen Reduktionen unterstanden Feuchtersleben nur noch neun Mann, mit deren Dienst sich auch Herzog Friedrich zu Anfang seiner Regierung beschäftigte.228 So berichtete der Oberfeuerwerker Johann Georg Obermeyer 1784, dass „Ihro Herzogliche Durchlaucht Friedrich gnädigst bemercket,
226 Ebd., fol. 52 ff. 227 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46 gibt einzelne Hinweise zum Bestehen einer Artillerieabteilung. Im Jahr 1752 sandten Offiziere des hildburghäusischen Militärs aus Anlass des Geburtstages Ernst Friedrichs III. Carl einen Gratulationsdruck an den Herzog. Als Absender wurde u. a. ein „Lieutenant von der Artillerie“ genannt, vgl. Bey dem Höchsten Geburths-Feste des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernst Friedrich Carls […] welches den 10. Junii 1752 höchstbeglückt erschiene, sollten hierdurch ihren devotesten Glückwünsch unterthänigst abstatten die sämtlichen Officiers von Ihro Hochfürstlichen Durchlauchtigsten Garde-Bataillon, auch Lieutenant von der Artillerie, Hildburghausen 1752, fol. 1r. Weitere frühe Hinweise auf die Artillerieabteilung finden sich beim Feuerwerker Johann Georg Obermeyer, aus dem Jahr 1785 über seine Anstellung bei der Artillerie im Jahr 1764 berichtete. Damit gab er eine frühe Erwähnung der Formation, ThStAM, SM, Inneres, 23939, 30.6.1785, fol. 1r. Auch der Grenadier Valentin Kius berichtete in seinem nicht verifizierbaren Tagebuch über das Militär der Zeit um 1760 und erwähnte die Artillerie, vgl. KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogthums Sachsen-Hildburghausen, S. 6. 228 Diese neun Mann waren Oberfeuerwerker Johann Georg Obermeyer, Korporal Justus Römhild, die gemeinen Soldaten Wolfgang Schubert, Peter Wagenschwantz (zu alt), Jacob Bommell (schlechtes Gehör), Johannes Lobenstein (kränklich), Christian Bentzcky, Conrad Dietz (arbeitet meist außer Landes, daher unzuverlässig), ThStAM, SM, Inneres, 23939, 8.9.1784, fol. 1r.
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daß dero Artillerie meistens aus alter und unbrauchbarer Mannschaft bestehe“229 und sie weitestgehend ersetzt werden solle. Insgesamt verfügte die Artillerie des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen über keinerlei militärischen Wert und hatte lediglich ein beschränktes Aufgabenspektrum. Vornehmliche Pflicht der kleinen Formation war es, die Zivilbevölkerung beim Ausbruch von Feuer in der Residenzstadt oder deren Umgebung zu warnen. Bei einem solchen Vorfall hatten die Artilleristen möglichst schnell eine auf dem Hildburghäuser Stadtberg verwahrte Kanone abzufeuern.230 Drei weitere Kanonen wurden auf der Veste Heldburg aufbewahrt, die ebenfalls von Landregimentssoldaten im Falle eines Feuerlärms zu lösen waren. Bereits vor der Einrichtung einer Artillerieabteilung verfügte das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen über diverse Geschütze, die von der Garde zu Fuß gehandhabt wurden. Ein Inventar der herzoglichen Rüstkammer aus dem Jahre 1735 nannte elf Geschütze und einen Protzwagen.231 Nach den Reduktionen und der endgültigen Auflösung der Garde wurden einige Kanonen eingeschmolzen und das Holz der Lafetten wurde verbrannt. Allgemein wurden die verbliebenen Geschütze bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stark vernachlässigt. Im Jahre 1795 verfügte Sachsen-Hildburghausen noch über lediglich fünf Kanonen, von denen sich drei auf der Veste Heldburg befanden und die „ohne die größte Lebensgefahr bey entstehenden Feuerlerm nicht abgefeuert werden können“.232 Das Pulver für die Kanonen wurde seit Errichtung der Artillerieabteilung in einem zentralen Depot in Hildburghausen aufbewahrt. Um 1780 befand sich dieses im ehemaligen Ballhaus, dem zu dieser Zeit brach liegenden Theater der Residenzstadt. Im Jahre 1787 verlegte man das Depot in die Hildburghäuser Rossmühle, um es, aufgrund der Nähe zum Schloss, wenig später erneut zu verlegen.233 Insgesamt befanden sich zu diesem Zeitpunkt 13 Kilogramm Schwarzpulver im Depot, welches zum größten Teil zu Patronen für das Landregiment verarbeitet wurde. So wurden allein im Jahre 1786 ungefähr eintausend Patronen mit Schwarzpulver zu je einem Lot herausgegeben.234 Nach dem Ersten Koalitionskrieg trat die Artillerie immer weiter in 229 ThStAM, SM, Inneres, 23939, 8.9.1784, fol. 1r. 230 Beim Abfeuern der Kanone galten hier wahrscheinlich ähnliche Bestimmungen wie für die ehemalige Garnison auf der Veste Heldburg in den Jahren 1717–1724, vgl. Punkt 4.2.3: Die Veste Heldburg und der Festungsdienst. 231 ThStAM, GA Hbn, 464. Valentin Kius sprach um 1760 mit einiger Übertreibung und nicht verifizierbar von dreißig Kanonen, vgl. KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogthums Sachsen-Hildburghausen, S. 6. 232 ThStAM, SM, Inneres, 23939, 17.6.1795, fol. 1r. 233 ThStAM, SM, Inneres, 23939, 20.4.1787. 234 ThStAM, SM, Inneres, 23939, 8.9. 1786, fol. 1v. Ein Lot galt in Sachsen-Hildburghausen um 1750 etwa 15 bis 16 Gramm.
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den Hintergrund. Bei der Reorganisation des Militärwesens im Rahmen des Deutschen Bundes existierte im Herzogtum Sachsen-Hildburghausen nun keine Artillerieabteilung mehr.235 3.1.6 Die Kriegskommission Die Herzöge von Sachsen-Hildburghausen waren bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts die bestimmende Größe in ihrem Fürstentum. Dies galt in ganz besonderem Maße für das Militärwesen. Alle Bereiche des Militärs unterstanden dem Herzog unmittelbar. Er selbst traf Entscheidungen von der Anstellung der Offiziere über den Entwurf der Uniformen bis hin zum Verfassen des Reglements. Selbst Eingriffe in Kriegsgerichtsprozesse waren keine Seltenheit. Die militärische Verwaltung befand sich nahezu das gesamte 18. Jahrhundert hindurch vollständig in der Hand der Herzöge. Dies zeigt sich u. a. an der schriftlichen Korrespondenz: Ganz gleich, ob es sich um allgemeine Belange oder Detailfragen handelte, stets fand sich der Herzog als Adressat, und ausschließlich er beantwortete und gab Entscheidungen bekannt. In absolutistischer Manier nahm der Herzog eine dominierende Position im Militär- und Staatsapparat ein und verließ sich nur auf wenige und häufig wechselnde Berater. Der persönliche Regierungsstil der hildburghäusischen Herzöge verhinderte bis zum Jahre 1780 die Bildung eines Geheimes Ratskollegiums sowie anderer administrativer oder beratender Institutionen.236 Im Jahre 1780 verstarb Herzog Ernst Friedrich III. Carl und der gealterte Prinz Joseph Friedrich trat die Regentschaft im Fürstentum an. Unter ihm begann eine grundlegende Änderung der Regierungsführung in SachsenHildburghausen, die u. a. durch die Einrichtung von Verwaltungskommissionen geprägt war. Noch stärker trat der neue Regierungs- und Verwaltungsstil ab 1787 unter Herzog Friedrich zu Tage, der neben einer Feuerkommission auch Chausseebau-, Schul- und Polizeikommissionen einrichtete.237
235 GALPERIN, Deutsche Wehr im Deutschen Bund, S. 39. 236 Ulrich HESS, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Organisation, Geschäftsgang und Personalgeschichte der obersten Regierungsbehörde im Zeitalter des Absolutismus, Weimar 1962, S. 218; Hans TÜMMLER, Die Zeit Carl Augusts von Weimar 1775–1828, in: Hans PATZE (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 5/1/2, Köln 1984, S. 718. 237 Ulrich HESS, Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1952 (= Veröffentlichung der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 1), Jena 1993, S. 44.
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Auch die am 11. Juni 1793 erfolgte Einrichtung einer Kriegskommission ging auf Herzog Friedrich zurück.238 Mit ihr gab der Herzog erstmals sämtliche administrativen, organisatorischen und juristischen Militärangelegenheiten in die Hände einer eigens dazu bestellten Kommission ab. Das Militär blieb dem Herzog nach wie vor unmittelbar unterstellt, doch bestimmte der Landesfürst von nun an keine Detailfragen mehr, die sich beispielsweise mit Montierung und Versorgung der Truppen beschäftigten. Er hielt sich vielmehr im Hintergrund und entschied über vorher ausgearbeitete und geprüfte Vorschläge. Dabei verließ sich Herzog Friedrich meist auf das Urteil seiner Berater und wich nur in seltenen Fällen davon ab. Die Kriegskommission war zum Zeitpunkt ihrer Entstehung hauptsächlich für juristische Streitfälle der Militärangehörigen zuständig.239 Im Jahre 1793 schrieb Herzog Friedrich: „Wir haben für gut befunden, zu Erledigung der bisanhero zwischen den Civil- und Militairgerichten in verschiedenen Fällen obgewalteten Irrungen eine besondere Kriegs-Commission niederzusetzen […].“240 Die Einrichtung der Kriegskommission war notwendig, da vor 1793 keine ständige militärgerichtliche Instanz bestand.241 Zwar unterhielten die Gardegrenadiere bei besonderen Vorfällen ein berufenes Kriegsgericht, doch fiel diese Institution mit der Auflösung der Einheit im Jahre 1770 vollständig weg. Das Landregiment verfügte zwar über einen Auditeur, doch wurden die seltenen, dort verhandelten Straffälle meist von einem Zivilgericht bearbeitet oder in leichteren Fällen vom Auditeur selbst abgeurteilt. Dies gestaltete sich juristisch problematisch, da die Landregimentsmitglieder bei Vergehen während des Dienstes oder bei Übungen den Kriegsartikeln unterworfen waren und ursprünglich von einem ordentlichen Kriegsgericht verurteilt werden sollten.242 238 Die Einrichtung einer Kriegskommission erfolgte in Sachsen-Hildburghausen aufgrund der strengen Regierungsführung der hildburghäusischen Herzöge erst vergleichsweise spät. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren die anderen ernestinischen Staaten dem Fürstentum im Aufbau administrativer Institutionen voraus. Sachsen-Weimar verfügte bereits seit 1763 über ein sogenanntes Kriegskollegium, Sachsen-Meiningen ab etwa 1700 und Sachsen-Gotha-Altenburg sogar bereits ab 1691, vgl. HESS, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 354 sowie Ders., Geschichte der Behördenorganisation, S. 31. 239 Die Kriegskommission wurde also nicht, wie beispielsweise HESS, Geheimer Rat und Kabinett, S. 220 darlegt, im Jahre 1795 aufgrund der Verpflichtungen zum Ersten Koalitionskrieges gegründet, sondern ausschließlich aufgrund von Unklarheiten zwischen Militär- und Ziviljurisdiktion. 240 ThStAM, GA Hbn, XXII, 40, Beilage v. 11.6.1793, fol. 1r. 241 Auch hatte Herzog Friedrich seinen 1788 ersonnenen Plan, eine sogenannte obligate Mannschaft – gewissermaßen eine erneute schwache Garde – einzurichten, noch nicht völlig abgelegt. In diesem Zusammenhang hoffte er, mit der Einrichtung der Kriegskommission den zukünftigen Soldaten Rechtssicherheit gegenüber zivilen Gerichten zu verschaffen. Zur Einrichtung der obligaten Mannschaft kam es späterhin nicht mehr. 242 Hiervon waren die Hauptrügen und Sittlichkeitsverbrechen ausgenommen.
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Noch schwieriger war die Situation für die höheren Landregimentsoffiziere. Diese erhielten eine regelmäßige Besoldung und wurden als reguläre Militäroffiziere angesehen, die unter einem ordentlichen Militärgericht stehen sollten.243 Zudem versuchte man, mit der Einrichtung der Kriegskommission diversen anderen Streitfällen vorzubeugen. Beispielsweise kam es vor, dass Offiziere, die bei Zivilisten verschuldet waren, vor Zivilgerichten angeklagt wurden. Die Urteilssprüche blieben aber zweifelhaft, da keine eindeutigen Weisungen für diese Fälle vorlagen. Von nun an sollten derartige Klagen der Kriegskommission angezeigt werden und die betreffenden Offiziere zum Gehorsam den Zivilgerichten gegenüber aufgerufen werden. Darüber hinaus regelte die Kommission Heiratsangelegenheiten der Offiziere oder verwaltete bei eintretenden Todesfällen die Nachlässe. Für die juristische Zuständigkeit der Kriegskommission galt allgemein: „Alle Officiers bey dem Herzoglichen Leib-Regiment [Landregiment] haben nicht nur in Dienst-Sachen, wie sich ohnehin verstehet, sondern auch in sonstigen Personal-Sachen, ihr Forum bey der angeordneten Kriegs-Commission. […] Anlangend die unter dem LeibRegiment stehende nicht obligate Soldaten, so bleiben solche in civilibus et criminalibus außer der Dienstleistung, den Aemtern, Stadträthen und Lehnherren unterworfen; hingegen diejenige Vergehungen und kleine Brüche, welche dieselben während der Dienstzeit und Wachten bis zum Nachhaußegehen und zwar an diesem Tag bis Abends 10 Uhr nach beschehener Entlaßung vom Dienst, begehen, gehören zur Untersuchung und Bestrafung der Kriegs-Commission […].“244 Die Kriegskommission bestand aus mehreren Mitgliedern, die in einer Verordnung von Herzog Friedrich im Jahre 1793 bestimmt wurden. Als Vorsitzender fungierte der Generalmajor Johann Carl Christian v. Heßberg. Ihm waren der Obrist Ludwig Friedrich v. Lengefeld, der Obristleutnant Johann Vincenz v. Gussio sowie die Hauptmänner Heinrich v. Heßberg und Johann Nicolaus Mauer beigegeben. Um der Kommission bei zivil-militärischen Mischfällen beratend zur Seite zu stehen, wurde noch der Regierungsrat v. Beck in das Gremium berufen. In dieser Form setzte die Kriegskommission ihre Arbeit bis zum Jahre 1795 fort. Im Zusammenhang mit dem Ersten Koalitionskrieg war das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen in diesem Jahr gezwungen, das Reichskontingent in der Stärke einer Kompanie zu formieren. Damit einhergehend wurde der Verantwortungsbereich der Kriegskommission auf dieses Kontingent ausgedehnt. Die Kommission organisierte nunmehr auch die Anwerbung, Ausrüstung und Verpflegung der Reichskontingentskompanie. Im Jahre 1805 wurde der Bestand sowie die dem Herzog direkt untergeordnete Stel-
243 ThStAM, GA Hbn, XXII, 40, Beilage v. 11.6.1793, fol. 2r. 244 ThStAM, GA Hbn, XXII, 40, Beilage v. 27.6.1793, fol. 2r. u. 3r.
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lung der Kommission noch einmal anerkannt.245 Zwei Jahre später wurde die Kriegskommission in den Rang eines Landeskollegiums erhoben und führte fortan die Bezeichnung Kriegskollegium.246 Die gesamte Struktur der Staatsverwaltung Sachsen-Hildburghausens wurde 1810 vollständig geändert und damit einhergehend wurden alle Landeskollegien unter der Regierung zusammengefasst.247 Unter den verschiedenen Ressorts, die nunmehr als Deputationen bezeichnet wurden, befand sich auch eine Militärdeputation bzw. Militärabteilung. Dabei handelte es sich um die Nachfolgeeinrichtung der Kriegskommission, die bis zur Auflösung des Herzogtums SachsenHildburghausen im Jahre 1826 bestand.
3.2 Aufgaben und Einsätze des Landregiments innerhalb der Landesgrenzen „Ehe noch die ehrgeizige und herrschsüchtige Politik der Europäer die erschrecklichen Massen von stehenden Kriegsheeren sammelte, war bekanntlich die Landesdefension blos denen Unterthanen überlaßen.“248 Obrist Johann Carl Christian v. Heßberg, um 1785
3.2.1 Der Wachdienst in der Residenzstadt und die Landesverteidigung Das hildburghäusische Landregiment diente dem Fürstentum primär zur Landesverteidigung gegen äußere Feinde und zur Sicherung der inneren Ordnung.249 Es stand damit in der Tradition der gothaischen Landesdefension und stellte keine militärische Formation dar, mit der offensiv agiert oder die in länger dauernden, überregionalen Feldzügen eingesetzt werden konnte. Das Landregiment bestand aus dienstverpflichteten Untertanen, deren militärische Ausbildung nicht den hochgradig professionalisierten Ansprüchen der Kriegführung des 18. Jahrhunderts entsprach. Dies führte sowohl bei Zeitgenossen als auch in der älteren und modernen Forschung zu einer Geringschätzung der Landesdefension.250 Um deren Ineffektivität herauszustellen, 245 246 247 248 249
ThStAM, SM, Inneres, 23785. HESS, Geheimer Rat und Kabinett, S. 220. HESS, Geschichte der Behördenorganisation, S. 45. ThStAM, SM, Inneres, 23940. SCHNITTER, Volk und Landesdefension, S. 176. Beispiele zu Organisation und Aufgaben der Landesdefension im Hochstift Bamberg und Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt vgl. Hermann CASPARY, Staat, Finanzen, Wirtschaft und Heerwesen im Hochstift Bamberg (1672–1693), Bamberg 1976, S. 319.; ORTENBURG, Das Militär in SchwarzburgRudolstadt, S. 29. 250 HUMAN, Chronik der Landdiözese Hildburghausen, S. 91; PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer, S. 150; SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 247.
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erfolgte eine Abwägung zwischen Landregiment und regulierten Truppen, die meist zugunsten der Letzteren ausfiel.251 So ist es wenig verwunderlich, wenn der deutsche Staatsrechtler Johann Jacob Moser im Jahre 1773 konstatierte: „Heutigen Tages gibt es Lande im Reich, wo man gar nichts mehr von einer Landmiliz weiß oder hört, sondern alles auf geworbene Trouppen setzet, weil man glaubet, von einer Landmiliz weder Ehre noch großen Nutzen zu haben.“252 Für das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen stellte sich eine solche Entscheidungsfrage nicht. Aufgrund der Verschuldung des Fürstenhauses war es unmöglich, besoldete Truppen in größerem Maße anzuwerben, und so hielt man bis 1806 an den althergebrachten Strukturen der Landesdefension fest. Diese Strukturen bargen aber auch Vorteile: Das Landregiment wurde nicht besoldet, sondern lediglich auf Einsätzen gering vergütet. Es kam nicht zu Desertionen und Übergriffen auf die Landbevölkerung, wie sie mitunter von besoldeten, landesfremden Soldaten unternommen wurden. Man erwartete jedoch im Verteidigungsfall ein erhöhtes Engagement der Landregimentssoldaten, da diese für ihre Heimat und ihre Nachbarn kämpften.253 Für das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen war es unter den finanziell angespannten Umständen die einzig praktikable Lösung, das Landregiment beizubehalten und auszubauen. Dass es keinesfalls ineffektiv war, zeigen die vielfachen Aufgaben sowie die Einsätze des Landregiments jenseits der Landesgrenzen. Sie können über den tatsächlichen Wert der Einheit Auskunft geben.254 Zu einer der ersten Aufgaben des Landregiments zählte die Verrichtung des Wachdienstes in der Residenzstadt Hildburghausen. Dieser wurde zwischen 1717 und 1737 von der fürstlichen Garde versehen. Nach deren Auflösung übernahm das Landregiment diese Verpflichtung und stellte neben der Stadtwache nun auch die Schlosswache sowie die Ehrenwache zu besonderen Anlässen.255 Zu diesen Wachen waren alle Mitglieder des Landregiments ver251 Johann KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 6, Berlin 1775, S. 5 f. gab ein ausgewogenes Bild der Diskussionen. Ein positive Stimme trifft man an bei Johann ZEDLER (Hg.), Großes vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 7, Leipzig 1734, Sp. 399. Hier heißt es: „Es ist ein gemein nützliches Werck, daß Fürsten, Grafen und Herren zu Schutz und Schirm ihrer von Gott anbefohlenen Land und Leute von etlichen zum Streit taugenden Personen einen Ausschuß anstelle und dieselben in Scharmützel und andern militaribus Exercitiis üben und anführen lassen, inmaßen dazu nicht allein die Politici und Juristen rathen, sondern es geben auch die alten Römer und andere berühmten Völcker Exempla zu erkennen […].“ 252 MOSER, Von der Landes-Hoheit in Militär-Sachen, S. 209 f. 253 Hans v. FLEMING, Der vollkommene teutsche Soldat, Leipzig 1726, S. 536. 254 Winfried SCHULZE, Die deutschen Landesdefensionen im 16. und 17. Jahrhundert, in: Johannes KUNISCH (Hg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit, Berlin 1986, S. 130. Schulze schreibt dazu „Denn es herrscht keineswegs Klarheit über […] den Erfolgswert [der Landesdefension] im Rahmen der Militärgeschichte.“ 255 ThStAM, SM, Inneres, 23940.
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pflichtet. Ausnahmen stellten die Mannschaften aus Sonnefeld, Behrungen und Königsberg dar. Die Kompanie in Sonnefeld war aufgrund der großen Entfernung zur Residenz von den Wachen befreit, erlegte jedoch jährlich 450 Gulden an die fürstliche Kammer.256 Auch die Mannschaften aus den Ämtern Königsberg und Behrungen wurden nie zu den Wachen gefordert.257 Ein Wachzug in der Residenzstadt erstreckte sich auf vier Tage, und jedes Mitglied des Landregiments wurde im Durchschnitt achtmal jährlich dazu herangezogen. Dafür erhielten die Gemeinen 5 Kreuzer und die Unteroffiziere 10 Kreuzer pro Tag aus der Landschaftskasse. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden diese Beträge verdoppelt. Da die Mehrzahl der im Landregiment dienenden Untertanen landwirtschaftlich oder gewerblich tätig war, stellten die Wachtzüge in Hildburghausen besonders in den Sommermonaten eine erhebliche Belastung dar. Wem es daher unmöglich war, seinen Wachdienst zu versehen, der konnte ab 1737 gegen eine Zahlung von 45 Kreuzer in die Landschaftskasse davon befreit werden. Von diesem Geld wurden Lohnwächter – die sogenannten Provisioner – geworben, die täglich 10 Kreuzer erhielten und den Dienst versahen.258 Insgesamt bestand die Stadtwache auf einem Wachzug aus 18 bis 20 Mann, die gegen 22 Uhr die drei Stadttore sperrten, während sechs Trommler und zwei Pfeifer durch die Straßen zogen und den Zapfenstreich schlugen. Patrouillen der Stadtwache, die nach dieser Sperrstunde verdächtige Personen ohne Laterne antrafen, hatten diese sofort in Gewahrsam zu nehmen. Personen, die nach 22 Uhr Zutritt zur Residenzstadt verlangten, konnten gegen Zahlung des sogenannten Sperrbatzens durch ein Seitentor eingelassen werden. Während die Wachdienste des Landregiments in Hildburghausen vor allem der öffentlichen Sicherheit in Friedenszeiten dienten, konnte es in Kriegszeiten zum Schutze der Landesgrenzen gegen äußere Feinde aufgeboten werden. Tatsächlich bestand zunächst die vorrangige Aufgabe aller militärischen Aufgebote des 16. und 17. Jahrhunderts in der direkten Verteidigung des Landes bzw. der Landesgrenzen.259 Die Situation um 1700 unterschied sich jedoch deutlich von jener der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Kriegsschauplätze lagen nunmehr meist am Oberrhein oder in Ungarn und 256 FABER (Hg.), Historisch-Topographisch-Statistische Nachrichten, S. 314 (Nr. XXXVIII). 257 Um 1770 schrieb Johann Carl von Heßberg: „Es ist mir aber unbekannt ob und was für Wachten [die Königsberger] geben? […] wegen der besonderen Verfaßung des Amts [Behrungen] und der dazu gehörigen Dorfschafften [sind diese] nie zu dem Dienst des Landregiments beygezogen […] worden“, ThStAM, SM, Inneres, 23940. Somit verrichteten lediglich die Kompanien von Hildburghausen, Heldburg und Eisfeld den Wachdienst. 258 HUMAN, Chronik der Landdiözese Hildburghausen, S. 132; Siehe Kapitel 3.6: Die Provisioner. 259 SCHNITTER, Volk und Landesdefension, S. 114; SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 237. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg traten polizeiliche Aufgaben hinzu.
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somit weit von den hildburghäusischen Grenzen entfernt. So kam es äußerst selten vor, dass feindliche Truppen das Fürstentum betraten.260 Dennoch empfand man auch im 18. Jahrhundert die Vorbereitung des Landregiments auf den Verteidigungsfall als ein wesentliches Element der Kriegsrüstung. Deutlich wird dies auch an den Verhandlungen der thüringischen Kleinstaaten zur Zeit des Polnischen Thronfolgekrieges. Bei allen Vorteilen der Landesdefension waren sich die ernestinischen Fürsten im Kriegsfall dennoch der Schwäche ihrer Landregimenter bewusst. Dies führte bereits Ende des 17. Jahrhunderts zu innerdynastischen Kooperationen auf militärischer Ebene, als 1696 Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach sich in einem Vertrag für den Fall einer bevorstehenden Landesverteidigung gegenseitig Hilfe zusicherten.261 Diese Kooperation unter den Ernestinern sollte sich während des Polnischen Thronfolgekrieges noch ausweiten. Nachdem im Februar 1734 die Reichskriegserklärung an Frankreich ergangen war, hielten Gesandte der ernestinischen Fürsten am 26. Mai 1734 eine Konferenz in der kursächsischen Stadt Suhl ab.262 Einen Schwerpunkt des Zusammentreffens bildeten Absprachen bezüglich der Landesdefension. Die anwesenden Gesandten waren sich darüber einig, dass es im Kriegsfall „besonders auf die gute Verfaßung, Defension und Vorsichtigkeit derer sächßischen Fürstenthümer bey einen unversehenen feindlichen Überzug und Anfall innerhalb des Landes“263 ankomme. Da man trotz des fernen Kriegsschauplatzes über feindliche Durchzüge besorgt war, wurde der bereits 1696 zwischen Sachsen-Weimar und SachsenEisenach geschlossene Kooperationsvertrag nun auf alle ernestinischen Häuser ausgeweitet. Damit konnten im Ernstfall und auf Ansuchen Truppen aus Sachsen-Hildburghausen in das Gebiet benachbarter Fürsten einrücken. In dieser Situation waren die hildburghäusischen Soldaten von dem um Beistand ansuchenden Fürsten zu verpflegen. Für den Fall eines französischen Einfalles in das Reich beinhalteten die Absprachen des Weiteren die Errichtung eines militärischen Kordons an der Westgrenze der ernestinischen Besitzungen von Creuzburg über Kaltennordheim bis nach Coburg.264 Bei Annährung einer feindlichen Streitmacht sollten in den Dörfern die Glocken geläutet und die Mitglieder des Landregiments zusammengerufen werden; auf designierten 260 Unter feindlichen Truppen werden hier militärische Einheiten von Staaten verstanden, mit denen das Reich im Krieg stand. 261 Peter WILSON, German Armies: War and German Politics 1648–1806, New York 1998, S. 160. 262 ThStAM, GA Hbn, Nr. 437. 263 ThStAM, GA Hbn, Nr. 437, fol. 428v. 264 Ebd., fol. 432r.: „Zu der innerlichen Landesbewahrung und Defension wäre sich der Pässe an denen Gräntzen, Waldungen und Flüßen, besonders von Creutzburg an über Saltzungen, Schwallungen, Kalten-Nordheim, Lichtenberg, Römhild biß über Coburg zu versichern, besonders die Land-Gräben, wo deren befindlich wieder zu erheben und in guten Stand zu bringen […].“
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Berghöhen waren Feuer zu entzünden, um den feindlichen Anmarsch zu kommunizieren und Nachbarn zu warnen. Die Beschlüsse der Suhler Konferenz sollten schnellstmöglich umgesetzt werden, doch zeigte der Verlauf des relativ ereignisarmen Feldzuges am Oberrhein bald, dass keine Gefahr für die fürstlichen Länder bestand. Im Allgemeinen blieb diese Situation bis zum Ende des Reiches unverändert, und feindliche Truppen durchzogen das Gebiet des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen nur sehr selten. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten preußische Detachements, die während des Siebenjährigen Krieges das Land passierten. Da keine Exzesse verübt wurden, erforderte auch die Präsenz dieser Truppen kein Aufbieten des Landregiments.265 Ferner stieß im Rahmen des Ersten Koalitionskrieges im Jahre 1796 ein französisches Heer unter General Jourdan bis nach Franken vor. Teile dieser Truppen plünderten im hildburghäusischen Amt Königsberg und erpressten die Untertanen.266 In einer solchen Situation hätte das Landregiment aufgeboten werden können, doch die fehlenden Strukturen der Landesdefension in der Exklave Königsberg267 sowie die offensichtliche Übermacht der gut ausgebildeten französischen Truppen verhinderten dies. Doch nicht nur von feindlichen Streitkräften drohte Gefahr. Das Gebiet des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen wurde aufgrund seiner zentralen Lage im Reich und der das Territorium passierenden Heerstraßen regelmäßig von Durchmärschen alliierter Regimenter belastet. Es kam dabei zwar gelegentlich zu Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung, doch niemals erforderte das Verhalten der fremden Soldaten den Einsatz des Landregiments, um die Ordnung wiederherzustellen.268
265 Zum Vorgehen preußischer Detachements in feindlichem Gebiet am Beispiel des Hochstifts Bamberg dargestellt vgl. Erik OMLOR, Der Untertan im Krieg der Fürsten. Zum Verhältnis von Militär und lokaler Bevölkerung am Beispiel der preußischen Invasion des Hochstifts Bamberg 1758, in: Mark Häberlein u. a. (Hg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift (= Bamberger Historische Studien, Bd. 1), Bamberg 2008, S. 143–172. 266 Andreas GENSSLER, Die Vandalen des achtzehnten Jahrhunderts oder Geschichte des französischen Einfalls in einen Landstrich in Franken, Hildburghausen 1796, S. 5 f. 267 Die Untertanen des Amtes Königsberg dienten ab 1746 nicht mehr in der Landesdefension. Im Amt bestand daher auch keine Kompanie des Landregiments. 268 Anders verhielt es sich im benachbarten Sachsen-Meiningen. Hier wurde im November 1758 der Ausschuss gegen marodierende französische Husaren eingesetzt, HENNEBERGISCHER ALTERTUMSFORSCHENDER VEREIN (Hg.), Chronik der Stadt Meiningen von 1676 bis 1834, Bd. 2, Meiningen 1834, S. 139.
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3.2.2 Streifendienst gegen Bettler- und Diebesbanden Neben der militärischen Landesdefension in Kriegszeiten gehörte auch das Vorgehen gegen Diebe und Bettler zu den Aufgaben des Landregiments.269 Sowohl Diebstähle als auch das Bettelwesen nahmen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Sachsen-Hildburghausen drastisch zu. Darauf weisen vor allem die zahlreichen Mandate und Verordnungen hin, die in dieser Zeit ergingen. Im August 1721 ließ Herzog Ernst Friedrich I. die erste Verordnung gegen Bettler- und Diebesbanden,270 da es bereits zu diesem Zeitpunkt zu zahlreichen Einbrüchen und Diebstählen im Fürstentum gekommen war und sich gezeigt hatte, dass Bettler des Öfteren mit Räuberbanden271 kollaborierten oder Räuber sich als Bettler tarnten.272 Nach der Verordnung des Jahres 1721 sollten demnach im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen alle Bettler bereits an der Landesgrenze abgewiesen werden. Jene, die abseits der Landstraßen angetroffen wurden, waren unverzüglich zu verhaften und auf die Veste Heldburg zu überführen.273 Um dies zu verwirklichen, versuchte das Landregiment einen umfassenden Grenzschutz zu gewährleisten. Zu Anfang des Jahres 1722 wurden mehrere Kompanien an der Westgrenze des Fürstentums zusammengezogen, um hier Patrouillendienst zu versehen.274 Derartige Aktionen erstreckten sich lediglich über ein bis drei Tage. Die Befehle Herzog Ernst Friedrichs I. erlauben einen tieferen Einblick in die Organisation solcher Unternehmungen: „Dem Major Francken wird hiermit anbefohlen mit den bey sich habenden drey Compagnien Land-Miliz von hier nacher Reurieth zu marchiren alwo er den Hauptmann 269 PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer, S. 66; ebenso in Sachsen-Weimar, MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 42. 270 Landesgesetze und Verordnungen, S. 117. 271 Zum umstrittenen Begriff der „Räuberbande“ Andreas BLAUERT, Eva WIEBEL, Gaunerund Diebslisten. Unterschichten und Randgruppenkriminalität in den Augen des absolutistischen Staats, in: Mark HÄBERLEIN (Hg.), Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.– 18. Jahrhundert), Konstanz 1999, S. 83. 272 Uwe DANKER, Räuberbanden im Alten Reich um 1700. Ein Beitrag zur Geschichte von Herrschaft und Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Bd. 1, Frankfurt 1988, S. 240. 273 Landesgesetze und Verordnungen, S. 120. 274 Grundlegend zum Patrouillen- und Streifendienst sowie als Überblick zu diversen Streiftätigkeiten in den südwestdeutschen Territorien vgl. Gerhard FRITZ, Räuberbanden und Polizeistreifen. Der Kampf zwischen Kriminalität und Staatsgewalt im Südwesten des Alten Reichs zwischen 1648 und 1806, Remshalden 2003. Mehrere Fallbeispiele zum herrschaftlichen Umgang mit Kriminalität im Sammelband von André HOLENSTEIN (Hg.), Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt 2002 sowie Ernst SCHUBERT, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, Neustadt a. d. Aisch ²1990.
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Barthels mit seiner Compagnie nachher Zeilfeld und den Leutnant Müller mit der bey sich habenden Mannschafft nacher Roth zu detachiren hat, er aber mit seinen Leuthen zu gedachtem Reurieth verbleiben soll, und hat er Ordre dahin zu stellen, daß fleißig von einem Orth zu dem andern patroullirt werde, damit kein Ziegeyner noch ander loß Gesindel ins Land herein komme und im Fall an ein- oder den anderen Orthe dergleichen Volck auf Unseren Grund und Boden sich betreten laßen würde und durch die Unterthanen mit der Klocke ein Zeichen gegeben würde, so hat ein jeder Officier sich mit seiner Mannschaft dahin zu wenden und denen Unterthanen zu Hülffe zu kommen […].“275 Es zeigte sich, dass mit dem Aufbieten der Kompanien zumindest kurzzeitig und lokal beschränkt ein Grenzschutz gewährleistet werden konnte. Mit einiger Enttäuschung berichtete der Major Frank am 17. März 1722: „Wofern sich die Sache nicht beßer anläst, so dörffte wieder zurück kommen […], berichte dahero daß noch zur Zeit keiner einen Zügeyner noch ander herrnloses Gesindel angetroffen, sondern es ist alles gantz still […].“276 Einige Jahre später sollten auch ziellos umherwandernde Handwerksburschen aufgegriffen und außer Landes gebracht werden.277 Um diesen Grenzschutz durchzusetzen, wurde das Landregiment erneut zu gelegentlichem Streifendienst kommandiert, um „ohne weitere Verweilung, nach solchen liederlichen Gesind greifen, oder, da es allschon entwischet, demselben nacheilen und zur Verhaft ziehen könne, wie dann unsere Officirer vom Landausschuß denen Beamten hierunter hülfliche Hand zu leisten, angewiesen seyn sollen“.278 Die Streifzüge fanden nicht regelmäßig, sondern je nach Erfordernis „bald zu dieser, bald zu jener Zeit, ganz unversehens“279 statt. Man arbeitete dabei eng mit Grenzbeamten, Zöllnern und Torschreibern zusammen, von denen man Informationen für den Streifendienst bezog. Innerhalb des Dienstes wurden die Mannschaften des Landregiments von ihrem jeweiligen Offizier kommandiert. Dieser unterstand jedoch den lokalen Gerichtsdienern bzw. den Gerichten. Da die Landregimentssoldaten zum größten Teil einer handwerklichen Tätigkeit nachgingen, stellte der Streifendienst – trotz Vergütung für einen gemeinen Soldaten von bis zu zwei Batzen – eine gewisse Belastung dar.280 Aufgrund dessen fanden die Streifzüge nicht allzu oft statt. Es musste daher ständig von herrschaftlicher Seite zwischen Aufwand und Nutzen eines Einsatzes abgewogen werden. Um die Motivation der Soldaten zu den Einsätzen zu steigern, war es diesen erlaubt, die beim Aufgreifen einer Diebesbande 275 276 277 278 279 280
ThStAM, GA Hbn, XXII, 25, 16.3.1722. ThStAM, GA Hbn, XXII, 25, 17.3.1722. Landesgesetze und Verordnungen, S. 180 f. Ebd., S. 127. Ebd., S. 182. ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 84r.
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angetroffenen herrenlosen Gegenstände zu behalten.281 Denselben Zweck erfüllte die in einer Verordnung bewilligte Belohnung: „Es soll auch […] denen ausgeschickten Commando[s], welche in Aufsuchung des liederlichen Streichergesindels, besondern Fleiß anwenden werden, ein von Uns, dem Befinden nach, zu bestimmender besonderer Recompenz bewilligt werden.“282 Trotz aller Maßnahmen zeigte sich bald, dass die Verordnung des Jahres 1721 die Aktivitäten der Diebesbanden nicht einschränkte. Daraufhin erfolgten in den Jahren 1732 und 1746 weitere Mandate und Verordnungen, die schärfer formuliert waren und höhere Strafen für Bettler und Diebe ansetzten. Ebenso wie in anderen Territorialstaaten des Reiches stellten auch in Sachsen-Hildburghausen wiederholt erlassene Verordnungen das einzige Mittel zur Bekämpfung des Problems dar.283 Eine dauerhafte und stabile Lösung konnte damit jedoch nicht erzielt werden. Dies zeigte sich, als die Residenzstadt 1751/52 einer neuen Welle von Diebstählen ausgesetzt war. Im Jahre 1752 erreichte die Problematik einen ersten Höhepunkt, als eine der Banden einen Anschlag auf das herzogliche Schloss plante. Diese wurde jedoch vor der Ausführung von einem Kommando des Landregiments aufgegriffen und inhaftiert.284 Im darauffolgenden Jahr hatte sich der 15-jährige Lorenz Mahr „in hiesiges Residenz-Schloß, in ein Herrschafftlich Zimmer, gleich vor dem Gemach der gnädigsten Frau Herzogin geschlichen, ist aber […] ertappet und auf die Haupt-Wache gebracht [worden]“.285 Mahr wurde in den folgenden Wochen intensiv verhört, und es stellte sich heraus, dass er der Stiefsohn des bekannten „Krummfingers Balthasar“ sei, dessen Diebesbande überregional operiere und Kontakte zu anderen Banden unterhalte. Im weiteren Verlauf deckte Mahr ein kriminelles Netzwerk auf, das sich über ganz Mitteldeutschland erstrecke. Er gab unter anderem an, dass eine Schmuggelroute der Diebe direkt durch das Fürstentum führe und sich Komplizen nahe der Grenze in den kursächsischen Dörfern Gerhardsgereuth, Geisenhöhn und Ratscher befänden.286 Im Zusammenhang mit dem Streifendienst des Landregiments sind besonders Mahrs Aussagen während 281 Landesgesetze und Verordnungen, S. 127; die Stände des Oberrheinischen Kreises verfuhren bei Streifzügen ebenso, siehe DANKER, Räuberbanden im Alten Reich, Bd. 1, S. 405, Anm. 22. 282 Landesgesetze und Verordnungen, S. 226. 283 DANKER, Räuberbanden im Alten Reich, Bd. 1, S. 401 f. 284 Actenmäßige Nachricht von einer zahlreichen Diebs-Bande, welche von einem zu Hildburghausen in gefänglicher Haft sitzenden mitschuldigen jungen Dieb entdeckt worden […], Hildburghausen 1753, S. 19; HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 521 f. 285 Neue Erweiterung der Actenmässigen Nachricht von sechs zahlreichen Diebes-Banden […], Hildburghausen 1755, S. 3. 286 Ebd., S. 7. Komplizen innerhalb des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen scheint es nicht gegeben zu haben, zumindest wurde darüber nie etwas in Erfahrung gebracht.
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der Verhöre von Interesse. Sie erlauben Rückschlüsse auf die Effektivität der Streifzüge: „[Es] eröffnete Mahr, daß bey Streifungen im Sommer, wenn die Wälder grün, die Diebe mehrenteils auf die Bäume stiegen und die Streifer unter ihnen hin gehen liessen“;287 und: „wenn gestreift wurde, sassen die Diebe bey ihren Platten [Bandengenossen, d. V.] oder Herbergsleuten sicher und versteckt, oder setzten sich auf Berge, wo man die Landschafft übersehen und sich gleich in ein ander Territorium wenden könnte, wie sie denn die Streiffung allezeit, auch offt von denen Gerichtsknechten, so mit einhielten, vorher erführen; dahingegen die Streiffer offt im übelsten Wetter auf dem Felde umher irren müßten.“288 Über die von Mahr während der Verhöre aufgedeckten überregionalen Netzwerke der Diebesbanden zeigte sich Herzog Ernst Friedrich III. Carl stark beunruhigt. Dies führte im Jahre 1755 zu einer erneut verschärften Verordnung und stärkeren Kontrolle durch das Landregiment.289 Die Grenadiergarde wurde angewiesen, die Passanten an den Stadttoren eingehend nach ihren Wegen zu befragen.290 Dazu erwartete der Offizier der Nachtwache jeden Abend um 21 Uhr eine Namensliste der Gäste von den Gast- und Schenkwirten.291 Außerhalb der Residenzstadt sollten abgelegene Schenken, Mühlen und Schäfereien unter besonderer Beobachtung stehen und von fürstlichen Beamten, unter Begleitung einiger Mannschaften des Landregiments, wöchentlich einmal visitiert werden. Verdächtige Personen waren sofort festzunehmen und abzuführen, damit „alles nur immer mögliche zu endlicher Ausrottung dieses verruchten Volkes beygetragen werde“.292 Dazu wurden auf den Straßen und in den Wäldern des Fürstentums die Streifzüge verstärkt: „Da Wir sodenn zu Aufsuchung solchen bösen Gesindels, Visitirung aller verdächtigen Orte, Begehung der Haupt- Nebenstraßen und Fußsteige, ingleichen die Durchstreifung der Wälder und Gebüsche starke Detachements, jedoch in aller Stille, und ohne daß ausserdem das Commando führenden Offizier jemanden in Voraus davon etwas kund werde, zu beordern, und dieselben mit denen zu Aufhebung solchen schädlichen Gesindels, nöthigen Verhaltungsbefehlen, zu versehen nicht ermangeln werden.“293 Bereits nach wenigen Jahren zeigte sich, dass auch die Verordnung des Jahres 1755 keine Besserung der Gesamtsituation herbeiführte. Dies veran287 288 289 290
Actenmäßige Nachricht von einer zahlreichen Diebs-Bande, S. 51. Ebd., S. 65. Landesgesetze und Verordnungen, S. 222. Ebd., S. 226. „Da wir wegen Sicherheit unserer Residenzstadt und des in denen Thoren veranstalteten scharfen Examinis unserer Militz die nöthigen Befehle bereits zugehen lassen […].“ 291 Ebd., S. 224. „Wird hiermit ernstlich anbefohlen, daß alle Abend um 9 Uhr ein richtiger Logierzettel von jeden Gast- und Schenkwirth in unserer Residenz auf die Hauptwache […] zugeschicket [werden soll]“. 292 Ebd., S. 225. 293 Ebd., S. 226.
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lasste die herzogliche Regierung, in einem Mandat des Jahres 1765, letztendlich alle Mitglieder der Räuberbanden für vogelfrei zu erklären.294 Es war damit vor allem den Mitgliedern des Landregiments und den Jägern des Fürstentums gestattet, einen Fremden, der auf zweimaliges Zurufen nicht reagierte oder die Flucht ergriff, niederzuschießen. Obwohl auch mit diesem Mandat sicherlich keine tiefgreifende Wirkung erzielt wurde, war es doch das letzte seiner Art. Während der Regierungszeiten des Prinzen Joseph Friedrich sowie des Herzogs Friedrich schien sich die Situation allmählich wieder zu beruhigen, zumindest wurde die organisierte Kriminalität in der Öffentlichkeit nicht verstärkt wahrgenommen. Abschließend muss konstatiert werden, dass das Landregiment – ebenso wie frühneuzeitliche Staaten allgemein – Übergriffe von Dieben und das Umherstreichen von Bettlern nicht effektiv verhindern konnten.295 Dennoch zeigt sich hier die Bedeutung des Landregiments als kostengünstige Wachmannschaft, welche Flur, Wege und Stege kannte. Seine Mitglieder übernahmen in diesem Zusammenhang auch Verantwortung in ihren Heimatorten: Sie kannten das lokale gesellschaftliche Umfeld und konnten Fremde leicht identifizieren. Sie waren meist Familienväter, denen nicht zuletzt an der Sicherheit ihrer Familie gelegen war. 3.2.3 Einsatz im Rahmen epidemischer Krankheiten Neben der Verfolgung und dem Aufspüren von Diebesbanden erfüllte das Landregiment weitere Aufgaben im Zusammenhang mit grassierenden epidemischen Krankheiten. Diese stellten ebenso wie Diebesbanden eine Bedrohung der inneren Sicherheit dar. Die in der Frühen Neuzeit zyklisch auftretenden Pocken, aber auch die bis ins frühe 18. Jahrhundert aufflammenden Pestwellen konnten dem kleinen und bevölkerungsarmen Fürstentum gefährlich werden und bei fehlender Observation unkontrollierbare Ausmaße annehmen.296 Der in zeitgenössischen Quellen verwendete Begriff der „Contagion“ steht als Synonym für epidemische Krankheiten und weist auf das starke Bewusstsein über deren rasche Verbreitung und die damit verbundenen Gefahren hin.297 Das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen war am Ende des 17. 294 Ebd., S. 242 f. Zu den rechtlichen Grundlagen siehe Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 50, Leipzig 1746, S. 203 f. 295 DANKER, Räuberbanden im Alten Reich, Bd. 1, S. 448. 296 Otto ULBRICHT, Die Allgegenwärtigkeit der Pest in der frühen Neuzeit und ihre Vernachlässigung in der Geschichtswissenschaft, in: Ders. (Hg), Die leidige Seuche. PestFälle in der Frühen Neuzeit, Köln 2004, S. 1–63. 297 KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 2, Berlin 1773, S. 250 f.
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und im 18. Jahrhundert, abgesehen von lokal begrenzten Fällen der Pocken, niemals Ursprung einer überregional auftretenden epidemischen Krankheitswelle.298 In der Regel wurden Gefahren dieser Art von außerhalb des Fürstentums in das Land getragen. So galt es für die herzogliche Regierung, in diesen Notzeiten vor allem die in das Fürstentum Einreisenden zu überwachen. Ein umfassender und lückenloser Grenzschutz mit Kontrollen – zumal über einen längeren Zeitraum hinweg – war nicht zu realisieren. Die Regierung verließ sich daher vollständig auf die Bevölkerung und griff dabei auf das Landregiment mit seinen militärischen Strukturen zurück. Im archivalischen Quellenmaterial des Fürstentums SachsenHildburghausen schlagen sich Einsätze des Landregimentes während grassierender Epidemien jedoch nur dürftig nieder.299 Lediglich ein im Jahre 1713 von Herzog Ernst erlassenes Reglement „Wornach sich die Officier und Gemeine von Unsern Regiment wegen der auswerts grassirenden Contagion in hiesigen Landen zurichten“ erlaubt tiefergehende Einblicke.300 Dieses Reglement wurde vor dem Hintergrund einer in Wien grassierenden Pestwelle dem Landregiment bekannt gemacht. Es zeigte sich bald, dass die Pest nicht auf Wien beschränkt blieb, sondern durch flüchtende Bürger und Reisende bald nach Prag gelangte.301 Auch der Regensburger Reichstag verlegte in diesen Tagen seine Versammlung nach Augsburg, um der möglicherweise herannahenden Pest zu entgehen.302 In dieser Zeit der allgemeinen Unruhe entstand das von Herzog Ernst erlassene Reglement. Es befahl den Mitgliedern des Landregiments in den jeweiligen Ortschaften, selbständig Dorfwachen aufzustellen und regelmäßige Patrouillen in der näheren Umgebung zu organisieren. Die Tore der Städte sollten durchgehend besetzt blei298 HEYN, Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 63 f. 299 Im Gegensatz dazu lassen sich etwa zeitgleich stattfindende Maßnahmen der Habsburger-Monarchie zur Pestbekämpfung in den Quellen deutlich besser fassen. Einen Gesamtüberblick zur Involvierung des Militärs in den Pestzeiten bietet Olaf BRIESE, Angst in Zeiten der Cholera. Über kulturelle Ursprünge des Bakteriums (Seuchen-Cordon I), Berlin 2003, S. 242 f. Brieses vereinfachte These „Ohne Pest keine Karriere der Institution Militär“ (S. 239 f.) muss jedoch fragwürdig bleiben. Der Autor überbewertet die Wirkung der Pest auf das Militär und lässt u. a. die Entwicklungen im Rahmen der Military Revolution vollends aus. 300 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 348, fol. 67. Andere erhaltene Pestmandate, bspw. aus dem Jahre 1723, wurden vom Fränkischen Kreis übersandt und entstammten nicht hildburghäusischer Provenienz, ThStAM, GA Hbn, 459, fol. 323 f. 301 Daniel SCHNEIDER, Theatrum Europaeum, Bd. 20, Frankfurt 1734, S. 317. 302 SCHNEIDER, Theatrum Europaeum, Bd. 20, S. 72 [1713]. Zur Pest in Regensburg siehe Christine WERKSTETTER, Die Pest in der Stadt des Reichstags. Die Regensburger „Contagion“ von 1713/14 in kommunikationsgeschichtlicher Perspektive, in: Johannes BURKHARDT, Christine WERKSTETTER (Hg.), Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (= Historische Zeitschrift, Beihefte, Bd. 41 (NF)), München 2005, S. 267– 294.
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ben. Falls verdächtige Personen angetroffen wurden, waren diese sofort dem Bürgermeister bzw. dem Dorfschultheißen zu weiterer Befragung zu überstellen. Um Personen aufzugreifen, die möglicherweise Landstraßen und Dörfer mieden, wurden in den Ämtern Patrouillen ausgeschickt, die Nebenstraßen, Felder und Wälder durchstreiften: „[…] so sollen wochentlich zwei Tage aus jeder Compagnie neun Mann vor des Hauptmanns Quartier zu erscheinen beordert und auff drey Partheyen, nemlich: allezeit ein Corporal oder Gefreiter mit 2 Mann von Unsern Regiment aus commandiret werden […].“303 Die beiden Majore des Landregiments wurden angewiesen, wöchentlich jeweils zwei Ämter des Fürstentums zu visitieren und im Gespräch mit den Hauptleuten der Kompanien die Befolgung des Reglements zu überwachen. Herzog Ernst verlangte ebenso, dass die „benennte Majors Uns jedesmahls mündlich bey ihrer Rückkunft oder wo periculum in mora durch schrifftliche Berichte zu hinterbringen, sodann weitere Ordres zu gewarten [haben]“.304 3.2.4 Die Unruhen des Jahres 1717 Obwohl die Institution des Landregiments im Allgemeinen der Sicherheit der Untertanen diente, wurde von fürstlicher Seite aus mehrmals versucht, die Formation im Rahmen eigener Interessen zu instrumentalisieren – notfalls auch gegen die eigenen Untertanen. Obwohl derartige Vorfälle eine Seltenheit blieben, trug sich ein solcher im Mai 1717 in der Residenzstadt Hildburghausen zu. Hier führte der von herzoglicher Seite aus begangene widerrechtliche Holzeinschlag im Stadtwald zu einer kleinen Revolte unter der Hildburghäuser Bürgerschaft.305 Diese versammelte sich in großer Menge auf dem Marktplatz nahe dem Schloss und verlangte die Garantie ihrer althergebrachten Rechte. Um die Bürgerschaft zur Räson zu bringen, ließ Herzog Ernst Friedrich I. am 4. Mai 1717 durch den Obristen v. Pflug drei Kompanien der Landmiliz einberufen und am folgenden Tag in die Stadt einmarschieren. Die Soldaten hatten auf Befehl scharf geladen und sollten die Bürger einschüchtern. „Als sie aber gegen die Menge vorgehen sollten, waren sie weder durch Kommando, noch durch Drohungen, noch durch Schläge dazu zu bringen“.306 303 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 348, fol. 67. 304 Ebd. 305 Die Hintergründe der lokal begrenzten Episode wurden umfassend aufgearbeitet und dargestellt bei SCHAUBACH, Der Aufstand der Bürger 1717 und seine Vorgeschichte, in: Hildburghäuser Kreisblatt 111 (1912). 306 Ebd., S. 1.
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Unter Einschaltung des Reichskammergerichts wurden die Differenzen letztendlich beseitigt. Der fehlgeschlagene Versuch des Herzogs, das Landregiment gegen Untertanen einzusetzen, zeigt, wie nahe die Mannschaften der Bevölkerung standen. Falls man von herrschaftlicher Seite aus glaubte, einen Einsatz gegen die Bevölkerung leicht verwirklichen zu können, weil das Landregiment auf den Herzog vereidigt worden war, sah man sich nun darin getäuscht.307 Das Landregiment als Aufgebot der Untertanen diente vornehmlich dem Allgemeinwohl und konnte zur Stabilisierung der eigenen Herrschaftsposition vom Fürsten nicht gegen die Bevölkerung eingesetzt werden. Diese im Jahre 1717 gewonnene Einsicht mag unter anderem dazu beigetragen haben, die Etablierung der Garden zu forcieren. 3.2.5 Die Verteidigung von Hildburghausen im Jahre 1770 Der Unruhe des Jahres 1717 steht ein Vorfall aus dem Jahre 1770 gegenüber, der das Landregiment als ergebenes Verteidigungsinstrument der herzoglichen Souveränität erscheinen lässt: Damals war die Verschuldung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen bereits derart fortgeschritten, dass eine Schuldenadministrationskommission von kaiserlicher Seite aus eingesetzt wurde, um den völligen Ruin des Fürstentums zu verhindern. Im Rahmen dieses Vorganges sah sich Herzog Ernst Friedrich III. Carl nicht nur mit der Offenlegung der gesamten Kammerausgaben, sondern vor allem mit einer erheblichen Einschränkung seiner herrschaftlichen Gewalt konfrontiert.308 Der Herzog ignorierte wiederholt die Ausführung kaiserlicher bzw. reichshofrätlicher Befehle im Zusammenhang mit der Schuldensache, sodass der Kaiser schließlich zu drastischeren Mitteln schritt. Für den Fall, dass der hildburghäusische Herzog sich weiterhin den kaiserlichen Befehlen widersetzen sollte, wurde ihm die sogenannte Manutenenz angedroht. Dabei handelte es sich um eine Unterlassungsaufforderung, die bei Zuwiderhandlung die Form einer gewaltsamen Exekution annehmen konnte. Im Rahmen dieses Verfahrens sollten die Beschlüsse des Reichhofrates mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden.309 Zu diesem Zweck sollte eine Kommission aus verschiedenen Reichsständen berufen werden, um mit kaiserlichem Mandat die Verordnungen durchzusetzen. Eine solche Manute307 Auch in den Kriegsartikeln hieß es unter Art. 2: „Sollen sämtliche Offiziers und Gemeine […] nichts unterlassen, was zu Schütz und Beschirmung Unserer Person […] gereichen und abzielen kann […]“, Landesgesetze und Verordnungen, S. 197. 308 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 319. 309 Johann Jakob MOSER, Von denen Kaiserlichen Regierungs-Rechten und Pflichten (= Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 3), Frankfurt 1772, S. 214.
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nenzkommission wurde Sachsen-Hildburghausen im März 1771 zuerkannt.310 Als ausführende Mitglieder waren Sachsen-Meiningen und Sachsen-CoburgSaalfeld berufen, die im Ernstfall Truppen bereitstellen sollten. Da die Kräfte dieser Territorialstaaten möglicherweise nicht ausreichten, um SachsenHildburghausen niederzuwerfen, plante man, noch Sachsen-WeimarEisenach hinzuzuziehen.311 Die Manutenenztruppen standen unter der Koordination des Prinzen Joseph Friedrich v. Sachsen-Hildburghausen. Dieser besaß hervorragende Kontakte zum Wiener Hof, hatte Feldzugserfahrung vorzuweisen und übernahm daher als Mitglied der kaiserlichen Schuldenkommission die Verantwortung für jegliches militärische Handeln in der Sache. Im Falle SachsenHildburghausens war der tatsächliche Einsatz der Manutenenztruppen aber lediglich als Drohung gedacht. Da sich aber das Verhältnis zwischen Ernst Friedrich III. Carl und der kaiserlichen Schuldenkommission seit Mai 1770 zunehmend verschlechterte, war jederzeit mit dem Einrücken fremder Truppen in das Fürstentum zu rechnen. Noch am 30. Mai 1770 versicherte Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld der Herzogin von SachsenMeiningen und dem Prinzen Joseph Friedrich seine volle Unterstützung, falls es zum Äußersten kommen werde: „Wir nehmen daher keinen Anstand Euer Liebden, Liebden hierdurch schriftlich […] die Zusicherung zu thun, daß von Unserern Trouppen eine in circa 100 Mann sich erstreckende regulirte Compagnie in völliger Bereitschaft stehe […] und mit dem gleichen Auftrag habenden S. Meiningischen Fürstlichen Hof augenblicklich [anrücken könne].“312 In Sachsen-Coburg-Saalfeld standen zu diesem Zeitpunkt etwa fünfhundert Mann unter dem Obristen v. Gersdorf bereit, in SachsenHildburghausen einzurücken.313 Im Amt Schalkau, welches zu SachsenMeiningen gehörte, wurden nach einem großen Ankauf von Pulver und Blei bereits Patronen für die Truppen gefertigt.314 In dieser angespannten Situation herrschte bei allen Beteiligten größte Unsicherheit über das weitere Vorgehen. Es ist nicht eindeutig nachzuweisen, ob Herzog Ernst Friedrich III. Carl genauere Informationen über die Manutenenztruppen hatte oder sich lediglich auf Gerüchte stützte, als er in der Nacht des 4. Juni 1770 Teile des Landregiments nach Hildburghausen einberief. In der Residenzstadt jedenfalls hatte sich das Gerücht herumgesprochen, dass die Manutenenztruppen aus Meiningen und Coburg am 6. Juni einrücken würden.315 An diesem Tage 310 311 312 313 314 315
WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 334. Ebd., S. 331. ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 142. ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 18. ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 20, fol. 131 ff. Ebd., fol. 207r.
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befanden sich mehrere Kompanien des Landregiments sowie der fürstlichen Garde in der Stadt. Auf Befehl ihrer Offiziere hin befestigten die Soldaten die Stadt und bereiteten sich auf die Verteidigung vor. Genauere Informationen aus diesen Junitagen verdankt man vor allem den zurückgebliebenen und in der Stadt eingeschlossenen Beamten und Sekretären der kaiserlichen Schuldenkommission. Diese fertigten zur späteren Berichterstattung genaue Notizen an. Über die militärischen Vorbereitungen in der Stadt wurde berichtet, dass die Offiziere „alle Zugänge der Stadt besetzen, das hiesige Ober- und Neustadter Thor versperren und mit Holz und Mist verrammeln, auf den Marckt 12 Feldstücke aufführen, vor den untern Thor und außen vor dem Residenz-Schloß Schantzen aufwerffen, selbige mit Canonen besetzen, durch den Regiments-Feldscherer Leinwand zum verbinden der Blessirten und andere nöthige Medicamenta zur Feldapotheke anschaffen [ließen]“.316 Zur Passage in die Stadt wurde lediglich das Römhilder Tor offen gehalten, wo sich die gesamte Garde unter dem Major Friedrich v. Wolzogen befand. Etwa 150 Mann des Landregiments standen bei der Hauptwache, und eine etwa ebenso große Zahl besetzte die restlichen Stadttore sowie Teile der Stadtmauer und die Reitbahn. Zudem fand sich auf dem Markt und am Rathaus eine größere Anzahl von Soldaten, die in Reserve gehalten wurden.317 Insgesamt standen damit wahrscheinlich fünf- bis sechshundert Mann zur Verteidigung von Hildburghausen zur Verfügung. Die Befestigung der Stadt nahm drei Tage in Anspruch, und Mitgliedern, Beamten und Sekretären der Schuldenkommission zeigte sich die Entschlossenheit der Untertanen. Dies erreichte der Herzog vor allem durch geschickt gesteuerte Propaganda, indem er verbreiten ließ, die Manutenenztruppen würden lediglich anrücken, um ihn abzusetzen und dem Erbprinzen Friedrich die zukünftige Regierung zu versagen. Bereits vorher hatten von herzoglicher Seite aus diverse Flugschriften auf die Bevölkerung Einfluss genommen, in denen die Ungerechtigkeit, welche dem Herzog durch die kaiserliche Kommission wiederfahre, herausgestellt worden war. Der so vom Herzog propagandistisch gesteuerte Patriotismus bewirkte, dass „auch in der That die sämtliche Mannschafft bis zum Thränen attendirt [gewesen]“.318 So waren die Soldaten des Landregiments wie auch der Garde fest entschlossen, den Herzog mit allen Mitteln zu verteidigen – falls nötig auch gegen den Kaiser des Reiches. Hildburghausen befand sich demnach im Belagerungszustand, wenngleich ohne Belagerer. Auch wenn Prinz Joseph Friedrich prinzipiell dazu bereit war, gab er am 6. Juni keinen Marschbefehl an die Manutenenztruppen. Ob ein militärischer Zugriff auf Hildburghausen Anfang Juni tatsächlich geplant war, bleibt ebenso zu bezweifeln. In jedem Fall machten die unerwarteten 316 Ebd., fol. 208r. 317 KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen, S. 10. 318 Zitiert nach WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 341.
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Verteidigungsanstalten des hildburghäusischen Herzogs Eindruck und zeigten deutlich, dass man ihn unterschätzt hatte. Eine Eskalation des Konflikts hätte bei der auf beiden Seiten herrschenden Entschlossenheit zu großem Blutvergießen führen können. Auch bleibt zu bezweifeln, dass die schwachen Truppenkontingente aus Coburg und Meiningen erfolgreich gewesen wären, zumal eine Beteiligung Sachsen-Weimar-Eisenachs noch fraglich war.319 Zu dieser Einsicht muss auch Prinz Joseph Friedrich gekommen sein, als er gemeinsam mit der Herzogin Charlotte Amalie von Sachsen-Meiningen in einem Schreiben vom 6. Juni 1770 die ranghöchsten hildburghäusischen Offiziere320 daran erinnerte, „daß sie Ihro Majestät dem Kaiser, als allerhöchsten Reichs-Oberhaupt und [dessen] allerhöchsten Befehlen die allergehorsamste Folge zu leisten schuldig [wären]“.321 Des Weiteren wurden die Offiziere dazu aufgerufen, sich beim Anrücken von Manutenenztruppen vollkommen passiv zu verhalten, da man ansonsten von kaiserlicher Seite aus harte Strafen verhängen wolle. Das Schreiben des Prinzen Joseph Friedrich und der meiningischen Herzogin wurde von allen Offizieren noch am selben Tag beantwortet, und jedes einzelne dieser Schreiben enthielt den identischen Wortlaut.322 Hierin entschuldigte man sich, der Forderung nicht nachkommen zu können, und appellierte an das Verständnis des Prinzen Joseph Friedrich, der militärische Pflichten und Gehorsam selbst zur Genüge kannte. Nachdem man in Hildburghausen nach wie vor treu zum Herzog stand, blieb zunächst alles still. Die militärischen Vorgänge in der Residenzstadt dauerten bis zum 9. Juni 1770 mittags an, „als um welche Zeit Serenissimus Regens bey Serenissimo Josepho durch den Herrn Regierungsrath Brunnquell 319 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 337 f. 320 Das Schreiben ging jedem Offizier einzeln zu. Die Adressaten waren General Ernst Heinrich Carl v. Beust, die Obristen Friedrich Wilhelm v. Boxberg und Johann Carl Christian v. Heßberg, die Majore Friedrich v. Wolzogen, Ludwig Friedrich v. Lengefeld und v. Stockmeyer. 321 ThStAM, GA Hbn, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 160. 322 Die Offiziere beantworteten am 6. Juni 1770 das Schreiben gleichlautend folgendermaßen: „Nun wünschte ich nichts mehr, als daß ich dieser gnädigsten Intimation püncktlich nachzukommen in Standt wäre, um dadurch diejenige tiefste Devotion die mir iederzeit heilig ist Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht, Hochfürstlichen Durchlaucht auch hiebey an den Tag zu legen. Nachdem aber Eure Hochfürstliche Durchlaucht, Hochfürstliche Durchlaucht besonders Herrn Hertzog Joseph Friedrich in Rücksicht, da Höchstdieselben selbst die Stelle eines General-Feld-Marschalls bekleiden, gnädigst beherzigen werden, daß mir die Pflicht womit ich meinen gnädigst regierenden Landes-Herrn zu gethan bin, und die Subordination zu einen ohnablehnlichen Gehorsam verbindet, in die merita causae aber einzudringen meine Sache nicht ist, so kann ich weiter dermahlen nichts thun, als Eure Hochfürstliche Durchlaucht, Hochfürstliche Durchlaucht in tiefster Erniedrigung zu bitten bey meinem gnädigst regierenden Landes Herrn Hochfürstliche Durchlaucht die hohe Vermittlung zu treffen, dasz der an mich ertheilte gnädigste Befehl abgeendert und ich dadurch in Stand gesetzet werde, keine Schritt zu thun der einer allergnädigst angeordneten Kayszerlichen Commission mißfallen kann. Ich empfehle mich zu höchsten Gnaden und ersterbe in tiefster Submission“, alle Schreiben befinden sich abgelegt bei ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 183–192.
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die Anfrage thun laßen, ob nurgedachte Ihro Hochfürstliche Durchlaucht die ManutenenzTroupen noch hieher berufen wollten“.323 Nun lenkte die Manutenenzkommission ein und versicherte dem Herzog, keine gewalttätigen Schritte zu ergreifen, zumal dieser zuvor erneut die Reichsgerichte angerufen hatte. Wenig später wurden die Kanonen und Soldaten abgezogen. Die Augenzeugen der Schuldenkommission berichteten, „daß denen Soldaten vom Land-Regiment nomine Serenissimi Regentii durch den Herrn Obristen von Heßberg vor ihre Bereitwilligkeit und Treue Danck gesagt [wurde]“.324 Gleichzeitig hielten die Offiziere ihre Soldaten dazu an, die Waffen gut gepflegt in Bereitschaft zu halten und bei einem eventuell erfolgenden Marschbefehl schnellstmöglich bereit zu sein. Auch wurde die Schanze am Römhilder Tor nicht abgetragen, sodass man offensichtlich von Seiten Sachsen-Hildburghausens noch nicht mit der Beilegung des Konfliktes rechnete. Um sich der zukünftigen Unterstützung der Untertanen und Soldaten zu versichern, wurde zu gleicher Zeit die Druckschrift „Fernerweite Belehrung des Publici“ auf den Straßen der Residenzstadt verteilt.325 Darin wurde das Vorgehen des Herzogs gerechtfertigt, dabei jedoch stets die Loyalität zum Kaiser betont. Weiter heißt es: „Und da sich des Herrn Herzogs zu Sachßen-Hildburghausen Hochfürstliche Durchlaucht daher endlich entschließen müßen, dieienige Nothwehr, die in alle so göttlichen als bürgerlichen und Reichs-Gesetzen gegründet ist, zu ergreifen; so können Höchstdieselbe auch keinen Umgang nehmen Ihre sämtlichen Unterthanen, sowie das ganze Publicum von dem Unrechte und Gewalt, welches man Ihnen anthut, mittelst dieses [Druckes] abermals zu unterrichten.“326 Das mögliche Anrücken der Manutenenztruppen wurde als Landfriedensbruch verstanden, woraus letztendlich die Rechtfertigung, das Landregiment einzuberufen und die Residenzstadt in Verteidigungsstand zu setzen, abgeleitet wurde.327 Ferner wurde vor allem die öffentliche Stimmung weiter gegen die Manutenenzkommission angeheizt. Die Sekretäre und Beamten der Schuldenkommission berichteten aus Hildburghausen, die Druckschrift sei „besonders dem gemeinen Mann in die Hände gespielet und seitdem zum öffentlichen Spectacul auf Gaßen und Straßen abgelesen“328 worden. 323 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 208v. 324 Ebd., fol. 210v. 325 Die Druckschrift befindet sich bei ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 209–210. Ein weiteres Exemplar befindet sich bei ULB Halle, Pon We 1170, FK. 326 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 209r. 327 „Gleichwie aber, bewandten Umständen nach, alles dieses keine Execution, sondern ein gesetzeswidriger Excessus Comissionis und ein daraus folgender Landfriedensbruch seyn würde“,ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 17, fol. 210v. 328 Ebd., fol. 324r.
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Diese Tage standen offenbar unter dem Zeichen einer Radikalisierung der Bevölkerung, welche von ausgeprägten patriotischen Gefühlen getragen wurde. Die herzogliche Propaganda, welche diese Entwicklung förderte, steuerte und gezielt ausnutzte, hatte Wirkung gezeigt. Noch gegen Ende des Jahres 1770 wurde beispielsweise aus Hildburghausen, Völkershausen, Eishausen und Engenstein berichtet, dass von den angeschlagenen kaiserlichen Patenten das Siegel der Herzogin von Sachsen-Meiningen, die als leitendes Mitglied der Manutenenzkommission angehörte, abgerissen wurde.329 Tatsächlich schlossen die Mitarbeiter der Schuldenkommission sogar gewalttätige Übergriffe der Bevölkerung auf sich selbst nicht aus. Alles in allem aber entspannte sich die Situation in Hildburghausen und an den kaiserlichen Gerichten zusehends. Das Militär blieb jedoch nach wie vor das stärkste Instrument des Herzogs, das es zunächst auszuschalten galt. Über die unbedingte Treue der Soldaten beunruhigt, ließ der Reichshofrat am 25. Juni 1770 an das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen das folgende kaiserliche Mandat ergehen: „Der Kayser könne, daß sich Officiers und Gemeine gegen die Kayserliche Commißion, zu Verhinderung der Kayserlichen Verordnungen, gebrauchen lassen, anderst nicht, dann vor eine höchststrafbare Empörung, ansehen; dahero, unter Vorbehalt der wegen des Vergangenen bereits verdienten Bestrafung, sowohl dem Grenadier-Corps, als dem Landregiment, auf das ernstlichste und nachdrücklichste befohlen werde, sich auf keine Weise gegen die in Kayserlichem Namen handelnde Commißion gebrauchen zu lassen, am allerwenigsten mit Thätlichkeiten gegen dieselbe […] vorzugehen; widrigen Falles der Kayser Sich an sie halten, Sich ihrer bemächtigen lassen, und an Ehre, Haab und Gütern, auch, nach Befinden, an Leib und Leben, strafen würde.“330 Tatsächlich aber blieb die kaiserliche Schuldenkommission im weiteren Verlauf vom Widerstand des Herzogs und des Militärs weitestgehend unbehelligt. Diesen kam in den nachfolgenden Verhandlungen und beim Schuldenabbau eine eher untergeordnete Rolle zu. Während das Schuldenverfahren auf die Struktur des Landregiments nahezu keine Auswirkungen hatte, verän329 Der Engensteiner Gerichtshalter Friedrich Rottenbach berichtete am 29. November 1770: „Bey meiner des Gerichtshalters allhier heute erfolgten Ankunfft meldete sogleich der Jäger Johann Sieder, daß von dem einen an dem allhiesigen Wirtshauß angeschlagenen Kayserlichen Patenten, die Bürgerschafft und Unterthanen betreffend, das Siegel der Frauen Herzogin zu Sachßen-Meiningen Hochfürstliche Durchlaucht abgerissen worden wäre; wann, wie und von wem es geschehen sey, wollte niemand wissen […]“, ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 19, fol. 70r. 330 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 18, fol. 126, abgedruckt bei Johann Jakob MOSER, Reichs-Staats-Handbuch auf die Jahre 1769, 1770, 1771, 1772, 1773, 1774 und 1775, Bd. 3, Frankfurt 1777, S. 21 f.; auch bei: Ders., Von dem ReichsStändischen Schuldenwesen so viel es derer weltlichen Churfürsten auch regierender Reichsfürsten und Grafen Cammeral-Schulden, und die Art, selbige abzustossen und zu bezahlen betrifft, Frankfurt 1774, S. 179 f.
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derten sich die Gegebenheiten für die Garde bedeutend. Diese Zusammenhänge werden im Kapitel zu Struktur und Formation der Garden noch eingehender behandelt.
3.3 Einsätze des Landregiments jenseits der Landesgrenzen „[…] ist auch bereits guten Theils bekannt, wasgestalten der Herr Herzog zu Hildburghausen […] mit etlich hundert Mann Land-Miliz in das Römhildische eingefallen und die Stadt Römhild mit Übersteigung der Wälle und Mauren besetzt.“331 SachsenMeiningischer Geheimrat Friedrich Albrecht v. Fischer, 1711
3.3.1 Der Charakter der militärischen Konflikte innerhalb der ernestinischen Linie Die oben dargelegten Aufgaben des Landregiments waren meist polizeilicher Natur und fanden innerhalb der Landesgrenzen des Fürstentums SachsenHildburghausen statt. Es ist nicht möglich, anhand dieser Einsätze dessen militärischen Wert zuverlässig zu konstatieren. Um ein differenzierteres Bild der Formation während einer militärischen Aktion zu erlangen, ist es notwendig, den Fokus auf die Einsätze des Landregiments jenseits der Landesgrenzen zu lenken. Diese fanden im Rahmen der zahlreichen ernestinischen Sukzessionskonflikte statt.332 Hier wurde das Landregiment vom hildburghäusischen Herzog offensiv eingesetzt, um innerdynastische Konflikte mit anderen Ernestinern in seinem Sinne günstig zu beeinflussen. Die Untersuchung dieser Konflikte unter militärischem Blickwinkel ist besonders deshalb lohnenswert, da die Diskussion um Sinn und Nutzen der Landesdefensionen meist vor dem Hintergrund fehlender Erfahrungswerte geführt wurde.333 331 ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 20r. 332 Neben den Konflikten, die in der nachfolgenden Darstellung behandelt werden, existierten noch a) der „Dreschflegelkrieg“ (1742): geführt zwischen Sachsen-Meiningen und Sachsen-Saalfeld um den Besitz des Amtes Neustadt (der Konflikt wurde von den Landesdefensionen mit Dreschflegeln, Prügeln und Steinen geführt, die Verluste beliefen sich auf einen Toten und mehrere Verwundete); b) „Krieg“ um die Lauterburg (1744) (im Zusammenhang mit dem Aussterben der meiningischen Linie gerieten SachsenGotha und Sachsen-Coburg in Streit, es kam von gothaischer Seite aus zum Einsatz regulärer Truppen, ohne jedoch Verluste zu verursachen); c) „Wasunger Krieg“ (1747– 1748), vgl. zu allen genannten Konflikten Arwied v. WITZLEBEN, Der Wasunger Krieg zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Meiningen (1747–1748), Gotha 1855; Walter SCHNEIER, Das Coburger Land, Coburg 1983, S. 122 f. u. 145 f.; Ders., Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern, Coburg 1985, S. 179 u. 185. 333 Tatsächlich kamen die meisten Landregimenter anderer Territorialstaaten nicht aktiv zum Einsatz oder standen stehenden Truppen gegenüber.
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Innerhalb der militärisch geführten ernestinischen Sukzessionskonflikte stand die Landesdefension eines beteiligten Territorialstaates jener eines anderen gegenüber – eine Konstellation, die im Untersuchungszeitraum äußerst selten auftrat. In der regionalgeschichtlichen Forschung wurden diese militärischen Einsätze als „Krieg“ bezeichnet, um gleichzeitig mit Begrifflichkeiten wie „Dreschflegelkrieg“, „Kirschenkrieg“ oder „Kartoffelkrieg“ bagatellisiert zu werden.334 Tatsächlich zeigt sich ein definitorisches Problem. Um das Wesen dieser Konflikte der Ernestiner näher zu beleuchten, können zunächst drei Gemeinsamkeiten vorangestellt werden, auf die nachfolgend noch eingegangen wird: Es erfolgte in keinem Fall eine Kriegserklärung (1.), es kam in verschiedenem Umfang zum Einsatz der Landesdefensionen außerhalb der eigenen Landesgrenzen (2.), und die Konflikte zeichneten sich durch weitgehende Abwesenheit von kriegerischer Gewalt aus (3.). Geht man von der bekannten Clausewitz’schen Formel „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“335 aus, so sind zweifellos alle nachfolgend zu behandelnden Konflikte „wirkliche“ Kriege gewesen. Das Reichsrecht und die besondere Gestalt des Alten Reiches engen jedoch eine historisch zutreffende Definition dieser Konflikte ein. Der auf dem Wormser Reichstag von 1495 proklamierte Ewige Landfrieden stellte den Abschluss einer mehrere Jahrhunderte dauernden Reformbewegung dar, die versuchte, Konflikte zwischen Reichsständen auf juristischem Wege zu schlichten.336 Der Ewige Landfrieden verbot jegliche gewalttätigen Handlungen der Reichsstände untereinander und hatte als Reichsgesetz umfassende Gültigkeit.337 Er verwies die Reichs334 HERTEL, Neue Landeskunde, S. 204. Überregionale Forschung hat sich dieser Thematik bislang kaum angenommen. Sikora bezeichnet einen dieser Konflikte als „kleinen Erbfolgekrieg“, vgl. Michael SIKORA, Ein kleiner Erbfolgekrieg. Die sachsen-meiningische Sukzessionskrise 1763, in: Helmut NEUHAUS, Barbara STOLLBERGER-RILLINGER (Hg.), Menschen und Strukturen in der Geschichte Alteuropas. Festschrift für Johannes Kunisch, Berlin 2002, S. 319–339; Hahn setzte „Krieg“ noch in Anführungsstriche, vgl. Peter-Michael HAHN, Der „Krieg“ im politischen Kalkül mindermächtiger Reichsstände, in: STIFTUNG THÜRINGER SCHLÖSSER UND GÄRTEN (Hg.), Die wehrhafte Residenz. Zeughaus – Marstall – Militär (= Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 12), Regensburg 2008, S. 87–102. 335 Carl v. CLAUSEWITZ, Vom Kriege, München 2000, S. 44; NOWOSADTKO, Krieg, Gewalt, Ordnung, S. 181 f. zum verschiedenartigen Wesen des Krieges. 336 Gerhard OESTREICH, Verfassungsgeschichte vom Ende des Mittelalters bis zum Ende des Alten Reiches, in: Herbert GRUNDMANN (Hg.), Bruno Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 91981, S. 366 f.; Norbert OHLER, Krieg und Frieden im Mittelalter, Hamburg 2004, S. 303. 337 Johann Maximilian v. GÜNDERRODE, Abhandlung des Teutschen Staats-Rechts worinnen alle dahin gehörigen Materien, hauptsächlich nach Maßgabe der Reichs-Gesetze und besonders Ihro glorwürdigst-regierenden Kayserlichen Majestät Wahl-Capitulation vorgestellet werden, Gießen 1743, S. 34 f.; Johann Gottlob Friedrich KOCH, Allgemeines Europäisches Land- und See-Kriegsrecht, Frankfurt 1778, S. 113.
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stände an die zuständigen Reichsgerichte wie den Reichshofrat oder das Reichskammergericht. „Vermöge dieses Gesetzes nun soll niemand ohn- oder mittelbaren Standes in Teutschland den andern bekriegen, berauben, gefangen nehmen, belagern oder mit Gewalt des Seinigen entsetzen, sondern sich des Weges Rechtens bedienen.“338 Der Ewige Landfrieden band die Reichsstände auf juristischer Basis und hatte auch im 18. Jahrhundert noch volle Gültigkeit.339 Zwar gestand der Westfälische Frieden im Jahre 1648 den Reichsständen das ius belli ac pacis samt ius armorum zu, doch durfte dieses nur in Abhängigkeit vom Ewigen Landfrieden und von den Interessen des Reiches wahrgenommen werden.340 Den Ständen wurde die Freiheit gewährt, Bündnisse zu schließen und die Militärhoheit auszuüben, aber dies nur unter der Prämisse, dass derartige Handlungen nicht gegen das Reich oder einen Reichsstand gerichtet waren. Zwischen der Territorialhoheit der Reichsstände einerseits und den rechtlichen Einschränkungen innerhalb des Reichsverbands andererseits war der Handlungsspielraum für kriegerische Unternehmungen also stark eingeschränkt und sollte es auch sein. Jegliche Zuwiderhandlung war daher faktisch ein Landfriedensbruch, der die Reichsexekution nach sich zog. Diese stand nach juristischer Argumentation lediglich dem Kaiser bzw. den von diesem beauftragten Potentaten zu. Im Zuge der innerdynastischen Auseinandersetzungen unter den Ernestinern wurden die eigentlich zur Landesverteidigung einzusetzenden militärischen Kräfte offensiv genutzt, um feindliches Gebiet zu besetzen. Bis auf Sachsen-Gotha-Altenburg, welches anlässlich derartiger Einsätze reguläre Truppen mit der Miliz vermischte, setzten alle anderen Beteiligten ausschließlich die Landesdefension ein.341 Zum einen hing dies damit zusammen, dass die mindermächtigen ernestinischen Territorien über keine größeren regulären Verbände verfügten.342 Andererseits war man darauf bedacht, gestellte Ziele zunächst weitgehend gewaltlos zu erreichen, da es als sicher galt, dass sich die kaiserliche Macht früher oder später in den Konflikt vermittelnd einschalten würde. Alle Beteiligten hofften dann auf die Gunst des Kaisers und der Reichsgerichte. Vorausgegangene Gewaltakte und der damit verbun338 GÜNDERRODE, Abhandlung des Teutschen Staats-Rechts, S. 36. 339 ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 16, Leipzig 1737, S. 410. 340 Reinhard STEIGER, Die Träger des ius belli ac pacis 1648–1806, in: Werner RÖSENER (Hg.), Staat und Krieg. Vom Mittelalter bis zur Moderne, Göttingen 2000, S. 122 f. 341 Im Zuge des „Wasunger Krieges“ stellte Sachsen-Gotha beispielsweise ein gemischtes Kontingent aus Miliz und regulären Truppen ins Feld, vgl. WITZLEBEN, Der Wasunger Krieg, S. 28 f. Tatsächlich aber ist der „Wasunger Krieg“ nicht vollends mit den anderen hier behandelten Konflikten vergleichbar, da Sachsen-Gotha mit kaiserlichem Mandat militärische Mittel einsetzte. 342 Sachsen-Hildburghausen verfügte nach 1717 über stehende Truppen in Form der Garden, setzte diese jedoch 1724 im Rahmen des „Schalkauer Kirschenkrieges“ nicht ein..
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dene Landfriedensbruch mussten dem Verantwortlichen zum Nachteil gereichen, sodass es von vornherein nicht ratsam war, allzu kriegerisch gegen einen Widersacher vorzugehen. Vielmehr wurde stets versucht, eine strategisch wichtige Stadt im Handstreich einzunehmen und somit durch die Schaffung von Tatsachen eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen. Zeitnah zur Konflikteskalation erfolgte meist eine Appellation an die Reichsgerichte. Es ist evident, dass innerhalb dieser Konflikte von keiner Seite eine primär militärische Lösung gesucht wurde bzw. hätte gefunden werden können. Im nachfolgenden Kapitel wird der bislang vollständig unerforschte Römhilder Krieg auf breiter Quellenbasis exemplarisch untersucht. Auf die Darstellung des Schalkauer Kirschenkrieges (1724) und des meiningischen Kartoffelkrieges (1763), an denen Sachsen-Hildburghausen ebenfalls beteiligt war, muss an dieser Stelle aus mehreren Gründen verzichtet werden: Im Falle des Schalkauer Kirschenkrieges liegt aus hildburghäusischer Provenienz keinerlei militärisches Archivmaterial vor. Politische Korrespondenzen finden sich indes sehr umfangreich in meiningischen Quellenbeständen,343 geben jedoch keinerlei Hinweise auf militärische Zustände und Abläufe. Zudem liegen die auf dieser Quellengrundlage erzielbaren Ergebnisse bereits publiziert vor.344 Im Falle des Meiningischen Kartoffelkrieges sind die wesentlichen Abläufe ebenfalls bereits erschlossen.345 Hinzu kommt, dass die archivalische Überlieferung für diesen Zeitabschnitt – insbesondere für die militärischen Zustände – gravierende Lücken aufweist.346 Daher lassen sich aus militärhistorischer Perspektive keinerlei aussagekräftige Ergebnisse erwarten. Gleiches gilt für die Politikgeschichte, deren Ergebnisse auf dieser Quellengrundlage nicht über bereits bekannte Darstellungen hinausgehen könnten. 3.3.2 Der Römhilder Krieg (1710/11) Der Römhilder Krieg war ein militärischer Konflikt unter den Ernestinern, an dem erstmals auch Truppen des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen betei343 ThStAM, GA Mgn, fol. 447–449. 344 Willy GREINER, Der Schalkauer Kirschenkrieg im Jahre 1724, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 51 (1941), S. 42–63. 345 HERTEL, Neue Landeskunde, S. 234. 346 In den militärischen Abteilung der Geheimen Archive Hildburghausen (XXII) und Meiningen (VII, J) finden sich für die Untersuchungszeit keine Archivalien. Für Hildburghausen betrifft dies insbesondere den Zeitraum von 1755 bis 1765. Für Meiningen ist die gesamte Überlieferung ab 1762 unvollständig. Bei ThStA Altenburg, Geheimes Archiv Altenburg, Supplement, 7a–7m findet sich die hildburghäusische Überlieferung weitestgehend komplett, jedoch ohne im militärischen Bereich neue Erkenntnisse zu befördern.
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ligt waren. Im Mittelpunkt stand das Fürstentum Sachsen-Römhild, dessen Herzog am 13. Mai 1710 kinderlos verstarb. Der danach entbrannte Streit um das römhildische Erbe stellt einen Teil des komplexen Coburgischen Sukzessionsstreits347dar. Ursprung dieses Konflikts war ein von den Ernestinern348 am 6. April 1699 geschlossener Vertrag, der das voraussehbare Aussterben der Linien Sachsen-Coburg, Sachsen-Eisenberg und Sachsen-Römhild betraf.349 An dieser Stelle sind jedoch lediglich die Bestimmungen hinsichtlich des Römhilder Erbes von Interesse. Es wurde vereinbart, dass Sachsen-Gotha-Altenburg das gesamte Fürstentum Sachsen-Römhild in Besitz nehmen und die Erbansprüche der anderen Ernestiner im Rahmen finanzieller Zahlungen vergüten sollte.350 Da der Vertrag stark zugunsten Sachsen-Gotha-Altenburgs ausgelegt war, beschwerte sich im Nachgang besonders Herzog Ernst v. SachsenHildburghausen am kaiserlichen Hof darüber. Es gelang ihm im Jahre 1702, einen separaten Vertrag – den Liberationsrezess – mit Sachsen-GothaAltenburg zu schließen, sich damit aus dem Nexus Gothanus zu lösen und das Amt Behrungen in seinen Besitz zu bringen. Der Herzog von SachsenMeiningen, ebenfalls unzufrieden mit den Regelungen des Vertrages, erlangte im selben Jahr von gothaischer Seite die Bewilligung, im Falle des kinderlosen Ablebens des römhildischen Herzogs Heinrich das Amt Römhild anstatt Sachsen-Gotha-Altenburg in Besitz zu nehmen.351 Eine gleichlautende Bekanntmachung an die Einwohner des Amtes Römhild wurde im Jahre 1707 von Sachsen-Gotha-Altenburg publiziert und gab Sachsen-Meiningen Handlungssicherheit für das bevorstehende Ableben des römhildischen Herzogs.352 Direkt vor der Eskalation des Konfliktes lassen sich folgende Ansprüche zusammenfassen: Sachsen-Gotha-Altenburg war an der Inbesitznahme des gesamten Fürstentums Sachsen-Römhild interessiert, mindestens aber am Amt Themar. Sachsen-Meiningen ging von einer vertraglich zugesicherten Inbesitznahme des Amtes Römhild aus, während Sachsen-Hildburghausen der Besitz des Amtes Behrungen zugesichert worden war. Im Mai 1710 erwarteten alle Beteiligten das Ableben des Herzogs Heinrich v. SachsenRömhild und begegneten einander mit größtem Misstrauen. Herzog Heinrich verstarb am 13. Mai 1710, und bereits einige Tage später formierte Herzog Ernst Ludwig v. Sachsen-Meiningen seine Landesdefension und befahl den 347 Eigentlich Sachsen-Coburg-Eisenberg-Römhildischer Sukzessionsstreit. 348 Am Vertrag waren alle Ernestiner bis auf Sachsen-Saalfeld beteiligt, das jegliche Verhandlungen über das Coburger Erbe strikt verweigerte. 349 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtssprechung, S. 180 f. 350 RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 300. 351 LÜNIG: Das Teutsche Reichsarchiv, Bd. 8, S. 716 f. 352 Johann Adolph v. SCHULTES, Historisch-Statistische Beschreibung der Herrschaft Römhild, Hildburghausen 1799, S. 830, Nr. XLVII.
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Truppen, die Städte und Ämter Römhild und Themar in Besitz zu nehmen. Warum man von meiningischer Seite aus auch das Amt Themar, welches vertraglich Sachsen-Gotha-Altenburg zustand, besetzte, muss fraglich bleiben. Diese mit Teilen des meiningischen Landregiments erfolgte gewaltsame Besetzung zwang auch die anderen Beteiligten zum Handeln. Da man von hildburghäusischer Seite aus zunächst Übergriffe auf das isoliert liegende Amt Königsberg befürchtete, ließ Herzog Ernst bereits am 19. Mai 1710 Anweisungen an die dortige Landregimentskompanie ergehen: „Dem Hauptmann Leiber wird hierdurch anbefohlen die Thore in Unserer Statt Königsberg gewisser Ursachen wegen mit doppelter Mannschafft zu besetzen, auch das Schloß daselbst mit einer Wacht zu versehen, wann jemand von anderer Fürstlichen Häuser Bedienten dahin kommen sollte, solche, ohne selbige vorhero bey denen Beambten anzumelden nicht einzulassen.“353 Von gothaischer Seite aus versuchte man zunächst auf juristischem Wege eine Lösung zu finden und erwirkte ein kaiserliches Mandat, welches Sachsen-Meiningen zu Verhandlungen zwang, die sich bis zum Ende des Jahres 1710 hinzogen. Sachsen-Meiningen verlangte nun die alleinige Inbesitznahme des gesamten römhildischen Territoriums, während Sachsen-GothaAltenburg für eine gemeinschaftliche Administration aller Beteiligten eintrat.354 Beide Seiten machten wenige Kompromisse, sodass es bald zu einem Stillstand der Verhandlungen kam. Sachsen-Gotha-Altenburg mobilisierte Teile des Landregimentes sowie zwei Eskadronen Dragoner unter dem Generalleutnant v. Wangenheim, drang von Norden in das Amt Themar ein und zwang das meiningische Landregiment zum Rückzug aus der Stadt, ohne dass es dabei zu Kampfhandlungen gekommen war. In der Zwischenzeit fürchtete man in Hildburghausen, der Herzog von Sachsen-Meiningen könne befehlen, das abgelegene Amt Behrungen zu besetzen und damit dem Zugriff Sachsen-Hildburghausens zu entziehen. Daher wurden Anfang Dezember zunächst vier halbe Kompanien des Landregiments mit etwa sechzig Mann an der Westgrenze des Fürstentums zusammengezogen.355 Diese marschierten gemeinsam Mitte Dezember 1710 in Richtung Römhild und nahmen die Stadt am 17. Dezember im Handstreich. Einen Monat später wurde hier zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Hildburghausen die Absprache getroffen, sich gemeinsam für die Rechte Sachsen-Saalfelds am römhildischen Erbe einzusetzen und erneut eine 353 ThStAM, Finanzarchiv Geschichtliches, 62, fol. 2r. 354 WESTPHAL; Kaiserliche Rechtsprechung, S. 214. 355 Es handelte sich um folgende Kompanien: Leib-Kompanie des Hauptmann Franck, Kompanie des Obristen Spiller v. Mitterberg (Hildburghausen), Kompanie des Hauptmann v. Schaumberg (Eisfeld), Kompanie des Hauptmann Ries (Heldburg), zusammen etwa 230 Mann, ThStAM, GA Hbn, 274, fol. 13r.
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gemeinschaftliche Verwaltung mit Sachsen-Meiningen durchzusetzen.356 Da sich damit der Handlungsspielraum Sachsen-Meiningens weiter einengte, versuchte man in der Zwischenzeit, die Gegner öffentlich in Verruf zu bringen. Besonders das Landregiment Sachsen-Hildburghausens war das erklärte Ziel von meiningischen Diffamierungen, deren Kern angebliche Exzesse der Soldaten in der Stadt Römhild bildeten. Die meiningischen Vorwürfe gegen die Landregimentssoldaten veranlassten einige Bürger Römhilds, ein Schreiben an die fürstliche Regierung in Hildburghausen zu richten, in welchem diese entkräftet und das gute Verhalten der Truppe versichert wurde: „Wir endes unterschriebene bekennen aus freyen Willen und bey treu und ehren, daß […], da die Fürstliche Sächsisch-Hildburghäusische Miliz allhier in der Stadt eingeleget und einquartieret geweßen, von denen Bürgern Ihnen nichts weiters als Obdach gegeben, auch von keinen deren Eßen oder Geld seinen Quartiersmann angefordert, noch sonsten Ungelegenheit einigen Bürgern gemacht, vielmehr sie sich allezeit vernehmen laßen, […] niemanden allhier etwas anzufordern oder zuzufügen, wenn auch von einem Bürger aus freyen Stücken ein oder andern von dieser Miliz etwas zu Eßen angebotten worden, sie dafür auf das beste sich bedanket, derowegen die Bürger über diese Miliz mit Fug sich nicht beschweren könnten.“357 Neben Diffamierungen wurde man von Seiten Sachsen-Meiningens noch anderweitig tätig: Bereits im Dezember 1710 zeigte sich, dass die meiningische Landesdefension den vereinten Kräften von Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Hildburghausen nicht gewachsen und kein weiterer militärischer Fortschritt zu erwarten war. Daher trat der meiningische Herzog nun in Unterhandlungen mit dem pfälzischen Kurfürsten, mit dem bereits vor Ausbruch der Feindseligkeiten eine Allianz bestanden hatte. Kurpfalz versprach, drei Kompanien Infanterie bis Anfang des Jahres 1711 zur Unterstützung Sachsen-Meiningens anmarschieren zu lassen. Dies geschah trotz einer an alle Parteien ergangenen strikten kaiserlichen Ermahnung, sich aller weiteren Aggressionen und Kampfhandlungen zu enthalten.358 Durch die Einbeziehung einer kreisfremden Partei, die nicht unmittelbar beteiligt war, wurde der Konflikt auf eine neue Ebene gehoben – wurde der Landfriedensbruch ausgedehnt und ein Verstoß gegen den Westfälischen Frieden offensichtlicher. In dieser Situation musste eine vermittelnde Kraft eingreifen, welche die Konfliktparteien bis zur Publikation des kaiserlichen Urteils auseinanderhielt. Ein solches Eingreifen war gemeinhin Aufgabe der Reichskreise, die auch Truppen entsenden konnten, um die Kontrahenten von weiterer Gewalt 356 SCHULTES, Historisch-Statistische Beschreibung der Herrschaft Römhild, S. 831, Nr. XLIX. 357 ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 13r. 358 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtssprechung, S. 215.
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abzuhalten. Alle beteiligten ernestinischen Staaten gehörten mit dem bei weitem größten Teil ihres Territoriums zum Obersächsischen Kreis, der jedoch seit 1681 faktisch demontiert und handlungsunfähig war. Von dieser Seite aus war daher kein energisches Eingreifen zu erwarten. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Schauplatz des Konfliktes befand sich der Fränkische Kreis, zu dem sogar Teile Sachsen-Meiningens wie auch Sachsen-Römhilds gehörten. Der Kaiser beschloss daher, den Kreis zu veranlassen, fränkische Kreistruppen mit einem kaiserlichen Mandat in Richtung Römhild zu entsenden, um die Ruhe wiederherzustellen.359 Noch vor Ankunft der fränkischen Truppen versuchte jedoch SachsenMeiningen, durch Schaffung neuer Tatsachen die eigene Position zu verbessern. Mit der Gewissheit, dass in naher Zukunft kurpfälzische Kompanien zur Unterstützung anrücken würden, plante Sachsen-Meiningen einen bewaffneten Überfall auf Römhild mit dem Ziel, die Stadt zu besetzen. Am 28. Januar 1711 sammelten sich drei Kompanien der meiningischen Landesdefension unter dem Kommando des Obristen v. Friesen in Queienfeld und marschierten nachts gegen drei Uhr durch den nahen Wald auf Römhild zu.360 Ziel der Truppen war es, die hildburghäusischen Mannschaften bei der morgendlichen Öffnung der Stadttore zu überrumpeln und die Stadt vor Ankunft der bereits auf dem Marsch befindlichen fränkischen Kreistruppen zu besetzen. Das Vorhaben wurde aber verraten und die Tore blieben geschlossen. Daraufhin ließ der Obrist v. Friesen die Stadt zur Kapitulation auffordern. Als eine abschlägige Antwort erfolgte, begannen die meiningischen Soldaten, die Stadttore mit Äxten einzuhauen. Über die weiteren Ereignisse des Tages informiert vor allem ein persönlicher Brief, den Herzog Ernst v. SachsenHildburghausen am 30. Januar 1711 an den Fränkischen Kreistag nach Nürnberg schrieb.361 Der Herzog schilderte darin, wie die meiningischen Truppen vor Römhild erschienen und in größter Eile versuchten, die Stadt einzunehmen. Als die Nachricht davon nach Hildburghausen kam, entsandte der Herzog sofort den Hauptmann v. Gleichen, um den heranrückenden fränkischen Kreistruppen entgegenzugehen und deren Marsch zu beschleunigen. Derweil verschärfte sich die Situation vor Römhild zusehends und die hildburghäusischen Truppen überlegten, wie man den meiningischen Angriff möglichst gewaltlos abwenden könne. Schließlich wurden unter Zuhilfenahme der Bürgerschaft in der Stadt vorhandene Wasserspritzen eingesetzt, um die meinin359 HERTEL, Neue Landeskunde, S. 205. 360 HENNEBERGISCHER ALTERTUMSFORSCHENDER VEREIN (Hg.): Chronik der Stadt Meiningen, Bd. 2, S. 67. Es gehörte wahrscheinlich auch noch eine berittene Abteilung des meiningischen Landregiments zu den Angriffstruppen. 361 ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 58r.
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gischen Soldaten von den Stadttoren zu vertreiben. Als dies wenig später der gothaische Generalleutnant v. Wangenheim erfuhr, amüsierte er sich köstlich darüber. Der hildburghäusische Kammerpräsident Sutorius v. Karlstein schrieb dazu: „[Ich habe] das überschickte Protocoll von dem genere defensionis der Bürger mit Wassersprützen wider die Meiningische hiesige Attaque gar wohl [erhalten], daß es als eine Rarität zum ewigen Gedächtniß conserviret bleibe, denn wider die Hitze ist beym kalten Winter das kalte Waßer nunmehro ein probirtes Mittel. Der Herr General-Lieutenant von Wangengeimb kann diese Defension nicht vergeßen und möchte gerne wissen, wer zu Römhild darvon Autor seye.“362 Der Urheber der Aktion ließ sich im Nachgang nicht mehr ermitteln. Lediglich eines war sicher, dass mit Hilfe der Wasserspritzen der meiningische Angriff gewaltfrei zurückgeschlagen wurde und die fränkischen Kreistruppen noch am selben Tag vor Römhild ankamen.363 Diese Truppen wurden von zwei Kommissaren begleitet, die den Parteien ein kaiserliches Mandat überbrachten, welches noch einmal zur Einstellung aller Kampfhandlungen aufrief und andernfalls dem Zuwiderhandelnden die Reichsexekution androhte. Dem Mandat gemäß und auf Anweisung des Herzogs Ernst Ludwig zogen sich die meiningischen Kompanien am 30. Januar in nordwestlicher Richtung auf Neubrunn zurück und erwarteten hier die weitere Entwicklung. Die hildburghäusischen Truppen hielten – nun gemeinsam mit den fränkischen Kreistruppen – weiterhin Römhild, die gothaischen Soldaten aber Themar besetzt. Erst Anfang Februar räumten die hildburghäusischen Truppen Römhild und zogen sich nach Themar zurück. Auf dem Rückzug kam es zu einzelnen kleineren Übergriffen, die auch die Zivilbevölkerung involvierten und das Ziel hatten, schnelle Beute zu machen. Beispielsweise requirierten die letzten hildburghäusischen Soldaten, die sich noch in Römhild befanden, in der unmittelbaren Umgebung Lebensmittel und Munition. Am 8. Februar 1711 drangen vierzig Landregimentssoldaten mit einem Hauptmann in das Hainaer Schloss ein, beschlagnahmten Pulver und Blei und erkundigten sich misstrauisch nach der Herkunft des Pulvers.364 Ebenfalls Anfang Februar 362 Ebd., fol. 28r. 363 Die Stadt wurde nachweislich nicht, wie bei WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 215 angegeben, am 29. Januar 1711 von meiningischen Truppen besetzt. 364 „Bringet der Hainaer Schloßwirth, Hannß Leicht, an, daß heute [8.2.1711] frühe umb drey Uhr ein Hildburghäuser Hauptmann mit einem Adjutanten und 40 Mann vor das Schloß kommen und an Deponenten, daß er selbiges aufmachen solle, begehret. Deponent habe es zwar abgeschlagen und daß er nicht wiße, wer sie weren, gesagt, der Hauptmann aber daß sie von Hildburghaußen wären und von Ihrem Herrn Befehl hierzu hätten, geantworttet, auch, wo er nicht aufmachen würde, das Schloß mit Gewalt zu öffnen gedrohet und dahero Deponent nach langen verweilen endlich selbiges geöffnet, die Soldaten wären hierauf mit Äxten und Flinten eingedrungen und hätten sogleich gefraget, wo das Pulver und Bley stünde, so in dem Schloß befindlich wäre? Deponent habe geantwortet: Es wäre verschloßen und könne er nicht darzu kommen; Die Soldaten hätten gesaget, so wollten sie dann schon aufmachen, hätten auch ge-
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wurde das nahe der Römhilder Grenze gelegene Haus des Häselriether Pfarrers Johann Caspar Haas365 von Soldaten des Landregiments durchsucht. Der Pfarrer stand Gerüchten zufolge unter Verdacht, mit Sachsen-Meiningen zu kommunizieren und hildburghäusische Truppenbewegungen nahe der Grenze zu melden.366 Eindeutige Beweise fanden sich nicht, sodass die Soldaten unverrichteter Dinge abzogen. Zur gleichen Zeit verschärfte sich an anderer Stelle die Konfliktsituation erneut. Trotz der am 28. Januar 1711 überbrachten kaiserlichen Mandate trat Sachsen-Meiningen nicht von seiner Allianz mit Kurpfalz zurück. So näherten sich Anfang Februar immer noch kurpfälzische Kompanien den römhildischen und hildburghäusischen Grenzen. Es handelte sich bei diesen Truppen nicht um Einheiten einer Landesdefension, sondern um professionalisierte Teile eines stehenden Heeres. Diese Tatsache sorgte besonders in SachsenHildburghausen, welches zu diesem Zeitpunkt lediglich die schwache Schlosswache als stehende Truppen zur Verfügung hatte, für einige Aufregung. Bereits Ende Januar war an die gesamte Heldburger Landregimentskompanie der Befehl ergangen, sich bereit zu halten: „Dem Hauptmann Julius Riesen wird hiermit anbefohlen nicht nur die ihme anvertraute Compagnie, sondern auch den daselbst und auf dem Lande sich befindenden Ausschuß parat zu halten und die behörige Anstalt zu machen, daß solche morgen ohne weitere Ordre zusammengezogen werde und wann es sodann befohlen gleich weiter marchiren können.“367 Gleichlautende Befehle waren auch anderen Kompanien des Landregiments zugestellt worden, sodass Anfang Februar 1711 die einzige komplette Mobilisierung des Landregiments in der Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen erfolgte. Für ein möglicherweise bevorstehendes Zusammentreffen mit meiningischen oder kurpfälzischen Truppen wurde ein Feldzugsplan erarbeitet, in welchem dem Fürstentum etwa eintausend Mann und sechs Geschütze zur Verfügung stünden.368 Diese Truppen sollten sich als Kordon in einer defensiven Stellung von Bedheim über Streufdorf, Gellershausen und Heldburg bis nach Hellingen postieren. Im Falle einer feind-
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drohet mit Äxten aufzuhauen […] und dahero die Soldaten das Pulver und Bley herausgenommen, auf einen Karn mit 2 Pferden, worzu die Hainaer Bauern eines hergeben müßen, geladen und fortgeführet, vorhero iedoch durch wen, wann und wo dieses Pulver und Bley hieher kommen wißen wollen […] welche[s] die Soldaten gar umbständlich aufzeichnen laßen und mit zu sich genommen“, ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 268 f. Johann Caspar Haas (1669–1745): Sohn des Hildburghäuser Bürgermeisters Johann Friedrich Haas, 1690–1694 auf dem Gymnasium Academicum in Coburg, 1694–1698 an der Universität Jena, 1702–1718 als Pfarrer in Mebritz und 1718–1745 als Pfarrer in Häselrieth, vgl. KRAUSS, Landes-Historia, Bd. 1, S. 517. ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 118 ff. Ebd., fol. 44r. Ebd., fol. 82r.
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lichen Annährung auf Römhild sollten die Truppen bei Bedheim durch das Abfeuern dreier Kanonenschüsse die anderen Abteilungen davon in Kenntnis setzen. Diese würden sogleich in Richtung Norden abmarschieren, um sich bei Bedheim zu vereinigen und weitere Befehle zu erwarten. Gleichzeitig wurden die Jäger und Forstbedienten angewiesen, „sich auf alle Posten zu vertheilen, Kundschafft einzuziehen und hin und wieder wo es ergehet zu avertiren“.369 Ein besonderer Schwachpunkt der hildburghäusischen Verteidigung war das vom Kernland getrennt liegende Amt Königsberg. Hier rechnete man von Seiten Sachsen-Hildburghausens aus mit dem ersten kurpfälzischen Angriff. Bereits am 30. Januar 1711 traf daher die aus 103 Mann bestehende Königsberger Kompanie des Landregiments Vorkehrungen und „hat der Herr Hauptmann Leiber das hiesige fürstliche Schloß mit dem Lieutenant und 24 Mann, die Stadt aber mit den übrigen von der Landcompagnie bese[t]zet“.370 Tatsächlich bereiteten die Vorbereitungen auf einen feindlichen Angriff dem Landregiment wenig Schwierigkeiten. Die Versorgung der Truppen wurde aus den Ämtern des Fürstentums aufgebracht. Weiterhin besetzten bereits früh im Konflikt Eisfelder Landregimentssoldaten das Amt Behrungen, von wo aus Brotlieferungen an das Landregiment organisiert wurden. Allein in den Monaten Dezember 1710 und Januar 1711 lieferte das Amt Behrungen 2202 Laib zweipfündiges Brot an die Mannschaften.371 Bis zum Ende des Konflikts verursachte der Einsatz einer Kompanie des Landregiments Kosten von lediglich etwa 42 Gulden. Aber auch das Aufgebot der Mannschaften in relativ kurzer Zeit ist erstaunlich. Die Soldaten fanden sich offensichtlich bereitwillig zum Dienst ein und verblieben trotz der Kälte der Jahreszeit bei ihren Einheiten. Doch auch die zahlreichen Untertanen, die in diesen Tagen nicht beim Landregiment standen, versahen wertvolle Dienste, indem sie freiwillig als Aufklärer fungierten und die Offiziere ständig über die Bewegung der kurpfälzischen Truppen unterrichteten. Ein Einwohner aus Veilsdorf berichtete beispielsweise am 2. Februar 1711 an den Leutnant Zeigermann in Hildburghausen, „daß ich ietzo von dem Haßfurther Marckt gekommen und eben auff dem Rückwege zu Sülzbach, Adelsdorf und anderen ümbliegenden Orthen [Pfalz-]Neuburgische Völcker angetroffen, so nun 3 Tage daselbsten still gelegen, wo aber deren ihr March hingerichtet, ist niemand bekandt“.372 In den folgenden Tagen bewegten sich die kurpfälzischen Truppen noch bis nach Trappstadt, etwa zehn Kilometer von Römhild entfernt. Erwartete kurpfälzische Verstärkungen versuchten am 25. Februar die Mainbrücke von Eltmann zu überqueren, was ihnen jedoch von würzburgischen Kürassieren 369 370 371 372
Ebd., fol. 83r. Ebd., fol. 53r. ThStAM, GA Hbn, 274, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 78r.
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verwehrt wurde. Am 27. Februar wurde der pfälzische Kurfürst von kaiserlicher Seite ernsthaft ermahnt, sich nicht weiter in die Erbfolgeangelegenheiten der Ernestiner einzumischen.373 Die Aussichtslosigkeit der Situation erkennend, zogen sich die kurpfälzischen Truppen anschließend aus dem Grenzgebiet in Richtung Meiningen zurück, ohne dass es zu Kampfhandlungen kam. Die letzten kurpfälzischen Truppen verließen Sachsen-Meiningen erst im April 1711. So war der sogenannte Römhilder Krieg von weitgehender Gewaltlosigkeit geprägt und konnte ohne Gefechtsverluste beendet werden. Das Landregiment war zwar nicht in ernst zu nehmende Kampfhandlungen involviert gewesen, hatte sich aber dennoch bewährt. Es zeigte sich, dass es ein Instrument war, mit dem man durchaus gegenüber mindermächtigen Nachbarn eine drohende Haltung einzunehmen und Druck auszuüben vermochte.
3.4 Die Offiziere „Auf Märschen und bey Musterung soll jeder seinem Offizier in dem Glied und Reihe, dahin er gehöret, so lange der Marsch geschlagen oder sonst das Spiel gerühret wird, folgen […].“374 Herzog Ernst, 1690
Die Offiziere des hildburghäusischen Landregiments sind in zwei Klassen zu untergliedern, die sich in ihren Verpflichtungen, Bezügen, aber auch in ihrer sozialen Herkunft voneinander unterschieden. Die erste und gleichzeitig höchstgestellte Klasse der Offiziere bildeten die Stabsoffiziere und die Offiziere à la suite bzw. „von der suite“. Erstere waren vor allem in der Verwaltung und als Befehlshaber des gesamten Landregiments eingesetzt. Im Gegensatz dazu waren die Offiziere à la suite lediglich berechtigt, die Uniformierung des Landregiments in der Öffentlichkeit zu tragen, ohne dass dem Träger eine militärische Funktion zukam. Hierbei ging es vor allem um Prestige und Sold, denn die Offiziere à la suite wurden in Sachsen-Hildburghausen ebenso entlohnt wie diensttüchtige Stabsoffiziere. Beide Gruppen entstammten fast ausschließlich adeligen Geschlechtern des mitteldeutschen Raumes und hatten beste Kontakte zum herzoglichen Hof. Meist hatten Persönlichkeiten dieser Art bereits militärische Erfahrungen in fremden Heeren gesammelt und waren so bestens für den Dienst in Hildburghausen qualifiziert. Auftakt einer solchen Offizierskarriere in Hildburghausen war die Erlangung einer Stelle als Kammerjunker beim Herzog oder als Offiziersanwärter bei den Garden. Einer der höchstrangigen Offizie373 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 216. 374 Artikelsbrief 1690, S. 8.
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re des Fürstentums war Ernst Heinrich Carl v. Beust, der 1698 als Sohn des saalfeldischen Obermarschalls Friedrich v. Beust geboren wurde. Seine Karriere ist beispielhaft für eine Vielzahl adeliger Offizierslaufbahnen am hildburghäusischen Hof.375 Nachdem er 1717 an der Schlacht von Belgrad teilgenommen und militärische Erfahrung gesammelt hatte, wurde er Kornett bei der Garde du Corps in Hildburghausen und stieg hier bis zum Rittmeister auf. Anschließend fand er Anstellung als Kammerjunker am Hof und stieg bis 1735 zum Obristleutnant des Landregiments auf. Bis 1773 erlangte er die Stelle eines Generals des Landregiments. Er starb im Jahre 1778 und wurde mit militärischen Ehren in der Kirche von Heßberg bestattet. Anhand dieses kurzen biographischen Abrisses wird bereits deutlich, wie zahlreich die Chargen innerhalb des hildburghäusischen Militärs während des 18. Jahrhunderts waren. Dabei herrschte stets ein Missverhältnis zwischen Rang und tatsächlich befehligter Mannschaftsstärke. Es handelte sich hierbei um ein wesentliches Charakteristikum der hildburghäusischen Stabsoffiziere. Vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Kompanien des Landregiments, die lediglich 110 Mann umfassten, bis auf wenige Ausnahmen von Obristen bzw. Obristleutnants befehligt. Die Ursache für die Vergabe dieser hohen Stellen ist sicherlich in den Ambitionen der höfischen Gesellschaft zu finden, die beispielsweise eine Hauptmannscharge als nicht prestigeträchtig genug ansah. An Besoldung bezogen Stabsoffiziere um 1780 160 bis 400 Gulden jährlich.376 Da zahlreiche Stabsoffiziere gleichzeitig auch Rittergutsbesitzer im Fürstentum waren, stiegen deren persönliche Einnahmen dadurch an. Ebenfalls zu beachten ist, dass es am hildburghäusischen Hof zu zahlreichen Neueinrichtungen von Ämtern und in einigen Fällen zur Ämterhäufung kam, sodass sich der jährliche Verdienst einiger Stabsoffiziere noch weiter erhöhte. Im Allgemeinen achtete man jedoch im hildburghäusischen Militär darauf, dass keine allzu große Kumulation von Ämtern stattfand. Im Jahre 1755 bekleidete Johann Carl v. Heßberg den Rang eines Majors beim Landregiment, er war gleichzeitig Hauptmann der Hildburghäuser Stadtkompanie und Hauptmann bei der Garde. Für die beiden Hauptmannsstellen bezog er eine jährliche Besoldung von 120 Gulden, verzichtete jedoch freiwillig auf die Majorsgage, um einer zu starken Häufung verschiedener Solde vorzubeugen.377 Als Heßberg zwei Jahre später zum Obristleutnant befördert wurde, wies der Herzog an, dass „derselbe, wiewohl mit Beybehaltung der Compagnie, die
375 ThStAM, GA Hbn, VIII D 9, fol. 360; ThStAM, SM, Inneres, Nr. 24216, 14.1.1751; HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 360 f. 376 ThStAM, SM, Inneres, 24217, Gagen der Offiziere 1779–1780. 377 ThStAM, SM, Inneres, 24216, 22.12.1757, fol. 1r.
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Capitains-Gage fahren laßen muß“.378 Derartige Fälle zeigen, dass zumindest im militärischen Bereich nicht derart verschwenderisch mit Ämtern und Staatsfinanzen umgegangen wurde, wie häufig angenommen.379 Während Stabsoffiziere von ihrer Besoldung und den diversen Nebeneinnahmen problemlos leben konnten, gestaltete sich die Situation für Offiziere unterhalb des Majorsranges wesentlich schwieriger. Diese Gruppe – gewissermaßen die zweite Klasse – war hauptsächlich bürgerlicher Herkunft. Sie verrichtete ihre Tätigkeit nicht hauptberuflich, sondern war lediglich in Einsätzen oder an Musterungstagen den gemeinen Soldaten vorgesetzt, ging aber ansonsten ihrer täglichen Arbeit in Handel oder Gewerbe nach. Es handelte sich bei diesen Personen zum größten Teil um Landesbewohner, die einen höheren sozialen Status erlangt hatten und in der Öffentlichkeit einiges Ansehen genossen. Unter ihnen fanden sich beispielsweise Ingenieure, Apotheker oder Verwaltungsbeamte.380 Auch Ausländer, die bereits Kriegserfahrungen gesammelt hatten und im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen lebten, taten hier vereinzelt Dienst. Offiziere dieser Klasse bekleideten den Rang eines Hauptmanns oder Leutnants und waren bis um das Jahr 1715 herum als Kompanieführer beim Landregiment eingesetzt. In späteren Jahren konsolidierte sich die adelige Gesellschaft zunehmend am Hof, sodass nunmehr die Stellen als Kompanieführer ausschließlich an adelige Stabsoffiziere vergeben wurden. Noch zwischen 1680 und 1715 sind kaum adelige Offiziere auf Kompanieebene anzutreffen. Mit dem stetig wachsenden Hofstaat der hildburghäusischen Herzöge wurde auch die Versorgung zahlreicher adeliger Personen notwendig, sodass bürgerliche Offiziere zusehends aus ihren „traditionellen“ Stellen verdrängt wurden und diese letztendlich ausschließlich für den Adel reserviert waren. Im weiteren Verlauf erlangten bürgerliche Offiziere nur noch Stellen als Leutnants oder Fähnriche beim Landregiment. Offiziere wurden stets für frei werdende Stellen vorgeschlagen oder sandten Bittgesuche an die herzogliche Verwaltung. Es gab keinen Befehl und keine Verpflichtung, eine bestimmte Position anzunehmen. Über die letztendliche Besetzung einer Offiziersstelle entschied in jedem Fall der Herzog. Obwohl das Landregiment primär der Verteidigung des Landes und seiner Untertanen diente, erfolgte die Vereidigung der Offiziere auf den Landesherrn.381 378 379 380 381
ThStAM, SM, Inneres, 24216, 30.11.1757, fol. 1r. WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 277. ThStAM, SM, Inneres, 24216, 10.12.1750, fol. 1r. Der Eid für die Offiziere der Landmiliz lautete um 1685 wie folgt: „Defensions officirer Eydt: Ihr sollet geloben und schweren, dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernsten, Herzogen zu Sachsen, Jülich, Cleve, und Berg, etc. Unsern Gnädigsten Landesfürsten und Herrn; daß Ihr wollet getreu, holdt, gehorsam und gewertig seyn; Ihro fürstlichen Durchlaucht Schaden warnen, fromen und bestes Werben, auch in allen ehrlichen und billichen Dingen in Besatzung oder Feldzügen, und
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Zweifelsohne stellte die Erlangung einer Offiziersstelle eine große Ehre dar und brachte dem Inhaber Ansehen in der städtischen bzw. dörflichen Gesellschaft. Doch das Antreten einer solchen Position war zunächst mit finanziellen Ausgaben verbunden, die jeder Offizier selbständig zu tragen hatte. Dazu gehörte die Anschaffung der Uniform, der Offiziersschärpe und des Degens. Doch es wurden den Offizieren, wie allen Mitgliedern des Landregiments, auch gewisse Vergünstigungen zuteil. Meist verwiesen folgende Worte in den Ernennungsbriefen der Offiziere auf diese besonderen Vorrechte: „[…] auch ihme [dem Offizier] alle von diesem Character abhängende PersonalFreyheiten und Vorzüge, nebst der richtigen Abrichtung des Tractaments ohne Weigerung angedeyen [zu lassen]“.382 Laut einem herzoglichen Patent des Jahres 1711 waren die im Landregiment dienenden Offiziere und Gemeinen von Handfron, Gemeindefron, Botengängen, Jagdfron und ähnlichen Personalbeschwerden befreit.383 Von den anzustellenden Offizieren erwartete man, dass sie ein ehrbares Leben führten und allgemein Zuverlässigkeit und Diskretion an den Tag legten. Im Jahre 1790 beispielsweise konkurrierten die beiden Leutnants Faber und Meyerhöfer um die Stelle des Führers der Sonnefelder Kompanie. Aus diesem Anlass verfasste der damalige Kommandant des Landregiments, Obrist Johann Carl v. Heßberg, ein Empfehlungsschreiben an Herzog Friedrich, in welchem er beide Kandidaten gegeneinander abwog. Heßberg berichtete, dass „in näherer Erwägung dieser [Lt. Faber] als ein junger Mensch vielleicht ohnehin allen andern der Herrschaft Sachsen, es sey in oder außerhalb dieses Fürstenthumbs, wie Ehrliebenden Kriegsleuthen und Unterthanen gebühret, gehorsamblich undt willig gebrauchen laßen, Insonderheit Ihro Fürstlichen Durchlaucht und dero zur Regirung verordneten Herrn Räthen befehl und Verordnung jederzeit gehorsamblich nachkommen und in Commandosachen den vorgesetzten Haubtmann bey allen Occasionen unweicherlich Partition, wie auch sonsten gebuhrenden Respect erweisen, bey denen gewöhnlichen Musterungen eure obliegende Schuldigkeit alles gebührend Fleißes und sorgfeltigen Unterricht der euch untergebenen Ausschuß in den Exercitio obliegen, iedoch denen zu Ausschuß oder Musterung gehörigen Soldaten und Unterthanen so wohl menniglich mit Bescheidenheit auch guten Exempela erbarn Wandel undt Leben vorgehen, gegen dieselben auch vernünfftig erzeigen und des übrigen trubels und vollsauffens, auch fluchen und schwerens gentzlichen enthalten, daß schießen und platzen in Stetten undt Dörffern nicht verstatten, sondern biß an den zur Musterung depatirten Orth verspahren und sonsten in allen andern, wie ehrlichen Officiren und Soldaten, auch getreue Dienern, zustehet, auch iederzeit unverweißlich bezeiget und verhalten sollen und wollen ganz treulich und ohne gefehrde folgen.“ ThStAM, GA Hbn, XXII, 1. 382 ThStAM, SM, Inneres, 24216, 23.3.1750, fol. 1v. 383 Nachdeme das untern 9. Februar 1711 wegen einiger Unserm im Lande errichteten und stehenden Regiment allhier gegönneter Personal-Befreyungen und Douceurs, Hildburghausen 1711; DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 118. Steuern und andere Realabgaben waren zu leisten. Im Herzogtum Sachsen-Weimar erhielten die Offiziere des Ausschusses freies Quartier und des Öfteren Holz geliefert, vgl. MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 25.
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sein weiteres Glück darauf [auf den Militärstand] bauet und sich also wahrscheinlich mit größtem Eifer denen Dienstangelegenheiten unterziehen wird und über dieses derselbe wegen seiner sonstigen Verrichtung in der Schreiberey beim Amte, bei jeder Gelegenheit am nächsten zu haben, am leichtesten zu instruieren und somit der Verheimlichung der Geschäfte am besten“384 geeignet sei. Weitaus kritischer fiel Heßbergs Urteil über Leutnant Meyerhöfer aus, „um deswillen zu erwarten ist, weil dieser vor- und nach dem Dienste sich wieder als Wirth geniren und seine Untergebenen aufwarten und mithin wohl auch gar manche Unanständigkeit seines privat[en] Interesse[s] halber übersehen und hingehen laßen wird“.385 Neben einer untadeligen Lebensführung war die Fürsprache einer weiteren Person wesentliche Voraussetzung zur Erlangung einer Offiziersstelle im Landregiment. Hier spielten vor allem bei jungen Männern die Eltern eine wichtige Rolle. So verwendete sich im Jahre 1753 der Crocker Wirt Johann Adam für seinen Sohn, der Interesse am Militärdienst hatte, um ihm die Stelle eines Fähnrichs beim Landregiment zu verschaffen.386 Dabei empfanden Eltern eine Offiziersanstellung für ihre Söhne als finanzielle Absicherung und vielversprechende Zukunft. Im Jahre 1792 ersuchte eine Mutter bei Herzog Friedrich für ihren Sohn eine Anstellung als Offizier beim Landregiment mit den Worten: „[Ich] bitte unterthänigst Eure Herzogliche Durchlaucht wollen huldreichst gnädigst geruhen, diesem meinen jüngsten Sohn, alhier irgent eine Art Versorgung zu geben […].“387 Zu diesem Zeitpunkt stand der Sohn als Kadett beim österreichischen Infanterieregiment Stuart in den Niederlanden. Ein Offizier des Regiments berichtete der Mutter, dass es dort dienstältere Kadetten mit besserer Haltung gebe, sodass auf längere Sicht für den Sohn „kein Avancement zu erwarten sey“.388 Das Landregiment stellte somit eine letzte Chance der Mutter dar, und zumindest für diesen Fall ist ein positiver Ausgang der Sache überliefert. Weniger Aussicht auf Erfolg hatten Anfragen von Personen mit zweifelhaften Lebensläufen. Eine entsprechende Anfrage richtete der Student Carl Friedrich Trütschel 1795 an Herzog Friedrich. Er schilderte seine Lebenssituation als ausweglos und berichtete von seiner Mutter und den vier unversorgten Schwestern. Trütschel selbst war Jenaer Student, war jedoch von der Universität aus nicht näher zu ermittelnden Gründen verwiesen worden.389 Es erscheint in Anbetracht dieser Umstände etwas vermessen, dass Trütschel so384 385 386 387 388 389
ThStAM, SM, Inneres, 24218, 3.4.1790, fol. 1v. Ebd., fol. 2r. ThStAM, SM, Inneres, 24216, 16.1.1753, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 14.8.1792, fol. 1v. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 22.7.1792, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 30.10.1795, fol. 1r.
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fort um die Hauptmannsstelle bei der Heldburger Kompanie nachsuchte. Eine Stellungnahme des Herzogs ist nicht überliefert, ebenso wenig eine Anstellung Trütschels. Hatte ein Anwärter die Stellung als Offizier beim Landregiment erlangt, wurde mit ihm ein Vertrag geschlossen, der ihm jährlich fünfzig bis achtzig Gulden zusicherte. Dazu standen den Offizieren noch weitere zwölf Gulden jährlich als sogenanntes Uniformgeld zu, um abgenutzte Monturen zu ersetzen.390 Eine geringe Aufbesserung der Besoldung erzielten Hauptleute und Leutnants an den jährlichen Musterungstagen. Ihnen wurde für zwei Tage jeweils zwei bzw. ein Gulden als Vergütung gezahlt.391 Obristen wurden mit bis zu vier Gulden vergütet. Bei den Musterungstagen in der Stadt Hildburghausen im Jahre 1798 betrug die Gesamtausgabe für Offiziersbesoldungen 29 Gulden. Die Besoldung der Offiziere wie auch alle anderen Kosten des Landregiments wurden aus der Landschaftskasse des Fürstentums bezahlt. Es kam jedoch auch vereinzelt vor, dass Offiziere völlig ohne Sold dienten. So suchte im Jahre 1781 Leutnant Georg Benjamin Halbig aus Hildburghausen beim Herzog an, ihm die Gage eines Leutnants zu gewähren, da er bereits seit drei Jahren ohne Sold diene.392 Dabei ist zu bedenken, dass die Besoldung der Hauptleute und Leutnants kein selbständiges Auskommen ermöglichen, sondern lediglich als Zuverdienst neben einer regulären gewerblichen Tätigkeit stehen sollte. Damit ein Offizier des Landregiments von der militärischen Besoldung leben konnte, war er darauf angewiesen, mehrere Aufgaben wahrzunehmen. Hier lassen sich Parallelen zu den Stabsoffizieren ziehen: Im Jahre 1751 war Johann Carl Kost Leutnant bei der Eisfelder Kompanie und wurde dazu, unter Beibehaltung seiner bisherigen Bezüge, als Leutnant bei der Garde angenommen.393 Kost verdoppelte damit seine Besoldung auf einhundert Gulden jährlich und konnte ein angemessenes Auskommen finden. Die Hauptleute und Leutnants hatten bei den Kompanien vielfache Aufgaben wahrzunehmen. Sie führten die Gemeinen zur Musterung, auf Wachen und Paraden. Die Exerzierübungen wurden von den Offizieren geleitet und dabei wurde auf gute Ordnung der Gemeinen geachtet. Die Offiziere waren dem Herzog bzw. dem Kommandanten des Landregiments als dessen Stellvertreter direkt untergeben. Es war ihnen untersagt, die Kompanie oder einen Teil der Mannschaften ohne vorher ergangenen Befehl oder eine Genehmigung einzuberufen und zu führen. In Streitfällen oder bei Beschwerden hatten sich die Mannschaften an die Offiziere zu wenden, die auf Märschen,
390 391 392 393
ThStAM, SM, Inneres, 24218, 25.8.1802, fol. 1v. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2000, 30./31.5.1798. ThStAM, SM, Inneres, 24217, 3.11.1781, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 24216, 1.2.1751, fol. 1r.
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Wachen und Musterungen über Entscheidungsgewalt verfügten.394 Falls zu diesen Zeiten schwerwiegendere Übertretungen vorkamen, fielen diese unter die Militärgerichtsbarkeit, und die Offiziere besetzten unter dem Vorsitz des Auditeurs ein Militärgericht und urteilten über den Delinquenten.395 Neben diesen allgemeinen Tätigkeiten fielen den Hauptleuten der Kompanien in den Städten Hildburghausen und Heldburg noch speziellere Aufgaben zu: Der Hauptmann der Stadt Hildburghausen wurde angewiesen, regelmäßig das Zeughaus und die Torwachen zu inspizieren.396 Er empfing täglich vom Herzog persönlich die Losung für die Residenzwachen und war zu strengster Diskretion verpflichtet. Zudem übernahm der Hauptmann der Stadt Heldburg nach endgültiger Auflösung der Garde von deren Offizier das Kommando auf der Veste Heldburg. Die Bestellung der Offiziere des Landregiments erfolgte größtenteils auf Lebenszeit. Das Ende des aktiven Dienstes trat für die meisten Offiziere jedoch nicht mit dem Tod ein. Vielmehr gelangten gealterte Offiziere früher oder später an einen Punkt realistischer Selbsteinschätzung und erbaten aus Altersgründen vom Herzog die Entlassung aus dem aktiven Dienst. Auf Anfrage und nach Entscheidung des Herzogs konnte den Offizieren nach der Entlassung die von ihnen bezogene Besoldung als Pension in voller Höhe weiter ausgezahlt werden. Es bestand jedoch kein grundsätzlicher Anspruch darauf. Im Jahre 1797 entschied Herzog Friedrich, dem Obristleutnant v. Lengefeld, der aus Altersgründen um seine Entlassung nachsuchte und seinen Lebensabend in Eisfeld verbringen wollte, die Besoldung auch weiterhin auszuzahlen. Trotz seines Alters versprach v. Lengefeld: „[…] könnte ich auch da immer noch die Aufsicht über die beyden Eisfeldischen Compagnien führen und somit dennoch nicht ganz ohne Nutzen […] bleiben!“397 So begab sich v. Lengefeld nach Eisfeld und lebte hier mit einer Magd zur Miete bei Johann Dreßel. Dem Anschein nach reichte die jährliche Besoldung von 220 Gulden für den gealterten Stabsoffizier trotz allem nicht aus. Bereits zu Lebzeiten des Offiziers brachte der Vermieter eine Forderung wegen offener Mietzahlungen bei der herzoglichen Kammer vor.398 Gleichzeitig versuchte er eigenmächtig, Besitzgegenstände der Magd als Ausgleich an sich zu bringen. Dieser Konflikt weitete sich nach v. Lengefelds Tod im Jahre 1801 noch weiter aus. Da v. Lengefeld ohne Nachkommen und Erben verstarb, wurde von herzoglicher Seite aus der Regimentsauditeur eingeschaltet, der die Räumlichkeiten des Verstorbenen versiegelte und im weiteren Verlauf eine 394 395 396 397 398
Landesgesetze und Verordnungen, S. 200. ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 220r. HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 392. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 23.3.1797, fol. 1v. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 15.9.1801, fol. 1r.
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Versteigerung der Habseligkeiten des Offiziers organisierte, um die Schulden zu begleichen.399 Neben Altersgründen schieden manche Offiziere auch krankheitsbedingt aus dem Dienst aus. Dabei ist von Bedeutung, dass der Herzog sich gelegentlich selbst für die Gesundheit seiner Landregimentsoffiziere engagierte. Zumindest im Falle des 1796 erkrankten und mittellosen hildburghäusischen Oberleutnants Dänicke schickte Herzog Friedrich seinen Leibarzt Christian Lützelberger mit dem Versprechen, alle Kosten für die Behandlung des Kranken zu übernehmen.400 Trotz aller Anstrengungen und Ausgaben von 23 Gulden und 21 Kreuzer für Medikamente verstarb Dänicke Anfang 1799. Einen anderen Krankheitsfall stellt der bereits oben genannte Leutnant Kost aus Eisfeld dar. Dieser versuchte im Jahre 1771 – nach mehr als 21 Jahren Dienst im Landregiment –, eine Entlassung als Hauptmann zu erwirken, um mit dieser Charge höhere jährliche Bezüge zu erlangen.401 Junge bürgerliche Offiziere schieden vor allem im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts häufig aus dem hildburghäusischen Dienst, um andernorts in den Heeren mächtigerer Territorialfürsten Karriere zu machen. Herzog Friedrich verwendete sich bei diesen Gelegenheiten bisweilen für seine ehemaligen Offiziere und stellte Empfehlungsschreiben aus oder unterstützte diese gar finanziell. Im Jahre 1792 verwendete er sich beispielsweise für den jungen Leutnant Karl Bauer, der die hildburghäusischen Dienste verließ und in die preußische Armee eintrat. Als Bauers Vater den Herzog bat, den Sohn finanziell bei der Anschaffung der preußischen Montur zu unterstützen, reagierte dieser überaus wohlwollend: „Da nun der Seconde-Lieutenant Bauer durch sein bisheriges gutes Verhalten alle Hoffnungen macht, daß er sich zu einem brauchbaren Officier bilden werde, so wünschen Wir selbst, daß derselbe durch die gebothene Unterstützung in seinem Fortkommen begünstigt werden möge […].“402 Wenig später marschierten Landregimentsoffiziere als Mitglieder des Reichskontingents in den Ersten Koalitionskrieg und nach 1806, an der Seite Napoleons, als Teil des Regiments „Herzöge von Sachsen“ nach Spanien, Tirol und Russland. Auch nach der Gründung des Deutschen Bundes bestand in Sachsen-Hildburghausen das Landregiment bis 1826 weiter. Die in ihm dienenden Offiziere führten, wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen, die Tradition der Landregimentsoffiziere des 17. und 18. Jahrhunderts fort.
399 400 401 402
ThStAM, SM, Inneres, 24218, 19.9.1801, fol. 1v. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 2.2.1799, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 24216, 30.5.1771, fol. 1r. ThStAM, SM, Inneres, 24218, 31.8.1792, fol. 1r.
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3.5 Die Unteroffiziere und Gemeinen „Jeder soll bey seiner Fahne, Compagnie und Officierer treulich halten […], in Occasionen sich, als einen treuen Unterthanen zustehet, mannhafft und behertzt erweisen, so lange er sich regen kann zu Dienst seines Vaterlandes tapfer fechten […].“403 Herzog Ernst, 1690
Im Gegensatz zu den Offizieren rekrutierten sich die Unteroffiziere und Mannschaften des Landregiments ausschließlich aus der einfachen Stadt- und Landbevölkerung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen. Zum Dienst im Landregiment war gemäß dem Reichstagsabschied von 1654 jeder taugliche männliche Untertan heranzuziehen. In Sachsen-Hildburghausen bevorzugte man offiziell für die Dienstverpflichteten ein Alter zwischen 17 und 40 Jahren.404 Lediglich jene Untertanen, die auf zentfreien Gütern lebten oder deren Dörfer in gesonderten Verträgen befreit wurden, waren vom Dienst im Landregiment ausgenommen.405 Die Unteroffiziere einer Kompanie des Landregiments unterschieden sich nicht wesentlich von den Gemeinen. Es handelte sich zumeist um angesehene und im Dienst bewährte Einwohner des Fürstentums. Diese taten ihren Dienst als Feldwebel, Zimmermann, Fourier oder Musterschreiber. Das Amt des Feldschers wurde meist von lokalen Badern verrichtet. Neben diesen Unteroffizieren gehörten jeder Kompanie noch drei Fourierschützen, vier Tamboure und ein Pfeifer an.406 Die Musterungslisten des Landregiments sind nur fragmentarisch überliefert und enthalten zunächst lediglich eine namentliche Auflistung der dienstverpflichteten Männer ohne weitere persönliche Angaben.407 Erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen Angaben zu Alter, Familienstand und Ausbildung dazu. In Sachsen-Hildburghausen haben sich lediglich zwei detaillierte Musterungslisten erhalten, die beide aus der Residenzstadt stammen.408 Von diesen Listen erbringt jedoch nur die ältere der beiden aussagekräftige Ergeb403 Artikelbrief 1690, S. 10. 404 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 308/2019, 3.1.1752, fol. 1r. Ein Eintrittsalter von 16 Jahren wurde gelegentlich auch zugelassen. 405 Im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen stellten die zentfreien Rittergüter Heßberg, Engenstein und Schwarzbach keine Mannschaften zum Landregiment. Durch besondere Verträge waren die Dorfschaften der Ämter Königsberg (ab 1746) und Behrungen (ab 1802) sowie das Dorf Reurieth (ab 1746) von der Dienstverpflichtung zum Landregiment befreit. 406 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 381b/7208; 236a, 1988. 407 Sammlung von Mannschaftslisten des Landregiments bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 22– 25. 408 Es handelt sich dabei um die beiden Listen KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2000 u. 279/2010.
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nisse. Sie gibt die im Jahre 1746 aus der Stadt Hildburghausen unter dem Landregiment dienende Mannschaft an, während die Liste des Jahres 1798 eine allgemeine Auflistung aller dienstfähigen und -unfähigen Männer darstellt. In der Musterungsliste von 1746 sind insgesamt 117 Mann aufgeführt, von denen 58 den Dienst im Landregiment versahen. Staatliche Beamte oder städtische Würdenträger erscheinen nicht, sodass in diesen Fällen von einer Exemtion auszugehen ist. Ansonsten lassen sich zwischen der Gruppe der Diensttuenden und der Nichtdienenden keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich Berufe, Familienstand, Alter etc. erkennen. Die Musterungslisten präsentieren sich als ein Querschnitt durch die städtische Bevölkerung Hildburghausens. Es liegt hier kein erkennbarer Modus der Dienstverpflichtung vor. Während beispielsweise in Kursachsen Exemtionen für Handelsleute, Studenten, Lehrjungen, Müller, Apotheker, Goldschmiede, Dorfschmiede, Zimmerleute, Maurer, Bader, Köhler, Schäfer, Bergmänner u. v. m. bestanden,409 existierten derartig umfassende Ausnahmen in Sachsen-Hildburghausen offensichtlich nicht. Bei Anwendung der zahlreichen in Kursachsen vorkommenden Exemtionen wären im bevölkerungsarmen Sachsen-Hildburghausen nur wenige Mannschaften überhaupt dienstpflichtig gewesen. Ebenso versuchte man in Kursachsen, wie auch in Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach, vornehmlich arme, für entbehrlich gehaltene Handwerker und Tagelöhner zu verpflichten, um die Wirtschaftskraft des Territoriums zu schonen.410 Hier waren also besonders wohlhabende und einflussreiche Gastwirte und Handwerksmeister von der Dienstverpflichtung befreit, während diese gerade in Sachsen-Hildburghausen einen gewichtigen Teil Landregiments darstellten. So war also im Untersuchungsgebiet zunächst einmal jeder Untertan dienstpflichtig. Um 1750 umfasste das Landregiment etwa 560 Mann ohne Prima Plana, während sich die Bevölkerung des Fürstentums auf etwa 25.200 Menschen belief. Dies bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung den Dienst im Landregiment versah. Es musste aber unter den als diensttauglich gemusterten Männern eine Auswahl getroffen werden. In den Quellen finden sich dazu keinerlei Hinweise. Auch die Musterungsliste des Jahres 1798, in der Dienende und Nichtdienende aufgeführt wurden, lässt keine tragfähigen Rückschlüsse zu. Bei Musterung und Rekrutierung der kursächsischen Landesdefension entschied das Los oder das Spiel über die 409 Stefan KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728–1796 (= Krieg in der Geschichte, Bd. 26), Paderborn 2006, S. 125. 410 Ebd., S. 126; MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 37. Weitere Beispiele von Exemtionen bei der Landmiliz/Landregiment bei MOSER, Von der Landes-Hoheit in Militär-Sachen, S. 211.
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Dienstpflichtigen.411 In Sachsen-Hildburghausen könnte ein solcher Modus angewandt worden sein. Zumindest würde dies erklären, warum es keinen Zusammenhang zwischen der Größe eines Dorfes und der Zahl der daraus stammenden Landregimentsmitglieder gibt. Wesentlich stärker muss im Rahmen dieser Überlegungen der freiwillige Dienst berücksichtigt werden. Die Dienstzeit der Mannschaften gibt hier wichtige Hinweise. Zum Dienst verpflichtete Untertanen hatten um 1710 eine Dienstzeit von zwölf Jahren abzuleisten, die jedoch durch eine Verfügung Herzog Friedrichs im Jahre 1787 auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Trotz dieser Reglementierung finden sich in der Musterungsliste des Jahres 1746 zahlreiche Beispiele wesentlich längerer Dienstzeiten. Der 47-jährige Hildburghäuser Rotgerber Johann Paul Kempf diente damals bereits 32 Jahre im Landregiment. Andere Männer brachten es auf Dienstzeiten von 14 bis 18 Jahren – und ein Ende des Dienstes war zu dem Zeitpunkt noch nicht in Sicht. Anders als durch Freiwilligkeit sind solche „Überziehungen“ des Reglements nicht erklärbar. Das Beispiel des Rotgerbers Kempf zeigt nicht nur, dass es mit der Dienstzeit nicht allzu genau genommen wurde, sondern auch, dass das Alter der Soldaten eine eher untergeordnete Rolle spielte. Dass die militärische Tauglichkeit kein Hauptkriterium war, zeigt sich am Beispiel des Caspar Lörzing senior aus Stressenhausen, der 1681 mit 64 Jahren noch in der Landmiliz Dienst tat.412 Das Durchschnittsalter der Mannschaften lag im Allgemeinen bei 30 bis 35 Jahren.413 Einige Männer hatten bereits vor ihrem Eintritt in das Landregiment in fremden Heeren gedient und Erfahrungen gesammelt. So diente der 36-jährige Hildburghäuser Metzger Johann Georg Otto „1/2 Jahr in französischen Diensten, unter dem schweitzer Regiment“414 oder der Tagelöhner Johann Valentin Kius bereits acht Jahre als Tambour unter kurhannoverschen Truppen.415 Im Jahr 1746 waren in der Stadt Hildburghausen 92 Prozent der im Landregiment dienenden Männer verheiratet. Dies widerspricht zunächst der all411 SCHULZE, Die deutschen Landesdefensionen, S. 140. 412 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1987. 413 Dies ergibt sich aus der Auswertung der Mannschaftsliste des Jahres 1746 und anschließendem Vergleich mit auswertbaren Daten der Mannschaftsliste des Jahres 1798. 414 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2010, fol. 7r. 415 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2010, fol. 8r. Es handelte sich bei Johann Valentin Kius um einen militärischen Aventurier und Autor eines angeblich ab 1750 entstandenen „Tagebuch[s] eines alten Soldaten“, in welchem er sich missfällig und verächtlich über sämtliche Vorgänge am Hildburghäuser Hof sowie im Militär äußerte. Der Quellenwert des 1864 in Privatbesitz befindlichen Tagebuches muss als fragwürdig gelten. Angebliche Auszüge des Tagebuches publizierte der Enkel Kius’ unter: KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogthums Sachsen-Hildburghausen, S. 4 f. Einiges darauf aufbauendes biographisches Material zu Kius bei HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 133, Anm. 153.
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gemeinen Praxis, junge und unverheiratete Männer bei der Rekrutierung der Landesdefension zu bevorzugen.416 Des Öfteren dienten Väter und Söhne gemeinsam. In den Kompanien der Ämter stellten die Rotten einen engeren militärischen wie gesellschaftlichen Verband dar. Sie umfassten als kleinste Einheiten der Kompanie sechs Mann, die meist denselben Herkunftsort hatten. Im hildburghäusischen Landregiment fanden sich verschiedenste Mannschaften zusammen. Es gab Unterschiede in Alter, Beruf und Leistungsfähigkeit, sodass von einer einheitlich gemusterten Mannschaft keine Rede sein konnte. Um diesem Umstand abzuhelfen, erließ Herzog Ernst im Jahre 1709 ein Exerzierreglement, welches „bey Deroselben Land-Regiment und Militz“ unter dem Titel „Exercitien vor die Infanterie, zusamt dem Commando und dessen Explication“ bekannt gemacht wurde.417 Das Reglement erklärte in 121 Tempi und in kurzer, leicht verständlicher Weise die verschiedenen Bewegungsabläufe beim Exerzieren. Dabei wurden sowohl Übungen des einzelnen Soldaten als auch Bewegungsabläufe ganzer Kompanien berücksichtigt. Dies sollte dem Landregiment einerseits zu gesteigerter militärischer Schlagkraft verhelfen, andererseits aber auch bei öffentlichen Auftritten zu einem einheitlichen Erscheinungsbild führen. Die regelmäßig abgehaltenen Musterungstage sollten zum routinierten Umgang mit dem Reglement führen.418 Das Exerzierreglement des Jahres 1709 baute jedoch auf einem wesentlich grundlegenderen Element der militärischen Reglementierung – dem Artikelbrief des Landregiments – auf. Diesen ließ Herzog Ernst bereits am 4. Februar 1690 unter dem Titel „Articuls-Brieff oder Verordnung […] nach welcher die unter Seine Fürstliche Durchlaucht Land-Miliz begriffene Officiers und Gemeine bei denen militarischen Verrichtungen sich zu achten haben sollen“419 publizieren. Die insgesamt 25 Artikel wiesen die Mannschaften in allgemeine Verhaltensweisen auf Wachen, bei Musterungen und Einsätzen ein. Der Milizionär unterstand diesem Reglement auf Kommando oder an Musterungstagen, hatte sich jedoch außerhalb des militärischen Dienstes der zivilen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Dennoch scheinen gelegentlich Unteroffiziere ihre Zuständigkeit überschritten und sich auch im zivilen Leben militärische Gerichtsbarkeit angemaßt zu haben. Ein Fall aus dem Amt Sonnefeld kann dies illustrieren:420 Im April 1710 betrat der Landregimentssoldat Michael Butz aus Ebersdorf das Sonnefelder Wirtshaus und wurde dort vom Unteroffizier Christian Höhn aufgefordert, drei Batzen zum Vertrinken herzugeben. 416 KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 126; MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 37. 417 Exercitien vor die Infanterie, Zusamt dem Commando und dessen Explication, Hildburghausen 1709 (im Folgenden: Exercitien vor die Infanterie 1709). 418 Zu den Musterungstagen siehe Ende dieses Abschnitts. 419 Artikelbrief 1690, S. 1. 420 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, 29.4.1710; 10.5.1710.
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Als er sich wiederholt weigerte, sprang Höhn von seinem Tisch auf und ergriff Butz, um ihm „etliche gute Streiche mit d[em] Spanischen Rohr über den Rücken“421 zu geben. Ein Zeuge des Geschehens, Conrad Seiler aus Friesendorf, berichtete weiter: „Alß dieses geschehen, hätte Butz gefraget: Ob das recht wäre, daß man einen schlüge, der nicht in Commando stünde. Höhn aber darauf geantwortet: Er müßt ihme unterthänig seyn in und außer Commando.“422 Während des Zeugenverhörs merkte Butz an: „Höhn nähm sich gar zu viel raus und hätt es mehrern so gemacht“;423 Höhn gab vor, „er hätte nichts anders gethan, alß was ihre Articul vermöchten“.424 Zum Abschluss konstatierte Butz noch einmal: „[…] es würden di[e]s die Articul keinesweges besagen, daß man, wan[n] die Ambts-Unterthanen, ohne Ursach und Zwang außer dem Commando, dergestalt tractiren und Geld von ihnen erpreßen sollte.“425 Diese Quelle gibt eindrücklich Auskunft über Konfliktsituationen innerhalb des Landregiments. Im konkreten Beispiel vermischte sich wahrscheinlich ein privater und ein dienstlicher Konflikt zu einer Eskalation, in der der Unteroffizier seine Position auszunutzen versuchte. Der Mangel an weiteren derartigen Quellen macht es schwierig, die Konflikte im Landregiment zu überblicken und zu einer qualitativen wie quantitativen Einschätzung zu gelangen. Sicher scheint nur – dies bestätigt auch die archivalische Überlieferung –, dass gewalttätige Vorfälle weniger häufig auftraten als in der Grenadiergarde. Die von Herzog Ernst erlassenen Kriegsartikel gewährten einen Einblick in die Organisation der Landmiliz und erlauben darüber hinaus Rückschlüsse auf diverse Abläufe. Deren vornehmliche Aufgaben waren dabei die gleichen wie zu Zeiten der gothaischen Landesdefension: die militärische Verteidigung des Landes gegen Bedrohungen von außen sowie die Verfolgung und Festsetzung von Verbrechern im Rahmen von polizeilichen Diensten. Auf Letzteres wird auch in den Kriegsartikeln eingegangen: „Jedoch sollen alle und jede Officiers und Gemeine schuldig seyn, auf Begehren, Anruffen und Erfordern Unserer Beamten und Gerichts-Personen oder sonsten auf den NothFall […], sich der flüchtigen Missethäter zu bemächtigen und in obrigkeitlichen Gewahrsam zu bringen und halten zu helffen.“426 Die Artikel vermitteln ebenfalls ein Bild vom Vorbildcharakter, den die Milizionäre auf die Landbevölkerung haben sollten: „[Sie sollen sich] mit allem Ernst, Eifer und Fleiß vor allen, zumahlen aber groben Lastern und Ärgerniß, insonderheit dem Gotteslästern, Fluchen, Schwören, Vollsauffen, 421 422 423 424 425 426
ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, 10.5.1710, fol. 1v. Ebd. Ebd., fol. 2r. Ebd. Ebd. Artikelbrief 1690, S. 8.
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Üppigkeit und Hurerey hüten, im Gegentheil aber der Gottesfurcht und Ehrbarkeit sich befleissen und sich also verhalten, wie es christlichen Unterthanen und Kriegs-Leuten wohl anstehet und gebühret.“427 Die im Jahre 1690 durch Herzog Ernst erlassenen Kriegsartikel stellen das erste schriftlich fixierte militärische Reglement des Fürstentums SachsenHildburghausen dar. In den Jahren 1709, 1748 und 1781 wurde das Reglement erneuert, dabei aber stets die Fassung des Jahres 1690 fast vollständig übernommen.428 Bei einer normativen Quelle wie den Kriegsartikeln stellt sich vor allem die Frage nach der praktischen Umsetzung der Bestimmungen. Hier bietet der Fall des Landregimentssoldaten Johann Gebhardt wichtige Hinweise:429 Im Jahre 1734 übernahmen Teile des Landregiments die Stadtwache in Hildburghausen. Zum Wachdienst erschien der Gefreite Gebhardt bereits angetrunken und streitsüchtig. Im weiteren Verlauf geriet er sowohl mit seinen Kameraden als auch mit dem kommandierenden Offizier aneinander. Nach erfolgter Arretierung wurden Gebhardt Verstöße des 3., 13. und 20. Kriegsartikels vorgeworfen und ein Kriegsgericht wurde einberufen. Da sich die Angelegenheit als sehr klar erwies, kam das Gericht zu einem schnellen und harten Urteil: „Alß wäre dieser [Gebhardt] mit 12 mahligem Gaßenlauffen durch 200 Mann, 6 mahl hinn und 6 mahl herr, anderen zum Exempel und sich selbst zur wohlverdienten Straffe anzusehen.“430 Ein weiterer Soldat, mit dem Gebhardt auf der Wache offensichtlich in Streit geraten war und der diesen daraufhin hatte festnehmen wollen, wurde mit drei Tagen Haft bestraft, da ihm kein ausdrücklicher Befehl zu der Festnahme zugegangen war. Ein ähnliches Strafmaß galt im Falle des Nichterscheinens bei der Kompanie, wenn diese ausrücken sollte. Häufigeres Sammeln und Ausrücken der Landregimentskompanien fand vor allem unter Herzog Ernst Friedrich II. statt, der damit gegen die Aktivitäten der im lokalen Umfeld operierenden Diebesbanden vorging. Der gehäufte Dienst schien jedoch die Mitglieder des Landregiments zu ermüden, sodass der Herzog 1737 feststellte, dass „Uns mißfälligst vorgekommen, wasmaßen bey Unserm Landregiment eine solche Unordnung einzureißen beginne, daß viele von denen Gemeinen auf dem Exerciren, auch wenn sie sonsten zu andern militairischen Verrichtung commandirt werden, nicht erscheinen oder sich wohl mit Fleiß zu Hauß nicht antreffen laßen“.431 427 Ebd., S. 4. 428 Landesgesetze und Verordnungen, S. 195 f. Eine stetige Verschärfung des Reglements, wie sie HUMAN, Chronik der Landdiözese Hildburghausen, S. 89 suggeriert, lässt sich bei genauem Vergleich der Reglementspunkte nicht belegen; ebenso Humans daran anschließende Ausführungen, die sich maßgeblich auf Kius’ angebliches Tagebuch stützen. 429 ThStAM, GA Hbn, XXII, 45, 25.1.1734, fol. 1r. 430 Ebd., fol. 1v. 431 ThStAM, GA Hbn, XXII, 45, 24.7.1737, fol. 1r.
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Daraufhin wurde der Obrist v. Heßberg als Kommandant des gesamten Landregiments angewiesen, bei allen Kompanien persönlich bekannt zu machen, dass „wer hinführo bey dem Exerciren oder andern vorfallenden Commando auf Zug und Wachten sich nicht behörig einstellen und ohne sonderbahre erhebliche Ursachen, Vorwißen und Zulaßung des commandirenden Officiers freventlicher Weiße außenbliebe, derselbe sofort in Arrest gebracht und darüber mit 4 auch 6 und nach Befinden mehrtägiger Schanzarbeit geschloßen bey Waßer und Brod abgestraffet werden solle“.432 Die Kriegsartikel waren also keine Farce, sondern die darin festgesetzten Strafmaße wurden im Übertretungsfall auch verhängt. Die Rechtsprechung des Landregiments steht hierin jener der professionalisierten Garden in nichts nach. Für die Mitglieder des Landregiments konnten Teile des Artikelbriefes aber auch einen Eingriff in das Privatleben bedeuten. Zwar nahm der Großteil der Artikel auf korrektes moralisches Verhalten, das Instandhalten der Montur oder die ständige Bereitschaft Bezug, andere Artikel wiederum lassen von herrschaftlicher Seite aus das Bedürfnis einer umfassenden Kontrolle des Einzelnen erkennen. In besonderem Maße gilt dies für den Artikel 22: „Wenn jemand unter dieser Miliz [ab 1711: diesem Regiment] eine Reise so über drey Tage währete, zu thun gesonnen, soll er dasselbe vorhero bey dem des Orts oder doch am nächsten wohnenden Officier, unter dessen Commando er gehöret anzeigen, der ihn dann daran nicht zu hindern, es sey dann, daß gefliessendlich dem bevorstehenden Zug sich entziehen, eine solche Reise vorgewendet werde.“433 Um die Mannschaftsstärke des Landregiments nicht zu schwächen, waren derartige von Offizieren ausgestellte Reisepässe dennoch meist nur für begründete und notwendige Reisen zu erlangen. Mit jeder Reise war die Gefahr verbunden, in einem fremden Territorium angeworben zu werden – gelegentlich auch unter Gewaltanwendung. Aus diesem Grunde war es im Artikelbrief streng verboten, sich „in fremde Kriegsdienste zu begeben und anwerben zu lassen“.434 Um einer fremden Anwerbung – auch der Untertanen, die nicht im Landregiment dienten – weiter vorzubeugen, erließ Herzog Ernst Friedrich III. Carl 1751 eine Verordnung, die besonders auf Handwerksburschen abzielte. Diese waren aufgrund ihrer Wanderschaft verstärkt dem Risiko einer fremden Anwerbung ausgesetzt. Daher durften Handwerksburschen in SachsenHildburghausen ab 1751 erst ihre Wanderschaft antreten, nachdem auf dem zuständigen fürstlichen Amt ein besonderer Eid abgelegt wurde.435 Dieser 432 433 434 435
Ebd., fol. 1v. Artikelbrief 1690, S. 13. Landesgesetze und Verordnungen, S. 209. „Ich schwöre hiermit zu Gott, dem Allmächtigen, einen leiblichen theuren Eyd, daß ich in währender meiner Wanderschaft keine, in Ansehung der hiesigen Hochfürstlich Sachsen-Hildburghäusischen Lande, auswärtige Kriegsdienste annehmen, auch mich dazu keinerley Wege bequemen, vielmehr da ich, welches Gott in Gnaden abwende, in solchen Soldatenstand mit Zwang oder List gezogen würde, mich davon bey erster dazu dienlich findenden Gelegenheit, wiederum losreissen wolle. So wahr mir Gott helfe,
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wurde schriftlich fixiert und dem Handwerksburschen mit einigen Anmerkungen des Amtmannes auf die Wanderschaft mitgegeben. Bei einem Mitglied des Landregiments wurde gesondert angemerkt, dass dieses bereits enrolliert sei und ordentlichen Urlaub erhalten habe – dies alles in der zweifelhaften Hoffnung, damit fremde Werber abzuschrecken und den Handwerksburschen zur Rückkehr in seine Heimat zu bewegen. Noch tiefgreifender war die 1711 durch Herzog Ernst erlassene Weisung an Geistliche, die Mitglieder des Landregiments lediglich unter Vorzeigung eines Trauscheines zu verheiraten.436 Ein solcher Trauschein musste beim kommandierenden Offizier des Landregiments erwirkt werden und konnte anschließend kostenlos ausgestellt werden. Den vielfachen Verpflichtungen der Landregimentssoldaten standen mit der Verordnung des Jahres 1711 aber auch Befreiungen von diversen Personalbeschwerden437 gegenüber: „[Dass] alle und iede unter Unserm Land-Regiment stehende Unter-Officiers und Gemeine so lange sie sich darunter würklich befinden von allen Personal-Beschwehrden […] als Handfrohn, Gemeindefrohn, Bothenlauffen, Jagd gehen, Wachten und dergleichen allerdings befreyet seyn und bleiben sollen […].“438 Eine weitere Verordnung von 1713 führte einige Punkte der Ersteren noch aus und erweiterte die Befreiung beispielsweise um folgende Bestimmung: „Bey Besserung derer Landstrassen, Wege und Stege aber werden die unter dem Land-Regiment stehende mit der Hand-Arbeit billig verschonet.“439 Dies weist darauf hin, dass die Landregimentsmitglieder auch in ihrem näheren gesellschaftlichen Umfeld eine gesonderte Position einnahmen, zumal in Sachsen-Hildburghausen eben nicht – wie anderswo – vorrangig Tagelöhner und verarmte Personen aus den unteren Schichten zum Dienst verpflichtet wurden. Vielmehr stammten die meisten Landregimentsmitglieder aus der Mitte der städtischen und ländlichen Bevölkerung und waren eng in den Territorialstaat integriert. Wenn von einer gesellschaftlichen Sonderstellung gesprochen werden konnte, dann auf dem Land, wo die Soldaten in Notzeiten Verantwortung im Dorf übernahmen, noch ausgeprägter als in der Residenz-
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durch Jesum Christum, meinen einigen Herrn und Heiland! Amen“, Landesgesetze und Verordnungen, S. 208. Demnach Wir nach dem löblichen Exempel Unsers Fürstlichen-Gesamt Hausses bewogen worden Unsere Land-Miliz auf einen bessern und regulierten Fuß zu stellen […], Hildburghausen 1711, fol. 1r. Realbeschwerden, wie beispielsweise die Einquartierung, die auf einem Hausgut lastete, blieben davon unangetastet. Demnach Wir nach dem löblichen Exempel Unsers Fürstlichen-Gesamt Hausses, fol. 1r. Nachdeme das untern 9. Februar 1711 wegen einiger Unserm im Lande errichteten und stehenden Regiment, fol. 1v.
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stadt.440 Das Landregiment stellte jedoch nur einen Teil der Lebenswelt eines dienstverpflichteten Untertanen dar. Anders als bei den Garden war hier der militärische Dienst kein Lebensunterhalt. Die im Zusammenhang mit dem Dienst entstandenen Probleme hatten keine existentielle Bedeutung und wurden wahrscheinlich häufig mündlich geregelt. Wo keine großen Differenzen herrschten oder diese eine gütliche Lösung fanden, entstand wenig oder kein Schriftgut. Auf diesen Umstand ist es zurückzuführen, dass kaum aussagekräftiges Quellenmaterial zu den Mannschaften des Landregiments vorliegt. Dabei könnte gerade dieses Material die Frage nach dem Selbstverständnis der Landregimentssoldaten und ihrem Verhältnis zum Rest der Zivilbevölkerung weiter klären. Vor allem die Frage, ob sich die Mitglieder des Landregiments als „echte“ Soldaten empfanden, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Viele von ihnen wurden in den ernestinischen Sukzessionskonflikten eingesetzt und erlebten kleine Feldzüge hautnah mit. Zeugnisse dieser Soldaten fehlen jedoch. Für Sachsen-Weimar wurde konstatiert, dass sich die Landregimentsmitglieder als wirkliche Soldaten sahen und ihre Uniformen mit Stolz trugen.441 Hier verband die Uniformierung die Mitglieder und wirkte als äußeres Zeichen des Dazugehörens bzw. als Unterscheidungsmerkmal von den nicht dienstverpflichteten Untertanen. Wenn man das häufige Tragen der Uniform als Indikator für ein nach außen transportiertes soldatisches Selbstverständnis wertet, dann hatten sich auch die hildburghäusischen Landregimentssoldaten dieses zu eigen gemacht, obwohl das Tragen der Uniformen „ausser ordentlichen zu […] des Landes Dienst anbefohlnen Zügen und Wachten oder da es sonst absonderlich von den Officiers commandiret wird“, bereits im Artikelbrief des Jahres 1690 ausdrücklich untersagt worden war.442 Im Jahre 1734 berichtete Johann Carl v. Heßberg Herzog Ernst Friedrich II., „daß ohngeachtet aller Precaution die Mondirung des Hochfürstlichen LandRegiments zu conserviren, durch alleinige Aufsicht der Officiers nicht hinlänglich seyn will und […] daß den Schultheißen jedes Orths die Auflage gethan [wird] mit Aufsicht zu haben, so daß wann einer außer Commando solche gar oder nur ein Stück hiervon anzulegen sich unterstehet, er diesen anzugeben hat“.443 Im Reglement des Jahres 1746 wurde das Austragen von Uniform und Ausrüstung mit einem halben Gulden pro Tag geahndet.444 Trotzdem konnte dieser Praxis nicht Einhalt geboten werden. Noch im Jahre 1774 stellte die hildburghäusischen Regierung fest, dass Landregimentssoldaten „sich sogar 440 ThStAM, GA Hbn, Nr. 437. Dies wurde beispielsweise 1734 während der Konferenz von Suhl, die vor dem Hintergrund des Polnischen Thronfolgekrieges stattfand, betont. 441 MÜLLER, Das Heerwesen in Sachsen-Weimar, S. 42. 442 Artikelbrief, S. 13. 443 ThStAM, SM, Inneres, 23781, 23.2.1734, fol.1r. 444 Landesgesetze und Verordnungen, S. 198.
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unterfangen in solcher [Uniformierung] vor Fürstliche Ämtern und dergleichen Niedergerichten, unter welchen sie, außer ihrem Dienst, in bürgerlichen Sachen stehen, zu erscheinen, um dadurch die wider sie ergangenen Erkenntnisse, zum größten Despecte [mit größter Verachtung], wo nicht zu vereiteln, doch wenigstens deren Vollstreckung zu erschwehren“.445 Hier zeigt sich, wie die Uniformierung von Mitgliedern des Landregimentes instrumentalisiert werden konnte, um sich Respekt zu verschaffen bzw. sichtbar darzustellen, dass man ein treuer Landesuntertan sei. Das Quellenmaterial erhellt jedoch, dass dabei oft der gegenteilige Effekt erzielt wurde. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass sich die dienstverpflichteten Untertanen durchaus mit dem Landregiment identifizierten bzw. von Außenstehenden damit assoziiert werden wollten. Dies passt zu dem Ergebnis, dass der Dienst im Landregiment trotz aller Verpflichtungen vielfach nicht als allzu drückend empfunden wurde. Ein Vorfall in Eisfeld kann dies illustrieren: Herzog Friedrich ordnete zum Jahreswechsel 1800/01 an, dass „der Eintritt des Jahrhunderts in feyerlicher Stille ohne alle Sollenitäten“446 begangen werden solle.447 Dennoch ließen einige Mannschaften durch den Feldwebel der Eisfelder Stadtkompanie beim zuständigen Oberleutnant Georg Samuel Recknagel eine Anfrage vorbringen. Recknagel schrieb dazu: „Einige Tage vor dem Neujahrsheiligabend hat die hiesige Mannschaft […] um die Erlaubnis gebeten, daß ihnen doch verstattet werden mögte, daß sie beym Eintritt des Neujahrs, entweder in der Stadt auf dem Marckt, oder außer der Stadt auf einem freyen Pla[t]z […] eine Salve geben dürften.“448 Nach mehreren persönlichen Vorstellungen der Mannschaften wurde dieses Gesuch schließlich durch den Obristen v. Lengefeld abgelehnt. Wenig später berichtete Recknagel von einer neuerlichen Bitte: „Am Neujahrsheiligabend nachmittags 3 Uhr kam der Feldwebel Oster zu mir und brachte ferner an, daß ihn die Mannschaft aufs neue gebeten, mich zu ersuchen, ihr zu erlauben, daß sie doch wenigstens am Neujahrtag en parade in die Kirche ziehen dürften […]“449 Auf das Drängen der Mannschaften hin wurde dies schließlich genehmigt. So zogen die Eisfelder Landregimentsmannschaften am Nachmittag des 31. Dezember 1800 in einer kleinen Parade über die Marktstraße zur Kirche und feierten dort mit den versammelten Bürgern einen Gottesdienst. Die vorangegangenen Bitten wurden von den Soldaten der Eisfelder Kompanie 445 ThStAM, SM, Inneres, 23781, 26.10.1774, fol. 1r. 446 ThStAM, SM, Inneres, 24218, 8.1.1801, fol. 1r. 447 Zur Jahrhundertwende 1800 vgl. Arndt BRENDECKE, Die Jahrhundertwenden. Eine Geschichte ihrer Wahrnehmung und Wirkung, Frankfurt 1999. 448 ThStAM, SM, Inneres, 24218, 10.2.1801, fol. 1v. 449 Ebd., fol. 2r.
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freiwillig vorgetragen. Dieser Umstand sowie das hartnäckige Insistieren lassen darauf schließen, dass sich ein Teil der Soldaten mit dem Landregiment identifizierte und auch identifiziert werden wollte. Der damit verbundene Dienst wurde ausdrücklich nicht als Last empfunden, sondern als schuldige Leistung dem Staat bzw. der Herrschaft gegenüber. Dass diese Aussagen jedoch nicht für jeden Landregimentssoldaten Gültigkeit haben, ist evident. Ein wesentliches Instrument zur Erhaltung und Steigerung des militärischen Wertes der Landmiliz waren die Musterungstage, an denen die Landmiliz in ihren jeweiligen Amtsstädten zusammentrat, exerzierte und visitiert wurde, sodass die Musterungslisten jährlich aktualisiert wurden.450 Die Termine der Musterungstage waren nicht festgelegt. Zwar sprachen die Kriegsartikel Herzog Ernsts von Herbstmusterungen, in der Praxis zeigte sich jedoch, dass die Termine durchaus variabel waren: Beispielsweise fand die Musterung des Jahres 1691 am 9. November, zwei Jahre später jedoch am 13. Juni statt.451 Dabei nahm man wirtschaftliche Ausfälle durch die Musterungen in Kauf, da die Musterungstage meist auf Werktage fielen. Die Milizionäre, die fast ausschließlich Handwerker oder Bauern waren, konnten so ihrer Tätigkeit nicht nachkommen und mussten gewerbliche Einbußen hinnehmen. Dabei war das Fehlen zur Musterung durch die Kriegsartikel strengstens untersagt.452 Nachdem die Regierung einen Termin für die Musterung festgelegt hatte, wurde dieser den Schultheißen der Amtsdörfer durch einen Zirkularbrief mitgeteilt. So erging 1691 an die Schultheißen des Amtes Hildburghausen folgendes Schreiben: „Demnach […] die Musterung fürgenommen werden solle; Als wird jeden außen verzeichneten Orts-Schultheis dahier dahin nachdrücklich bedeutet, daß er selbst mit […] sämptlicher und zumahl neuangehender Mannschaft zu recht früher Zeit daher [Hildburghausen] erscheine […].“453 Als „neuangehende Mannschaft“ wurden alle jungen Männer angesehen, die nach Ausweis der örtlichen Seelenregister in das 16. Lebensjahr eintraten. Neben den Schultheißen, Offizieren und Mannschaften erschienen noch Kommissare und Taxatoren des Munitionsgeldes. Es gehörte auch zur Logistik des Musterungstages, diese aus der jeweiligen Stadtkasse zu verpflegen. So 450 In Sachsen-Hildburghausen war eine jährliche Aktualisierung vorgesehen, sie konnte jedoch nicht eingehalten werden. Besonders gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Musterungen unregelmäßig durchgeführt und blieben in den Jahren vor 1798 sogar vollständig aus, KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2000, fol. 1r. 451 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1986, fol. 6r. 452 „So soll auch niemanden erlaubet seyn, ohne sonderbahre Ursachen, Vorwissen und Zulassung des commandirenden Offuciers, bey Musterung […] aussen zu bleiben und einen andern an seine Stelle zuschicken“, Artikelbrief 1690, S. 7. 453 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1986, fol. 5r.
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bezahlte beispielsweise die Amtsstadt Eisfeld für die Musterung des Jahres 1706 insgesamt 43 Gulden, 11 Gute Groschen und 8 Pfennig. Darin waren Frühstücks- und Mittagsmahlzeit für die Offiziere und Kommissare, Brot und Bier für die Milizionäre sowie Papier für die Schreiber der Musterungslisten enthalten.454 Neben dem Visitieren der Mannschaften und dem Verlesen der Kriegsartikel standen vor allem militärische Übungen im Mittelpunkt der Musterungstage. Dazu wurde die Landmiliz mit „behörigem Pulver zu 3mahliger Salven und Lunten“455 aus der Staatskasse versehen, um sich im Scheibenschießen und im Exerzieren zu üben.456 Die Musterungstage scheinen auch von der zivilen Bevölkerung frequentiert worden zu sein, sodass die militärischen Übungen oft Volksfestcharakter annahmen.457 Für die gemeinen Soldaten endete die Dienstzeit nach acht bis zwölf Jahren im Landregiment. Vorzeitige Entlassungen erfolgten jedoch auch aufgrund von Krankheiten oder einer verhängten Gefängnishaft.458
3.6 Die Provisioner „Die Anzahl der hier wohnhafften Lohnsoldaten [hat] sehr abgenommen, und mehrere derselben [wollen] während der gegenwärtigen Erndte für den bißher gezahlten Lohn keine Wachten thun […].“459 Herzog Friedrich, 1799
Neben den Landregimentssoldaten existierten noch sogenannte Provisioner, welche die Torwachen in Hildburghausen versahen. Obwohl diese offiziell dem Landregiment unterstanden, spielte sich ihr Dienst außerhalb des Landregimentsdienstes ab. Unter dem Begriff Provisioner bzw. Provisaner verstand man „ehedem Lohnsoldaten [und] besoldete Kriegsleute“,460 die für eine gewisse Provision dienten. Die Einrichtung dieser Lohnsoldaten war im Fürstentum 454 Stadtarchiv Eisfeld (StadtA Eisfeld), Ratsrechnung 1706, n. pag. 455 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1986, fol. 5r. 456 Die Eisfelder Ratsrechnungen verzeichneten für einen Musterungstag drei Holzscheiben, auf die geschossen wurde. Diese wurden für die nachfolgende Musterung ausgebessert und fanden mehrere Jahre lang Verwendung. Auch wurde ein Zelt erwähnt, welches zu den Musterungen aufgeschlagen wurde, vgl. StadtA Eisfeld, Ratsrechnung 1706. 457 Für Eisfeld lässt sich dies anhand des dort üblichen „Kuhschwanzfestes“ belegen. Dieses Fest lässt sich auf die Musterung der coburgischen, später gothaischen Landesdefension zurück und wird seither am traditionellen Musterungstag, dem 3. Pfingstfeiertag, begangen, vgl. Hans GAUSS, Das Kuhschwanzfest – Historisches Volksfest der Eisfelder, in: FREUNDE VON KIRCHE UND SCHLOSS ZU EISFELD E.V. (Hg.), Eisfeld in Geschichte und Gegenwart, Eisfeld 2002, S. 141–143. 458 ThStAM, Amtsarchiv Heldburg, 2231, fol. 25r. 459 ThStAM, SM, Inneres, 23941, 7.8.1799, fol. 1r. 460 Karl Philipp MORITZ, Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 3, Berlin 1797, S. 296.
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Sachsen-Hildburghausen maßgeblich mit den Belastungen der Landregimentssoldaten verbunden. Letztere waren im Rahmen ihres Dienstes verpflichtet, die Stadt- und Torwachen in Hildburghausen in Person zu versehen, was vor allem für Landregimentsmitglieder aus entlegenen Dörfern eine große Belastung darstellte.461 Ein Wachzug in der Residenzstadt erstreckte sich über vier Tage und hielt vor allem die in der Landwirtschaft beschäftigten Landregimentssoldaten von der lebensnotwendigen Arbeit ab. Zudem dürfen auch die Anmarschwege nicht unterschätzt werden: Die Wachen waren zwar meist im zentral gelegenen Hildburghausen zu leisten, konnten jedoch bei Abwesenheit der fürstlichen Herrschaft auch in Eisfeld, Seidingstadt oder Heldburg stattfinden. Ein Soldat, der beispielsweise aus der Dorfschaft Schnett im Amt Eisfeld nach Heldburg kommandiert wurde, verlor neben vier Tagen auf Wache noch zwei weitere Tage für An- und Abmarsch – alles in allem nahezu eine Woche –, ohne der beruflichen Tätigkeit und dem Broterwerb nachzugehen. Diese Situation führte zu mannigfachen Klagen unter den Landregimentssoldaten und schließlich zur Einsicht bei der herzoglichen Regierung. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, den Wachdienst durch Erlegung von 45 Kreuzer. in die Landschaftskasse abzulösen. Diese Zahlung wurde als Wachgeld bezeichnet und mit dazu verwandt, Provisioner anzuwerben, welche den Dienst anstelle des abwesenden Landregimentssoldaten versahen. Es ist nicht genau festzustellen, ab wann für die Soldaten des Landregiments die Möglichkeit bestand, ihren Dienst durch Wachgeld ablösen und von Provisionern versehen zu lassen.462 Dass Provisioner vor 1717 den Wachdienst versahen, ist nicht zweifelsfrei nachweisbar.463 Gesichert ist jedoch, dass der Wachdienst in der Residenzstadt zwischen 1717 und 1724 fast ausschließlich von reguliertem Militär in Form der Garden verrichtet wurde. Nach der Reduzierung der Garde im Jahre 1724 übernahmen die Provisioner und Landregimentssoldaten die Torwachen.464 Diese wurden zu Anfang der 1730er Jahre erneut kurz von der Garde abgelöst, welche den Wachdienst bis zu der endgültigen Auflösung 1737 versah. Unter Ernst Friedrich III. Carl bestand von 1750 bis 1771 eine Garde zu Fuß, die ebenfalls den Wachdienst in Hildburghausen versah und damit die Provisioner und Landregimentssoldaten bedeu-
461 Siehe Punkt 3.2.1: Der Wachdienst in der Residenzstadt und die Landesverteidigung. 462 HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 131 f. erwähnt bereits für das späte Mittelalter Torwärter, vermischt mit diesen jedoch die verschiedenen Strukturen und vermag es so, eine historische Linie bis zu den Provisionern zu ziehen. Dies muss jedoch bezweifelt werden. 463 Mehrere „Provisaner“ genannte Personen tauchten um diese Zeit auf bei: KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, B 153, pag. 14 u. 29. 464 Vgl. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 169c/3844.
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tend entlastete. Demzufolge kam den Provisionern nur in Zeiten, in denen die Garde abgedankt bzw. reduziert war, eine größere Bedeutung zu.465 Die archivalische Überlieferung bietet nähere Einblicke in die Organisation der Provisioner.466 So stellte dieser Dienst keine militärische Verpflichtung dar und konnte freiwillig geleistet werden. Am Ende des 18. Jahrhunderts versahen etwa fünfzig Provisioner neben den Landregimentssoldaten den Wachdienst in Hildburghausen. Es handelte sich fast ausschließlich um Bürger Hildburghausens, die sich zusehends auf diesen Dienst spezialisierten, aber meist auch eine berufliche Nebentätigkeit ausübten. Für Montur sowie medizinische Versorgung hatte jeder Provisioner selbst aufzukommen. Er musste zudem nicht zwingend Angehöriger des Landregiments sein, sondern konnte sich frei zum Dienst melden. Somit stellt der Provisioner – noch wesentlich deutlicher als beispielsweise der Landregimentssoldat – einen Grenzfall zwischen militärischer und ziviler Gesellschaft dar und ist in keine der beiden Kategorien eindeutig einzuordnen. Üblicherweise hatte der Provisioner ein niedriges, dafür aber regelmäßiges Einkommen, da beständig Soldaten des Landregiments ihren Dienst durch Wachgeld ablösten. Bis Ende des 18. Jahrhunderts stellte sich beim Landregiment eine gewisse Gewöhnung an diese Möglichkeit der Ablösung ein. Je stärker diese genutzt wurde, umso mehr gewannen die Provisioner an Bedeutung und desto größer wurde ihre Verantwortung im Rahmen der Stadt- und Torwachen in der Residenzstadt. Eine Krise, die sich in Hildburghausen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ereignete, kann die gewachsene Bedeutung der Provisioner für die Landesdefension illustrieren: Um 1790 standen zwischen fünfzig und sechzig Provisioner in Hildburghausen in Dienst467 Deren Zahl reduzierte sich jedoch in den darauffolgenden Jahren langsam, aber deutlich. Die Qualität ihres Dienstes war maßgeblich von der Anzahl der wachdienstwilligen Landregimentssoldaten abhängig. Beide Gruppen versahen gemeinsam Dienst, die Provisioner jedoch nicht in voller Mannschaftsstärke, da diese auf Ablösungen untereinander angewiesen waren. Es wurde also vermieden, dass ein Provisioner länger als eine Woche auf Wache war. Je mehr Landregimentssoldaten ihren Dienst ablösten, desto mehr Verantwortung wurde auf die begrenzte Zahl der Provisioner umgelegt, d. h. desto länger wurden deren Wachtzüge. So wurde im August 1799 von der Kriegskommission des Fürstentums berichtet, dass die Qualität des Provisionerdienstes nachlasse und jene „auf der Schildwacht schlafen und die Wachten schlecht besetzt sind“.468 465 466 467 468
Es handelt sich dabei um die Zeitintervalle 1724–~1731, 1737–1750 sowie 1771–1806. Vor allem ThStAM, SM, Inneres, 23941. ThStAM, SM, Inneres, 23941, 2.8.1799, fol. 1r. Ebd., fol. 1v.
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Hauptursache dafür waren zahlreiche Dienstablösungen durch Landregimentsmitglieder, die zur Erntezeit als Tagelöhner einen höheren Verdienst beziehen konnten als im Rahmen des Wachdienstes in Hildburghausen. Während ein gemeiner Soldat des Landregiments um 1790 auf einem Wachzug 11 Kreuzer täglich verdiente, konnte ein Tagelöhner in der Erntezeit einen Verdienst von bis zu 25 Kreuzer erreichen.469 Wie sich der Verdienst eines Provisioners zusammensetzte, kann aus folgender Übersicht ersehen werden: Wachgeld auf vier Tage Offiziersvergütung (Kassieren und Versenden) Lohn des Provisioners aus dem Wachgeld auf vier Tage Zuschuss aus der Landschaftskasse/Stadtratskasse470 Lohn eines Wachzuges von vier Tagen mit
45 xr. - 5 xr. = 40 xr. + 24 xr./+ 20 xr. = 64 xr./60xr.
Tabelle 3: Verdienst eines Provisioners in Hildburghausen, 1799
Bei einem Verdienst von täglich 16 Kreuzer auf der Wache weigerten sich zahlreiche Provisioner, den Dienst zu versehen und machten Anstalten, ebenfalls als Tagelöhner bei der Ernte zu helfen. Das Problem der Erntezeit stellte sich zweifelsohne jedes Jahr, doch wurde die Situation zwischen 1792 und 1800 durch den Ersten und Zweiten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich und eine damit verbundene Brotteuerung bedeutend verschärft.471 Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich auch die Personalsituation bei den Wachtruppen derart angespannt, dass der Leiter der herzoglichen Kriegskommission, Vincenz v. Gussio, den Befehl erließ, dass bei jedem Wachzug von jeder diensttuenden Landregimentskompanie zwei Mann persönlich erscheinen sollten.472 Ausnahmen sollten nicht gewährt werden. Wenig später berichtete v. Gussio: „Jetzt nun da die Landleute wegen der bevorstehenden Erndte nicht wohl auf die Wacht ziehen können, suchen sie um Dispensation obiger Ordre nach, die man ihnen wegen Mangel an Lohnsoldaten ohnmöglich ertheilen kann, da sonst die Wachten ohnbesetzt bleiben müßten.“473 469 Ebd., fol. 3v. 470 24 Kreuzer wurden einem Provisioner aus der Landschaftskasse zugeschossen, wenn dieser auf der Hauptwache Dienst tat. Einem Provisioner, der an den Toren Dienst tat, wurden aus der Kasse des Stadtrates 20 xr. gezahlt, sodass dieser lediglich einen Verdienst von 15 Kreuzer täglich hatte. 471 Elisabeth FEHRENBACH, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 12), München 42001, S. 50. 472 ThStAM, SM, Inneres, 23941, 2.8.1799, fol. 3r. 473 Ebd., fol. 3r.
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Diese Situation verlangte dringend nach einer Lösung, bevor niemand mehr bereit war, den Wachdienst in Hildburghausen zu versehen. Von einer strengen Dienstverpflichtung des Landregiments sah man aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen ab. Man versuchte jedoch, die Landregimentssoldaten durch eine Erhöhung des Wachgeldes zum Dienst zu bewegen. Gleichzeitig wurde auch über eine Erhöhung der Zuschüsse von Landschaft und Stadt nachgedacht. Bevor man jedoch diese Kassen anging, einigte man sich auf die Erhöhung des Wachgeldes um 15 Kreuzer. Dieses sollte demnach zunächst bis Ende Oktober 1799 insgesamt 65 Kreuzer betragen, wobei stets der provisorische Charakter dieses Beschlusses betont wurde.474 Tatsächlich stellte sich aber heraus, dass nach dem Ende der Erntezeit die Provisioner keine große Bereitschaft zeigten, die Wachen weiter zu übernehmen, sodass v. Gussio im November verlauten ließ, dass die Erhöhung des Wachgeldes „bis auf beßere Zeiten prorogirt werden möge“.475 Dies geschah zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, da Sachsen-Hildburghausen 1799 eine Missernte erlebte und zahlreiche Familienväter weder das Wachgeld zahlen noch den aktiven Wachdienst im nächsten Jahr versehen konnten. Um diese Zeit wandten sich die Bürgermeister von Hildburghausen und Eisfeld an Herzog Friedrich und baten um Verständnis für die Landregimentssoldaten, die gezwungen seien, Taglohnarbeiten anzunehmen, „indem die meisten Familien und besonders die auf dem Walde durch die heurige äußerst schlechte Erndte so herunter gekommen sind, daß sie bey aller Anstrengung kaum ihr tägliches Brodt erschwingen können“.476 Man schlug vor, das Wachgeld erneut auf 45 Kreuzer herabzusetzen, dafür aber den Zuschuss aus der Landschaftskasse deutlich zu erhöhen, um die individuellen Belastungen spürbar zu reduzieren. Tatsächlich willigte Anfang 1800 die Landschaftskasse in „patriotische[r] Ruhmwürdige[r] Gesinnung“477 ein, die Zuschüsse zu erhöhen, jedoch ohne einen längerfristigen Effekt. Die Erhöhung des Wachgeldes führte nun dazu, dass zahlreiche Landregimentssoldaten ihren Wachdienst selbst antraten. Da nicht mehr ausreichend Wachen zu leisten waren, um den Lebensunterhalt zu verdienen, distanzierten sich die Provisioner zusehends vom Wachdienst und suchten andere Erwerbsmöglichkeiten. In der Erntezeit verließen die Landregimentssoldaten den Wachdienst wieder, sodass nun Provisioner benötigt wurden, die aber mittlerweile nicht mehr ausreichend zur Verfügung standen. Daher übernahmen Landregimentssoldaten die Wachen gezwungenermaßen erneut selbst, 474 ThStAM, SM, Inneres, 23941, 7.8.1799, fol. 1r. Der Beschluss ging den Schultheißen der Dorfschaften und Viertelmeistern der Städte in Form eines Mandats am 7. August 1799 zu. 475 ThStAM, SM, Inneres, 23941, 1.11.1799, fol. 1r. Ein gleichlautendes Mandat wurde am 8. November 1799 publiziert. 476 ThStAM, SM, Inneres, 23941, 21.12.1799, fol. 2r. 477 ThStAM, SM, Inneres, 23941, um Februar 1800, fol. 1r.
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sodass Tagelöhner bei der Erntearbeit fehlten. Die Lösung des Problems war diffizil, zumal Herzog und Kriegskommission darin übereinstimmten, den Landregimentssoldaten die Tätigkeit im Rahmen der Erntearbeit zu gestatten. Doch auch die Provisioner sollten ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit dem Wachdienst sichern können. Durch Zwang der Landregimentssoldaten bzw. durch die Erhöhung des Wachgeldes konnte zwar der Dienst provisorisch gesichert werden, doch herrschte diesbezüglich stets eine beachtliche Unsicherheit. Auf der Suche nach einer Lösung stellte man bei der herzoglichen Kriegskommission im April 1800 ernsthafte Überlegungen an, eine Provisionermannschaft von 28 Gemeinen und zwei Unteroffizieren anzuwerben.478 Dieser Vorschlag stand in einem größeren Kontext der Entwicklung im Fürstentum SachsenHildburghausen gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Seit der vollständigen Abdankung der Garde im Jahre 1771 stellte sich eine zunehmende Unzufriedenheit mit dem Wachdienst des Landregiments ein. Dies führte bereits 1788 zu einem Projekt des Herzogs, das gesamte Landregiment abzudanken und durch eine regelmäßig besoldete Kompanie von achtzig Mann zu ersetzen.479 Der damalige Plan wurde nicht in die Tat umgesetzt, und auch im Jahre 1800 sprach einiges dagegen. Die Errichtung einer regelmäßig besoldeten Mannschaft hatte immer den Anschein einer Garde. Auch in diesem Fall konnte das Unterfangen als erneuter Versuch verstanden werden, den Grundstein zu einer späteren Garde zu legen. De facto unterschieden sich die Rahmenbedingungen beider Formationen nur in wenigen Punkten. Die Provisioner, die vornehmlich aus Hildburghausen, Birkenfeld, Leimrieth und anderen umliegenden Orten kommen sollten, hatten sich in Kapitulationen auf drei Jahre zu verpflichten. Die Montur, bestehend aus Rock, Weste, Hosen, Strümpfen, Schuhen, Gamaschen und schwarzlederner Halsbinde, wurde auf Staatskosten angeschafft. Jährlich wurden für die obligatorische Provisionermannschaft Ausgaben von lediglich 256 Gulden veranschlagt.480 Dies muss umso fraglicher erscheinen, als sich die Besoldung der Provisioner am jeweils in Hildburghausen üblichen Tagelohn orientieren sollte. Gleichzeitig sollten diese noch sogenannte „Extra-Commandos“, d. h. polizeiliche Sicherungsaufgaben, wahrnehmen: „Durch Ausführung dieses Plans würde nicht nur dem Mangel an Lohn-Soldaten abgeholfen, sondern es würde noch überdies bey Arretierung, Feuerlärm auch sonstige Policey Anstalten und dergleichen großer Vortheil seyn.“481
478 479 480 481
ThStAM, SM, Inneres, 23941, 22.4.1800. Siehe Punkt 3.1.2: Die strukturelle Entwicklung des Landregiments bis 1806. ThStAM, SM, Inneres, 23941, 22.4.1800, fol. 2r. Ebd., fol. 3r.
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Da die dreißig Provisioner den nächtlichen Wachdienst nicht ständig und ohne Ablösung versehen konnten, wurde befohlen, dass bei jedem Wachzug 15 Mann des Landregiments in Person zu erscheinen hatten. Interessanterweise hätte bereits die letztgenannte Anordnung das Problem gelöst, da damit jederzeit ausreichend Mannschaften vorhanden gewesen wären. Eine Anwerbung obligatorischer Provisioner wäre damit obsolet geworden. Das geschilderte Projekt zeigt jedoch erneut das Bedürfnis, reguläres Militär in SachsenHildburghausen zu unterhalten. Zwar gab Herzog Friedrich im Mai 1800 seine Zustimmung zu dem Projekt, doch war noch unklar, woher die finanziellen Mittel dafür fließen sollten. Diese für Sachsen-Hildburghausen stets essentielle Frage führte zu einer längeren Verzögerung, zumal das Fürstentum zu diesem Zeitpunkt immer noch mit einer kaiserlichen Schuldenkommission belegt war. Noch im Jahre 1804 wurde über das Projekt sowie über dessen Ausführung und Finanzierung beraten.482 Das archivalische Material lässt darauf schließen, dass keine Anwerbung einer obligatorischen Provisionermannschaft vor dem Ende des Alten Reiches mehr stattfand und während der Wirren der Napoleonischen Kriege nicht zur Disposition stand. Nach 1815 ging die Verpflichtung zum Wachdienst in Hildburghausen vollständig in die Verantwortung der Stadt und deren Bürgerschaft über.483
482 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 357, 4.4.1804. 483 HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 132.
4. Die fürstlichen Garden
4.1 Struktur, Formation und Finanzen „Allein, da hier die Rede von dem Nutzen des Staates ist, im Gantzen betrachtet, und nicht von einzeln Creaturen, so kommen auch diese in keine Consideration.“484 Freiherr v. Werther, 1750
4.1.1 Die Schlosswache unter Herzog Ernst (1700–1715) Im Jahre 1680 verlegte Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen seinen ständigen Wohnsitz offiziell in die ihm im Rahmen der Erbteilung angewiesenen Ämter. In diesem Gebiet, welches fortan das Fürstentum SachsenHildburghausen bildete, existierte zu diesem Zeitpunkt keine einem Fürsten angemessene Residenz. Aus diesem Grund war eines der ersten umfangreicheren Projekte die Erbauung eines Residenzschlosses. Solange dies nicht geschehen war, hielt sich der Herzog zunächst an verschiedensten Orten auf. Man traf ihn in den ersten Jahren seiner Regierung vor allem in Arolsen, Frankfurt, Hildburghausen, Eisfeld oder Heldburg an.485 Die beiden letzteren Orte kamen bei der Festlegung einer geeigneten Residenz innerhalb des Fürstentums in die engere Auswahl, da hier bereits Schlossbauten vorhanden waren. Da sich beide Anlagen für den Hofstaat als zu beengt erwiesen, keinen ausreichenden Komfort boten und sich die Logistik, vor allem im Fall der Veste Heldburg, schwierig und teuer gestaltete, entschloss sich der Herzog gegen Ende des Jahres 1684 endgültig, seine Residenz in Hildburghausen zu errichten. Noch im November desselben Jahres nahm Herzog Ernst dort ein provisorisches Quartier, in dem er lebte, bis der Schlossbau fortgeschritten sein würde. Dieser wurde seit dem Jahre 1685 am südwestlichen Stadtrand von Hildburghausen vorangetrieben und größtenteils 1695 fertiggestellt.486 Für die Sicherheit der Residenzstadt und der herzoglichen Familie im neu erbauten Schloss sorgte zunächst das Landregiment. Es trug im Rahmen des Wachdienstes, bei dem sich verschiedene Kompanien abwechselten, die Verantwortung für die Stadttore und die Umgebung des Schlosses. Nachdem der Herzog bereits mehr als 15 Jahre in Sachsen-Hildburghausen regierte, scheint 484 ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, Discours, fol. 3r. 485 SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 15 f.; WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 144. 486 HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 506.
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sich aber ein gesteigertes Sicherheits- und Repräsentationsbedürfnis entwickelt zu haben. Damit ging einher, dass man das unprofessionelle Landregiment als Schloss- und Residenzwache zunehmend als unangemessen empfand. Die Unzufriedenheit des Herzogs kam erstmals auf einem Landtag in Hildburghausen am 28. September 1699 zur Sprache:487 Hier schlug der Herzog zunächst die Errichtung einer „besonderen Schloßwache“ mit einer Stärke von vierzig Mann unter dem Kommando eines Leutnants vor.488 Als Argumente brachte er vor, dass beim Landregiment die „Monture allerdings abgerißen, […] es fast schimpflich stünde, daß in solchen abgerißenen Röcken dieselbe [Schlosswache] praestiret und verrichtet würde“.489 Außerdem sei der Wachdienst für das Landregiment sehr aufwändig, da bereits „die Leute von Außschuß aus denen weitesten Orthen sich sehr wegen allzu großer Versäumbnus beschwehren“.490 Die Argumente des Herzogs entsprachen einerseits der realen Situation, andererseits waren sie jedoch auf die Auseinandersetzung mit den Landständen zugeschnitten. Es galt, diese vom Vorhaben zu überzeugen – nicht zuletzt weil sämtliche Kosten von der Anwerbung über die Ausrüstung bis hin zur Unterhaltung der Schlosswache aus der Landschaftskasse bestritten werden und dem Herzog zunächst keinerlei Kosten entstehen sollten. Es ist im Rahmen der Vorstellung des Projekts auf dem Landtag interessant festzustellen, welche tatsächlichen Gründe es für die Errichtung eines regulierten Militärs in Sachsen-Hildburghausen gab. Der bereits angesprochene Zusammenhang mit der Fertiggestellung des Schlossbaus stellt eine der offensichtlichsten Begründungen dar. Zudem scheint sich seit 1680 auch das herrschaftliche Selbstverständnis des Herzogs von Sachsen-Hildburghausen gewandelt bzw. deutlicher ausgeprägt zu haben. Seit der Loslösung von Sachsen-GothaAltenburg stand das Fürstentum unter dem Nexus Gothanus und war damit militär- sowie außen- und reichspolitisch stark eingeschränkt. Herzog Ernst versuchte sich bereits früh aus der Umklammerung Sachsen-Gotha-Altenburgs zu lösen und erreichte in einem Rezess des Jahres 1683 unter anderem die souveräne Verantwortung für die Landesdefension sowie de facto die Landeshoheit in inneren Angelegenheiten.491 Dies schloss jedoch die Aufstellung regulärer besoldeter Truppen nicht mit ein. Diese gehörten allerdings unweigerlich zum Selbstverständnis eines souveränen Fürsten, und Ernst wollte, trotz des Nexus Gothanus, als ein solcher verstanden werden. Letztendlich muss der 1699 erfolgte Vorschlag zur Errichtung einer regulären und besoldeten Schlosswache als Verstoß gegen die brüderli487 488 489 490 491
ThStAM, GA Hbn, XI, 4, fol. 45r. Ebd., fol. 51r. Ebd. Ebd. RÖDER, Von den Herzoglich-Sächsischen Reichs-Tags-Stimmen, S. 292 f.
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che Erbteilung von 1680, die den Nexus Gothanus begründete, verstanden werden. Es handelte sich dabei um eine von zahlreichen Handlungen, mit denen der Herzog am Ende des 17. Jahrhunderts Sachsen-Gotha-Altenburg seine Intention zur Loslösung vom Nexus Gothanus signalisierte. Neben diesem staatsrechtlichen Aspekt liegt zweifelsohne in der Repräsentation fürstlicher Macht ein weiterer wichtiger Grund für die Errichtung der Schlosswache. Der Herzog geriet dabei bereits im Jahre 1697 unter Zugzwang, als der im Rang niedriger stehende gefürstete Graf Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen eine eigene Leibgarde errichtete.492 Da aber das herzogliche Privatvermögen nicht ausreichend war, um auf Dauer die Ausrüstung und Besoldung einer Schlosswache zu gewährleisten, war Herzog Ernst gezwungen, sich an die Landstände zu wenden, um Mittel zu akquirieren. Die Ämter des Fürstentums erbrachten jedoch vergleichsweise geringe Einnahmen, und die Untertanen waren bereits seit 1696 durch fünf Extrasteuern belastet.493 Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich die Landstände nach sorgsamer Überlegung auf einem weiteren Landtag am 1. Dezember 1699 gegen die Einrichtung einer regulären Schlosswache erklärten. In einer gemeinschaftlich verfassten Schrift wurde der Herzog auf die entstehenden Kosten sowie auf Probleme bei der Einquartierung der Schlosswache hingewiesen. Im weiteren Verlauf vermochten es die hildburghäusischen Landstände, welche das gesamte 18. Jahrhundert hindurch allgemein als sehr schwach einzuschätzen sind,494 nicht, das Vorhaben des Herzogs zu unterbinden. Vielmehr gaben sie dem Willen des Fürsten nach, sodass dieser bereits Mitte Januar 1700 den Obristwachtmeister und nachmaligen Befehlshaber der Schlosswache Johann v. Heßberg anwies: „Ihr wollet allen Fleißes daran seyn, daß solche zu Schlosswacht benöthigende Mannschaft ohngesäumt und sobald nur möglich, zusammen gebracht und sofort ermelte Wacht in Stand gerichtet werden möge.“495 Das Unvermögen bzw. der Unwille der Landstände, mäßigend auf einen Fürsten einzuwirken, ist ein verbreitetes Phänomen bei den Kleinstaaten des Alten Reiches.496 Die Landstände in Sachsen-Hildburghausen kritisierten 492 OHL, Zur Militärgeschichte des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen, S. 158; Vinzenz CZECH, Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis thüringischsächsischer Reichsgrafen in der Frühen Neuzeit (= Schriften zur Residenzkultur, Bd. 2), Berlin 2003, S. 192. In Schwarzburg-Rudolstadt erfolgte die Errichtung einer Garde erst 1730. 493 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 143. 494 WITTER, Die Landstände, S. 252 f. 495 ThStAM, GA Hbn, XI, 4, fol. 64r. 496 WILSON, War, State and Society, S. 54 f., 68 f.; PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer, S. 181 bemerkt dazu: „Die Gründe für das Verhalten der adligen Landschaft oder ihrer Mittel bewilligenden Ausschüsse sind noch nicht ausreichend untersucht. […] Jede Landesgeschichte zeichnet ein anderes Bild und einige von Ihnen vermitteln den Eindruck, als ob gerade die Gewährung dieses mi-
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zwar des Öfteren die herzogliche Politik, griffen jedoch zu keiner Zeit darin ein. Tatsächlich standen in Sachsen-Hildburghausen, wie auch anderswo, die Mitglieder des Landtages gleichzeitig in den Diensten des Herzogs und bekleideten höfische Ämter, sodass ein klarer Interessenkonflikt vorlag.497 Obwohl bereits seit Januar 1700 innerhalb des Fürstentums für die Schlosswache geworben wurde, konnte diese erst gegen Ende des Jahres formiert werden. Es handelte sich bei dieser Einheit um die erste stehende Truppe des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen. Sie bildete die Grundlage für die spätere Errichtung der Garde zu Fuß sowie der Garde du Corps zu Pferd.
Abbildung 1: Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen (1655–1715), um 1690. Gemälde, Öl auf Leinwand von einem unbekannten Künstler
litärischen Eigenraumes [Militär für den Fürsten], dessen Erhalten Geld kostete, den Landesvater den Ständen finanziell neu verpflichtete und überhaupt eine neue Form der Affinität einleitete.“ 497 HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 508.
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4.1.2 Venezianische Subsidien und die Blütezeit der Garden (1715–1724) Nach dem Tod von Herzog Ernst im Jahre 1715 übernahm dessen ältester Sohn als Ernst Friedrich I. die Regierung des Fürstentums SachsenHildburghausen. Ernst Friedrich I. war trotz seiner vergleichsweise kurzen Regierungszeit der bedeutendste Förderer des hildburghäusischen Militärs. Diese Tatsache ist eng mit seiner militärischen Biographie verwoben: Der im Jahre 1681 geborene Ernst Friedrich I. wurde bereits 1693 Inhaber eines Kavallerieregiments in den Vereinigten Niederlanden. Den aktiven Dienst als Obrist dieses Regiments übernahm er bei Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714). Im Laufe dieses Konflikts stieg Ernst Friedrich I. sowohl in niederländischen als auch in kaiserlichen Diensten in hohe Würden auf. Er erlangte bis zum Ende des Krieges die Ränge eines kaiserlichen Generalfeldmarschall-Leutnants sowie eines niederländischen Generalmajors der Kavallerie. Den größten Teil des Krieges verbrachte Ernst Friedrich bei seinem Regiment in den Niederlanden. Er nahm hier an den Belagerungen von Venlo, Roermonde, Nimwegen und Bonn teil und war mit dem militärischen Dienst bestens vertraut. Es ist evident, dass der Spanische Erbfolgekrieg einen bleibenden Eindruck auf den Erbprinzen hinterließ, dessen Auswirkungen nach Kriegsende in Sachsen-Hildburghausen spürbar wurden. Ernst Friedrich I. war aufgrund des Todes seines Vaters gezwungen, den aktiven Militärdienst gegen die Regierung des Fürstentums einzutauschen. In den zahlreichen Feldzügen des Spanischen Erbfolgekrieges hatte er als Obrist und General die Verantwortung über mehrere hundert bis mehrere tausend Soldaten übernommen. Nach seiner Ankunft in Hildburghausen fand er jedoch lediglich die Schlosswache seines Vaters mit der Mannschaftsstärke einer halben Kompanie sowie das Landregiment vor. Der militärisch ambitionierte Herzog hatte wahrscheinlich bereits vor dem Antritt seiner Regierung Pläne, das hildburghäusische Militär auszubauen. Das dringendste Problem, welches ab 1715 in diesem Zusammenhang gelöst werden musste, waren die zu diesem Zeitpunkt bereits stark beschränkten finanziellen Mittel des Fürstentums, die keinerlei Raum für den Unterhalt von Soldaten ließen. Eine Möglichkeit, vergleichsweise schnell Geld in das Fürstentum fließen zu lassen, stellten Subsidienverträge mit ausländischen Mächten dar. Mit der allgemeinen Praxis der Subsidienpolitik dürfte Ernst Friedrich I. vor allem während seiner Dienstzeit in den Vereinigten Niederlanden in Berührung gekommen sein. Zumindest waren die Generalstaaten – neben dem Kaiser selbst – im Verlauf des 18. Jahrhunderts die bedeutendsten Subsidienzahler im Reichsgebiet.498 498 Siehe die Zusammenstellungen bei WILSON, German Armies, S. 93, 108 f., 259, 311.
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Diese Verträge waren besonders für kleinere Territorialstaaten mit wenigen Truppen und geringerem Ausbildungsstand risikobehaftet, da hier die Preise für formierte Kompanien oder Regimenter besonders stark schwankten.499 Gelegentlich blieben Zahlungen sogar vollständig aus. Dessen ungeachtet betrachtete Herzog Ernst Friedrich I. Subsidienverträge als geeignetes Mittel der Haushaltskonsolidierung. Obwohl derartige Verträge mit dem Fürstentum Sachsen-Hildburghausen niemals zustande kamen, sind die darüber geführten Verhandlungen und erstellten Entwürfe von weitreichender Bedeutung für die strukturelle Entwicklung des hildburghäusischen Militärwesens im 18. Jahrhundert. Sie geben zudem auch allgemeine Einblicke in die zeitgenössischen Denkmuster. Die ersten Subsidienverhandlungen wurden im Jahre 1716 mit bevollmächtigten Offizieren der Republik Venedig geführt.500 Seit Dezember 1714 befand sich Venedig mit dem Osmanischen Reich im Krieg und nutzte vor allem den General Johann Matthias von der Schulenburg und seine Kontakte, um deutsche Fürsten zur Aufstellung von Truppen zu bewegen. Tatsächlich existierte ein Netzwerk von venezianischen Kontaktpersonen im Reich, die vielerorts Angebote zur Truppenwerbung unterbreiteten und worüber Herzog Ernst Friedrich I. bereits seit Ende des Jahres 1715 informiert war. In einer Unterhandlung mit dem venezianischen General Heister in Bamberg informierte sich der hildburghäusische Kammerrat Johann Gottfried Stegmann im Auftrag des Herzogs zunächst über die Konditionen zur Anwerbung von Truppen für die Republik Venedig.501 Ein vollständiges Infanterieregiment umfasste demnach 1500 Mann inklusive Prima Plana. Nach Aufrichtung der Einheit sollte diese umgehend nach Verona marschieren und nach Überschreiten der venezianischen Grenze, aufgrund der ausgebrochenen Pest, zunächst unter Quarantäne gehalten werden.502 Im Rahmen der Verhandlungen sagte Venedig zu, für jeden angeworbenen und ausgerüsteten Mann den ungewöhnlich hohen Preis von 68 Reichstaler zu vergüten. Dieses Versprechen ließ die herzoglichen Berater ausführliche Berechnungen über den zu erwirtschaftenden Profit anstellen, der sich aus der Differenz zwischen venezianischer Bezahlung und eigener Investition ergab.
499 PAPKE, Von der Miliz zum Stehenden Heer, S. 195. 500 Zum genauen Verhandlungsverlauf und Ergebnis vgl. Oliver HEYN, Die Leibfahne des Infanterieregiments „Sachsen-Hildburghausen“ aus dem Venezianisch-Türkischen Krieg (1714–1718), in: Zeitschrift für Heereskunde 446 (2012), S. 194–197. Zeitgleich beabsichtigte auch Herzog Ernst Ludwig I. von Sachsen-Meiningen die Anwerbung eines Truppenkorps für die Republik Venedig, vgl. ThStAM, SM, Inneres, 24447. 501 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, 28.1.1716, fol. 1r. 502 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, o. D. „Capitulation wegen Aufrichtung eines Regiments zu Fuß zu Diensten der Republique Venedig“.
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Dies stellte sich in den Entwürfen, die dem Herzog als Empfehlung vorgelegt wurden, meist wie folgt dar:503 Venedig zahlt pro Mann: 6 Reichstaler Hand- und Werbegeld 18 Reichstaler Verpflegungskosten 10 Reichstaler Marschkosten bis zur Grenze = 34 Reichstaler
Sachsen-Hildburghausen zahlt pro Mann: 6 Reichstaler Hand- und Werbegeld 9 Reichstaler Verpflegungskosten 3 Reichstaler Marschkosten bis zur Grenze = 18 Reichstaler
Tabelle 4: Entwurfsrechnung zum venezianischen Subsidienprojekt, 1716
Nach dieser Übersicht, bei der von Seiten Sachsen-Hildburghausens enorme Einsparungen vorgenommen werden sollten, ergab sich eine Differenz von 16 Reichstaler. Diese mit der Mannschaftszahl des Regiments (1500) multipliziert, ergab einen Profit von 24.000 Reichstaler. Davon mussten noch die Kosten für die Anwerbung der Offiziere abgezogen werden sowie eine kurzzeitige Besoldung, da die Republik Venedig die Bezahlung erst auf venezianischem Boden übernahm. Doch auch nach Abzug dieser Summen stand am Ende der Rechnung noch immer ein beträchtlicher Profit. Das archivalische Material zu dieser Angelegenheit ist nicht sehr umfangreich und zeichnet sich durch offensichtliche Konfusion aus. Rechnungen, Konzeptpapiere und Korrespondenzen sind ungeordnet abgelegt und vermitteln ein anschauliches Bild der damaligen Situation. Denn abgesehen von den euphorischen Plänen, ein Regiment zum Dienst für die Republik Venedig anzuwerben, war schnell klar geworden, dass die erforderliche Regimentsstärke von 1500 Mann die Möglichkeiten Sachsen-Hildburghausens deutlich überstieg. Um dennoch die Reputation zu wahren, ging man von Seiten des Fürstentums bald Kompromisse ein. Ein erster war die Verleihung der Fahne und des Namenszuges „Sachsen-Hildburghausen“ an ein Regiment unter dem Kommando des venezianischen Generalleutnants Friedrich Hartwig v. Nostitz, ohne dass dort auch nur ein einziger Soldat aus dem Fürstentum Dienst tat.504 Anschließend – etwa Mitte März 1716 – trat Ernst Friedrich I. in Unterhandlungen mit dem General de la Motte de Breuille, der gleichzeitig Obrist des in venezianischen Diensten stehenden Infanterieregiments Fugger war.505 Der Herzog wandte sich mit dem Angebot an den Obristen, diesem 503 Weitere 34 Reichstaler für „Leibes- und andere Beymontur, auch Ober- und Untergewehr“ übernahm die Republik Venedig komplett und sind hier nicht enthalten. 504 HEYN, Die Leibfahne, S. 195 ff., das Quellenmaterial dazu bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 5 ff. 505 ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, 21.3.1716, fol. 1r.
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300 Mann zu seinem Regiment zu stellen. De la Motte bot dem Herzog pro Mann fünfzig Reichstaler und bestand auf der folgenden Bedingung: „Angehend die 300 Mann aber, müßen selbige höchstens den 10. April marchiren, im Fall dieses nicht seyn kann, wirdt man sich in keine Capitulation einlaßen.“506 Damit standen dem hildburghäusischen Herzog drei Wochen zur Verfügung – eine viel zu kurze Zeitspanne, um die Truppen anzuwerben bzw. zu vervollständigen.507 Daher scheiterte auch diese Truppenstellung vollständig und damit jede weitere Verhandlung mit der Republik Venedig oder deren Bevollmächtigten. Diese Entwicklung war zunächst für den Herzog unproblematisch, da bislang wenig Geld investiert worden war. Doch in der Euphorie des Februar 1716 hatte der Herzog bereits die Uniformierung des aufzurichtenden Regiments entworfen und die Einzelheiten der Lieferung von zunächst vierhundert Uniformen mit dem jüdischen Handelsmann Isaak Nathan aus Aub besprochen.508 Diese wurden auch geliefert, obwohl niemals ein Vertrag mit der Republik Venedig zustande kam. Damit verfügte man über zahlreiche farbenprächtige Uniformen, ohne diese jedoch einer Nutzung zuführen zu können. Bereits wenige Monate nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Republik Venedig wurde im Fürstentum an einem „Project der vor Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht Sachsen-Hildburghausen zu errichtende Guarde de Grenadiers“ gearbeitet. Obwohl im Quellenmaterial dazu kein expliziter Bezug auf die venezianischen Verhandlungen genommen wird, scheint ein Zusammenhang zwischen beiden Projekten aufgrund der zeitlichen Nähe plausibel. Dies ist umso mehr der Fall, da die Ausgestaltung der Uniformen der nun neu zu errichtenden Grenadiergarde jenen des geplanten Regiments im Dienste der Republik Venedig entsprach. Ein weiterer Punkt verdient Berücksichtigung: Im Mai 1717 wurden Teile des Landregiments zur Eindämmung einer Unruhe nach Hildburghausen beordert. Sie widersetzten sich hier jedoch den Befehlen der Offiziere, gegen die Menge aufgebrachter Bürger vorzugehen.509 Damit zeigte sich eindrücklich, dass sich das Landregiment unter bestimmten Voraussetzungen dem fürstlichen Willen entziehen konnte und keinesfalls Befehle unreflektiert ausführte. 506 Ebd., fol. 2r. 507 Es wurden tatsächlich mehrere Dutzend Rekruten angeworben. In Sachsen-Coburg erging um diese Zeit eine Rufung aller desertierten hildburghäusischen Rekruten, vgl. BayStA Co, LAF, 4569. Zudem verhandelte Ernst Friedrich I. mit anderen ernestinischen Häusern über Durchmarschgenehmigungen für geworbene Rekruten, vgl. BayStA Co, LAB, 3850. 508 ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, 27.2.1716. Die vom Herzog entworfenen und später gelieferten Uniformen entsprachen denen der späteren Garde zu Fuß. Sie werden im Punkt 4.1.7: Uniformierung und Ausrüstung genauer behandelt. 509 Siehe Punkt 3.2.4: Die Unruhen des Jahres 1717.
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Bereits im Juni 1717 erfolgte daher auf Befehl des Herzogs die Reduzierung bzw. teilweise Auflösung des Landregiments. An seine Stelle sollte eine professionalisierte und Ernst Friedrich I. treu ergebene Grenadiergarde treten. Diese Einheit wurde mit dem offiziellen Auftrag zu „Serenissimi Sicherheit und Bestreitung der nöthigen Wachten“510 um die Mitte des Jahres 1717 aufgerichtet und stellte den Nachfolger der mannschaftsschwächeren Schlosswache dar. Zur gleichen Zeit etablierte der Herzog auch eine berittene Garde du Corps, die seine persönliche Leibwache darstellte und in einem nachfolgenden Kapitel eingehender behandelt wird. Die Finanzierung dieser Truppenteile übernahmen erneut die Landstände, an die sich Ernst Friedrich I. auf einem Landtag des Jahres 1717 wandte: „Ist zu Sublevation des Landes, das bißhero gestandene Landregiment mit Aufhebung derer Ihnen ertheilten Privilegiorum abgedancket und […] eine Garde zu Pferd und Fuß, als 36 Guarde Reuther und eine Compagnie Grenadier à 100 Mann anzuwerben, resolviret worden; So wird eine getreue Landschafft nicht allein die hierzu nöthige Steuern richtig auswerffen, sondern es auch dahin vermitteln helfen, daß von denen Gerichten in den Ämtern, maßen die Unterthanen der Wachten nunmehro enthoben sind, ein gewißes Wachtgeld zu desto beßerer Subsistenz solcher Guarde beygetragen werde […].“511 Die Grenadiergarde wurde nachfolgend mit einer Stärke von 135 Mann inklusive Prima Plana projektiert. Ihre tatsächliche Stärke schwankte während der Regierungszeit Ernst Friedrichs I. jedoch stets zwischen 120 und 170 Mann.512 Neben den Soldaten der Schlosswache bildeten mehrere Dutzend Rekruten, die bereits im Rahmen der venezianischen Subsidienverhandlungen angeworbenen worden waren, den Grundstock der Truppe. Nach ihrer Errichtung versah die Grenadiergarde einen strengen Wachdienst in Hildburghausen. Sie stellte hier die Nachtwache und sicherte Stadttore und Residenzschloss. Darüber hinaus hatte sie wesentlichen Anteil am militärischen Ausbau der Veste Heldburg, wo Teile der Grenadiergarde als Garnison stationiert waren. Der größte Teil der Truppen war jedoch bei Bürgern der Residenzstadt einquartiert und hatte ständigen Kontakt zur Zivilbevölkerung. 4.1.3 Von der Reduzierung zur Auflösung (1724–1737) Mit dem Tod von Herzog Ernst Friedrich I. am 9. März 1724 verstarb der bedeutendste Förderer des Militärwesens im Fürstentum SachsenHildburghausen. Zum Zeitpunkt des Todes von Herzog Ernst Friedrich I. 510 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 95r. 511 ThStAM, GA Hbn, XI, 6, fol. 9r. 512 ThStAM, GA Hbn XXII, 35; XXII, 39; DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 119.
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war dessen Sohn, Ernst Friedrich II., erst 16 Jahre alt. Daher übernahm die Gemahlin des Herzogs, Sophia Albertine, die Regentschaft für ihren noch unmündigen Sohn. Die Lage der Herzogin war äußerst schwierig: Ernst Friedrich I. hatte während seiner Regierungszeit eine erhebliche Schuldenlast angehäuft und mehrere finanzpolitische Fehlentscheidungen getroffen, die noch weit über seinen Tod hinaus wirkten. Die Einkünfte des Fürstentums wurden geschmälert, und zahlreiche Gläubiger meldeten bereits Klagen beim Reichshofrat an.513 Es galt daher, zunächst die jährlichen Ausgaben für die Landesverwaltung deutlich zu reduzieren, um eine Konsolidierung des Staatshaushaltes zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang betrieb die Herzogin eine Ernst Friedrich I. völlig entgegensetzte Finanz- und Außenpolitik. Die drastische Einschränkung des Militärs im Fürstentum war der erste Schritt der neuen Politik. Aufgrund der raschen Umsetzung dieses Vorhabens ist wohl davon auszugehen, dass Sophie Albertine bereits vor dem Tod des Herzogs die wachsende Bedeutung des Militärs kritisch beurteilte. Bereits einen Monat nach dem Tod Ernst Friedrichs I. erfolgten erste Abdankungen zahlreicher Soldaten. Die berittene Garde du Corps, die dem Herzog besonders am Herzen lag, wurde vollständig entlassen. Die Grenadiergarde wurde am 24. April 1724 offiziell um zwei Drittel reduziert und zahlreiche Offiziersstellen wurden gekürzt. Letztendlich verblieben lediglich 46 Mann inklusive Prima Plana im Dienst.514 Die Herzogin war mit derartigen Maßnahmen im finanziellen Sektor durchaus erfolgreich. Noch im Jahre 1722 betrug der Anteil der Militärausgaben am Etat der Landesverwaltung etwa 52 Prozent, während es 1725 nur noch etwa 27 Prozent waren.515 Zwar wurden Kürzungen und Sparmaßnahmen in allen Bereichen des Staatswesens vorgenommen, doch wurde dies nirgendwo derart rigoros umgesetzt wie beim Militär. Ein großes Problem für die Staatsfinanzen entstand wenig später mit der am 19. Juni 1726 erfolgten Vermählung Ernst Friedrichs II. mit Caroline von Erbach-Fürstenau. Der Erbprinz, der bereits in seiner Jugend seinen Vorfahren nachgeeifert hatte und wenig Sinn für Sparsamkeit an den Tag legte, beabsichtigte, sich nach seiner Heirat dauerhaft in Hildburghausen niederzulassen. In Hinsicht auf die hohen Ausgaben für einen Hofstaat bemühte sich die Herzogin, ihren Sohn dahin zu bewegen, sich zunächst außerhalb des Fürstentums aufzuhalten.516 In dieser Situation verschlechterte sich das Verhältnis 513 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 281, Katharina WITTER, Sophie Albertine von Sachsen-Hildburghausen. Eine unglückliche Vormundschaftsregentin, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 24 (2009), S. 78. 514 Vgl. ThStAM, GA Hbn XXII, 35. 515 Eine Aufstellung dazu bei DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 78 f. u. 80. 516 HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 517.
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zwischen Mutter und Sohn zusehends. Als Ernst Friedrich II. im Mai 1727 nach Hildburghausen zurückkehrte, projektierte er bereits die Verdrängung seiner Mutter aus den Regierungsgeschäften.517 Im Mai 1728 kam jedoch ein Vergleich zwischen Herzogin und Erbprinz zustande, der die Regierungsübernahme regelte und die Einhaltung eines strikten Sparplans vorsah.518 Herzog Ernst Friedrich II. trat die Regierung im Fürstentum SachsenHildburghausen am 17. Dezember 1728 offiziell an. Am selben Tag sprach er im Rahmen einer Landtagssitzung und stellte den Landständen die Grundzüge seiner Regierungspolitik vor.519 Die Ausführungen des Herzogs zeugen von offenkundigem Verantwortungsbewusstsein, hatten aber lediglich das Ziel, die Landstände wohlwollend zu stimmen. Zum hiesigen Militär erklärte Ernst Friedrich II.: „Ist die Garde oder vielmehr das Reichskontingent, welches nach dem vormals zu Regensburg ausgefallenen Reichsschluss an Mannschaft viel stärker sein sollte, nunmehr dergestalt eingeschränket, daß geringere gräfliche Häuser deren eine größere Zahl unterhalten, mithin eine reichskonstitutionsmäßige Vermehrung wohl höchstnötig wäre. Es soll aber bei den gegenwärtigen Umständen bei der gegenwärtigen Verfassung des Landregiments bleiben.“520 Obwohl Ernst Friedrich II. bereits zu diesem Zeitpunkt die aus seiner Sicht zu schwache Position des hildburghäusischen Militärs herausstellte, wirkte er dennoch beruhigend auf die Landstände ein und gewann für sein weiteres Vorhaben Zeit. Am 28. August 1729 ging den Landständen ein Schreiben des Herzogs zu, in dem dieser erstmals die personelle Aufstockung der Grenadiergarde verlangte.521 Ernst Friedrich II. – mittlerweile offenbar gut informiert – wies darauf hin, „daß, weil das Reichs Conclusum bekanntlich dahin gienge, daß zu Friedens Zeiten ein jeder Reichs Stand 1/3 von der sonst ihme competirenden Mannschafft, als den Fuß des bey sich ereignenden Fall zu completirenden Contingents, jederzeit unterhalten solle“.522 Es ist interessant, den weiteren Verlauf der aufschlussreichen Diskussion um die Erhöhung der Grenadiermannschaft zu verfolgen. Die darüber geführten Verhandlungen stellen den Anfang einer ganzen Reihe rasch erlangter Erfolge des Herzogs gegen die Landstände dar: Zum Zeitpunkt der herzoglichen Erklärung bestand die Grenadiergarde bereits aus etwa vierzig Mann. Ernst Friedrich II. beabsichtigte mit seinem Vorschlag, zunächst eine geringe Aufstockung um etwa ein Dutzend Soldaten sowie die Übernahme der dafür 517 WITTER, Sophie Albertine, S. 84–87 illustriert den Konflikt zwischen Herzogin und Erbprinz sowie die damit verbundenen Verstrickungen umfassend. 518 Ebd., S. 89. 519 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 82 f. 520 Ebd. 521 ThStAM, GA Hbn, 437, fol. 246v. 522 Ebd., fol. 247v.
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anfallenden Kosten durch die Landstände. Diese sahen aber keinen Grund, sich am Projekt zu beteiligen. Dies wurde hauptsächlich mit der allgemein herrschenden Unklarheit über die genaue Mannschaftsstärke des hildburghäusischen Reichskontingents begründet. Es lag kein obersächsischer Kreisschluss dazu vor, und auch aus anderweitigen Quellen war dies nicht zweifelsfrei ersichtlich.
Abbildung 2: Herzog Ernst Friedrich II. v. Sachsen-Hildburghausen (1707–1745) mit blauer Schärpe vom polnischen Orden des Weißen Adlers, wahrsch. 1737. Gemälde, Öl auf Leinwand wahrsch. von Johann Valentin Tischbein
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Um seine Position zu untermauern, griff der Herzog schließlich auf die zuverlässigste und zudem einzig zur Verfügung stehende Quelle zurück: das Protokoll der Coburger Konferenz von 1703. Hier hatten die ernestinischen Staaten ihre Beteiligung am Spanischen Erbfolgekrieg geregelt und bindende Zahlen für die Reichskontingente aller Territorien festgesetzt. Auf SachsenHildburghausen entfielen 155 Mann, was bei einem Anteil von einem Drittel im Ergebnis 51 Mann erbrachte. Diese Mannschaftszahl suchte Ernst Friedrich II. bei den Landständen durchzusetzen. Dagegen argumentierten Letztere u. a., dass sich das hildburghäusische Territorium seit der 1703 erfolgten Festsetzung des Mannschaftsquantums bedeutend verändert habe und daher die Zahl wohl verringert werden müsse.523 Die Landstände gaben zudem zu bedenken, dass „beständiger Weise nicht zu behaupten, daß [das] Matricular-Quantum und das vollzählige Reichs Contingent hiesigen Fürstenthums (consequent das sogenannte Simplum) 155 Mann […] betrage“.524 Ohne dass es die Landstände explizit angemerkt hätten, beinhaltete die Rechnung des Herzogs einen gravierenden Fehler: Die der Coburger Konferenz zugrunde liegende Veranschlagung bezog sich auf die vom Reichstag beschlossene Aufbietung des Triplums der Reichsarmee. In 51 Mann besteht also das reguläre Simplum, das gemäß des Ein-Drittel-Anteils in Friedenszeiten auf 17 Mann hätte vermindert werden müssen. Die Ausführungen der Landstände nannten des Öfteren den Terminus des „miles perpetuus“ und erfassten damit den Kern der gesamten Angelegenheit. Herzog Ernst Friedrich II. trieb mit der Mannschaftsaufstockung und der Zurückdrängung der landständischen Eingriffe den weiteren Ausbau stehender Truppen voran. Außer den schwierigen Finanzierungsmöglichkeiten konnte kein Reichsgesetz dies verhindern. Um den Konsens der Landstände zu erlangen, wurde das gesamte Unternehmen unter dem Deckmantel kreis- und reichsverfassungsmäßiger Verpflichtungen gerechtfertigt. Die Landstände gaben letztendlich nach. Wie die weiteren Entwicklungen zeigten, gelang es dem Herzog in den Jahren nach 1729, mit der Grenadiergarde in allen Belangen nach eigenem Willen zu verfahren. Ebenso wie seine Vorfahren maß auch Herzog Ernst Friedrich II. dem Militär große Bedeutung zu. Dies ist umso erstaunlicher, als der Herzog selbst nie in Militärdiensten stand. Zwar bekleidete er seit 1733 den ihm von Kaiser Karl VI. verliehenen Rang eines Obrist-Feldwachtmeisters, doch handelte es sich dabei lediglich um einen Titularrang.525 Auch die im Jahre 1743 erfolgte Beförderung in den Rang eines Generalfeldmarschall-Leutnants war lediglich 523 Zu den Einwänden der Landstände vgl. ThStAM, GA Hbn, 437, fol. 249 f. Die angesprochene territoriale Veränderung meint den Wegfall des Amtes Schalkau im Jahr 1723. 524 ThStAM, GA Hbn, 437, fol. 249v. 525 SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 52.
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eine Prestigeangelegenheit.526 Der Herzog litt sein gesamtes Leben hindurch unter einer labilen Gesundheit und mied daher den aktiven Militärdienst.527 Dessen ungeachtet kann Ernst Friedrich II. aber als ein Landesherr gelten, der sich durch eine starke Reglementierungs- und Verordnungstätigkeit auszeichnete. In besonderem Maße ist dies im Rahmen des Militärwesens nachzuweisen, wo der Herzog u. a. strenge Disziplin anordnete und auch vor gewaltsamer Werbung nicht zurückschreckte. 250
14000 202
12000
163 150
10000
171 145
135
8000
100
50
77 46
51
84
89
6000
83
45
4000
Ausgaben in Gulden
Ø Mannschaftszahl p.a.
200
42 2000
0
0 1717 1720 1722 1724 1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737
Graphik 3: Mannschaftsstärke und Finanzen der Grenadiergarde, 1717–1737
Wie das oben stehende Diagramm528 veranschaulicht, erreichten die Militärausgaben gegen Ende der Regentschaft Sophia Albertines einen Tiefstand. Nachdem sich Ernst Friedrich II. im Jahr 1729 gegen die Landstände durchgesetzt hatte, begann eine stetige Aufstockung des Mannschaftsstandes der Grenadiergarde. Bereits zwischen Januar und April 1730 ist eine erneute Erhöhung der Mannschaftstärke zu verzeichnen. Anders als Ernst Friedrich I., der Rekruten der Garden zügig anwerben ließ, entschied sich Ernst Friedrich II. für eine Aufstockung der Grenadiergarde über einen längeren Zeitraum hinweg. Mit diesem Vorgehen beabsichtigte der Herzog, die Einheit letztendlich wieder auf den Stand von 1722 zu bringen. Tatsächlich erreichte der Herzog im Jahre 1735 sogar einen Höchststand von 202 Mann inklusive Prima Plana. Dies gelang durch Werbungen, die sowohl innerhalb als auch 526 ThStAA, Geheimes Archiv Altenburg, Supplement, 25. 527 HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 231. 528 Auf Grundlage von Daten aus ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 39, 43, 46 zusammengestellt.
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außerhalb des Fürstentums vorgenommen wurden. Die Anwerbung größtenteils freiwilliger Rekruten wurde bereits ab 1730 mit umfassenden Dienstverpflichtungen kombiniert. Dabei wurden Mannschaftslisten von den Schultheißen der Dorfschaften des Fürstentums angefordert und taugliche junge Männer anschließend willkürlich in den Militärdienst gedrängt. Dies führte dazu, dass zahlreiche Männer das Fürstentum verließen, um jenseits der Landesgrenzen der Werbung zu entgehen. Um ausreichend Mannschaften zu rekrutieren, wurde schließlich selbst Straftätern Straferlass gewährt, sofern sie sich zur Grenadiergarde werben ließen.529 Im März 1734 wurde sowohl für das Reichskontingent im Polnischen Thronfolgekrieg als auch für die Grenadiergarde stark – teilweise sogar gewaltsam – geworben.530 Zu diesem Zeitpunkt beschwerten sich bereits einige Handwerksmeister der Residenzstadt, dass es mittlerweile nahezu unmöglich sei, noch Gesellen zu finden.531 Damit wurde durch die Werbung nicht nur die Wirtschaft des Fürstentums gefährdet, sondern dem Staatshaushalt wurden weitere Kosten aufgebürdet. Im Jahre 1734 stiegen die Kosten für die Grenadiergarde beträchtlich an und bewegten sich wahrscheinlich bis 1736 auf hohem Niveau. Diese Entwicklung, die Herzog Ernst Friedrich II. selbst in Gang gesetzte hatte, wurde schließlich durch ihn schrittweise beendet. Eine erste Reduzierung der Grenadiergarde fand im Jahre 1736 statt, eine weitere Ende 1737, wobei lediglich 42 Mann inklusive Prima Plana erhalten blieben. Doch auch diese geringe Mannschaft wurde nur wenige Wochen später – der Zeitraum ist nicht genauer einzugrenzen – vollständig entlassen.532 Die Gründe dafür können nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Wahrscheinlich stiegen die Kosten für das Militär noch exorbitanter, oder der Herzog versuchte, durch Sparmaßnahmen seine finanziellen Möglichkeiten für neue Projekte zu erweitern. Dafür spricht, dass er zur Zeit der Entlassung der Grenadiergarde eine ausgeprägte Bautätigkeit entfaltete.533 Zwar wurde Ernst Friedrich II. vom Kurfürs529 530 531 532
Ein solcher Fall in ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 20.1.1731. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 393/2083. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 1.4.1734. Die Entlassung der Grenadiergarde musste noch 1737 stattgefunden haben, da nur bis zu diesem Jahre Rechnungen der Einheit vorliegen, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48. Aus dem Jahre 1749 liegt eine Übersicht zu den Ausgaben der Gardegrenadiere vor, in welcher es heißt: „[…] nun ist es bereits 12 Jahr daß besagte Garde abgedancket worden ist“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 46. 533 Als Beweise der regen Bautätigkeit können folgende Projekte gelten: Im Jahre 1736 begann der Bau des Lustschlosses „Karolinenburg“, welches für die Herzogin Caroline Amalie errichtet wurde. 1739 wurde das Lustschloss „Montbijou“ nahe Hildburghausen erbaut. Im Jahre 1740 erwarb Ernst Friedrich II. das Schloss des Rittergutes Goßmannsrod und ließ 1742 das Schloss in Eisfeld ausbauen, vgl. DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 84; SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 54 f.
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ten Karl Theodor von der Pfalz noch am 18. April 1743 zum Inhaber des bisherigen Infanterieregiments „Sachsen-Meiningen“534 ernannt, doch beschäftigte sich der Herzog nur noch peripher mit militärischen Angelegenheiten. Bis zu seinem Tod im Jahre 1745 begnügte sich Ernst Friedrich II. mit dem Bestand des Landregiments.
4.1.4 Ein unbeliebter Freiherr und die erneute Errichtung der Garde (1750) Herzog Ernst Friedrich II. starb am 13. August 1745. Er hinterließ zwei Söhne und zwei Töchter. Der älteste Sohn, Ernst Friedrich III. Carl, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig, sodass die Herzogin Caroline Amalie die Regentschaft des Fürstentums übernahm. Wie bereits erwähnt, bestand zu diesem Zeitpunkt kein reguläres Militär in Sachsen-Hildburghausen, und dies änderte sich auch während der dreijährigen Regentschaft der Herzogin nicht. Im Jahre 1748 trat dann Herzog Ernst Friedrich III. Carl die Regierung im Fürstentum an. Das Problem der Staatsverschuldung blieb nach wie vor ungelöst, und der neue Herzog – der wie seine Vorgänger wenig Anstalten zur Sparsamkeit machte – verschärfte die Lage noch zusehends. Anders als sein Bruder Friedrich Wilhelm Eugen, der dänischer Generalmajor der Infanterie war, nahm der Herzog nicht aktiv am militärischen Leben teil und war eher der Wissenschaft und Kunst zugetan.535 So ließ er beispielsweise im Jahre 1750 das Hildburghäuser Ballhaus zum Theater mit freiem Eintritt umfunktionieren. Derartige Unternehmungen sowie der Hofstaat des Herzogs, dessen erste Gemahlin Luise eine Prinzessin von Dänemark war, verursachten erneut hohe Kosten. Um die Einnahmensituation zu verbessern, projektierte Ernst Friedrich III. Carl, in Subsidienverhandlungen mit auswärtigen Mächten zu treten. Diese Projekte zeigten einen ähnlichen Verlauf wie bereits 1716 unter Ernst Friedrich I.: Erneut wurden Subsidientruppen zunächst als einfache und naheliegende Lösung der finanziellen Probleme des Fürstentums erachtet. Dieser Einfall war dem Herzog jedoch nicht selbst gekommen. Vielmehr nimmt
534 Dieses kurpfälzische Regiment wurde 1688 als Regiment zu Fuß „Sultzbach“ errichtet. Herzog Ernst Friedrich II. war von 1743 bis 1745 Inhaber des Regiments. Zum Zeitpunkt der Übernahme machte der Herzog seinen Sohn Friedrich Wilhelm Eugen im Alter von 13 Jahren zum Hauptmann einer Kompanie, die aus 108 Mann inklusive Prima Plana bestand. Davon stammten ein Korporal und sechs Gemeine aus SachsenHildburghausen, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 45; SCHÖPPL, Die Herzoge von SachsenAltenburg, S. 55. 535 HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen, S. 233.
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in diesem Zusammenhang ein gewisser Freiherr v. Werther536 eine Schlüsselrolle ein. Dieser gewann im Jahr 1750 zunehmend Einfluss auf den Herzog und befürwortete die Formierung von Subsidientruppen. Zur Identität des Freiherrn v. Werther schweigt sich das archivalische Material weitgehend aus. Nur so viel ist ersichtlich, dass es sich bei ihm um einen erfahrenen, weitgereisten und von sich selbst eingenommenen Militärangehörigen gehandelt haben musste. Es gelang ihm jedenfalls, den Herzog von dem Vorhaben zu überzeugen. Anschließend, wahrscheinlich im August 1750, verfasste Werther eine kleine Schrift mit dem Titel „Discours von dem Nutzen und Schwürigkeiten dieses Unternehmens“.537 Sie sollte die nach wie vor kritischen herzoglichen Räte von Werthers Plan überzeugen, und tatsächlich verwandte der Freiherr die Sprache eines Überredungskünstlers, indem er das Projekt, Subsidientruppen anzuwerben, als eine Leichtigkeit darstellte. Da nach Werthers Ansicht das Projekt ausschließlich Vorteile bot, wurde dem kritischen Leser indirekt Unverstand vorgeworfen. Das unten stehende Schema verdeutlicht Werthers Argumentation innerhalb seiner Schrift:
Subsidientruppen bringen hohen finanziellen Ertrag ein
Hoher Ertrag führt zu größerem Wohlstand der Untertanen
Untertanen im Wohlstand können höhere Abgaben leisten und damit die Einnahmen des Fürsten steigern
Graphik 4: Argumentationsmuster des Freiherrn v. Werther, 1750
Durch die Formierung von Subsidientruppen würden die Macht und der Profit eines Fürsten vermehrt. Er erwerbe sich dadurch Respekt bei seinen Nachbarn. Der Profit bringe wiederum Wohlstand ins Land, denn „die Tracta536 Die Identität des Freiherrn v. Werther ist nicht zweifelsfrei zu klären. Folgendes lässt sich jedoch feststellen: Ein Freiherr v. Werther war 1751 Oberhofmeister der Herzogin Luise, siehe Michael RANFFT, Neue Genealogisch-Historische Nachrichten von den vornehmsten Begebenheiten, welche sich an den Europäischen Höfen zugetragen, Bd. 7, Leipzig 1751, S. 582. Die Angabe von SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 50 u. 68 bezüglich des Freiherrn v. Werther ist falsch. Schöppl beschrieb Christoph Ludwig v. Werther, der bereits 1706 starb, vgl. dazu ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 55, Leipzig 1748, Sp. 712 f. Die angebliche Bekanntschaft des Freiherrn v. Werther mit Ludwig Friedrich v. Sachsen-Hildburghausen ist fraglich. Werther warb nicht für das Regiment Ludwig Friedrichs. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei dem Freiherrn um einen zwischen 1748 und 1750 verabschiedeten niederländischen Offizier gehandelt hat, der in Hildburghausen versuchte, an Geld zu gelangen. 537 Eine Abschrift findet sich in ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, n. pag. und ohne Datierung (nachfolgend als: Discours 1750).
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ten wegen Subsidienvölcker sind eine Art der Kauffmannschafft ins Große“.538 Der Profit des Landes führe zu größerem Wohlstand der Untertanen, die größere Abgaben leisteten, und könne damit die Einnahme des Fürsten beträchtlich steigen. Zudem müssten zahlreiche Untertanen das Land nicht mehr verlassen, um Geld zu verdienen, sondern könnten zum Militärdienst gezogen werden und auf diese Weise in Lohn und Brot gelangen. Bereits diese allgemeinen Argumente Werthers weisen bei genauerer Betrachtung große Ungereimtheiten auf. Einer der Hauptkritikpunkte ist sicherlich die Tatsache, dass zu Beginn des Unternehmens hohe finanzielle Vorschüsse notwendig waren und der projektierte Profit in Form der Subsidien keinesfalls als gesichert gelten konnte. Im ungünstigsten Fall hätte nichts gewonnen werden können, sondern es hätten lediglich neue Schulden angehäuft werden können. Werther war dennoch vom Gelingen des Unternehmens überzeugt und glaubte, durch reife Überlegungen, in wessen Subsidien man die Truppen stellen solle, alle Probleme lösen zu können. Am herzoglichen Hof waren anfangs Großbritannien, DänemarkNorwegen und die Vereinigten Niederlande im Gespräch. Schnell kam man jedoch zu dem Entschluss, dass die Letzteren die günstigsten Konditionen böten. Zum einen hatte das herzogliche Haus gute und lange Kontakte in die Niederlande, zum anderen war die Mannschaftsstärke der niederländischen Regimenter mit achthundert Mann im europäischen Vergleich sehr niedrig, sodass vergleichsweise wenige Mannschaften geworben werden mussten. Zudem glaubte Werther, die liquiden Vereinigten Niederlande bedürften stets ausländischer Truppen, um sich der fortwährenden französischen Bedrohung zu erwehren.539 Tatsächlich jedoch reduzierten die Vereinigten Niederlande nach dem Frieden von Aachen im Jahre 1748 ihr Heer um zwölftausend Mann.540 Dabei wurden sowohl fremde Truppen als auch eigene Regimenter entlassen bzw. wurde deren Mannschaftsstärke gekürzt.541 Werther wusste von diesen Reduzierungen, die seinem Plan abträglich sein mussten; er wusste dies aber geschickt zu kaschieren.542 In jedem Fall war Herzog Ernst Friedrich III. Carl über die niederländischen Verhältnisse nur mangelhaft unterrichtet und legte die gesamte Verantwortung in Werthers 538 Discours 1750, fol. 1r. 539 Ebd., fol. 1v. 540 Richard ROLT, An Impartial Representation of the Conduct of the Several Powers of Europe Engaged in the Late General War, Bd. 4, London 1750, S. 625. 541 John TRUSLER, The Habitable Word Described, or the Present State of the People in All Parts of the Globe, from North to South, Bd. 11, London 1792, S. 122 f. 542 Der Freiherr v. Werther erwähnte pensionierte niederländische Offiziere lediglich einmal beiläufig. Diese waren das Ergebnis der Reduzierung nach 1748. „[…] da die Holländer, theils aus Staats Ursachen, theils um ihre Capitains zu soulagiren, eine gute Menge Soldaten ihrer Dienste erlaßen“, Discours 1750, fol. 2r.
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vermeintlich fähige Hände. Dieser ging nach wie vor davon aus, es sei „nicht [daran zu] zweiffeln, daß ein geschickter Unterhändler wenig Mühe haben wird, sie [die Vereinigten Niederlande] zu seiner Capitulation zu bewegen“.543 Es steht außer Frage, dass Werther sich selbst als diesen Unterhändler sah. Zunächst galt es jedoch, die Anwerbung des Regiments zu projektieren. Um dem Fürstentum nicht zu viele Untertanen zu entziehen, plante man, den Großteil der Soldaten im Ausland anzuwerben. Zahlreiche Mannschaften sollten sich zudem aus entlassenen niederländischen Soldaten rekrutieren. Werther befürchtete nun, die Bürgerschaft Hildburghausens werde sich gegen die Unterbringung der Truppen wehren. Dem hielt er aber entgegen, dass, abgesehen von sonstigen Durchmärschen, im Winter 1743/44 das gesamte bayerische Infanterieregiment des Prinzen Ludwig Friedrich in Hildburghausen einquartiert worden war und sich Platz genug gefunden habe.544 Die Versorgung der Truppe sollte durch Getreidelieferungen erfolgen, welche die Untertanen ansonsten profitabel außer Landes verkaufen würden. Zur Prävention von Desertionen schlug Werther den Abschluss von Kartellen mit den Nachbarstaaten vor. Auch sollten wie allgemein üblich die Hauptmänner der Kompanien auf eigene Kosten den Ersatz desertierter Soldaten übernehmen. Alles in allem zeichnet Werthers Plan keinesfalls das Bild eines für alle Beteiligten lohnenswerten Unternehmens. Vielmehr zielte der waghalsige Entwurf lediglich auf die Bereicherung der herzoglichen Kasse und vor allem der Person Werthers ab. Doch selbst dies konnte allenfalls unter großen Opfern der Stadt- und Landbevölkerung erreicht werden. Charakteristisch für Werthers Plan sind seine eigenen Worte: „Allein, da hier die Rede von dem Nutzen des Staates ist, im Gantzen betrachtet, und nicht von einzeln Creaturen, so kommen auch diese in keine Consideration.“545 Noch bevor Werther seine Schrift den herzoglichen Räten zukommen ließ, waren diese bereits durch Gerüchte über die Grundzüge des Vorhabens informiert. Ende Juli 1750 wandten sich daher die Räte Christian Friedrich Marschall v. Herrengosserstädt, Johann Christoph Radefeldt, Ludwig Ernst v. Lindeboom und Georg Friedrich Bechmann in einem ausführlichen Schreiben an den Herzog.546 Das Schreiben zeigt, dass die Gerüchte sehr zuverlässig und die Unternehmungen schon vor dem Verfassen des Werther’schen „Discourses“ weit fortgeschritten waren. Der Herzog hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Verträge mit Kaufleuten zur Lieferung der Montur abgeschlos543 Ebd. 544 Ebd., fol. 2v. Zur Einquartierung dieses Regiments, vgl. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2060. 545 Ebd., fol. 3r. 546 ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, 30.7.1750.
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sen. Werther hatte indes diverse Offiziersstellen gegen Geld verteilt und einzelne Mannschaften angeworben.547 Die herzoglichen Räte stellten dem Herzog derweil vor, dass „in allhiesigem Fürstlichen Hauße man auch schon leider! die kläglichen Exempel von dergleichen Unternehmungen [hat] und wir sagen nicht zuviel, wenn wir behaupten, daß von solchen gleichfalls der Verfall des allhiesigen Creditwesens guten Theils mit abgehangen“.548 Ohne dass die kritischen Vorstellungen der Räte sichtbaren Eindruck auf Ernst Friedrich III. Carl gemacht hätten, wurden im August 1750 weitere Details des Vorhabens publik. Es wurde berichtet, „daß nicht nur hie und da gantze Communen über die verlautete Aufstellung eines Regiments zumal bey jetzigen allgemeinen Friedenszeiten äußerst betroffen seyn, sondern auch sich verlauten laßen, wie sogar ihre Weiber, falls deren Ehemänner oder Söhne das Schicksal der Ausheb- und gezwungenen Anwerbung zu regulirten Soldaten betreffen sollte, solches mit Verfolg- und wohl gar Ermordung des Herrn Obristen Werther anthen würden“.549 In dieser gespannten Atmosphäre versuchte Werther mit seinem „Discours“ die kritischen Stimmen verstummen zu lassen. Das Grundproblem seines Planes blieb aber die Vorfinanzierung, die dem verschuldeten SachsenHildburghausen äußerst schwer fallen musste. Ungeschickterweise projektierte Werther, notfalls den wertvollen Schmuck der Herzogin zu versetzen, um auf diese Weise finanziellen Handlungsspielraum zu gewinnen.550 Angesichts dessen stellte sich Herzogin Luise auf die Seite der herzoglichen Räte, die im Oktober 1750 nochmals von dem Vorhaben, ein Regiment anzuwerben, abrieten. Alle Vorstellungen blieben zwar vergebens, Werther aber konnte seine vormalig gegebenen Versprechungen nicht halten und den von ihm entworfenen Plan nicht umsetzen. Zwischen Oktober und November 1750 erkannte Werther, dass sein Projekt scheitern würde. Den Grund dafür bildete höchstwahrscheinlich die Anwerbung des Regiments, mit der alle Beteiligten überfordert waren. Schon einmal – 1717 – war es in Sachsen-Hildburghausen zu einer ähnlichen Situation mit gleichem Ausgang gekommen. Auch das Ende des Werther’schen Projektes muss sehr rasch gekommen sein. Gleichzeitig erfolgte wahrscheinlich auch die Abreise Werthers aus Hildburghausen, über den keine weiteren Informationen vorliegen.551
547 548 549 550 551
KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen, S. 5. ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, 30.7.1750, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, 21.8.1750, fol. 2v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, 7.10.1750, fol. 1r. SCHÖPPL, Die Herzoge von Sachsen-Altenburg, S. 68 überinterpretiert die Ausführungen von KIUS, Zur Geschichte des vormaligen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen, S. 5 etwas, wenn er von einer regelrechten Flucht des Freiherrn v. Werther spricht. Tatsächlich ist eine solche nicht mit Sicherheit nachzuweisen.
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Was von dem gescheiterten Unternehmen blieb, war die Anwerbung von einigen Offizieren und 46 Mann, die Ernst Friedrich III. Carl Anfang Dezember 1750 in Hildburghausen einquartieren ließ. Nachdem der Freiherr von Werther das Land verlassen hatte, übernahm Friedrich Wilhelm v. Boxberg als Obrist das Kommando über die Rekruten. Der Herzog gab indessen das Vorhaben, Subsidien zu erlangen, noch nicht vollständig auf. Offenbar war Ernst Friedrich III. Carl, auch nach der Abreise des Freiherrn v. Werther noch immer von dessen Ansichten überzeugt. Er beabsichtigte, mit dem erfolgreichen Abschluss des Projektes den „getreuen Unterthanen einen nicht geringen Verdienst und Nahrung zuzuwenden“.552 In schriftlicher Form versuchte der Herzog am 13. März 1751, das vormalige Scheitern vor den Landständen zu erklären, und wies bereits auf ein neuerliches Projekt hin: „Es würde auch ein dergleichen fürträglichen Subsidien Tractat bereits zu erlangen gewesen seyn, wenn nur erst ein Bataillon würklich und in guten Stand vorhanden wäre, wohin wir daher insonderheit bedacht seyn wollen […].“553 Tatsächlich wurde mit der Finanzierung der Landstände noch einmal der Versuch unternommen, Truppen für die Vereinigten Niederlande anzuwerben. Wenige Tage bevor der Herzog seine Absichten den Landständen mitteilte, war bereits Hauptmann Johann Heinrich Tilling nach Den Haag gesandt worden, um mit den Vereinigten Niederlanden erneut über die Stellung von Truppen zu verhandeln.554 Der Herzog lastete das Scheitern der bisherigen Verhandlungen hauptsächlich der Person Werthers an und unternahm nun einen persönlichen Vorstoß. Trotz negativer Erfahrungen plante er die Errichtung eines eigenständigen Korps, bestehend aus fünf Regimentern, Artillerieabteilung und Generalstab. Bevor man jedoch diesen Plan umsetzen konnte, war es wichtig, eine finanzielle Garantie der Vereinigten Niederlande zu erhalten. Um diese zu erlangen „hat gedachter Hauptmann Tilling zu sagen, jedoch unter der Hand, […] das man solche vielleicht in preußischen Sold bringen könnte, alleine man trüge noch Bedencken, sowohl wegen des Wiener Hofs, als auch aus verschiedenen anderen Ursachen sich mit gedachten Hof einzulaßen. Jedoch wenn man solche nirgend unterbringen könnte, würde man sich genöthiget sehen, etwas zu thun, welches man doch gerne entübriget wäre. […].“555 Der hildburghäusische Herzog überschätzte mit diesen Drohgebärden seine tatsächliche Bedeutung im Rahmen der europäischen Politik beträchtlich, sodass die Verhandlungen in Den Haag letztendlich zu keinem Abschluss kamen und dem ehrgeizigen Projekt damit endgültig ein Misserfolg beschieden war. 552 553 554 555
KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 238a/2041a, fol. 119v. Ebd. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 9.3.1751. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 9.3.1751, fol. 1r.
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Anfang August 1752 wurden Abgeordnete der Landstände in die Räume des herzoglichen Ratskollegiums bestellt, um „die weitere Einrichtung Dero Militair Staats, damit solcher auf einen dauerhafften und festen Fuß gesetzet werden mögte, überlegen zu laßen“.556 Nach mehr als zwei Jahren voller unvollendeter militärischer Projekte drängte nunmehr der Herzog auf einen geordneten Abschluss der Angelegenheiten. Dabei hatte Ernst Friedrich III. Carl – in der Tradition seines Großvaters Ernst Friedrich I. – genaue Vorstellungen: Aus den bereits für die Vereinigten Niederlande angeworbenen Rekruten, für die auch schon die Monturen bestellt waren, sollte erneut eine Garde zu Fuß formiert werden. Pläne dazu bestanden zumindest seit dem Jahre 1750.557 Ihre Finanzierung sollte maßgeblich durch die Landschaftskasse erfolgen. Ernst Friedrich III. Carl ließ zunächst anbringen, dass es die Würde „des fürstlichen Haußes ohnumgänglich erfordere, weilen fast ein iedes fürstliches Hauß in Deutschland außer seinen Milite Provinciali, mit dergleichen besondern Miliz zu Bewach- und Bedeckung der fürstlichen Residenz versehen wäre“.558 Darüber hinaus argumentierte er mit einer wesentlichen Entlastung der Untertanen, die bei einer bestehenden Garde keine Wachdienste mehr versehen müssten und daher mehr Zeit für ihre Feld- und Gewerbearbeit hätten. Des Weiteren sollte die Garde das Landregiment unterstützen und im Falle eines Reichskrieges als Kontingent ausrücken, sodass die unbeliebte Werbung weitestgehend unterbleiben könne. Zudem versprach der Herzog, in finanziellen Belangen nicht über die bereits für das Militär bewilligten Gelder hinauszugehen. Dementsprechend übernahmen die Landstände, zunächst bis zum Landtag des Jahres 1754 befristet, den jährlichen Unterhalt der Garde in Höhe von insgesamt 8574 Gulden. 4.1.5 Die Garde vor dem Hintergrund der Staatsverschuldung (1750–1771) Die Regierungszeit von Herzog Ernst Friedrich III. Carl ist von einer zunehmenden Verschlechterung der finanziellen Situation SachsenHildburghausens gekennzeichnet. Tatsächlich erregten die Probleme der hildburghäusischen Finanzen unter seiner Regierung mehrmals die Aufmerksamkeit des Kaisers, was dem Fürstentum bald eine zweifelhafte überregionale Bekanntheit eintrug. In der ständig angespannten finanziellen Situation war es schwierig, das Militärwesen weiter auszubauen. Die noch im Etat des Jahres 1750 mit jährlich 11.580 Gulden veranschlagte Garde von 170 Mann konnte daher in dieser Form nicht verwirklicht werden. Vielmehr erreichte 556 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 238a/2041a, fol. 124r. 557 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46. 558 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, fol. 125r.
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man bis 1752 die Anwerbung von etwa 130 Mann ohne Prima Plana.559 Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges war eine erneute starke Reduzierung der Garde um etwa die Hälfte zu verzeichnen. In den Jahren von 1765 bis 1770 – den letzten vor der endgültigen Entlassung der Garde – schwankte die Stärke der Einheit zwischen sechzig und achtzig Mann.560 Im Allgemeinen sind differenziertere Aussagen zur Garde in der Regierungszeit Ernst Friedrichs III. Carl nur schwer möglich. Das archivalische Material der Zeit zwischen 1755 und 1765 ist sehr lückenhaft. Die Aufzeichnungen vermitteln einen diffusen Eindruck und scheinen eher nachlässig angefertigt zu sein, obwohl sich der Dienst in diesen Jahren nicht wesentlich von jenem unter Ernst Friedrich I. und Ernst Friedrich II. unterschied. Als im Jahre 1756 der Siebenjährige Krieg ausbrach, wurde im Fürstentum für das in Kompaniestärke zu errichtende Reichskontingent geworben, welches aber erst 1758 ins Feld marschierte. Es ist davon auszugehen, dass die fürstliche Garde den Grundstock für das Reichskontingent des Siebenjährigen Krieges bildete. Damit einhergehend scheint fraglich, ob zwischen 1758 und 1763 die Garde ihren regulären Dienst versah.561 Nach einer kurzzeitigen Teilnahme am meiningischen Kartoffelkrieg wurden fast alle Mannschaften des Reichskontingents entlassen. Der stehen gebliebene Rest sollte ergänzt durch weitere Anwerbungen nach 1763 eine neue professionelle Garde formieren. Es handelte sich dabei um jene Mannschaften, die in den Musterungslisten der Jahre 1765 bis 1770 auftauchten. Im Jahre 1767 bestand die Garde inklusive Prima Plana aus vier sehr schwachen Kompanien:562 Kompanie Friedrich Wilhelm v. Boxberg Kompanie Carl Marschall, genannt Greif Kompanie Friedrich Wilhelm v. Beust Kompanie Ernst Friedrich Carl v. Boxberg Gesamte Mannschaftsstärke
= = = = =
22 Mann 19 Mann 19 Mann 18 Mann 78 Mann
Neben starken finanziellen Einschränkungen spielte bei dieser geringen Kompaniestärke womöglich auch der Gedanke an Praktikabilität eine Rolle: Zum Aufziehen der Stadtwache waren mindestens 15 bis 20 Mann notwendig. Bei der Aufstellung der vier schwachen Kompanien war es daher ohne Weiteres möglich, die Stadtwache unter regelmäßiger Ablösung zu versehen.
559 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061. 560 ThStAM, GA Hbn, XXII, 53. Diese Akte enthält die Mannschaftslisten der Garde aus der Zeit von 1766 bis 1770. 561 Dass die Garde in der Zeit von 1750 bis 1763 lediglich provisorisch Dienst tat bzw. zur Kriegszeit komplett aufgehoben wurde, deutete Kius, Zur Geschichte des vormaligen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen, S. 5 ebenfalls an. 562 ThStAM, GA Hbn, XXII, 53.
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Insgesamt können aber die Quellen dieses Zeitabschnittes nicht über die sich verschlechternde Situation des Militärs in Sachsen-Hildburghausen hinwegtäuschen. Die zunehmende Verschuldung des Fürstentums, bei der man zunächst von etwa vier Millionen Gulden ausging, führte 1769 zur Einsetzung einer kaiserlichen Schuldenkommission, die in den nächsten Jahren Herzog Ernst Friedrich III. Carl in seiner Handlungsfreiheit stark einschränkte.563 Die Gründe für die Staatsverschuldung lagen in den vielfältigen Ausgaben und der Misswirtschaft des Herzogs begründet. Des Öfteren war man davon ausgegangen, dem Militärwesen komme hierbei eine Hauptrolle zu und die staatliche Verschuldung sei hauptsächlich auf die damit zusammenhängenden Ausgaben zurückzuführen. Tatsächlich blieben aber die Ausgaben für das Landregiment ebenso niedrig wie unter der Regentschaft der Herzogin Sophie Albertine. Im Jahr 1765 kostete die reduzierte Garde lediglich 4132 Gulden bei jährlichen Einnahmen des Fürstentums von etwa 70.000 Gulden.564 Darüber hinaus war Herzog Ernst Friedrich III. Carl ein Förderer ausländischer Werbungen im Fürstentum und begünstigte in den Jahren 1768 bis 1771 vor allem preußische und spanische Werber. Entgegen den üblichen Gepflogenheiten schaltete sich der Herzog aber selbst in die Werbeunternehmungen mit ein und investierte bis zu 1300 Gulden, um diese zu unterstützen. Ohne eine wirkliche Gegenleistung zu erhalten, erwirtschaftete man in diesem Zusammenhang im Jahre 1769 sogar einen Verlust von etwa 120 Gulden.565 Es zeigt sich also, wie inkonsequent und bisweilen planlos man von herzoglicher Seite aus mit den Finanzen umging. Dennoch war die mehrere Millionen Gulden betragende Verschuldung des Fürstentums nicht durch das Militärwesen allein zustande gekommen. Tatsächlich finden sich im Quellenmaterial dieser Jahre keine expliziten Äußerungen von Zeitgenossen, die das fürstliche Militärwesen aufgrund des damit verbundenen Kostenaufwands kritisierten. Die wesentlich später aufgekommene Ansicht, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Militärwesen und der hildburghäusischen Schuldenkommission bestehe, ist nicht zu belegen. Tatsächlich waren das Militär und hier insbesondere der Offiziersstand die ersten Institutionen des Fürstentums, welche aufgrund der angespannten finanziellen Lage keine regelmäßige Besoldung erhielten. Die in diesem Zusammenhang laut gewordenen Klagen scheinen das Bild des Militärs als Hauptverantwortlichen für 563 Zur kaiserlichen Schuldenkommission, zu deren Maßnahmen und zur Situation in Hildburghausen siehe Punkt 3.2.5: Die Verteidigung von Hildburghausen im Jahre 1770. 564 August Ludwig v. SCHLÖZER, August Ludwig Schlözers Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts, Bd. 5, H. XXIX, Göttingen 1779, S. 309; WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 351. 565 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 18, fol. 47 f.
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die desaströse finanzielle Lage Sachsen-Hildburghausens noch bestärkt zu haben. Die historische Realität zeichnete indes ein anderes Bild: Von den im Jahre 1779 von der kaiserlichen Schuldenkommission in Anschlag gebrachten Schulden in Höhe von 4.183.544 Gulden entfiel auf das Militär lediglich ein Anteil von 35.772 Gulden der hauptsächlich aus ausstehender Besoldung bestand.566 Im Zuge allgemeiner Sparmaßnahmen ordnete dann ein Beschluss des Reichshofrats vom 19. Februar 1771 die Auflösung der fürstlichen Garde an.567 Damit wurde weiteren Ausgaben für die Garde Einhalt geboten, und ehemals von der Landschaft für die Garde bewilligte Gelder konnten zur Schuldentilgung verwendet werden. Das Militär war also nur ein Teil und nicht die Hauptursache der Staatsverschuldung. Es fiel dieser aber zuerst zum Opfer. Johann Jacob Moser stellte dazu im Jahre 1775 treffend fest: „Dem Herzog zu Sachsen-Hildburghausen wurde An. 1771 vom Reichs-Hofrath auferlegt: Seine bißher unterhaltene kostbare Garde an Officiers und Gemeinen gänzlich zu entlassen: Die Ursach davon waren seine vielen Schulden.“568 Nach dem Beschluss des Reichshofrats verstrich noch einige Zeit, in der Herzog Ernst Friedrich III. Carl durch verschiedenste Mittel versuchte, gegen die Schuldenkommission zu intrigieren. Dem Herzog war jedoch kein Erfolg beschieden, und am 16. Mai 1771 meldete der Landregimentsleutnant Johann Nicolaus Maurer den Vertretern der Schuldenkommission in Hildburghausen, dass der Herzog „schrifftliche Ordre ertheilt [habe], daß das Land-Regiment heute Morgens um 5 Uhr in der Stille die Fürstliche Garde ablösen solle, welches auch also geschehen sey“.569 Der Obrist v. Boxberg war für die Abdankung der Soldaten verantwortlich und sagte „zu den größten Leuten von der Garde, deren etwa 9 oder 10 seyn mögten, […] wenn diese Dienster unter dem Land-Regiment als Lohnwächter [Provisioner] haben wollten, so sollten sie dazu angenommen werden“.570 Andere Soldaten fanden später im Zuge preußischer Werbungen ihr weiteres Auskommen. Der Herzog soll auch „bey Abdanckung der Garde sich sogar widrig betragen [haben]“.571 Nach der Entlassung der Garde fehlte zur vollständigen Abwicklung dieser Einheit lediglich noch die Begleichung der Soldrückstände. Im Rahmen des hildburghäusischen Schuldenwesens gelangten die Mitglieder der Schuldenkommission bald zu der Einsicht, dass es zu vielfachen Unregelmäßigkeiten seitens der Gläubiger gekommen sei. Diese wüssten um die verworrene 566 SCHLÖZER, Briefwechsel, S. 312. 567 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 352. 568 Johann Jakob MOSER, Persönliches Staats-Recht derer Teutschen Reichs-Stände, nach denen Reichs-Gesetzen und dem Reichs-Herkommen, wie auch aus denen Teutschen Staats-Rechts-Lehrern und eigener Erfahrung, Bd. 1, Frankfurt 1775, S. 90. 569 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 19, fol. 223r. 570 Ebd., fol. 224v. 571 Ebd., fol. 229v.
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Situation in Hildburghausen und gäben des Öfteren höhere Beträge an, als ihnen der Herzog tatsächlich schulde. Da sich im Falle der rückständigen Besoldung der Garde ebenfalls Ungereimtheiten ergaben, wurden die Beamten angewiesen, „mehrbemeldte Rückstände vor allen Dingen aufs genaueste zu prüfen und zu untersuchen, zu dem Ende die noch gegenwärtige Unter-Officiers und Gemeine visitirend darüber zu vernehmen“.572 Die Bezahlung der Rückstände sollte von der Landschaftskasse getragen werden. In das Projekt möglicher Verabschiedungen wurden lediglich Unteroffiziere und gemeine Soldaten eingeschlossen. Die Offiziere versuchte der Herzog zunächst weiter im Dienst zu behalten und deren Versorgung zu sichern. Den endgültigen Verfall der militärischen Strukturen konnte Ernst Friedrich III. Carl nicht aufhalten. Das strenge finanzielle Korsett, welches dem Fürstentum durch die Schuldenkommission angelegt wurde, erlaubte keinerlei Militärausgaben, welche über die Landesdefension hinausgingen. Die nächsten Jahre bis zu seinem Tod 1780 verbrachte Ernst Friedrich III. Carl ohne jegliche militärischen Ambitionen. Die Politik der Schuldenkommission wurde auch unter der Vormundschaftsregierung des Prinzen Joseph Friedrich sowie unter der Regierung des Herzogs Friedrich bis zum Ende des Alten Reiches konsequent fortgesetzt. Die Ereignisse der Jahre 1770 und 1771 legten den Grundstein für die im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts erreichte Konsolidierung des Staatshaushaltes Sachsen-Hildburghausens. 4.1.6 Uniformierung und Ausrüstung 4.1.6.1 Große Montur, kleine Montur und Ausrüstung Die Uniformierung der Gardegrenadiere entsprang einem fehlgeschlagenen Subsidienprojekt des Herzogs Ernst Friedrich I. Bereits seit Anfang 1716 plante der Herzog, eigene Truppen unter möglichst profitablen Umständen an die Republik Venedig abzugeben, die sich zu diesem Zeitpunkt im Krieg mit dem Osmanischen Reich befand.573 Als Uniformierung der Gardegrenadiere wurde die ursprünglich für die Subsidientruppen konzipierte Uniform verwendet. Man unterschied hier die große und die kleine Montur. Erstere umfasste die hauptsächlichen Uniformgegenstände wie Rock, Hose, Grenadiermütze, Mantel und Holzmütze und wurde alle zwei Jahre ersetzt. Nach den Vorgaben des Herzogs bestand die große Montur für einen Offizier oder Unteroffizier aus einem roten Rock mit 572 Ebd., fol. 197v. 573 Siehe Punkt 4.1.3: Venezianische Subsidien und die Blütezeit der Garden (1715–1724).
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36 zinnernen Knöpfen sowie roten Hosen. An der rechten Rockschulter trug der Offizier eine goldfarbene Achselschnur sowie um den Leib eine gelbe Feldbinde. Die Rabatten und Ärmelaufschläge des Rockes waren rot gehalten. Die Kopfbedeckung des Offiziers bestand aus einem schwarzen Hut, der mit gelber Borte eingefasst war. Die gemeinen Soldaten trugen mit Cochenille gefärbte rote Röcke mit gelben Rabatten und Aufschlägen sowie ebenfalls rote Hosen.574 Der Mantel hingegen war grau gehalten und wurde von dem Grenadier allabendlich nach dem Schlagen des Zapfenstreichs übergezogen.575 Die Uniform der Spielleute der Garde bestand aus gelben Röcken mit roten Rabatten und Aufschlägen sowie roten Hosen. Die Kopfbedeckungen der Unteroffiziere sowie der gemeinen Soldaten und Spielleute waren die Grenadiermützen, die aus rotem und gelbem Tuch gefertigt waren. Der Vorderschild der Grenadiermütze war mit dem herzoglich-sächsischen Wappen bestickt.576 Außerhalb des Dienstes sowie bei Arbeitseinsätzen und im Quartier legten die Soldaten die Grenadiermützen ab und trugen die sogenannten Holzmützen, als Zipfelmützen gestaltete Lagermützen. Diese wurden von allen Soldaten in Eigenarbeit aus verschlissenem Material der kleinen Montur – vornehmlich den Kamisolen – geschneidert. Zur kleinen Montur, die jährlich ersetzt wurde, gehörten neben Kamisol auch Halsbinde, Gamaschen, Hemden, Schuhe und alle kleineren Gegenstände des persönlichen Gebrauchs. Das Kamisol, ein ärmelloses Oberteil in Form einer Weste, war vollständig rot gefärbt und mit Zinnknöpfen versehen. Die Halsbinde sowie die Gamaschen bestanden aus schwarzem Leinentuch. Darüber hinaus verfügte jeder Soldat über ein zweites Paar weißer Gamaschen, die an Sonn- und Feiertagen angelegt wurden. Im Jahre 1717 wurde jedem Soldaten zusätzlich ein Paar lederne Handschuhe ausgegeben, die jedoch bereits nach kurzer Zeit als obsolet empfunden und nicht weiter getragen wurden. Der Uniformentwurf des Jahres 1716 blieb bis auf geringe Veränderungen bis 1737 die maßgebliche Grundlage für die Uniformgestaltung der hildburghäusischen Garde. Auch die Ausrüstungsgegenstände veränderten sich nur wenig. Die folgende Übersicht fasst alle Gegenstände der großen und kleinen Montur sowie der sonstigen Ausrüstung zusammen und gewährt 574 ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, Entwurf des Herzogs v. 1716, fol. 1v. Das von DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 119 ff. angegebene Material für Uniformen bezog sich nicht, wie von ihm angegeben, auf die Grenadiergarde, sondern allenfalls auf das Landregiment. 575 Im Sommer trug der Grenadier den Mantel direkt über dem Kamisol. Der Uniformrock wurde abgelegt. Aufgrund der großen Kälte wurde im Winter der Rock anbehalten und zusammen mit dem Mantel getragen, siehe ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 7r. 576 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 27.5.1723, fol. 1v.
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einen Einblick in die persönlichen Gegenstände eines gemeinen Grenadiers der hildburghäusischen Garde: Große Montur Uniformrock Zwei Paar Tuchhosen Grenadiermütze Dreispitz (Hut) Holzmütze Kittel/Mantel
Kleine Montur Kamisol Ein Paar schwarze Gamaschen Ein Paar weiße Gamaschen Ein Paar schwarze Knieriemen Ein Paar Schuhe Zwei Paar rote Strümpfe Zwei Hemden Zwei Halstücher (Halsbinden) Zwei Kämme Schuhbürste
Ausrüstung Muskete mit Tüllenbajonett Infanteriesäbel mit Koppel Pulverhorn Ölfläschchen Raumnadel Zugelzieher Zwölf Patronen Zwölf Kugeln Zehn Flintsteine Grenadiertasche mit Riemen Kartusche Kalbfelltornister Brotbeutel Feldflasche
Tabelle 5: Uniformierung und Ausrüstungsgegenstände eines hildburghäusischen Gardegrenadiers um 1730. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 44, Die Ordnung der Soldaten betreffend, 1733
Die Stofflieferungen, die zur Anfertigung der Uniformen benötigt wurden, wurden in Verträgen mit jüdischen Kaufleuten fixiert. Als Vermittler fungierte der hildburghäusische Hoffaktor Simon Moyses aus Merzbach, für den bei den Verträgen ebenfalls finanzieller Profit abfiel. Ansonsten wurde jedoch von Seiten der Regierung darauf geachtet, die Handwerker im Fürstentum nicht zu benachteiligen. Tatsächlich unterstützten die regelmäßigen Aufträge zur Anfertigung bzw. Ausbesserung der Uniformen die heimischen Gewerbe bedeutend. Bereits der Uniformentwurf des Jahres 1716 enthielt den Passus, dass „auch die Waaren, die in hiesigen Landen zu bekommen oder fabriciert werden können, bey hiesigen Unterthanen zunehmen und zuverdingen versprochen [worden]“.577 In den folgenden Jahren wurde dieses Prinzip beibehalten und so stammten die an der Uniformanfertigung beteiligten Handwerker fast ausschließlich aus Sachsen-Hildburghausen.578 In besonderem Maße profitierten die residenzstädtischen Schneider, Hutmacher und Bortenwirker von den Aufträgen des Militärs. Aber auch auf die hugenottischen Strumpfwirker in der Hildburghäuser Neustadt wurde des Öfteren zurückgegriffen. Kleinere Aufträge, wie das Anfertigen der Gamaschen aus Leinentuch, wurden dagegen meist von Soldaten der Garde ausgeführt, die sich damit einen kleinen Zuverdienst sicherten. Die Waffen und anderen Ausrüstungsgegenstände mussten aufgrund der in Sachsen-Hildburghausen fehlenden Manufakturen größtenteils außerhalb 577 ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, 27.2.1716. 578 ThStAM, GA Hbn, XXII, 48 enthält die Listen der beteiligten Handwerker.
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des Fürstentums beschafft werden. Hierbei griff man erneut auf Kaufleute zurück oder man verhandelte direkt mit den Manufakturen. So stammten die Musketen meistenteils aus Suhl und Mannheim, die Offiziersdegen und Infanteriesäbel hingegen aus Solinger Produktion. 4.1.6.2 Soldat und Uniform im Dienst Die hildburghäusischen Gardegrenadiere waren in der Residenzstadt allgegenwärtig und konnten täglich von den Bürgern und Durchreisenden wahrgenommen werden. Als Repräsentanten der fürstlichen Macht symbolisierten sie die Allgegenwart des Herzogs. Bereits die extravagant gestaltete Uniformierung der Gardegrenadiere machte sie zu einem nicht zu übersehenden Teil des Stadtbildes. So fielen sie allerorten auf – und eben dies war intendiert. In diesem Zusammenhang legten die Herzöge besonderen Wert auf das gepflegte und vorbildliche äußere Erscheinungsbild ihrer regulären Soldaten.579 Dementsprechend zeichnete sich vornehmlich die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts durch eine rege Verordnungstätigkeit aus. Die umfassendsten und gleichzeitig strengsten Reglements erließ Herzog Ernst Friedrich II., der sich vor allem am Anfang seiner Regierungszeit ungeachtet der zunehmenden Verschuldung des Fürstenhauses mit militärischen Belangen beschäftigte. Oberste Priorität hatte dabei die Kontrolle der an die Soldaten ausgelieferten Wertgegenstände. Dabei handelte es sich vornehmlich um Uniformrock, Grenadiermütze und Bewaffnung. Die Pflege und Instandhaltung sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Stücken lag in der Verantwortung jedes einzelnen Soldaten; Nachlässigkeit wurde streng bestraft. Im Reglement der Garde aus dem Jahre 1733 heißt es dazu: „Welcher Soldat sein Gewehr, Kleydung oder alles, was zu des Herrn Montour gehöret, muthwillig verderbet, verkaufft, versetzt oder aufs Spiel bringt, soll das 1te und 2te mahl mit Gaßenlauffen, das 3te mahl aber am Leben gestrafft werden.“580 Die Reinlichkeit der Monturstücke wurde im Rahmen eines Appells allwöchentlich am Samstagmorgen geprüft. Die Soldaten legten zu diesem Anlass alle Monturstücke an und versammelten sich auf dem Schlosshof. Dort formierten die Grenadiere eine Linie zu einem Glied. Bis auf Muskete und Infanteriesäbel breitete anschließend jeder Soldat alle Gegenstände der klei579 Aus dem Reglement des Jahres 1733: „Die Ordnung und Sauberkeit ist eine dem Soldaten sowohl nöthige alß ohnumbgängliche Sache, deßwegen dann die Unter-Officiers auf alle Weise dahin zu sehen haben, daß ieder Grenadier sich allezeit nicht allein wohl gewaschen und gekampelt, sondern auch sein völlige Montierungs-Stücke in solcher Ordnung seyn, wie es einen rechtschaffenen Soldaten zustehet“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Die Ordnung der Wache betreffend, fol. 1r. 580 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733, fol. 4v.
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nen Montur sowie der restlichen Ausrüstung vor sich auf dem Boden aus. In den Anweisungen für den Wachoffizier heißt es, dass „wann alles ausgerucket und ieder seine Pagage vor sich ausgebreitet niedergeleget hat, läßt der Officier das Bajonett gewöhnlichen Tempo aufpflantzen und visitiret Mann vor Mann, sowohl das Gewehr, alß [die anderen] Stücke, ob sich alles in guten Stand befindet“.581 Bei geringfügiger Nachlässigkeit wurde der betreffende Soldat ermahnt und unter Strafandrohung zur Ausbesserung angehalten. In einigen Fällen wurde eine Prügelstrafe auch direkt vor Ort durch den Offizier ausgeführt. Schwerere Nachlässigkeiten wurden gemäß dem Reglement mit Gassenlaufen geahndet. Doch nicht nur der Soldat konnte zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch der Korporal, in dessen Korporalschaft sich jener befand. Es war nämlich vor allem die Pflicht der Korporäle, die unter ihnen stehenden Grenadiere täglich am Morgen in den Quartieren aufzusuchen und die Montur zu überprüfen.582 Eine nicht gemeldete schadhafte Montur war demnach auch ein Vergehen des zuständigen Korporals. Bei der Inspektion der Gardemannschaften wurde der kommandierende Offizier angewiesen, dass auch „der geringste Fehler observiret werden [muss] und [man] keine Passion spühren laßen [darf], daß etwa einer scharff, der andere gelind gehalten wird“.583 Die einzige Abwechslung vom oft eintönigen Wachdienst in der Residenzstadt versprachen Sonn- und Feiertage. An diesen Tagen hielten die Gardegrenadiere die sogenannte Kirchenparade ab und besuchten gemeinsam mit der Stadtbevölkerung den Gottesdienst. Die Bürger nahmen zu diesen Anlässen die Grenadiergarde besonders intensiv wahr. Damit einhergehend wurde eine Abänderung der Kleidung befohlen, die sich hauptsächlich auf das Tragen der weißen anstatt der schwarzen Gamaschen bezog. Die Grenadiere sollten demnach „alle weiß [meint hier: sauber] angezogen, weiße Gamaschen, egale Kniebänd[er], egale Halstücher, die Haar wohl eingeflochten in Zöpffen haben“.584 Neben diesen Anordnungen für Sonn- und Feiertage waren vereinzelt Sonderanweisungen für die Abwesenheit des Herzogs anzutreffen. Erneut trat hier Ernst Friedrich II. durch eine besonders starke Verordnungstätigkeit hervor. Als dem Herzog durch Kurfürst August III. von Sachsen Ende 1736 in Dresden der königlich-polnische Orden des Weißen Adlers verliehen werden sollte, bildete dieses Ereignis den Anlass einer größeren Reise des Herzogs, die in die Grafschaft Erbach und anschließend nach Sachsen führte. Ernst Friedrich II. erließ in diesem Zusammenhang bereits im Juni 1736 ein detailliertes Reglement zum Dienst der Grenadiergarde während seiner Ab-
581 582 583 584
ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Die Ordnung der Wache betreffend, fol. 4v. Ebd., fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Die Ordnung der Wache betreffend, fol. 5r.
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wesenheit.585 Zur Uniformierung formulierte der Herzog, dass „die Leute in Unserer Abwesenheit mit Kitteln und Hüten Dienst thun sollen“.586 Hier zeigt sich, dass der Herzog die Garde als Instrument der fürstlichen Repräsentation betrachtete. Grenadiermütze und Uniformrock waren die am aufwändigsten gearbeiteten, wohl auch ansehnlichsten Stücke der großen Montur. Sie wurden abgelegt, wenn der Herzog abreiste, und nur zu Sonnund Feiertagen angelegt. Mit Kittel und Hut traten die am einfachsten gestalteten Stücke der großen Montur an die Stelle der ansonsten reichen Uniformierung. Dem Reglement kann als intendierte Botschaft entnommen werden: Die Tristesse weicht der Präsenz des Fürsten und umgekehrt. 4.1.6.3 Soldat und Uniform im dienstfreien Alltag Den offiziellen Dienstreglements und Verordnungen stehen zahlreiche Quellen gegenüber, die Einblicke in den alltäglichen soldatischen Umgang mit Uniformierung und Ausrüstung geben. Es wurde bereits auf die besondere repräsentative Funktion der prachtvollen Gardeuniformen hingewiesen. Dass ihr im Rahmen der Rekrutierung auch eine wesentlich profanere Funktion zukam, zeigen die gleichförmig gehaltenen Verhörprotokolle diverser Delinquenten. Eine standardmäßig formulierte Frage fast jedes kriegsgerichtlichen Verhörs war: „Ob ihme [dem Soldaten], solange er unter besagter Grenadier Compagnie gestanden und Dienst gethan, seine Löhnung und Montur richtig gereicht wurde.“587 Im Falle der frühneuzeitlichen Militärjustiz wurde der Verstoß eines Soldaten gegen die Kriegsartikel oder das Reglement allenfalls dann als begründet angesehen, wenn der Delinquent tatsächlich Grund zur Klage hatte. Das korrekte Ausliefern der Uniform an den Soldaten stellte ein wichtiges Übergangsritual vom zivilen zum soldatischen Leben dar.588 Dass die ausgehändigte Montur schadlos und angemessen war, wurde als wesentlich angesehen, um späteren Klagen des Soldaten keinen Vorschub zu leisten. Damit kann die korrekte Aushändigung der Uniformierung funktional mit dem Empfang des Handgeldes oder dem Ablegen des Eides gleichgestellt werden. Dennoch würde die alleinige Betrachtung der offiziösen Quellen den Blick auf die soldatische Realität verstellen. Obwohl die Reglements von Gewissenhaftigkeit zeugen und die Kompanierechnungen der Garde belegen, dass Uniformie585 586 587 588
ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 10.6.1736. Ebd., fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 4r. Carmen WINKEL, Eid, Uniform und Wachdienst. Initiationsrituale im frühneuzeitlichen Offizierskorps, in: Ralf PRÖVE, Carmen WINKEL (Hg.), Übergänge schaffen. Ritual und Performanz in der frühneuzeitlichen Militärgesellschaft (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 16), Göttingen 2012, S. 37 f.
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rung und Ausrüstung gepflegt und entstandene Schäden schnellstmöglich repariert wurden, scheinen einige Soldaten dennoch unangemessen ausgestattet gewesen zu sein. Der desertierte Grenadier Johann Ernst Fromann beispielsweise „giebet noch an, daß er zu Winterszeit […] sehr schlecht vor Kälte verwahret und nichts, als einen leinenen Kittel aufm Leib gehabt habe“.589 Einen ähnlichen Sachverhalt beschrieb der ebenfalls desertierte Grenadier Johann Erhardt Röhring, der während eines Verhörs aussagte, es habe ihm „an der Montour […] freylich gefehlet, denn Er, als Er das erstemahl darunter [unter die Garde] gekommen, hat Er keine Strümpff, noch Halßtuch, auch kein Camisol erhalten, sondern nur den Rock und Kittel in welchen so lange Dienste gethan, bis die neue Montour verfertiget worden […], als er das andremahl angenommen, da habe er ebenfalls den ganzen Winter sich nur mit Rock beholffen, vor ohngefehr 14 Tagen aber habe Er von Herrn Leutnant Rögern ein Camisol erhalten“.590 Die Aussagen der Grenadiere werden vor allem für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts durch verschiedene Vorfälle untermauert. So stahl beispielsweise der Tambour Döhner im Winter 1720/21 seinen Quartierwirten die Bettwäsche, um sich daraus Unterhemden zu nähen. Döhner sagte später aus, dass ihn „die Noth darzu getrieben, weiln Er keine Hembder mehr anzuziehen gehabt“.591 Ebenfalls in Bekleidungsnot, ließ sich im folgenden Jahr der Grenadier Johann Christoph Schuchart dazu hinreißen, dem Heldburger Oberförster „ein Stück weiß Tuch von der Bleych weg zu nehmen, weiln es aber eine Frau gesehen und ihn darüber beruffen, so hat er solches wiedter hingeworffen und darvon gegangen“.592 Die Belege zeigen, dass größere Probleme im Zusammenhang mit der kleinen Montur bestanden. Diese wurde den Soldaten zwar jährlich ersetzt, doch scheint die Lebensdauer der Stücke in vielen Fällen kürzer gewesen zu sein. Beschädigte Teile der Montur waren in diesem Fall vom Grenadier auf eigene Kosten auszubessern oder komplett neu anzuschaffen. Die angespannten finanziellen Verhältnisse der meisten Soldaten ließen aber nur wenig Spielraum für den Ersatz beschädigter Monturen. Daher nutzten einige Grenadiere Gelegenheiten, die sich jenseits von Reglements und Kriegsartikeln boten, um Ersatz zu erlangen. Insgesamt war den Gardegrenadieren der materielle Wert der Monturstücke durchaus bewusst. Im Reglement wurden für das Beschädigen der Montur schwere Strafen angedroht, und es ist davon auszugehen, dass die Grenadiere auch außerhalb des Dienstes auf ihre Kleidung achteten. Letztere war vor allem in den häufigen Handgreiflichkeiten zwischen Soldaten und Zivilis589 590 591 592
ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 26.6.1736, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 4v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.7.1721, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 29.6.1722 (Rapporte der Veste Heldburg).
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ten einer erhöhten Beschädigungsgefahr ausgesetzt. Als 1736 der Hautboist Johann Schlund mit dem Hafnergesellen Gabriel Mäusel aneinandergeriet, „hätte der Schlund ihn immer von sich gehen geheißen, die Montur ihme nicht garstig zu machen“.593 Eine stark beschädigte Montur und die dafür zu erwartende Strafe konnten Soldaten auch völlig vom Militär separieren. Ein solcher Vorfall ereignete sich 1723, als der desertierte Grenadier Röhring dem preußischen Werbeoffizier Ichteritz in die Hände fiel. Röhring, der ungewöhnlicherweise mit Grenadiermütze desertierte, zeigte sich bezüglich der preußischen Werbung unentschlossen und wollte zunächst seine Grenadiermütze nach Hildburghausen zurückschicken. Darauf habe „der Preußische Fähndrich gleich gesagt, es wäre nicht nötig solche zurückzusenden und habe solche […] mit der Scherr zerschnitten“.594 Röhring gab später zu Protokoll, darauf gesagt zu haben: „Ey! Dieses hätte Er, der Fähndrich nicht thun sollen, habe auch darüber geweinet.“595 Dass die mit Röhring geflüchtete Magd sich anschickte, aus dem Tuch und dem gestickten Wappen der Grenadiermütze einen kleinen Latz zu schneidern, ist lediglich ein zusätzliches Detail der Anekdote. Kernpunkt ist jedoch die offensichtliche Trennung des Soldaten vom bisherigen Dienst durch das Zerstören der alten Montur bzw. eines Monturstückes. Besondere Bedeutung erlangte der Wert der Montur für Deserteure. Diese führten meist nur wenig Geld mit sich und strebten daher den schnellstmöglichen Verkauf der Monturstücke an. Die uniformierten Deserteure entledigten sich damit gleichzeitig eines wesentlichen Erkennungsmerkmals. Der an einem Desertionskomplott beteiligte Grenadier Lorenz Grätz empfahl seinen Mitwissern, „wenn er fortgienge nehme Er alles Montour und Gewehr mit sich, damit Er wenn Er kein Geld mehr hätte, solches verkauffen und Zehrgeld überkommen könnte, sie sollten beyde ihres auch mitnehmen“.596 Dieser Hinweis zahlte sich wenig später für den desertierten Grenadier Wickler aus, als er seinen Uniformmantel für einen halben Gulden und ein Maß Bier an den Gellershäuser Rohrmüller verkaufte.597 Dieser zeigte großes Interesse an der Bekleidung des Soldaten und dürfte sich durchaus im Klaren darüber gewesen sein, wen er vor sich hatte. Tatsächlich zeigt sich aber auch am Beispiel Sachsen-Hildburghausens, dass desertierte Soldaten in Uniform von Zivilisten zwar als solche erkannt wurden, diese jedoch deren Vorhaben
593 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 19.6.1736, fol. 9v. 594 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 27.5.1723, fol. 1v. 595 Ebd., fol. 2r. 596 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 5r. 597 Ebd., fol. 5v.
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nicht zu verhindern suchten. Vielmehr glaubten Zivilisten im Hinblick auf die soldatische Bekleidung ein günstiges Geschäft machen zu können.598 4.1.7 Die Rüstkammer Die Rüstkammer auf der Veste Heldburg, auch als Arsenal bezeichnet, war das größte und wichtigste Waffendepot des Fürstentums SachsenHildburghausen. Weitere, wesentlich kleinere Depots befanden sich in den Amt- und Rathäusern des Fürstentums sowie unter dem Dach des Hildburghäuser Schlosses.599 Diese kleinen Depots verwahrten hauptsächlich die Bewaffnung des Landregiments. Die Rüstkammer auf der Veste Heldburg war hingegen das zentrale Waffendepot und gab an kleinere Depots bei Bedarf Waffen und Ausrüstungsgegenstände ab. Sie wurde während der Regierungszeit des Herzogs Ernst eingerichtet und verblieb vermutlich bis um das Jahr 1740 herum hier.600 In besonders detaillierter Form gibt ein Inventar aus dem Jahre 1735 Aufschluss über die Bestände des Heldburger Waffendepots.601 Zu dieser Zeit befanden sich 2284 verschiedene Stücke in der fürstlichen Rüstkammer. Darunter waren vor allem verschiedenste Feuerwaffen aus dem Reich, Italien oder dem Osmanischen Reich sowie zahlreiche Blankwaffen, darunter Richtschwerter, Pallasche, Säbel, Degen, Partisanen und Hirschfänger aller Art. Die Artillerie war mit elf Geschützen verschiedener Art und einem Protzwagen vertreten. Auch technisch veraltete Gegenstände wie beispielsweise Armbrüste, Streithämmer, Morgensterne oder „geharnischte Männer“ wurden hier aufbewahrt. In dem umfangreichen Bestand der Rüstkammer befanden sich auch zahlreiche Prunk- und Beutewaffen. Zu Ersteren gehörte „eine überaus künstliche italienische Flinte, so sich selbst ladet, gelb beschlagen worauf Gio Leser di Valenja del Po [steht]“,602 welche die Herzogin Sophia Albertine in die Rüstkammer gegeben hatte. Ein ähnliches Stück stellte wahrscheinlich „eine gantz eiserne Flinte, auf dem Schloß stehet Glober a Manheim, [der] Hertzog von Weimar hat sie in die Rüstkammer verehret“,603 dar. Die Beutewaffen stammten vor allem aus dem Großen Türkenkrieg (1683–1685), in welchem Herzog Ernst das ernestinische Allianzre598 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 157. 599 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 236a/1986, fol. 6r. 600 Bereits zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges wurden hier Waffen eingelagert. Genauere Informationen über den Zeitraum der Einrichtung der Rüstkammer lassen sich nicht auffinden. 601 ThStAM, GA Hbn, 464. 602 Ebd., fol. 20v. 603 Ebd.
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giment beim Entsatz von Wien befehligt hatte. Zu den damals erbeuteten Waffen zählten zahlreiche türkische Bögen und Pfeile sowie „zwei Janitscharen Röhr so der Graff von Waldeck mitgebracht“.604 Um den Erhalt dieser Waffen kümmerte sich der auf der Veste Heldburg ansässige Büchsenmacher. Dazu unterhielt die Garnison gute Beziehungen zu Handwerksmeistern in Heldburg und schickte des Öfteren Waffen zur Reparatur bzw. Ausbesserung in die Stadt. So notierte der Leutnant im Januar 1718: „Habe dem Sattler aus Heldburg 25 Säbel und so viel Bajonetten umb neue Scheide darfür zu machen auß dem Arsenal gegeben.“605 Nach 1724 wurde die Rüstkammer stark vernachlässigt. Bereits im Jahre 1737 veräußerte Herzog Ernst Friedrich II. etwa sechshundert größtenteils defekte Waffen aus der Rüstkammer gegen geringes Geld an die Untertanen.606 Dennoch waren zahlreiche funktionstüchtige Waffen vorhanden, deren Verbleib nach jetzigem Stand der Forschung ungeklärt bleiben muss.607 Einige Waffen waren bereits um 1740 defekt, andere verfielen im Laufe des Jahrhunderts, und wieder andere dürften auch im Zuge des hildburghäusischen Schuldenwesens nach 1770 veräußert worden sein.
4.2 Dienst und Aufgaben der Garden „[…] darbey aber allezeit wohl observiret muß werden, daß die Leuthe die Griffe recht machen und keinem durch die Finger sehen, sondern mit etlichen Prügeln aufmercksam machen.“608 Herzog Ernst Friedrich II., 1733
4.2.1 Der Wachdienst in der Residenzstadt und andere Verpflichtungen Mit der Aufrichtung der fürstlichen Schlosswache im Jahre 1700 wurde die in mittelalterlicher Tradition stehende und von den Bürgern gestellte Stadtwache Hildburghausens vollends professionalisiert. Damit wurden die Stadtbürger einer wesentlichen Dienstpflicht entbunden. Die Ablösung des bürgerlichen Wachdienstes durch die Soldaten der Schlosswache wurde vom Stadtrat in Form der sogenannten Torwachgelder vergütet. Dabei handelte es sich um eine jährliche Zahlung an die Kasse der Schlosswache bzw. Grenadiergarde,
604 605 606 607
Ebd., fol. 50v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 24.1.1718. ThStAM, Finanzarchiv Geschichtliches, 109. Besuche und Anfragen an die Rüstkammern des Residenzschlosses Altenburg und der Veste Coburg ergaben keine weiteren Hinweise. 608 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 6r.
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deren Höhe sich um 1710 zunächst auf 200 Gulden belief, jedoch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf 370 Gulden anstieg.609 Mit der 1717 erfolgten Errichtung der Grenadiergarde gingen eine Verstärkung der Stadtwache sowie eine strengere Reglementierung des Wachdienstes einher. Als Herzogin Sophia Albertine nach dem Ableben Ernst Friedrichs I. die Garde auf 46 Mann reduzierte, wurden erneut die Bürger Hildburghausens zum Wachdienst herangezogen. Den strengen Sparplan der Mutter setzte Herzog Ernst Friedrich II. indessen nicht um. Bereits im Jahre 1730 wurde die Mannschaftsstärke der Garde wieder erhöht und die Wachdienste wurden von der Stadt erneut abgelöst. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts trat die Stadt immer dann für die Wachen ein, wenn die fürstliche Garde reduziert oder abgedankt war. Diese Lücken mussten vornehmlich zwischen 1737 und 1750 sowie ab 1770 von Bürgern bzw. städtischen Provisionern und Nachtwächtern gefüllt werden. Aber auch für die Zeit des Bestehens der Garde zu Fuß tauchen in den Quellen gelegentlich städtische Nachtwächter auf. Sie versahen ihren Dienst in der Hildburghäuser Neustadt sowie in den bebauten Bereichen außerhalb der Stadttore – dieses Gebiet gehörte nicht zum Einzugsbereich der militärischen Stadtwache, die an den Toren postiert war und innerhalb der Stadtmauer patrouillierte. Die Wahrnehmung der Stadtwache durch die fürstliche Garde hatte zum einen repräsentative Gründe, war zum anderen aber auch durch Pragmatismus geprägt: Die Gardesoldaten bewachten das Schloss mitsamt den fürstlichen Gemächern sowie die gesamte Residenzstadt; sie boten dem Fürsten Sicherheit und entlasteten die Bürger. Der strenge Wachdienst stand zudem unter dem Eindruck der in Sachsen-Hildburghausen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts spürbar zunehmenden Kriminalität. Im Sinne des fürstlichen Ordnungsverständnisses stellt der militärische Wachdienst damit ein Instrumentarium herrschaftlicher Gewaltausübung im Rahmen der „guten Policey“ dar.610 So war es Aufgabe der Soldaten, die Personen an den Stadttoren zu kontrollieren und zu befragen, des Weiteren öffentlichen Aufruhr sowie Diebstähle und den Ausbruch von Feuer611 zu verhindern bzw. schnellstmöglich zu melden. 609 „Unterthänige Vorstellung und Specification was hiesiger Stadtrath theils für sich und theils durch Einsammlung der Thorwachtgelder von hiesiger Bürgerschafft neuerer Zeit her des Militair-Wesens halber zu übertragen hat.“, KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 169c/3844, fol. 1r. sowie die Kompanierechnungen bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 43. 610 Karl HÄRTER, Security and „Gute Policey“ in Early Modern Europe: Concepts, Laws and Instruments, in: Historical Social Research 35/4 (2010), S. 41 f. 611 Der Wachoffizier wurde 1733 von Herzog Ernst Friedrich II. ganz besonders darauf hingewiesen: „Sollte Feuer auskommen, so Gott vor sey, so soll der Commendant von der Wacht selber hingehen und solches in Augenschein nehmen und wenn er Feuer siehet, es bey Unß selber melden und den Tambour parat laßen halten, als dann Wir befehlen wollen, ob soll geschlagen werden oder
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Die Gardesoldaten hatten während des Dienstes und darüber hinaus strenge Disziplin einzuhalten. Die diesbezüglichen Maßregeln wurden in Reglements und Instruktionen niedergeschrieben. Insgesamt sind die folgenden vier Wachreglements der Garde zu Fuß, die detailliert über die Abläufe des Wachdienstes in der Residenzstadt Aufschluss geben, erhalten geblieben: 1. „Reglement des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernstens, Hertzogs zu Sachsen […], Wornach sich die Schloß-Wachten zu richten haben und wie sie sollen eingerichtet werden“; aus dem Jahre 1709;612 2. „Wacht-Reglement. Wie es sowohl auf Hochfürstliche Residence und Hauptwacht, als auch auf denen darvon detachirten Posten und Stadtthoren von denen Officiern der Wacht observiret werden soll“; aus der Zeit 1720 bis 1724;613 dieses folgt in weiten Teilen dem Reglement des Jahres 1709 wortwörtlich; 3. „Reglement, wornach sich die Gefreyden an den Thoren auff Befehl Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht Herrn, Herrn Ernst Friedrichen, Herzog zu Sachsen […] sambt denen unter Ihnen an den Thoren zugegebenen Mannschafften zu reguliren und solchen stricte nachzuleben“; aus dem Jahre 1730,614 4. „Reglement, was bey Unserer Fürstlichen Garde, der auf der Wacht stehende Officier zu beobachten und stricte zu observiren hat“; aus dem Jahre 1733.615 Ein Vergleich der Reglements ergab, dass diese zwar nach 1709 zusehends präziser wurden, sich aber in den wesentlichen Abläufen des Wachdienstes als kongruent erwiesen. Kleinere Unterschiede fanden sich vor allem in der Mannschaftsstärke sowie bei den Intervallen der Wachrunden. Dabei erwies sich diese Quellengattung als derart detailreich, dass eine Rekonstruktion des alle vier Tage stattfindenden Wachaufzuges sowie der Nachtwache möglich war. Nachfolgende Übersicht, die sich auf die Zeit um 1720 bezieht, illustriert den Dienst der fürstlichen Garde in der Residenzstadt:
612 613
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nicht, es mag auch seyn welche Zeit es nur will […]“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 9r. Vgl. Reglement Wornach sich die Schloß-Wachten zu richten haben und wie sie sollen eingerichtet werden, Hildburghausen 1709 (nachfolgend als: Reglement 1709). ThStAM, GA Hbn, XXII, 35. Das Dokument befindet sich in der genannten Akte, wurde jedoch nicht mit Datum versehen. Aufgrund der vorhergehend abgelegten Schriftstücke und von diversen Details aus dem Inhalt kann es in die Regierungszeit Ernst Friedrichs I. datiert werden. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 1.9.1730. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733. Dieses Reglement ist nicht zu verwechseln mit den Kriegsartikeln der Garde vom 17. November 1733, die sich in derselben Akte befinden.
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Zeit 11:00
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Wachaufzug Aktion Die neue Wache versammelt sich vor dem Quartier des Obristen. Sie besteht aus einem Leutnant oder Fähnrich, einem Tambour, einem Pfeifer, einem Sergeanten, vier Korporälen, acht Gefreiten und 36 Gemeinen. Der Obrist visitiert die Mannschaft und übergibt dem Leutnant die Parole für die Nacht, anschließend führt der Leutnant die Truppe in zwei Zügen formiert auf den Markt. Die Truppe hält am Brunnen bei der Apotheke. Ein Unteroffizier, zwei Gemeine, der Tambour und der Pfeifer schlagen „Vergatterung“. Der Leutnant befiehlt den Soldaten, ihre Musketen zu laden und zu schultern. Nachdem die „Vergatterung“ geschlagen wurde, marschiert die Truppe die „Neue Schloßstraße“ hinunter und in den Hof des Schlosses. Im Innenhof gibt der Leutnant den Soldaten mit seinem Stock einen Wink, sodass diese die beiden Züge beidseits des Offiziers auflösen und sich zur Linie formieren. Der Tambour schlägt „Zum Gebet“, und die Soldaten nehmen Gewehr bei Fuß und ihre Kopfbedeckung ab. Anschließend wird das Gewehr wieder geschultert. Nun tritt der rechte Flügelmann der Linie einen Schritt vor, und die Soldaten richten ihre Augen nach rechts. Die alte Wache, ebenfalls in Linie formiert, hat die Ankommenden bereits erwartet. Die neue Wache stellt sich also direkt der alten Wache gegenüber. Der Leutnant kommandiert: „Präsentiert das Gewehr“. Während das Gewehr präsentiert wird, übernimmt der Leutnant vom Offizier der alten Wache den Wachdienst. Nachdem dies geschehen ist, wenden sich beide Offiziere ihren Soldaten zu. Der Leutnant der neuen Wache kommandiert: „Gewehr über“. Er befiehlt dem ältesten Korporal, die Posten abzulösen. Der Korporal kommandiert: „Corporal und Gefreyte raus zum Ablösen“. Aus der Linie der neuen Wache treten aus: Ein Korporal, dann jeweils ein Korporal, ein Gefreiter und drei Gemeine marschieren zum Schleusinger Tor sowie zum Römhilder und Eisfelder Tor. Jeweils ein Gefreiter und ein Gemeiner postieren sich vor den Gemächern des Herzogs, beim Eingang des Schlosshofs sowie beim Lustgarten. Die Wachen werden überall so, wie es die Soldaten im Innenhof des Schlosses taten, übergeben. Die Soldaten der alten Torwachen bzw. Posten marschieren zum Innenhof des Schlosses zurück und ordnen sich in die Linie der alten Wache ein. Die beiden Offiziere der Wachen wenden sich wieder gegeneinander. Der Offizier der alten Wache lässt das Gewehr verkehrt herum schultern, und der Tambour schlägt das Signal „Trupp ab“. Der Offizier der alten Wache marschiert mit den Soldaten vom Schlosshof in Richtung Markt. Daraufhin lässt der Leutnant der neuen Wache das Gewehr präsentieren und der Tambour schlägt „Marsch“, bis die alte Wache
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außer Sichtweite ist. Der Leutnant lässt das Gewehr bei Fuß nehmen, und die Soldaten übernehmen die Wachstube. Ein Gefreiter visitiert die Gasthöfe innerhalb der Stadtmauer. Dienst der Nachtwache (Sommerzeit) Der Leutnant gibt die Parole für die Nachtwache auf der Hauptwache an den Sergeanten, der sie wiederum an die versammelten Korporäle ausgibt. Vergatterung der Ablösung für die Wache an den Toren Der Leutnant, ein Korporal und vier Gemeine visitieren alle Stadttore und lehnen diese an (Anlehnrunde). Die Schlagbäume werden abgeschlossen. Ein Gefreiter, zwei Gemeine, ein Tambour und ein Pfeifer marschieren durch die Straßen. Tambour und Pfeifer spielen den „Zapfenstreich“. Alle Wachsoldaten legen nach dem Zapfenstreich ihre Uniformröcke und Grenadiermützen ab. Für die Nacht tragen sie lediglich Kittel und Dreispitz. Der Leutnant, ein Korporal und vier Gemeine visitieren alle Stadttore. Der Leutnant schließt die Tore ab. Der Leutnant in der Wachstube schickt drei Patrouillen aus: 1. Ein Gefreiter und drei Gemeine visitieren alle Gasthöfe innerhalb der Stadtmauer. 2. Ein Gefreiter und drei Gemeine marschieren von der Hauptwache aus durch die Schlossgasse zum Eisfelder Tor, dann über die Hauptstraße, Knappengasse und Neue Straße zum Schleusinger Tor, von hier aus erneut über die Knappengasse zum Eisfelder Tor, anschließend über die Hauptstraße in Richtung Rathaus und zum Markt. Hier erwarteten die Soldaten die Patrouille Nr. 3. 3. Ein Gefreiter und drei Gemeine marschieren von der Hauptwache aus durch die Stallgasse zum Römhilder Tor, dann über die Hauptstraße in die Dreutelgasse und Schustergasse zum Schleusinger Tor. Von hier führt der Weg direkt zum Markt, wo die Soldaten die Patrouille Nr. 2 erwarten. Patrouillen Nr. 2 und 3 treffen sich am Markt und marschieren gemeinsam über die Neue Schlossstraße zur Hauptwache zurück. Die Gefreiten der Torwachen visitieren die Gasthöfe, die vor ihren Toren liegen. Der Leutnant, ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Der Korporal am Römhilder Tor schickt einen Gefreiten und einen Gemeinen auf Patrouille entlang der Stadtmauer zum Schleusinger Tor. Dort angekommen, wendet sich die Patrouille in Richtung Wachstube, rapportiert dort dem Leutnant und marschiert zum Römhilder Tor zurück. Beim Abmarsch der Patrouille vom Schleusinger Tor schickt
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der Korporal am Schleusinger Tor eine ebensolche Patrouille zum Eisfelder Tor aus. Dort angekommen, wendet sich diese Patrouille ebenfalls zur Wachstube, rapportiert und kehrt zurück. Beim Abmarsch dieser Patrouille schickt der Korporal am Eisfelder Tor eine ebensolche Patrouille ab, die zum Rathaus und Markt marschiert, alle anstoßenden Gassen kontrolliert und schließlich auf Wachstube rapportiert. Wie die vorigen Patrouillen kehrt sie anschließend zu ihrem Tor zurück (Torrunden). Der Leutnant und ein Korporal visitieren alle Tore. Der Leutnant lässt sich von den Korporälen an den Toren die Parole geben (Offiziersrunde). Ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Der Leutnant schickt die Patrouillen Nr. 2 und 3 wie um 22:00 Uhr aus. Der Leutnant, ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Der Korporal am Römhilder Tor beginnt mit den Torrunden wie um 22:30 Uhr geschehen. Ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Der Leutnant, ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Anschließend übergibt der Leutnant dem Sergeanten das Kommando und zieht sich in sein Quartier zurück. Ein Korporal und zwei Gemeine visitieren die Feuer im Schloss. Ein Korporal und zwei Gemeine visitieren alle Stadttore (Tagrunde). Ein Gefreiter, zwei Gemeine, ein Tambour und ein Pfeifer marschieren durch die Straßen. Tambour und Pfeifer spielen „Reveille“. Der Leutnant verlässt sein Quartier und kommt auf die Hauptwache zurück. Der Leutnant, ein Korporal und vier Gemeine lassen alle Stadttore öffnen. Die Korporäle an den Toren erstatten Rapport, den der Leutnant aufnimmt. Die Soldaten lösen die Torwachen ab, welche Kittel sowie Dreispitz ablegen und Uniformrock und Grenadiermütze anziehen. Der Leutnant befiehlt einen Gefreiten zur mündlichen Meldung an den Obristen. Anschließend begibt sich der Leutnant mit dem Rapport persönlich zum Herzog und legt ihm diesen vor. Versammlung aller Korporäle beim Sergeanten und Leutnant in der Wachstube zum Empfang der Tagesbefehle
Tabelle 6: Wachdienst der Grenadiergarde in Hildburghausen, um 1720
Die Wache unterstand einem Leutnant, seltener einem Fähnrich, der sich gemeinsam mit den Wachsoldaten in der Wachstube dem Schloss gegenüber aufhielt. Während eines viertägigen Wachzuges lösten sich die Soldaten der jeweiligen Wache in ihrem Dienst zwölfmal ab. Der Offizier hingegen wurde nicht abgelöst, verbrachte dafür aber auch nicht die gesamte Nachtwache in der Wachstube. Nach der nachts um
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2:30 Uhr im Schloss stattfindenden Visitierrunde übergab der Offizier das Kommando der Wache an den Sergeanten in der Wachstube. Der Offizier konnte sich anschließend in seine Privatwohnung begeben, blieb aber weiterhin Ansprechpartner für die Soldaten, falls besondere Zwischenfälle eintraten. Damit war der Offizier für alle Vorkommnisse auf der Wache verantwortlich. „Er soll sorgen, daß die Posten wohl und ordentlich abgelöst werden, hindert alle Disordre, sowohl bey Hoff als auch in der Stadt […].“616 Zudem hatte er die ihm untergebenen Soldaten in strenger Disziplin zu halten. In besonderem Maße galt dies für das Exerzitium, wobei „aber allezeit wohl observiret muß werden, daß die Leuthe die Griffe recht machen und keinem durch die Finger sehen, sondern mit etlichen Prügeln aufmercksam machen“.617 Besonders im Rahmen der Wachablösung, der wahrscheinlich gelegentlich auch Stadtbürger oder Besucher der Residenz in einiger Entfernung als Schaulustige beiwohnten, sollten keine Fehler unterlaufen. „Findet er [der Offizier] einen Fehler, so muß er die Kerl durch den Corporal von der Jour so hinten [hinter der Linie] stehen muß, etliche Hieb geben laßen, auf daß sie Achtung geben […].“618 Allabendlich gegen 18:00 Uhr begann der Dienst der Nachtwache mit der Ausgabe der Parole durch den Sergeanten, der sie zuvor vom Leutnant erhalten hatte.619 Dazu versammelten sich sämtliche Korporäle der kommandierten Nachtwache in bzw. vor der Wachstube „[So] giebt er [der Sergeant] dem auf seiner rechten Hand stehenden Corporal die Parole sachte ins Ohr, welcher sie dem nechst ihn stehenden und so fort einer dem andern, bis der letzte an des Sergeanten linker Hand selber ihn wieder zurück giebet; sollte dieser letzte die Parole falsch haben, muß der Sergeant sich Mann vor Mann dieselbe geben laßen und zusehen, wo der Fehler geweßen […].“620 Die Parole wurde lediglich den Korporälen, nicht aber den gemeinen Soldaten gegeben. Im Rahmen des nächtlichen Patrouillendienstes diente sie zur Erkennung der verschiedenen Wachen. Während der Nacht war kein gemeiner Soldat ohne Begleitung eines Korporals in der Stadt unterwegs, sodass jederzeit die Parole verlangt werden konnte. Alle Grenadiere, die nicht zur Wache gehörten, hatten sich nach geschlagenem Zapfenstreich im Quartier zu befinden, „zu dem Ende von dem Unterofficier [Korporal] die Quartier visitiert und welche [Soldaten] abgängig annotirt und dem Commendanten gemeldet werden [sollen]“.621 Auf den Wachposten an den Stadttoren sowie im Bereich um das Schloss befanden sich sowohl am Tag als auch in der Nacht insgesamt sechs Gefreite 616 617 618 619
Reglement 1709, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 6r. Ebd, fol. 3v. Im Gegensatz zum Wachdienst auf der Veste Heldburg haben sich für die Residenzstadt keinerlei Quellen erhalten, die Aufschluss über die hier ausgegebenen Parolen geben. 620 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Wachreglement 1733, fol. 2r. 621 Ebd., fol. 3r.
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und zwölf Gemeine. Führer der jeweiligen Wachposten war ein Korporal – nach 1730 ein Gefreiter –, dem folgende Aufgaben zukamen: Er hatte das Schilderhaus sowie den Schlagbaum am jeweiligen Stadttor sauber und unbeschädigt von der alten Wache zu übernehmen. Was die tagsüber durch das Tor passierenden Personen anging, so wurde dem Gefreiten aufgetragen, „keine Stehler oder Seuffer, nicht weniger Leuthe, so über ein alß anders resonieren, noch viel wenig verdächtige Personen alda einzulaßen und denenselben Aufenthalt zu gestatten“.622 Alle am Stadttor ankommenden fremden Personen wurden vom Gefreiten der Torwache nach ihrer Herkunft und ihren Absichten in der Residenzstadt befragt. Anschließend wurden diese Informationen auf einer Liste vermerkt, die dem Offizier auf der Hauptwache zuging.623 Im Rahmen der Nachtwache an den Toren waren zudem von den Gefreiten allabendlich um 22:00 Uhr die in der Vorstadt Hildburghausens gelegenen Wirtshäuser aufzusuchen, um dort die Einhaltung des Zapfenstreichs zu kontrollieren. Zusätzlich händigte der Wirt dem Soldaten eine Liste – den sogenannten Logierzettel – aus, auf dem alle Gäste vermerkt waren, die im Gasthaus übernachteten.624 Auf dieselbe Weise kontrollierte parallel dazu eine Patrouille die Gasthäuser innerhalb der Stadtmauer. Bereits vor dem Zapfenstreich, gegen 20:30 Uhr, wurden die Stadttore angelehnt, die Schlagbäume aber mit Hängeschlössern verschlossen. Die Schlüssel führte der den Leutnant begleitende Korporal in mehreren ledernen „Schlüßelsäcken“ mit sich.625 Anschließend – etwa gleichzeitig mit dem Zapfenstreich – wurden Römhilder und Eisfelder Tor verschlossen; das Schleusinger Tor wurde erst 23:30 Uhr verriegelt. Bereits unmittelbar nach dem Zapfenstreich war es den Bürgern der Residenzstadt untersagt, aus ihren Häusern und Wohnungen auf die Straßen zu treten. Das Verlassen sowie das Betreten der Stadt waren bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr möglich. Im Reglement des Jahres 1709 heißt es dazu: „Nach 10 Uhr darff niemand des Abends ausgelassen werden; es wäre dann, daß Staffeten oder Posten kämen oder jemand der nothwendig bey der Herrschafft oder sonsten Dinge, die keinen Verzug leiden, zu verrichten hätte, die sonder gefragt herein zu lassen […].“626 Personen, die von den Soldaten während der Nachtwache auf den Straßen angetroffen wurden, waren sofort in Gewahrsam zu nehmen:
622 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 1.9.1730, fol. 1r. 623 Reglement 1709, fol. 2r. 624 Dieses Vorgehen folgt den Bestimmungen der Gothaer Landesordnung von 1667, vgl. Landesordnung 1667, Tit. 12, S. 170 u. Tit. 19, S. 181. 625 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, B153, pag. 76; ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, Wacht-Reglement. Wie es sowohl auf Hochfürstliche Residence und Hauptwacht […], fol. 3r. 626 Reglement 1709, fol. 2r.
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„Die Patrouille schonet niemanden, wer der auch sey und wenn sie nicht in der Güte wollen, nehmen sie dieselbigen mit Gewalt, jedoch ohne Verletzung des Lebens, es sey denn, daß jemand so unbescheiden und sich mit Degen und tödtlichen Gewehr widersetzen sollte, sodann hätte sie wieder Gewalt zu gebrauchen und zum Gehorsam zu bringen.“627 Die aufgegriffenen Personen wurden umgehend auf der Wachstube in Arrest gebracht und bis zum nächsten Morgen verwahrt. Anschließend entschied auf Rapport des Offiziers der Herzog persönlich über das weitere Vorgehen. Während des gesamten Wachdienstes wurde den Soldaten größte Aufmerksamkeit abverlangt. Es war zu unterbinden, dass die Wachsoldaten „auf Posten plaudern, Tabak rauchen oder schnupfen, vielweniger sich setzen […], sollte eine Schildwacht gar sich schlaffend finden laßen, so soll solche arretirt werden“.628 Im Hinblick auf den soldatischen Alltag sind die verschiedenen Reglements als normative Quelle nur eingeschränkt aussagekräftig. Einzelne Quellenbefunde zeigen, dass das Verhalten der Soldaten in der Praxis deutlich vom Reglement abwich und trotzdem ohne Sanktionen blieb. Hierzu geben u. a. die im Rahmen eines Verhörs gemachten Aussagen der Grenadiere Johann Christoph Schuchart und Andreas Wickler, die beide 1721 desertierten und aufgegriffen wurden, wichtige Hinweise.629 Tatsächlich sprachen die Grenadiere auf der Wache viel miteinander und unterhielten sich regelmäßig mit ihnen bekannten Stadtbürgern. Vor allem Letzteres versuchte man von Seiten der Obrigkeit zu unterbinden, da befürchtet wurde, Konversationen mit Zivilisten könnten eine negative Wirkung auf die Soldaten haben. So ließ sich die Frau eines Tagelöhners aus Hildburghausen, die mit einem Wachsoldaten sprach, zu der Aussage hinreißen: „Die Officiers wüßten auch nicht, wie sie die Grenadiers genug scheren sollten, sie wären Narren, wenn sie blieben.“630 Eine Gruppe Soldaten, die an einem Stadttor Wache stand, nutzte die Situation häufig für Gespräche und Diskussionen. Im Mittelpunkt standen dabei neben dem persönlichen Alltag auch Desertionspläne, über die auf der Wache nicht nur debattiert, sondern auf die sich auch die Hand gereicht wurde. Aufgrund der Monotonie des Dienstes kam es zudem vor, dass Wachsoldaten einschliefen. Der Deserteur Schuchart berichtete 1721, dass er und Wickler „beyde zu dem Schleußinger Thor raus gegangen, ohngefehr 8 Uhren, da der Grenadier Popp Schildwacht gestanden, aber in dem Schilderhauß geschlaffen hätte, daß sie also nicht gesehen [wurden]“.631
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Ebd., fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Reglement des Wachoffiziers, 1733, fol. 5r, 5v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 8r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721. fol. 12v.
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Dabei handelte es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf, der den Beschuldigten in ernste Schwierigkeiten bringen konnte. Ein Grenadier, der auf der Wache einschlief, hatte ein Strafmaß zu erwarten, das vom Gassenlaufen bis zur Todesstrafe reichen konnte.632 Im vorliegenden Fall scheint der Grenadier Popp jedoch ohne Verfahren davongekommen zu sein, da man sich vollständig auf das Desertionsdelikt der beiden anderen Grenadiere konzentrierte. Nach der Entlassung der Garde du Corps im Jahre 1724 übernahm die Grenadiergarde den Wachdienst im Schloss sowie in dessen Außenbereichen. Der Dienst als persönliche Leibwache des Herzogs glich jenem der entlassenen Garde du Corps.633 Die Posten dieser Wache befanden sich am Schlosseingang, auf den Fluren sowie vor den herzoglichen Privatgemächern und an der Tafel. Die Soldaten waren damit nicht nur in der Stadt, sondern auch im Schloss allgegenwärtig. Sie wurden unmittelbare Zeugen von Gesprächen und Verhandlungen sowie des gesamten Tagesablaufs des Herzogs. Daher wurde von den Soldaten, die diese Wache versahen, besondere Aufmerksamkeit und Diskretion erwartet. Achtsam war auch mit den Dienstboten sowie mit Besuchern des Schlosses zu verfahren. Da offensichtlich nicht alle Mitarbeiter bzw. Gäste als vertrauenswürdig anzusehen waren und gelegentlich Diebstähle – vor allem aus der Hofküche – vorkamen, ermahnten die Reglements zu ausgesprochener Vorsicht. So war „jeder Zeit durch die Schildwachten darauff Achtung [zu] geben […], daß niemand es sey Manns oder Weibs Person, beyder einiger Abtrag und Abschlagung von Hoffe zu besorgen, mit Mänteln oder sonsten dergleichen, worunter was verstecket werden kann, nachher Hoffe gelaßen, sondern wo einiger Verdacht vorhanden, selbige visitiert und besuchet werden“.634 Wiederholte Vorkommnisse führten zur Aufstellung einer Schildwache, die „jedesmal bey Tischzeit, vor der Hof-Stuben, wo die Bedienten speißen“,635 darauf achten sollte, dass keine Lebensmittel entwendet würden. Jenseits des Dienstes als Leibwache übernahmen die Soldaten während der Nachtwache die Verantwortung für die Kerzenbeleuchtung innerhalb des Schlosses. Während die Dienstboten schliefen, wurden die brennenden Kerzen ab 22:30 Uhr stündlich kontrolliert. Auch während der Abwesenheit der fürstlichen Familie wurde der reguläre Dienst eingehalten. Vom wachhabenden Offizier waren wöchentlich zwei Rapporte einzuschicken sowie bei Bedarf neue Parolen vom Herzog anzufor632 ThStAM GA Hbn, XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733, fol. 3r. 633 Siehe den nachfolgenden Darstellungspunkt 4.2.2: Die Garde du Corps zu Pferd und der Wachdienst im Residenzschloss. 634 Reglement 1709, fol. 2v.; ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, Wacht-Reglement. Wie es sowohl auf Hochfürstliche Residence und Hauptwacht […], fol. 4r. 635 Ebd.
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dern. Zudem bestimmte Herzog Ernst Friedrich II. im Jahre 1736 aufgrund einer länger währenden Abwesenheit: „Die Wachten und Posten und was sonst auf der Wacht zu observieren, bleiben in Unserer Residenz und an Thoren ungeändert und hat die Schildwache, so vor Unsern Zimmer stehet, wohl Obacht zu geben, sowohl auf Unser Zimmer, als auch auf Unser Gemahlin Zimmer in den obern Stock, weswegen dann die Post [der Wachposten] zuweilen hinaufgehen muß.“636 Darüber hinaus waren auch die Ehrenbezeigungen reglementiert. Unter Ernst Friedrich I. galt: „Vor fremde Fürsten salviret der Officier wie vor hiesige gnädige Herrschafft, nemlich mit Trommelschlag des Marches und Salvirung [der] Officierer […].“637 Die Unteroffiziere und gemeinen Soldaten schulterten638 gleichzeitig die Muskete und stellten sich in Position. Dies galt für den Herzog und dessen Familie sowie für Verwandte, fremde Fürsten und Grafen. Beim Vorübergehen von hildburghäusischen Offizieren, Geheimen Räten, Hof- und Kammerräten sowie Präsidenten und Direktoren grüßten die Offiziere ebenfalls. Der Marsch wurde jedoch nicht geschlagen. Die gemeinen Soldaten schulterten zunächst das Gewehr und nahmen es dann bei Fuß. Vor Gesandten anderer Höfe sowie vor fremden Offizieren grüßten die Wachoffiziere nicht. Die Unteroffiziere und gemeinen Soldaten präsentierten die Muskete. Dazu mussten sie „ihre Flinten vor sich auff den halben Mann praesentiren und darbey acht nehmen, daß wann sie solches recht vor den Leib in die Höhe gebracht haben, sie so lange still halten, biß man langsam 1. 2. zehlen kann[n] und nachdem sie auff dem vor- und neben sich stehenden Mann gesehen, das Gewehr geschwinde und zugleich praesentiren und sich solcher Gestalt in Positur halten“.639 Nach dem Schließen der Stadttore und dem Schlagen des Zapfenstreichs „wird vor niemanden das Gewehr praesentiret, wann aber Herrschafft oder Ronden kommen, so muß ins Gewehr getreten werden und scharff geschultert, wie auch wenn Commando vorbey gehen“.640 Ein besonderer Anlass war die sogenannte Sonntags- oder Kirchenparade, zu der die Gardegrenadiere feierlich zur Stadtkirche marschierten und mit der Bevölkerung gemeinsam am Gottesdienst teilnahmen.641 Im Artikelbrief des Jahres 1733 heißt es dazu: „Soll ein jeglicher Soldat sich eines geistlichen Lebenswandels befleißigen, aller Aergernüß und Üppigkeit müßig gehen, sich zum Gottesdienst auf der Kirchen-Parade einstellen, bey Straffe Arrests, Pfahl oder anderer arbitrairischen Ahnthung.“642 636 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 10.6.1736, fol. 1v. 637 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, Wacht-Reglement. Wie es sowohl auf Hochfürstliche Residence und Hauptwacht […], fol. 3v. 638 Im 18. Jahrhundert als „ins Gewehr gehen“ bezeichnet. 639 Exercitien vor die Infanterie, fol. 1r. 640 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Wachreglement 1733, fol. 7r. 641 Siehe Punkt 4.1.7.2: Soldat und Uniform im Dienst. 642 ThStAM, GA Hbn XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733, fol. 1v.
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Eine andere Tätigkeit, bei der die Gardegrenadiere in Erscheinung traten, war die sogenannte militärische Exekution. Hierbei wurde das Militär als exekutive Gewalt gegen zivile Straftäter eingesetzt.643 In SachsenHildburghausen fand die militärische Exekution vorrangig im Rahmen zwangsweiser Einquartierungen statt. Die unfreiwilligen Quartierwirte waren Steuerschuldner, die mit der Last der Einquartierung zur Zahlung bewogen werden sollten. Bis auf die gelegentlich in den Quellen auftretende Anmerkung, ein Grenadier „liegt auf Execution“, lassen sich keine tiefergehenden Aussagen zu dieser Praxis treffen. In quantitativer Hinsicht ist feststellbar, dass diese Einquartierungen zwar regelmäßig im ganzen Fürstentum vorkamen, jedoch nicht sehr zahlreich waren. 4.2.2 Die Garde du Corps und der Wachdienst im Residenzschloss Im Jahre 1717 wurde von Herzog Ernst Friedrich I. gleichzeitig mit der Grenadiergarde eine Garde du Corps zu Pferd eingerichtet. „Garde du Corps heisset überhaupt eine Leib-Wacht […], welche zu Beschützung der Person eines Fürsten, Königs oder Kaysers besonders bestellt ist.“644 Übereinstimmend mit dieser kurzen Beschreibung des Enzyklopädisten Johann Heinrich Zedler handelte es sich bei der berittenen Garde du Corps um die persönliche Leibwache des Herzogs von Sachsen-Hildburghausen. Im Aufgabenspektrum der Garden ergab sich daher eine Zweiteilung: Während die Grenadiergarde die gesamte Residenzstadt patrouillierte, versah die Garde du Corps den Wachdienst ausschließlich in den fürstlichen Gemächern und den Außenbereichen des Schlosses. Sie befand sich damit stets in der unmittelbaren Nähe des Herzogs. Die archivalische Überlieferung zur Garde du Corps ist aufgrund der vergleichsweise kurzen Zeit ihres Bestehens von lediglich sieben Jahren – von 1717 bis 1724 – nur wenig umfangreich. Daher sollen an dieser Stelle alle bekannten Informationen zu Struktur, Formation und Dienst zusammengeführt werden. Bei der Garde du Corps handelte es sich um eine Kürassiereinheit. Sie umfasste zwischen 46 und 52 Mann und wurde von einem Kapitänleutnant kommandiert. Die Mannschaften waren, ebenso wie im Falle der Grenadiergarde, bei Bürgern der Residenzstadt einquartiert. Die im Jahre 1717 projektierte Aufstellung der Garde du Corps umfasste neben dem Kommandeur noch einen Leutnant, einen Kornett, drei Brigadiers, drei Trompeter, 36 Ge643 Zum Wesen der militärischen Exekution vgl. Maren LORENZ, Das Rad der Gewalt. Militär und Zivilbevölkerung in Norddeutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg (1650–1700), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 192 f. 644 ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 10, Leipzig 1735, Sp. 192.
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meine und einen Knecht.645 Später gehörten noch zwei Rittmeister sowie jeweils ein Wachtmeister, Feldscher und Pauker zum Etat der Garde du Corps.646 Diese bildete zwar eine eigenständige militärische Formation, war jedoch dem Kommandanten der Grenadiergarde untergeordnet. Auch in Jurisdiktionsangelegenheiten zeigte sich dieses Verhältnis, da der Auditeur der Grenadiergarde auch dem Kriegsgericht der Garde du Corps vorstand. Bald nach der Errichtung erhielt die Garde du Corps von Herzog Ernst Friedrich I. ein eigenes Reglement. Dieses ist in einer Abschrift vom 15. November 1719 erhalten und gewährt Einblicke in den Dienst der Einheit. Eine Wache bestand demnach aus einem Brigadier, einem Trompeter und acht Gemeinen, die als Posten innerhalb des Schlosses aufgestellt wurden. Der Brigadier war der Kommandant der Wache und trat mit dieser jeden Morgen gegen acht Uhr den Dienst an. Dabei versammelten sich die Mannschaften zunächst vor dem Quartier des Kapitänleutnants und marschierten anschließend unter Führung des Brigadiers über den Markt in den Schlosshof. Im Gebäude wurden die alten Wachen abgelöst: „Bey der Ablösung soll derjenige so kommt, sich gegenüber den andern stellen und bleiben, biß Ihme alles übergeben, die Posten abgelöst sind, als denn marchiert der Brigadier [der alten Wache] mit seiner Mannschaft mit verkehrt geschulderten Gewehr nach dem Parade Platz647, um seine Mannschafft abzudancken.“648 Tagsüber wurden vom Brigadier der Wache keine festen Posten aufgestellt. Vielmehr hielten sich die Soldaten in der ständigen Umgebung der herzoglichen Familie auf, begleiteten diese bei gelegentlichen Ausfahrten oder waren um 13 Uhr und um 19 Uhr bei Tisch zugegen. Hier war besonders der Befehl zu befolgen: „Wenn die Taffel gedeckt, darf niemand hinan gelaßen werden […].“649 Allgemein galt, dass „in die Vor-Cammer von Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht dem Herzog und Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht der Hertzogin, […] nicht jedermann gelaßen werden [darf], als die hohen Bedienten und andere von Distinction“.650 Für Verwandte der herzoglichen Familie und andere adelige Besucher der Residenzstadt bestand die Möglichkeit, die fürstlichen Gemächer zu besichtigen. Bereits zur damaligen Zeit galten die Stuckdecken und die reichen Ausstattungen als sehenswert. Der Brigadier der Garde du Corps wurde daher angewiesen, „wenn auch Hochfürstliche Herrschaften nicht in ihrem Gemächern, wirdt
645 646 647 648 649 650
ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 49r. DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 119. Schlosshof. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 106v. Ebd., fol. 108v. Ebd., fol. 109r.
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niemandt hinen gelaßen, es sey denn das Frembte kommen, die Gemächer zu besehen, da denn jemand zugegeben wird, so denen Frembten die Gemächer zeiget“.651
Abbildung 3: Ausschnitt aus dem Wachreglement der Garde du Corps, 1719. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 35, fol. 108r)
651 Ebd., fol. 109r.
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Mit Beginn der Nachtwache stellte der wachhabende Brigadier der Garde du Corps drei Posten auf. Zwei Gemeine postierten sich vor die Gemächer des Herzogs und zwei weitere vor jene der Herzogin. Beide Wachen wurden des Nachts stündlich abgelöst. Eine dritte befand sich „bey der Estandart und Paucken“652 – wahrscheinlich die Wachstube der Garde du Corps innerhalb der Schlosses. Hier befanden sich auch der Brigadier sowie zwei Gemeine und der Trompeter. Darüber hinaus patrouillierten im Außenbereich des Schlosses zwei berittene Soldaten der Garde du Corps, die alle zwei Stunden ihre Runden gingen. In der Nacht sollte „der Brigadier von der Wacht […] alle Stunden in den Obergebäud des Schloßes patrouillieren und wohl zusehen, daß kein Schaden mit dem Feuer geschiehet, ingleichen, daß alle Pagen und Laquayen in ihren behörigen […] Zimmern seynd, wiedrigen Falß aber, da selbige von der Patrouille attrapiret würden, bey die Wacht in Arrest gebracht und davon des Morgens gehöriger Maßen Raport gethan werden“.653 Jeden Abend ab 22 Uhr wurden die Zugänge zum Schloss abgeriegelt. In der Nacht war der Herzog aber nicht vollständig von der Außenwelt abgeschnitten: Estafetten und andere dringende Nachrichten wurden von den Grenadieren an den Stadttoren eingelassen und gingen bei der Hauptwache ein. Von hier aus begab sich ein Korporal der Grenadiere zur Wachstube der Garde du Corps und händigte die Briefschaft dem Brigadier der Wache aus. In dringenden Fällen überbrachte dieser dem Herzog selbst des Nachts die Nachricht. Am Tage wurde derselbe Modus eingehalten, sodass der Herzog einlaufende Nachrichten stets aus der Hand des Brigadiers der Garde du Corps erhielt.654 Neben den zehn Soldaten der Wache versah tagsüber noch ein Offizier – ein Kornett, Leutnant oder Rittmeister – seinen Dienst im Schloss. Es handelte sich dabei um die individuelle Leibwache Ernst Friedrichs I. Der Offizier hatte sich jeden Morgen, noch bevor der Herzog erwachte, einzufinden und sollte „solange verbleiben, biß Ihro Hochfürstliche Durchlaucht abends wiederum schlaffen sind, umb zu vernehmen, ob ferner etwas zu befehlen, auch soll selbiger dafern Ihro Hochfürstliche Durchlaucht ausfahren, mit reiten“.655 Die Einrichtung der Garde du Corps wurde nach dem Tode Ernst Friedrichs I. von seiner Ehefrau Sophia Albertine als obsolet empfunden. Während die Grenadiergarde lediglich reduziert wurde, befahl die Herzogin am 18. April 1724 die vollständige Auflösung der Garde du Corps. Zahlreiche Ausrüstungsgegenstände wurden veräußert, ohne dass deren Käufer nachträglich zu ermitteln sind. Ein beträchtlicher Teil der Bewaffnung – darunter 652 653 654 655
Ebd., fol. 108v. Ebd., fol. 108r. Ebd., fol. 108v. Ebd., fol. 106r.
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vor allem Pallasche und Pistolen – wurde jedoch in der fürstlichen Rüstkammer eingelagert.656 Die Herzogin strebte Veräußerungen an, um zumindest etwas Profit aus der Abwicklung der Garde du Corps zu schlagen. Den beträchtlichsten Wert stellten die Pferde der Einheit dar, über deren Verbleib bereits einen Tag nach der offiziellen Auflösung beraten wurde. Die Offiziere sagten der Herzogin wahrscheinlich den Abkauf der eigenen Pferde zu, sodass lediglich 25 Pferde verblieben. Diese wurden nach einer unabhängigen Schätzung durch einen ehemaligen Offizier und einen Stallmeister für eintausend Reichstaler an den hildburghäusischen Hoffaktor Simon Moyses aus Merzbach abgegeben.657 Damit endete die vergleichsweise kurze Geschichte der berittenen Garde du Corps im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen. Eine Wiederaufrichtung zu einem späteren Zeitpunkt unterblieb, da sich zeigte, dass die Garde du Corps durchaus verzichtbar war. Die ihr ehemals übertragenen Aufgaben wurden in den Jahren nach 1724 von den Soldaten der Grenadiergarde übernommen. 4.2.3 Die Veste Heldburg und der Festungsdienst658 4.2.3.1 Der große Mäzen Bereits vor dem Tod seines Vaters übernahm Ernst Friedrich als Erbprinz Verantwortung für das Militär im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen. Bereits hier wird mehrfach ersichtlich, wie stark der Erbprinz von militärischen Belangen eingenommen war, sodass diese auch später ein wesentliches Charakteristikum seiner Regierung darstellten. Eines seiner ehrgeizigsten Projekte stellte der ab 1712 erfolgte Ausbau der Veste Heldburg dar.659
656 ThStAM, Finanzarchiv Geschichtliches, 108. Im Jahre 1735 befanden sich noch 36 Pallasche, die ehemals von Gemeinen der Garde du Corps geführt wurden, in der fürstlichen Rüstkammer. 657 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 19.4.1724. Der Hoffaktor lag mit seinem Angebot von 39 Reichstaler über der Wertschätzung des Obristleutnants v. Harras und des Stallmeisters v. Beust. 658 Teile dieses Darstellungspunktes sind bereits 2012 vom Verfasser publiziert worden, siehe Oliver HEYN, Die Veste Heldburg und das Militär zur Zeit des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen, in: STIFTUNG THÜRINGER SCHLÖSSER UND GÄRTEN (Hg.), Burgen im Historismus. Die Veste Heldburg im Kontext des Historismus (= Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 16), Regensburg 2012, S. 161–175. 659 Eduard FRITZE, Die Veste Heldburg, Jena 1903, S. 36.
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Abbildung 4: Ernst Friedrich I. v. Sachsen-Hildburghausen (1681–1724), um 1715. Gemälde, Öl auf Leinwand von einem unbekannten Künstler
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Obwohl in zeitgenössischen Quellen des Öfteren als „Vestung“ oder „Forteresse“ bezeichnet, war auch Ernst Friedrich I. klar, dass es sich bei der Veste Heldburg um keine Festung im klassischen Sinn handelte.660 Sie unterschied sich vor allem in Größe, Lage und Ausführung von den Anlagen, die der Erbprinz bereits in den Niederlanden gesehen hatte. Tatsächlich war der militärische Wert der Veste Heldburg schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts zweifelhaft. Zudem war es für den Erbprinzen offensichtlich, dass die Anlage einer förmlichen Belagerung – nach allen Regeln des Festungskrieges ausgeführt – keinesfalls standhalten konnte. Diese Anforderungen hatte die Veste Heldburg auch nicht zu erfüllen, denn die Kriegsschauplätze der Reichskriege lagen im 18. Jahrhundert meist in Italien, am Rhein oder in den Niederlanden und damit weit entfernt von Sachsen-Hildburghausen. Eine tatsächliche strategische Bedeutung kam der Veste Heldburg letztmals 1711 im Rahmen des Römhilder Krieges (1710–1711) zu, als mit Sachsen-Meiningen verbündete pfalz-neuburgische Truppen mit einem Einmarsch nach Sachsen-Hildburghausen drohten.661 Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 150 Soldaten des hildburghäusischen Landregiments in Stadt und Veste Heldburg und besetzten diesen strategisch wichtigen Punkt im Süden des Fürstentums.662 Durch Vermittlung des Fränkischen Kreises konnte damals eine Eskalation des Konflikts abgewendet werden. Dennoch zeigte diese Situation, dass sich die Veste Heldburg im Rahmen begrenzter Konflikte mit Gegnern, deren Mittel beschränkt waren, als nützlich erwies. Neben Überlegungen zum Ausbau der Veste Heldburg spielten sicherlich auch Prachtentfaltung und der Begriff der „fiktiven“ Wehrhaftigkeit eine Rolle.663 Der zeitgenössische Enzyklopädist Johann Heinrich Zedler schrieb, dass „ein jeder Verständige gerne einräumen [wird], daß einem Staat höchst nöthig sey, wohl angelegte Festungen zu haben“.664 In diesem Sinne erwirkte Ernst Friedrich I. im Jahre 1712 von seinem Vater die Genehmigung, die Veste Heldburg als Festung auszubauen. Gleich zu Beginn ließ er das in Stein gehauene Staatswap660 Thomas BILLER, Ulrich GROßMANN, Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum, Regensburg 2002, S. 147; Hartwig NEUMANN, Festungsbau-Kunst und – Technik. Deutsche Wehrarchitektur vom XV. bis XX. Jahrhundert, Augsburg 2000, S. 9. Die Veste Heldburg war die einzige Befestigungsanlage des Fürstentums SachsenHildburghausen, die militärisch genutzt wurde. Eine zweite Anlage, die Burg Königsberg, kam 1683 an Sachsen-Hildburghausen, wurde jedoch nach dem Tod von Herzog Ernst dem allmählichen Verfall preisgegeben. 661 Siehe Punkt 3.3.2: Der Römhilder Krieg (1710–1711). 662 ThStAM, GA Hbn, 272, fol. 82–83, 104r. 663 Zum Begriff der „fiktiven“ Wehrhaftigkeit am Beispiel der mitteldeutschen Kleinstaaten vgl. HAHN, Der „Krieg“ im politischen Kalkül mindermächtiger Reichsstände, S. 98 f. 664 Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 9, Leipzig 1735, Sp. 670.
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pen Sachsen-Hildburghausens über dem Haupteingang anbringen.665 Der Wappenstein des Erbprinzen ist eines der wenigen erhaltenen Relikte, welche über die hildburghäusische Zeit auf der Veste Heldburg Zeugnis ablegen. Durchgeführt wurde der Ausbau von zahlreichen Handwerkern, welche die seit 1684 vernachlässigte Anlage zunächst in Augenschein nahmen und eine Vielzahl an Mängeln feststellten.666 Im Jahre 1713 wurde eine neue Rossmühle zur Beförderung des Wassers aus dem Brunnen angelegt.667 Zur selben Zeit dachte man über die teilweise Einlegung und Erneuerung des großen Treppenturmes am sogenannten Jungfernbau nach. Hier war vor allem die Dachkonstruktion marode und erforderte dringende Bauarbeiten.668 Nachdem im Innenbereich der Anlage die dringendsten Arbeiten erledigt waren, legte Ernst Friedrich I. sein Augenmerk besonders auf die Außenwerke. Hier war zunächst der hildburghäusische Offizier Ernst v. Lindeboom federführend beteiligt. Nach ihm wurde später ein Festungswerk „Fort Lindeboom“ benannt.669 Wahrscheinlich nicht vor 1714 begannen die Schanzarbeiten am Festungsgraben, der sich noch heute im Gelände unterhalb der Veste markant abzeichnet. Interessant ist, dass vor allem der südliche Teil des Grabens in seinem Verlauf an einigen Stellen bastioniert wirkt und den ehemaligen gothaischen Befestigungsplänen der Veste Heldburg folgt. Der Anlage des Grabens mussten einige Obst- und Weingärten, die sich am Festungsberg befanden, weichen. Hier gelegene Gartenhäuser, Umzäunungen und Bäume wurden beseitigt. Den ehemaligen Besitzern der Grundstücke wurden Entschädigungen zugesagt, die jedoch einige Zeit auf sich warten ließen. Ungeduldig schlug daher der Heldburger Bürger und Weingartenbesitzer Paul Angermann vor, ihm seinen Verlust mit den Steuern zu verrechnen.670 Andere Untertanen erlitten ebenfalls Einbußen, denn die schweren Arbeiten am Festungsgraben wurden hauptsächlich von Fronarbeitern aus dem Amt Heldburg und von zivilen Arrestanten der Veste durchgeführt.671 Auch 665 Es wird von Fürstenhut, Thronzelt und Baldachin geziert sowie von einer reichen Armatur flankiert. Über dem Wappen befindet sich die Inschrift: E[rnst] F[riedrich] H[erzog] z[u] S[achsen] J[ülich] C[leve] B[erg] E[ngern] W[estfalen]. 666 ThStAM, Kreis Hildburghausen, 1461. 667 Ebd., 13.2.1713. 668 Ebd., 17.1.1713. 669 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.1.1718 [n. pag.]; HUMAN, Chronik der Stadt Hildburghausen (1908), S. 364. 670 ThStAM, Kreis Hildburghausen, 1461, o. D. 671 Der Reichstagsabschied des Jahres 1654 sanktionierte im § 180 das Heranziehen der Untertanen zur Festungsbauarbeit: „[…] sonderlich aber sollen jedes Churfürsten und Stands Landsassen, Unterthanen und Bürger zu Besetz- und Erhaltung der einem oder andern Reich-Stand zugehörigen nöthigen Vestungen, Plätzen und Guarnisonen, ihren Landes-Fürsten, Herrschaften und Obern mit hülfflichem Beytrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig seyn“, SCHMAUSS, ReichsAbschiede, Bd. 3, S. 25.
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in der Militärjustiz des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen wurden des Öfteren Delinquenten zu mehrwöchiger Schanzarbeit auf der Veste Heldburg verurteilt. Das Schanzen am Graben ging jedoch sehr schleppend voran, da nicht ständig und meist zunächst nur mit fünf bis zehn Arbeitern gegraben wurde.672 Entgegen den bisherigen Annahmen stellte man im Jahre 1720 den Festungsbau nicht ein.673 Vielmehr scheint es ab diesem Zeitpunkt zu einer Forcierung der Arbeiten gekommen zu sein, da nunmehr des Öfteren bis zu dreißig Arbeiter im Graben tätig waren. Dazu wurde in den Jahren 1722/23 unter großem Aufwand ein Magazingebäude errichtet. Leutnant Schulz berichtete am 19. Juni 1723: „Heutte Nachmittag umb 5 Uhr ist der Schlußstein des Gewölbs des Magacien[s] durch mich im Nahmen Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht geleget wordten und ist das Gewölb nun völlig geschloßen.“674 In diese Bauphase war besonders der herzogliche Baumeister Michel Bourdillet maßgeblich involviert. Dieser stammte aus der französischen Region Franche-Comté, und er hatte seinen Dienst als Geometer und Ingenieur zunächst in schwarzburgischen Diensten verrichtet, ehe er kurz vor 1720 an den Hof Ernst Friedrichs I. gekommen war.675 Am 7. Oktober 1720 verfasste Bourdillet für den Herzog einen „Rapport de la manier, que le chemin couvert et la contrescarpe de la Fortresse de Heldbourg peuvent estre [sic!] construit“.676 Hier berichtete er detailliert über die noch im Rahmen des Festungsbaus auszuführenden Arbeiten, mit denen der Veste Heldburg ein sinnvoller Verteidigungscharakter gegeben werden könne. Bourdillet plädierte vor allem für eine Verbreiterung und Erhöhung der Zwingermauern bei der Toreinfahrt sowie für eine fachgerechte Instandsetzung des Forts Lindeboom, welches bereits seit März 1719 nahezu eingestürzt war. Um Baumaterial für diese Maßnahme zu gewinnen, schlug Bourdillet vor, einen großen Felsen im Graben zu sprengen. So wurden ab 1721 Bergleute hinzugezogen, die mehrmals wöchentlich Minen sprengten und Felsgestein freilegten. Dies beschleunigte offenbar auch die Arbeiten am Graben.677 672 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 28.5.1718 ist eines von zahlreichen Beispielen unter den Rapporten des kommandierenden Offiziers der Veste Heldburg, der meldete: „Heute arbeiten nur 9 Personen im Graben.“ 673 FRITZE, Die Veste Heldburg, S. 36 gab dies an und ist in der Folge von fast allen Autoren dahingehend rezipiert worden. 674 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 19.6.1723. 675 Verheiratet mit Elisabeth Zamb aus Metz, Geburt des Sohnes Pierre Bourdillet am 1.11.1701, der 1725 als Student genannt wurde, siehe Wolfgang SCHEFFLER, Berliner Goldschmiede. Daten, Werke, Zeichen, Berlin 1968, S. 60. 676 ThStAM, GA Hbn XXII, 36, 7.10.1720. 677 Ebd., 25.6.1721.
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Je länger die Baumaßnahmen andauerten, desto größer wurden auch die Belastungen für die Untertanen. Neben Fronarbeitern wurden zunehmend auch bezahlte Tagelöhner und Handwerksknechte zum Bau herangezogen, und die damit verbundenen Kosten stiegen weiter an. Allein im Jahre 1720 belief sich eine Rechnung für Tage- und Fuhrlohn sowie für diverses Baumaterial auf insgesamt 909 Gulden. In der Folge wurden die entstandenen Kosten auf das gesamte Fürstentum aufgeteilt.678 Dass die Zahlungen des Öfteren länger rückständig blieben, beweist ein Schreiben der herzoglichen Regierung an den Heldburger Amtmann aus dem Jahre 1723, in dem er angewiesen wurde, den fälligen Betrag binnen acht Tagen aufzubringen.679 Trotz dieser Schwierigkeiten schritt der Festungsbau bis zum Tode Herzog Ernst Friedrichs I. im Jahre 1724 weiter fort und wurde erst aufgrund der Sparpolitik der Herzogin Sophie Albertine binnen kürzester Zeit eingestellt.680 4.2.3.2 Der Alltag der Garnison Erst im Jahre 1717 wurde eine ständige Garnison auf die Veste verlegt. Es handelte sich dabei um Teile der im selben Jahr etablierten Grenadiergarde, von deren Soldaten der bei weitem größte Teil bei Bürgern der Residenzstadt Hildburghausen einquartiert war.681 Es ist bislang nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen, über welche Mannschaftsstärke die Garnison der Veste Heldburg in den Jahren zwischen 1717 und 1724 verfügte. Aufgrund des zu versehenden Dienstes ist jedoch davon auszugehen, dass sich etwa dreißig bis vierzig Grenadiere – etwa ein Viertel der gesamten Garde zu Fuß – ständig auf der Veste aufhielten. Die Soldaten unterstanden einem Leutnant, kurzzeitig auch einem Major, der Aufsicht über deren Verrichtungen führte. Neben der Garnison befanden sich noch zahlreiche zivile Personen auf der Veste Heldburg. Der Apotheker Johann Georg Hubert erwarb im Jahre 1713 für 350 Gulden die Konzession, eine Apotheke auf der Veste zu führen, und betrieb sie bis mindestens 1724.682 Darüber hinaus wurde im Jahre 1716 die Heldburger Amtsstube auf die Veste verlegt, wo auch einige dazugehörige Knechte und Mägde ihre Wohnung fanden.683 Von 1722 bis 1724 lebte ein
678 ThStAM, Kreis Hildburghausen, 1461, 6.10.1720. 679 Ebd., 26.4.1723. 680 Zur finanziellen Lage der Regentin nach dem Tod ihres Mannes siehe WITTER, Sophie Albertine, S. 76. 681 Stellvertretend für eine Vielzahl an Quellen vgl. dazu KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/1996. 682 HERTEL, Neue Landeskunde, S. 59. 683 FRITZE, Die Veste Heldburg, S. 40.
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protestantischer Geistlicher auf der Veste, auf den weiter unten noch näher eingegangen wird. Zur Erschließung des Alltags der Soldaten auf der Veste Heldburg stellen die über fast sieben Jahre hinweg lückenlos geführten und erhaltenen Rapporte des kommandierenden Leutnants der Garnison die wichtigste Quelle dar.684 Diese Rapporte wurden wöchentlich an Herzog Ernst Friedrich I. eingesandt und zeichnen ebenso nüchtern wie detailliert die Befehle sowie verschiedene Vorkommnisse der Garnison auf. Durch die Auswertung dieser Rapporte war es möglich, das alltägliche soldatische Leben auf der Veste Heldburg zu rekonstruieren. Die Garnison auf der Veste Heldburg hatte sowohl militärische als auch zivile Aufgaben. Zum einen wurden die Grenadiere im Rahmen des Festungsdienstes diszipliniert und an das militärische Leben gewöhnt. Zum anderen versahen die Soldaten nach der Verlegung der Amtsstube mit zugehörigem Gefängnis auf die Veste Heldburg auch polizeiliche Aufgaben. Um Straftäter auf dem Lande zu ergreifen, wurden bisweilen Grenadierkommandos ausgeschickt.685 In den Jahren 1717/18 wechselten die Leutnants mit den ihnen zugewiesenen Garnisonen in zweiwöchentlichem Rhythmus. Die Heldburger Garnison wurde in diesem Fall durch ein von Hildburghausen aufziehendes Kommando abgelöst. Dieses neue Kommando bildete für die nächsten zwei Wochen die Garnison, während die alte Garnison nach Hildburghausen abzog. Damit wollte man verhindern, dass sich die Soldaten zu sehr an ihre Umgebung gewöhnten und in einen alltäglichen Trott verfielen. Auf Feldzügen, wo Quartiere ständig wechselten, waren solche Gewohnheiten nicht erwünscht. Aus diesem Grunde begann man bereits in Friedenszeiten, häufige Quartierwechsel zu simulieren. Im Juni 1718 endete jedoch der turnusmäßige Garnisonswechsel. Ein Kommando unter dem Gardeleutnant Johann Christoph Schulz verblieb bis zum November 1723 als ständige Garnison auf der Veste Heldburg, bevor erneut eine Ablösung erfolgte. Die letzte Garnison stand unter dem Kommando eines gewissen Leutnants Müller, welcher am 24. Februar 1724 seinen letzten Rapport ausfertigte.686 684 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36. 685 „Heute dieße Nacht umb 1 Uhr kam der Grenadier Feldwebel Fäßer benebst 4 Grenadiers, sambt einen Wagen mit 6 Pferden bespannt, darauf 3 Bürger aus Hildburghausen, alß der Riemer Koch, der Färber Wippler und der Schuster Hering saßen, welche hierher in Arest gebracht wordten, mit der schriftlichen Ordre, daß solche wohl soldten bewahret werden“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 23.6.1718: „Heute habe einige Mann auf Anspruch und Besuchung des Amtmanns und Stadtschultheißen nach Heldburg in die Stadt vor das Rathhaus gehen und selbige einige Stunde wegen der Bürgerschaft warthen laßen, weiln eben das Ambt und rath das Straffgericht gehalten“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 14.3.1718. 686 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 24.2.1724.
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Im Juli 1718 wurde Leutnant Schulz von Herzog Ernst Friedrich I. mit genauen Instruktionen für seinen Festungsdienst versehen.687 Der Offizier hatte auf die Disziplin der Truppe zu achten und alle Verstöße umgehend zu bestrafen bzw. zu melden. Er durfte die Veste Heldburg keinesfalls verlassen, um beispielsweise außerhalb zu nächtigen. Über den Bestand der Rüstkammer hatte er ein Inventar zu führen und dieses bei Bedarf zu aktualisieren. In besonderem Maße wurde ihm eingeschärft: „Obschon der Soldat allezeit scharf und im Fürchten zu halten, so muß iedoch selbigen auch nicht zu viel geschehen.“688 Auch „muß der Commendant hauptsächlich sehen, wie er seine Soldaten kennen lerne, zu solchem Ende muß er einen und den anderen insbesondere auf seine Seite bringen, vornehmlich diejenigen so gerne schwätzen und Neuigkeiten erzehlen“.689 Dies sollte besonders der Gewinnung von Nachrichten dienen, um Desertionen oder anderen militärischen Vergehen zuvorzukommen. Sogar das Briefgeheimnis blieb nicht unangetastet, wenn es hieß: „Er [der Leutnant] kann unter der Hand […] die aus- und eingehenden Briefe heimlich öffnen, selbige wiederrum zumachen und nach Befinden sie an den Ort fortgehen laßen […].“ In Einzelfällen geschah eine solche Überprüfung tatsächlich, wie zwischen den Rapporten abgelegte Briefe noch heute beweisen. Die Tore der Veste Heldburg wurden täglich bei Sonnenaufgang in Beisein des Leutnants geöffnet. Dieser stellte für den Tag diverse Posten in Sichtweite zueinander an den Toren, aber auch am Festungsgraben entlang auf. Der wichtigste Posten befand sich vor dem Zwinger am Toreingang und hielt eine Schildwache. „Die Schildwache ist eine privilegierte Person auf ihrer Post, dahero sie auch niemand zu parieren hat, es mag seyn, wer es wolle […].“690 Der Posten konnte sich vor Regen oder Sonne durch das Unterstellen in ein dort befindliches Schilderhaus schützen. Er bestand meist aus einem Unteroffizier und zwei Gemeinen, welche die nach der Veste passierenden Personen anzuhalten und nach ihrer Verrichtung zu befragen hatten. Keinesfalls durfte die Schildwache ihren Posten verlassen oder jemanden unaufgefordert passieren lassen. Dennoch wurde ein solcher Fall am 10. September 1721 gemeldet: „Es kombt der Herr Professor Otto von Hildburghaußen, welcher sich alhier umbsehen wollte, weiln ihm aber der Grenadier Wurst, so Schildwacht an der Pariere gestandten […] ohnangemeldet herein passieren laßen, so habe ihn ablößen und 20 Prügel geben laßen.“691 Nach dem Befragen einer Person wurde diese auf die Wachstube – im 18. Jahrhundert „Corps de Garde“ genannt – verbracht, um sich noch einmal vor dem Leutnant zu rechtfertigen. Kein Zivilist betrat die Veste Heldburg 687 688 689 690 691
Ebd., 4.7.1718, im hinteren Teil der Akte. Ebd., 4.7.1718, Art. 13. Ebd., Art. 29. Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 34, Leipzig 1742, Sp. 1554. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 10.9.1721.
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ohne Wissen des Offiziers. Um ein unbemerktes Betreten der Anlage zu verhindern, befanden sich zahlreiche Barrieren in Form von Spanischen Reitern auf den Nebenwegen zur Veste. Dennoch kam es gelegentlich vor, dass Zivilisten diese Nebenwege einschlugen: „Nicolaus Zellfeldter […] ist aber den rechten Weg nicht gegangen, sondern über die Spanische Reutter gestiegen, derohalben ich ihn auch in Arest nehmen laßen.“692 Die Zivilisten, welche auf die Veste kamen, wünschten meist die Amtsstube oder die Apotheke zu besuchen. Als kleine Abwechslung wurden auch die zahlreichen fahrenden Händler, welche auf der Durchreise ihre Waren und Dienste der Garnison feilboten, wahrgenommen. Darunter fanden sich unter anderem Kesselflicker, Marketender und Bilderhändler. Zu den vielgereisten Händlern gehörte „Joseph Pur, ein Citronenträger auß Tyroll, welcher Citronen zue verkauffen brachte“.693 Gelegentlich fanden sich auch junge Männer auf der Veste ein, um sich hier zum Militärdienst anwerben zu lassen.694 Seltenere Besucher waren durchreisende Fremde oder adelige Gäste der fürstlichen Familie, welche die Anlage als Sehenswürdigkeit betrachteten, wobei der Leutnant „nicht zu verstatten [hat], daß jemand ohne special-gnädigste Erlaubnis und Vorzeigung eines Billets von Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht auf den Wercken herumgehe“.695 In der Tat verweilte die fürstliche Familie mit ihren Gästen des Öfteren auf der Veste Heldburg. Dazu wurden eigens hergerichtete Zimmer im Französischen Bau genutzt, über welche die Grenadiere der Garnison Aufsicht führten. Von April bis Juni 1721 bewohnte Herzog Ernst Friedrich I. sowie von März bis Mai 1722 der Erbprinz die Veste Heldburg mit zahlreichem Gefolge. Ein Eintrag in den Rapporten des Jahres 1718 kann als Illustration eines kurzen fürstlichen Besuches dienen: „Eß folgen auch gegen Mittag ihre Hochfürstliche Durchlaucht mein gnädigster Herr Erbprintz benebnst derer Herrn Bruder und Prinzeßin Schwester, wie auch drey Hochfürstliche Printzen von Sachsen-Meinungen mit der bey sich habenden Suite, welche alhier alles 692 Ebd., 18.6.1718. 693 Ebd., 2.5.1718. Allgemein zu den Händlern der Zitrusfrüchte vgl. Rainer BECK, Lemonihändler. Welsche Händler und die Ausbreitung der Zitrusfrüchte im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2004/2, S. 97–123; dergleichen für Bamberg siehe Mark HÄBERLEIN; Der Fall d’Angelis. Handelspraktiken, Kreditbeziehungen und gesellschaftliches Scheitern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: DERS., Kerstin KECH, Johannes STAUDENMAIER (Hg.), Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift (= Bamberger Historische Studien, Bd. 1), Bamberg 2008, S. 193 f. 694 „Eß ist auch ein junger Kerl auß Meeder alhier angekommen, so Grenadier werdten wollte, welchen ich auch gleich an den Herrn Oberstleutnandt von Boßen geschickt habe […]“,ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 1.6.1718; „Weiln sich ein junger Schmidtbursch bey mir gemeldet, daß er ein Grenadier werdten woldte […]“,ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 10.7.1722. 695 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 4.7.1718, Art. 24.
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in hohen Augenschein genommen, mittags alhier gespeißet, hernach sich mit Stück-Schuß, wie auch einer kleinen Haasen-Jagd, welcher Haase heute frühe ümb 4 Uhr herein in die Vestung gelauffen und von ein Grenadier gefangen wordten.“696 Die zahlreichen fürstlichen Besuche auf der Veste Heldburg standen in engem Zusammenhang mit dem Schloss Seidingstadt, welches unter Herzog Ernst Friedrich I. als Sommerresidenz genutzt wurde. Das Schloss lag nicht weit von der Veste entfernt, und der Herzog hielt sich häufig dort auf und besuchte die Festungsarbeiten daher regelmäßig. Auch fürstliche Vergnügungen am Hundshauker Teich nahe der Heldburger Seemühle endeten mitunter auch mit einem Besuch auf der Veste, der von Salutschüssen der Artillerie begleitet wurde.697 Von diesen Besuchen abgesehen gestaltete sich der soldatische Alltag auf der Veste Heldburg monoton. Täglich wurde exerziert, wurden Posten aufgezogen und Arrestanten zu Verhören in die Amtsstube gebracht. Die gesamte Einrichtung der Anlage musste ständig in gutem Stand gehalten werden. So berichtete Leutnant Schulz im August 1718: „Heutte habe alles Pulver auß dem Magazin herauß auff den Hoff thun laßen und geführet, auch die Reife an den Faßen wiedter fest anlegen laßen und gegen Abend wieder in das Magazin gebracht; auch habe alle Mattratsen in die Sonne legen und außsteuben laßen.“698 Der alltägliche Dienst wurde nur gelegentlich durch besondere Vorkommnisse oder Feiertage unterbrochen. Zu Ersteren gehörten die ungewöhnlichen „Gefangenen“, welche der Leutnant im Mai 1718 in Gewahrsam nehmen ließ: „Heutte hat des Pacht Schäfers Knecht etliche vierzig Schafe in den Garten so zur Vestung gehöret getrieben, solchen weidten laßen, so habe ich die Schafe in Arrest nehmen laßen, biß sich der Schafknecht mit den Grenadieren abgefunden hätt.“699 Zu den Feiertagsvergnügungen gehörten vor allem die Maifeiertage. So „haben heute [am 1. Mai 1720] die Grenadiere […] Mayen gestecket“700 und „heutte hatt daß Commento alhier daß Meyenbier getruncken“.701 Zu den Jahreswechseln wurde stets neunmal aus drei Kanonen Salut gefeuert. Die Versorgung der Garnison mit Lebensmitteln und Brennholz erfolgte – durch die herzogliche Regierung organisiert – hauptsächlich in Form von
696 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 11.6.1718. 697 Ebd., 13.11.1719. Der Hundshauker Teich wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trockengelegt. 698 Ebd., 27.8.1718. 699 Ebd., 22.5.1718. 700 Ebd., 1.5.1720. 701 Ebd., 4.5.1718.
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Naturalabgaben der Dorfschaften des Amtes Heldburg.702 Die Bauern erhielten über die von ihnen abgelieferten Güter einen Schein, mit dem sie bei der Regierung eine finanzielle Erstattung erwirken konnten. Von dem gelieferten Korn wurde zwischen 1719 bis 1724 in der Backstube des Kommandantenbaus Kommissbrot für die Garnison gebacken.703 Für die Seelsorge trug ein Garnisonprediger die Verantwortung. Er übte sein Amt in der von Ernst dem Frommen im Jahre 1665 eingeweihten Schlosskirche aus.704 Diese Kirche wurde im ehemaligen Pferdestall des sogenannten Heidenbaus eingerichtet und trug den Namen „Zum Kripplein Christi“. Sonntagvor- und -nachmittags wurden hier regelmäßige Gottesdienste abgehalten. Von 1717 bis 1722 wechselten sich scheinbar die Geistlichen der umliegenden Pfarreien in diesem Dienst ab, ohne auf der Veste zu leben. Erst am 9. Juli 1722 meldete Leutnant Schulz: „Der Herr Pfarrer Graver kam mit seiner Familia und 5 Wagen Haußrath, welcher alhier wohnen soldten.“705 Bernhard Gottfried Graver versah forthin seinen Dienst als Garnisonsprediger auf der Veste und war hier mindestens bis 1724 ständig wohnhaft.706 Vor den versammelten Grenadieren hielt er am 21. Juni 1722 seine Antrittspredigt von der Kanzel der Schlosskirche. Graver verließ wahrscheinlich erst 1728 die Veste, um eine Pfarrstelle in Simmershausen anzutreten. Die Tätigkeit der Garnisonsprediger erlaubt gelegentlich Einblicke in die Lebensumstände der gemeinen Soldaten auf der Veste. So zum Beispiel, als Leutnant Schulz im Juni 1718 berichtete: „Eß ist auch auff gnädigste Erlaubnis der Grenadier Potinn mitt seiner Braut in der alhiesigen Kirche coppolieret wordten.“707 Einträge dieser Art in die Rapporte sind mehrfach anzutreffen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass einige Grenadiere Ehefrauen hatten und mit diesen auf der Veste lebten. Dasselbe ist von den in der Residenzstadt Hildburghausen einquartierten Grenadieren bekannt, wo vor allem die Soldatenfrauen des Öfteren zu öffentlicher Klage Anlass gaben.708 Dass aus diesen Ehen auch Kinder entsprangen, die mit einquartiert wurden, ist evident. Dies darf auch für die Veste Heldburg angenommen werden. Leutnant Schulz 702 Eines der zahlreichen Beispiele in diesem Zusammenhang: „Auch wurden drey Claffter Holtz vor die Guarnison von der Gemeinde zu Gellershausen anhero geführt“, ebd., 12.4.1718. 703 Ebd., 1.2.1719. 704 KRAUSS, Landes-Historia, Bd. 1, S. 14. 705 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 9.7.1722. 706 Bernhard Gottfried Graver: geboren am 27. November 1685 in Cosfeld/Westfalen, ein katholischer Konvertit, Professor am Hildburghäuser „Gymnasium illustre“, Pfarrer in Holzhausen, dann Garnisonsprediger auf der Veste Heldburg, Pfarrer in Simmershausen, Diaconus in Ummerstadt bis 1745, verstorben am 29. Februar 1749, vgl. KRAUSS, Landes-Historia, Bd. 1, S. 320 u. 395. 707 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 7.6.1718. 708 Siehe Punkt 4.4.3.6: Die Einquartierung und das Verhältnis zur Zivilbevölkerung.
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notierte im Juni 1723: „Weiln dem Grenadier Wohlfart gestern ein Kind gestorben ist, so ist daßselbe heute begraben wordten.“709 Bei Sonnenuntergang wurden die Tore der Veste Heldburg im Beisein eines Sergeanten und eines Korporals verschlossen. Der Offizier befand sich zu diesem Zeitpunkt meist bereits in seiner Unterkunft. Es handelte sich dabei um die Leutnantsstube, welche sich über der Wachstube befand.710 Die Schlüssel der Tore waren nach der Schließung vom Sergeanten dem Leutnant zu übergeben, der sie – auf ausdrücklichen Befehl des Herzogs hin – nahe bei seinem Bett zu verwahren hatte.711 Bereits vorher wurden die Wachen für die Nacht eingeteilt, welche im Zwinger und an den Toren Posten bildeten. Bei der Wacheinteilung gab der Leutnant die Tagesparole aus, an der sich die Grenadiere der Nachtwache erkennen konnten. Die Herausgabe der Parolen erfolgte täglich durch den Leutnant, der sie wiederum wöchentlich von Herzog Ernst Friedrich I. erhielt. Der Herzog ersann die zahlreichen Parolen selbst und übersandte sie anschließend auf die Veste Heldburg. Dabei folgten die Losungsworte auf der Veste stets einem einheitlichen Schema, welches sich aus „Landesfürst“ und „Territorium“ zusammensetzte. So waren „Ernestus und Heldtbourg“, „Charles et Messine“, „Charles et Autriche“, „Louis et France“ und „Frederic et Hilperhaussen“ typische Losungen der Heldburger Garnison. Ähnlich wie in Hildburghausen war auch während des Heldburger Festungsdienstes die Nachtruhe für den Leutnant keinesfalls garantiert. Er visitierte gelegentlich die ausgestellten Wachen und wurde zu den häufigen Alarmschüssen geweckt. Zu Letzteren instruierte der Herzog den Offizier: „Wenn sich etwas gefährliches vom Feind oder Freund zeigen sollte, soll er, wenn es die Stadt betrifft 2 Canon-Schüße, so es aber ein Dorf betrifft 1 Schuß und so es auf der Vestung oder etwan was feindliches vorkommen sollte, 3 Schüße zur Vorsicht tun laßen.“712 Als eine feindliche Gefahr empfand man vor allem ausgebrochenes Feuer. Tatsächlich kam es fast monatlich zu Alarmschüssen in Zusammenhang mit einer Feuergefahr: „Heute Abends umb 8 Uhr hatt man Feuer in der Gegend [von] Coburg gesehen, darauff habe ich einen Alarm Schuß aus den Canonen thun laßen, es hat aber nicht lange gewähret“; oder: „heute Nachmittag umb 1 Uhr ist Feuer in dem Holzhäuser Gehölz gesehen wordten, so habe sogleich 2 Alarm-Schüß auß den Canonen geben laßen“.713 Um den reglementierten Festungsdienst zu versehen, war eine gute Disziplin der Grenadiere unabdingbar. Diese versuchte man im 18. Jahrhundert allgemein durch Gewalt zu erzwingen. In diesem Bereich standen die hild709 710 711 712 713
ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 22.6.1723. FRITZE, Die Veste Heldburg, S. 13. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 4.7.1718. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, Art. 26. ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 23.3.1718 u. 15.6.1718.
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burghäusischen Offiziere den bekannten preußischen Exerziermeistern in nichts nach. Etwa die Hälfte aller Soldaten der Garde zu Fuß stammte nicht aus Sachsen-Hildburghausen, sodass Strafen verhängt werden konnten, ohne dass sich der Offizier möglichen Racheakten aus der Bevölkerung ausgesetzt sehen musste. Die Vergehen der gemeinen Soldaten waren vielfältig. Zu den häufigsten gehörten Trunkenheit, Schlägereien und verspätete Rückkehr vom Urlaub. Um derartige Verfehlungen der Grenadiere zu bestrafen, bediente sich der Leutnant verschiedener militärischer Strafen, die dem Delinquenten im Innenhof der Veste Heldburg zuteilwurden. Die härteste dieser Bestrafungen war zweifelsohne die Prügelstrafe, welche der Sergeant am Delinquenten ausführte. Am 4. Juli 1721 verließ der Grenadier Strutz ohne Erlaubnis seine Schildwache und betrank sich anschließend. Darauf berichtete Leutnant Schulz: „[…] so habe ihn in Arest bringen laßen und ihm heutte 25 Prügel geben laßen.“714 Eine der drakonischsten Strafen der Festungsgarnison wurde im Jahre 1722 dem Grenadier Schuchart zuteil, der „am verwichenen Sonnabend in der Statt auf Execution geweßen und sich gelüsten laßen den Oberförster Graner ein Stück weiß Tuch von der Bleych weg zu nehmen, weiln es aber eine Frau gesehen und ihm darüber beruffen, so hatt er solches wiedter hingeworfen und darvon gegangen, weiln nun solches klagbar gewordten, so habe ihn arestieren und heute 60 Prügel geben laßen“.715 Das traditionelle Spießrutenlaufen wurde zwar in Sachsen-Hildburghausen ebenfalls praktiziert, jedoch nicht auf der Veste Heldburg. Die Mannschaftsstärke der Garnison war für einen regelrechten Spießrutenlauf zu schwach, um eine effektive Gasse zu bilden. Eine weitere Strafe war das Sitzen auf dem „hölzernen Esel“ bzw. „hölzernen Pferd“. Auch dies war eine traditionelle militärische Strafe, bei welcher ein oder mehrere Delinquenten für Stunden einen hölzernen Bock mit einem schmalen Balken reiten mussten. Auf Dauer schnitt sich der Balken schmerzhaft in den Schritt der Soldaten ein. Gelegentlich wurden Gewichte an die Füße des Delinquenten gehangen, um den Effekt noch zu verstärken. Zudem stellte das Reiten des „hölzernen Pferdes“ eine besondere Schmach unter den Soldaten dar. Die Delinquenten konnten ohne Vorbehalte von ihren Kameraden beschimpft und gedemütigt werden. Vor diesem Hintergrund fungierte das „hölzerne Pferd“ gewissermaßen als militärischer Pranger. Wegen eines vergleichsweise geringen Vergehens musste im März 1718 ein Grenadier auf das „hölzerne Pferd“:
714 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 4.7.1721. 715 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 29.6.1722. Auch noch erwähnenswert: „Ich habe den Grenadier Weymann, welcher über Urlaub ausblieben einige Streiche geben laßen“, ebd., 13.3.1718.
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„Es hat ein Grenadier, welcher in der Stadt gewesen und im Herausgehen eine Frau, so vor dem Thor am Waßer Garn gewaschen, ins Waßer gestoßen, wie wohl seiner Außsage nach ungefehr, weiln ich aber solches genauer examiniret und gefunden, daß der Grenadier einige Schuldt hatt, die Frau aber keinen Schaden bekommen, so habe ihn heutte laßen 3 Stunden auf dem hölzernen Pferdt reitten.“716 Neben der Prügelstrafe und dem Reiten auf dem „hölzernen Pferd“ wurde auch das Flintentragen häufig als Strafe praktiziert. Meist traf es Grenadiere, welche über die ihnen bewilligte Zeit hinaus auf Urlaub waren und sich verspätet auf der Veste zurückmeldeten. Beim Flintentragen wurden dem Soldaten mehrere gewichtige Musketen am Riemen um den Hals gehängt. Der Delinquent verbrachte in aufrechter Haltung stehend mehrere Stunden auf dem Innenhof der Veste, bevor die Strafe als abgebüßt galt: „Weiln der Grenadier Seifert Urlaub nach Hildburghausen gehabt und drey Tage über Urlaub außen geblieben, so hatt er heute 3 Stund 9 Flinten, als 2 Stunden Vormittag und eine Stunde Nachmittag tragen müßen.“717 Am 29. November 1723 wurde die ständige Garnison unter Leutnant Schulz von Major Franck abgelöst. Zum Neujahrstag 1724 schrieb Franck an Herzog Ernst Friedrich I.: „So wünsche dann von Hertzen, daß der große Gott Eure Hochfürstliche Durchlaucht in diesem Jahr mit viel tausent Seegen begnadigen undt überschütten wolle, dabey zuförderst beständige Gesundheit und Kräffte verleyhen […].“718 Der Wunsch des Majors Franck sollte unerfüllt bleiben, denn Herzog Ernst Friedrich I. verstarb bereits am 9. März 1724. Seine Gattin Sophia Albertine nahm die bereits an anderer Stelle behandelte Reduzierung der Garde vor. Damit endete die Geschichte der ständigen Garnison auf der Veste Heldburg abrupt. 4.2.3.3 Die Arrestanten Neben der militärischen Nutzung diente die Veste Heldburg ebenfalls als zentrales Gefängnis des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen sowie als Gefängnis des Amtes Heldburg. Die Bewachung der Arrestanten oblag der auf der Veste stationierten Garnison sowie dem hier ansässigen Landknecht. Die Zahl der Gefängnisinsassen lag in den Jahren von 1717 bis 1724 beständig zwischen drei und zehn. Hauptsächlich waren auf der Veste (Wild-)Diebe, Betrüger, Bettler und andere Delinquenten inhaftiert. Bei kei716 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 30.3.1718 oder: „dito habe einen Tambour und Grenadier laßen auf das hölzerne Pferd reiten“, ebd., 3.1.1718. 717 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 2.6.1718 oder: „Auch wurden zwey Grenadiers weilen sie so lange über Permission außen blieben mit 2 Stunden 7 Flinden tragen abgestrafft“, ebd., 22.4.1718. 718 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 1.1.1724.
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ner dieser Personen sind die Umstände des Verbrechens in den militärischen Rapporten überliefert, da dies für den Leutnant keine Bedeutung hatte. Selbst die genauen Namen der Insassen wurden nicht immer genannt. So fanden sich unter den Inhaftierten der Jahre 1717 bis 1724 beispielsweise der „Crämer von Lindenau“, der „böhmische Glaser“ oder der „tyroller Christ“. Dies zeigt, dass es sich bei den betreffenden Personen nicht nur um Einwohner des Fürstentums handelte. Neben Zivilisten wurden auch militärische Gefangene wie beispielsweise Deserteure auf der Veste verwahrt. Die Arrestanten wurden, meist in Ketten geschlossen, in einem gewölbten Keller im untersten Geschoss des Hexenturmes und im Kellergeschoss des Französischen Baus eingesperrt. Die Inhaftierten saßen sowohl gemeinsam als auch in Einzelzellen in Haft. In Letzteren gab es primitive Öfen, mit deren Hilfe sich drei inhaftierte Hildburghäuser Bürger im Jahre 1718 über die Wände hinweg verständigten. Dies wurde jedoch schnellstmöglich abgestellt: „Heute ist der Ofen in des Färbers Wiplers Prison reparieret worden und können sie nun nicht mehr miteinander communicieren.“719 Die Gefangenen wurden den größten Teil der Haftzeit über bei Brot und Wasser gehalten. Lediglich zweimal wöchentlich wurde eine warme Speise gereicht. Die täglichen Brotrationen über zwei Pfund waren meist die einzige feste Nahrung der Gefangenen. Sehr häufig meldeten sich bei der Schildwache Verwandte oder Freunde der Arrestanten an, die Unterwäsche, Lebensmittel oder Geld brachten. Um Bestechungen der Wachen vorzubeugen, wurde den Gefangenen das Geld nicht ausgehändigt, sondern es wurden davon weitere Lebensmittel beschafft. Die meisten Gefangenen wurden nach kurzen Haftzeiten – währenddessen sie auch am Festungsbau mitwirkten – entlassen. Andere wiederum wurden in das Zuchthaus nach Hildburghausen überführt. Es ist lediglich ein Todesfall auf der Veste Heldburg in der Zeit der hildburghäusischen Garnison überliefert. Es handelte sich um den bereits oben genannten „Crämer von Lindenau“. Im Januar 1718 schrieb der Leutnant auf der Veste: „Heute wurde dem Crämer von Lindenau der Sententz publiciret und ihme der Dot angesagt, worauf dann sogleich ihn die Geistlige frequentiret.“720 Die Besuche zahlreicher Geistlicher setzten sich in den folgenden Tagen fort. Kurz vor der Hinrichtung meldete der Leutnant: „Heute ist dem Delinquenten durch den Pfarrherrn von Lindenau das heilige Abendmahl gereicht worden. Auch kame der Scharffrichter Glaser von Suhla.“721 In den frühen Morgenstunden des 1. Februar 1718 wurde der „Crämer von Lindenau“ auf dem Innenhof der Veste enthauptet. Über die Hintergründe des Verbrechens oder des Prozesses fin719 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.8.1718. 720 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 27.1.1718. 721 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 31.1.1718.
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den sich in den militärischen Unterlagen keine Hinweise. Zurückhaltend berichtete der Leutnant, dass der Leichnam des Delinquenten nach sieben Uhr durch vier Grenadiere und einen Korporal dem Leutnant Hieronymus Christoph Eberhard des Landregimentes außerhalb der Veste übergeben wurde.722 Letzterer war für die formlose Beisetzung des Hingerichteten verantwortlich. Der bei weitem größte Teil der auf der Veste Heldburg verwahrten Gefangenen entstammte den unteren Gesellschaftsschichten. Dem stand eine geringe Zahl prominenter Häftlinge gegenüber, die in engem Kontakt zur herzoglichen Familie standen. Die Haft auf der Veste Heldburg wurde diesen zuteil, nachdem sie bei Hofe aus unterschiedlichen Gründen in Ungnade gefallen waren. Im Jahre 1720 saßen beispielsweise die drei Obristen v. Neidschütz, v. Pflug und v. Heßberg kurzzeitig und ohne dass genauere Gründe zu erschließen wären, auf der Veste Heldburg in Haft. Der prominenteste Häftling war zweifellos Tobias Sutorius v. Karlstein, der als Behrunger Pfarrerssohn bis in höchste Würden des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen aufstieg. Zur Zeit seiner Verhaftung versah er das Amt des Kammerpräsidenten und hatte den Titularrang eines Geheimen Ratspräsidenten inne.723 Karlstein fiel im Verlaufe der Verhandlungen um das eisenbergische Erbe im Jahre 1718 in Ungnade bei Herzog Ernst Friedrich I. Er wurde auf höchsten Befehl hin kurzzeitig vom Hofe entfernt und auf der Veste Heldburg inhaftiert. Dieser Gefangene wurde aufgrund seines Standes freilich nicht den anderen Häftlingen gleichgestellt. Vielmehr richtete man vor Karlsteins Ankunft einige Räume der Veste her, um den gehobenen Ansprüchen des Arrestanten zu genügen. Über die Ankunft des prominenten Häftlings schrieb Leutnant Schulz am 7. November 1718: „Heutte Abends umb 8 Uhr kam der Trompeter König mit einer Ordre von Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht, welchen sogleich eine Kutsche mit 6 Pferden bespannet [gefolgt], welche den Herrn Reichshofrath von Carlstein benebenst seinem Informador durch den Adjutanten Fäßern, 1 Corporal und 6 Grenadier hierher in Arrest brachte.“724 Neben dem Privatlehrer seiner Kinder wurde Karlstein noch von zwei Dienern begleitet, die ihm während seines Arrests auf der Veste Heldburg zur Verfügung standen. Tatsächlich war es dem Herrn von Karlstein gestattet, sich 722 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 1.2.1718. 723 Tobias Sutorius, Edler v. Karlstein, Erbherr auf Meeder: geb. 27.11.1660, Sohn des Pfarrers aus Behrungen, 1683 an der Universität Jena immatrikuliert, 1693 Kammersekretär in Hildburghausen, 1695 Amtmann in Heldburg, 1698 Rat- und Rentmeister, Hofund Konsitorialrat, ab 1715 Kammerpräsident und Geheimer Ratspräsident, 1717–1719 Besitzer des zentfreien Rittergutes Engenstein im Bibertal, ab 1721 in Diensten SachsenCoburgs als Kanzleipräsident, führte auch den Titel eines Reichshofrates, gest. am 5. Mai 1731 in Coburg, vgl. HUSCHKE, Politische Geschichte, S. 507; HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 47 u. Anm. 98. 724 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 7.11.1718.
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auch außerhalb seiner Appartements auf der Veste Heldburg frei zu bewegen. Er stand jedoch unter derart strenger Aufsicht, dass der Leutnant sämtliches Gepäck sowie die Briefe seiner Ehefrau öffnen ließ. Letzteres wurde vom Herzog nicht gewünscht, und Leutnant Schulz fiel dadurch fast selbst in Ungnade. Zu Anfang von Karlsteins Arrest schrieb Schulz noch: „Weiln der Herr Reichshofrath von Carlstein mich ersuchet mitt zue Speißen, auch bißweilln eine Pfeife Toback mitt ihm zue rauchen, ich solches aber ohne gnädigsten Befehl […] nicht acceptiret habe […].“725 In den folgenden Wochen traf dann aber die Genehmigung des Herzogs dazu ein und bald unterhielt Karlstein eine kleine Tafel, an der sich gelegentlich Offizier und Unteroffiziere einfanden. Dies ging sogar so weit, dass die Grenadiere Wildbret für die abendlichen Vergnügungen schossen. Alles in allem hatte der Aufenthalt Karlsteins auf der Veste Heldburg mehr den Charakter eines gehobenen Hausarrests, weniger den einer regelrechten Inhaftierung bei Brot und Wasser. Bei allen höhergestellten Häftlingen ist zu konstatieren, dass ihnen die Haftzeit in ihrer Karriere nicht geschadet hat. Karlstein wurde Mitte 1719 aus der Haft entlassen, unterhielt später gute Kontakte zu Herzog Ernst Friedrich II. und diente bis zu seinem Tode im Jahre 1731 dem Fürstentum Sachsen-Coburg. Trotz der sorgsamen Verwahrung durch die Grenadiere und den Landknecht gelang es einigen Häftlingen, von der Veste Heldburg zu flüchten. Einen der spektakulärsten Ausbrüche führte Georg Geding aus Waldau durch, der 1723 in Lindenau als Dieb ertappt und als Gefangener auf die Veste Heldburg gebracht wurde. Sein Ausbruch fand in der Nacht des 13./14. August 1723 statt. Geding hatte „diese Nacht einen Balcken an der Decke [der Zelle], worinnen er geseßen, auffgehoben, die Kette, woran er geschloßen, entzwey geschnitten, daß Fenster in der Stuebe außgehoben, durch daß eißerne Gatter gekrochen und sich an seinem Hembte, welches er zerschnitten und zuesammen gebundten, hinunder gelaßen und echappieret“.726 Die Flucht wurde erst am nächsten Morgen bemerkt, sodass der Häftling nicht wieder aufgegriffen werden konnte. Dem Landknecht, dessen Wohnung sich in unmittelbarer Nähe zu den Gefängnissen befand, warf man anschließend Unachtsamkeit vor, und Herzog Ernst Friedrich I. verurteilte diesen zu vier Wochen geschlossenem Arbeitsdienst. Ein ähnlicher Vorfall trug sich im Jahre 1719 zu, als sich gleich zwei Häftlinge aus einem Abort in die Freiheit abseilten.727 Zwar wurde die Flucht durch den Sohn des Landknechts sofort bemerkt, doch auch diesmal gelang das Unternehmen, und die Gefangenen entkamen in der Dunkelheit. Ein weiterer Vorfall ereignete sich mit einem militärischen Gefangenen am 725 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 9.11.1718. 726 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 14.8.1723. 727 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 7.2.1719.
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20. Oktober 1719. In der vorangegangenen Woche war der desertierte Grenadier Fischer in Ketten geschlossen in Arrest auf die Veste Heldburg gebracht worden. Fischer wurde von einem Kriegsgericht zu einem Jahr Festungsbauhaft bei Wasser und Brot verurteilt. In der Woche des 20. Oktober waren sowohl militärische als auch zivile Häftlinge mit Schanzarbeiten im Graben der Veste beschäftigt. Um Fluchtversuchen der Deserteure vorzubeugen, wurden diese an die Schubkarren angekettet. Fischer bat einen wachhabenden Grenadier, austreten zu dürfen, und entfernte sich etwas vom „Graben an dem Fortt de Lendebohm“. Hier brach er die Kette vom Schubkarren los und entwich. Leutnant Schulz berichtete: „[…] darauf ich gleich meine unterhabende commantieren laßen, welche ihn verfolget, haben auch etliche Schuß auf ihn gethan, aber nicht getroffen, noch einhalten können […].“728 Es handelte sich bei den geschilderten drei Fällen um die einzigen geglückten Fluchten von der Veste Heldburg in den Jahren 1717 bis 1724. 4.2.3.4 Der unaufhaltsame Verfall der Anlage Trotz der erneuten Etablierung einer Garde zu Fuß im Jahre 1750 konnte die Veste Heldburg für den Rest des 18. Jahrhunderts keiner nachhaltigen Nutzung zugeführt werden.729 Diese unbefriedigende Situation blieb bis zum Ende des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1826 bestehen. Im Jahre 1764 richtete man ein Zuchthaus auf der Veste ein, welches aber bereits 1772 wieder geschlossen wurde.730 Die Insassen der Anstalt wurden anschließend nach Hildburghausen verlegt. Dennoch blieb die Veste zu keinem Zeitpunkt sich selbst überlassen und war auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konstant bewohnt. Aus der Zeit um 1800 wurde berichtet, dass sich insgesamt 16 „Invaliden und andere Personen“ auf der Veste Heldburg aufhielten.731 Die Schlosskirche war bereits so verfallen, dass die hier dreimal jährlich stattfindenden Gottesdienste – an Lichtmess, Pfingsten und Michaelis – im Französischen Bau abgehalten wurden.732 Der sogenannte Festungskommandant war der Hauptmann der Heldburger Landregimentskompanie; er visitierte regelmäßig die auf der Veste verwahrte Artillerie. Im Jahre 1795 728 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.10.1719. 729 Ein Projekt Herzog Ernst Friedrichs III. Carl, die Veste Heldburg seinem Großonkel Joseph Friedrich anzubieten, scheiterte 1753, vgl. HEYN, Die Veste Heldburg und das Militär, S. 171 f. 730 Friedrich LEONHARDI (Hg.), Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich Sächsischen Lande, Bd. 4, Leipzig ³1806, S. 833. 731 Ebd., S. 834. 732 Aus dem Jahre 1777 wurde berichtet: „Die Schlosskirche […] ist ohnehin nur mit Lebensgefahr zu besuchen […]“, ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 188.
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befanden sich hier nur noch drei nahezu defekte Kanonen.733 Im Rahmen des Bedeutungsverlustes der Anlage wurde die Amtsstube bereits im Jahre 1787 von der Veste abgezogen, sodass die Nutzung gegen Ende des 18. Jahrhunderts lediglich rudimentärer Natur war. Tatsächliche Nutzungskonzepte fehlten ebenso wie die finanziellen Mittel, um den Verfall des gesamten Ensembles zu verhindern. Im Jahre 1777 stellte eine eigens dazu eingesetzte Kommission den desaströsen Zustand der Veste Heldburg fest. Besonders das Dach des sogenannten Französischen Baus war in einer derart schlechten Verfassung, dass die Witterung bereits die darunter liegenden Geschosse angriff. Die Jahre bis 1796 waren vom Einsatz weiterer Kommissionen und von Bauuntersuchungen geprägt. Es ging dabei stets um die Frage, ob die Anlage komplett, teilweise oder gar nicht abgetragen werden sollte. Unter der drückenden Schuldenlast war man besonders während der letzten Regierungsjahre des Herzogs Ernst Friedrich III. Carl sowie der Regentschaft des Prinzen Joseph Friedrich grundsätzlich der Ansicht, dass „die darauf zu verwendenden beträchtlichen Bau- und Reparaturkosten ganz vergeblich seyn würden, so scheint es vor der Hand das ratsamste zu seyn, bemeldte Vestung eingehen zu laßen“.734 Bis auf den Französischen Bau sollten alle Dächer abgedeckt und die Gebäude der Natur überlassen werden. Man projektierte eine Situation, die dem Zustand der naheliegenden Burg Straufhain gleichkam. Erst eine durch Herzog Friedrich im Jahre 1796 unter dem Kammerrat und Oberlandbaudirektor Christoph Erdmann v. Feuchtersleben735 berufene Kommission setzte sich vehement für den Erhalt der Veste Heldburg ein. Feuchtersleben selbst sprach im Oktober 1796 in einem energischen Plädoyer von der Erhaltung der Veste. Er gab zu bedenken, „was die lebende und künftige Welt urteilen möchte, wenn man Gebäude, die jetzt nicht mit Hunderttausenden herzustellen seyn würden, eingehen ließe, um etliche tausend Gulden zu ersparen“.736 Aufgrund dieses Berichtes sah man im weiteren Verlauf von einem Abbruch der Veste Heldburg ab. Die folgenden Jahre waren von den Wirren der Napoleonischen Kriege überschattet, und die Veste geriet weiter in den Hintergrund.
733 ThStAM, SM, Inneres, 23939, 17.6.1795, fol. 1r. 734 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 188, 5.5.1784, fol. 1r. 735 Christoph Erdmann v. Feuchtersleben: geb. 1726 als Christoph Erdmann Feuchter, Studium der Mathematik und Dienst als Artillerieoffizier, Verfasser zahlreicher Schriften zur Artillerie, 1765 Erhebung in den Reichsadel als v. Feuchtersleben, ab 1792 Geheimer Kammerrat und Oberlandbaudirektor in Sachsen-Hildburghausen, gest. 1796. 736 ThStAM, SM, Inneres, 3185, 12.10.1796.
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4.3 Die Offiziere „Daß ich selbigen [Sohn] blos in meinen Dienst genommen, ihn aus dem Staube gezogen und mit der Fendrich-Charge unter meiner Grenadier-Garde versehen, so hat er nicht nur dieses, sondern auch sogar seine geleistete Pflicht vergeßen […].“737 Herzog Ernst Friedrich I. an Sabina Elisabeth v. Burgsdorff, 1722
Der Großteil des archivalischen Materials zum hildburghäusischen Militär stammte aus der Hand der Offiziere. Ihre handschriftlichen Anmerkungen finden sich am Rande von Entwürfen zu Reglements und ihre persönlichen Siegel unter Urteilssprüchen des Kriegsgerichts. Auch künden diverse Schreiben vom Wunsch, nach langjähriger Dienstzeit den Abschied zu erwirken. Anders als möglicherweise zu vermuten ist die Quellengrundlage zu den hildburghäusischen Offizieren wesentlich problematischer als jene zu den gemeinen Soldaten. Letztere waren Gegenstand zahlreicher Briefe und Mitteilungen, sodass zu ihnen ausführliches Schriftgut vorliegt. Die Offiziere als Verfasser dieser Schriften treten dabei jedoch in den Hintergrund. An dieser Stelle soll dennoch der Versuch unternommen werden, auf Grundlage einer biographischen Zusammenstellung aller hildburghäusischen Gardeoffiziere genauere Aussagen über Herkunft und Werdegang zu treffen. Über das gesamte 18. Jahrhundert hinweg lassen sich insgesamt 56 Offiziere nachweisen, die bei den fürstlichen Garden ihren Dienst versahen. Genau fünfzig Prozent von ihnen waren adeliger Herkunft. Grundsätzlich hatte ein junger Adeliger wesentlich leichteren Zugang zu vakanten Offiziersstellen als beispielsweise Landregimentsoffiziere bürgerlicher Herkunft. Dies hing u. a. mit der persönlichen Verwendung einzelner Familienmitglieder für den Anwärter beim Herzog zusammen. Noch leichter gelang dies, wenn die Familien – wie die Freiherren v. Heßberg oder die Freiherren v. Beust – selbst wichtige Posten in der Landesverwaltung besetzten. Ebenso wie bei der Anstellung junger Adeliger als Offiziere im Landregiment spielte auch hier die wirtschaftliche Absicherung eine wichtige Rolle. Im Jahre 1722 bedankte sich ein adeliger Gardist ausführlich bei Herzog Ernst Friedrich I. für „derer Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit sonderbare hohe Gnade, in welcher dieselben mich […] nun einige Jahre nicht nur als Page, sondern auch anjetzo als Guarde Reuther in Dero Hochfürstlichen Diensten aufbehalten und Fürstväterlich versorgen wollen“.738 Es war prinzipiell möglich, ohne militärische Vorkenntnisse im untersten Offiziersrang bei den Garden angenommen zu werden. Anwärter, die diesen Weg einschlugen, waren jedoch zuvor meist in Hofdiensten als Page oder 737 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 412r. 738 Ebd., fol. 257r.
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Kammerjunker angestellt gewesen und hatten hier die Gunst des Herzogs erlangt. Demgegenüber gab es zahlreiche junge Adelige, die bereits in ausländischen Kriegsdiensten standen und deren Erfahrung mit einem Offizierspatent bei den Garden gewürdigt wurde. Die Anstellung erreichten aber auch diese erfahrenen jungen Männer fast ausschließlich auf die Verwendung ihrer Eltern hin. Wie ein solcher Vorgang ablaufen konnte, illustriert ein Schreiben des meiningischen Geheimrates Paul Heinrich v. Tilemann, der sich im August 1721 bei Herzog Ernst Friedrich I. für seine beiden Söhne verwendete. Aufgrund der eingehend geschilderten Abläufe soll das Schreiben an dieser Stelle ausführlicher widergegeben werden: „Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Fürst und Herr, Ich erinnere mich mit schuldigster Danknehmigkeit, daß bey meiner ohnlängsten Anwesenheit in Hildburghausen, da ich das Glück gehabt Eure Hochfürstlichen Durchlaucht unterthänigst aufzuwarten, Dieselbe auf die von mir gethane devoteste Recomendation meiner Söhne zu einem convenablen Accommodement, mich mit der genereusesten und consolablesten Resolution begnadiget, bey der ersten sich ereignenden Gelegenheit, vor andern, auf sie hohe Reflexion zumachen, da indeßen ich selbigen zu persönlicher Abstattung ihres unterthänigsten Respects dahin abschicken mögte. Nachdem nun der Puisné von ihnen [der zweitgeborene Sohn] nach Endigung der Sicilianischen Campagne739 sich dermahlen alhier befindet, so habe nicht ausse[t]zen wollen, ihn eine Excursion nachher Hildburghausen zu dem Ende thun zulaßen, daß er das Glück suchen solle, Euer Hochfürstlichen Durchlaucht eine submisseste Reverenz zumachen. Gestalt ich ihn dann auch mittels dieser unterthänigsten Vorschrifft [dem Schreiben] in sothaner Absicht begleite und meine respecteuseste Bitte dahin wiederhole, daß Dieselbe ihn einer gracieusesten Admission zu würdigen, auch nach Befinden und bey obhandener Füglichkeit unter die Zahl Dero treuesten Diener wirklich auf- und anzunehmen gerühen mögten. Und zwar gegen die von mir hierdurch eingelegte aufrichtige Versicherung, daß besagter mein Sohn, nach seiner in Sprachen, exercitiis, reliquiis studiorum, und der militar-experienz (welche letzterer in denen beschwerlichen und gefährlich Hungarisch- und Sicilianischen Campagnen erlanget) besitzenden feinen Qualitäten, Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht und Dero hohen Hauße treue, redliche und nüzliche Dienste zu leisten nicht ermangeln solle […].“740 Aber auch Offiziere bürgerlicher Herkunft waren in SachsenHildburghausen vertreten. Militärische Erfahrung war aber auch hier ein wesentliches Einstellungskriterium. Erschwerend kam hinzu, dass sich bürgerliche Anwärter selbst vorstellten und sich meist nicht auf einflussreiche Familienmitglieder oder Gönner berufen konnten. Dahingehend galt es, sich stets von der besten Seite zu präsentieren. Der gebürtige Hildburghäuser Johann Caspar Kempf, der ab 1718 Quartiermeister des kursächsischen Leibgardere739 Gemeint ist der Feldzug auf Sizilien (1717/18), der im Rahmen des Krieges der Quadrupelallianz (1717–1720) stattfand. 740 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 429.
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giments war, nahm 1721 seinen Abschied und gedachte, in hildburghäusische Militärdienste zu treten. Kempf ließ den Herzog wissen, wie er „nun binnen solcher [Militär-]Zeit stets dahin bestrebet gewesen, dasjenige zu erlernen, womit Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht dereinsten unterthänigst Dienste thun könne“.741 Bürgerliche Offiziere, die keine direkte Einstellung erlangten, dienten sich meist über Unteroffizierschargen nach oben oder waren vorher in Hofdiensten im fürstlichen Reitstall oder als Kammerlakai angestellt gewesen. Mindestens zwei Drittel aller hildburghäusischen Gardeoffiziere kamen nicht aus Sachsen-Hildburghausen, sondern fanden auf diversen Umwegen und auf der Suche nach einem Auskommen den Weg in das Fürstentum. Der Gardemajor und Baudirektor Bartholomäus Luchese stammte beispielsweise aus Italien. Der aus Oldenburg kommende Major Christoph Kegert hatte zeitweise als Offizier in der Leibgarde des englischen Königs William III. gedient, bevor er als Kammerdiener nach Hildburghausen kam. Er beschloss sein Leben 1723 im hildburghäusischen Königsberg. Hugenottischer Herkunft war der Hauptmann André la Malinière, der ab 1721 in Hildburghausen seinen Dienst versah.742 Aber auch aus dem Reichsgebiet begaben sich Offiziere nach Sachsen-Hildburghausen. Die Familie v. Olmissen genannt Mühlstroh kam Ende des 17. Jahrhunderts nach Hildburghausen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden sich Albert Johann und Friedrich Philipp v. Olmissen als Offiziere bei der Grenadiergarde. Andere Offiziere kamen aus den Kurfürstentümern Sachsen und Hannover sowie den Fürstentümern Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen und anderen benachbarten Territorien. Erlangten Anwärter eine Offizierscharge, galt es, mit der zugewiesenen Besoldung auszukommen. Die nachfolgende Übersicht fasst die Besoldungsstufen für hildburghäusische Gardeoffiziere zusammen: Grenadiergarde Obristleutnant 60 fl. Major Hauptmann Premierleutnant Sekondeleutnant (Fähnrich) Adjutant
45 fl. 30 fl. 24 fl. 21 fl. (18 fl.) 15 fl.
Garde du Corps Stabshaupt67 fl. 15 xr. mann Rittmeister 33 fl. 45 xr. Leutnant 30 fl. Kornett 21 fl. 45 xr.
Tabelle 7: Monatliche Besoldung der Gardeoffiziere, 1719. Auf Grundlage von: Kompanierechnungen bei ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 35
741 Ebd., fol. 432r. 742 Zu hugenottischen Soldaten vgl. Matthew GLOZIER, David ONNEKIRK (Hg.), War, Religion and Service: Huguenot Soldiering 1685–1713, Aldershot 2007.
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Insgesamt handelte es sich um eine moderate Besoldung, die allen Gardeoffizieren ein erträgliches Auskommen ermöglichen sollte. Dem standen vornehmlich in der Regierungszeit Ernst Friedrichs I. zahlreiche Beschwerden junger Fähnriche entgegen über das „schlechte Tractament“. Bei genauerer Untersuchung dieser Fälle kann jedoch ausgeschlossen werden, dass man es hier mit verschwenderisch lebenden jungen Männern zu tun hatte. Im Zuge einer bislang bei Ernst Friedrich I. unbekannten Sparsamkeit erhielten Fähnriche tatsächlich keine Besoldung. Die Fähnrichstellen wurden daher fast ausschließlich mit jungen Adeligen besetzt, die in der Hoffnung auf das Versprechen einer baldigen weiterführenden Beförderung auf eigene Kosten dienten. Sie wurden meist von ihren Familien versorgt oder gerieten teilweise in bedeutende Schulden. Ein eindringliches Beispiel für diese prekären Verhältnisse stellt ein Schreiben des jungen Gardisten Ernst Christian von Dettesberg dar. Dieser erklärte sich 1720 bereit, zunächst als gemeiner Reiter unter die Garde du Corps einzutreten, sofern ihm nur eine Offiziersstelle in Aussicht gestellt werde. Zwei Jahre später beschwerte sich der junge Adelige bei Ernst Friedrich I. über den geringen Fortschritt seiner Karriere: „[…] wannenhero allstets mich in aller Unterthänigkeit bis dahero bestrebet, […] als ein gemeinen Reuther dem Comando Dag und Nacht in allen ein genügen [zu] leisten, in zwar sichtlicher unterthänigster Hoffnung, daß wo nicht ein honettes Avancement, doch reichlichers Tractament zu erlangen und damit gar nichts widriges und uhnanständiges; […] hat mein Vater von seiner dürfftigen Armuth alle meine bißanhero aus Noth gemachte Schulten meistendeils baar bezahlet […], doch mit der Verwarnung, daß er führohin deren keine mehr abtragen würde. Eure Hochfürstliche Durchlaucht werden zu gnädigster Erwegung nehmen, auf wasmaße, als ein junger Mensch von Adel, welcher seine Fortun in Erlangung adelicher Tugenden und Exercitiis suchet, auch gnädigster Herrschafft alltäglichen Aufwardung zu leisten schultig ist, bey dem Tracatement, so mir […] gereichet wird, […] in Schulten [mich setzen muss].“743 In dieselbe Situation geriet nahezu gleichzeitig der junge Fähnrich Georg Heinrich v. Burgsdorff. Auf Bitten seiner Mutter nahm Herzog Ernst Friedrich I. im Jahre 1720 den jungen preußischen Adeligen als Fähnrich unter die Grenadiergarde auf. Es handelte sich bei diesem jungen Mann um eine besonders undisziplinierte Person, sodass sich dessen Mutter durch den Militärdienst Besserung erhoffte. Obwohl der Herzog dem jungen v. Burgsdorff die Fähnrichstelle bewilligte, verweigerte er diesem zunächst die Besoldung, sodass dessen Versorgung durch die Mutter bestritten wurde. Bereits nach kurzer Zeit entschied sich Ernst Friedrich I., dem jungen Mann Geld zu leihen, damit dieser bereits in Hildburghausen gemachte Schulden begleichen konnte. Dies war jedoch nicht hinlänglich, und im weiteren Verlauf häuften sich die Schulden derart an, dass ein Arrest gegen den Offizier verfügt wurde. Auf 743 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 257 f.
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diverse Beschwerden der Mutter hin reagierte der Herzog distanziert und meinte, „daß gedachter ihr Sohn dasjenige, so geschehen, niemandem als sich selbsten beyzumeßen hat“.744 Dass sich weitere derartige Fälle im Quellenmaterial finden, bestätigt, dass junge adelige Offiziere in Sachsen-Hildburghausen unter Ernst Friedrich I. zunächst bereit sein mussten, bedeutende finanzielle Ausgaben zu tätigen. Diese Feststellung relativiert den Befund zur finanziellen Absicherung, ohne ihn komplett umzustoßen. Tatsächlich war eine gewisse Absicherung gewährleistet, nachdem die jungen Offiziere längere Zeit gedient und eine Beförderung erlangt hatten. Trotz aller Schwierigkeiten für die Fähnriche lassen sich während der Regierungszeit Ernst Friedrichs I. keine Klagen über ausbleibende Besoldungen – weder bei den Offizieren noch bei den Mannschaften – finden. Aufgrund der zusehends angespannten Finanzlage des Fürstentums änderte sich dies unter Ernst Friedrich III. Carl grundlegend. Anders als die Mannschaften, die stets regelmäßig ihren Sold erhielten, glaubte der Herzog, die Offiziere gelegentlich übergehen zu können. Allein im Jahre 1752 blieb der Herzog sieben Monate Sold für alle Leutnants säumig, sodass diese genötigt wurden, den Sold im Rahmen eines Bittschreibens einzufordern.745 Obwohl die Rückstände schließlich beglichen wurden, befand sich die Grenadiergarde unter Ernst Friedrich III. Carl in stetigem Niedergang. Die angespannte Finanzlage, die nach dem Siebenjährigen Krieg einen Höhepunkt erreichte, sowie das gescheiterte Subsidienprojekt brachten zahlreiche Offiziere dazu, ihren Abschied zu fordern und anderweitig Dienste zu suchen. Junge Offiziere fremder Herkunft sahen sich in dieser Zeit, aber auch nach den Reduzierungen der Jahre 1724 und 1737 in anderen Reichsterritorien nach Verdienstmöglichkeiten um. Mehrfach waren die Herzöge in diesem Zusammenhang angehalten, Empfehlungsschreiben für ihre ehemaligen Offiziere zu verfassen. Im Gegensatz suchten fast alle Offiziere hildburghäusischer Herkunft – ganz gleich ob aus adeliger oder bürgerlicher Familie stammend – nach ihrem Abschied oder aus Altersgründen einen Übertritt 744 Ebd., fol. 412r. 745 Im Bittschreiben heißt es: „Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Fürst und Herr! Eure Hertzogliche Durchlaucht haben schon allbereit vor etlichen Monaten durch Herrn Obrist-Lieutenant von Spillern uns zu verschiedenen mahlen die gnädigste Ansicherung thun laßen, daß wir unseren Gagenrückstand vom 1. January 1752 biß ultimum July dicti anni des nächsten erhalten sollten. Nachdeme aber ein solches biß dahero unterblieben, zumahlen da die Feyertage und das neue Jahr dar zwischen kommen, da wir täglich Geldausgaben gehabt, auch überhaupt unsere Creditores nicht länger nachsehen wollen; Alß sehen wir uns gemüßiget Eurer Herzoglichen Durchlaucht hierdurch nochmahlen unterthänigst zu imploriren, daß uns unser Rückstand der 7 Monate bald mögte ausgezahlet werden. Gleichwie wir nun an gnädigster Erhörung nicht zweiffeln“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 23.1.1753, fol. 1r.
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zum Landregiment zu erwirken, um sich wenigstens eine geringe Besoldung zu sichern. Dabei war es für adelige Offiziere typisch, gleich mehrere Chargen in einer Person zu vereinigen und damit eine mehrfache Besoldung zu beziehen. Etwa 34 Prozent aller ehemaligen hildburghäusischen Gardeoffiziere traten nach ihrem Dienst in das Landregiment über und dürften bis zu ihrem Lebensabend noch professionelle Kenntnisse in diese Truppe eingebracht haben.746 Doch auch der Aspekt der Altersversorgung ist hier von Bedeutung. In Anbetracht der im Fürstentum fehlenden Versorgung für verabschiedete Offiziere hat es den Anschein, als wenn Landregimentbesoldungen als Ruhestandsgehälter genutzt wurden. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: Zu den ältesten Offizieren der Grenadiergarde gehörte der im Jahre 1687 geborene Hauptmann André la Malinière. Dieser bat 1754 um seinen Abschied und berichtete: „[Ich bin] besonders durch das viele und anhaltende Stehen ganz entkräfftet, [da ich] auch nunmehro schon seit einigen Jahren mit starcken Rückenschmerzen incommodiret werde, daß ich mich ganz außer Stande befinde, ferner devoteste Dienste zu leisten. […] Ich [habe] aber bey meinen langwierigen treu-devotesten Diensten nicht so viel acquiriren können, daß ich anjezo in meinen alten Tagen davon leben kann.“747 Um ein Auskommen zu ermöglichen, besetzte la Malinière im Alter von 67 Jahren die Stelle eines Hauptmanns unter der Eisfelder Landregimentskompanie. Fast genau zwei Jahre später verstarb der altgediente Offizier auf diesem Posten.
4.4 Die Unteroffiziere und Gemeinen „Die Ordnung und Sauberkeit ist eine dem Soldaten sowohl nöthige alß ohnumbgängliche Sache, deßwegen dann die Unter-Officiers auf alle Weise dahin zu sehen haben, daß ieder Grenadier sich allezeit nicht allein wohl gewaschen und gekampelt, sondern auch sein völlige Montierungs-Stücke in solcher Ordnung seyn, wie es einen rechtschaffenen Soldaten zustehet.“748 Herzog Ernst Friedrich II., 1733
4.4.1 Die Rekrutenwerbung 4.4.1.1 Freiwillige Rekrutenwerbung Die hildburghäusische Grenadiergarde war während ihres Bestehens auf die Rekrutenwerbung und den ständigen Zulauf dienstwilliger Männer angewie746 Der Übertritt von Offizieren des Landregiments in die Garden war mit etwa sieben Prozent wesentlich geringer. 747 ThStAM, SM, Inneres, 24216, 13.3.1754, fol. 1v. 748 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Die Ordnung der Wache betreffend, fol. 1r.
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sen. Die Anwerbung neuer Mannschaften nahm im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Sachsen-Hildburghausen unterschiedliche Formen an. Diese reichten von freiwilliger und gewaltsamer Werbung bis hin zur obligatorischen Dienstverpflichtung. Die jeweils angewandte Methode stand in enger Verbindung mit dem Charakter des regierenden Herzogs sowie mit den jeweiligen Zeitumständen. Im Allgemeinen favorisierte man in SachsenHildburghausen die Anwerbung freiwilliger Rekruten, da man hoffte, diese würden ihren Dienst ungezwungen ausführen. Die Rekrutenwerbung im Fürstentum darf jedoch nicht überschätzt werden. Während ausgedehnte und größer angelegte Werbeaktionen zeitlich beschränkte Ausnahmen blieben, setzte man vor allem auf die kontinuierliche Gelegenheitswerbung. Tatsächlich existierten für die Grenadiere lediglich in den Jahren der Mannschaftsaufstockung explizite Werbebefehle. Außerhalb dieser Zeiten diente die Rekrutenwerbung lediglich der Erhaltung des Mannschaftsstandes, der durch regelmäßige Desertionen stets abzusinken drohte: Durchschnittlich wurden in Sachsen-Hildburghausen monatlich zwei bis drei Rekruten angeworben, was sich mit der Desertionsrate deckte. Die Anwerbung eines Rekruten vollzog sich im Allgemeinen in vier Schritten: Zunächst fand eine Kontaktaufnahme bzw. ein Werbegespräch statt, anschließend wurde über die Kapitulation verhandelt, woran sich der Empfang des Handgeldes und die Vereidigung anschlossen. Einem jungen Mann, der sich entschied, der hildburghäusischen Grenadiergarde beizutreten, standen verschiedene Wege offen. Der direkteste war, sich bei einem Kommando der Grenadiergarde zu melden und um die Anwerbung zu bitten. Dies konnte vornehmlich auf der Hildburghäuser Hauptwache, der Wache des Schlosses Seidingstadt und der Veste Heldburg geschehen. Von Letzterer meldete Leutnant Schulz beispielsweise am 1. Juni 1718: „Eß ist auch ein junger Kerl auß Meeder alhier angekommen, so Grenadier werdten wollte, welchen ich auch gleich an den Herrn Oberstleutnandt von Boßen geschickt habe […].“749 Abgesehen von den genannten Orten war es aber jederzeit möglich, einen Grenadier der hildburghäusischen Garde anzusprechen und diesem das Werbegesuch anzutragen, um so den Kontakt zu einem Offizier herzustellen. In Werbezeiten wurde den Grenadieren – unabhängig davon, ob sie zur Werbung abkommandiert waren oder nicht – für die Vermittlung eines Rekruten an den Offizier ein Werbegeld, auch Anbringgeld genannt, ausgezahlt. Die Grenadiere waren in der Residenzstadt, vor allem an den Stadttoren, aber auch in der Umgebung des Schlosses jederzeit präsent und hatten meist gute Verbindungen zur Zivilbevölkerung. Wirtshäuser spielten im Rahmen der 749 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 1.6.1718.
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Rekrutenwerbung in Sachsen-Hildburghausen, entgegen der allgemeinen Ansicht,750 nur eine untergeordnete Rolle. Grundsätzlich war es für junge Männer sicherer, den direkten Weg zur Anwerbung zu gehen, um schnellstmöglich mit einem Offizier zusammenzutreffen. Gutgläubige potentielle Rekruten hingegen, die ihre Anwerbungsabsicht allzu offen unteren Chargen mitteilten, wurden leicht Opfer eines Betruges. Ein solcher Fall spielte sich im Jahre 1736 in Weidhausen ab, als der unzufriedene Hafnergeselle Gabriel Mäusel mit dem Hautboisten Johann Schlund über das Soldatenleben sprach. Damit sowie durch das Aufsetzen von Schlunds Soldatenhut751 brachte Mäusel eine Anwerbungsabsicht zum Ausdruck.752 Obwohl Schlund keinen Werbebefehl hatte und ohne dass Mäusel Handgeld empfing oder gar vereidigt wurde, gerieten beide Männer über die Anwerbung in Streit. Nach der vermeintlichen Anwerbung sagte Schlund wiederholt, „daß er [Mäusel] sein Soldat seye“.753 Um sich durch die Leichtgläubigkeit Mäusels zu bereichern, beabsichtigte Schlund, diesen nur nach Zahlung eines Geldbetrages wieder zu entlassen. Durch das Eingreifen von Zivilisten wurde die angespannte Situation nach mehreren Handgreiflichkeiten schließlich entschärft. Das Beispiel verdeutlicht, welche Gefahren einen dienstwilligen Rekruten erwarten konnten, wenn er sich in falsche Hände begab. War ein erster Kontakt hergestellt, wurde der Rekrut einem Offizier, in selteneren Fällen auch einem Unteroffizier, vorgeführt. Dieser musterte den Rekruten unter verschiedensten Gesichtspunkten und entschied über dessen Tauglichkeit zum Dienst. Im Jahre 1745 schrieb Johann Heinrich Zedler: „Wo es möglich, muß man hier [bei der Anwerbung] ansehnliche wohlgewachsene Leute zu Soldaten nehmen, die mittlerer Statur sind, von breiten Schultern, geraden Knien und Füssen und die noch jung von Jahren, die geschickt sind, allerhand Strapazen auszustehen.“754 Neben körperlicher Belastbarkeit waren vor allem gute Zähne, die zum Aufreißen der Papierpatronen benötigt wurden, ein Hauptkriterium, um in den Dienst aufgenommen zu werden. Wurde die Tauglichkeit des Rekruten erkannt, begann die Aushandlung der Kapitulation. Dabei handelte es sich um die vertragliche Niederschrift der Anwerbebedingungen, die verhandelbar 750 PRÖVE, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft, S. 17. 751 Das Aufsetzen eines Soldatenhutes durch einen Zivilisten wurde des Öfteren als eindeutige Willensbezeigung zur Anwerbung verstanden, siehe Rainer v. ROSENBERG, Soldatenwerbung und militärisches Durchzugsrecht im Zeitalter des Absolutismus, Frankfurt 1973, S. 135; Robby FICHTE, Die Begründung des Militärdienstverhältnisses (1648– 1806). Ein Beitrag zur Frühgeschichte des öffentlich-rechtlichen Vertrages (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 13), Baden-Baden 2010, S. 98. 752 Vgl. Punkt 6.1.3.4: Der Fall des Johann Schlund in Weidhausen (1736). 753 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 23.6.1736, fol. 21r. 754 Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 43, Leipzig 1745, Sp. 265.
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waren und zudem individuell angepasst werden konnten.755 Im Verhandlungsgespräch bildeten vor allem Dienstdauer, Ausbildung, Erscheinungsbild und Körpergröße wichtige Aspekte, mit denen der verhandlungsgeschickte Rekrut sein Handgeld in die Höhe treiben konnte. Als Handgeld wurde eine einmalige und sofortige Auszahlung eines Geldbetrages an den Rekruten bezeichnet.756 Neben einem finanziellen Lockmittel diente dieses von Seiten des Militärs der Bekräftigung eines Vertragsabschlusses, zu dem sich der Rekrut seinerseits durch die Anwerbung seiner Person bekannte.757 Eine für Sachsen-Hildburghausen beispielhafte Kapitulation stammt aus dem Jahre 1732 und lautet wie folgt: „Nachdeme N.N. gebürtig von N.N. bey Unserer Fürstlichen Grenadier Guarde allhier engagiret worden, Alß geben wir demselben hiermit diese Versicherung, daß ermelter N.N. bey Unserer Guarde in Diensten verbleiben und weder an Preußen, Chur-Sachßen, noch an andere Trouppen abgegeben werden soll. Versprechen auch demselben, nach verfloßenen dreyen Jahren, falls er nicht länger Lust zu dienen hätte, zu verabschieden. Uhrkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrifft und Fürstlichen Insiegel.“758 Bezüglich der Höhe des Handgeldes gab es individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, doch wurden die Werber angewiesen, einen gewissen Geldbetrag nicht zu überschreiten. In Sachsen-Hildburghausen wurden den Rekruten zwischen einem und drei Reichstaler als Handgeld ausgezahlt.759 Ausnahmen von dieser Regel, wie beispielsweise der im April 1734 angeworbene 19jährige Rekrut Johann Michael Kohles aus Burggrub, der aufgrund seiner Statur und Größe 7½ Reichstaler als Handgeld empfing, blieben selten.760 Nach dem Empfang des Handgeldes mussten die Rekruten ständig beaufsichtigt werden, da gelegentlich angeworbene Soldaten, „sobald sie ein brav Stück [Geld] auf die Hand bekommen, sich aus dem Staube machen. Es hat daher ein Officier auf die angeworbenen Leute, zumahl, wenn er nicht weiß, wo sie her sind, Ursache ein wachsames Auge zu haben, und sie feste zu halten, denn es fehlet im geringsten nicht an solchen liederlichen Purschen in der Welt, die vielmahls hintereinander, bald von diesem bald von einem andern Potentaten ein Stück Geld nehmen und hernach wieder davon lauffen.“761
755 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 216 f. 756 Fritz REDLICH, The German Military Enterpriser and His Workforce: A Study in European Economic and Social History (=Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 47), Bd. 2, Wiesbaden 1964, S. 232 f. 757 FICHTE, Die Begründung des Militärdienstverhältnisses, S. 98 f. 758 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Juni 1732. 759 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735. 760 Ebd., fol. 1r. 761 ZEDLER, Universal-Lexicon, Bd. 43, Sp. 272.
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Solche Rekruten bzw. Soldaten wurden als „Handgeldjäger“ bezeichnet und vagierten unter den verschiedensten Armeen des 18. Jahrhunderts.762 Aufgrund wiederholt negativer Erfahrungen wurden die Rekruten nach Empfang des Handgeldes nicht wieder entlassen. Vielmehr wurde ihnen sofort ein Quartier zugewiesen bzw. versucht, sie schnellstmöglich zu vereidigen. Die Vereidigung der Rekruten sowie den Schwur auf die Kompaniefahne übernahm entweder der Auditeur der Garde oder ein höherer Offizier. Dabei wurden dem Neugeworbenen die Kriegsartikel vorgelesen, welche dieser beschwören musste. Erst nachdem dies geschehen war, stand der Rekrut unter den Kriegsartikeln und war vollständig der Militärjurisdiktion unterworfen.763 Die oben beschriebenen Abläufe stellten den üblichen Werdegang eines Rekruten in Sachsen-Hildburghausen dar. Neben der freiwilligen Rekrutenwerbung existierten aber auch andere Methoden der Rekrutierung, die im Folgenden erörtert werden. 4.4.1.2 Gewaltsame Rekrutenwerbung und Dienstverpflichtung Die gewaltsame Rekrutenwerbung bzw. Zwangswerbung trat hauptsächlich in Kriegszeiten auf, als es nicht mehr möglich war, das Prinzip der freiwilligen Werbung aufrechtzuerhalten.764 Dies hing zum einen damit zusammen, dass in Kriegszeiten zahlreiche Armeen warben und aufgestockt wurden. Zum anderen hielt aber auch die Perspektive eines gewaltsamen Todes im Feldzug zahlreiche junge Männer von der Anwerbung ab.765 Daher konnten nicht mehr ausreichend Rekruten angeworben werden, um die Verlust- und Desertionsraten von im Felde stehenden Einheiten auszugleichen. In dieser schwierigen Situation griffen viele Werbeoffiziere auf Gewalt, List und Täuschung zurück. In Sachsen-Hildburghausen spielte die gewaltsame Werbung bei der Grenadiergarde eine untergeordnete Rolle und wurde am stärksten in der Regierungszeit Herzog Ernst Friedrichs II. praktiziert. Als der Herzog 1728 die Regierung antrat, bestand die Garde noch in reduzierter Form, wie von seiner Mutter Sophia Albertine im Jahre 1724 angeordnet. Eines der ersten Projekte des Herzogs war die erneute Verstärkung der Gardemannschaften auf ihren 762 Jörg MUTH, Flucht aus dem militärischen Alltag. Ursachen und individuelle Ausprägung der Desertion in der Armee Friedrichs des Großen. Mit besonderer Berücksichtigung der Infanterie-Regimenter der Potsdamer Garnison, Freiburg 2003, S. 103; PRÖVE, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft, S. 19, Anm. 60. 763 ROSENBERG, Soldatenwerbung und militärisches Durchzugsrecht, S. 87. 764 Ebd., S. 134 f. und FICHTE, Die Begründung des Militärdienstverhältnisses, S. 120 f. 765 PRÖVE, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft, S. 24.
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alten Stand. Dafür wurde in den Jahren 1730 bis 1735 im Fürstentum stark geworben. Bis zum Jahre 1735 erreichte die Garde dadurch eine Vervierfachung ihrer Stärke auf 202 Mann. Dieses für Sachsen-Hildburghausen beträchtliche Unterfangen erforderte einigen Aufwand. Das Werbeunternehmen Ernst Friedrichs II. war im Grundsatz als erweiterte Dienstverpflichtung konzipiert. Es handelte sich dabei um dieselben Grundlagen wie beim Landregiment, doch wurde das System hier erstmals auf eine stehende Truppe übertragen. Juristisch fragwürdig766 und „scheinbar unmerklich“767 wurde die Dienstverpflichtung vom Landregiment auf die Garde übertragen und angewandt.768 Am Anfang des Projektes stand die Benachrichtigung aller Dorfschultheißen des Fürstentums, die jungen Männer ihrer Orte in Listen zu erfassen und einzusenden. Auf Grundlage dieser Listen wurden diverse Offiziere in die Dorfschaften entsandt, um dort die Männer zu mustern und für den Dienst auszuwählen. Von 1730 bis zum Ausbruch des Polnischen Thronfolgekrieges 1734 konnte auf diese Weise mit vergleichsweise geringem Widerstand der Bevölkerung der Mannschaftsstand der Garde in langsamen Schritten etwa verdoppelt werden. Während zahlreiche junge Männer der Dienstverpflichtung nachkamen, ereigneten sich jedoch auch unvorhergesehene Zwischenfälle. Einen der folgenschwersten Fälle stellte jener des Ackermanns Andreas Korneffer aus Streufdorf dar.769 Im Rahmen der Aufstockung der Grenadiergarde kam Korneffer im April 1730 mit dem hildburghäusischen Militär in Berührung. Es bleibt unklar, ob er in einem Wirtshausgespräch – vielleicht unter Alkoholeinfluss – von einem listigen Werber zum Militärdienst überredet wurde oder ob Korneffer lediglich einer der jungen Männer war, die auf den Listen angegeben wurden. In jedem Fall erschien am 24. April 1730 der Grenadier Johannes Faber770 in Streufdorf und beabsichtigte, Korneffer zum Militärdienst zu zwingen. Korneffer befand sich bei der Arbeit auf einem Feld nahe 766 FICHTE, Die Begründung des Militärdienstverhältnisses, S. 152 f. sowie zur Dienstverpflichtung allgemein ab S. 136. 767 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 242. 768 Zu diesem Sachverhalt: „The task for princes and their advisers then was to make it appear as if a new obligation which they wished to impose on the population was indeed a traditional one“, REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2, S. 182. 769 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 28.4.1730 [I, II]. Zur lokalhistorisch-romantisierenden Darstellung siehe Elias BAUER, Das alte Bergschloss Straufhain oder Strauf im Herzogtum Sachsen-Hildburghausen, Schleusingen 1825, S. 32; HOFMANN; Das Ackerkreuz, S. 760–762; Carl LÄSSER, Das Ackerkreuz in der Streufdorfer Flur, in: Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde 68 (1913), S. 162–166. 770 Johannes Faber: Gefreiter der Grenadiergarde, 1696 in Eicha geboren, verheiratet und zwei Kinder, am 2. Januar 1729 angeworben, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735.
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dem Dorf, als Faber ihn entdeckte. Wenig später hatte Faber den Korneffer, „welchen er zum Soldaten zwingen, aber sich nicht geben, sondern zur Wehr stellen wollen, hinter dem Pflug auf dem Felde todgeschoßen“.771 Der Grenadier Faber, offensichtlich im Bewusstsein, seine Kompetenzen überschritten zu haben, verließ schnellstens Streufdorf und begab sich über die Grenze des Fürstentums nach Rodach im Fürstentum Sachsen-Coburg. Die Nachricht von dem Vorfall gelangte jedoch schnell nach Hildburghausen. Hier wurde ein Kommando von Grenadieren unter dem Befehl des Profossen nach Rodach gesandt, um Faber zu arretieren. Dieser wurde dort angetroffen und gefangen über die Grenze nach Sachsen-Hildburghausen zurückgebracht. Über ein Kriegsgericht zu dem Vorfall sowie über die Bestrafung Fabers ist nichts bekannt. Im Jahre 1735 gehörte er jedoch immer noch zu den Mannschaften der Garde, sodass es sich hier also nicht um eine Lebensstrafe gehandelt haben konnte. Was den ermordeten Korneffer anbelangt, so existierte seit dem Vorfall eine lokale Legende: Korneffers Angehörige wollten nach der Tat einen Gedenkstein für den Ermordeten aufstellen, was jedoch von herrschaftlicher Seite aus abgelehnt wurde. Daraufhin legten Korneffers Schwester und seine Verlobte ein aus gesammelten Feldsteinen bestehendes Kreuz am Ackerrand auf den Erdboden – das Ackerkreuz. „Wer vorüber ging und etwa das und jenes am Kreuz zerstört sah, brachte das Zerstörte wieder in Ordnung.“772 Auf diese Weise soll das Kreuz über die Jahrhunderte hinweg gepflegt worden sein, sodass es bis heute besteht.773 Neben der persönlichen Tragödie für die Familie Korneffers zog der Fall auch politische Spannungen zwischen Sachsen-Hildburghausen und SachsenCoburg nach sich. Die gemeinsam regierenden Herzöge Christian Ernst und Franz Josias von Sachsen-Coburg betrachteten die Eigenmächtigkeit des hildburghäusischen Grenadierkommandos in Rodach als einen Eingriff in ihre Territorialhoheit und formulierten am 28. April 1730: „Also können Wir hingegen die angezeigte Eigenthätlichkeit anderst nicht alß sehr mißliebig aufnehmen und sehen Uns vermüßiget, da dergleichen noch mehrere besorget werden, dargegen hinlängliche Veranstaltung vorzukehren […].“774 Damit folgten die Herzöge einer Empfehlung des Obristen Adam v. Hanstein, der als Coburger Festungskommandant bereits seit Wochen größere Zahlen sogenannter Ausgetretener beobachtete, welche die Grenze zu Sachsen-Coburg überschritten. Es handelte sich dabei hauptsächlich um hild771 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 28.4.1730 [I], fol. 1r. 772 LÄSSER, Das Ackerkreuz in der Streufdorfer Flur, S. 166. 773 Zur archäologischen Inventarisierung des Ackerkreuzes siehe Frank STÖRZNER, Steinkreuze in Thüringen. Katalog der Bezirke Gera und Suhl (= Weimarer Monographien zur Ur- und Frühgeschichte, Bd. 21), Weimar 1988, S. 104. 774 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 28.4.1730 [II], fol. 1r.
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burghäusische Untertanen, die versuchten, den Werbemaßnahmen Ernst Friedrichs II. zu entgehen, und damit weitere hildburghäusische Übergriffe auf das Territorium Sachsen-Coburgs provozierten.775 Als sich die Abneigung der Bevölkerung gegen die aufoktroyierte Werbung des Herzogs zeigte, wurde es zunehmend schwieriger, geeignete Rekruten zu finden. Um das Werbeziel dennoch zu erreichen, wurden nun auch Straftäter als Rekruten angenommen bzw. indirekt durch versprochenen Straferlass zum Dienst gedrängt.776 Die bereits angespannte Situation wurde wenig später durch den Ausbruch des Polnischen Thronfolgekrieges noch wesentlich verschärft. Nachdem am 13. März 1734 die Kriegserklärung des Reiches an Frankreich abgefertigt wurde, war die Aufstellung des Reichskontingents nur eine Frage der Zeit. Bereits vier Tage nach der Reichskriegserklärung berief Herzog Ernst Friedrich II. den Hildburghäuser Bürgermeister und Syndikus zu sich und teilte diesen bezüglich der zukünftigen Werbemaßnahmen mit, wie „nun allhier ein und andre die res publici nicht viel eintragende und vielmehr derselben beschwerlich fallende Personen seyn möchten; So sollten wir solche mit Zuziehung noch ein paar und zwar verschwiegener Rathspersonen, aufzeichnen und Ihro solche heute noch untertänigst überreichen“.777 Noch am selben Tag meldete der Syndikus an die Stadträte, dass der Herzog eine Liste „derjenigen Bürger, welche nicht viel arbeiten mögen, [und] Steuern aufwachsen laßen gnädigst verlangen“.778 Die Werbung für das Reichskontingent hatte zunächst formal mit jener der Garde nichts zu tun. Obwohl es sich um verschiedene Einheiten handelte, bestanden dennoch Verbindungen: Die Anwerbung des Reichskontingents wurde von Grenadieren der Garde durchgeführt. Auch traten stets mehrere Mannschaften der Garde im Kriegsfall zum Reichskontingent über und bildeten gewissermaßen den Grundstock dieser Einheit. Nach Kriegen konnte es auch vorkommen, dass Mitglieder des Reichskontingents neu in die Garde
775 Ausgetretene flüchteten gelegentlich jedoch auch von Nachbarstaaten auf das Territorium Sachsen-Hildburghausens. Zu Fällen kursächsischer Ausgetretener, die während des Österreichischen Erbfolgekrieges und Ersten Koalitionskrieges nach SachsenHildburghausen flüchteten, siehe ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 348, fol. 41 ff.; HEYN, Die kursächsische Rekrutenwerbung, S. 35 f. 776 Das Ausmaß der Rekrutierung von Straftätern ist auf Grundlage der Quellen nicht zu quantifizieren. Im Gegensatz zum Reichskontingent des Polnischen Thronfolgekrieges dürfte diese jedoch bei der Grenadiergarde eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Zum Widerspruch von militärischer Moralvorstellung bei gleichzeitiger Rekrutierung von Straftätern siehe SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 232 f. 777 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 393/2083, 17.3.1734 [I], fol. 1r. 778 Ebd., 17.3.1734 [II], fol. 1r.
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übernommen wurden.779 Unter anderem galt dies für einige Männer, die in der vom Herzog angeforderten Liste genannt wurden. Diese wurden von Gardegrenadieren im Rahmen einer strengen Werbung für das Reichskontingent rekrutiert „und sowohl Bürger-, als deren Söhne, Gesellen, Lehrjungen und Dienstknechte mit Gewalt aus denen Häußern genommen“.780 Damit bemühte sich Herzog Ernst Friedrich II. zwar um die Erfüllung seiner Reichsverpflichtungen, schadete jedoch seinem öffentlichen Ansehen sowie der Wirtschaft des Fürstentums. Dies war umso mehr der Fall, als es in Sachsen-Hildburghausen keine Exemtionen von der Werbung gab. Die wirtschaftlichen Interessen des Fürstentums wurden dem Militärwesen untergeordnet. Besonders hart traf diese Politik die Handwerksmeister, welche auf die Unterstützung ihrer Lehrlinge oder Gesellen angewiesen waren und aufgrund der Werbemaßnahmen in Not gerieten. Einen von zahlreichen derartigen Fällen stellt jener der Anna Catharina Renner aus Hildburghausen dar.781 Sie war die Witwe eines Hildburghäuser Glasermeisters und führte nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit einem Gesellen das Handwerk weiter. Als der Geselle der gewaltsamen Werbung zum Opfer fiel, befand sich die Witwe in einer existenzbedrohenden Situation, in welcher sie sich an Herzog Ernst Friedrich II. wandte: „Wenn denn nun Durchlauchtigster Hertzog Gnädigster Fürst und Herr, ich eine Witbe, auch ohne einen Gesellen mein Glaser-Handwerck, ohnerachtet ich viele Arbeit zu verfertigen versprochen, nicht treiben kann: So bitte Eure Hochfürstliche Durchlaucht hierdurch demütigst und angelegentlich Höchstdieselben wollen die hohe Gnade vor mich haben und mir auf einen anhero zu verschreibenden Gesellen, einen Assecurationsbrieff, damit derselbe von der Werbung sicher seyn möge, gnädigst zu ertheilen.“782 Ob der Bitte der Witwe stattgegeben wurde, konnte nicht geklärt werden. Nur so viel ist sicher, dass die eilig und großangelegt organisierte Werbeaktion zum Reichskontingent letztendlich nicht notwendig war. Obwohl der Herzog nach der Reichskriegserklärung im März 1734 sehr schnell handelte, waren die Einzelheiten der Kontingentsstellung zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Erst im Mai 1734 und Januar 1735 trafen sich Gesandte der ernestinischen Staaten auf Konferenzen in Suhl und Arnstadt, um weitere Einzelheiten zu erläutern.783 Die dortigen Verhandlungen zogen sich derart in die Länge, dass sich der Krieg bereits seinem Ende zuneigte und das Reichskontingent nicht mehr ins Feld marschierte. Als anschließend ein Teil der 779 Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Garde bzw. Schlosswache und Reichskontingent zeigen sich besonders gut am Beispiel des Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg, siehe Abschnitt 5.2: Formation und erste Anwerbung des Reichskontingents. 780 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 393/2083, 18.3.1734, fol. 1r. 781 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 1.4.1734. 782 Ebd., fol. 1r. 783 Zu den Konferenzen, vgl. ThStAM, GA Hbn, 437 ab fol. 423.
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zum Reichskontingent angeworbenen Mannschaften in die Garde übertrat, war die von Ernst Friedrich II. gewünschte Verstärkung der Einheit erreicht, und die Werbeaktionen wurden eingestellt. Paradoxerweise erreichte der Herzog sein Ziel langfristig aber dennoch nicht. Tatsächlich erbrachte die Werbeaktion der Jahre 1730 bis 1735 keinerlei Ergebnis: Die angespannten finanziellen Verhältnisse des Fürstentums nötigten den Herzog bereits 1736, eine Reduzierung der Garde vorzunehmen. Im darauffolgenden Jahr, kurz vor der Auflösung der Einheit, erreichte sie erneut den Mannschaftsstand von 1730. Die zweite große Werbeaktion in der Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen fand unter der Regierung von Herzog Ernst Friedrich III. Carl in den Jahren 1750 bis 1753 statt. Diese Werbung, deren Einzelheiten wesentlich spärlicher überliefert sind, stand zunächst im Zusammenhang mit dem geplanten Subsidienkorps für die Vereinigten Niederlande.784 Wie groß der Werbeerfolg für das Subsidienkorps war, lässt sich aufgrund des archivalischen Materials nicht genau erschließen. Tatsächlich war man darauf bedacht gewesen, zunächst Subsidien zu empfangen und erst unter deren Verwendung mit der Errichtung der Einheiten zu beginnen. Als sich abzeichnete, dass den Subsidienverhandlungen kein Erfolg beschieden sein würde, warb man fortan für eine neu zu errichtende Garde. Diese sollte aus den bereits angeworbenen Männern sowie neu zu werbenden Rekruten bestehen.785 Über den Modus der Werbung wurden dem Herzog in mehreren Entwurfpapieren Empfehlungen gegeben. In diesem Rahmen wurde sogar vorgeschlagen, je acht Mann aus allen Landregimentskompanien auszuwählen und diesen dreijährige Kapitulationen zu unterbreiten. Nach Ablauf der Dienstzeit sollten je acht andere Männer für drei Jahre in der Garde dienen. Damit versuchte man, den Mannschaftsstand beständig bei etwa sechzig Mann ohne Prima Plana zu halten und wahrscheinlich gleichzeitig das Handgeld erheblich zu drücken. Ähnlich sparsam wollte man sich bei der Verpflegung der Rekruten und Mannschaften verhalten, denn wenn „Ihro Hochfürstliche Durchlaucht eine Abänderung wegen Brodt und Fleisch gnädigst anbefehlen, so ist es ganz wohl möglich, daß der gemeine Mann monathlich […] mit 2 Reichsthaler unterhalten werden kann“.786 Diese Vorschläge kamen jedoch nicht zur Ausführung. Vielmehr griff man auf Methoden zurück, die bereits Herzog Ernst Friedrich II. in den Jahren 1730 bis 1735 angewandt hatte: die Erfassung der jungen Männer in ei784 Siehe Punkt 4.1.5: Ein unbeliebter Freiherr und die erneute Errichtung der Garde (1750). 785 Dass für das Subsidienkorps ein gewisser Werbeerfolg zu verzeichnen war, beweist eine Formulierung in einem Schriftstück, welches auf das Jahr 1751 zu datieren ist. Hier ist von „Complettirung der Guarde“ die Rede, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, o. D. [Titel: „Unterthänigste ohnvorgreichfliche Meinunge“], fol. 1r. 786 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, o. D. [Titel: „Unterthänigste ohnvorgreichfliche Meinunge“], fol. 1r.
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gens angefertigten Listen. Da der mit der Anwerbung der Subsidientruppen in Zusammenhang stehende Freiherr v. Werther bereits extrem unbeliebt war und selbst Morddrohungen empfangen hatte, kam der Entschluss des Herzogs, die Werbung fortzuführen, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Untertanen auf dem Land standen im Allgemeinen der Rekrutenwerbung – zumal in Friedenszeiten – extrem reserviert gegenüber.787 Die Werber arbeiteten unter dem Befehl des Hauptmanns Tilling und waren für die listenmäßige Erfassung der jungen Männer verantwortlich. Um dies zu erreichen, visitierte Tilling Ende 1752/Anfang 1753 systematisch alle Dorfschaften in der Umgebung von Heldburg. Stark beunruhigt äußerten sich im Januar 1753 u. a. die Einwohner von Poppenhausen und berichteten, dass „der Hauptmann Tilling von Hildburghaußen auf Hochfürstlichen Befehl in Poppenhausen gewest und alda unsere junge Mannschafft gemeßen, woraus wir denn muthmaßlich schließen, als ob solche unter das Soldatenleben kommen sollen“.788 Wie stark sich die Zivilbevölkerung mit der Werbeaktion Ernst Friedrich III. Carls beschäftigte, zeigt zudem ein Vorfall aus Lindenau. Im dortigen Wirtshaus wurde das Thema in mehreren Gesprächen zwischen Soldaten und Zivilisten behandelt. Im Februar 1753 befand sich ein Grenadier im Wirtshaus und „schwatzete von der vorseyenden Werbung und machete denen Leuthen Angst und Bange“.789 Der Lindenauer Wirt, der gleichzeitig Schultheiß war und in Gegenwart eines Soldaten seine eigene Meinung nicht äußern wollte, gab sich betont untertänig, indem er sagte: „[…] die Leuthe thäten nicht wohl, daß sie sich [vor der Werbung] fürchteten, sie wären ja Unterthanen und müßten doch endlich der Herrschafft folgen.“790 Darauf fragte ein Zivilist den Grenadier, „ob sie [die Werber] denn auch nach Lindenau kämen, es wären ja nicht mehr als 2 Pursche da“.791 Der Soldat erwiderte: „sie würden gewiß kommen, der Schulz hätte ja auch einen Sohn“.792 4.4.2 Sozialstrukturelle Hintergründe und Motivation Um zu einer genaueren Einschätzung der Gemeinen und Unteroffiziere der Garde zu gelangen, ist die Klärung der persönlichen Hintergründe und Voraussetzungen der Soldaten unabdingbar. Kategorien wie lokale und soziale Herkunft, Alter und Ausbildung lassen sich auf Grundlage des Quellenmate787 ThStAM, GA Hbn, XXII, 52, 21.8.1750, fol. 2v. Hier heißt es: „[…] daß nicht nur hie und da gantze Communen über die verlautete Aufstellung eines Regiments zumal bey jetzigen allgemeinen Friedenszeiten äußerst betroffen seyn […].“ 788 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 29.1.1753, fol. 1r. 789 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 23.2.1753, fol. 3v. 790 Ebd., fol. 1v. 791 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 24.2.1753, fol. 2v. 792 Ebd.
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rials eruieren und sind von zentraler Bedeutung. Sie sind Indikatoren für die Beweggründe bzw. die Motivation einzelner Soldaten, sich zum Militärdienst anwerben zu lassen. Im Folgenden soll daher eine Auswertung der Angaben zur lokalen und sozialen Herkunft sowie zu Alter und Ausbildung zu einem differenzierteren Bild zusammengefügt werden. Im Anschluss an die statistische Auswertung der verfügbaren Mannschaftslisten erfolgt eine zusammenfassende Analyse sowie die Rekonstruktion von Einzelbiographien. Diese verifizieren und bestärken auf einer individuellen Ebene die Ergebnisse der statistischen Betrachtung. 4.4.2.1 Regionale Herkunft Die Untersuchung der lokalen Herkunft793 der Gardesoldaten ergibt zunächst, dass nahezu die Hälfte der Mannschaften (47,62 Prozent) aus Sachsen-Hildburghausen stammte. Dies hing vor allem damit zusammen, dass man im 18. Jahrhundert grundsätzlich von einer höheren Zuverlässigkeit eigener Untertanen ausging und diese daher bevorzugt anzuwerben versuchte.794 Die Einwohner des Fürstentums standen aber auch in engem Kontakt zu den Grenadieren und trafen diese vor allem in Hildburghausen regelmäßig an. Neben Hildburghausen war die militärische Präsenz der Garde in Heldburg besonders stark, sodass es nicht verwundert, dass etwa zwei Drittel aller Rekruten in diesen Orten angeworben wurden und auch aus diesen Ämtern stammten. Die Herkunft der restlichen Gardemannschaft wird durch das unten stehende Diagramm verdeutlicht. Die hier genannten Territorien wurden in verschiedene Gruppen untergliedert: Es handelt sich dabei um benachbarte (schwarz), nahe (dunkelgrau), entfernte (hellgrau) und außerhalb des Reiches gelegene Gebiete (schwarz). Die hildburghäusische Werbung überschritt zwar die eigenen Landesgrenzen nicht, wurde aber dennoch in den benachbarten Staaten wahrgenommen.
793 In diesem Zusammenhang wird unter „Herkunft“ der vom Grenadier angegebene Geburtsort verstanden. Grundlage der statistischen Auswertungen bilden die detaillierten Mannschaftslisten der Garde bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 35 sowie XXII, 44 und KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061. Insgesamt liegen der Auswertung die Daten von 420 Grenadieren zugrunde. 794 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 289 f.
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25% 20% 15% 10% 5% 0%
Graphik 5: Herkunft der Gardemannschaften. Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752
Zum einen arbeiteten zahlreiche Handwerker aus Nachbarterritorien im Fürstentum, zum anderen bestanden vielfach verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Untertanen benachbarter Herrschaften. Trotz der historischen Rivalität mit Sachsen-Hildburghausen stammte etwa ein Fünftel (19,55 Prozent) der Gardemannschaften aus Sachsen-Meiningen. Letzteres verfügte seit 1723 nicht nur über das ehemalige hildburghäusische Amt Schalkau, sondern hatte neben Sachsen-Coburg und dem Hochstift Würzburg die längste Grenze zu Sachsen-Hildburghausen. Würzburger Untertanen gelangten meist über die hildburghäusische Exklave Königsberg bzw. direkt über die südliche Grenze nach Heldburg und in Kontakt mit dem Militär. Unter Kursachsen, das mehr als zwölf Prozent der Grenadiere als Heimatland angaben, werden in diesem Zusammenhang mehrheitlich die zu den kursächsischen Exklaven Schleusingen und Suhl gehörigen Gebiete verstanden. Auch diese grenzten am Fluss Schleuse an das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen.795 795 Aus der Exklave Schleusingen fanden nicht nur zahlreiche Rekruten ihren Weg nach Hildburghausen, sondern es fanden an der Flussgrenze auch häufige illegale Grenzüber-
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Im Gegensatz zu den genannten benachbarten Staaten kamen aus den Gebieten der Fürsten von Schwarzburg fast keine Mannschaften. Dies steht wahrscheinlich mit den eigenen ambitionierten militärischen Projekten und dem damit in Zusammenhang stehenden Rekrutenbedarf in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Verbindung.796 Zudem war das Grenzgebiet zu Sachsen-Hildburghausen, mitten im Thüringer Wald gelegen, wenig erschlossen und vergleichsweise nur dünn besiedelt. Größerer Warenaustausch und Personenaufkommen, wie in den südlichen Grenzgebieten, existierten hier nicht. Unter den nicht benachbarten, aber nahegelegenen Territorien dominierten vor allem die ernestinischen Staaten Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Gotha-Altenburg. Auch aus der kurmainzischen Exklave Erfurt gelangten einige wenige Rekruten nach Hildburghausen. Ähnlich verhielt es sich mit nahen fuldischen Besitzungen und mit Hessen-Kassel, aus dessen Exklave Schmalkalden Rekruten in Sachsen-Hildburghausen dienten. Die entfernteren Territorien und die daraus angeworbenen Mannschaften standen meist mit dem hildburghäusischen Fürstenhaus in Verbindung. So lässt sich das Vorkommen von Rekruten aus den Grafschaften Erbach und Hohenlohe erklären. Die Mutter von Herzog Ernst Friedrich II., Sophia Albertine, war eine geborene Gräfin von Erbach-Erbach, und seine Ehefrau Caroline Amalie entstammte dem Haus Erbach-Fürstenau. Ebenso eng gestaltete sich die Beziehung zu den Grafen von Hohenlohe. Im Jahre 1749 fand im Herzogshaus die Hochzeit des Prinzen Ludwig Friedrich wie auch der Prinzessin Amalie statt, die beide in das gräfliche Haus Hohenlohe einheirateten.797 Als im darauffolgenden Jahr für die Grenadiergarde geworben wurde, fanden sich auch sechs Hohenloher Rekruten in Hildburghausen ein. Welche Veranlassung für junge Männer aus Bayreuth bestand, nach SachsenHildburghausen zu kommen, muss indessen unklar bleiben. Zwar war die Schwiegermutter von Herzog Ernst Friedrich III. Carl eine geborene Prinzessin aus dem Hause Brandenburg-Bayreuth, doch scheint ein Zusammenhang damit wenig naheliegend. Neben Bayreuth gehörten vor allem Brandenburg-Preußen, Kurbayern, Württemberg, die Kurpfalz, Hamburg und Schleswig zu den weiter entfernten Herkunftsterritorien. Die genauen Wege der Rekruten in das Fürstentum müssen auch hier im Dunkeln bleiben. Möglicherweise kam den durch Sachtritte statt. Darunter fielen vor allem potentielle Rekruten, sogenannte Ausgetretene, die sich vor der kursächsischen Werbung auf das Gebiet Sachsen-Hildburghausens in Sicherheit bringen wollten, vgl. HEYN, Kursächsische Rekrutenwerbung, S. 35. 796 ORTENBURG; Das Militär in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 31 f. 797 Prinz Ludwig Friedrich heiratete am 4. Mai 1749 Christiane Louise v. SchleswigHolstein-Sonderburg-Plön, welche die Witwe des Grafen Albrecht Ludwig v. Hohenlohe-Weickersheim war. Amalie heiratete am 28. Januar 1749 den Grafen Ludwig v. Hohenlohe-Neuenstein.
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sen-Hildburghausen verlaufenden und überregional bedeutsamen Handelsstraßen einige Bedeutung zu.798 Diese wurden stark frequentiert und konnten Menschen aus allen Teilen des Reiches und Europas durch das Fürstentum führen. Zu diesen zählten wahrscheinlich auch die Rekruten, welche Gebiete außerhalb des Reiches als Heimat angaben. Der größte Teil dieser Männer kam aus Frankreich nach Hildburghausen. Unter ihnen befanden sich beispielsweise die Grenadiere Matthieu Frossier aus Lyon und Jacques Ferie aus Sainte-Claude.799 Da etwa die Hälfte der Rekruten aus Frankreich der hugenottischen Konfession angehörte, liegt die Vermutung nahe, dass hier möglicherweise religiöse Hintergründe eine Rolle gespielt haben. Den weitesten Weg legte zweifelsohne der Grenadier Antonius Vogt aus dem ungarischen Gran zurück, der nach einer mehrjährigen Dienstzeit in Kurbayern im Jahre 1751 in Hildburghausen ankam.800 Das Ergebnis, dass etwa 52 Prozent der Gardemannschaften nicht aus dem Fürstentum Sachsen-Hildburghausen stammten, ist im überregionalen Vergleich nicht ungewöhnlich. Tendenziell ist dieser Fremdenanteil sogar eher gering. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wiesen hannoversche Truppen in der Garnisonsstadt Göttingen einen Ausländeranteil von 58,4 Prozent auf.801 In Mecklenburg erreichte der Anteil landesfremder Rekruten zu Anfang des 18. Jahrhunderts etwa fünfzig Prozent.802 Ausnahmen bildeten lediglich Territorien mit besonderem Werbemodus. In Kursachsen, das seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hauptsächlich auf inländische Werbung setzte, erreichte der Anteil ausländischer Rekruten höchstens etwa zwanzig Prozent.803 Auch bei den braunschweigischen Subsidientruppen, deren Grundstock aus länger gedienten Landesuntertanen bestand, überstieg der Ausländeranteil zu keinem Zeitpunkt vierzig Prozent.804 Der tendenziell höhere Ausländeranteil in Sachsen-Hildburghausen lässt sich jedoch nicht aufgrund eines besonderen Werbemodus erklären. Tatsächlich spielten hier die 798 Es handelte sich dabei vor allem um die „Frauenwalder Straße“, „Heubacher Straße“ und „Kahlertstraße“. Zum Verlauf der Straßen vgl. HEYN, Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 16 f. sowie Ernst DAHINTEN, Die Hohe Straße über den Thüringer Wald von Coburg bis Ilmenau, Eisfeld ²1967, S. 9 f. Diese Schrift erschien als Beitrag auch in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 12 (1967), S. 269–306; zur Frequentierung der „Frauenwalder Straße“ siehe Oliver HEYN, „Aus Gnaden verliehen …“ – Das vergessene Rittergut Engenstein (1432–1799), in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 28 (2013), S. 67–88, hier besonders S. 73–78. 799 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735. 800 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061, fol. 1v. 801 PRÖVE, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft, S. 96. 802 TESSIN, Mecklenburgisches Militär, S. 175 f. 803 KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 158 zeigt eine tabellarische Übersicht dazu. 804 HUCK, Soldaten gegen Nordamerika, S. 88 f.
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kleinräumigen Territorialverhältnisse hier eine entscheidende Rolle, denn der Großteil der ausländischen Rekruten stammte aus den Nachbarterritorien des Fürstentums und legte damit nur geringe Distanzen zurück. Die hildburghäusische Werbung wurde – bis auf Territorien, deren Fürsten mit dem Herzogshaus in verwandtschaftlicher Verbindung standen – nicht überregional bekannt gemacht und wirkte wenig über den engen Rahmen der Umgebung des Fürstentums hinaus. 4.4.2.2 Alter, Familienstand und Ausbildung Auf Grundlage der detaillierten Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752 ist es möglich, neben der lokalen Herkunft auch Alter, Familienstand und Ausbildung eingehender zu betrachten. Bezüglich der Altersstruktur der gesamten Gardemannschaften ergibt sich ein deutliches Bild:805 Das Durchschnittsalter der Grenadiere lag bei 26½ Jahren, wobei weniger als die Hälfte (45,5 Prozent) aller Grenadiere unter 25 Jahre alt waren. Der Diensteintritt lag beim Großteil dieser Mannschaften weniger als ein Jahr zurück. Der jüngste registrierte Soldat war zum Zeitpunkt seiner Rekrutierung 15 Jahre alt. Er gehörte zur Gruppe der 15- bis 17-Jährigen, welche die jüngsten Soldaten stellte und insgesamt einen Anteil von etwa sechs Prozent ausmachte. An die jugendliche Altersklasse anschließend, zeigt sich erwartungsgemäß eine fallende Abstufung der Altersklassen bis hin zu den über Fünfzigjährigen. Zu den Letzteren gehörten lediglich sieben Grenadiere im Alter von 53 und 54 Jahren. 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Jugendlich Junges Alter Mittleres Hohes Alter (15–24) (25–34) Alter (50+) (35–49) Alter
Ledig
Verheiratet
Familienstand
Graphik 6: Alter und Familienstand der Gardemannschaften; Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752
805 Grundlage der Auswertung zur Altersstruktur bilden die Daten von 424 Grenadieren.
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Der Familienstand hängt eng mit der Altersstruktur zusammen.806 Die Grenadiere im jugendlichen und jungen Erwachsenenalter waren meistenteils ledig (66,74 Prozent). Tatsächlich stieg der Anteil verheirateter Soldaten erst ab der mittleren Altersgruppe merklich an. Von den insgesamt 160 verheirateten Grenadieren waren 28 kinderlos. Die verbleibenden 132 Soldaten hatten größtenteils ein Kind. Lediglich 46 Soldaten hatten zwei oder drei Kinder. In sechs Fällen waren sogar fünf Kinder zu versorgen. Insgesamt gehörten zu den 420 verzeichneten Grenadieren 160 Frauen und 262 Kinder. In der Gesamtschau vermitteln die Daten zu Altersstruktur und Familienstand den Eindruck einer Kontinuität der Rekrutierung. Tatsächlich zeigen sich aber bei differenzierter Betrachtung der einzelnen Werbeaktionen deutliche Unterschiede, welche auf Intention und Praxis der Rekrutenwerbung hinweisen. Eine solche Differenzierung wurde im Rahmen einer vergleichenden Auswertung der verschiedenen Mannschaftslisten erreicht und im unten stehenden Diagramm zusammengefasst. Die zur Verfügung stehenden detaillierten Mannschaftslisten der Grenadiergarde stehen in engem Zusammenhang mit drei verschiedenen größeren Werbeaktionen. Die erste Mannschaftsliste stammt vom März 1720 und enthält die angeworbenen Mannschaften der Jahre 1717 bis Anfang 1720. Es handelt sich hierbei um die sich über mehrere Jahre erstreckende erstmalige Anwerbung der Grenadiergarde. Die Liste des Jahres 1735 steht in Zusammenhang mit einer groß angelegten Werbeaktion Ernst Friedrichs II. in den Jahren 1730 bis 1734, die zum Ziel hatte, die reduzierte Gardemannschaft erneut auf ihren alten Stand zu bringen. Die dritte Mannschaftsliste findet sich am Ende einer überstürzt organisierten und rasch durchgeführten Werbeaktion in den Jahren 1750 und 1752. Zu diesem Zeitpunkt existierte in Sachsen-Hildburghausen keine Garde. Die Anwerbung stand vielmehr in Verbindung mit einem Subsidienkorps, welches Herzog Ernst Friedrich III. Carl in den Dienst der Vereinigten Niederlanden zu stellen beabsichtigte. Das Scheitern dieses Vorhabens führte zur erneuten Errichtung der hildburghäusischen Garde.
806 Grundlage der Auswertung zum Familienstand bilden die Daten von 481 Grenadieren.
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100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jugendlich Junges Alter (15–24) (25–34)
Mittleres Alter (35–49)
Hohes Alter Ausgebildet Nicht (50+) ausgebildet
Alter
Ausbildung
1720
1735
Ledig
Verheiratet
Familienstand
1752
Graphik 7: Alter, Ausbildung, Familienstand und Herkunft der Gardemannschaften; vergleichende Auswertung von Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752
Alle genannten Listen standen jeweils am Ende eines bestimmten Werbeunternehmens und dokumentierten somit den Werbeerfolg. Doch hier ergeben sich bei genauerer Betrachtung einige Diskrepanzen, die nähere Aufschlüsse über den Modus der verschiedenen Werbungen geben. Bezüglich der Altersklassen fällt zunächst auf, dass die Listen der Jahre 1720 und 1735 trotz gewisser Unterschiede (unter sechs Prozent) weitestgehend gleichförmige Werte zeigen. Alle Altersklassen waren hier vertreten. Beträchtliche Differenzen finden sich erst im Vergleich zu 1752. Hier überwog die Zahl der jungen Soldaten (80,2 Prozent) stark, wobei Soldaten des mittleren und hohen Alters kaum vertreten waren. Das Durchschnittsalter der Soldaten lag 1752 bei 22 Jahren und damit sieben Jahre unter jenem der Jahre 1720 und 1735. Damit korrespondierend war das Gros der Grenadiere in dieser Werbeaktion nicht ausgebildet und ledig. In den Jahren 1720 und 1735, in dem die Altersklassen ausgewogener verteilt waren, waren dagegen die meisten Soldaten ausgebildet und wesentlich häufiger verheiratet. Wenn man außerdem noch die Herkunft der Soldaten berücksichtigt, dann zeigt sich, dass 1735 (56,9 Prozent) wesentlich mehr Untertanen als 1752 (45,2 Prozent) vertreten waren. Für die Liste des Jahres 1720 ergeben sich noch niedrigere Werte (37,3 Prozent). Tatsächlich weist der Vergleich zwischen den verschiedenen Werbeaktionen einige bedeutende Unterschiede auf. Eine ganz besondere Diskrepanz ergibt sich zwischen den Jahren 1720 und 1735 einerseits und 1752 andererseits. Faktisch bestand zwischen diesen Werbeaktionen in fast jeder der untersuchten
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Kategorien ein signifikanter Unterschied, der die Frage nach den Ursachen eines solchen Ergebnisses aufwirft. Um diesen Sachverhalt zu klären, ist es zunächst notwendig, den Ursprung der drei Werbeaktionen darzulegen. Wie bereits weiter oben beschrieben, fand unter Herzog Ernst Friedrich II. von 1730 bis 1735 eine langsame Aufstockung der Gardemannschaften statt. Dieses Projekt ging ab 1734 in die Werbung zum Reichskontingent für den Polnischen Thronfolgekrieg über. Ernst Friedrich III. Carl hingegen beabsichtigte die Anwerbung eines Subsidienkorps für den Dienst in den Vereinigten Niederlanden. Erst nachdem die Verhandlungen gescheitert waren, ging man dazu über, die angeworbenen Truppen als Gardemannschaft zu formieren. In den unterschiedlichen Konzepten beider Aktionen liegt auch das unterschiedliche Werbeergebnis begründet. Die Mannschaftsliste des Jahres 1735 zeigt deutlich den Einfluss der Werbung für das Reichskontingent. Diese Aktion verzerrt den Blick auf die Gardemannschaften. Die Formierung eines Reichskontingents zog wesentlich stärker einheimische Männer an als die eines Subsidienkorps. Auch die 1735 wesentlich ausgewogenere Altersverteilung lässt sich mit Hinblick auf das Reichskontingent begründen: Hier meldeten sich auch zahlreiche ausgebildete und verheiratete Männer mit Kindern, um im Rahmen eines beschränkten Engagements Dienst zu tun und so die Familie zu unterhalten. Dass diese ursprünglich für das Reichskontingent geworbenen Soldaten im Jahre 1735 auf der Mannschaftsliste der Garde auftauchten, steht in Zusammenhang mit der Tatsache, dass für das Reichskontingent zwar geworben wurde, dieses aber nicht ins Feld ausmarschierte. Dennoch empfingen die Soldaten Handgeld und kapitulierten in der Regel über zwei Jahre. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass man die Soldaten – unabhängig davon, ob das Reichskontingent Dienst tat oder nicht – als Rekruten der Garde behielt bzw. ihnen den vorzeitigen Abschied versagte. Man hätte damit einen beträchtlichen Werbeerfolg für die Garde erzielt und konnte alle weiteren Werbungen umgehend einstellen. Die Umstände der Werbung in den Jahren 1750 bis 1752 unterschieden sich davon maßgeblich, da hier für ein Subsidienkorps geworben wurde. Die anzuwerbenden Rekruten erwartete ein unsicheres Schicksal sowie eine ungewisse Heimkehr. In noch größerem Maße als beim Reichskontingent meldeten sich bei der Garde und dem Subsidienkorps zahlreiche junge Soldaten: Das Durchschnittsalter lag hier lediglich bei 22 Jahren. Diese Männer, die größtenteils keine berufliche Ausbildung durchlaufen hatten und meist familiär ungebunden waren, suchten im Rahmen des Militärs nach einer Alternative, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Grundsätzlich gilt, dass Soldaten ohne berufliche Ausbildung wesentlich früher in den Militärdienst traten als jene mit abgeschlossener Ausbildung.
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Von den Gardegrenadieren in Sachsen-Hildburghausen gab etwa die Hälfte (49,8 Prozent) an, eine Ausbildung absolviert zu haben. Das folgende Diagramm verdeutlicht die Berufsverteilung der Gardemannschaften.807 Die Daten wurden nach verarbeiteten Rohstoffen in textil-, leder-, holz-, stein-/ton- und metallverarbeitende Gewerbe gegliedert. 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
Graphik 8: Berufsverteilung unter den Gardemannschaften; Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752
Der bei weitem größte Anteil (35,8 Prozent) der Gardegrenadiere gab an, eine Ausbildung in der Textilverarbeitung durchlaufen zu haben. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Befund, dass mehr als die Hälfte der handwerklich tätigen Menschen in der Frühen Neuzeit im Textil- und Bekleidungsgewerbe beschäftigt war.808 Insgesamt waren Schneider und Leinweber unter den hildburghäusischen Soldaten am häufigsten vertreten. Dies hing vor allem damit zusammen, dass der Arbeitsmarkt für Schneider und Leinweber sehr eng war. Gleichzeitig gehörten beide Berufe zu den ärmsten Gewerben dieser Zeit.809 Nur etwa die Hälfte aller Schneidermeister konnte es sich leisten, einen Gesellen oder Lehrling zu beschäftigten. Nach abgeschlossener Ausbildung ge807 Grundlage der Auswertung zur Berufsverteilung bilden die Daten von 227 Grenadieren. 808 Wilfried REININGHAUS, Gewerbe in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 3), München 1990, S. 6 u. 23 f. 809 Ebd., S. 32.
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rieten daher zahlreiche Gesellen in eine schwierige Situation, die vielfach durch den Militärdienst überbrückt wurde. Eine ähnliche Feststellung dürfte auch für die anderen Berufsgruppen zutreffen. Gegenüber der prekären Situation im textil- und lebensmittelverarbeitenden Gewerbe erscheint die Situation der Metallverarbeitung in Sachsen-Hildburghausen auffällig. Obwohl Eisenhämmer und das Schmiedehandwerk im Fürstentum verbreitet waren,810 gaben lediglich 3,8 Prozent der Grenadiere an, eine Ausbildung als Schmied absolviert zu haben. Tatsächlich gestaltete sich die Metallverarbeitung wesentlich rentabler als das Textilgewerbe.811 Auch waren zur Betreibung eines Eisenhammers mehr Arbeitskräfte notwendig. In den kleinräumigen Gebirgsgegenden Sachsen-Hildburghausens waren aufgrund familiärer Verflechtungen bereits seit dem 17. Jahrhundert Schmiededynastien etabliert, die einträglich wirtschafteten.812 Auch im hessischen Schmalkalden oder in den ehemals hennebergischen Gebieten florierte im 18. Jahrhundert die Metallverarbeitung.813 Aufgrund der relativ guten wirtschaftlichen Situation waren diese Handwerker nicht gezwungen, auf den Militärdienst auszuweichen. Unter der Kategorie „Andere“ wurden in oben stehendem Diagramm verschiedene Berufe zusammengefasst, die Einzelfälle darstellten und keinem rohstoffverarbeitenden Gewerbe zugeordnet werden konnten. Dabei handelte es sich um Perückenmacher, Buchdrucker und Uhrmacher. Diese Berufe, die hauptsächlich eine gehobene soziale Schicht versorgten, hatten einen Anteil von 5,8 Prozent an den hildburghäusischen Grenadiermannschaften. Die betreffenden Personen kamen fast ausschließlich aus größeren Städten oder arbeiteten in Hildburghausen. Die Residenzstadt mit ihrer gehobenen Klientel bot für die Ausübung derartiger Gewerbe gute Voraussetzungen. Dennoch behielt Hildburghausen seinen kleinstädtischen Charakter, und spezialisierte Handwerker blieben stets von der Nachfrage der höfischen Gesellschaft abhängig. Neben den verschiedenen Handwerkergruppen fanden sich noch Barbiere, Bader, Musikanten und Studenten, die zusammen einen Anteil von etwa 7,4 Prozent an den hildburghäusischen Gardegrenadieren ausmachten.
810 Dies war besonders im Amt Eisfeld, das an den Thüringer Wald grenzte, der Fall. Zu Standorten verschiedener Eisenhämmer vgl. DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 473 f.; HEYN, Geschichte des unteren Bibertales, S. 28 f.; HEINZ, Mühlen und Hämmer im Schleusegebiet, S. 40 f. 811 REININGHAUS, Gewerbe in der Frühen Neuzeit, S. 18. 812 HEYN, Geschichte des unteren Bibertales, S. 67 f. 813 REININGHAUS, Gewerbe in der Frühen Neuzeit, S. 21; Günther WÖLFING, Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön, Hildburghausen 1992, S. 82.
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4.4.2.3 Körpergröße Die Körpergröße eines Rekruten stellte neben dem Alter eines der wesentlichsten Anwerbekriterien dar. Dies hatte zum einen pragmatische Gründe, da für das Laden einer Muskete eine Mindestgröße erforderlich war und größere Soldaten auch mit dem Bajonett weiter ausgreifen konnten.814 Zudem war man der Ansicht, dass großgewachsene Männer über eine gesündere Konstitution verfügten und damit belastbarer seien. Auch die Lineartaktik, deren präzise Ausführung erst durch synchrone Bewegungsabläufe möglich wurde, erforderte möglichst geringe Größendifferenzen unter den Soldaten. Um geeignete Rekruten anzuwerben, wurden in zahlreichen Armeen des 18. Jahrhunderts Mindestgrößen etabliert. Darüber hinaus zeigte sich aber auch eine Vorliebe für besonders großgewachsene Soldaten, die sich weniger pragmatisch begründen lässt. Vielmehr handelte es sich dabei um einen Aspekt der Repräsentation, auf den vor allem im Rahmen der Anwerbung von Gardetruppen besonderer Wert gelegt wurde. Auf den Mannschaftslisten der hildburghäusischen Garde zeigt sich die Bedeutung der Körpergröße am Vorhandensein gesonderter Spalten, die mit „Fuß“, „Zoll“ und „Strich“ bezeichnet wurden. Zwar besaß in Sachsen-Hildburghausen gemeinhin der Nürnberger Fuß Gültigkeit,815 doch wurde im Militär mit dem Pariser Fuß gemessen.816 Im Fürstentum achtete man bereits unter Ernst Friedrich I. auf die Größe der Gardesoldaten und erweckte damit auch den Neid der bisweilen im Grenzgebiet operierenden preußischen Werber. Diese versuchten unter Zuhilfenahme fadenscheiniger Mittel gezielt die großgewachsenen hildburghäusischen Gardesoldaten abzuwerben. Im Jahre 1723 wurde über den preußischen Werbeoffizier Ichteritz berichtet, er „thäte es dem Hertzog zum Tordt, weiln Er die langen Grenadier auch annehme“.817 Gesonderte Aufzeichnungen über die Größe der Soldaten begannen aber erst unter der Regierung von Herzog Ernst Friedrich III. Carl im Jahre 1750. Zunächst erfasste man die Mannschaften der Garde, später aber auch die zu
814 James TANNER, History of the Study of Human Growth, Cambridge 1981, S. 98 f. 815 Handelsalmanach oder Übersicht des in den verschiedenen Ländern der Erde wissenswürdigsten für den Handel, Weimar 1838, S. 314. Darüber hinaus herrschte aber dennoch eine allgemeine Verworrenheit bezüglich der Gewichts- und Maßeinheiten, HESS, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 184 f. 816 Ein Pariser Fuß = 32,5 Zentimeter, 1 Zoll = 2,7 Zentimeter, 1 Strich = 0,23 Zentimeter. Auch in Braunschweig wurde im 18. Jahrhundert mit dem Pariser Fuß gemessen, vgl. HUCK, Soldaten gegen Nordamerika, S. 119. 817 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 4r.
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den Reichskriegen formierten Kontingente.818 Die umfassendste Quelle zu den Körpergrößen der Gardesoldaten stellt die Mannschaftsliste des Jahres 1752 dar. Wie bereits oben dargelegt, waren in dieser Liste hauptsächlich junge Männer unter 25 Jahren erfasst, deren körperliches Wachstum zum Zeitpunkt der Erfassung aber bereits weitestgehend abgeschlossen gewesen sein dürfte. Darüber hinaus existieren lückenhaftere Aufzeichnungen zur Körpergröße ausgewählter Gardesoldaten, die im Jahre 1771 – nach Auflösung der Grenadiergarde – an preußische Werber abgegeben wurden.819 Die folgende Auswertung konzentriert sich auf die Erfassung der Gardemannschaften der Jahre 1750 bis 1752, wie sie sich in der Mannschaftsliste des Jahres 1752 zeigt.820 Demzufolge hatten die hildburghäusischen Gardegrenadiere eine Durchschnittsgröße von 172,46 Zentimetern.821 Der kleinste Soldat verfügte über eine Körpergröße von lediglich 163 Zentimetern. Demgegenüber hatte der größte Soldat der Mannschaftsliste, der Dreißigjährige Korporal Johann Ernst Koch aus Schleusingen, ein Maß von 184,8 Zentimetern. Der größte jemals in Sachsen-Hildburghausen erfasste Gardegrenadier war der 18jährige Johann Martin Reinhard aus Hildburghausen, der 1771 an preußische Werber abgegeben wurde. Für seine Größe von 192,5 Zentimetern empfing Reinhard ein preußisches Handgeld in Höhe von einhundert Reichstaler.822 Der Großteil der erfassten Soldaten verfügte dagegen über eine Größe von 168 bis 176 Zentimetern. Die Ergebnisse zur Körpergröße der hildburghäusischen Soldaten können nur durch einen Vergleich mit anderen deutschen und europäischen Territorien Aussagekraft erlangen. Die wissenschaftliche Untersuchung der menschlichen Körpergröße, die Auxologie, wurde bereits seit dem 19. Jahrhundert praktiziert.823 Zu diesem Zeitpunkt stellte man einen mittlerweile bewiesenen Zusammenhang zwischen dem Wachstum und der Ernährung eines Menschen her. Es folgten zahlreiche Studien zu größeren Populationen, und auch Historiker beschäftigten sich zusehends mit der menschlichen Körpergröße vergangener Jahrhunderte.824
818 Die Mannschaften des Reichskontingents im Ersten Koalitionskrieg wurden 1795 mit ihren Körpergrößen erfasst, vgl. ThStAM, Regimentskommando Meiningen, 58. 819 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 20. 820 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061. 821 Grundlage der Auswertung zur Körpergröße bilden die Daten von 81 Grenadieren. 822 ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 362, fol. 11r. 823 Roderick FLOUD, Wirtschaftliche und soziale Einflüsse auf die Körpergröße von Europäern seit 1750, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1985/2, S. 95 f. 824 John KOMLOS, Height and Social Status in Eighteenth-Century Germany, in: The Journal of Interdisciplinary History 20/4 (1990), S. 609 f.
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Mannschaftszahl
20
15
10
5
0
1" 2" 3" 4" 5" 6" 8" unter 1" (165,2) (>167,9) (>170,6) (>173,3) (>176) (>178,7) (>184,1) Maß in Zoll über 5 Pariser Fuß (und Zentimenter) Graphik 9: Körpergröße der Gardemannschaften, Eintrittsjahr 1750–1752
Als Hauptquelle dienten hierbei die Aufzeichnungen verschiedener europäischer Streitkräfte, für die ähnlich wie in Sachsen-Hildburghausen die Körpergröße der Soldaten aufgezeichnet wurde. Tatsächlich stellen militärische Musterungs- und Mannschaftslisten die einzige Quelle zur Körpergröße der Menschen des 18. Jahrhunderts dar.825 Im Hinblick auf die Einordnung der hildburghäusischen Ergebnisse ist zunächst auf die methodische Unsicherheit eines solchen Vergleichs hinzuweisen. Wenn auch der Großteil der eruierten Vergleichsdaten aus dem militärischen Bereich stammt, so muss dennoch konstatiert werden, dass sich die Werbemethoden sowie die Ansprüche an die Rekruten von Territorium zu Territorium unterschieden. Es kann somit keine homogene Vergleichsbasis erwartet werden, sondern lediglich die allgemeine Aussage, ob die hildburghäusischen Gardegrenadiere im zeitgenössischen Körpergrößenvergleich tendenziell größer oder kleiner gewachsen waren. Während die Gardegrenadiere in Sachsen-Hildburghausen eine Durchschnittsgröße von etwa 172,5 Zentimeter aufwiesen, schwankten die Größen von habsburgischen Rekruten in Niederösterreich und Galizien zwischen 166
825 Roderick FLOUD, Height, Health and History: Nutritional Status in the United Kingdom 1750–1980 (= Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time, Bd. 9), Cambridge 1990, S. 30 f.
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und 168 Zentimetern.826 Auch andernorts, beispielsweise in Schweden und England, wurden kongruente Ergebnisse errechnet.827 Auf dem Gebiet des Reiches zeigt sich – möglicherweise durch eine stärker größenselektive Werbemethode – ein davon leicht unterschiedenes Resultat: In Kursachsen hatten die Soldaten des Infanterieregiments „Prinz Xaver“ eine Durchschnittsgröße von etwa 173 Zentimetern,828 braunschweigische Soldaten, die als Subsidientruppen in die amerikanischen Kolonien geschickt wurden, eine Durchschnittsgröße von 175 Zentimetern.829 Friedrich Schiller, der in jungen Jahren eine militärische Ausbildung an der Hohen Karlsschule in Stuttgart genoss, erreichte mit 21 Jahren sogar eine Körpergröße von 179 Zentimetern.830 Damit fügen sich die hildburghäusischen Grenadiere in den zeitgenössischen Rahmen ein. Aufgrund der vergleichsweise geringen Mannschaftsstärke und der damit einhergehenden stärkeren Selektion bei der Gardetruppe waren die hildburghäusischen Grenadiere tendenziell größer als Soldaten anderer europäischer Staaten. Innerhalb der deutschen Territorien, in denen auf die Größe der Soldaten besonderer Wert gelegt wurde, sind sie hingegen als eher durchschnittlich anzusehen und stachen nicht deutlich hervor. 4.4.2.4 Analyse der Anwerbungsmotivation Auf formaler Ebene wurde in den vorangegangenen Kapiteln zwischen freiwilliger und gewaltsamer Rekrutenwerbung unterschieden. Im Hinblick auf den Handlungsspielraum des einzelnen Soldaten muss der Begriff der Freiwilligkeit stark relativiert werden. Tatsächlich handelte es sich nur um eine vermeintliche Freiwilligkeit, und der größte Teil der hildburghäusischen Gardegrenadiere gelangte in den Militärdienst, weil diese durch die jeweilige Lebenssituation dazu gezwungen wurden.831 Ein in den Quellen fortwährend auftauchendes und noch näher zu beleuchtendes Motiv war die finanzielle 826 DERS., Ernährung und Wirtschaftsentwicklung unter Maria Theresia und Josef II. Eine anthropometrische Geschichte der Industriellen Revolution in der Habsburgermonarchie, St. Katharinen 1994, S. 50. 827 Lars SANDBERG, Richard STECKEL, Heights and Economic History: The Swedish Case, in: Annals of Human Biology 14/2 (1987), S. 104 bezieht sich auf schwedische Miliztruppen; Stephen NICHOLAS, Richard STECKEL, Heights and Living Standards of English Workers During the Early Years of Industrialization, 1770–1815, in: The Journal of Economic History 51/4 (1991), S. 945 f. 828 KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 167. 829 HUCK, Soldaten gegen Nordamerika, S. 119. 830 Wilhelm THEOPOLD, Über Schillers körperliches Wachstum, in: Medizinhistorisches Journal 23 (1988), S. 98. 831 Sikora konstatiert, dass sich ein Großteil der Soldaten für den Militärdienst entschied, „weil ihnen buchstäblich nichts anderes übrig blieb“, SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 219.
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Absicherung.832 Es handelte sich dabei um ein Zentralmotiv, welches nahezu alle Grenadiere betraf. Darauf aufbauend sind in der Forschung diverse Motivgruppen erschlossen worden, deren Übergänge sich durchaus fließend darstellen.833 Hier finden sich zum einen junge Männer, die als abenteuerlustig, neugierig oder unwissend beschrieben wurden und sich daher anwerben ließen. Eine weitere Gruppe stellen Personen in extremer Notsituation dar. Hierzu gehörten Männer, die keine Verdienstmöglichkeit fanden, sowie entlaufene Knechte und Lehrlinge, gelegentlich auch Straftäter. Eine dritte Gruppe empfand den Militärdienst als attraktiven Lebensweg mit finanzieller Absicherung und damit als Alternative zu einem handwerklichen Beruf. Die für SachsenHildburghausen eruierten Daten decken jeden der genannten Bereiche ab. Sie können die persönlichen Umstände der Rekruten eingehender beleuchten und präzisieren. Allgemein gilt, dass sich die meisten Grenadiere im zivilen Leben in angespannten Lebens- und Notsituationen befanden, die sie zu beenden suchten. Im Folgenden werden zunächst die jugendlichen Rekruten im Alter von 15 bis 24 Jahren näher betrachtet. Bei ihnen handelt es sich um eine höchst inhomogene Gruppe von Menschen, die sich – ohne längere Zeit im zivilen Leben gestanden zu haben – zum Militär anwerben ließ. Wahrscheinlich beinhalten diese Biographien bereits in jungen Jahren gemachte negative Lebenserfahrungen, welche den späteren Schritt zum Militärdienst leichter fallen ließen. Dabei ist vor allem die Ausbildungssituation der Lehrlinge im 18. Jahrhundert zu berücksichtigen. Grundsätzlich galt, dass eine Ausbildung bei einem Lehrmeister ab dem 14. Lebensjahr angetreten werden konnte.834 Der Abschluss der Ausbildung erfolgte meist nach drei bis vier Jahren.835 Während dieser Zeit waren zahlreiche Lehrlinge gewaltsamen Übergriffen ihrer Meister ausgesetzt und lebten in einer ständig angespannten Situation; dies umso mehr, da sie im Haus des Meisters wohnten und Letzterer die Bestimmungsgewalt über alle Bewohner hatte.836 Dieser Zustand gestaltete sich für einige Lehrlinge als unhaltbar, sodass sie flohen und anderswo ein Auskommen suchten. Das Militär bot hier eine günstige Alternative und konnte 832 REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2, S. 186 konstatiert dies ebenfalls. 833 PRÖVE, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft, S. 19 f. 834 Richard v. DÜLMEN, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, Bd. 1: Das Haus und seine Menschen, 16.–18. Jahrhundert, München ³1999, S. 122; Francois LEBRUN, Der Priester, der Fürst und die Familie, in: André BURGUIERE, Christiana KLAPISCH-ZUBER (Hg.), Geschichte der Familie, Bd. 3: Die Neuzeit, Frankfurt 1997, S. 193 f. 835 Ewald SCHMITT, Leben im 18. Jahrhundert. Herrschaft – Gesellschaft – Kultur – Religion – Wirtschaft. Dokumentiert und dargestellt anhand von Akzidenzdrucken der Wagnerschen Druckerei in Ulm, Konstanz 1987, S. 206. 836 KUCZYNSKI, Geschichte des Alltags des deutschen Volkes, Bd. 2, S. 208 f.
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zudem Schutz vor der zivilen Gerichtsbarkeit bieten. Der 19-jährige Grenadier Andreas Wickler aus Dittersdorf im Hochstift Würzburg hatte „das Metzgerhandwerck zu Seßlach lernen sollen, sey aber, da er noch ein halb Jahr zu lernen gehabt, aus der Lehr gegangen“.837 Der 23-jährige Grenadier Johann Christoph Schuchart stand über ein Jahr bei dem Gellershäuser Rohrmüller Hans Stang in der Lehre, als dieser ihn anwies, eine größere Kornmenge zu berechnen, als tatsächlich gemahlen wurde. Als Schuchart sich weigerte, wurde er „darwegen mit Schlägen tractiret“.838 Er erwiderte anschließend: „wenn er stehlen wollte, brauchte er kein Handwerck zu lernen“.839 Auch wesentlich jüngere Lehrlinge als Wickler oder Schuchart verließen vor Abschluss ihrer Ausbildung den Meister und begannen militärische Karrieren: Der aus Merseburg stammende Johann Christian Bensicke entlief im Alter von 15 Jahren seinem Meister, bei dem er eine Strumpfwirkerlehre begonnen hatte, und begab sich in kursächsische Militärdienste. Hier verblieb der junge Mann dreieinhalb Jahre, bevor man ihn 1751 in Hildburghausen für drei Jahre zur Grenadiergarde anwarb.840 Ein ähnlicher Fall findet sich beim 16-jährigen Grenadier Daniel Hoffmann aus Schleusingen, der ebenfalls 1751 in Hildburghausen angeworben wurde und bei dieser Gelegenheit angab, bereits sieben Monate in würzburgischen Militärdiensten gestanden zu haben.841 Der jüngste je in Sachsen-Hildburghausen angeworbene Rekrut war der 15-jährige August Franz Wilhelm Beyram aus Meiningen, der nie eine Lehre antrat und seit Juni 1751 als Pfeifer bei der Grenadiergarde diente.842 Besonders für jene sehr jungen Soldaten, die den Militärdienst als Zuflucht begriffen, konnte sich die Zeit nach der Anwerbung ebenso schwierig wie bei ihrem ehemaligen Lehrmeister gestalten. In den Mannschaftslisten der Jahre 1735 und 1752 finden sich insgesamt 24 Grenadiere im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, von denen neun binnen kürzester Zeit desertierten. Unter ihnen befand sich auch der bereits genannte Daniel Hoffmann, der nach weniger als drei Monaten bei der Garde desertierte. Ein anschauliches Beispiel, welches die angesprochenen Aspekte von Rekrutenwerbung, Jugend und fehlenden Verdienstmöglichkeiten vereint, findet sich im Fall des 18-jährigen Grenadiers Johann Ernst Fromann aus Rodach. Dieser hatte das Schneiderhandwerk erlernt und ließ sich ursprünglich im März 1734 unter das Reichskontingent des Polnischen Thronfolgekrieges 837 838 839 840 841 842
ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 1v. Ebd., fol. 7v. Ebd. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061, fol. 7v. Ebd., fol. 6v. Ebd., fol. 1v.
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anwerben.843 Als dieses nicht ausmarschierte, wurde er in die Grenadiergarde übernommen. Hier desertierte er Anfang 1735 und begab sich außer Landes nach Schmalkalden, wo er über vier Wochen lang versuchte, als Schneider ein Auskommen zu finden. Aber „weiln er keine Kundtschafft gehabt, [sei er] nicht fortkommen, sondern [habe] wieder Dienste nehmen müßen“.844 Fromann folgte der Werbung Hessen-Kassels, begab sich in Hirschfeld unter das Infanterieregiment „Prinz Maximilian“ und nahm mit diesem am Polnischen Thronfolgekrieg teil. Nach Kriegsende nahm Fromann in Eschwege Urlaub und begab sich zu seinen Eltern nach Rodach. Hier erinnerte er sich, dass er vor mehr als einem Jahr aus Hildburghausen desertiert war. Wenig später ließ sich Fromann durch einen Bekannten beim Leutnant Schöppach anmelden, der ihm die vage Antwort gab, er solle nur erscheinen. Fromann folgte der Weisung, die sich wenig später als List herausstellte. Der junge Mann wurde am Eisfelder Tor in Hildburghausen von Grenadieren gefangen genommen und in Arrest gesetzt. Obwohl der Ausgang der Sache unbekannt bleibt, zeigt der Fall des jungen Fromann, wie sich junge Männer aufgrund wirtschaftlicher Notsituationen wiederholt zum Militärdienst entschlossen. Das Verhältnis zwischen freiwilliger Anwerbung und späterer Desertion sowie erneuter Anwerbung aus wirtschaftlichen Gründen deutet auf den ambivalenten Sachverhalt einer „erzwungenen Freiwilligkeit“ hin. Ungezwungener gestaltete sich das Verhältnis einer weiteren Gruppe junger Männer zum Militärdienst. Dabei handelte es sich um die Gruppe der Studenten. Darunter fielen junge Männer, deren „Profession“ in den Mannschaftslisten des hildburghäusischen Militärs als „studiosus“ oder „Student“ angegeben ist. Im Allgemeinen waren Studenten in zahlreichen Territorien des Alten Reiches eximiert, d. h. von der militärischen Werbung ausgeschlossen.845 Tatsächlich aber fanden besonders in den größeren Universitätsstädten des Reiches ausgedehnte, teilweise sogar gewaltsame Werbungen statt.846 Dies verschlechterte das Verhältnis zwischen Militär und Studentenschaft zusehends. Da in Universitätsstädten zudem des Öfteren Garnisonstruppen lagen, kam es hier vermehrt zu öffentlichen Tumulten zwischen Soldaten und Studenten.847 In Sachsen-Hildburghausen existierte keine universitäre Einrich843 844 845 846
ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735. ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 26.6.1736, fol. 1v. ROSENBERG, Soldatenwerbung und militärisches Durchzugsrecht, S. 132. Stefan BRÜDERMANN, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert (= Göttinger Universitätsschriften, Bd. 15), Göttingen 1990, S. 292 f. 847 Johann David MICHAELIS, Raisonnement über die protestantischen Universitäten in Deutschland, Bd. 4, Leipzig 1776, S. 464 f. sowie BRÜDERMANN, Göttinger Studenten, S. 277 f., 281 u. 284, hier besonders am Beispiel der Universitätsstädte Göttingen und Halle.
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tung, sodass derartige Konflikte hier nicht auftraten. Im Fürstentum wurden zudem Exemtionen nicht praktiziert, sodass sich prinzipiell jeder anwerben lassen konnte bzw. anwerbbar war. In den Mannschaftslisten finden sich insgesamt fünf Studenten. Wie bereits erwähnt, war die militärische Anwerbung von Studenten kein ungewöhnlicher Fall. Universitäten waren ein Sammelbecken für junge Menschen, die nicht zuletzt aufgrund ihres zügellosen Lebenswandels des Öfteren in Finanznot gerieten.848 In dieser Situation unterbrachen Studenten häufig ihr Studium und verließen die Universität, um andernorts ihr Auskommen zu suchen. Dabei legten sie gelegentlich – ähnlich den Handwerksgesellen – große Distanzen innerhalb des Reiches zurück. Die Studenten im hildburghäusischen Militär stammten allerdings alle aus der Umgebung des Fürstentums. Als Herkunftsorte finden sich Meiningen, Königsberg, Gotha, das Eichsfeld und Melkendorf bei Kulmbach. Als Motive der Studenten, sich anwerben zu lassen, können Verschuldung, Abenteuerlust, die Suche nach etwas Neuem sowie die Hoffnung nach schnellerem beruflichen Aufstieg ausgemacht werden.849 Sie verfügten gemeinhin über gute Schreib-, Lese- und Rechenfertigkeiten und waren daher besonders gut für Verwaltungsaufgaben innerhalb des Militärs sowie für den Unteroffiziersdienst geeignet: Der 22-jährige Student Johann Christian Göbel aus Meiningen trat im Jahre 1750 in die hildburghäusische Garde ein und wurde innerhalb eines halben Jahres zum Korporal befördert.850 Im folgenden Jahr findet man ihn bereits im Rang eines Feldwebels. Derart zügige Beförderungen waren für Mannschaften höchst ungewöhnlich und betrafen vornehmlich Studenten. Ein ähnlicher Karriereverlauf lässt sich auch bei Amandus Abraham Credener, einem aus Gotha gebürtigen „iuris studiosus“ nachweisen.851 Credener trat 1730 im Alter von 22 Jahren in die hildburghäusische Grenadiergarde ein. Binnen kürzester Zeit stieg auch er zum Unteroffizier auf und wurde 1735 sogar zum Fourier befördert. Credeners militärische Karriere erreichte aber erst mit der Beförderung zum Leutnant im Jahre 1751 ihren Höhepunkt.
848 Ulrike DENK, Alltag zwischen Studieren und Betteln. Die Kodrei Goldberg, ein studentisches Armenhaus an der Universität Wien in der Frühen Neuzeit (= Schriften des Archivs der Universität Wien, Bd. 16), Wien 2013, S. 97–100 gibt eine allgemeingültige Typologie der frühneuzeitlichen Studenten. 849 Die genannten Motive sind gehäuft in zeitgenössischen Lebensbeschreibungen anzutreffen; so beispielsweise bei Friedrich Christian LAUKHARD, Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge, Bd. 2, Halle 1792, S. 233 f. sowie bei Begebenheiten etlicher Soldaten, Bd. 2, Quedlinburg ²1765, S. 27 f. 850 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061, fol. 1v. 851 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735, fol. 1v.
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Andersartige Karriereverläufe zeichnen sich bei Handgeldjägern ab. Diese befanden sich stets auf der Suche nach Abwechslung und neuen Erlebnissen und versuchten diese Erfahrungen mit finanziellem Profit zu verbinden. Auch unter der Grenadiergarde in Sachsen-Hildburghausen ließen sich solche Soldaten häufiger antreffen. Der Grenadier Andreas Wickler sagte 1723 zu seinem Kameraden Johann Röder, „sie wären beyde junge Leuthe und könnten bey die Preußen ein schön Stück Handgeld bekommen“.852 Derselbe Wickler war zwei Jahre zuvor einer von drei Grenadieren, welche sich zum Ziel gesetzt hatten, zu desertieren und in Ansbach preußisches Handgeld zu empfangen.853 Weiterhin fanden sich im Militär Sachsen-Hildburghausens zahlreiche Männer mittleren Alters, die sich aufgrund von persönlichen Notsituationen zum Militärdienst entschieden. Diese konnten sowohl finanzieller als auch rechtlicher Natur sein. Neben entlaufenen Lehrlingen zählten hierzu Tagelöhner, die nur saisonal in der Landwirtschaft beschäftigt waren, sowie Väter, die sich um die Versorgung ihrer Familie bemühten. Vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich bei der Schlosswache/Grenadiergarde und in den Reichskontingenten zahlreiche verheiratete Soldaten. In der Mannschaftsliste des Jahres 1735 stellten sie einen Anteil von etwa 41 Prozent. Es handelte sich hierbei zum größten Teil um Väter, die aufgrund der materiellen Not ihrer Familien den Militärdienst suchten. Zu Letzteren gehörte auch Christoph Reg, der mehr als ein Jahrzehnt in kursächsischen Diensten stand und sich 1700 zur Hildburghäuser Schlosswache anwerben ließ. Später findet sich Reg im Reichskontingent des Spanischen Erbfolgekrieges und er nahm am Feldzug des Jahres 1703 teil. Nach der Niederlage der Reichsarmee in der ersten Schlacht bei Hochstädt geriet Reg in französische Kriegsgefangenschaft und verstarb im Herbst 1703 in Ulm an einer Krankheit. Über Regs Schicksal informiert ein Schreiben seiner Ehefrau an Herzog Ernst, in dem auch auf die Gründe der Anwerbung zur Hildburghäuser Schlosswache eingegangen wird. Hier schrieb die Frau: „[dass] er sich, üm mich sein Weib und 4 noch unerzogene arme Kinder desto leichter zu versorgen, sich wiederrumb zu Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht Fürstlichen Schloß-Garde begeben [hat]“.854 Aus ähnlichen Motiven heraus entschloss sich der ledige Handwerksgeselle Johann Röder aus Käßlitz im Jahre 1723 zum Militärdienst. Röder verfügte über eine abgeschlossene Handwerksausbildung als Salpetersieder, fand jedoch keine feste Anstellung. Nach der Ausbildung verlief Röders Leben daher äußerst unstet. Zunächst arbeitete er auf der fürstlichen Stuterei in Seidingstadt, später als Aushilfe beim Seidingstädter Wirt, ohne jedoch an einer
852 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 5r. 853 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721. 854 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 160r.
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Stelle dauerhaft zu verweilen.855 Aus dieser prekären Situation heraus entschied sich auch Röder für den Militärdienst, der zumindest ein bescheidenes geregeltes Einkommen versprach. Neue Rekruten gaben zum Zeitpunkt der Anwerbung stets Auskunft über bereits geleistete Kriegsdienste. Etwa 29 Prozent der Soldaten in der Mannschaftsliste des Jahres 1752 gaben an, bereits vorher in Kriegsdiensten gestanden zu haben. Die Zuverlässigkeit dieser Information konnte allerdings von mehreren Faktoren beeinflusst werden: Zum einen besteht die Möglichkeit, dass Rekruten vorherige Militärdienste erfanden, ohne diese tatsächlich geleistet zu haben. Eine Überprüfung der Angaben war nicht möglich. Falschangaben bezweckten, durch vorgetäuschte Erfahrung ein höheres Handgeld einzustreichen. Andererseits lassen geleistete Kriegsdienste – besonders die sehr kurzfristigen – nicht zwingend auf Erfahrung und Zuverlässigkeit schließen. Vielmehr könnte es sich in diesem Fall um die bereits thematisierten Handgeldjäger gehandelt haben. Beim weitaus größten Teil der Rekruten, die Kriegsdienste geleistet hatten, erstreckten sich diese jedoch über Zeiträume von zwei bis acht Jahren. Auch die Desertionsrate dieser Gruppe lag unter jener der gesamten Garde, sodass es sich hier offenbar tatsächlich um diensterfahrene Soldaten handelte.856 Als vorherige Dienstherren der nach Sachsen-Hildburghausen gekommenen Soldaten finden sich neben dem Fürstbischof von Würzburg und den Kurfürsten von Bayern und Sachsen auch die Könige von Preußen, Frankreich und Sardinien-Piemont. So diente der in Hildburghausen geborene und als Schneider ausgebildete Johann Wolfgang Fischer acht Jahre lang dem König von Sardinien-Piemont während des Österreichischen Erbfolgekrieges und darüber hinaus. Erst 1751 kehrte Fischer in seine Geburtsstadt zurück und trat in die hiesige Grenadiergarde ein.857 Für zahlreiche Soldaten, die ihr Leben an den Militärdienst banden, stellte der Dienst in Hildburghausen lediglich eine von vielen Stationen dar. Besonders deutlich zeigte sich dies im Jahre 1724, als die Garde du Corps komplett aufgelöst, die Grenadiergarde aber um die Hälfte reduziert wurde. Damit einhergehend wurden binnen kürzester Zeit zwischen 100 und 120 Mann aus dem Dienst entlassen, die nun gezwungen waren, sich nach einer neuen Tätigkeit umzusehen. Ein Teil der entlassenen Soldaten – eine genaue Quantifizierung ist nicht möglich – begab sich andernorts erneut in Militärdienste. Dies geschah meist unter Vermittlung der Herzogin Sophia Albertine, an die sich bereits kurz nach der beschlossenen Reduzierung einige deutsche Höfe mit der Bitte um Vermitt855 Vgl. Röders Fall bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 37. 856 Die Desertionsrate der Gardegrenadiere im Jahre 1751 lag bei 20 Prozent, jene der kriegserfahrenen Soldaten bei 17 Prozent. 857 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2061, fol. 6r.
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lung wandten. Eine erhaltene Liste von vermittelten Soldaten der Garde du Corps gibt Aufschluss über deren zukünftige Dienstherren:858 Der größte Teil dieser Soldaten wurde in Stuttgart in württembergische Dienste übernommen, andere kamen in hessische Territorien, aber auch nach Sachsen-Weimar und Würzburg. Einer von ihnen war Jacob Sommer aus Meeder, der vormals als Trompeter bei der Garde du Corps seinen Dienst versehen hatte. Im Mai 1724 wandte sich Sommer mit folgenden Worten an Herzogin Sophia Albertine: „Wiewohl nun bey den jetzigen unvermutheten und fatalen Veränderungen nicht wohl zu sehen, auf was Weiße [ich] wieder in Eurer Hochfürstliche Durchlaucht selbsteigene Dienste gelangen könnte […] und nachdem mir dannenhero kund geworden, daß bey Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht Prinz Max von Hannover,859 welche sich unter dem Titel eines Obristen von einem keyserlichen Regiment zu Wien aufhalten, […] eine Condition vor mich zu hoffen seyn dürffte, als habe […] üm förderliche Ausliefferung eines gnädigsten Recommendations-Schreibens […] hierdurch inständigst imploriren wollen […].“860 Der Bitte wurde stattgegeben, und kurz darauf verabschiedete sich Sommer nach Wien. Nur wenige Tage später erschien ein Wachtmeister des preußischen Kürassierregiments „Erbprinz v. Anhalt-Dessau“ vor der Herzogin. Er fungierte als Überbringer einer Nachricht des Herzogs von SachsenEisenach. Dieser hatte bereits von der Auflösung der Garde du Corps gehört, und da „die reducirte Reuter zweifelsohne nach andern Diensten sich umthun werden“,861 bot man an, diese als preußische Kürassiere anzunehmen. Es handelte sich dabei nur um eine von zahlreichen Möglichkeiten, als dienstwilliger Soldat ein Auskommen zu finden. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Soldaten war das gesamte 18. Jahrhundert hindurch innerhalb des Reiches konstant hoch. Daher ist es wenig verwunderlich, dass auch im Jahre 1771 ein Großteil der entlassenen hildburghäusischen Grenadiere in preußische Dienste übernommen wurde.862 Der Militärdienst konnte zuweilen auch Zufluchtsort vor rechtlicher Verfolgung sein. Ein solcher Fall ereignete sich im Jahre 1731, als Caspar Büttner aus Hellingen seinen Vater mit Fäusten schlug und anschließend vom Amt Heldburg in Gewahrsam genommen wurde. Herzog Ernst Friedrich II. befahl daraufhin: „Ob Wir nun wohl denselben zu gebührenden Strafe zu ziehen Ursache hätten, so wollen Wir doch […] denselben dahin pardonniren, daß wenn er sich alhier 858 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 499 f. 859 Prinz Maximilian Wilhelm v. Braunschweig-Lüneburg (1666–1726), kaiserliche Feldmarschall und Obrist eines kaiserlichen Kürassierregiments (1693–1726). 860 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 506r. 861 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 516r. 862 Vgl. ThStAM, Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen, 20.
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freywillig stellen und Dienste unter Unsere Grenadier-Guarde nehmen wird, ihme sodann die wohlverdiente Strafe in Gnaden erlaßen, wiedrigenfalls aber [diese] jeder Zeit wider ihn vorbehalten bleibt.“863 Tatsächlich ging Büttner auf den Straferlass ein, nahm als Gemeiner Dienst in der Grenadiergarde und befand sich noch im Jahre 1735 bei der Einheit.864 Dass daneben ungewöhnlichere Fälle existierten, soll das nachfolgende Beispiel abschließend illustrieren. Das Militär war in Einzelfällen auch Zufluchtsort unbescholtener Bürger- und Bauernsöhne vor unliebsamer fremder Werbung. Im Jahre 1752 warben auf dem Gebiet des Fürstentums sowohl die hildburghäusische Garde als auch preußische Truppen. Im März schrieb Herzog Ernst Friedrich III. Carl an den Eisfelder Amtmann Johann Georg Habermann: „Bey Uns hat des Glaßmeister [David] Schmid[t]s zu Fehrenbach Eheweib unterthänigst nachgesuchet, daß man ihre beyde Söhne, umb sie vor denen Nachstellung derer Preußischen Werber in Sicherheit zu bringen, unter das neue Garde Bataillon auf- und annehmen mögte.“865 Der Bitte der Mutter sollte von Amts wegen möglichst stattgegeben werden, vorher aber die Freiwilligkeit der Söhne im persönlichen Gespräch geprüft werden.866 Tatsächlich stellte sich etwa eine Woche später heraus, dass die mütterliche Fürsorge dem Sohn wohl etwas zu weit ging. Im persönlichen Gespräch ließ der Sohn verlauten, „wasmaßen er niemalen Lust zum Soldatenleben gehabt, dahero bitten wollte ihn auch dermahlen damit zu verschonen. Wann aber Serenissimus clementissimus ihn unter das Landregiment haben wollten, so wäre er darzu alle Stunde unterthänigst erböthig, hoffe aber auch gnädigsten Schutz gegen die preußischen Werber zu geniessen.“867 Der Sohn argumentierte an dieser Stelle höchst geschickt: Er erkannte zwar das Militär als Zufluchtsort vor den preußischen Werbern, schränkte aber seine Dienstwilligkeit ein. Die Anwerbung als Gardegrenadier hätte eine Kapitulation mit festgesetzter Dienstzeit erfordert. Der Grenadier war Berufssoldat und vollständig dem Gehorsam der Offiziere verpflichtet sowie den Kriegsartikeln unterworfen. Dies ging dem Sohn in seinem Unwillen, Militärdienst zu leisten, offensichtlich zu weit. Als wesentlich praktikablere Lösung empfand er den Dienst im Landregiment. Der Eintritt in das Landregiment erforderte keine weitreichenden vertraglichen Bestimmungen und 863 864 865 866
ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 20.1.1731, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Mannschaftsliste der Garde 1735. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 27.3.1752, fol. 1r. „Als begehren Wir hiermit gnädigst, Ihr wollet dieselben sogleich nach Empfang dieses vor Euch bescheiden und ihrer Erklärung, ob sie bey Unseren Bataillon Dienste zu nehmen willens sind, ihnen abfordern und falls sie sich darzu geneiget bezeigen, dieselbe sogleich durch Überbringern dieses dem Unterofficier Göbel anhero senden“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 27.3.1752, fol. 1r. 867 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 3.4.1752, fol. 1r.
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brachte vergleichsweise wenige Verpflichtungen mit sich – gleichzeitig gewährte er obrigkeitlichen Schutz. Der Herzog konnte dadurch nichts gewinnen: Der Sohn der Schmidt’schen Eheleute wäre mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin früher oder später zum Dienst im Landregiment angehalten worden, sodass man von herrschaftlicher Seite aus versuchte, ihn zur Garde zu werben. Alle Vorschläge des Sohnes nützten nichts – die Angst vor den preußischen Werbern war offensichtlich zu groß. Der Sohn ließ sich wenige Tage später als Grenadier zur Garde anwerben. 4.4.3 Die Lebenswelt der Gardetruppen in Sachsen-Hildburghausen 4.4.3.1 Besoldung, Sachleistungen und Nebenerwerb Einen der wichtigsten Aspekte im Rahmen der militärischen Lebenswelt stellten die Einkünfte der gemeinen Soldaten und Unteroffiziere dar. Ihre Untersuchung ermöglicht Schlussfolgerungen über das militärische Leben des 18. Jahrhunderts. Sie gewährt Einblicke in zeitgenössische Handlungsspielräume, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation der Soldaten standen. Die Einnahmen der Unteroffiziere und gemeinen Soldaten im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen lassen sich zunächst in drei Gruppen gliedern: die Besoldung, die verschiedenen Sachleistungen und den Nebenerwerb des Soldaten bzw. seiner Familie. Die Besoldung stellte eine auf den Monat berechnete und alle zehn Tage in Teilen ausgezahlte Geldsumme dar. In Sachsen-Hildburghausen wurde die dreimal monatlich partiell ausgezahlte Besoldung als „Wochengeld“ bezeichnet.868 Man favorisierte diesen Auszahlungsmodus, da sich mehrfach gezeigt hatte, dass die Soldaten mit dem komplett ausgezahlten Monatssold nicht haushalten konnten und zahlreiche Soldaten ihr Geld bereits nach wenigen Tagen verspielten oder vertranken. Im 18. Jahrhundert empfahlen Militärtheoretiker daher, die Soldauszahlung in Intervallen innerhalb eines Monats vorzunehmen.869 Zur Auszahlung des Wochengeldes erschienen alle Gardesoldaten vor dem Quartier des Hauptmanns, der mit dem Kompanieschreiber an einem 868 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Wachreglement 1733, fol. 5r., Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 58, Leipzig 1748, Sp. 14 f. sowie Johann Christian LÜNIG, Corpus Iuris Militaris des Heiligen Römischen Reichs, worinn das Kriegs-Recht sowol der Römischen Kaiserlichen Majestät, als auch desselben Reichs und dessen Creisse insgemein, ingleichen aller Churfürsten und derer mächtigsten Fürsten und Stände in Teutschland insonderheit, enthalten ist, Leipzig 1723, S. 1398. 869 FLEMING, Der vollkommene teutsche Soldat, S. 427 sowie Johann Ernst v. BEUST, Observationes Militares oder Kriegs-Anmerckungen, Bd. 2, Gotha 1745, S. 351 f.
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Tisch saß. Es folgte ein genau reglementierter und eingespielter Ablauf, der sich dreimal monatlich wiederholte: Die Grenadiere sollten sich „alda Mann vor Mann bey den Zahlungs Tisch mit geschulterten Gewehr stellen, […] bis von den Com.[mandanten] das Geld zu nehmen befohlen wird […]. Bey Einnahme des Geldtes nimbt der Mann das Gewehr beym Fuß, bringt das Gewehr in linken Arm, so daß die Kolbe auf der Erden und der Lauff in linken Arm ruhe […] und [wird das Gewehr] nach deßen [des Offiziers] Befehl verkehrt geschultert und wie der Mann abgefertiget, marchirt er nach Hauß.“870 Verschuldeten Soldaten wurde das Wochengeld nicht in voller Höhe ausgezahlt, sondern der geschuldete Betrag zurückbehalten, um diesen an die Gläubiger abzuführen. In solchen Fällen wurde aber nicht mehr als die Hälfte des Wochengeldes einbehalten, um die Soldaten nicht zur Kriminalität zu verleiten.871 Einzelne Soldaten nutzten den Tag der Wochengeldauszahlung zudem zur Desertion. Die vorliegenden Daten zu Desertionen zeigen, dass die Soldaten meist am letzten bzw. ersten Tag eines Monats sowie wenige Tage nach den Wochengeldauszahlungen desertierten. Im Hinblick darauf teilte auch der Deserteur Lorenz Grätz zwei seiner Kameraden mit: „Er gienge nicht eher fort, als biß Er erst seine Löhnung hätte denn Er wollte […] die fünff Tag nicht umsonst gedient haben, er bliebe nachdem keine Stundt mehr […].“872 Die Höhe der Besoldung bei den hildburghäusischen Garden unterschied sich nicht nur nach den jeweiligen Dienstgraden teilweise beträchtlich. Sie war im Allgemeinen bei der Garde du Corps, die ihren Dienst als prestigeträchtigere fürstliche Leibgarde im Schloss versah, wesentlich höher angesetzt als bei der Grenadiergarde. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Besoldungsstufen nach Dienstgraden sowie deren Entwicklung während des Bestehens der Garden: Grenadiergarde Feldwebel Sergeant Korporal
1717 6 fl. 30 xr. 5 fl. 12 xr. 3 fl. 54 xr.
1719/20 Vakant 6 fl. 4 fl. 24 xr.
Tambour/Hautboist
3 fl.
3 fl. 24 xr.
Querpfeifer
2 fl. 36 xr.
3 fl. 24 xr.
Gemeine
2 fl. 36 xr.
3 fl. 24 xr.
1733 Vakant 4 fl. 48 xr. 3 fl. 19 xr. 12 d. 2 fl. 43 xr. 1 hl. 2 fl. 43 xr. 1 hl. 2 fl. 24 xr.
870 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Wachreglement 1733, fol. 5–6. 871 Ebd., fol. 5v. 872 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 12r.
1755/60 5 fl. Vakant 4 fl. 3 fl. 3 fl. 3 fl.
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1717 Vakant 13 fl. 13 fl. Vakant 10 fl. 24 xr.
1719/20 14 fl. 24 xr. 12 fl. 12 fl. 14 fl. 24 xr. 10 fl. 24 xr.
Tabelle 8: Monatliche Besoldung von Unteroffizieren und Gemeinen der Garden, 1717–1755/60. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 35, 39, 43 u. 46; die verschiedenen Münzsorten wurden zur besseren Übersicht in Gulden (fl.), Kreuzer (xr.), Pfennig (d.) und Heller (hl.) vereinheitlicht
Ein gemeiner Soldat der Grenadiergarde erhielt kurz nach 1717 monatlich 2 Gulden und 36 Kreuzer. In den nächsten Jahren erfolgte unter Ernst Friedrich I. angesichts der wachsenden Bedeutung der Grenadiergarde eine langsame Steigerung der Besoldung. Nach der Reduzierung der Grenadiergarde und besonders unter der strengen Regierung Ernst Friedrichs II. fand eine bedeutende Verminderung der Besoldung statt. Mit der erneuten Errichtung der Grenadiergarde in den Jahren 1750/51 und der damit in Verbindung stehenden zügigen Anwerbung wurden vorhergehende Kürzungen zurückgenommen, ohne jedoch erneut das Besoldungsniveau unter Ernst Friedrich I. zu erreichen. Die wesentlich kürzere Geschichte der Garde du Corps lässt derart langfristige Vergleiche nicht zu. Die Besoldung dieser Truppe lag drei- bis viermal über jener der Grenadiergarde. Zwar war es allgemein üblich, berittenen Truppen deutlich mehr als der Infanterie zu zahlen,873 doch die Besoldung für einen gemeinen Reiter der hildburghäusischen Garde du Corps überstieg mit 10 Gulden und 24 Kreuzer selbst den Sold anderer zeitgenössischer Gardetruppen bei weitem. Im lokalen Vergleich erhielt ein Reiter der Garde du Corps einen nahezu doppelt so hohen Sold wie ein Unteroffizier der Grenadiergarde. Bei der in obiger Übersicht dargestellten monatlichen Besoldung der Gardetruppen handelt es sich um die tatsächlich den Soldaten ausgezahlten Geldbeträge. Verschiedene Abzüge von der monatlichen Besoldung, wie man sie in zahlreichen Territorialstaaten des Reiches antraf,874 existierten in Sachsen-Hildburghausen nicht. Leistungen wie Brot-, Montierungs- und Quartiergeld wurden hier nicht über die Soldaten abgewickelt. Diese Leistungen – jährlich etwa 17 Gulden pro Soldat – wurden in Sachsen-Hildburghausen aus der Landschaftskasse beglichen. Das auf diese Weise zur Verfügung stehende Geld wurde während der Regierungszeit Ernst Friedrichs I. im Rahmen von 873 REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2, S. 238. 874 KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 278; PRÖVE, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft, S. 135; MUTH, Flucht aus dem militärischen Alltag, S. 54.
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Lieferantenverträgen mit Hoffaktoren eingesetzt und so wurde die Verpflegung und Montierung der Truppe sichergestellt. Ein im Januar 1719 mit dem hildburghäusischen Hoffaktor Simon Moyses geschlossener dreijähriger Vertrag verpflichtete diesen zu Brot- und Uniformlieferungen:875 Danach wurden den Unteroffizieren und gemeinen Soldaten alle vier Tage zwei Pfund Kommissbrot ausgegeben. Ebenso versprach der Lieferant, die jährlich zu ersetzende kleine Montur für jeweils vier Gulden pro Mann komplett zu liefern. Die Soldaten hatten keine finanziellen Einbußen im Zusammenhang mit den Lieferantenverträgen hinzunehmen und waren lediglich Leistungsempfänger. Neben Brot- und Uniformlieferungen stellte die Einquartierung die dritte und wichtigste Sachleistung für die Gardesoldaten dar. Während unter Herzog Ernst Friedrich I. die Einquartierung mit einem jährlichen Quartiergeld von vier Gulden veranschlagt wurde, zeigte sich Ernst Friedrich II. auch hier sparsam und moderierte die Summe auf drei Gulden. Dies hatte auf die Soldaten zunächst wenig Auswirkung, da sie auch hier mit dem Quartiergeld meist nicht in Kontakt kamen. Empfänger waren die Quartierwirte, die damit von staatlicher Seite aus für die Unterbringung eines Soldaten entschädigt wurden.876 War der Soldat mit dem Quartier nicht zufrieden bzw. war es ihm aufgrund einer großen Familie nicht möglich, das Quartier zu beziehen,877 bestand die Möglichkeit einer Auszahlung des Quartiergeldes vom Quartierwirt an den Soldaten. Letzterer begab sich dann selbständig auf die Suche nach einem geeigneteren Quartier. Soldaten der Garde du Corps erhielten – unter Berücksichtigung der hohen Besoldung – kein Quartiergeld. Auf dieser Grundlage lässt sich das effektive Jahreseinkommen eines gemeinen Grenadiers mittels nachfolgender Übersicht darstellen:878 Bezüge Besoldung Quartiergeld Brotgeld Montierungsgeld Gesamt
Im Monat 2 fl. 24 xr. 15 xr. 36 xr. 48 xr. 4 fl. 3 xr.
Im Jahr 28 fl. 48 xr. 3 fl. 7 fl. 12 xr. 9 fl. 36 xr. 48 fl. 36 xr.
Tabelle 9: Monatliches Einkommen eines gemeinen Grenadiers, 1733
875 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 169c/3844, 20.1.1719. 876 Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 30, Leipzig 1741, Sp. 104; Eckart KUTSCHE, Kriegsbild, Wehrverfassung und Wehrwesen in der Deutschen Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts dargestellt an Zedlers Großem Universallexikon, Univ. Diss. Freiburg 1975, S. 292. 877 In Sachsen-Hildburghausen stand verheirateten Soldaten kein erhöhtes Quartiergeld zu. 878 Von diesem Jahreseinkommen wurde lediglich die Besoldung bar ausgezahlt.
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Im unten stehenden Diagramm wird das Jahreseinkommen eines gemeinen Grenadiers in der Regierungszeit Ernst Friedrichs II. mit anderen zeitgenössischen Jahreseinkommen verglichen.879 Im Rahmen der ausgewählten Daten rangiert der hildburghäusische Grenadier im Mittelfeld und suggeriert damit zunächst ein moderates Einkommen. Tatsächlich gehörten die gemeinen Soldaten des Militärs in Sachsen-Hildburghausen – wie auch des Militärs in anderen Reichsterritorien des 18. Jahrhunderts – zur Gruppe der Geringverdiener und können in sozialgeschichtlicher Hinsicht der gesellschaftlichen Unterschicht zugeordnet werden:880 Ein Tagelöhner in Preußen oder ein württembergischer Leinweber verdiente deutlich mehr als ein gemeiner Soldat in Sachsen-Hildburghausen. Noch wesentlich dramatischer würde sich die Einkommenssituation der Soldaten ohne die verschiedenen Sachleistungen gestalten. Eine Mietzahlung bzw. die Instandhaltung der vergleichsweise teuren Arbeitskleidung wäre mit der regulären Besoldung unmöglich gewesen. In diesem hypothetischen Fall würde ein Soldat nur wenig mehr als ein kurhannoverscher Bäckergeselle verdient haben. Ferner geht aus dem Diagramm ein Sachverhalt hervor, der für die militärische Sozialgeschichte des 18. Jahrhunderts wesentlich ist. Er steht in Zusammenhang mit dem Befund, dass sich vorrangig ungelernte junge Männer als Soldaten anwerben ließen: Tatsächlich nämlich war die Besoldung eines Soldaten – inklusive aller Sachleistungen – wesentlich attraktiver als die geringe Vergütung einer Handwerkslehre. Nachteilig wirkte sich freilich die Tatsache aus, dass die Besoldung der Soldaten nicht der langfristigen Steigerung der Lebensmittelpreise angepasst wurde.881
879 Die nicht auf Sachsen-Hildburghausen bezogenen Daten stammen aus: MUTH, Flucht aus dem militärischen Alltag, S. 59; Reinhold REITH, Lohn und Leistung. Lohnformen im Gewerbe 1450–1900 (= Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 151), Stuttgart 1999, S. 416; Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, München 42006, S. 196. 880 Wolfgang HIPPEL, Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte in der Frühen Neuzeit, Bd. 34), München 2013, S. 28 f. 881 In Kurhannover und Kursachsen fanden vereinzelte und teilweise Anhebungen statt, die jedoch die angespannte Situation nicht beseitigen konnten, vgl. PRÖVE, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft, S. 137; KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 279.
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Obrist (S.-Hildburghausen) Fechtmeister (S.-Hildburghausen) Tagelöhner (Preußen) Leinweber (Württemberg) Gem. Grenadier (S.-Hildburghausen)
Kanzleidiener (S.-Hildburghausen) Landarbeiter (Kurbayern) Amtsstadtschreiber (Würzburg) Gerichtsvogt (Augsburg) Bäckergeselle (Kurhannover)
0
100
200
300
400
500
Jahreseinkommen in Gulden Graphik 10: Zivile und militärische Jahreseinkommen im Vergleich, 1730–1735
Für den Zeitraum von 1719 bis 1733 ergab sich für Sachsen-Hildburghausen nicht nur ein Ausbleiben von Solderhöhungen, sondern vielmehr eine drastische Kürzung. Die ab den 1750er Jahren gewährte moderate Besoldung von drei Gulden für einen gemeinen Soldaten stand indes in keiner Relation zur Preissteigerung der vorangegangenen Jahre. Auch gilt es zu bedenken, dass in dieser Zeit keine Lieferantenverträge abgeschlossen wurden und sich die Soldaten selbst mit Brot verpflegen mussten. War der Soldat durch die bislang getätigten Brotlieferungen unabhängig von regionalen Getreide- bzw. Brotpreissteigerungen gewesen, beeinträchtigte dies nun ebenfalls die geringe Besoldung. Anhand der folgenden Übersicht, die einen möglichen Warenkorb eines hildburghäusischen Grenadiers um 1765 darstellt, können die finanziellen Verhältnisse der gemeinen Soldaten illustriert werden:882
882 Der Einkauf wurde auf die Bedürfnisse eines Grenadiers mit Ehefrau und kleinem Kind hin berechnet. Obst und Gemüse etc. blieben aufgrund zweifelhafter Quellenlage in der Übersicht außen vor.
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Produkt Acht Pfund Schweinefleisch Sechs Pfund Rindfleisch Ein Achtel Hafer Fünfzehn Pfund Roggenbrot Zehn Maß Bier Fünf Maß Milch Drei Pfund Butter Zehn Eier Acht Bratwürste Summe
Preis 42 xr. 25 xr. 2 d. 28 xr. 25 xr. 3 d. 17 xr. 2 d. 8 xr. 3 d. 26 xr. 1 d. 4 xr. 1 d. 8 d. 3 fl.
Tabelle 10: Mögliche monatliche Einkäufe eines Gardegrenadiers auf dem Hildburghäuser Markt, 1765. Auf Grundlage von: Hildburghäusische Wöchentliche Anzeigen, Jg. 1766
Die genannten Einkäufe entsprechen dem Mindestbedarf eines Soldaten mit Ehefrau und Kind und sind tendenziell eher knapp bemessen. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die monatliche Besoldung um 1765 die entstehenden Lebenshaltungskosten nicht zu decken vermochte. Von staatlicher Seite aus war dies durchaus intendiert: Ohne dass es in einem Reglement explizit erfasst wäre, bevorzugte man in Sachsen-Hildburghausen um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Anwerbung von alleinstehenden Soldaten, da Soldatenfrauen in dem Ruf standen, mitunter zu Zwistigkeiten in den Quartieren Anlass zu geben. Für einen allein lebenden Soldaten war es durchaus, möglich von der monatlichen Besoldung zu leben – auch ohne Nebenerwerb. Aber auch in diesem Fall waren strenge Disziplin und Sparsamkeit erforderlich. Um die finanzielle Situation etwas zu entspannen, gingen Soldaten in zahlreichen Armeen des 18. Jahrhunderts Nebenerwerbstätigkeiten nach.883 Auch in Sachsen-Hildburghausen lassen sich derartige Formen des Zuverdienstes ausmachen, wenn auch in weitaus geringerem Maße als andernorts. Die nachweisbaren Nebentätigkeiten fanden meist im militärischen Umfeld statt bzw. wurden über dieses vermittelt. Ein vom Soldaten vor der Anwerbung erlernter Beruf konnte sich hier vorteilhaft auswirken. Als das Militär im Rahmen der Erneuerung der kleinen Montur im Jahre 1735 mehr als zweihundert Ellen gebleichtes Leinentuch einkaufte, waren die Grenadiere Johann Nicolaus Müller und Johann Heinrich Stötzinger für die Weiterverarbeitung verantwortlich. Beide hatten das Schneiderhandwerk erlernt und fertigten aus dem Leinentuch etwa 290 Gamaschen, wofür jeder eine Vergütung in Höhe 883 KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 283 ff.; PRÖVE: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft, S. 253 f.; LORENZ, Das Rad der Gewalt, S. 257.
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von acht bis elf Gulden erhielt.884 Darüber hinaus wurden den Soldaten der Garde des Öfteren auch Schuster- und Riemerarbeiten übertragen. Die Offiziere handelten dabei auch aus Eigennutz heraus, denn die nebenerwerbliche Vergütung der Soldaten lag deutlich unter einer vergleichbaren Handwerkerbezahlung. Alle dokumentierten Nebentätigkeiten, die Soldaten für die Garde ausführten, stellten jedoch lediglich Gelegenheitsarbeiten dar. Die Kompanierechnungen weisen aus, dass der Großteil der Instandhaltungsarbeiten an den Monturen nach wie vor von zivilen Handwerkern ausgeführt wurde.885 Einen weiteren über das Militär vermittelten, aber ebenso unregelmäßigen Nebenerwerb stellte das sogenannte Anbringgeld dar. Diese in SachsenHildburghausen nur zu besonderen Werbezeiten gewährte Auszahlung erhielten Soldaten der Grenadiergarde von ihren Offizieren, falls es diesen gelang, einen Zivilisten zum Militärdienst zu bewegen. In Zeiten verstärkter Werbung konnten die Soldaten auf diese Weise einen geringen Zuverdienst erlangen. Die Höhe des Anbringgeldes variierte stark, lag allgemein aber nur zwischen 10 und 25 Kreuzer pro Soldat. Obwohl man die freiwillige Anwerbung favorisierte, kann davon ausgegangen werden, dass Gardesoldaten im Hinblick auf das Anbringgeld in einigen Fällen auch mit List und Gewalt vorgingen. Detaillierte Fallbeispiele lassen sich jedoch in der archivalischen Überlieferung nicht auffinden, sodass die Auszahlung des Anbringgeldes wohl nur höchst sporadisch praktiziert wurde. Wie gezeigt unterlagen die Höhe der Besoldung sowie die Einkünfte aus Nebenerwerb Schwankungen, die hauptsächlich mit der finanziellen Verfassung des Territoriums in Verbindung standen. Die bereits unter Ernst Friedrich I. stark zunehmende Verschuldung des Fürstentums spitzte sich unter Ernst Friedrich II. weiter zu, und im Gardereglement dieser Zeit findet sich erstmals der Passus: „Und ob es sich zutrüge, daß aus erheblichen Ursachen der Monaths Sold nicht eben auf den Tag bezahlet werde, so soll niemand darum einigen Aufruhr erwecken oder sich unterstehen, seine Officiers zur Zahlung zu zwingen, sondern zufrieden seyn, biß das Geldt kommt und unterdeßen alles thun, was einen redlichen Soldaten geziemet […].“886 Zwanzig Jahre später hatte sich die Situation weiter verschlechtert, und unter Herzog Ernst Friedrich III. Carl blieb die Besoldung sogar über mehrere Wochen aus. Dies wirkte sich auf die gemeinen Soldaten besonders dras-
884 ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, Kompanierechnung 1735. 885 Vgl. die enthaltenen Kompanierechnungen von 1733 bis 1737 bei: ThStAM, GA Hbn, XXII, 43, 47 und 48. 886 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733, fol. 4r. Diese Geduld war eine allgemeine Tugend, die den Soldaten auch in anderen Reichsterritorien abverlangt wurde, vgl. BEUST, Observationes Militares, Bd. 2, S. 349.
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tisch aus, wovon vor allem die zahlreichen überlieferten Suppliken Zeugnis ablegen.887 Besoldung in Kreuzer
500 400 300 200 100
Kursachsen
Preußen
Sachsen-Weimar
Kurpfalz
Sachsen-Hildburghausen
Kurbayern
Kurhannover
England
Frankreich
Kurbayern
Kursachsen
Kurpfalz
1715/1720
Sachsen-Hildburghausen
Preußen
Venedig
England
Frankreich
0
1750/1760
Graphik 11: Vergleichende Betrachtung ausgewählter Monatsbesoldungen (1715/20; 1750/60) inklusive Brotgeld
4.4.3.2 Familie und Ehe Familie, Ehe und Freundschaft spielten auch im Leben der hildburghäusischen Gardegrenadiere eine tragende Rolle. Das Quellenmaterial erlaubt vielfach Rückschlüsse auf das Verhältnis der Soldaten zu ihren Familien. Hier ist zunächst eine grundlegende Unterscheidung notwendig: Mehr als zwei Drittel aller Mannschaften der Garde waren ledigen Standes und hatten noch keine eigene Familie gegründet. Die meist noch jungen Soldaten wurden im Rahmen ihrer familiären Konstellation als „Söhne“ betrachtet. Im Gegensatz dazu standen verheiratete Soldaten, die bereits Kinder zu versorgen hatten und primär als „Väter“ anzusehen sind. Es handelte sich hierbei um verschiedene situationsbedingte Perspektiven auf die Familie bzw. aus dieser heraus.
887 Suppliken der gemeinen Soldaten und Offiziere finden sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 46.
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Für die Gruppe der Söhne spielte die Familie eine zentrale Rolle. Dies galt in besonderem Maße für die zahlreichen jungen Grenadiere, die aus SachsenHildburghausen oder den angrenzenden Gebieten stammten. Die Familie befand sich hier stets in Reichweite und konnte bei Problemen unterstützend wirken. Im Rahmen einer solchen Unterstützung befanden sich die Eltern – gelegentlich aber auch Brüder oder Schwestern – in der Rolle eines Schuldenzahlers, Leumunds oder Bittstellers. Als Fürbitter traten Familienmitglieder besonders oft im Rahmen einer Desertion des Angehörigen auf.888 Deserteure befanden sich nach dem Verlassen des Dienstes oft schnell in einer finanziell ausweglosen Lage. In dieser konnte lediglich die Bande der Familie einigen Halt geben. Tatsächlich kehrten die meisten hildburghäusischen Deserteure nach gescheiterten Vorhaben schnell in den Kreis der Familie zurück. Da bereits die Zeitgenossen über dieses Wissen verfügten, konnten heimgekehrte Deserteure leicht aufgegriffen werden. Der aus Hildburghausen desertierte und wenig später unverhofft aus preußischen Diensten entlassene Grenadier Johann Röder war 1723 völlig ratlos hinsichtlich seines weiteren Schicksals.889 Während Röder an der Landesgrenze umherirrte, erwartete ihn in Hildburghausen eine harte Strafe. In Ausweglosigkeit und steter Unsicherheit gefangen, begab sich Röder zu seinem Bruder, der in Sachsen-Coburg lebte, und beriet mit diesem das weitere Vorgehen. Eine glückliche Konstellation schien dem Grenadier einen Ausweg zu verheißen: Röders Schwester war Dienstmagd beim hildburghäusischen Gardeleutnant Schulz. Sie sollte bei diesem nun in Erfahrung bringen, wie es um den Bruder stehe. Doch sie kam zu spät, denn der Name des Deserteurs war bereits an den Galgen geschlagen worden. Andere Fälle zeichnen ein ähnliches Bild. Der desertierte Grenadier Johann Erhardt Röhring gab 1723 zu Protokoll: „Ja, er habe seine Eltern hierauf auf die Vestung [Heldburg] zu schicken in willens gehabt und vor sich wollen bitten laßen […].“890 Ähnlich ließ auch der desertierte Grenadier Johann Ernst Fromann verlauten, der „sich vorgenommen einen bekandten Mann herein zu schicken und sich wieder selbst melden zulaßen“.891 Der im Jahre 1731 desertierte Grenadier Rose ließ sich wenig später durch seine beiden Kinder Andreas und Elisabetha anmelden und um Gnade nachsuchen. Auch dieses Gesuch wurde abgelehnt, doch konnte sich Rose mit Hilfe des begüterten Coburger Kaufmanns Johann Heinrich Karche freikau-
888 Zu verschiedenen Arten anderweitiger familiärer Unterstützung für Deserteure vgl. SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 158 f. 889 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1713. 890 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 3r. 891 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 20.6.1736, fol. 2r.
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fen.892 Dass Familienmitglieder im Rahmen von Desertionen, Strafandrohungen oder Verurteilungen beim hildburghäusischen Militär als Bittsteller vorstellig wurden, war keine Ausnahme. Vielmehr handelte es sich hier um einen wiederholt praktizierten Modus, der sich ähnlich auch in anderen Territorien des Reiches abgespielt hatte. Während sich desertierte Soldaten von ihren Familienangehörigen anmelden ließen bzw. von diesen dazu überredet wurden, wieder in den Dienst zurückzukehren, gestaltete sich nicht jedes Verhältnis eines jungen Soldaten zu seinen Eltern völlig konfliktfrei oder war dem Militär zuträglich. Vielmehr konnten Familienangehörige auch negativ auf den Soldaten einwirken. Dies zeigt eine markante Desertion, deren Versuchung in vielen Bereichen des militärischen Lebens allgegenwärtig war. So empfing der Grenadier Andreas Wickler mehrere Briefe von seinem Stiefvater, der beabsichtigte, ihn zur Desertion zu verleiten. Der Stiefvater arbeitete mit preußischen Werbern zusammen und übersandte Wickler sogar ein preußisches Maßband, um auch andere Kameraden von der Desertion zu überzeugen.893 Erstaunlicherweise war der Stiefvater mit diesem Vorgehen erfolgreich, auch wenn Wickler wenig später wieder aufgegriffen wurde. Ebenso nachteilig für das Militär, wenn auch legaler, wirkten die Eltern des Grenadiers Röhring. Dieser entschied sich nach kurzer beruflicher Tätigkeit für den Militärdienst, „seine Eltern aber hätten ihn, ohnerachtet Er gern geblieben, mit Gewalt [los]gekauft“.894 Nach dem erzwungenen Abschied aus dem Militärdienst konnte Röhring im zivilen Berufsleben keinen Fuß fassen und entschied sich nach kurzer Zeit erneut und gegen den Willen der Eltern zur Anwerbung. Das Verhältnis zwischen Eltern und Sohn wurde dadurch nachhaltig belastet. Als es 1723 auf dem Kirchweihfest zu Gemünda zu einem Streit mit seinen Eltern kam, drohte Röhring sogar, diese „krumm und lahm zu hauen“.895 Ein gegenteiliges Beispiel lieferte der Grenadier Johann Nicolaus Koch aus Königsee in Schwarzburg-Rudolstadt. Koch wollte nach mehr als fünfjähriger Dienstzeit den Militärdienst aus familiären Gründen verlassen, da er aufgrund des „ietzige[n] harte[n] Zustand[s] meines noch lebenden alten kräncklichen 892 Die Ablehnung des Gnadengesuchs lautet: „Von Gottes Gnaden Ernst Friedrich II., Herzog zu Sachsen, etc. Denen beeden Geschwistern Andreas und Elisabethen Rosen von Unter-Siemau wird auf ihr unterm 27ten passato wegen Recipirung ihres von der allhiesigen Grenadier Guarde desertirten Vaters zur Resolution ertheilet: Daß weiln ihr Vater sich freywillig habe anwerben, nachgehends aber boßhaffter und pflichtvergeßener Weiße desertirt wäre, ihrem Petito nicht deferiret werden könnte, sondern wenn gedachter ihr Vater binnen dato und einem Monath sich nicht wiederum bey der Compagnie stellen und darnach der Kriegs-Disciplin gemäß Strafe erwartten würde, alsofort sein Nahme an die Justiz geschlagen werden sollte. Wornach sich also zu achten. Hildburghausen den 3. Marty 1731“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, 3.3.1731, fol. 1r. 893 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 5r. 894 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 1v. 895 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, Rapport vom 30.4.1723.
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Vater[s]“896 dazu gezwungen sei. Kochs Vater lebte noch in Königsee und wurde dort von fremden Leuten nur unzureichend gepflegt. Koch berichtete dem Herzog, wie sein Vater ihn gebeten habe, „ihm in seinen itzigen Zustand doch als sein eintziges Kind noch an die Hand zu gehen, trage dannenhero ein sonderliches Bedencken meinen verlaßenen Vatter in seinen elenden Zustand trostloß liegen zu laßen, welcher sich auch ziemblich umb mich bemühen müßen, ehe ich in so weit erzogen und ernehret worden“.897 Gegen ein geringes Abschiedsgeld wurde der Grenadier Koch schließlich aus dem Militärdienst entlassen. Koch, der vor seiner Militärzeit den Schneiderberuf erlernt hatte, war Familienvater mit Frau und Kind. Sein Heimatort Königsee fiel im Juni 1717 einer Feuersbrunst zum Opfer, die mehr als 250 Häuser zerstörte.898 Auch die Familie Koch samt Vater verlor bei diesem Unglück ihren Besitz. Koch, zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt und völlig besitzlos, begab sich wenige Wochen nach dem Großbrand in Königsee mit Frau und Kind nach Hildburghausen und ließ sich hier unter die Grenadiergarde anwerben. Möglicherweise lockte hier das geringe, aber regelmäßige Einkommen. Bevor nämlich Koch die Verantwortung für seinen kranken Vater übernahm, war er bereits als Familienvater für die Versorgung von Frau und Kind verantwortlich. Nach seinem Eintritt in die hildburghäusische Grenadiergarde gehörte Koch damit zu den durchschnittlich etwa 33 Prozent der Mannschaften, die verheiratet waren.899 Etwa ein Fünftel dieser Männer hatte darüber hinaus noch ein oder mehrere Kinder zu versorgen. Es kann konstatiert werden, dass sich das Verhältnis der Väter zu ihren Familien ähnlich ambivalent gestaltete, wie dies bereits für das Verhältnis der Söhne zu den Eltern festgestellt wurde. Tatsächlich scheinen sich zahlreiche Familienväter im zivilen Leben in einer prekären Lebenssituation befunden zu haben, sodass sich der Militärdienst anbot. Im Dienst musste man schnell erkennen, dass – selbst mit Besoldung und etwaigem Nebenerwerb – der Unterhalt einer mehrköpfigen Familie auf große Schwierigkeiten stieß. Das bestätigen die im vorhergehenden Kapitel erörterte finanzielle Situation der Grenadiere sowie sporadische Übertretungsfälle, in denen Familienväter in den Fokus rücken. Der Tambour Döhner, der 1721 seinem Quartierwirt Bettwäsche entwendete und sich später u. a. damit rechtfertigte, er habe dies lediglich getan, um „seine
896 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 325r. 897 Ebd., fol. 325r. 898 Johann Friedrich TREIBER, Genealogia et Chorographia Schwartzenburgica, das ist des Durchlauchtigsten Hauses Schwartzburg Stamm- und Land-Register, Leipzig 1718, S. 128. 899 33,26 Prozent der Mannschaften der Gardegrenadiere waren verheiratet. Siehe Punkt 4.4.2.2: Alter, Familienstand und Ausbildung.
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Kinder in der Kälte zu bedecken“,900 ist eines der eindringlicheren Beispiele für väterliche Fürsorge. Daneben findet sich aber auch eine Vernachlässigung der eigenen Familie. Dabei standen wahrscheinlich meist eheliche Probleme im Vordergrund. Ein drastisches Beispiel bietet der verheiratete Grenadier Lorenz Grätz, der seinem Kameraden Schuchart mitteilte, „es gäbe ihm keine Lust noch Freude mehr hier zu seyn, weilen seine Frau hier wäre, bey welcher Er nicht leben könnte“.901 Tatsächlich plante Grätz, der Frau und Kind in Hildburghausen hatte, eine Desertion und erregte damit das Unverständnis seiner Kameraden. Der Grenadier Wickler entgegnete ihm: „Du Narr, warum wil[l]s[t] du fortgehen und du hast Weib und Kind […].“902 Das Erstaunen des jungen Wickler legt darüber Zeugnis ab, dass das Vorhaben Grätz’ ungewöhnlich war und dass es sich eben nicht schickte, Frau und Kind in der Not zurückzulassen, auch für einen noch so ruchlosen Soldaten. Grätz antwortete darauf lediglich: „Da scher ich mich nicht drum.“903 Es ist im Falle Sachsen-Hildburghausens schwierig, weitere Informationen über soldatische Eheschließungen und Soldatenfrauen zu erlangen, da sich das Quellenmaterial weitestgehend darüber ausschweigt. Indes können die Kirchenbücher der Hildburghäuser Schlosskirche, in der die Soldaten vornehmlich heirateten, weitere Informationen liefern.904 Die Eheschließung in der Schlosskirche war ein Privileg, das die fürstliche Herrschaft nicht nur den Hofbediensteten, sondern auch den Soldaten der fürstlichen Garden und den Landregimentssoldaten zugestand. Dies wurde vor allem von den Gardesoldaten rege wahrgenommen. So ließen sich hier zwischen 1709 und 1771 insgesamt 197 Soldaten trauen. Aussagekraft gewinnt dieser Befund erst in Relation zu den verschiedenen Mannschaftslisten der Garden: Aus der Zusammenfassung aller Listen geht hervor, dass etwa ein Drittel der 424 erfassten Gardegrenadiere verheiratet war. Dies bedeutet, dass ein ansehnlicher Teil der Gardemannschaften während des Dienstes heiratete und sich demnach ledig hatte anwerben lassen.905 Wie sich das Heiratsverhalten bzw. die Gewährung von Heiratsgenehmigungen bei den Garden über einen Zeitraum 900 901 902 903
ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.7.1721, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 12r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.7.1721, fol. 3v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 12r. Die Aussagen von Wickler und Schuchart über Grätz wurden in einem Folgeverhör von Grätz umfassend bestätigt, sodass es sich hier mit größter Wahrscheinlichkeit nicht um unbegründete Vorwürfe oder Falschaussagen handelte. 904 Zur Hof-/Schlosskirche, vgl. KRAUSS, Landes-Historia, Bd. 1, S. 16 f. 905 Eine genaue Quantifizierung lässt sich nicht erschließen, da die vorliegenden Mannschaftslisten nicht immer zu Anfang eines Werbeunternehmens angefertigt wurden. So ersetzte die um 1720 erstellte Liste mit größter Wahrscheinlichkeit eine Vorgängerliste aus dem Jahre 1717 und sie enthielt damit bereits vollzogene Eheschließungen.
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von mehreren Jahrzehnten hinweg entwickelte, zeigt unten stehendes Diagramm:906
Anzahl der Eheschließungen
25 20 15 10 5 0
Graphik 12: Eheschließungen unter Beteiligung von Soldaten der Grenadiergarde und Garde du Corps in der Hildburghäuser Schlosskirche, 1709–1738 und 1750–1770; in den Jahren ohne Balken fanden keine Eheschließungen statt.
Obwohl die Schlosskirche bereits 1705 eingeweiht wurde, fand sich erst 1709 der erste verheiratete Soldat. Die in den Jahren von 1715 bis 1758 aufgetretenen drei Phasen steigender und fallender Werte waren mit den Jahren des Bestehens der Garde bzw. mit diversen Werbeunternehmungen kongruent.907 Der Zusammenhang ist evident: Je größer die Mannschaftszahl der Garde ist, desto größer ist auch die Zahl der Eheschließungen. Den größten Umfang hatte die Garde unter Herzog Ernst Friedrich I. Die Mannschaftszahl erreichte 1722 mit 171 Mann einen Höchststand, und auch die Kirchenbuchmatrikel 906 Die Auswertung erfolgte auf Grundlage von: Pfarreiarchiv Hildburghausen (PfarreiA Hbn), Kirchenbuch Hofkirche, Bd. 1–3. Bei der Auswertung der Hildburghäuser Kirchenmatrikel ist die lokale militärische Terminologie des 18. Jahrhunderts zu beachten: Um Gardesoldaten handelte es sich, wenn 1717–1738 von „Garde Reuter“, „Brigadier“, „Grenadier“ und 1750–1770 hauptsächlich von „Füsilier“ die Rede war. Außerhalb der angegebenen Zeiten tauchten diese Begriffe nicht auf bzw. nur mit dem Zusatz „gewesener Grenadier“ etc. Bei „Querpfeiffer“, „Tambour“, „Corporal“, „Soldat unter dem Leibbataillon“ etc. handelte es sich auch um Gardesoldaten. Wurde hingegen von „Musquetier“ oder „Musquetier unter der Compagnie des Haubtmanns N.N.“ gesprochen, dann waren derartige Matrikel dem Landregiment zuzuordnen. Hieß es, ein „Contingentssoldat“ oder „Creyßsoldat“ sei verheiratet worden, dann gehörte dieser zu einem Reichskontingent. Die Verheiratung übernahm in der Regel der Pfarrer der Hofkirche. In Ausnahmefällen schloss auch der Obrist der Garde Ehen. 907 1. Phase: 1717–1723; 2. Phase: 1730–1734; 3. Phase: 1751–1757.
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der Jahre 1722 und 1723 bestehen ausschließlich aus Soldatenehen.908 Als der Herzog 1724 verstarb, wurde die Garde stark reduziert. Daher fanden sich in den Jahren von 1726 bis 1729 keine oder nur wenige Eheschließungen. Die Hochphasen von 1730 bis 1734 sowie von 1751 bis 1757 lassen sich ebenso mit strukturellen Veränderungen bei der Grenadiergarde in Verbindung bringen. Dass es in den Jahren von 1757 bis 1763 gleich dreimal zu Jahren ohne Verehelichungen kam, hing mit dem Einsatz des hildburghäusischen Reichskontingents im Siebenjährigen Krieg zusammen. Dieses Kontingent bestand zum großen Teil aus angeworbenen Gardesoldaten, die von 1758 bis 1763 an verschiedenen Feldzügen der Reichsarmee mitwirkten und während dieser Zeit nicht nach Hildburghausen zurückkehrten. Nach dem Siebenjährigen Krieg war man in Sachsen-Hildburghausen bestrebt – auch im Hinblick auf die Probleme mit der Einquartierung von verheirateten Soldaten in den 1750er Jahren –, die soldatischen Eheschließungen zu begrenzen. Die vergleichsweise niedrige Zahl der Heiraten in den Jahren von 1765 bis 1770 legt davon Zeugnis ab. Ist eine Quantifizierung der Soldatenehen auf dieser Quellengrundlage verhältnismäßig einfach möglich, sind Informationen zu den Soldatenfrauen umso spärlicher. Grund dafür sind die starken Unterschiede zwischen den Kirchenbuchmatrikeln, die jeder Pfarrer individuell gestaltete. Der größte Teil der in den Untersuchungszeitraum fallenden Matrikel nannte lediglich den Namen der vom Soldaten geehelichten Frau. Entschied sich ein Pfarrer, mehr Details in die Aufzeichnungen einfließen zu lassen, können die Matrikel auch über Herkunftsort oder familiären Hintergrund Auskunft geben. Dies war jedoch nur in großen Abständen und nicht regelmäßig genug der Fall, sodass eine aussagekräftige statistische Auswertung unmöglich ist. Ein Resümee der zahlreichen Einzelfälle erlaubt jedoch die Feststellung, dass es eine intensive familiäre Verflechtung der hildburghäusischen Gardemannschaften mit der Bevölkerung des Fürstentums gegeben hat: Die Gardesoldaten, die im Dienst heirateten, waren meist Landesuntertanen. Sie heirateten vornehmlich Frauen, die einer Familie der Handwerkerschicht des Fürstentums entstammten. Der Großteil der Soldatenfrauen kam nicht aus der Residenzstadt. Vielmehr scheinen bei den Soldatenehen die persönlichen Beziehungen eines Gardesoldaten in seine Heimatgegend eine besondere Rolle gespielt zu haben: Zahlreiche Ehefrauen stammten aus dem hildburghäusischen Amt Heldburg, woher auch ein größerer Teil der Gardemannschaft kam. Darüber hinaus finden sich noch einige Frauen aus den benachbarten Territorien Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg, sodass auch hier eine persönliche oder familiäre Vorgeschichte angenommen werden kann. 908 PfarreiA Hbn, Kirchenbuch Hofkirche, Bd. 1, S. 224 f.
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4.4.3.3 Freundschaft und Kameradschaft Neben den familiären Beziehungen muss abschließend das Verhältnis der Gardegrenadiere untereinander geklärt werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, welche Arten von Bindungen sich hier etablierten und aus welchen Gründen dies geschah. Die Bindungen der Grenadiere untereinander seien an dieser Stelle unter den Begriffen „Freundschaft“ und „Kameradschaft“ subsumiert. Dabei gilt es im Folgenden zu klären, welche dieser Begrifflichkeiten sich aufgrund des vorhandenen Quellenmaterials nachweisen lassen. Bevor dies jedoch geschehen kann, müssen die einzelnen Begriffe zunächst definiert kurz werden: Bei der Freundschaft handelt es sich um einen vielschichtigen Begriff. Für das 18. Jahrhundert soll zunächst die Freundschaftsdefinition aus Immanuel Kants Tugendlehre herangezogen werden. Hier heißt es: „Freundschaft ist die Vereinigung zweyer Personen durch gleiche wechselseitige Liebe und Achtung.“909 Wenig später präzisierte Kant, die „moralische Freundschaft ist das völlige Vertrauen zweyer Personen in wechselseitiger Eröffnung ihrer geheimen Urtheile und Empfindungen, so weit sie mit beyderseitiger Achtung gegen einander bestehen kann“.910 Kameradschaft, von der im militärischen Milieu des Öfteren die Rede ist, kann als eine Form der Solidarität, die aus einer potentiell lebensbedrohlichen Situation heraus entsteht und dem Erreichen eines gemeinsamen Zieles dient, beschrieben werden.911 Freundschaftliche Beziehungen unter Soldaten waren, vor allem in der zeitgenössischen militärwissenschaftlichen Literatur, ausdrücklich erwünscht. So schrieb der kursächsische General Johann Friedrich v. Eosander in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: „Der Umgang mit guten vertraulichen Freunden und tugen[d]haften geschickten Leuten, ist eine der anständigsten und nützlichsten Vergnügungen eines vernünfftigen Soldaten […].“912 Ähnlich äußerte sich der Kriegsrat des Fränkischen Kreises, Johann Ernst v. Beust, der im Jahre 1745 zur soldatischen Freundschaft schrieb: „Freundlich und liebreich aber, soll sich ein Soldat gegen seine Cameraden bezeigen, weil er mit solchen vor das Vaterland gemeinsam zustreiten und sein Leben aufzuopffern, verbunden und daher, Krafft dieser genauen Gesellschaft, sich brüderlich mit ihnen zu betragen, schuldig ist.“913
909 Immanuel KANT, Metaphysik der Sitten, Bd. 2, Königsberg 1797, S. 152. 910 Ebd., S. 156. 911 Werner SORG, Das Wesen der Kameradschaft, unveröffentlichte Magisterarbeit der Theresianischen Militärakademie, Wiener Neustadt 2004, S. 57 f. 912 Johann Friedrich v. EOSANDER, Wohl unterwiesener Deutscher Soldat, worinnen unterschiedene im vorigen Jahrhundert hin und wieder in Europa vorgegangene Kriegsgeschichte beschrieben, Frankfurt 1738, S. 20. 913 BEUST, Observationes Militares, Bd. 2, S. 300.
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Innerhalb der hildburghäusischen Grenadiergarde war der Begriff der Freundschaft am seltensten anzutreffen. Bereits der französische Schriftsteller Louis-Silvestre de Sacy stellte im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts fest: „Jedermann lobt die Freundschaft, nur wenige kennen sie, fast niemand erfüllt ihre Pflichten.“914 Ebenso schien es sich in der Grenadiergarde des Herzogs von Sachsen-Hildburghausen verhalten zu haben. Im Quellenmaterial finden sich tatsächlich nur sehr wenige Hinweise auf wirkliche Freundschaften. Zum einen lassen sich Männerfreundschaften vor dem Eintritt in den Militärdienst nachweisen, zum anderen Freundschaften, die sich erst während der Dienstzeit entwickelten. Erstere können vor allem aus den Mannschaftslisten heraus rekonstruiert werden. Der Tag der Anwerbung ist hierbei ausschlaggebend: Es ist auffällig, wenn sich Männer aus demselben Ort, möglicherweise sogar noch im gleichen Alter und mit gleichem beruflichen Hintergrund, am selben Tag und am selben Ort anwerben ließen. Dasselbe gilt für Soldaten, die sich zuvor gemeinsam über einen längeren Zeitraum hinweg in anderen Militärdiensten befunden hatten und sich am selben Tag zur Anwerbung begaben. In all diesen Fällen entschieden sich Männer, ein ungewisses Schicksal gemeinsam zu teilen. Dieser Entschluss hob die persönliche Beziehung der betreffenden Personen über den Status einer Bekanntschaft hinaus, sodass hier von einer Männerfreundschaft ausgegangen werden kann. Aufgrund der qualitativ unterschiedlichen Führung der Mannschaftslisten der Garde sowie der zu bestimmten Zeiten praktizierten unterschiedlichen Werbemodi ist es schwierig, dieses Phänomen über einen längeren Zeitraum hinweg präziser zu quantifizieren. Innerhalb der Mannschaftsliste des Jahres 1720 lässt sich bei mehr als sieben Prozent der angeworbenen Rekruten eine vorangegangene Freundschaft nachweisen.915 Dies gilt u. a. für die beiden Tamboure Johann Bennhardt und Georg Martin Rottmann aus Hildburghausen, die beide im Textilgewerbe arbeiteten und sich 1719 gemeinsam zur Garde meldeten. Eine bereits vorher bestehende Familienbande konnte auch durch eine Freundschaft ergänzt werden. So finden sich gehäuft Angehörige einer Familie, die sich gemeinsam zum Dienst meldeten. Dazu gehörten beispielsweise die Grenadiere Conrad und Johann Georg Werner – bei einem Altersunterschied von fünf Jahren möglicherweise Brüder – aus Römhild, die beide als Schuster arbeiteten. Sie ließen sich zunächst für Sachsen-Gotha-Altenburg anwerben und verbrachten hier zwei Jahre, bevor sie sich im Jahre 1717 zur hildburghäusischen Garde meldeten. Wie bereits erwähnt, war die Furcht vor einer ungewissen Zukunft im militärischen Milieu der Antrieb für Rekruten, 914 Louis-Silvestre SACY, Traité de l’amitié, Paris 1722, S. 1. Hier heißt es : „Tout le monde vante l’amitié, peu de gens la connoissent, presque personne n’en remplit les devoirs.“ 915 Die Auswertung beruht auf den Daten von 167 Grenadieren, die in dieser Liste erfasst wurden.
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sich gemeinsam anwerben zu lassen. Dass ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der befreundeten Soldaten einerseits und dem Gefährdungspotential einer Einheit andererseits bestand, wird durch den Vergleich mit Mannschaftslisten des Dragonerregiments „Saxe-Heylburg“ untermauert. Dieses teilweise aus Landesuntertanen rekrutierte Regiment des Herzogs Ernst v. Sachsen-Hildburghausen versah während des Spanischen Erbfolgekrieges in den Niederlanden seinen Dienst. Es war in viel stärkerem Maße Gefahren und Verlusten ausgesetzt, als es bei der Garde der Residenzstadt jemals der Fall gewesen war. Dementsprechend lag hier der Prozentsatz der befreundeten Grenadiere mit mehr als 22 Prozent deutlich höher.916 Wie aber gestaltete sich die Freundschaft unter den hildburghäusischen Grenadieren? Einen ersten Hinweis gibt die Anrede einiger Soldaten untereinander. Befreundete Grenadiere redeten sich oft mit „Bruder“ an. Dabei handelte es sich um eine Anrede unter Gleichgesinnten mit freundschaftlicher Beziehung.917 Der Grenadier Johann Friedrich Stelzner wurde 1734 wegen öffentlicher Unruhestiftung in Arrest genommen. Als man ihn über den Hildburghäuser Marktplatz führte, rief er einem befreundeten Grenadier zu: „Gute Nacht, Bruder, es ist vielleicht anheute das letztemahl, da ich dich spreche […].“918 Als der Grenadier Schuchart seine Desertionsabsichten in die Tat umsetzen wollte, trank er vorher in einem Wirtshaus dem befreundeten Grenadier Grätz mit den Worten zu: „Prosit, Bruder, ich gehe fort.“919 Ähnliches lässt sich bei einem Streit zweier befreundeter Soldaten feststellen, nachdem einer dem anderen sagte, „er wäre sein Bruder nicht mehr“.920 Bei den genannten Fällen handelt es sich lediglich um eine Auswahl aus zahlreichen Quellenfunden dieser Art. Auffällig ist jedoch, dass die Bezeichnung „Bruder“ nicht willkürlich gebraucht wurde, sondern selektiv. Die Grenadiere nannten nicht einfach jeden beliebigen Kameraden „Bruder“, vielmehr wurde diese Anrede nur von wenigen genutzt und ebenfalls wenigen zugedacht. Dies belegt, dass es sich hier um kleinere Gruppen von Soldaten handelte, die eine freundschaftliche Beziehung unterhielten. Tatsächlich bestanden diese Freundesgruppen aus nicht mehr als zwei oder drei Personen nahezu gleichen Alters. Sie grenzten sich deutlich von oberflächlicheren Beziehungen bzw. Bekanntschaften ab. Neben der Anrede finden sich noch weitere Hinweise im Quellenmaterial, die einen solchen Sachverhalt bestätigen. So verbrachten befreundete Grenadiere auch ihre dienstfreie Zeit – jen916 Die Auswertung basiert auf den Daten einer Mannschaftsliste von 156 Dragonern. 917 Renate KRÜGER, Das Zeitalter der Empfindsamkeit. Kunst und Kultur des späten 18. Jahrhunderts in Deutschland, Leipzig 1972, S. 35. 918 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, April 1734, fol. 4v. 919 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 29.11.1721, fol. 2r. 920 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 19.6.1736, fol. 9v.
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seits des Wirtshauses – miteinander und richteten gelegentlich sogar ihren Wachdienst danach ein. Auch wurden bisweilen persönliche Gegenstände im Quartier des Freundes aufbewahrt. Zum gemeinsamen Zeitvertreib sagte der Grenadier Stelzner im Rahmen eines Verhörs aus, er sei „willens geweßen annoch gestern Abends zum Conrad Fischer, auch ein Grenadier, zu gehen und mit diesem noch eins aufm Waldhorn zu blasen“.921 Ähnliches zeigt sich bei den Grenadieren Wickler und Schuchart, die des Öfteren bei bekannten Zivilisten miteinander Karten spielten.922 Die befreundeten Tamboure Döhner und Kleeflügel verabredeten sich sogar zum gemeinsamen Holzeinschlag für ihre jeweiligen Quartiere.923 Wesentliche Merkmale einer freundschaftlichen Beziehung sind Vertrauen, Loyalität, Verschwiegenheit und Verständnis. Man vertraut sich daher lediglich Personen an, mit denen man nähere Bekanntschaft bzw. Freundschaft pflegt und die als verschwiegen gelten oder dies bereits bewiesen haben. Im Allgemeinen waren die hildburghäusischen Soldaten keine Träger großer Geheimnisse, außer im Falle eines Desertionsvorhabens. Meist wurde ein solches Vorhaben zunächst von nur einer Person initiiert. Aufgrund von Furcht oder weil man sich größere Erfolgschancen ausrechnete, wurde dann eine andere Person hinzugezogen, der man das Vorhaben enthüllen musste. Es war dabei ratsam, das riskante Desertionsvorhaben nicht jedem Bekannten zu enthüllen, sondern lediglich ausgewählten Freunden mitzuteilen. Zum Freundeskreis der Grenadiere Schuchart und Wickler zählte auch der Grenadier Röder. Die drei Soldaten verbrachten viel Zeit zusammen, und so erscheint es wenig verwunderlich, dass Wickler den Grenadier Röder 1723 in sein Desertionsvorhaben einweihte. Gescheiterte Desertionsunternehmungen stellten zugleich einen Scheideweg in der Freundschaft der Grenadiere da. Kam es zu Verhören mit nachfolgendem Kriegsgericht, belasteten sich die Delinquenten in der Regel gegenseitig schwer. Freundschaft und gemeinschaftliches Handeln fanden hier ihre Grenzen. 4.4.3.4 Das Wirtshaus: Ort von Geselligkeit, Alkoholkonsum und Gewalt Neben Freundschaft und Kameradschaft stellt die Geselligkeit eine weitere Form sozialer Beziehungen dar. Zedler beschrieb sie als „eine Pflicht mit anderen Menschen eine friedliche und dienstfertige Gesellschaft zu unterhalten, damit alle durch alle
921 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, April 1734, fol. 8v. 922 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 3v. 923 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.7.1721, fol. 2v.
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ihre Glückseligkeit erlangen mögen“.924 Die Geselligkeit ist an Unterhaltung und Vergnügen orientiert und erfährt somit nicht die gleiche moralische und emotionale Tiefe wie beispielsweise die Freundschaft.925 Geselligkeit kann daher mit vielen Menschen prinzipiell überall und ungebunden praktiziert werden. Im Soldatenstand ließ sich Geselligkeit vornehmlich in der dienstfreien Zeit antreffen. Im Rahmen der frühneuzeitlichen Gesellschaftsstruktur verbrachte man die dienst- bzw. arbeitsfreie Zeit außerhalb der Familie meist mit Personen, mit denen man bereits im Berufsleben zusammenarbeitete. Eine Geselligkeit außerhalb der ständischen Strukturen existierte im Allgemeinen nicht.926 So fanden sich Arbeitskollegen des Öfteren auch in ihrer freien Zeit zusammen. Dasselbe galt für die hildburghäusischen Soldaten, deren regelmäßige Treffpunkte hauptsächlich die Wirtshäuser der Residenzstadt waren. Unter ihnen waren die Gasthäuser „Goldener Adler“, „Goldener Löwe“, „Zum goldenen Stern“ sowie „Zum fröhlichen Mann“.927 Bei diesen Orten handelte es sich um konzessionierte Wirtshäuser und damit nicht um die illegalen sogenannten Winkelschenken.928 Im Gegensatz zu den Gardesoldaten in der Residenzstadt hatten die außerhalb diensttuenden Soldaten – etwa die Heldburger Garnison oder die Schlosswache in Seidingstadt – an ihren Dienstorten bedeutend weniger Auswahl und Möglichkeiten, Gasthäuser zu besuchen. Zwar wurde gelegentlich auch das Seidingstädter oder Streufdorfer Gasthaus frequentiert, doch handelte es sich dabei um keine allzu regelmäßigen Besuche, sodass die Zahl der dort anzutreffenden Soldaten eher gering war. Besonders hart war es für die Heldburger Garnison, deren Soldaten auch nach Dienstschluss die Festungsanlage nicht verlassen durften. Daher wurde das gesellschaftliche Leben in Heldburg von der nahegelegenen Garnison kaum beeinflusst, und Soldaten waren – im Gegensatz zu Hildburghausen – im Stadtbild nicht allgegenwärtig. Wirtshäuser waren Orte des persönlichen Austauschs und des Amüsements: Es wurde musiziert, getrunken, gesungen und getanzt. Für die Solda924 Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 10, Sp. 1260. 925 Wolfgang ADAM, Freundschaft und Geselligkeit im 18. Jahrhundert, in: GLEIMHAUS HALBERSTADT (Hg.), Katalog des Freundschaftstempels im Gleimhaus in Halberstadt, Leipzig 2000, S. 11 f. 926 ADAM, Freundschaft und Geselligkeit, S. 17. 927 Gasthaus „Goldener Adler“: 1722 konzessioniert, Inhaber war zunächst der verabschiedete Gardereiter Albert Arnold, 1879 abgebrannt und nicht wieder errichtet; Gasthaus „Goldener Löwe“: 1715 konzessioniert, 1920 geschlossen; Gasthaus „Zum goldenen Stern“: wahrscheinlich 1713 konzessioniert, bestand bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts; Gasthaus „Zum fröhlichen Mann“: 1715 konzessioniert. 928 Zur Häufigkeit und Frequentierung der Winkelschenken siehe Michael FRANK, Satan’s Servant or Authorities Agent? Publicans in Eighteenth-Century Germany, in: Beat KÜMIN, Ann TLUSTY (Hg.), The World of the Tavern. Public Houses in Early Modern Europe, Burlington 2002, S. 21.
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ten waren sie vor allem Abwechslung von dem beengten Quartier und wurden daher häufig besucht. Eine Ausnahme stellten die gelegentlich bei Gastwirten der Residenzstadt einquartierten Soldaten dar, die ohnehin bereits in ständiger Umgebung des Wirtshauses lebten. In den Verhörprotokollen der hildburghäusischen Grenadiergarde spielten Wirtshäuser wiederholt eine zentrale Rolle. Obwohl es sich primär um Orte von Geselligkeit und der Pflege sozialer Beziehungen handelte, vermitteln die Kriegsgerichtsprotokolle den Eindruck, als sei das Wirtshaus hauptsächlich Schauplatz persönlicher Konflikte gewesen.929 Dieser Eindruck steht vor allem mit der einseitigen Quellenüberlieferung in Zusammenhang. Dennoch schien dem Wirtshaus ein durchaus alltäglicher Konfliktcharakter innezuwohnen. Dafür spricht allein schon die Häufigkeit der aufgezeichneten Vorfälle. Tatsächlich konnte ein schwerwiegender Konflikt im Wirtshaus jederzeit entstehen: Die meisten Besucher der Wirtshäuser waren einander bekannt. Man wusste um das Privatleben und die Sorgen des anderen, und niemand konnte sich vollkommen verbergen. Die Soldaten fielen dabei durch ihre Uniformierung besonders auf. Vieles, was im Wirtshaus gesagt wurde oder vorging, geschah theatergleich, vergleichbar mit einer Bühnenaufführung.930 Ehre und Ansehen spielten hier eine besondere Rolle.931 Nahezu jeder Konflikt wurde durch eine Verletzung der Ehre bzw. eine Beleidigung initiiert.932 So musste sich der hildburghäusische Grenadier Lorenz Braun, nachdem er die Rodacher Bürgerschaft „soldte gescholdten haben“, nicht wundern, als es zu gewalttätigen Übergriffen kam.933 Das Gleiche gilt für den Hautboisten Schlund, der zum Handwerksgesellen Mäusel sagte, „er seye ein Kerl, der nicht Werth seye, daß er des Herrn Montour trage“.934 Neben einer Beleidigung konnte auch einer Ablehnung einige Bedeutung zukommen, indem sie eine zunächst friedliche Situation häufig schlagartig eskalieren ließ. Dazu bedurfte es lediglich einer ablehnenden Haltung gegenüber einem Zuprostenden oder einer missverstandenen Einladung. So befand sich der fürstliche Bereiter Ludwig Friedrich Erlebach wenige Tage nach 929 Ähnliches wurde in Frankreich bereits von Robert MUCHEMBLED, Die Erfindung des modernen Menschen. Gefühlsdifferenzierung und kollektive Verhaltensweisen im Zeitalter des Absolutismus, Reinbek 1990, S. 193 festgestellt. 930 MUCHEMBLED, Des Erfindung des modernen Menschen, S. 200 f. 931 Zur Rolle der Ehre in der Frühen Neuzeit geben die Beiträge des Sammelbandes von Klaus SCHREINER, Gerd SCHWERHOFF (Hg.), Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (= Norm und Struktur, Bd. 5), Köln 1995 vielseitig Auskunft. 932 Michaela SCHMÖLZ-HÄBERLEIN, Ehrverletzung als Strategie. Zum sozialen Kontext von Injurien in der badischen Kleinstadt Emmendingen 1650–1800, in: Mark HÄBERLEIN (Hg.), Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne, S. 138. 933 Siehe Punkt 6.1.3.3: Der Fall des Lorenz Braun in Rodach (1723). 934 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 19.6.1736, fol. 4v.
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Weihnachten 1720 in einem Wirtshaus in Hildburghausen und ließ sich Wein einschenken. Anschließend prostete er dem ebenfalls anwesenden Gardereiter Schoder mit den Worten „Vive Signeure“ zu: „Darauf er [Schoder] ihm gefragt, wo er Italienisch gelernt, er wäre ja nicht in Italien gewesen und wenn er nicht beßer und mehr reden kön[n]te, sollte er es gar bleiben laßen und ihme nicht Italienisch anreden […].“935 Der wahrscheinlich bereits angetrunkene Gardereiter konnte nicht beruhigt werden und sagte dem Zuprostenden: „[…] so einen Kerl muß man was anderes thun und Nasen Stüber geben […].“936 Kaum ausgesprochen, warf der Soldat dem Erlebach das Weinglas an den Kopf und ging auf ihn los. Er konnte nur durch andere anwesende Gardereiter zurückgehalten werden. Der angegriffene Erlebach begab sich schnellstens auf die Hauptwache und ließ den Gardereiter Schoder arretieren. Ein ähnlicher Fall – bei dem übrigens ebenfalls eine Fremdsprache eine Rolle spielte – ereignete sich im Jahre 1723, als ein hessischer Soldat mit mehreren hildburghäusischen Grenadieren in ein Streufdorfer Wirtshaus einkehren wollte. Unterwegs sprach der Hesse mit dem Grenadier Keßler „ein und das ander in frembter Sprach, […] ihm aber nicht gesagt, daß er vor ihm bezahlen wollte zu Streuffdorff“.937 Der Grenadier Keßler bestand darauf, den Hessen mit den Worten: „Wenn sie kein Geld hätten, so hätte er welches“938 vernommen zu haben. Anschließend wurde berichtet, der hessische Soldat „hette sich auch Wein und Gantz geben laßen, am Ende aber nicht allein bezahlen wollen, daher der Streidt kommen, daß der Hessische ihm einen Hunds, etc. geheißen, worauf er aufgestanden und da er gesehen, daß der Hessische nach den Degen gegriffen, habe er ebenfalls solches gethan und zugehauen“.939 Wie in diesem Beispiel wirkten neben Missverständnissen und nicht allzu ernst genommenen Versprechungen auch Schimpfwörter als Katalysator für eine gewalttätige Auseinandersetzung. Im Quellenmaterial finden sich vor allem die beleidigenden Bezeichnungen „Hund“, „Hundsfots“, „Scheißkerl“ oder „Filou“. Diese Worte hoben Konflikte schnell auf eine höhere Ebene und forderten zu drastischen Reaktionen auf. Der in der Öffentlichkeit des Wirtshauses ausgesprochenen verbalen Ehrverletzung oder Ablehnung musste man in der Frühen Neuzeit zwangsläufig entgegentreten, um das Gesicht zu wahren.940 Eine Bloßstellung führte zu Gewalt, die zur Verteidigung der Ehre das Mittel der Wahl war. Dies war die Prämisse, um die sich auch der soldati935 936 937 938 939 940
ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 486r. Ebd., fol. 486v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 21.10.1723, fol. 3r. Ebd., fol. 2r. Ebd. MUCHEMBLED, Die Erfindung des modernen Menschen, S. 202.
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sche Alltag im Wirtshaus bewegte. Dabei begünstigte der Alkoholkonsum die Entstehung von Konfliktsituationen ganz bedeutend.941 Die hildburghäusischen Gardesoldaten konsumierten beträchtliche Mengen an Bier und Branntwein.942 Besonders Letzterer erfreute sich großer Beliebtheit, was mit der schlechten Bierqualität und der zunehmenden Produktion von Branntwein im Untersuchungszeitraum zusammenhing.943 Bereits seit dem 16. Jahrhundert konsumierten neben Matrosen und einigen Handwerkern vor allem Soldaten Branntwein,944 bei dem es sich um einfachen Kornbrand handelte.945 Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wandelte sich der Charakter des Branntweins zusehends. Das vormalige Luxusgut, welches vor allem als Getränk bei Festlichkeiten gereicht wurde oder als Medikament gegen Gicht, Heiserkeit und sogar die Pest Verwendung fand,946 verbreitete sich zunehmend unter allen Bevölkerungsschichten.947 Noch im 18. Jahrhundert sprach man dem Branntwein – im Gegensatz zum potentiell verschmutzten Wasser – eine heilsame Wirkung zu. Krünitz konstatierte im Jahre 1775: „Er [der Branntwein] stärkt den Magen und die Gedärme, befördert die Verdauung der Speisen, treibt Blähungen fort, erwärmt den Körper, vermehrt die Bewegung des Bluts und widersteht, indem er das zu sehr aufgelöste Blut verdicket, der Fäulnis der Säfte.“948 Für die Soldaten, die diesem Getränk ganz besonders zusprachen, war es gleich aus mehreren Gründen attraktiv: Der Branntwein erwärmte den Körper, was vor allem für die Soldaten auf Schildwache eine belebende Wirkung hatte. Zudem war der Branntwein billig, wirkte stark sättigend und wurde daher von den hildburghäusischen Soldaten vor allem zum Frühstück kon941 Hasso SPODE, Die Macht der Trunkenheit. Kultur- und Sozialgeschichte des Alkohols in Deutschland, Opladen 1993, S. 154. 942 Ein Beispiel zum soldatischen Alkoholkonsum aus dem fränkischen Raum bei Oliver HEYN, Die Kriegslasten von Stadt und Amt Kissingen während des Holländischen Krieges und Polnischen Thronfolgekrieges. Ein Beitrag zur Militärgeschichte des Hochstifts Würzburg, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 63 (2011), S. 64. 943 Alfred HEGGEN, Alkohol und bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Eine Studie zur deutschen Sozialgeschichte, Berlin 1988, S. 45 f.; REININGHAUS, Gewerbe in der Frühen Neuzeit, S. 38. Zum allgemeinen Überblick vgl. Gunter HIRSCHFELDER, Alkoholkonsum am Beginn des Industriezeitalters (1700–1850). Vergleichende Studien zum gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, Bd. 2, Köln 2004. 944 Braudel bezeichnet die Brandweinproduktion im Kriegsfall als einen bedeutenden Zweig der Rüstungsindustrie, Fernand BRAUDEL, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts. Der Alltag, München 1985, S. 258. 945 SPODE, Die Macht der Trunkenheit, S. 149. 946 BRAUDEL, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts, S. 254. 947 Thomas MANIA, „Weißte was – ’nen Schnaps?“: Die Gaststätte als Kommunikationszentrum. Theorie und Praxis am Beispiel eines Dortmunder Wohnquartiers (= Internationale Hochschulschriften, Bd. 233), Münster 1997, S. 48 f. 948 KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 6, S. 498.
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sumiert.949 „Frische Butter hingegen mit Brod und Brandwein, haben in gesunden Körpern die schönste Wirkung“950 war das allgemeine Credo. Insgesamt kann der Branntweinkonsum als bescheidener Luxus des gemeinen Soldaten betrachtet werden. Im Dienst war er allerdings höchst unzuträglich, sodass sich auch die fürstlichen Reglements mit Alkoholkonsum befassten. Wie stark der Konsum unter den Gardesoldaten verbreitet gewesen sein musste, beweist bereits die Tatsache, dass gleich mehrere Punkte verschiedener Dienstreglements darauf eingingen. Im Reglement Herzog Ernst Friedrichs II. aus dem Jahre 1733 heißt es, dass der Soldat, welcher „die Wacht versäumet oder trunken darauf kommt, daß er solche nicht versehen kann, […] mit Gaßenlauffen bestraft und nach Befinden gar cassiret werden [soll]“.951 Wer sich hingegen in einer akuten Gefahrensituation betrank und damit sich und seine Kameraden in Gefahr brachte, konnte auch direkt mit dem Tode bestraft werden. Im Reglement heißt es weiter: „Sollte auch jemand in Trunckenheit etwas böses begehen, soll ihm seine Trunckenheit zu keiner Endschuldigung dienen, sondern er umb soviel desto härter gestrafft werden.“952 In dieser Hinsicht nützte es dem Grenadier Johann Röder wenig, als er seine begangene Desertion bereute und meinte, „es würde aber, wenn er nicht getruncken gehabt, nicht geschehen seyn“.953 Eine mehrjährige Festungsbaustrafe war die Folge. Ein weniger schweres Vergehen beging der Korporal Pantzer, der 1719 auf der Veste Heldburg Dienst tat und betrunken eine Treppe herabstürzte. Der Heldburger Festungskommandant meldete dazu lediglich: „[…] so habe ihn in Arest nehmen und außschlaffen laßen und ihm 3 Stundte an Pfahl stehen laßen.“954 Diese und zahlreiche andere Vorfälle zeigen, dass die Strenge der Reglements durchaus notwendig war. Tatsächlich war das Wirtshaus immer und überall der zentrale Anlaufpunkt, egal ob die Soldaten auf Kommando standen, im Quartier lagen oder sich auf Exekution und Märschen befanden. Abseits des durch die Offiziere stark kontrollierten Dienstes in der Residenzstadt oder auf der Veste Heldburg gingen die Soldaten hier ihre eigenen Wege. Unterwegs besuchten sie Wirtshäuser, ließen sich Zeit – wesentlich mehr als nötig – und gewannen damit Abstand vom strengen Dienst. Den Grenadieren Ebert und Braun wurde im Jahre 1723 aufgetragen, den handgreiflich gewordenen Grenadier Röhring vom Kirchweihfest in Gemünda abzuholen und auf die Veste Heldburg zu eskortieren. Der Leutnant 949 Ein Beispiel zum Alkoholkonsum beim Frühstück bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 21.10.1723, fol. 2v. Auf die allgemeine Praxis weist REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2 (1964), S. 193 hin. 950 KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 6, S. 499. 951 ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Artikelbrief vom 17.11.1733, fol. 3r. 952 Ebd. 953 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 1r. 954 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, Rapport v. 17.11.1719.
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Schulz, welcher die Soldaten entsandte, gab beiden den ausdrücklichen Befehl, „daß sich keiner von ihnen betrincken oder Unfung anfangen sollte“.955 Doch das genaue Gegenteil geschah, und die Grenadiere kehrten unterwegs in nahezu jedes Wirtshaus ein. Selbst als Röhring in Gewahrsam genommen war, machten die Grenadiere wenig Anstalten, nach Heldburg zurückzukehren. Vielmehr war der Grenadier Braun, „ohnerachtet Er wohl mit Röhring auf die Veste Heldburg kommen können, gleich auch hin auf die Banck gefallen und habe geschlafen“.956 Ähnlich viel Zeit ließen sich auch die Grenadiere Keßler, Fletter und Popp, die von Seidingstadt nach Hildburghausen marschieren sollten. Nach zweimaliger Einkehr in ein Seidingstädter Wirtshaus wurde bereits nach etwa vier Kilometern Fußmarsch das Wirtshaus in Streufdorf besucht.957 Noch kurioser verhielten sich die Grenadiere Wickler und Schuchart, die aus Hildburghausen desertierten. Beide befanden sich in akuter Gefahr, von potentiellen Verfolgern aufgegriffen zu werden, kehrten aber dennoch in das Gellershäuser Wirtshaus ein und tanzten dort fröhlich.958 Wie dieses Beispiel zeigt, legten die Soldaten großen Wert auf Geselligkeit. Sie tranken Alkohol meist in Gemeinschaft und nutzten dafür meist die Umgebung des Wirtshauses; Alkoholkonsum war im Quartier ohnehin untersagt. Dennoch beschäftigten sich die Grenadiere auch jenseits des Wirtshauses mit Alkohol. Dass auch im Dienst die Gedanken gelegentlich darum kreisten, zeigt ein Zwischenfall aus der Residenzstadt: Am 19. März 1721 standen die Grenadiere Johann Georg Schwarz und Johann Callenbach auf Schildwache vor dem Schlosshof. Gegen Mittag lieferte ein Hirschendorfer Bauer auf einem Schlitten zahlreiche Gläser und Glasflaschen aus Eisfeld an den fürstlichen Hof. Während der Kontrolle des Bauern kam der Gardetrompeter Johann Daniel König dazu, nahm eine Flasche aus dem Schlitten und sagte dem Grenadier Schwarz: „Dieses gäbe eine schöne Brandewein Pouteillen.“959 Dieser antwortete darauf: „Wenn ich Brandewein trincken will, so gehe ich zu dem Klimper, daselbst bekomme ich ein Gläßgen darzu […].“960 Dennoch baten die Grenadiere den Bauern darum, einige Glasflaschen behalten zu dürfen, was ihnen nicht verwehrt wurde; „nachdem sie abgelöset worden, hätten sie es der gantzen Wacht gezeigt“.961 Dieser Fall kann als eines der wenigen Indizien dafür gelten, dass der Alkoholkonsum möglicherweise auch im Privaten, also versteckt, stattfand. Tatsächlich aber sind derartige Beispiele sehr selten, und der Aussagegehalt ist nicht immer eindeutig. 955 956 957 958 959 960 961
ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 25.5.1723, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 25.5.1723 [II], fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 21.10.1723, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 5v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, fol. 444r. Ebd. Ebd., fol. 445v.
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Sicherer nachweisbar ist der öffentliche Alkoholkonsum vieler Soldaten, der oft kein Maß kannte. Ganz besonders war dies nach längeren Phasen dienstlich erzwungener Abstinenz der Fall. So tranken beispielsweise die von der Veste Heldburg abwesenden Grenadiere Braun und Schuchart im Rodacher Ratskeller am Abend je drei Maß Bier und ein Glas Branntwein. Der Grenadier Braun war ein halbes Jahr zuvor gemeinsam mit dem Grenadier Ebert an einem ausgewachsenen Trinkgelage beteiligt gewesen. Ein Zeuge sagte dazu aus, die Grenadiere „hätten sich wieder so voll getruncken, daß sie die Nacht eben wie das Vieh auf der Streu gelegen“.962 Tatsächlich hatten die Grenadiere zu ihrer Verteidigung nichts vorzubringen. So gestand Braun ein, „daß er betruncken geweßen, aber nicht, wie angegeben, viehisch. [Er sei aber], weilen er betruncken gewesen, über den Hauffen gefallen […].“963 Ähnlich viel Alkohol konsumierte der Grenadier König, der im Januar 1737 beim Heldburger Wirt Christian Heydenblut zu Gast war.964 Obwohl es bereits 22 Uhr war und mehrere Ermahnungen des Wirtes ergingen, weigerte sich König beständig, das mittlerweile leere Gasthaus zu verlassen. Heydenblut „hätte gemercket, daß ihm [König] der Brandwein im Kopff zu steigen angefangen, hierbey nun hätte König zu schmähen angefangen: Die Kerl, die Spitzbuben bringen mich und meine Kinder um das Meininge“.965 Was genau König damit meinte, lässt sich aus den Quellen nicht mehr rekonstruieren; dem Wirt jedenfalls wurde die Situation mit dem stark angetrunkenen Soldaten bald unangenehm. König sagte wenig später dem Wirt, „er wollte noch ein Maaß Bier und vor 3 Pfennig Brandewein haben und wenn er ihm solches nicht gäbe, so sollten es ihm 10 Teuffel in der Hölle nicht dancken“.966 Ein vom Wirt zur Schlichtung der Angelegenheit dazugerufener Heldburger Landregimentssoldat, Johann Paulus Gernhardt, sagte später aus, „daß er sich fast selbst vor dem König gefürchtet, wie derselbe so desperat ausgesehen“.967 Die Furcht vor einem angetrunkenen Soldaten war durchaus berechtigt. Dies zeigten wiederholt gewalttätige Eskalationen, in denen betrunkenen Soldaten die Hauptverantwortung zukam. Ebenso wie heute968 bestand auch im 18. Jahrhundert ein manifester Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum 962 963 964 965 966 967 968
ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723 [II], fol. 1r. u. 25.5.1723, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 9.1.1737. Ebd., fol. 2v. Ebd., fol. 3r. Ebd., fol. 4v. Zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewalt siehe Michael KLEIN, Gewalt und Traumatisierung durch Suchtkranke, in: Michael KRAUSZ, Ingo SCHÄFER (Hg.), Trauma und Sucht. Konzepte – Diagnostik – Behandlung, Stuttgart 2006, S.57 u. 66; Manfred LAUCHT, Alkohol und Tabak in der Adoleszenz, in: Anil BATRA, Karl MANN, Manfred SINGER (Hg.), Alkohol und Tabak. Grundlagen und Folgeerkrankungen, Stuttgart 2010, S. 436.
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und Gewalt.969 Der Rodacher Wirt berichtete auf Befragen über das Verhalten der Grenadiere Braun und Schuchart hin, „sie wären lustig gewesen, hetten den Tisch und einen Leuchter in zwey gehauen und hette ihmen auch alles bezahlet“.970 Derart glücklich konnte sich nicht jeder Wirt schätzen – vor allem dann nicht, wenn Personen zu Schaden kamen. Es ist schwierig, für Sachsen-Hildburghausen gewalttätige Vorfälle in Wirtshäusern zu quantifizieren, da lediglich besonders schwerwiegende Fälle im Archivgut Erwähnung fanden. Angesichts der Häufigkeit der Wirtshausbesuche dürfte der Anteil an Gewalttätigkeiten nur gering ausfallen. Hinzu kommt, dass die Gardesoldaten auch außerhalb des Dienstes dem Reglement unterworfen waren und daher jederzeit schwere Bestrafungen zu gewärtigen hatten. Im Allgemeinen gilt, dass gewalttätige Exzesse in der Regel aus Trinkgelagen resultierten. Das Maß der an den Tag gelegten Gewalt hing eng mit der Menge des Alkoholkonsums sowie mit dem Grad der begangenen bzw. empfundenen Ehrverletzung oder Beleidigung zusammen. Dabei fand sich in Sachsen-Hildburghausen kein Fall, in dem Gardesoldaten untereinander gewalttätig geworden wären; vielmehr entstanden Konflikte stets zwischen Soldaten und Zivilisten. Der Ablauf der Auseinandersetzung blieb dabei fortwährend derselbe:971 Nach der Beleidigung kam es zunächst zu kurzen Handgreiflichkeiten in Form von Faustschlägen oder Ohrfeigen, nach welchen die Waffe gezogen wurde. Das Eingreifen anwesender Wirtshausgäste verhinderte dann meist Schlimmeres. So konnte sich 1723 die Magd Anna Maria Brandheim glücklich schätzen, dass sich im Gemündaer Wirtshaus zahlreiche Gäste befanden, denn „den Abend hätten in der Vollheit die Grenadier [Ebert und Braun] sie angegangen und dieselbe in Unehren brauchen wollen“.972 Unter den Gästen befand sich auch ein allseits respektierter älterer Herr, „dieser alte Mann habe sie auch, da die Grenadier mit Gewalt über sie her gewolt, aus dem Hauß practiciret“.973 Als es am nächsten Morgen deswegen erneut zum Streit kam, mussten „die Leuthe, so eben in der Stube gewesen, selbst denen Grenadieren einreden […], sie sollten innehalten“.974 Die Seitenwaffe der Gardesoldaten war der Infanteriesäbel, der im Rahmen gewalttätiger Konflikte im Wirtshaus oft gezogen wurde. Der Soldat überschritt damit eine Grenze, denn das grundlose Ziehen der Seitenwaffe in 969 Louis LEMERY, Traité des Aliments, Paris 1705, S. 526 sowie LORENZ, Das Rad der Gewalt, S. 291 f. 970 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.11.1723, fol. 1v. 971 Allgemein dazu Martin DINGES, Der Maurermeister und der Finanzrichter. Ehre, Geld und soziale Kontrolle im Paris des 18. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte, Bd. 105), Göttingen 1994. 972 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 1v. 973 Ebd., fol. 2r. 974 Ebd., fol. 2v.
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der Öffentlichkeit lief den Reglements zuwider. Oft zogen die Soldaten den Säbel aus Gründen der Abschreckung oder um den Zivilisten ihre Zugehörigkeit zum Soldatenstand zu vergegenwärtigen. Eine tatsächliche Verletzungsabsicht durch Hieb oder Stich bestand nur in wenigen Fällen. Vielmehr wurde der Infanteriesäbel häufig zur Züchtigung genutzt und mit der flachen Klingenseite über den Rücken des Streitgegners geschlagen. Ein Fall, der alle vorgestellten Aspekte einer gewalttätigen Eskalation in sich vereint, trug sich 1736 im Weidhäuser Wirtshaus „Zum Goldenen Eichhorn“ zu. Hier geriet der angetrunkene Hautboist Schlund mit dem ebenfalls betrunkenen Handwerksgesellen Mäusel in Streit: „Darauf habe Schlund dem Mäusel ein baar Ohrfeigen und mit dem Pallage etliche Streiche übern Rücken gegeben. […] Der Büttner Hanß Fischer habe auch aldorten am Tisch geseßen, diesem habe Schlund […] den Pallage 1 mahl, da doch der Fischer ihme gar nichts gethan, […] bloß vor dem Kopff gehalten und hernach aufm Tisch hin geschlagen, Büttner gesagt, er wäre kein Hund, daß er ihm den Pallage so vors Gesicht und an den Kopf halte, [der] Schulz habe es dem Schlunden selbsten verwehret, doch habe er den Pallage noch einmahl dem Büttner vors Gesicht gehalten und aufm Tisch wieder geschlagen […] auch dem Büttner Fischer mit über den Kopff zehauen gedrohet […].“975 Der Grenadier Keßler hatte beim Streit über die Wirtshausrechnung dem hessischen Soldaten „Ohrfeigen angeboten, worauf er [der Hesse] gesagt, ein Hunds etc. thäte dieses, da er [Keßler] denn ihm, als er den Degen mit der Scheide ausgezogen über die Hand gehauen“.976 Glücklicher kam der Landregimentssoldat Gernhardt davon, den der Grenadier König attackierte und „etliche mahl mit dem Seitengewehr durch die Thür nach ihm gestoßen und würde ihm gewiß etwas etwas versetzt haben, wenn er nicht etliche Sprünge gethan“.977 Gernhardt bekam wenig später den Grenadier König zu fassen und gab ihm einige Schläge mit dem flachen Säbel über den Rücken, woraufhin König drohte: „Er […] wäre auch ein Feind von ihm und er hätte deren mehrere, er wollte aber sehen, ob er nicht einen oder den andern davon bey Tage attrapiren könnte, würde er aber keinen bey Tage attrapiren können, so wollte er einmahl des Nachts einen solchen Hundsfoth Hauß und Hoff anzünden.“978 Der Alkoholkonsum stellt sich somit als Wurzel zahlreicher Probleme dar. Ihn einzudämmen gestaltete sich aber schwieriger als erwartet. Zwar lässt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als man ausufernde Trinkgelage als zunehmend unangebracht empfand, eine allmähliche Mäßigung des Alkohol- bzw. Branntweinkonsums konstatieren. Eine vollständige Verdrängung
975 976 977 978
ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 19.6.1736, fol. 4v., 11v. u. 5v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 21.10.1723, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 9.1.1737, fol. 5r. Ebd., fol. 5v.
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von Trinkgelagen fand jedoch nicht statt.979 Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Branntwein zunehmend aus billigeren Kartoffeln hergestellt wurde und der Konsum noch weiter zunahm, sprachen einige Zeitgenossen bereits von einer „Branntweinpest“,980 welche die Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts einschneidend prägte.
979 Hasso SPODE, „Der Sauf bleibt ein allmächtiger Abgott bei uns Deutschen“. Trunkenheit als Baustein der nationalen Identität, in: Gerhard NEUMANN, Hans Jürgen TEUTEBERG, Alois WIERLACHER (Hg.), Essen und kulturelle Identität. Europäische Perspektiven (= Kulturthema Essen, Bd. 2), Berlin 1997, S. 293. 980 Vgl. Heinrich ZSCHOKKE, Die Branntweinpest. Eine Trauergeschichte zur Warnung und Lehre für Reich und Arm, Alt und Jung, Aarau 1837.
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Abbildung 5: Verhörprotokoll des Gardetrompeters Johann Daniel König, 1721. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 35, fol. 444r)
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4.4.3.5 Die Einquartierung und das Verhältnis zur Zivilbevölkerung Das Hildburghausen des 18. Jahrhunderts war wesentlich durch die Koexistenz einer militärischen und zivilen Gesellschaft geprägt.981 Am deutlichsten berührten sich beide Milieus im Rahmen des Einquartierungssystems. Dieses entstand gleichzeitig mit der zunehmenden Etablierung der stehenden Heere.982 Während die Söldnerheere des Dreißigjährigen Krieges hauptsächlich für die Dauer des Konfliktes geworben wurden und sich aus den besetzten Landstrichen versorgten,983 entstand mit dem stehenden Heer eine regulierte Truppe, die auch in Friedenszeiten in Dienst behalten wurde und verpflegt werden musste.984 Damit ergab sich für den frühneuzeitlichen Staat ein logistisches Problem, welches man in ganz Europa unter Zuhilfenahme der Zivilbevölkerung löste. Im Allgemeinen stand am Ende die staatsrechtlich nicht immer eindeutig herzuleitende Verpflichtung der Landesuntertanen,985 gegen verschiedene Vergünstigungen fürstliche Soldaten in Haus und Wohnung aufzunehmen und zu bewirten. Dies galt umso mehr, da nur die wenigsten Territorialstaaten des Reiches über die Ressourcen und den logistischen Weitblick verfügten, eigens angelegte Kasernen für das Militärpersonal zu errichten.986 Der bedeutende zeitgenössische Staatsrechtler Johann Jacob
981 Ralf PRÖVE, Der Soldat in der „guten Bürgerstube“. Das frühneuzeitliche Einquartierungssystem und die soziökonomischen Folgen, in: Bernhard KROENER (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1996, S. 192, Anm. 6. Der Begriff „zivil“ soll an dieser Stelle als Unterscheidungskriterium zum militärischen Milieu im 18. Jahrhundert genutzt werden. Nachfolgend wird sich zeigen, dass es ein je eigenes ziviles und militärisches Selbstverständnis gab, welches sich voneinander unterschied und abgrenzte. 982 Johann KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 153, Berlin 1830, S. 371. 983 Helmut SCHNITTER, Absolutismus und Heer. Zur Entwicklung des Militärwesens im Spätfeudalismus (= Militärhistorische Studien, Bd. 25), Berlin 1987, S. 23; LINNEBACH, Die stehenden Heere, S. 96. 984 PRÖVE, Der Soldat in der „guten Bürgerstube“, S. 197; SCHNITTER, Absolutismus und Heer, S. 37. 985 Auf die bereits bei zeitgenössischen Staatsrechtlern vorhandene Uneinigkeit wies Johann Samuel ERSCH, Johann Gottfried GRUBER (Hg.), Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 32, Leipzig 1839, S. 323 f. umfassend hin. Hier heißt es u. a.: „Denn die übrigen [Einteilungen der Einquartierung und Definitionen], welche wir in den Schriften, besonders der Rechtsgelehrten finden, sind theils veraltet, theils nicht logisch scharf, größtentheils aber das Erzeugniß der falschen Ansichten, von denen man bei Beurtheilung der Einquartierung ausging und zum Theil noch ausgeht.“ 986 Im 18. Jahrhundert existierten Kasernen nahezu ausschließlich in Festungen und Festungsstädten. Frühe städtische Kasernenbauten fanden sich in Potsdam, Hameln oder Hannoversch Münden. In Preußen setzte ein großflächiger Kasernenbau erst ab den 1770er Jahren ein, siehe MUTH, Flucht aus dem militärischen Alltag, S. 114; PRÖVE, Der Soldat in der „guten Bürgerstube“, S. 201; Christopher DUFFY, The Military Experience
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Moser formulierte zur Einquartierung schlicht: „[Es] müssen freylich die landesherrliche Völcker, so vi[e]l der Herr deren zu halten berechtigt ist, bey denen Unterthanen einquartiert werden und di[e]se können sich desselben nicht entziehen.“987 Dieser nicht näher begründeten Haltung stimmte man im Untersuchungszeitraum allgemein zu.988 Der historische bzw. staatsrechtliche Ursprung der Einquartierung lässt sich indes nur schwer fassen: Während die Reichsgesetze zwar die Einquartierung der Reichs- und Kreistruppen in Kriegszeiten regelten,989 schwiegen sie sich zur Einquartierung fürstlicher Haustruppen vollends aus. Indessen kann konstatiert werden, dass fast alle Staatsrechtler den historisch-juristischen Ursprung des Einquartierungsrechts in der antiken römischen Tradition990 sahen und dieses bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts als „althergebrachten“ Bestandteil der fürstlichen Landeshoheit verstanden und nicht mehr in Frage stellten.991 Damit war die Zivilbevölkerung dem fürstlichen Willen weitgehend hilflos ausgeliefert und gezwungen, die Soldaten in den eigenen vier Wänden aufzunehmen. Wie zahlreiche Reglements und Verordnungen beweisen, etablierte sich das Einquartierungssystem in den letzten Dekaden des 17. Jahrhunderts zusehends in Europa und im Reich.992 An dieser Stelle muss der allgemeine Begriff der Einquartierung noch einmal typologisch näher bestimmt bzw. ausdifferenziert werden: Zum einen konnte es sich dabei um die Einquartierung fremder oder verbündeter Truppen in Kriegszeiten oder im Rahmen von Winterquartieren handeln. Diese Form der Einquartierung stand in enger Verbindung mit dem jeweiligen Feldzugsgeschehen, war dessen Bedürfnissen angepasst und unterlag daher meist keinem Reglement. In Kriegszeiten wurde zudem des Öfteren sowohl die feindliche als auch die verbündete Einquartie-
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in the Age of Reason, London 1987, S.127. Auch die hildburghäusische Festung Heldburg erfüllte im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts die Funktion einer Kaserne. MOSER, Von der Landes-Hoheit in Militär-Sachen, S. 143. Der zeitgenössische Jurist Ernst Christian WESTPHAL, Das teutsche Staatsrecht in wissenschaftlich geordneten und mit praktischen Ausarbeitungen bestärkten Abhandlungen und Anmerkungen über dessen wichtigste Gegenstände, Leipzig 1784, S. 506 schrieb beispielsweise: „Die Einquartierung müssen die Unterthanen, soweit die Militair-Kosten auf sie Reichs-gesetz- oder obersvanzmäßig fallen, ebenfalls übernehmen.“ Georg Friedrich WIESAND, Dissertatio de metatis, Leipzig 1815, S. 8 f. „Obgleich die römischen Gesetze wegen der ganz veränderten Militair- und Einquartierungsverfassung in Teutschland nur höchst beschränkt Anwendung finden können, so ist doch nicht zu verkennen und es lag in der Natur der Sache, daß mit Annahme des römischen Rechts in Teutschland auch diese Gesetze sich hier geltend machten“, ERSCH, GRUBER (Hg.), Allgemeine Encyclopädie, Bd. 32, S. 326. Anders lässt es sich nicht erklären, dass selbst in Zedlers Enzyklopädie unreflektiert vom Quartierrecht die Rede ist als „eine Beschwerniß oder Verpflichtung derer Unterthanen, ihrer hohen Landes-Herrschafft auf den Beinen habenden Truppen mit benöthigten Quartieren zu versorgen“, Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 30, Leipzig 1741, Sp. 107. Reglements, die Vorschriften zur Einquartierung enthielten, nahmen in dieser Zeit deutlich zu, siehe LÜNIG, Corpus Iuris Militaris, Pars Generalis, S. 76, 146, 170 f.
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rung mit dem Charakter einer Repressalie genutzt, um politische Ziele durchzusetzen. Im Gegensatz dazu stand die Einquartierung fürstlicher Haustruppen im eigenen Territorium. Die Ausformungen dieses Systems unterschieden sich regional und waren dem Einfluss der jeweiligen Landesherren stark unterworfen. Auch im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen existierte kein allgemeingültiges Regelwerk. Hier vollzog sich vielmehr eine immer wieder aufs Neue den veränderten Umständen anpassende Entwicklung. Die wichtigste Quelle zum Einquartierungssystem in SachsenHildburghausen stellt ein um 1755 verfasstes Memorandum eines unbekannten Autors dar.993 Als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Ausführungen kann eine einleitende Bemerkung des Autors gelten, der konstatiert: „Das schlimmste dabey [bei der Einquartierung] ist, daß kein festgesetztes Regulatio dabey vorhanden und von einer Zeit zur andern auch immer wieder andere Principia zum Grund gesetzt werden, so wider die vorigen anstehen und damit die Sache immer pervirter, besonders denen, so damit zu thun haben, unmöglich wird, länger mit solchem Werck zurecht zu kommen. Und wie ist’s auch möglich, daß jemand regelmäßig handeln soll, wo keine Regeln vorhanden.“994 Diese zeitgenössische Bemerkung beschreibt die teilweise verzweifelte Situation im Hildburghausen des 18. Jahrhunderts treffend. Seitdem sich Herzog Ernst im Jahre 1683 für die Errichtung eines Residenzschlosses in Hildburghausen entschieden hatte, hatte die kleine, ländlich geprägte Stadt einen Prestigezuwachs erlebt. In den kommenden Jahren genoss die Bürgerschaft zwar den wirtschaftlichen Aufschwung einer sich etablierenden Residenzstadt,995 geriet gleichzeitig aber zusehends in Konflikt mit der herzoglichen Regierung. Der Herzog und seine Regierung beabsichtigten, in Hildburghausen nach eigenem Gutdünken zu walten. Das Verhältnis zwischen herzoglicher Regierung und städtischer Verwaltung war daher den gesamten Untersuchungszeitraum hindurch angespannt. Besonders in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts griff die herzogliche Regierung wiederholt in städtische Rechte ein, was eine latente Skepsis des Stadtrates gegen alle herzoglichen Vorhaben zur Folge hatte.996 993 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, Pro Memoria die Einquartierung der Garde betreffend. Der Autor bzw. die Autoren stammten zweifelsfrei aus dem städtischen Umfeld und ergreifen Partei für die Stadt. Als Adressat konnte Herzog Ernst Friedrich III. Carl oder ein herzoglicher Rat gelten. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um ein vom Hildburghäuser Stadtrat gemeinschaftlich verfasstes Schriftstück. 994 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, Pro Memoria die Einquartierung der Garde betreffend, fol. 1r. 995 Generell zur Entwicklung thüringischer Residenzstädte in der Frühen Neuzeit vgl. Uwe SPANNAUS, Stadt und Residenz, in: Konrad SCHEURMANN (Hg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Bd. 3, Mainz 2004, S. 172–181. 996 Aus den Verordnungen und Reskripten der herzoglichen Regierung seien nur einige Beispiele genannt: Bereits 1686 verbot Herzog Ernst der Stadt den Marktverkauf von
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Einer der längsten und bedeutendsten Konflikte zwischen städtischer Verwaltung und herzoglicher Regierung entspann sich um die militärische Einquartierung in Hildburghausen. Bereits seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Stadt von längerfristiger kriegerischer Einquartierung verschont geblieben. Um diesen Zustand auch rechtlich zu fixieren, erwarb die Stadt im Jahre 1679 für fünftausend Gulden eine fürstliche Garantie, mit keiner Einquartierung belegt zu werden.997 Diese noch vor der gothaischen Landesteilung erworbene Garantie erstreckte sich jedoch lediglich auf die Einquartierung in Kriegszeiten, und dies hielt man in Hildburghausen zunächst für vollständig ausreichend.998 Die Verlegung der fürstlichen Residenz in die Stadt änderte an dieser Situation zunächst wenig. Die herzogliche Familie empfing des Öfteren Verwandte oder Fürsten aus anderen Territorialstaaten des Reiches, deren Bedienstete und Lakaien als Zivilisten in die Bürgerhäuser der Stadt einquartiert wurden, ohne dass es zu größeren Konflikten gekommen wäre.999 Als Ernst Friedrich I. 1717 die Errichtung fürstlicher Garden projektierte, kam Hildburghausen erstmals mit längerfristiger Einquartierung in Berührung. Die Bürger hatten keine Mittel, sich zur Wehr zu setzen, und waren wohl oder übel angehalten, binnen kürzester Zeit mehrere Dutzend Soldaten in ihre Wohnstuben aufzunehmen. Prinzipiell war jeder Stadtbürger zur Einquartierung verpflichtet, soweit er Haus- oder Wohnungseigentümer war; die Einquartierungslast haftete auf dem Besitz.1000 Ausnahmen stellten lediglich der Bürgermeister sowie jene Personen dar, die bereits fremde fürstliche Be-
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Obst an Sonn- und Feiertagen. 1708 wurde die Stadt zur Verbesserung des Brauwesens verpflichtet und 1717 führte ein Streit um Teile des städtischen Waldes zu öffentlichen Aufläufen der Bürger. In den Jahren 1684 bis 1713 wies die herzogliche Regierung den Stadtrat dreimal darauf hin, die Straßen der Stadt gründlicher zu säubern, siehe Landesgesetze und Verordnungen, S. 3, 42, 75, 87. Dieses Dokument ist nicht mehr auffindbar, die Existenz daher nur indirekt überliefert. Am 14. Juli 1719 ließen sich Bürgermeister und Stadtrat das Reskript von 1679 erneut durch Herzog Ernst Friedrich I. bestätigen. Im Akt: „Als erklären […] Wir Uns in Gnaden dahin und versichern, daß Unsere Fürstliche Residenz-Stadt Hildburghaußen bey denen Durchmarchen gäntzlich befreyet seyn und zu denen dabey vorfallenden Kosten, Fuhren oder dergleichen etwas beyzutragen keinesweges schuldig, sondern krafft dieses in alle Wege damit verschonet seyn solle.“ KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2060, 14.7.1719, fol. 2r. Die im Jahre 1700 errichtete Schlossgarde wurde nicht bei den Bürgern einquartiert, sondern scheint in der Corps de Garde des Schlosses untergekommen zu sein. Die Einquartierung konnte dennoch einen Mieter treffen. Es konnte vorkommen, dass ein Vermieter als Quartierwirt assigniert war und den Soldaten nicht in seine eigene Wohnung nehmen wollte. In diesem Fall war es möglich, mit einem Mieter einen Mietzinsnachlass zu vereinbaren. Dann nahm Letzterer den Soldaten aus, vgl. KRÜNITZ (Hg.), Oeconomische Encyclopädie, Bd. 153, S. 373.
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dienstete in ihre Wohnungen aufnahmen.1001 Zu diesem frühen Zeitpunkt wurde den Quartierwirten noch kein reguläres Quartiergeld ausgegeben. Vielmehr versprach die herzogliche Regierung als Kompensation eine Abrechnung auf jährlich anfallende Steuern, ohne jedoch diesen Modus genauer zu spezifizieren. Gegen Ende der Regierungszeit Ernst Friedrichs I. beschwerten sich zahlreiche Bürger der Stadt wiederholt, da noch keine Abrechnung auf die Steuern erfolgt sei. Der Stadtrat konnte keine Auszahlung bzw. Abrechnung bei der herzoglichen Regierung erlangen und die Bürger – aufgrund bereits aufgelaufener Rückstände mehrerer Jahre – daher ebenfalls nicht ausbezahlen. Da auch Verhandlungen über Zuschüsse seitens der Landstände unterblieben waren, trugen die Bürger von Hildburghausen sowie die Stadtkasse die fürstliche Einquartierung bis zum Jahre 1725 allein. Aufgrund der aufgelaufenen Schulden war man von städtischer Seite aus nun nicht mehr bereit, die Einquartierungslast zu tragen, zumal der Stadtrat verlauten ließ, dass es in anderen Reichsterritorien anders gehalten werde. Herzogin Sophie Albertine, die zu diesem Zeitpunkt die Regentschaft in Sachsen-Hildburghausen führte, ließ bei anderen ernestinischen Residenzen schriftlich anfragen, wie die Finanzierung der Einquartierung in den jeweiligen Territorien geregelt sei. Sie erhielt u. a. aus Meiningen zur Antwort, dass es stets eine „landschafftliche Sache, so das ganze Land angehe, seye“.1002 Auf dem folgenden Landtag erklärte sich die Stadt Hildburghausen bereit, für ein jährliches Quartiergeld von vier Gulden pro Mann die Einquartierung gutwillig zu übernehmen. Die Landstände gewährten die Übernahme von drei Gulden zu, wohingegen die Stadt den restlichen Gulden zuschoss. Auf Grundlage dieser Prinzipien wurde das Einquartierungssystem in Hildburghausen bis zur Abdankung der Grenadiergarde im Jahre 1770 praktiziert. Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung bzw. Abfindung mit den gegebenen Tatsachen scheint die Einquartierung in Hildburghausen allgemein akzeptiert gewesen zu sein. Nachdem die Stadt nach der erstmaligen Abdankung der Garde 1737 eine 13-jährige Phase ohne Einquartierung fürstlicher Haustruppen erlebt hatte, schien es unter Herzog Ernst Friedrich III. Carl umso schwerer, erneut an diese alte Tradition anzuknüpfen. Wie bereits erwähnt, ließ der Herzog im Jahre 1750 binnen kürzester Zeit Soldaten anwerben und teilweise sogar ausheben. Als diese Truppe nach gescheiterten Subsidienverhandlungen mit den Vereinigten Niederlanden als fürstliche Garde umfunktioniert werden sollte, stand plötzlich erneut die Frage der Einquartie1001 ULB Halle, PonWe 2494, 4°, 112, fol. 1r. Verordnung wegen Einquartierung der fürstlichen Garde v. 18.11.1718. 1002 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, Pro Memoria die Einquartierung der Garde betreffend, fol. 1v.
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rung im Raum. Im November 1750 „ließen Serenissimus sich erkundigen, was wegen der gnädigst anverlangten Einquartierung des Füsilier Regiments1003 Senatus zu thun entschloßen und was bereits deßhalb vor Anstalt vorgekehret“.1004 Die herzogliche Regierung ließ den Stadtrat wissen, dass „man von denen guten Gesinnungen des Stadt-Raths und der Bürgerschafft gegen Serenissimum versichert wäre und nicht glaube, daß diese sich [in Sachen der Einquartierung] von Widriggesinnten würden irre machen laßen“.1005 Bürgermeister und Stadtrat von Hildburghausen waren aufgeschreckt und führten noch einmal das aus dem Jahre 1679 stammende Reskript an, welches der Stadt die Freiheit von Einquartierung zusicherte. Von herzoglicher Seite wurde darauf erwidert, dass „man zwar ein[gestünde], daß die Residenz von der Einquartierung frey wäre, dieses aber sey von auswärtig- und durchmarchirenden Trouppen, nicht aber von denen dem Landesfürsten zugehörigen Soldaten zu verstehen“.1006 An dieser Argumentation, die zwar formal korrekt war, zeigt sich dennoch der respektlose Umgang der herzoglichen Regierung mit den Vertretern der Stadt in militärischen Angelegenheiten. Tatsächlich nämlich wurde der Stadt diese Einquartierungsfreiheit, die 1719 von Herzog Ernst Friedrich I. bestätigt wurde, in Kriegszeiten niemals zugestanden. Bereits im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekrieges, noch stärker aber während des Spanischen Erbfolgekrieges wurde Hildburghausen von durchmarschierenden Truppen mit Quartieren belastet. Offensichtlicher zeigt sich die Doppelzüngigkeit der herzoglichen Regierung am Beispiel der im Winter 1743/44 erfolgten teilweisen Einquartierung eines bayerischen Infanterieregiments während des Österreichischen Erbfolgekrieges.1007 Obwohl die Befreiung der Stadt zugestanden worden war, wurde diese dennoch zur Übernahme von Kriegslasten herangezogen. Es erscheint demnach wenig verwunderlich, wenn auch 1750 von herzoglicher Seite aus wenig Rücksicht auf die städtischen Vertreter genommen wurde. Um der Einquartierung zu entgehen, bot Herzog Ernst Friedrich III. Carl der Stadt den Ankauf mehrerer Häuser in der Hildburghäuser Neustadt an, um diese als Kaserne herrichten zu lassen.1008 All dies wurde von städtischer Seite aus abgelehnt, da „mancher Bürger kaum mit hinlänglichen Betten vor die Seinigen, geschweige vor seinen Soldaten, versehen wä-
1003 Die Grenadiergarde, die faktisch aus einer Kompanie bestand, wurde anfangs als „Füsilierregiment“ bezeichnet. 1004 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 19.11.1750, fol. 1r. 1005 Ebd. 1006 Ebd., fol. 1v. 1007 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 306a/2060. Der Inhaber des Regiments war Prinz Ludwig Friedrich v. Sachsen-Hildburghausen, der den Winter bei seinem Bruder in Hildburghausen verbrachte. 1008 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 19.11.1750, fol. 2r.
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ren“.1009 Der Herzog gab sich nicht zufrieden und verlieh seinem Ansinnen zehn Tage später Nachdruck, indem er in Hildburghausen für 46 Mann neu geworbener Rekruten Quartier verlangte. Am darauffolgenden Tag lud der Stadtrat alle Hausbesitzer vor die Ratsstube und machte ihnen hier die Forderung des Herzogs bekannt. Die Bürger erklärten alle, dass „sie niemahlen anders gehört und gewußt, als daß hiesige Residenz außer Hoffquartier und für das Landregiment von allen übrigen Einquartierungen befreyet seye“.1010 Außerdem „wolle sich auch nicht bey jedem Handwerck und Profession schicken und ohne Abbruch der Nahrung die Gewerbe thun laßen und Soldaten in ihre ordentliche Wohnstube zu nehmen“.1011 Auf städtischer Seite spürte man bereits, dass alles Lamentieren am Ende vergebens sein werde. Daher forderte man zunächst noch ein höheres Quartiergeld, gab sich aber letztendlich mit dem Versprechen zufrieden, die Quartierlast erneut auf Steuern abzurechnen. Dieses System wurde jedoch nur kurzfristig beibehalten. Bereits ab 1752 wurde Quartiergeld an die Quartierwirte gezahlt. In diesen Ausführungen ist bereits zu erkennen, welche stets angespannte Situation in Hildburghausen bestand und dass die Stadt trotz der Zahlung des Quartiergeldes unverhältnismäßig stark belastet war. Sie war der einzige Ort des Fürstentums, der ständig mit Einquartierung belegt wurde. Zwar fanden sich auch in Eisfeld, Ummerstadt, Heldburg und selbst in kleinen Dörfern vereinzelt einquartierte Soldaten, doch handelte es sich hierbei um die Einquartierung von Soldaten, die auf Exekution standen. Diese verblieben vergleichsweise kurz in ihren Quartieren und sind nicht zur regulären Einquartierung zu rechnen. Neben der Befriedigung einfacher logistischer Bedürfnisse kam der Einquartierung in Hildburghausen wie auch anderswo noch tiefergehende Bedeutung zu: Zunächst sollte die niedrige Besoldung des Soldaten mit Hilfe der Einquartierung geschont werden. Mietzahlungen und Wohnungsnot waren dem Soldaten fremd. Zum anderen versprach man sich von der Einquartierung eine gesteigerte gegenseitige Überwachung von Soldaten und Zivilisten.
1009 Ebd. 1010 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/1996, 1.12.1750, fol. 1r. 1011 Ebd., fol. 1v.
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Abbildung 6: Herzog Ernst Friedrich III. Carl v. Sachsen-Hildburghausen (1727–1780) mit blauer Schärpe vom dänischen Elefantenorden, um 1770. Gemälde, Öl auf Leinwand wahrscheinlich von Johann Valentin Tischbein
Am Anfang des Einquartierungsprozesses stand die Erfassung aller einquartierungspflichtigen Bürger in Listen. Auf dieser Grundlage erfolgte die Assignierung der Quartiere an die Mannschaften, wobei auf eine systematische Verteilung nach Korporalschaften geachtet wurde. Diese sollten „auf solche Arthe eingetheilet werden, daß ieder Corporal sein Quartier soviel als möglich in der Mitte
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seiner Mannschafft-Quartier haben, da er selbige auch in allen Allarm beysammen habe, zusammen ziehen und auf den angewiesenen Allarm-Platz führen kann“.1012 Die Organisation und Verteilung der Soldaten auf die städtischen Quartiere, die Bürgermeister und Stadtrat übernahmen, blieb vom Militär losgelöst. Den assignierten Quartierwirten wurde daraufhin ein jährliches Quartiergeld gezahlt, welches in Sachsen-Hildburghausen das 18. Jahrhundert hindurch meist bei 4vier Gulden lag. Mit der Annahme des Quartiergeldes verpflichtete sich der Quartierwirt zunächst zur Einnahme der zugewiesenen Soldaten. Die bloße Aufnahme eines Soldaten in das Quartier reichte jedoch nicht aus, um die Einquartierungspflicht vollständig zu erfüllen. Sie unterteilte sich formal in die Quartierpflicht und die Servispflicht. Letztere „heisset dasjenige, so der Soldat in seinem Quartier ausser dem Obdach zu genüssen hat“.1013 Darunter fiel nicht nur das Dach über dem Kopf, sondern auch die Stellung einer schlichten Kammer mit Bett und Schrank bzw. Truhe. Im Winter wurde erwartet, dass der Quartierwirt dem einquartierten Soldaten Zutritt zur beheizten Stube gewährte, während die Schlafkammer derart eingerichtet sein sollte, dass sich der Soldat darin „vor Kälte bergen könne und nicht nöthig habe, seine Montirung zur Bedeckung zu gebrauchen und selbige dadurch zu verwüsten“.1014 Darüber hinaus musste dem Soldaten gestattet werden, die Feuerstelle des Hauses sowie das Kochgeschirr des Quartierwirtes zur Zubereitung von Speisen zu nutzen. Auch war die Stellung des „kleinen Servis“,1015 der Salz, Pfeffer und Essig umfasste, in Hildburghausen obligatorisch.1016 Waren all diese Voraussetzungen gegeben, so hatte der Quartierwirt seine Pflicht erfüllt und der Soldat sich nicht zu beschweren. Letzterer hielt sich vor allem am Abend und während der Nacht in seinem Quartier auf, pflegte gelegentlich Waffen und Montur und empfing befreundete Kameraden. Während des 18. Jahrhunderts waren in Hildburghausen stets zwischen 50 und 150 Soldaten in die Bürgerhäuser einquartiert. Aufgrund der vergleichsweise geringen Mannschaftszahl der Garden waren die Betten in den Quartieren meist nur von einem Mann belegt,1017 wohingegen 1012 1013 1014 1015 1016
ThStAM, GA Hbn, XXII, 44, Wachreglement 1733, fol. 3r. Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 37, Leipzig 1743, Sp. 481. Ders., Universallexicon, Bd. 57, Leipzig 1748, Sp. 994. Auch als „Salz und Sauer“ bekannt. Die Stellung des vollständigen „kleinen Servis“ war nicht überall obligatorisch. Ähnlich wie in Sachsen-Hildburghausen verhielt es sich u. a. in Kursachsen und Preußen. In der Kurpfalz oder in Kurbayern erhielten die Soldaten beispielsweise lediglich das Salz gestellt, siehe Oskar BEZZEL, Die Geschichte des Kurpfälzischen Heeres, Bd. 1, München 1925, S. 384; Karl STAUDINGER, Geschichte des Bayerischen Heeres, Bd. 1, München 1901, S. 378; KUTSCHE, Kriegsbild, Wehrverfassung und Wehrwesen, S. 298 f. 1017 Im Gegensatz dazu waren in Territorien mit umfangreicherem Militär die Betten in Quartieren meist zweischläfrig, d. h. sie wurden von zwei Soldaten im Turnus genutzt. In
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durchaus mehrere Soldaten bei einem Quartierwirt unterkamen. Der Quartierwirt erhielt zwar das Quartiergeld auf jährlicher Berechnungsgrundlage, hatte jedoch nicht über das gesamte Jahr hinweg denselben Soldaten im Quartier. Vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war es in Hildburghausen üblich, die Quartiere nach sechs Monaten zu wechseln. Wie in jeder Stadt so unterschieden sich auch die Bürgerhäuser in Hildburghausen durch Platzangebot, Ausstattung und Lebensweise der Bewohner. Mit der Verschiedenheit der einzelnen Quartiere variierte auch die Qualität der Einquartierungen. Während in dem einen Quartier ausreichend Platz war und gut gekocht wurde, handelte es sich bei dem anderen um ein dumpfes und kaltes Quartier. Die von obrigkeitlicher Seite aus faktisch nicht zu gewährleistende Egalität der Quartiere führte bei einigen Soldaten zu Unzufriedenheit über die persönliche Einquartierungssituation. Da dies häufiger vorkam, entstand ein zunehmender Gegensatz zwischen den Gardesoldaten und der Hildburghäuser Bürgerschaft. Das bereits angeführte, um 1755 entstandene kritische Memorandum führt zur Situation in Hildburghausen aus: „Seit dann aber zeithero der Glaube unter die Soldatesque gekommen, daß jedes bürgerliche Haus Soldaten zu bequartieren an und für sich schuldig und ihre Wirthe […] sie desto beßer bequartieren und bedienen müßen. So ist des Klagens von beyden Theilen kein Ende.“1018 Falls dem Soldaten das angewiesene Quartier aus einem Grund nicht zusagte, konnte er vom Quartierwirt die bare Auszahlung des Quartiergeldes verlangen und sich damit selbst auf die Suche nach einem potentiell geeigneteren Quartier begeben. Dieser Vorgang wurde als Ausquartierung oder Ausmietung bezeichnet. Gelegentlich fanden sich auch ausquartierte Soldaten zusammen und begaben sich gemeinsam auf Quartiersuche. Tatsächlich lässt sich während der Regierungszeit Ernst Friedrichs III. Carl eine gesteigerte Ausmietungspraxis nachweisen.1019 Zahlreiche Einquartierungszeiten lagen hier deutlich unter sechs Monaten. Manche Soldaten hielt es lediglich sechs Wochen in ihrem Quartier. Dieser vom Militär nicht gesteuerte und zahlreich vorkommende Quartierwechsel lässt sich am Beispiel des Grenadiers Johann Peter Sauerbrey illustrieren. Sauerbrey war Student und stammte aus Königsberg. Er ließ sich am 7. April 1751 unter die hildburghäusische Grenadiergarde anwerben. Bis Mai desselben Jahres befand er sich mit fünf anderen Kameraden im Quartier beim Bäcker Johann Michael Schneyer. Anschließend folgte eine Ausquartierung und Verlegung an einen unbekannten Ort. Am Kursachsen wurden zwei Betten von drei Mann belegt, vgl. MUTH, Flucht aus dem militärischen Alltag, S. 60; FLEMMING, Der vollkommene teutsche Soldat, S. 381. 1018 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, Pro Memoria die Einquartierung der Garde betreffend. 1019 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/2009 ist eine erhaltene Quartierliste der Garde aus den Jahren 1751/52.
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4. November 1751 wohnte Sauerbrey gemeinsam mit einem anderen Kameraden beim Leinweber Philipp Hanft, wo beide bis zum 30. Mai 1752 blieben. Anschließend gelangten die beiden in ein anderes Bürgerquartier, von wo aus Sauerbrey am 31. Oktober 1752 desertierte. Gelegentlich kam es auch vor, dass einzelne Bürger die Einquartierung vollends verweigerten. Im März 1752 beispielsweise hatte Ernst Friedrich III. Carl „anbefehlen laßen, daß der hiesige Bürger und Maurer Johann Georg Schnetta das Quartiergeld für den Recrouten Trescher an den Schlundwirt Mitzenheim, weil selbiger [Trescher] sich allda wegen verweigerter Einnehmung gegen das auf ihn, den Schnetta, gestellte Billet [des] Einzuquartierten gemüsiget gefunden, zu bezahlen“.1020 Problematischer als die vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vielfach erfolgten Ausquartierungen war die Einquartierung von Soldaten mit Ehefrau und Kindern. Obwohl der Anteil der verheirateten Soldaten in Sachsen-Hildburghausen vergleichsweise gering ausfiel, reichte dies doch aus, um einige Ungelegenheiten in den Quartieren zu verursachen. Das Memorandum berichtet über „die große Beschwehrlichkeit, Überlast, den Verdrus, Hindernis und Schaden, so ein Hauswirth, so eine ganze Familie beständig Tag und Nacht in seiner Stube, Küche, vor dem Ofen, etc. überstehen und Häfen, Holz und Gefäß zum kochen und waschen vorhalten muß; und diejenigen, so solches empfinden oft mit Weinen beklagen, [dies] hat bey vielen bereits so zu sagen Anlaß zum Gelübd gegeben, daß sie kein Hauß auf die Art geschenkt haben mögten“.1021 Zudem war es zu mehreren Vorfällen gekommen, bei denen die Soldatenfrauen erwarteten, von den Quartierwirten bedient zu werden. Aufgrund derartiger Vorfälle wurde versucht, die „Beweibten oder unter sich selbst so genannten Weiberkerle“ nach dem Tode Ernst Friedrichs I. nur noch sporadisch anzuwerben. Den verheirateten Männern fiel das Soldatenleben zusätzlich schwer, da in Sachsen-Hildburghausen keine erhöhten Quartiergelder für Soldaten mit Ehefrau und Kind gezahlt wurden – alle Soldaten, ganz gleich welchen Familienstandes, erhielten gleich viel Quartiergeld zugewiesen. Dies führte ebenfalls zu häufigen Ausquartierungen; so war es gängige Praxis, dass sich verheiratete Soldaten mit dem Quartiergeld selbständig um ein geeignetes Quartier zu kümmern hatten. Sie schlossen dabei Privatverträge mit Vermietern ab und waren stark von Mietpreisschwankungen betroffen. Des Weiteren waren die Laufzeiten der Verträge individuell gestaltet und teilweise sehr kurz, was zu häufigen Umzügen Anlass gab.1022 In Sachsen-Hildburghausen 1020 KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, 279/1996, 20.3.1752, fol. 1r. 1021 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, Pro Memoria die Einquartierung der Garde betreffend. 1022 Im Jahre 1720 schloss der Unteroffizier Lehmann mit einem Bürger aus Hildburghausen einen privaten Kontrakt mit einer Laufzeit von drei Monaten, vgl. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, B 152, pag. 160.
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war dennoch „solches der Grundsatz gewesen, daß Serenissimus Mannschafft und keine Weiber werben und unterhalten ließen und daher diese nichts besonders zu genießen, sondern selbst für sich zu sorgen hätten“.1023 Es ist evident, dass das Einquartierungssystem häufig Konfliktsituationen zwischen Bürgern und Soldaten generierte. Den beengten räumlichen Verhältnissen kam dabei eine besondere Rolle zu. Dieser Befund deutet auch auf die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stattfindende Konstituierung einer bürgerlichen Privatsphäre hin. Genau hier wird die Abgrenzung zwischen „ziviler“ und „militärischer“ Welt mit ihren jeweiligen Selbstverständnissen fassbar. In diesem Zusammenhang spielen auch Vorurteile über den jeweils anderen eine große Rolle: So sahen Bürger oder Quartierwirte Soldaten als unkultivierte Personen, die sie in ihrer individuellen Lebensweise bzw. -situation störten. Der Soldat hingegen sah Bürger und Quartierwirt – aber auch Zivilisten allgemein – als ehrabschneidend und respektlos an.1024 In einer Situation wie der Einquartierung, die überhaupt nur aufgrund gegenseitiger Akzeptanz funktionieren konnte, mussten sich derartige Antipathien zwangsläufig konfliktträchtig auswirken. Ein gutes Beispiel hierzu ist der Fall des verheirateten Unteroffiziers Lehmann, der 1719 in Hildburghausen mit einem Bürger einen Mietvertrag abschloss. Vor Ende des Vertrages kündigte der Bürger dem Unteroffizier den Vertrag unter dem Vorwand auf, „da er des Nachts sein Hauß nicht offen laßen [könne] und müßte sein Hauß inwendig renovieren“.1025 Lehmann wies den Vermieter darauf hin, dass solches dem Vertrag zuwiderlaufe, worauf es zu heftigen Streitigkeiten zwischen beiden kam. Der Unteroffizier beschwerte sich daraufhin beim Stadtrat, der den Vermieter zur Ordnung gegenüber dem Soldaten aufrief, was jedoch ohne Wirkung blieb. Vielmehr eskalierte der Konflikt derart, dass der Vermieter und seine Frau grobe Beschimpfungen ausstießen: „Sie wären lose Leuthe, Soldatenpack, Liebermanns [des Vermieters] Frau hätte Klägers Frau eine Hure und Canaillie geheißen, noch mehr einen Flegel und Reckel ihn Kläger gescholten […].“1026 Dem Vermieter erwiderte der Soldat, „er sollte das Maul halten und an gehörige Orthe gehen und klagen“,1027 worauf der Vermieter entgegnete, „er wollte sie schon zum Hauß hinausbringen“.1028 Tatsächlich gelang es dem Vermieter nicht, den Soldaten loszuwerden. Der vorgelegte Mietvertrag stützte zweifelsfrei die Aussagen des Unteroffiziers, und der Vermieter wurde zu 14 Tagen Schanzarbeit verurteilt. Auch wenn der Fortgang des Mietverhält1023 1024 1025 1026 1027 1028
KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, B 152, pag. 160. Zu diesem Ergebnis kommt auch PRÖVE, Der Soldat in der „guten Bürgerstube“, S. 215. KreisA Hildburghausen, Stadt Hildburghausen, B 152, pag. 159. Ebd., pag. 161. Der Vermieter bestätigte später die Anschuldigungen des Unteroffiziers. Ebd. Ebd.
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nisses nicht weiter geklärt werden kann, steht der vorliegende Fall doch stellvertretend für eine Vielzahl von Konflikten, die sich um die Einquartierung entspannten. Gewalt – egal ob verbaler oder physischer Natur – war dabei stets im Spiel. Wolfang Endter, der Quartierwirt des Grenadiers Johann Friedrich Stelzner, konnte sich 1734 glücklich schätzen, an dem Abend außer Haus zu sein, an dem der Soldat betrunken eintraf und lauthals verkündete, „er wolle dem Quartierwirt den Kopf entzwey hauen“.1029 Stelzner begann, das Mobiliar mit seinem Seitengewehr zu zertrümmern. Ebenso deutlich drückte sich im Jahre 1737 der Grenadier König aus, als er einem Wirt sagte, „er wollte da bleiben biß morgen zu früh und ihm Soldaten Manier lernen“.1030 All diese Äußerungen weisen auf eine tiefe Kluft zwischen ziviler und militärischer Welt hin. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die Einquartierung bzw. allgemein das zivil-militärische Zusammenleben durchweg negativ zu konnotieren.1031 Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Einquartierungssystem mehr als vierzig Jahre lang in Hildburghausen praktiziert wurde, damit einhergehend aber vergleichsweise wenige Konflikte überliefert sind. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Einquartierung von der Mehrheit der Bürgerschaft Hildburghausens akzeptiert und wohl oder übel ertragen wurde. Nachfolgend soll der Blickwinkel auf die Einquartierung durch die allgemeine Betrachtung des Verhältnisses zwischen Soldaten und Zivilisten erweitert werden. Obwohl sich für Sachsen-Hildburghausen nachweisen lässt, dass zahlreiche Konflikte und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Zivilisten und Soldaten stattfanden, relativieren diverse Archivbefunde dieses Bild. Dies steht der vermeintlich allgegenwärtigen Konfliktsituation entgegen und trägt zu einer ausgewogeneren Sichtweise auf das Zusammenleben bei. Der Grenadier Christoph Schuchart war im Jahre 1721 „auf der Kapelle“, vor dem Eisfelder Tor und außerhalb der Stadtmauer gelegen, einquartiert. Da es ihm hier nicht sonderlich gefiel, besuchte er des Öfteren das Nachbarhaus. Hier wohnte der Tagelöhner Hans Döhler mit seiner Frau Catharina, die dazu noch ein junges Mädchen, deren Vater außer Landes war, aufgenommen hatten. Alle Haushaltsmitglieder unterhielten ein freundschaftliches Verhältnis zu den Soldaten: Der Grenadier Andreas Wickler spielte regelmäßig mit dem Mädchen Karten, und Schuchart schenkte dem Hausherrn sogar 1029 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, April 1734, fol. 1v. 1030 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 9.1.1737, fol. 3r. 1031 Dies geschah vor allem durch die ältere Forschung. Im Zuge der „neuen“ Militärgeschichte und der Vergrößerung der Quellenbasis zu diesem Phänomen erfolgen die Beurteilungen nunmehr weitaus differenzierter, vgl. PRÖVE, Der Soldat in der „guten Bürgerstube“, S. 194.
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zwei Paar Gamaschen mit den Worten: „Da habt ihr 2 paar alte Gamaschen, sie seynd nicht viel mehr Nutz, euer Jung aber kann sie noch anziehen.“1032 Verstärkt wird der Eindruck des freundschaftlichen Verhältnisses noch durch die Tatsache, dass Döhlers Frau später aussagte, der Grenadier Schuchart „sey einmahl auf Execution gewesen und habe ein lb. Fleck1033 zu ihr gebracht, welche sie ihm habe müßen kochen, worauf Wickler noch zu kommen und mit gegeßen.“1034 Im Rahmen des Verhältnisses zwischen Zivilisten und Soldaten kam der Desertion eine bedeutende Rolle zu. Sollte die Einquartierung in Bürgerhäusern, die meist innerhalb der Stadtmauer lagen, u. a. der Kontrolle der Militärangehörigen dienen, so hatte diese Intention oft eine gegenteilige Wirkung. Die Soldaten, die mit Quartierwirten auf engstem Raum lebten und auch mit anderen Zivilisten gute Beziehungen unterhielten, standen oft in einem freundschaftlichen Verhältnis zueinander, das von gegenseitiger Hilfeleistung geprägt war. Ein desertierter Soldat, der sich in einer Notsituation befand und auf Hilfe angewiesen war, fand diese häufig bei seinen zivilen Bekannten. Dabei gingen die Zivilisten selbst ein hohes persönliches Risiko ein. Der 1723 desertierte Grenadier Johann Erhard Röhring begab sich im Verlauf seiner Flucht in das Haus eines bekannten Schusters in Gemünda. Dessen Frau gab dem Grenadier nach einiger Zeit zu verstehen: „Ach, zu trauter Hanß, es sind wieder 4 Grenadier hier, ich kann dich in meinem Hauß nicht behalten, wenn sie dich hier antreffen, komme ich in die größte Straff […].“1035 Die in Sachsen-Hildburghausen verhängten Strafen für das Verbergen eines desertierten Grenadiers variierten von vierwöchiger Schanzarbeit bis hin zu einer nicht näher definierten empfindlichen Leibesstrafe. Trotz allem leisteten Zivilisten den Desertionsvorhaben der Soldaten gelegentlich sogar noch Vorschub und statteten diese mit allen nötigen Utensilien zur Flucht aus. Als die Grenadiere Wickler und Schuchart im November 1721 desertierten, dementierten Hans und Catharina Döhler vergebens, davon gewusst zu haben; schließlich hielten sich beide Soldaten regelmäßig bei ihnen auf, pflegten privaten Umgang und übernachteten gelegentlich sogar im Haus.1036 Dass dies auch am Vortag der Desertion der Fall gewesen war, erschwerte die Verteidigung der Eheleute, die Desertionskomplizen Wicklers und Schucharts waren, noch zusätzlich. Im Allgemeinen waren Zivilisten gegenüber Soldaten eher misstrauisch eingestellt. Unbekannte Soldaten, die Zivilisten begegneten, wurden von diesen meist nach ihrem Weg befragt und auch bewusst als De1032 1033 1034 1035 1036
ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 4r. Kuttelsuppe. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 6v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 3v. „Früh aber hätte er [Hans Döhler] gesehen, daß ihre Flinten beym Ofen gelehnet und die Küttel drauf gehenget gewesen“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 3r.
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serteure erkannt. Des Öfteren befanden sich desertierte Soldaten aber auch in einer solch ausweglosen Situation, dass sie sich freiwillig bei Zivilisten als Deserteure zu erkennen gaben. Diese Soldaten wandten sich häufig mit der Bitte um Rat an die Zivilisten und eröffneten diesen ihren Werdegang. Der desertierte Grenadier Johann Röder traf im Jahre 1723 in Völkershausen den dortigen Hirten und vertraute sich diesem an. Der Hirte riet dem Soldaten, sich in Hildburghausen zu stellen; er selbst sei im Spanischen Erbfolgekrieg aus Landau desertiert und es gebe noch Hoffnung auf Gnade.1037 Dasselbe empfahl dem Soldaten später der Knecht aus der Seidingstädter Stuterei. In Völkershausen hielt sich Röder insgesamt sechs Tage auf, „in Meynung daselbsten einen guten Menschen anzutreffen, der ihme rathen mögte, wie ers machen sollte, daß er wieder zur Compagnie käme“.1038 Tatsächlich rieten die meisten Zivilisten den Soldaten zur Umkehr und Aufgabe des Desertionsvorhabens. Ob dies als guter Rat gedacht war oder lediglich aus Furcht bzw. Respekt vor der territorialstaatlichen Obrigkeit geschah, lässt sich indes nur schwer ausmachen. Catharina Döhler sagte 1721 angeblich in einem Gespräch mit dem Grenadier Wickler, der am Eisfelder Tor auf Schildwache stand und eine Desertion plante, dass „die Grenadiers zwar sehr strapaziret [würden], iedoch sollten sie es nicht thun, daß sie fortgingen“.1039 Auch der Deserteur Röhring weihte den Apothekersohn Hubert von der Veste Heldburg in seinen Plan ein, „welches er ihm aber wiederrathen“.1040 4.4.3.6 Die medizinische Versorgung Im Rahmen der Alltagsgeschichte der hildburghäusischen Gardesoldaten muss auch die medizinische Versorgung der Truppe Berücksichtigung finden. Es handelte sich hierbei um einen Bereich des militärischen Alltags, auf dessen Struktur und Organisation innerhalb der Reglements nicht eingegangen wurde. Auch in anderen Quellen fand die medizinische Versorgung wenig Erwähnung. Aufgrund eines seltenen zeitgenössischen Dokuments lassen sich aber für einen bestimmten Zeitraum dennoch detailliertere Aussagen zur medizinischen Versorgung der hildburghäusischen Grenadiergarde treffen. Bei dem Dokument handelte es sich um eine von dem Arzt Johann Carl Bühner über zwei Jahre minutiös geführte Liste, mit deren Hilfe medizinische Behandlungen abgerechnet wurden. Die Liste fand sich als Beilage zur Kompanierechnung der Jahre 1734 bis 1737. Sie wurde von November 1734 bis 1037 1038 1039 1040
ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 27.5.1723. Ebd., fol. 8r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 11.12.1721, fol. 7v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 3r.
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Oktober 1736 geführt und vermerkte sowohl den Namen des jeweiligen Grenadiers als auch die Erkrankung und Behandlung.1041 Eine zusammenfassende Abrechnung der Behandlungen und der dafür aufgewendeten Medikamente erfolgte später unter den Ausgaben innerhalb der Kompanierechnung. Diese Liste stellte insofern eine Ausnahme dar, als die Kosten für die medizinische Versorgung in den vorangegangenen Jahren nie im Detail angegeben wurden. Vielmehr entwarf der Arzt – wahrscheinlich auf Grundlage seiner detaillierten persönlichen Aufzeichnungen – eine kurz gefasste und unspezifische Kostenabrechnung. Es ist wahrscheinlich, dass diese vom Herzog bzw. vom Kommandanten der Grenadiergarde als zu intransparent empfunden wurde, sodass der Arzt ab November 1734 dazu überging, detaillierte Aufzeichnungen einzureichen. Zunächst soll jedoch auf die Ärzte der hildburghäusischen Grenadiergarde sowie die Struktur der medizinischen Behandlung eingegangen werden: Bereits im Jahre 1717 wurde bei der Errichtung der Grenadiergarde die Stelle eines Feldschers mit zwei Reichstaler monatlich dotiert und 1719 durch einen gewissen Johann Heinrich Reinold angenommen.1042 Wenig später war die Stelle aber wieder vakant und wurde nicht erneut besetzt.1043 Ein hauptberuflicher Feldscher bzw. Militärarzt existierte nach dieser Zeit in SachsenHildburghausen nicht mehr. Während man bei den Reichskontingenten stets Apotheker oder Bader im Dienst eines Feldschers als Verantwortliche für die medizinische Versorgung der Soldaten vorfand, handelte es sich beim Arzt der Gardegrenadiere erst ab etwa 1730 tatsächlich um einen studierten Mediziner. Obwohl dieser faktisch den Dienst als Kompaniearzt versah, war er dennoch kein Militärangehöriger, sondern vornehmlich Zivilarzt, der keine Uniform trug und nicht in die Mannschaftsliste aufgenommen wurde. Als ersten zivilen Arzt, der sich um die Belange der Gardegrenadiere kümmerte, findet sich der bereits oben genannte Johann Carl Bühner, der als Sohn eines Gastwirtes in Meiningen aufwuchs. Er war Hof-, Stadt- und Landchirurg in Sachsen-Hildburghausen und versah seit dem Antritt der Regierung Ernst Friedrichs II. seinen Dienst bei der Garde. Bühner war bis zu seinem Tod im Jahre 1757 für die medizinische Versorgung sowohl der wiedererrichteten Garde als auch des Landregiments zuständig. Ihm folgte Johann Georg Brehm nach, der zunächst als Kammerdiener im Residenzschloss tätig war, später aber ebenfalls als Hofchirurg arbeitete. In dieser Funktion versorgte Brehm auch die Mannschaften der Grenadiergarde und begleitete ab 1758 die Reichskontingentskompanie in den Feldzügen des Siebenjährigen Krieges. Er verstarb 1766 und ihm folgte sein Sohn Christoph Karl Brehm 1041 Vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48. 1042 ThStAM, GA Hbn, XXII, 39, Projekt zur Errichtung der Grenadiergarde. 1043 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, Mannschaftsliste der Garde 1720.
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nach, der sich bis zur Entlassung der Garde um deren medizinische Versorgung kümmerte. In den Jahren nach 1770 war er u. a. Leibarzt des Herzogs Friedrich. Auf Grundlage der erhaltenen Aufzeichnungen des Arztes Johann Carl Bühner lässt sich die medizinische Versorgung der Grenadiere unter Herzog Ernst Friedrich II. in der Praxis nachvollziehen: Ein kranker oder verletzter Grenadier stellte sich – so es sich nicht um einen akuten Notfall handelte – zunächst bei seinem Offizier vor. Dieser verwies den Soldaten an den Arzt Bühner, der alle notwendigen Behandlungen ausführte und Medikamente verordnete. In diesem Zusammenhang kam dem Apotheker Müller in Hildburghausen eine wichtige Rolle zu, da Bühner alle verwendeten bzw. verordneten Medikamente aus dessen Apotheke bezog. Die aufgewendeten Kosten für Behandlungen und Medikamente wurden von Bühner vermerkt und alljährlich im Oktober dem Kompanieschreiber eingesandt, der diese Angaben in die Ausgaben der Kompanierechnung einbrachte. Erst im Anschluss daran erfolgte die Bezahlung. Dem Etat der Grenadiergarde entstanden im medizinischen Bereich jährlich Ausgaben in Höhe von 90 bis 120 Gulden; die Hälfte davon stellten Medikamentenkosten dar. Die behandelten Soldaten hingegen genossen eine kostenlose medizinische Versorgung, was einen Vorteil gegenüber anderen Berufsgruppen darstellte. Bühner war während seiner Tätigkeit regelmäßig mit den Soldaten beschäftigt – er behandelte nahezu wöchentlich Patienten, durchschnittlich jedoch nur sieben im Monat. Gelegentlich versorgte er an einem Tag bis zu vier Patienten. Eine regelmäßig angekündigte Sprechstunde lässt sich aber nicht nachweisen.1044 Die behandelten Krankheiten der Grenadiere waren vielfältig. Darunter fanden sich vor allem fortgeschrittene Entzündungen und dringende Notfälle, die keinen Aufschub duldeten. Die auf die Symptomatik des Patienten fokussierten Aufzeichnungen Bühners waren zwar detailliert, lassen jedoch nicht in jedem Fall auf die tatsächliche Erkrankung des Soldaten schließen. Im Zeitraum von November 1734 bis Oktober 1736 erfasste Bühner insgesamt 175 Behandlungsfälle, von denen allerdings lediglich 150 eindeutig einer Erkrankung bzw. Verletzung zugeordnet werden können. Mit einem Anteil von nahezu einem Drittel machten Abszesse sowie unspezifische Geschwulste und Entzündungen – vornehmlich an Armen und Beinen – den Großteil der Fälle aus. Daneben gehörte die Halsentzündung zu den am häufigsten vorkommenden Erkrankungen. Darunter fielen vor allem Rachen- und Mandelentzündungen, aber auch Scharlach. So wies ein Hand1044 Eine regelmäßige Sprechstunde lässt sich nicht nachweisen. Die Tatsache, dass mehrere Soldaten an einem Tag behandelt wurden, legt zwar eine irgendwie geartete Absprache nahe, die Termine waren aber zu unregelmäßig sowie zu verstreut und nicht allzu häufig.
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buch für Feldärzte aus dem Jahre 1797 ebenfalls darauf hin, dass die „rothlaufsartige Halsentzündung […] bey Soldaten gar nicht selten [ist], und ist sowohl Krankheit des Frühlings, als des Sommers und Herbstes“.1045 Dies lässt sich auch aufgrund der Aufzeichnungen Bühners bestätigen, der ganzjährig verschiedene Formen der Halsentzündung behandelte. Die Soldaten waren aufgrund ihres bei jedem Wetter stattfindenden Dienstes im Freien sowie wegen der schlechten Ernährung besonders anfällig.1046 Die Patienten hatten alle eines gemeinsam: Sie suchten den Arzt erst sehr spät auf, sodass die Erkrankung bei ihnen meist weit fortgeschritten war. Johann Carl Bühner berichtete: „Den 28. Xbr. [Dezember] 1734 habe [ich] den Granat.[ier] Behr in die Cur bekommen an einen inflamirten Haltz, welche beyde Mandel durchgebrochen und gantz ulcerös, vor gethane Cur und darzu benöthigte Medicin 1 Reichsthaler [ausgegeben worden].“1047 Bei einer solchen Erkrankung verordnete Bühner meist desinfizierendes Gurgelwasser oder – ganz im Sinne der zeitgenössischen Humoralpathologie1048 – blutreinigende Spülungen. Ein besonders tragischer Fall ereignete sich im Jahre 1735, als der 26-jährige Tambour Christian Albrecht Schwarz aus Streufdorf in die Behandlung des Arztes kam. Bühner stellte zunächst eine schwere Halsentzündung mit Geschwüren fest und behandelte den Tambour über mehrere Monate hinweg mit in Spiritus getränkten Pinseln und dergleichen Spritzen. Im November 1735 erging ein Befehl Herzog Ernst Friedrichs II., sich dem Tambour Schwarz, der sich in der Zwischenzeit noch eine Geschlechtskrankheit zugezogen hatte, besonders anzunehmen. Bühner stellte fest, dass „der innere gantze Haltz cancerös und zerfreßen geweßen […]“,1049 und hegte nur noch wenig Hoffnung für den jungen Soldaten. Tatsächlich verstarb der Tambour Schwarz noch im selben Jahr an den Folgen der Erkrankung. Dass sich Schwarz zuvor noch eine „venerische Krankheit“ zugezogen hatte, war nicht ungewöhnlich. Bei mindestens sieben Grenadieren wurde zwischen 1734 und 1736 eine Geschlechtskrankheit diagnostiziert. Darunter befand sich auch der Grenadier Bastheim, der mindestens seit 1735 an einer „gonorhoa virulenta et testiculo venero“ litt. Im folgenden Jahr stellte er sich beim Arzt mit einer „lue ingvina“ vor, die auf Syphilis schließen ließ. Im bereits fortgeschrittenen Stadium einer Syphilis befand sich der 24-jährige Grenadier Michael Fick aus Hildburghausen, der „stark an lue veneria inficiret und mit Bollenk [Ge1045 Johann Christian Gottlieb ACKERMANN, Handbuch der ausübenden Arzneywissenschaft und Wundarzneykunst bey Armeen im Felde, Bd. 1, Leipzig 1797, S. 228. 1046 Ebd., S. 212 f. 1047 ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, 28.1.1736, fol. 1r. 1048 Christian BARTHEL, Medizinische Polizey und medizinische Aufklärung. Aspekte des öffentlichen Gesundheitsdiskurses im 19. Jahrhundert, Frankfurt 1989, S. 124 f. 1049 ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, 28.1.1736, fol. 4v.
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schwüren] wohl versehen war“.1050 Die Behandlung dieser Erkrankungen erwies sich als schwierig, wenn nicht gar als aussichtslos. Bühner verschrieb erneut blutreinigende Spülungen und als letztes Mittel die sogenannte Salvationskur, auch als Quecksilberkur bekannt. Hierbei handelte es sich um ein Verfahren, welches speziell bei Patienten mit Geschlechtskrankheiten Anwendung fand. Im Rahmen der Behandlung verabreichte man dem Patienten geringe Mengen von aromatisiertem Wasser, in das gesäuertes Quecksilber gelöst war.1051 Darüber hinaus wurden des Öfteren auch quecksilberhaltige Pulver und Salben zur äußeren Anwendung verabreicht. Die Quecksilberkur, welche von einer strengen Diät begleitet wurde, nahm im Allgemeinen mehrere Monate in Anspruch und wirkte stark harn- und schweißtreibend. Mit der bedeutenden Flüssigkeitsausscheidung des Patienten gehe, so die allgemeine Lehrmeinung, auch die Ausscheidung der infektiösen Säfte einher. Auch der Grenadier Fick unterzog sich der Quecksilberkur und überstand diese, konnte aber nicht endgültig von seiner Krankheit kuriert werden. Neben den Geschlechtskrankheiten1052 finden sich weitere Entzündungskrankheiten, die meist durch Bakterien ausgelöst wurden und hauptsächlich auf unhygienische Lebensverhältnisse zurückzuführen waren. Darunter waren verschiedenste – gelegentlich nässende – Hautausschläge sowie Nagelbett-, Zahnfleisch- und Augenentzündungen. Unter den schwierigen Behandlungsumständen konnten sich derartige Erkrankungen schnell komplizieren. An einer schwereren und bereits chronischen Form des Erysipels, einer bakteriellen Infektion der oberen Haut, litt der 34-jährige Grenadier Johann Heinrich Ulrich aus Rieth. Bei ihm fand sich eine „inflamation Erysipelas, wo noch etliche Löcher sind im Bein dabey geweßen“.1053 An Problemen in der Mundhöhle litt der 39-jährige Grenadier Johannes Faber aus Eicha, der mit „einen weggefreßenen und scorbutischen Zahnfleisch wie auch an der rechten Seiten einen harten ulcus und Geschwulst“1054 in die Behandlung kam. Darüber hinaus klagten die Grenadiere vornehmlich im Herbst und Winter über Arthritis bzw. arthritische Schmerzen. Erwartungsgemäß handelte es sich dabei hauptsächlich um ältere Soldaten der Garde. Am 27. Januar 1735 erlitt einer der ältesten Grenadiere, der 54-jährige Korporal Johann Georg 1050 Ebd., fol. 3v. 1051 Karl SCHÖNE, Praktische Arzneimittellehre für Ärzte und Wundärzte nach den Grundsätzen der Erregungstheorie, Bd. 1, Berlin 1815, S.327 f. 1052 In der Gesamtheit betrachtet, dürfte die Dunkelziffer der in Sachsen-Hildburghausen mit einer Geschlechtskrankheit infizierten bzw. darunter leidenden Soldaten relativ hoch anzusetzen sein, denn auch die anderen beim Hildburghäuser Militär anzutreffenden Krankheiten wie Hautausschlag, Rachenentzündung oder Arthritis konnten auf eine Syphilis hinweisen. 1053 ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, fol. 456v. 1054 Ebd.
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Westhäußer aus Seidingstadt, einen arthritischen Anfall am linken Bein und wurde vom Arzt Bühner mit spiritusgetränkten Pflastern behandelt. Einen ähnlichen Anfall erlitt am 17. September 1736 der 43-jährige Carl Hartmann aus Hildburghausen, der sich bereits im Herbst der vorhergehenden Jahre regelmäßig zur Behandlung vorstellte. Bühner diagnostizierte einen „atritischen Zufall in rechten Arm und [hat] an der Hand in der Articulation ein starker Geschwulst1055 sich gezeiget [und Hartmann] im linken Bein und Knie große Schmertzen empfunden“.1056 Ein ungewöhnlicher und besonders schwieriger Fall war der 22-jährige Grenadier Johann Adam Oswald, der einen „atritischen und nachgehens apoplectischen Zufall“1057 erlitt. Bühner behandelte während „einer 4wöchigen Zeit den leidenden Theil oder Arm an Spirituosen und Pflaster und Balsamicis, womit zeithero der Arm täglich geschmiret nebst täglich dabey gute Krä[u]ter Bäther adhibiret worden“.1058 Den vielfältigen Erkrankungen der Grenadiere stehen zahlreiche Verletzungen gegenüber. Diese wiesen meist auf die außerdienstlichen Aktivitäten der Grenadiere hin. Darunter fanden sich Quetschungen, Stürze, ausgekugelte Gelenke und Verstauchungen. Diese Verletzungen entstanden meist in Zusammenhang mit Schlägereien, Bauarbeiten oder kleineren Arbeitseinsätzen wie beispielsweise dem Einschlagen von Holz. So berichtete Bühner, „[er] habe den Unter Officier Werner in die Cur bekommen, welcher den Kopff gantz zu Schaden gefallen und davon linkerseiten an Kopff eine Wunde Fingers lang und noch eine Wunde darneben von eben der Größe, […] auch [war] das os zygimatis [Jochbein] durch den starken Fall gantz zerschellert“.1059 Weniger schlimm erging es dem Grenadier Bimbernagel, der „an einer Wunde eines halben Fingers über dem rechten Aug [litt], welches ihm von einen Scheidholz geschlagen worden, wobey eine starke Condusion geweßen“.1060 Im Rahmen eines dienstlichen Arbeitseinsatzes wurde der Grenadier Neuhan verletzt, „welcher im Schloß vom Bau gefallen und die linke Hand gantz verstauchet und disluxiret hatte“.1061 Gelegentlich standen Verletzungen auch in Zusammenhang mit dem soldatischen Alltag in der Garde. Der Grenadier Johann Gebhardt aus Birkenfeld hatte sich am Schwarzpulver „mit einer Patronen das gantze linke Aug verbrand“.1062 Eine ähnliche Unvorsichtigkeit widerfuhr dem Hautboisten Roth, der sich mit „einer Schuß Wunde an der rechten Hand, wo der Lad Stock von einer
1055 1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062
Möglicherweise handelte es sich hierbei auch um eine bakterielle Arthritis. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, fol. 460v. Ebd. Ebd. Ebd., fol. 457r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, 28.1.1736, fol. 4v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, fol. 460v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, 28.1.1736, fol. 1r.
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Pistolen durch den Zeiger Finger gegangen und darin ein Stück von den Lad Stock zersplittert ste[c]ken blieben“,1063 zur Behandlung vorstellte. Zu den ebenfalls häufiger vorkommenden Verletzungen zählten Schnittwunden, die meist im Rahmen von Wirtshausschlägereien mit Zivilisten entstanden.1064 Ungewöhnlich war hingegen ein Vorfall, der dem Grenadier Johann Georg Altenfelder junior zustieß. Dieser stritt sich heftig mit seinem älteren Bruder, der ebenfalls in der hildburghäusischen Grenadiergarde diente. Letzerer verletzte seinen jüngeren Bruder, indem ihm „mit den Meßer unter den rechten Arm Glieds tieff eine Wunde geworffen“.1065 Abgesehen von solchen Ausnahmen waren gewalttätige Zusammenstöße unter Soldaten eher selten, wohingegen Konflikte zwischen Grenadieren und Zivilisten stark überwogen. Davon zeugen auch die Aufzeichnungen Bühners, dessen Notizen gleich an mehreren Stellen auf derartige Konfliktsituationen hinweisen. Im April 1736 stellte sich mit dem Grenadier Johann Georg Gernert ein solcher Fall bei Bühner vor. Der Arzt notierte dazu, er habe „den Granadier Gerner[t] in die Cur bekommen, welcher im Holtz durch die Bauern über die rechte Hand geschlagen worden, daß sie gantz mit Blut unterlauffen und zerquetschet, welches ihm einen starken Geschwulst verursachet“.1066 Schlimmer traf es den wenige Monate später in die Behandlung gekommenen Grenadier Johann Friedrich Hecker. Dieser hatte eine „mit einem großen Stein auf den Sophien-Thal von den Bauren geworffene Wunde an linker Seiten deß Kopffs, just auf das os bregmatis [Scheitelbein] eine Wunde 2 Glieds lang, welche gegangen biß auf das cranium und durch den Wurff ihm eine […] Contusion und Zerquetschung verursachet worden“.1067 Im Zeitraum von zwei Jahren fanden sich insgesamt acht Fälle von behandlungsbedürftigen Verletzungen, die aufgrund von Schlägereien oder sonstigen Übergriffen von Zivilisten entstanden. Die Therapie der vorgestellten Erkrankungen und Verletzungen gestaltete sich meist schwierig und war in einigen Fällen aussichtslos. Die ärztliche Behandlung richtete sich zunächst primär auf die Ursachenbeseitigung, d.h. Abszesse wurden geöffnet, Knochen gerichtet oder Mandeln entfernt. Leichte Krankheitsursachen führten im Rahmen der Therapie zur vollständigen Heilung. Schwierigere Erkrankungen wie unspezifische Entzündungen oder Allgemeininfektionen waren aufgrund der fehlenden gezielten antibiotischen Behandlungsmöglichkeiten nur sehr schwer heilbar und gingen daher schnell in ein Komplikationsstadium über. Gegen infektiöse Erreger wurde haupt1063 1064 1065 1066 1067
ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, fol. 458v. Siehe Punkt 4.4.3.4: Das Wirtshaus: Ort von Geselligkeit, Alkoholkonsum und Gewalt. ThStAM, GA Hbn, XXII, 48, fol. 457r. Ebd., fol. 457v. Ebd., fol. 459v.
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sächlich Spiritus angewandt. Dabei handelte es sich um eine allgemeine Bezeichnung für eine Vielzahl an destillierten alkoholischen Flüssigkeiten, die unter Zugabe verschiedener Zutaten diverse Anwendungsbereiche abdeckten.1068 In diesem Sinne gehörten „Spirituosen und Pflaster“ zur häufigsten Therapie, die Bühner den Grenadieren verordnete. Sie kam u. a. bei Abszessen, äußerlichen sowie eiternden Entzündungen, Verstauchungen und arthritischen Schmerzen zum Einsatz. Abszess/Geschwulst/unspezifische Entzündung Quetschung/Sturz Halsentzündung Hautausschlag/Rotlauf Schnittwunde Arthritis Verrenkung/Verstauchung Nagelbettentzündung Gonorrhö/Syphilis Augenwunde/Augenentzündung Zahn-/Zahnfleischerkrankung Krätze Gesamt
47 21 14 13 11 9 8 7 7 6 6 1 150
Tabelle 11: Krankheitsfälle bei der Grenadiergarde, November 1734 bis Oktober 1736
4.4.3.7 Methoden preußischer Werbung im Fürstentum zwischen 1720 und 1724 Das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen war während des 18. Jahrhunderts wiederholt Ziel von Rekrutenwerbungen fremder Mächte.1069 Es handelte sich dabei sowohl um offiziell angemeldete Werbemaßnahmen, die durch
1068 Zu den verschiedenen Arten des medizinischen Spiritus im 18. Jahrhundert vgl. Johann ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 39, Leipzig 1744, Sp. 111 f. 1069 Übersicht zur fremden Werbung in Sachsen-Hildburghausen: 1683 – Republik der Vereinigten Niederlande (Reg. z. Pf. „Waldeck“), kaiserliche Werbung für den Großen Türkenkrieg; 1688 – Republik der Vereinigten Niederlande; 1701 – Pfalz-Neuburg; 1701– 1721 – Republik der Vereinigten Niederlande (Reg. z. Pf. „Saxe-Heilburg“); 1716–1717 – Republik Venedig (Inf. Reg. „Preysing/Nostiz“, Inf. Reg. „Fugger“); 1717–1718 – Hochstift Würzburg; 1720–1724 – Königreich Preußen (Inf. Reg. „Arnim“ Nr. 5); 1732– 1787 – kaiserliche Reichswerbung (Inf. Reg. „Sachsen-Hildburghausen“ Nr. 8); 1754– 1757 – Königreich Dänemark (Inf. Reg. „Leibgarde“, Inf. Reg. „Oldenburg“, Inf. Reg. „Seeland“); 1768–1769 – Königreich Spanien (Inf. Reg. „Volontaires Etrangers“); 1770– 1771 – Königreich Preußen (Inf. Reg. „von Lossow“ Nr. 41).
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fürstliche Patente Legitimation erhielten, als auch um verdeckte Werbungen, die inkognito durchgeführt wurden.1070 Besondere Probleme bereitete die um 1720 im Reich allgegenwärtige preußische Werbung, die vor dem Hintergrund des Ausbaus der preußischen Armee unter König Friedrich Wilhelm I. stattfand.1071 Herzog Ernst Friedrich I. stellte sich gleich anfangs jedem Werbegesuch der Preußen heftig entgegen und verbot in einem Mandat vom 3. November 1722 die preußische Werbung im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen ausdrücklich.1072 Die nächsten Jahre zeigten jedoch, dass sich die preußischen Werber nicht von fürstlichen Mandaten aufhalten ließen, sondern diese missachteten und mit Täuschungen versuchten, hildburghäusische Gardegrenadiere abzuwerben. Dies gelang ihnen umso mehr, da die Nachbarterritorien SachsenHildburghausens – allen voran das Hochstift Würzburg und das Fürstentum Sachsen-Coburg – den preußischen Werbern Zutritt zu ihren Gebieten gewährten.1073 Auch wenn zuverlässige quantitative Daten nicht zur Verfügung stehen, ist davon auszugehen, dass die preußische Werbung in den Jahren 1722 bis 1724 für zahlreiche Desertionen bei den fürstlichen Garden verantwortlich war. Dies wird durch mehrere Verhörprotokolle aufgegriffener Deserteure bestätigt, aus denen sich das Vorgehen der preußischen Werber im Fürstentum rekonstruieren lässt. Dabei war die von den Werbern angewandte Methode derart überzeugend, dass sich die Deserteure selbst im Nachhinein oft keiner Täuschung bewusst waren. Ausgangspunkt aller preußischen Aktionen gegen hildburghäusische Soldaten waren die jenseits der Südgrenze des Fürstentums gelegenen würzburgischen Dörfer Altenstein, Rabelsdorf und Hafenpreppach. In den genannten Orten führte ein gewisser Fähnrich v. Üchtritz als preußischer Werbeoffizier 1070 Für Sachsen-Hildburghausen stellte die Vergabe von Werbepatenten an europäische Mächte und Reichsterritorien ein wichtiges außenpolitisches und diplomatisches Instrumentarium dar. Innerhalb des Reiches konnten damit u. a. militärische Bündnisse untermauert oder die Vergabe militärischer Chargen an Mitglieder der herzoglichen Familie konnte befördert werden. Bei der vergleichsweise geringen Bevölkerungszahl des Fürstentums galt es dabei stets abzuwägen, ob die weiteren Perspektiven eines Werbeunternehmens die eingesetzten Ressourcen rechtfertigten. 1071 FIEDLER, Taktik und Strategie der Kabinettskriege, S. 114. 1072 Das Mandat selbst scheint verloren, Herzog Ernst Friedrich II. nahm jedoch 1734 Bezug darauf, vgl. ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 348. 1073 In Sachsen-Coburg wurde ab 1723 auf Ansuchen des Prinzen Christian Ludwig v. Preußen hin geworben, vgl. BayStACo, LAF, 4185. Noch 1728 wurde ein Maurergeselle von preußischen Soldaten auf offener Straße gewaltsam angeworben, siehe SCHNEIER, Coburg im Spiegel der Geschichte, S. 184. Im Hochstift Würzburg wandten sich erst ab 1731 mehrere Verordnungen gegen eingedrungene preußische Werber, siehe Philipp HEFFNER, Sammlung der hochfürstlich-würzburgischen Landesverordnungen, welchen in geist- und weltlichen Justiz-, Landgerichts-, Criminal-, Polizey-, Cameral-, Jagd-, Forst- und andern Sachen verkündet worden sind, Bd. 2, Würzburg 1776, S. 27 f.
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das Kommando. Da die preußischen Werber die Grenze zum Fürstentum nur mit großer Gefahr überschreiten konnten, wurden wiederholt Zivilisten in das Werbeunternehmen integriert. Der Fähnrich v. Üchtritz bediente sich hierbei vorrangig attraktiver Frauen, die großzügig bezahlt wurden und vornehmlich in Hildburghausen und Heldburg die Gardegrenadiere abwerben sollten.1074 Dabei gingen die Frauen unterschiedlich vor: Einige teilten den Grenadieren offen mit, dass diese es bei den Preußen besser hätten und daher desertieren sollten, andere verheimlichten ihre Absicht und versuchten, die Soldaten zu verführen und über die Grenze zu bringen. Hauptquelle zu den Komplizinnen der preußischen Werber stellen die in Verhörprotokollen niedergeschriebenen Aussagen der beiden desertierten Grenadiere Johann Erhard Röhring und Johann Röder dar. Demnach brachte eine gewisse Magd Appel, die aus dem würzburgischen Ermelshausen stammte, regelmäßig Obst auf den Hildburghäuser Markt und sprach hier mit den Grenadieren. Sie „hätte ihnen mündlich gesagt, sie sol[l]ten doch machen, daß sie fort kämen, die Preußischen müßten marechiren […] und kehrte täglich in [das Gasthaus] Adler und auch in Bähren in Hildburghaußen ein, wäre ein großes Mensch [Frau] und in einen grünen Rock gekleidet, den Kopff habe sie mit einem Tuch gebunden, trüge einen Korb auf dem Rücken und habe insgemein ein schwartzes Cammisol an“.1075 Auch eine gewisse Magd Perl wurde mit der Verführung der Grenadiere betraut. Der Fähnrich v. Üchtritz hatte ihr „viel Geld versprochen, wenn sie den Grenadier Streng oder andere dergleichen von der Hildburghäußer Guarde debouchiren kön[n]te; ja die Preußen hätten sogar Sachen aus der Apotheken bringen laßen, um solche denen langen Kerlen einzugeben, daß sie Lust bekähmen zu ihren Menschern und hernach dol dabey werden müßten“.1076 Andere Frauen überbrachten Briefe des preußischen Offiziers, die ein Maßband enthielten, sodass die Soldaten selbst nachmessen konnten, ob sie die gewünschte Körpergröße erreichten. Falls nicht, gab es Ausweichmöglichkeiten, so „habe der preußische Officier durch das Mensch, so den Brief gebracht mündlich sagen laßen, wenn auch welche wären, die kleiner als das Maaß, wol[l]te er ihnen doch unter die Caval[l]erie helffen“.1077 Eine aufwändigere Methode praktizierte die Magd Anna Maria Brandheim, die im Auftrag der Preußen den Grenadier Röhring auf der Gemündaer Kirchweihe verführen sollte.1078 Der Soldat, der offenbar einst ein Liebesverhältnis mit der Magd unterhalten hatte, traf mit dieser eine Absprache zur Flucht. Während der Flucht und auch in den nachfolgenden Verhören stellte 1074 Die Beteiligung von Frauen an Werbe- bzw. Desertionsunternehmungen stellte u. a. auch KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 532 fest. 1075 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 11r. 1076 Ebd., fol. 11v. 1077 Ebd., fol. 6r. 1078 Siehe Punkt 6.1.3.1: Der Fall des Johann Erhard Röhring in Gemünda (1723).
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sich Röhring stets schützend vor die Magd. Ob er die Täuschung nicht durchschaute oder aus Liebe handelte, muss dahingestellt bleiben. Röhring gab jedenfalls zu Protokoll: „Quaest. Resp.
Ob ihme nicht die bey sich gehabte Dirne Anna Maria Brandheimin, an der er vorhero schon gehangen, zu solcher Desertion gebracht? Nein, ihr Lebtag habe sie davon nichts gedacht, habe auch weder er noch sie einige Gedanken zu desertiren gehabt […].“1079
Diese Aussage ist höchst aufschlussreich, insofern man berücksichtigt, dass Röhring noch am Vortag berichtet hatte, die Magd habe gesagt: „Nunmehro gieng es ihr und ihm nicht wohl, sie wol[l]ten miteinander fortgehen […].“1080 Auch im Verhör wurde explizit darauf eingegangen: „Quaest. Resp.
Wo sie denn miteinander hin zu gehen sich resolviret? Die Dirne habe zu ihm gesagt, sie wol[l]ten auf Altenstein gehen und sich, wenn es der Pfarrer daselbst thun wol[l]te, miteinander copuliren laßen […].“1081
Der Verdacht gegen die Magd erhärtete sich dadurch, dass sie dem ersten preußischen Soldaten, dem die beiden außerhalb von Altenhausen begegneten, frei heraus mitteilte, dass Röhring ein Deserteur sei, „worauf dieser ihn gleich angeredet, er ließe ihn nicht weg“.1082 Im weiteren Verlauf wurden Röhring und die Magd auf Betreiben des preußischen Fähnrichs v. Üchtritz hin in einer Stube in Hafenpreppach verheiratet. Die wahrscheinlich fingierte Trauung übernahm der Altensteiner Pfarrer Adam Degen, der in mehreren Verhören von Deserteuren erwähnt wurde.1083 Auch er war ein wichtiges Glied des preußischen Werbeunternehmens. Degen stand in regelmäßigem Briefkontakt mit dem Fähnrich v. Üchtritz, verbarg zudem Deserteure vor der Verfolgung und lieferte diese schließlich an die Preußen aus. Hildburghäusische Deserteure berichteten über ihren Aufenthalt in Rabelsdorf, dass „aber am selben Tag noch ein Mann […] dahin gekommen [sei], mit dem vermelden, der Herr Pfarrer in Altenstein schicke ihn, er sollte ihnen sagen, es wäre ein Commando dasselbst [in Rabelsdorf] von Hildburghaußen und wol[l]te sie abhohlen, sie sol[l]ten machen, daß sie wieder nach Alten-
1079 1080 1081 1082 1083
ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 25.5.1723, fol. 3r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 3v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 3r. Ebd., fol. 4r. Dies ist merkwürdig, da Hafenpreppach einen eigenen Pfarrer besaß. Ein Kirchenbucheintrag zu dieser Trauung lässt sich nicht auffinden (Hinweis von Günter Lipp, Kreisheimatpfleger im Landkreis Ost-Haßberge). Adam Degen war von 1706 bis 1731 Pfarrer in Altenstein. Für eine fingierte Trauung spricht zudem die Tatsache, dass in Hildburghausen sowohl die Verhöre als auch das Kriegsgericht davon keine Kenntnis nahmen.
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stein kämen, denn außerhalb er sie nicht schützen kön[n]te“.1084 Bereits kurz nach Degens Amtsantritt in Altenstein 1706 wurden wiederholt dienstliche Verstöße des Pfarrers bekannt.1085 Darunter fanden sich gehäuft Trauungen bereits verheirateter Personen sowie von Soldaten, die ohne besondere Genehmigung nicht verheiratet werden durften. Aufgrund derartiger Vergehen wurde Degen 1716 vom Hochstift Würzburg arretiert, kam aber wieder frei.1086 Vor diesem Hintergrund scheint es wenig verwunderlich, wenn Degen sich im Jahre 1723 erneut zu kriminellen Handlungen hinreißen ließ. Um Anwerbungen persönlich zu koordinieren, wagte sich der preußische Fähnrich v. Üchtritz aufgrund des hohen Risikos nur selten auf hildburghäusisches Gebiet. Zu Anfang des Jahres 1723 begab er sich inkognito in das Amt Eisfeld, um hier die Abwerbung von hildburghäusischen Soldaten, die auf Exekution lagen, zu betreiben. Eine Unterkunft fand er im Crocker Wirtshaus, doch die Aktion wurde verraten, und es wurden bereits Grenadiere zur Arretierung des Fähnrichs abgeschickt. Wenig später gaben Zeugen ein Gespräch mit dem Fähnrich v. Üchtritz zu Protokoll: „[…] wären die Grenadier im Wirthshauße ihn zu suchen gewesen, der Wirth in Crock aber hätte ihn verleugnet und oben im Hauße versteckt gehabt, worüber er [Üchtritz] braff gelachet, er hätte alle Worte gehöret, die die Grenadier geredet […].“1087 Zur Illustration des aggressiven und hinterlistigen Vorgehens der preußischen Werber kann eine Aussage des Fähnrichs v. Üchtritz dienen. Dieser sagte, er nehme jeden in Dienste „und wenn er auch [einen] Kopf kleiner wäre; wenn die halbe Compagnie [aus Hildburghausen] käme, liese er keinen weg; der Fähnrich thäte es dem Herzog zum Tordt, weiln Er die langen Grenadier auch annehme“.1088 Die vorgestellten Quellen stammen allesamt aus den Jahren 1720 bis 1724. Doch auch nach der teilweisen Abdankung der Grenadiergarde und trotz mehrmaliger Verbote wurde die preußische Werbung weiter intensiv betrieben. Herzog Ernst Friedrich II. war dahingehend 1730 und 1734 gezwungen, das Mandat seines Vaters zu erneuern. Die Wirkung blieb auch jetzt fraglich, zumal im Rahmen des Polnischen Thronfolgekrieges zahlreiche preußische Truppen unter gewalttätigen Ausschreitungen das Land durchzogen.1089
1084 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 9v. 1085 Christian Leonhard LEUCHT, Europäische Staats-Cantzley, Bd. 41, Frankfurt 1723, S. 117 f. 1086 Der sämtlichen Evangelisch-Lutherisch und Reformierten im Heiligen Römischen Reich neuer Religions-Gravaminum, Bd. 3, o. O. 1720, S. 173 f. 1087 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 12r. 1088 Ebd., fol. 4r. 1089 StadtA Eisfeld, Ratsrechnungen, Jg. 1735. Besonders rücksichtslos gebärdeten sich preußische Truppen im Hochstift Würzburg, vgl. HEYN, Die Kriegslasten, S. 65 f.
5. Die Reichsdefension – Das Reichskontingent und der Spanische Erbfolgekrieg
5.1 Sachsen-Hildburghausen, der Obersächsische Kreis und das Reich „Wir communiciren Euch hierbey […] was bey der letzthin zwischen denen gesammten Fürstlich Sächsischen Häußern Ernestinischer Linie wegen Aufstellung des OberSächßischen Craiß-Contingents […] vor Abrede genommen […] worden.“1090 Herzogin Caroline Amalie, 1746
Zur Begegnung einer militärischen Bedrohung von außen verfügte das Alte Reich über die Aufbietung des Reichsheeres, dessen Zusammensetzung durch die Reichsmatrikel geregelt war. Diese bestimmte den Anteil der zum Reichsheer zu stellenden Truppen eines jeden Reichsstandes. Während die Festsetzung der Reichsmatrikel seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts keinem festen Modus folgte, änderte sich dies mit den Beschlüssen des Wormser Reichstages im Jahre 1521 grundlegend.1091 Die hier verabschiedete Reichsmatrikel setzte die Größe des Reichsheeres auf 4000 Berittene und 20.000 Fußsoldaten fest.1092 Es handelte sich dabei um das sogenannte Simplum des Reichsheeres, das bei Bedarf als Duplum und Triplum verdoppelt und verdreifacht werden konnte. Das Simplum des Reichsheeres von 24.000 Mann wurde im Rahmen der Reichsmatrikel systematisch nach Größe und Bedeutung eines Territoriums unter den Reichsständen aufgeteilt, sodass jedem Stand ein Mannschaftskontingent zukam.1093 Die Aufstellung und Unterhaltung der Kontingente des Reichsheeres wurden auf dem Wormser Reichstag den zehn zwischen 1500 und 1512 entstandenen Reichskreisen übertragen.1094 Die Mannschaftskontingente wurden daher synonym als Kreis- oder Reichskontingent bezeichnet. Die ernestinischen Territorien gehörten überwiegend dem Obersächsischen Reichskreis
1090 ThStAM, GA Hbn, 437, fol. 405r. 1091 Johannes SIEBER, Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens im ausgehenden Mittelalter (1422–1521), Leipzig 1910, S. 9 f. 1092 PAPKE, Von der Miliz zum stehenden Heer, S. 239. 1093 Die Mannschaftszahlen der Reichsmatrikel konnten zudem auch in Geldbeträgen ausgedrückt werden. Es handelte sich dabei um die sogenannten Römermonate, welche die monatlichen Unterhaltungskosten des Simplums bezeichneten. Hierbei wurde für einen Berittenen 12 fl. und für einen Fußsoldaten 4 fl. veranschlagt. 1094 WILSON, German Armies, S. 151.
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an, hatten jedoch auch geringe Besitzungen im Fränkischen Kreis.1095 Der Obersächsische Kreis, in dem die Ernestiner militärisch organisiert waren, erstreckte sich von Coburg und vom Thüringer Wald im Süden bis zur Ostsee im Norden und umfasste eine Vielzahl von Territorien und Interessenssphären, was bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts zur Spaltung des Kreises führte:1096 Die Kreisverfassung sollte die Gleichberechtigung unter den Ständen, unabhängig von ihrer Stärke, wahren. Dieses Konzept kam vor allem den kleineren Kreisständen wie den Ernestinern zugute. Die armierten Stände, die wie Brandenburg-Preußen und Kursachsen bereits über stehende Heere verfügten und deren territorialstaatliche Entwicklung der traditionellen Reichsverfassung entgegenstand, verweigerten es zunehmend, sich der Kreisverfassung zu unterwerfen.1097 Man lehnte die Stellung des Kreiskontingents ab und boykottierte den Kreistag. Im weiteren Verlauf distanzierten sich die Armierten immer weiter von Kaiser und Reich und betrieben eine Machtpolitik, die sich maßgeblich auf das stehende Heer stützte.1098 Benachbarte Territorien, so auch die Ernestiner, befürchteten zunehmend, den mächtigen Nachbarn einverleibt zu werden. Um ein Gegengewicht zu den Armierten zu schaffen, organisierten sich die Ernestiner in den Jahren nach 1680 in Assoziationen mit kleineren Ständen anderer Reichskreise oder mit dem Kaiser selbst.1099 Diese Assoziationen stabilisierten das Reich im Innern und konnten zudem als Defensivbündnisse gegen äußere Reichsfeinde fungieren.1100 Angesichts der Reunionspolitik Ludwigs XIV. wurde auf Initiative Kaiser Ferdinand I. hin ab 1681 die Reichskriegsverfassung auf dem Regensburger Reichstag neu verhandelt.1101 Das 1521 beschlossene Simplum des Reichsheeres wurde auf 40.000 Mann verdoppelt, die Aufteilung nach der Größe der 1095 Das Fürstentum Sachsen-Römhild lag vollständig im Fränkischen Kreis. Durch das Erlöschen dieser Linie erlangten ab 1710 Sachsen-Gotha-Altenburg und SachsenCoburg Anteil am Fränkischen Kreis. Bis auf die Ämter Salzungen und Schalkau (bis 1723 hildburghäusisch) galt dasselbe auch für Sachsen-Meiningen sowie für das hildburghäusische Amt Behrungen. Sachsen-Eisenach und später Sachsen-Weimar-Eisenach waren aufgrund der Ämter Kaltennordheim, Fischbach, Ilmenau und Lichtenberg an den Fränkischen Kreis gebunden, vgl. FABER, Geographie für alle Stände, Bd. 1/4, S. 136; Rudolf ENDRES, Staat und Gesellschaft. Zweiter Teil. 1500–1800, in: Andreas KRAUS (Hg.), Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 3/1), München ³1997, S. 730. 1096 Gerhard KÖBLER, Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 61999, S. 381 f. 1097 Thomas NICKLAS, Macht oder Recht. Frühneuzeitliche Politik im Obersächsischen Reichskreis, Stuttgart 2002, S. 278 f. 1098 Ebd., S. 295. 1099 Ebd., S. 324. 1100 Bernd WUNDER, Die Kreisassoziationen 1672–1748, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 128 [NF 89] (1980), S. 205. 1101 PAPKE, Von der Miliz zum stehenden Heer, S. 241.
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Kreise bestimmt, und es wurden Kreiskassen zur Unterhaltung der Truppen eingerichtet.1102 Innerhalb dieser Reichskriegsverfassung unterließ man es jedoch, die Kreisgrenzen zu verändern. 1521 achtete man darauf, dass die Grenzen der Reichskreise mit den Territorialgrenzen der in ihnen befindlichen Stände übereinstimmten. Seit dem Wormser Reichstag hatte sich jedoch die territoriale Aufteilung des Reiches grundlegend verändert. Um 1680 war es keine Seltenheit, dass ein Territorialfürst Mitglied in mehreren Reichskreisen war. Vor allem für die armierten Mittelstaaten traf dies zu. In Konsequenz der Reichskriegsverfassung hätten diese ihre Heere zersplittern und auf die Kreise aufteilen müssen, was jedoch auf wenig Bereitschaft stieß.1103 Die Reichskriegsverfassung von 1681 blieb in den Reichskreisen, in denen die Armierten dominierten, lediglich ein Entwurf. Auch im Obersächsischen Kreis wurde sie nicht umgesetzt. Der letzte obersächsische Kreistag fand im Jahre 1683 statt, wurde aufgelöst und seither nicht wieder einberufen.1104 Der Kreis selbst existierte auch im Anschluss daran noch weiter, jedoch lediglich als leere, funktionslose Hülle, die erst 1806 vollständig aufgelöst wurde. Dennoch stellten die Ernestiner auch nach der Auflösung des Kreistages ihre Kontingente zu den jeweiligen Reichskriegen. Die Regenten der verschiedenen Territorien standen dabei in engem Kontakt zueinander, hielten des Öfteren Konferenzen ab und trafen Absprachen. Die Ernestiner bewiesen in diesen militärischen Belangen ein Organisationstalent, das auch losgelöst von der Struktur des Obersächsischen Kreises funktionierte. Auf welcher Grundlage aber organisierten die Ernestiner ihr gemeinsames Reichskontingent? Bis zum Ende des Altes Reiches galt die erneuerte Reichsmatrikel von 1681 für alle Kreise und Stände als verbindlich. Das hier als Simplum für den Obersächsischen Kreis festgelegte Mannschaftsquantum bestand aus 2707 Fußsoldaten und 1322 Berittenen – umgerechnet also 6673 Fußsoldaten, die sich wie in folgendem Diagramm dargestellt verteilten:1105
1102 Das Reichsheer sollte nunmehr aus 12.000 Berittenen und 28.000 Fußsoldaten bestehen. Das Simplum des Obersächsischen Kreises betrug 2707 Mann zu Fuß und 1322 Mann zu Pferd. 1103 LINNEBACH, Reichskriegsverfassung und Reichsarmee, S. 106. 1104 Winfried DOTZAUER, Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998, S. 378. 1105 Johann Jacob MOSER, Teutsches Staatsrecht, Bd. 30, Leipzig 1747, S. 407. Aufgrund der im Rahmen der Römermonate veranschlagten Kosten galt: 1 Berittener = 3 Fußsoldaten.
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Andere Territorien 1422
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Kurfürstentum Brandenburg 2305
Ernestinische Territorien 665
Kurfürstentum Sachsen 2281 Graphik 13: Anteil der Territorien am Simplum (in Mannschaften zu Fuß) des Obersächsischen Kreiskontingents, 1681
Demnach belief sich das gesamte ernestinische Quantum auf 665 Mann. Die Aufstellung und Unterhaltung dieser Truppen wurden zunächst unter Sachsen-Gotha-Altenburg (zwei Drittel) und Sachsen-Weimar (ein Drittel) aufgeteilt. Trotz der 1680 vorgenommenen Landesteilung Sachsen-GothaAltenburgs wurde der Anteil dieses Territoriums erst bei Erklärung des Reichskrieges 1689 im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekrieges weiter unterteilt. Hierbei wurden Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg im Rahmen des Mannschaftsquantums berücksichtigt. Sachsen-Hildburghausen sowie die anderen drei Nebenlinien stellten kein eigenständiges Reichskontingent, da sie alle landeshoheitlichen Rechte im Rahmen des Nexus Gothanus an die gothaische Hauptlinie abgaben. In Reichs-, Kreisund Militärangelegenheiten waren diese Territorien an Sachsen-GothaAltenburg gebunden, welches auch die Stellung des Reichskontingents übernahm. Dazu wurden die Mannschaften zwar aus den jeweiligen Territorien ausgehoben, dienten jedoch anschließend im gothaischen Kontingent. Im Falle Sachsen-Hildburghausens wurde der äußere Schein der Souveränität gewahrt, indem militärische Erlasse des gothaischen Herzogs im Fürstentum stets im Namen von Herzog Ernst publiziert wurden. Bereits kurze Zeit nach der Landesteilung erkannte Herzog Ernst jedoch, dass seine Regierung unter dem Nexus Gothanus einer zu starken Einschränkung unterlag, um dem Prestige eines Landesherrn zu genügen. Im Zuge dessen versuchte Ernst bereits seit 1681, die Bestätigung des Nexus Gothanus durch Kaiser Leopold I. zu
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verhindern.1106 Seine Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg, und der Kaiser bestätigte im Jahre 1686 den Vertrag der ernestinischen Brüder. In der Folge band der Nexus Gothanus Sachsen-Hildburghausen militär- und außenpolitisch derart eng an Sachsen-Gotha-Altenburg, dass ein autonomes Militär zunächst nicht existierte. Im Rahmen des Coburg-Eisenberg-Römhildischen Sukzessionskonflikts gelang es Sachsen-Hildburghausen schließlich im Jahre 1702, die vertragliche Absonderung vom Nexus Gothanus zu erreichen.1107 Etwa zeitgleich begannen erste Absprachen der ernestinischen Territorien über Mannschaftskontingente zum Spanischen Erbfolgekrieg. Dieser wurde im Jahre 1700 durch den Tod des kinderlosen spanischen Königs Karl II. ausgelöst. Sowohl Kaiser Leopold I. als auch der französische König Ludwig XIV. meldete daraufhin für seinen Sohn Ansprüche auf das spanische Erbe an. Während sowohl die Mutter als auch die Großmutter des Dauphins Louis spanische Prinzessin war, war Kaiser Leopold der Enkel des 1621 verstorbenen spanischen Königs Philipp III.; Karl, der Sohn Leopolds, war damit ein Urenkel Philipps III. Diese Konstellation und die Tatsache, dass König Karl II. den Enkel des französischen Königs Ludwig XIV., Philipp v. Anjou, testamentarisch zum spanischen Thronfolger bestimmte, lösten lang andauernde europäische Konflikte aus, in die auch das Reich hineingezogen wurde.1108 Als im Juni 1701 ein österreichisches Heer unter dem Kommando des Prinzen Eugen v. Savoyen gegen französische und spanische Truppen in Norditalien vorrückte, war ein europäischer Krieg nicht mehr abzuwenden. Obwohl sich das Reich zunächst neutral verhielt, entschied sich der Reichstag im September 1702 aufgrund des aggressiven Vorgehens des mit Frankreich alliierten Kurfürsten von Bayern zur Erklärung des Reichskrieges, der am 6. Oktober 1702 offiziell verkündet wurde.1109 Damit einher ging die Aufbietung des Triplums der Reichsarmee in einer Stärke von etwa 120.000 Mann. Herzog Ernst begriff die Aufstellung und Unterhaltung eines eigenen Reichskontingents als äußeres Zeichen der neu erlangten Unabhängigkeit vom Nexus Gothanus und nahm daher an den folgenden Verhandlungen regen Anteil.1110 Es handelte sich dabei um den Teil eines großen und prestigeträch1106 WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung, S. 144 f. 1107 Siehe Punkt 2.2.1: Territoriale Entwicklung. 1108 Es ist hier nicht der Platz, die Ursachen des Spanischen Erbfolgekrieges noch einmal zu referieren. Diese Arbeit wurde bereits geleistet von John HATTENDORF, Die Ursprünge des Spanischen Erbfolgekrieges, in: Bernd WEGNER (Hg.), Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten (= Krieg in der Geschichte, Bd. 4), Paderborn 2000, S. 109–144 sowie allgemein von John LYNN, The Wars of Louis XIV. 1667–1714, London 1999, S. 266 f. und neuerdings Matthias SCHNETTGER, Der Spanische Erbfolgekrieg 1701–1713/14, München 2014. 1109 Karl Ottmar v. ARETIN, Das Alte Reich 1648–1806, Bd. 2, Stuttgart ²2005, S. 113 f.; WILSON, German Armies, S. 107. 1110 ThStAM, GA Hbn, XI, 4.
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tigen Projekts des Herzogs: Die Lösung vom Nexus Gothanus, die Aufrichtung des Reichskontingents sowie die zeitgleich geführten Verhandlungen über das Hennebergische Reichstagsvotum hoben Sachsen-Hildburghausen binnen kürzester Zeit – wenn auch unter beschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme – von der gothaischen Bevormundung auf die Ebene der Reichspolitik. Auf Konferenz die Anfang 1703 in Coburg stattfand, erfolgten verbindliche Erklärungen der ernestinischen Territorien bezüglich der Formierung eines gemeinschaftlichen Reichskontingents. Demnach formierten die Ernestiner ein Infanterieregiment aus zwei Bataillonen, das unter der Führung Sachsen-Weimars stand.1111 Sachsen-Hildburghausen trug zu dieser Einheit eine Kompanie bei, die unter eigener Fahne und von eigenen Offizieren kommandiert wurde. Die Mannschaftsstärke der hildburghäusischen Kompanie wurde auf der Coburger Konferenz lediglich „arbitrarie verwilliget“1112 und setzte sich offiziell aus 155 Mann inklusive Prima Plana zusammen. In dieser Form nahm die hildburghäusische Kompanie als Reichskontingent bis zum Jahre 1714 am Spanischen Erbfolgekrieg teil. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verständigten sich die Ernestiner noch mehrfach im Rahmen von Konferenzen über außenpolitische Fragen. Stets gaben verschiedene Reichskriege den Anlass dazu. Während die Coburger Absprachen von 1703 in großer Eile geschahen und daher das Mannschaftsquantum der einzelnen Territorien willkürlich festgelegt wurde, hielten sich die Ernestiner später genau an diese Vereinbarung. Deutliche Einblicke in die Formierung der Truppen erlauben die im Mai 1734 und Januar 1735 aus Anlass des Polnischen Thronfolgekrieges abgehaltenen Konferenzen von Suhl und Arnstadt.1113 Hier projektierten die Gesandten der verschiedenen ernestinischen Territorien die Aufstellung eines gemeinschaftlichen Infanterieregiments als Reichskontingent. Das folgende Diagramm zeigt die Veranschlagung der Mannschaftszahlen der einzelnen Territorien:
1111 MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 80. Müller identifiziert das Bataillon als Reichskontingent, erwähnt jedoch die Teilnahme von SachsenHildburghausen und Sachsen-Coburg nicht. 1112 ThStAM, GA Hbn, 437, fol. 250v. 1113 Ebd., ab fol. 406 sind die Protokolle beider Konferenzen enthalten.
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SachsenCoburg, 47 SachsenHildburghausen, 48
SachsenMeiningen, 20 Sachsen-Weimar und SachsenEisenach, 222
Sachsen-GothaAltenburg, 321
Graphik 14: Anteile der Territorien am Simplum (in Mannschaften zu Fuß) des ernestinischen Kontingents, 1734
Bereits im März 1734 wurde der Polnische Thronfolgekrieg zum Reichskrieg und die Aufstellung des Triplums der Reichsarmee wurde bewilligt.1114 Dahingehend sollte ein ernestinisches Infanterieregiment aus zwei Bataillonen mit acht Kompanien zu je 124 Mann gebildet werden. Die Gliederung des Regiments, das über eine Gesamtstärke von 1898 Mann verfügen sollte, zeigt die folgende Tabelle: Stab 1. Bataillon
2. Bataillon
1. Kompanie 2. Kompanie 3. Kompanie 4. Kompanie 5. Kompanie 6. Kompanie 7. Kompanie 8. Kompanie 1. Kompanie 2. Kompanie 3. Kompanie 4. Kompanie 5. Kompanie 6. Kompanie 7. Kompanie
19 Mann (Sa.-Gth.-Abg.*), 18 Mann (Sa.We. und Sa.-Eis.**), 1 (Sa.-Co.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth.-Abg.) 124 Mann (Sa.-Gth-Abg.) 124 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.) 124 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.) 124 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.) 124 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.) 124 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.) 124 Mann (Sa.-Co.***) 124 Mann (Sa.-Hbn.****)
1114 SCHMAUSS (Hg.), Reichs-Abschiede, Bd. 3, S. 410.
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8. Kompanie (gemischt) Gesamt
124 Mann: 62 Mann (Sa.-Mgn.*****), 26 Mann (Sa.-We. und Sa.-Eis.), 20 Mann (Sa.Hbn.), 16 Mann (Sa.-Co.) 2022 Mann
Tabelle 12: Entwurf zur Gliederung des ernestinischen Allianzregiments, 1734 (nach dem Triplum und inklusive Prima Plana). *Sachsen-Gotha-Altenburg, **Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach, ***Sachsen-Coburg, ****Sachsen-Hildburghausen, *****Sachsen-Meiningen.
Auf Sachsen-Hildburghausen entfiel dabei die Stellung von 144 Mann, die jedoch nur zum Teil eine geschlossene Kompanie formieren sollten. Die überzähligen Mannschaften der verschiedenen Territorien des zweiten Bataillons wurden in einer gemischten Kompanie zusammengefasst.1115 Das erste Bataillon, das ausschließlich aus gothaischen Soldaten bestand, verfügte über keine gemischte Kompanie. Hier wurde die nach der Reichsmatrikel zu stellende Mannschaftszahl um 29 Mann erhöht, um die 8. Kompanie vollzählig formieren zu können. Im Allgemeinen waren die Beschlüsse der beiden Konferenzen im Detail weit fortgeschritten, blieben jedoch Entwürfe, da der Wiener Präliminarfrieden vom Oktober 1735 den weiteren Entwicklungen zuvorkam und das Reichskontingent daher nicht ausrückte. Es zeigt sich dennoch, dass die Ernestiner ihren Reichsverpflichtungen – auch losgelöst von der Funktionsfähigkeit des Obersächsischen Kreises – nachzukommen suchten. Dass auf oben stehenden Entwurf auch während des Siebenjährigen Krieges sowie zu Anfang des Ersten Koalitionskrieges zurückgegriffen wurde, kann dies belegen.1116
1115 Das Abstellen überzähliger Mannschaften wurde bereits während des Spanischen Erbfolgekrieges 1708 von Sachsen-Hildburghausen gefordert, in der Praxis aber nie umgesetzt. Damals sollte eine Kompanie aus 117 Mann bestehen. Es darf als fraglich gelten, ob es 1734 tatsächlich zu einer Abstellung an eine gemischte Kompanie gekommen wäre. 1116 Unter anderem griff die unter den Ernestinern abgehaltene Eisenacher Konferenz 1795 auf diesen Entwurf zurück. Die weitere Erschließung von ungesichtetem Quellenmaterial könnte im Bereich der gemeinschaftlichen ernestinischen Militärpolitik nach wie vor bestehende Forschungsdefizite, die weit über den Untersuchungsgegenstand vorliegender Arbeit hinausgehen, beseitigen.
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5.2 Formation und erste Anwerbung des Reichskontingents „Wie er heiße? Bernhard Endreß/Wie alt? 15 Jahr/Wo er her sey? Aus Hausen bei Közingen [Kissingen]/Ob er Eltern und Geschwister habe? Habe keine Eltern mehr/Ob er ein Handwerck gelernet? Ein Zimmergesell/Ob er vor dem gedienet und wo? Denen Würzburgischen/Ob er einen Abschied? Sey weggegangen […].“1117 Aus der Mannschaftsliste des Reichskontingents, 1703/04
Die Maßnahmen zur Aufrichtung des Reichskontingents für den Spanischen Erbfolgekrieg begannen Mitte März 1703, als Herzog Ernst die Ämter des Fürstentums über die bevorstehende Anwerbung und deren Konditionen informierte.1118 So war „sothane Werbung vermittelst öffentlichen Trommelschlag bekand zu machen [und] auff einen Mann höchstens 6 Reichsthaler Werbegeld [Handgeld] inclusive die bey der Werbung selbst etwa aufgehende Kosten verhandreichet und passiret und sind sothane Gelder iedes Orths aus der Extra-Steuereinnahme gegen Quittung zu erheben […]“.1119 Wie das Quellenmaterial zeigt, wurde eine Höhe von sechs Reichstaler für das Handgeld nur selten erreicht. Für die hildburghäusischen Werbeoffiziere galten zwei Reichstaler allgemein als Verhandlungsbasis, und tatsächlich konnten die meisten Rekruten damit zufriedengestellt werden. Die Werbungen des Jahres 1703 wurden vom Herzog selbst bzw. von den höheren Offizieren des Landregiments organisiert und überwacht.1120 Der Modus der Anwerbung des Reichskontingents unterschied sich wesentlich von jenem der Garden oder von der Konskription beim Landregiment. Wie in unten stehendem Diagramm gezeigt, setzte sich die Rekrutierung des Kontingents aus verschiedenen Anwerbungstypen zusammen.1121
1117 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/04, fol. 168ev. 1118 DAHINTEN, Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 115 f. 1119 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 12.3.1703, fol. 1r. 1120 Erst ab 1704 erschien der Hauptmann des Reichskontingents in der Rolle als militärischer Unternehmer und koordinierte die Anwerbungen. 1121 Die Auswertung beruht auf den Daten von 159 Mann aus der Mannschaftsliste der Jahre 1703/04 bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 29.
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60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Schlossgardisten Gemeinderekruten u. dafür Eingetretene
Freiwillige
Gepresste
Graphik 15: Zusammensetzung der rekrutierten Mannschaften für das hildburghäusische Reichskontingent, 1703/04
Eine erste Gruppe der Rekruten, die gleich zu Anfang des Unternehmens angeworben wurde, stellten Mitglieder der hildburghäusischen Schlossgarde dar (6,91 Prozent). Obwohl diesen Soldaten bei der Anwerbung unter die Schlossgarde versichert wurde, nicht für auswärtige Dienste herangezogen zu werden, griff man dennoch aus mehreren Gründen auf sie zurück: Zum einen handelte es sich bei ihnen meist um Ausländer, die nicht im Fürstentum ansässig waren und in der Regel keine Familie hatten. Zum anderen tat die Anwerbung dieser Soldaten dem einheimischen Gewerbe keinen Abbruch, und die Bevölkerung wurde geschont. Vor allem aber waren zahlreiche Schlossgardisten erfahrene Soldaten, die bereits anderen Herren Kriegsdienste geleistet hatten. Nahezu ausnahmslos handelte es sich daher bei den Angeworbenen um Männer im reiferen Alter zwischen 30 und 55 Jahren. Letztendlich spielte auch der finanzielle Aspekt eine tragende Rolle, denn ein reguläres Handgeld von zwei Reichstaler erhielten die angeworbenen Soldaten der Schlossgarde nicht, sondern lediglich einen Reichstaler als Trinkgeld – günstiger war ein Reichskontingentssoldat nicht zu bekommen. Die zweite Gruppe der Angeworbenen waren Gemeinderekruten aus dem Fürstentum (37,74 Prozent). Die Ämter bzw. Orte des Fürstentums hatten im Falle eines Reichskrieges ein bestimmtes „zugetheiltes Quantum“ an Mannschaften aufzubringen. Die Art und Weise der Zuteilung bleibt jedoch im Dunkeln. Es ist unwahrscheinlich, dass ein ähnlicher Modus wie beim Landregiment angewandt wurde, bei dem auf die Anzahl der enrollierten Regimentsmitglieder eines Ortes zurückgegriffen wurde.1122 1122 Siehe Punkt 3.1.2: Die strukturelle Entwicklung des Landregiments bis 1806.
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Die Auswertung einer detaillierten Mannschaftsliste des Reichskontingents aus den Jahren 1703/04 ergab, dass tatsächlich alle Gemeinden des Fürstentums Rekruten stellten, die ausgehobenen Zahlen aber sehr gering waren.1123 Insgesamt wurden lediglich sechzig Männer – also weniger als die Hälfte des gesamten Kontingents – aus den Gemeinden rekrutiert. Kleine und mittelgroße Gemeinden stellten je einen, Amtsstädte und größere Gemeinden zwischen zwei und vier Mann. Die adeligen Güter hingegen waren von jeglicher Stellung befreit. In der Praxis richtete sich die Anwerbung der Gemeinderekruten nach einer fürstlichen Verordnung vom 19. März 1703: „Jedem Orthe ist sein zugetheiltes Quantum anfänglich selbst anheim zugeben und zu versuchen, ob solches im Guten zu erlangen; wo nicht, ist die Ausnahme dergestalt zu machen, daß zuförderst die junge Leuthe, so von ihren Eltern oder sonst am ersten entrathen werden können, zusammengestellt und nochmals von ihnen [den Offizieren] vernommen werden, ob soviel Freywillige unter ihnen vorhanden, alß erfordert würden; wo nicht, könnte man sie spielen laßen […].“1124 Unter „spielen lassen“ verstand man das Würfeln – gelegentlich auch das Losen – unter den jungen Männern der Gemeinde bzw. des Dorfes, welches vom Werbeoffizier beaufsichtigt wurde.1125 Hierbei lässt sich in mehreren Fällen nachweisen, wie es einflussreiche Untertanen geschickt verstanden, ihre eigenen Söhne vom Auswahlverfahren auszuschließen. Ein Vorfall dieser Art ereignete sich im April 1703 im Dorf Rügheim, dem Amt Königsberg zugehörig. Hier lebten acht junge Männer, die zum Dienst unter dem Reichskontingent tauglich waren. Der Schultheiß des Ortes befreite eigenmächtig fünf der acht potentiellen Rekruten von der Anwerbung, wobei es sich bei den Befreiten ausschließlich um wohlhabendere Bekannte des Schultheißen handelte. Übrig blieben drei junge Männer, die allesamt ärmeren Familien entstammten „und zum Spielen angehalten wurden“.1126 Die Männer weigerten sich, der Aufforderung nachzukommen und wurden schließlich auf Veranlassung des Amts Königsberg hin festgenommen und gefangen gesetzt. Familienangehörige der drei Männer berichteten diesen Vorfall an die herzogliche Regierung nach Hildburghausen und führten aus, dass der Schultheiß „vor sich vergnügt geweßen [wäre], daß er nur der Reichen und sonderlich seiner Freunde Kinder davon gebracht [habe]“.1127 Zudem sei die öffentliche Meinung im Dorf gegen 1123 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704. Zur Zitation dieser Mannschaftsliste ist zu beachten, dass diese paginiert beginnt, im letzten Drittel jedoch foliiert geführt wird. 1124 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 19.3.1703, fol. 1r. 1125 Friedrich Christian LAUCKHARD, Schilderung der jetzigen Reichsarmee nach ihrer wahren Gestalt, Köln 1796, S. 16 berichtete noch am Ende des 18. Jahrhunderts über dieses Auswahlverfahren. 1126 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 12.4.1703, fol. 1r. 1127 Ebd.
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die drei Söhne gerichtet. Darüber hinaus illustriert das Schriftstück die Stimmung unter der ländlichen Bevölkerung während der Werbezeit: „[Der Schultheiß hätte sich] darbey nicht wie andere Schultzen auffgeführet, indem andere der jungen Mannschafft ein Hertz zugeredet und dieses und jenes verheißen, nur damit gnädigster Herrschafft Wille vollbracht werde, auff Seiten der hiesigen Gemeinde aber hat man nicht das geringste in Vorschlag gebracht, sondern sich angestellet, alß wenn eben unsere Kinder vor die gantze Gemeinde zugehen und zustehen schuldig wären, daß man also mit Wahrheit sagen kann, daß keine Gemeinde sich liederlicher, alß eben diese angestellet [habe].“1128 Die Beschwerden der besorgten Eltern und Angehörigen wurden abgewiesen, da sich deren Darstellung als höchst einseitig erwies. Einer der jungen Männer äußerte sich sogar schriftlich und versicherte, freiwillig unter dem Reichskontingent Dienst nehmen zu wollen. Der zweite Mann wurde ebenfalls nicht von der Anwerbung ausgenommen; die herzogliche Regierung begründete dies folgendermaßen: „Martin Stubenrauch betreffend, ist zwar nur ein einziger Sohn, der Vater aber dergestalt annoch rüstig, daß er das Feld wohl ein baar Jahr versehen oder von sothanen Mitteln er einen Knecht dingen möge.“1129 Trotz dieser Einschätzung waren die betreffenden Familien wenig begütert und konnten auf ihre Söhne nur schwer verzichten. Als Herzog Ernst im folgenden Monat urteilte, dass die Eltern für das Sträuben ihrer Söhne je zehn Reichstaler als Strafe erlegen sollten, wurde deren Situation noch angespannter. Im Juni erging erneut ein Schreiben aller Familien an den Herzog. Dieses war sehr unterwürfig gehalten, zudem wurde das Verhalten der Söhne relativiert und es wurde um Straferlass gebeten. Der Ausgang der Sache lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht mehr rekonstruieren. Dennoch zeigt dieses Beispiel, mit welcher Vehemenz Familien versuchten, die Verpflichtung ihrer Angehörigen zum Militärdienst zu verhindern. Es wäre jedoch zu kurz gedacht, die Gemeinderekruten lediglich als Opfer der Anwerbung zu sehen. Tatsächlich erhielten sie über das Handgeld von zwei Reichstaler hinaus noch eine finanzielle Entschädigung der Gemeinde, die sich meist auf die stattliche Summe von 15 bis 20 Reichstaler belief. Gemeinden hatten noch eine zweite Möglichkeit, die Rekrutierung von Mitgliedern abzuwenden: Zwar gab es keine Möglichkeit, das zu stellende Quantum abzulösen, doch konnte man sogenannte Eingetretene annehmen. Dabei handelte es sich um Ersatzmänner, die für die von der Gemeinde aufzubringenden Rekruten eintraten und auf herzoglichen Befehl hin von den Werbeoffizieren angenommen wurden. Zahlreiche Gemeinden des Fürstentums griffen im Jahre 1703 auf diesen Anwerbungsmodus zurück: Insgesamt
1128 Ebd., fol. 2r. 1129 Ebd., fol. 2v.
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etwa sechzig Prozent aller Gemeinderekruten waren Eingetretene.1130 Dies belegt die mannigfachen Bemühungen von Familien und Gemeinden, die Dienstpflicht auf andere zu übertragen. Es gab mehrere Möglichkeiten, einen Eingetretenen zu stellen. So konnten sich alle von der Anwerbung gefährdeten Gemeindemitglieder sowie deren Angehörige an der Aufbringung von Geld beteiligen. Dieses wurde anschließend im Rahmen eines Vertrages dem bzw. den Eingetretenen als Vergütung gezahlt. Gelegentlich wurde dem Rekruten auch das Nachbarrecht sowie die Errichtung eines Hauses im Ort zugesagt. Es handelte sich bei diesen Konditionen um eine Lastenverteilung auf viele Köpfe, von der jedoch alle gleichermaßen profitierten. Auch für die Eingetretenen handelte es sich um ein lukratives Geschäft, denn die gezahlten Summen waren beträchtlich und vom eigentlichen Handgeld, das der Eingetretene zusätzlich empfing, unabhängig. Die gezahlten Beträge variierten zwischen zwanzig und vierzig Reichstaler. Interessant ist, dass die gezahlten Summen für Eingetretene meist etwa doppelt so hoch angesetzt waren wie die aufgebrachten Gelder für Gemeinderekruten. Es war damit prinzipiell wesentlich kostenintensiver, einen auswärtigen jungen Mann anstelle eines Gemeindemitglieds zum Dienst zu schicken. Dies hätte dazu führen müssen, dass ärmere Gemeinden die Möglichkeit, einen Eingetretenen anzunehmen, nur begrenzt hätten wahrnehmen können. Tatsächlich zeigt sich aber, dass auch die ärmeren Dörfer des oberen Waldes zahlreiche Eingetretene stellten. Deren Bezahlung fiel hier jedoch fast immer niedriger aus als bei den wohlhabenderen Gemeinden im Amt Heldburg. Die eingetretenen Rekruten kamen oft aus einem benachbarten Dorf und verstanden die ihnen zugesagten Konditionen als Grundlage zum Aufbau einer Existenz. Die größte Geldsumme empfing der 24-jährige Zeugmacher Andreas Eichhorn aus Goßmannsrod, der für vierzig Reichstaler von der Gemeinde Brattendorf gestellt wurde.1131 Der Hafner Bernhard Schuster aus Gründlach bei Nürnberg hingegen wurde von der Stadt Hildburghausen für zehn Reichstaler und für das Versprechen des Bürgerrechts als Eingetretener angenommen.1132 Der 45-jährige Hans Heinrich Schmied aus dem meiningischen Walldorf „sey vor einen Bauers Sohn mitgezogen“1133 und erhielt dafür dreißig Reichstaler von der Gemeinde Westhausen.
1130 Vgl. Diagramm Reichskontingent des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen im Spanischen Erbfolgekrieg; Zusammensetzung der rekrutierten Mannschaften 1703/1704. Von den insgesamt 37,74 Prozent der Gemeinderekruten waren 22,64 Prozent Eingetretene, was einem Anteil von etwa sechzig Prozent entspricht. 1131 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 29. 1132 Ebd., pag. 37. 1133 Ebd., pag. 25.
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Waren keine Freiwilligen als Eingetretene zu gewinnen, so bedienten sich Gemeinden vereinzelt auch der List. So berichtete Hans Suhlfleisch aus Bachfeld, der für zwanzig Reichstaler für die Gemeinde Bachfeld den Dienst antrat, er „sey beym Trunck darzu gekommen“.1134 Ähnlich verhielt sich auch die Stadt Königsberg, die den Schuhmacher Johann Seibe aus Basel als Eingetretenen stellte. Dieser diente als französischer Kavallerist in den ersten Kriegsjahren des Spanischen Erbfolgekrieges, geriet 1703 in Gefangenschaft und kam auf Umwegen nach Sachsen-Hildburghausen. Hier war er von der Stadt Königsberg zum Dienst als Eingetretener „gezwungen worden indeme ihm Ketten wären angeleget worden“.1135 Die Stadt zahlte Seibe schließlich noch vier Reichstaler als Vergütung und hatte somit durch Zwang einen ausgesprochen günstigen Eingetretenen erlangt. Ebenso erging es dem bereits 42-jährigen Valtin Schneider aus Henneberg, der von der Stadt Hildburghausen „ins Loch gesteckt worden [sei] biß er mitgangen“.1136 Sowohl Seibe als auch Schneider wurde zwar als Eingetretener von Hildburghausen gestellt, jedoch unfreiwillig. Beide wurden daher in oben stehendem Diagramm zur Gruppe der Gepressten gerechnet. Aber auch Einheimische wurden von Zwang nicht verschont. So berichtete der Hildburghäuser Zeugmacher Andreas Ebenreuter, er „sey mit Gewalt genommen worden, man habe ihn nicht zum spielen gelaßen“.1137 Es scheint mehrfach vorgekommen zu sein, dass von der Stadt- bzw. Dorfgemeinde auf bestimmte Einwohner Druck ausgeübt wurde. So wie sich die öffentliche Meinung im oben beschriebenen Fall aus Rügheim gegen die Söhne dreier Familien stellte, so dürfte auch der Zeugmacher Ebenreuter Opfer der Gemeinderäson geworden sein. Ähnliches kann für Hans Geyer aus Roth gelten, der „seines üblen Bezeigens und Widerwärtigkeit, so er im Dorf stifftet, darzu [zum Reichskontingent] ausgelesen worden“.1138 Die meisten Eingetretenen hatten keine familiäre Bindung zur Person, für die sie in Dienst traten. Lediglich ein kleiner Teil der Eingetretenen war miteinander verwandt. Der 20-jährige Schmied Caspar Sticht aus Streufdorf berichtete, „sein Bruder hette verspielt, so hette ihn der Vater genöthiget mitzugehen“.1139 Wahrscheinlich waren in diesem Fall wirtschaftliche Überlegungen des Vaters ausschlaggebend. Sticht erhielt noch 15 Reichstaler von der Gemeinde Streufdorf und nahm schließlich seinen Dienst unter dem Reichskontingent.
1134 1135 1136 1137 1138 1139
Ebd., pag. 32. Ebd., pag. 40. Ebd., pag. 25. Ebd., pag. 37. ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, o. D. 1703, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 41.
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Der Heldburger Metzger Anton Wolfram trat für seinen Bruder ein und erhielt von diesem noch sechs Reichstaler.1140 Im April 1703, einen Monat nach Beginn der Anwerbungen für das Reichskontingent, wurde Herzog Ernst ein Bericht über die Gemeinderekruten vorgelegt. Aus diesem ging hervor, dass zahlreiche angenommene Rekruten für den Dienst untauglich waren und dringend durch andere Rekruten ersetzt werden müssten. Eine detaillierte Liste dieser Zeit erwähnte: „Friedrich Spengler, welcher einäugig und untauglich; Adam Scheus […] übler Füße halber zum marchiren untauglich […]; Wolf Nachsen, so mit der Sprache nicht fortkommen kann, auch einfältig ist […]; Hans Königen, welcher seiner Jugend und Schwäche halber nicht passiren kann […].“1141 Aufgrund der mangelnden Qualität der Gemeinderekruten versuchte man bis Ende Mai 1703 verstärkt Freiwillige zu rekrutieren. Dem persönlichen Engagement der Offiziere, die diese Werbung leiteten, kam dabei besondere Bedeutung zu: Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg, der bereits als Hauptmann der Reichskontingentskompanie feststand, warb vornehmlich im Fürstentum Hildburghausen und besorgte die Verwaltungsangelegenheiten der aufzustellenden Kompanie. Leutnant Franz Christoph v. Römer fungierte als Werbeoffizier in den benachbarten ernestinischen Territorien sowie im Hochstift Würzburg. Ein Schwager des Leutnants v. Römer unterstützte die Freiwilligenwerbung ebenfalls tatkräftig. Sein Werbegebiet lag hauptsächlich im kursächsischen Vogtland sowie in Brandenburg-Bayreuth. Es gelang den Offizieren und ihren Helfern, bis zum Ende des Anwerbungszeitraumes den Anteil der Freiwilligen im Reichskontingent auf 54,1 Prozent anzuheben und somit die Bevölkerung Sachsen-Hildburghausens bedeutend zu entlasten. Werbungstyp Schlossgardist Gemeinderekrut Eingetretener Gepresster Freiwilliger
Persönliche Daten Caspar Förster, 38 Jahre, ungelernt aus Königshofen, erfahren Georg Füglein, 20 Jahre, Leinweber aus Holzhausen, unerfahren Alexander Bastheim, 37 Jahre, Metzger aus Schleusingen, erfahren Johann Seibe, 35 Jahre, Schuhmacher aus Basel, erfahren Christian Bauer, 36 Jahre, Glaser aus Wien, erfahren
Handgeld 1 Rtlr.
Gemeindegeld –
2 Rtlr.
15 Rtlr.
2 Rtlr.
27 Rtlr.
4 Rtlr.
2 Rtlr.
6 Rtlr.
–
Tabelle 13: Übersicht zu den verschiedenen Typen von Rekruten und den empfangenen Geldern, 1703/04
1140 Ebd., pag. 35. 1141 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 19.4.1703 [I–IV].
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Abbildung 7: „Compagnie Liste, über die Hochfürstlich Sachsen Hildburghausische Mir Gnädigst anvertraute Compagnie zu Fuß, wie starck sich selbe, dem 30ten Juny Ao. 1709, an Alt und Neuer Mannschafft effective befunden.“, Erste Seite der Mannschaftsliste des Reichskontingents, 1709. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 33, fol. 211r)
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5.3 Die Offiziere „Dieweilen aber wir bey dießen schweren Diensten gar schlechtes Tractament – wiewol ohne Schuld und Approbation unser vorgesetzeten Herrn Officirer – genoßen, denn sie unß ohne Zweiffel weit ein beßeres würden gegönnet haben, wenn es in ihrer Macht und Vermögen gestanden wäre.“1142 Aus einem gemeinsamen Schreiben mehrerer Deserteure an Herzog Ernst, 1704
Die Mannschaftsstärke des hildburghäusischen Reichskontingents schwankte während des Spanischen Erbfolgekrieges zwischen 44 und 164 Mann. Es handelte sich um eine schwache Kompanie, zu deren Führung nur wenige Offiziere erforderlich waren. Insgesamt wurden lediglich drei Offiziersstellen besetzt: ein Hauptmann, ein Leutnant und ein Fähnrich. Berücksichtigt man die gelegentlichen Vakanzen bestimmter Stellen, so dienten während des gesamten Krieges nur zehn Personen im Offiziersrang. Die folgende Übersicht fasst alle Offiziere des Reichskontingents zusammen: Hauptmann
Leutnant
Fähnrich
Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg Heinrich v. Gleichen Johann Christoph Thiel Franz Christoph v. Römer Heinrich v. Gleichen Vakant Christian Jacob Rüdiger Johann Wilhelm v. Schaumberg Lorenz Albrecht v. Heßberg Heinrich v. Gleichen Volkmar Kruspe Johann Carl v. Heßberg Christian Jacob Rüdiger Vakant Stephan Jahn Vakant
März 1703–September 1706 Oktober 1706–April 1711 April 1711–März 1714 März 1703–1705 1705–1706 1706–1711 April 1711–März 1714 März 1703–September 1703 Okt. 1703–Dezember 1703 Oktober 1704–April 1705 April 1705–April 1707 April 1707–mindestens Juni 1709 1709–April 1711 April 1711–März 1712 März 1712–August 1713 August 1713–März 1714
Tabelle 14: Die Offiziere des hildburghäusischen Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg
Das Reichskontingent wurde in Sachsen-Hildburghausen offiziell als Teil des Landregiments gesehen. Daher standen auch die Kontingentsoffiziere, die sich innerhalb des Fürstentums aufhielten, unter dem Kommando hoher Landregimentsoffiziere. Auf dem Kriegsschauplatz traten die Kontingentsoffiziere unter das Kommando eines weimarischen Obristen, der das ernestini1142 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 139v.
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sche Allianzregiment befehligte. Diese Situation barg während der gesamten Dauer des Krieges Konfliktpotential, da sich hildburghäusische Offiziere des Öfteren weigerten, den Befehlen des weimarischen – und damit „fremden“ – Regimentskommandeurs Folge zu leisten und sich stattdessen beim eigenen Landesfürsten rückversicherten. Damit befanden sich die Offiziere stets in einem Spannungsfeld von militärischem Gehorsam innerhalb der Regimentsstruktur einerseits und Loyalität gegenüber dem Landesherrn andererseits. Paradoxerweise stammt der Großteil des Quellenmaterials zum hildburghäusischen Reichskontingent aus der Hand der Offiziere, zu denen sich jedoch kaum Selbstzeugnisse oder andere Quellen erhalten haben. Dennoch soll versucht werden, anhand des spärlichen Materials ein Bild der Reichskontingentsoffiziere zu entwerfen. An der Spitze der Kontingentskompanie stand der Hauptmann, der durch einen meist auf zwei Jahre befristeten Vertrag an die Kompanie gebunden war. Damit wurde ein privatwirtschaftliches Verhältnis zwischen Hauptmann und Herzog bzw. Reichskontingent begründet. Der Offizier war am Zustand des Kontingents interessiert und konnte davon finanziell profitieren oder verlieren. Obwohl zum Auswahlverfahren der Hauptmänner keine Quellen existieren, waren das Vorhandensein eines größeren Privatvermögens sowie Erfahrung im Militärdienst und wirtschaftliche Kompetenz essentielle Voraussetzungen, um den Dienst erfolgreich bewältigen zu können. Während des Kriegsverlaufes zeigten sich aber bald die Kehrseiten dieser Charge. Das hohe finanzielle Risiko schreckte potentielle Kandidaten und Nachfolger ab. Das kräftezehrende Leben im Feldlager, die Märsche und das ungewisse Schicksal wirkten wenig attraktiv. Offenbar galten die Offiziersstellen beim Reichskontingent als wenig prestigeträchtig. Während bei den Garden zahlreiche adelige Offiziere in Dienst standen, fanden sich beim Reichskontingent – zumal in der Spätphase des Krieges – meist Offiziere bürgerlicher Herkunft. Es wird sich zeigen, dass alle Offiziere des Reichskontingents den Dienst als Aufstiegsmöglichkeit in eine höhere gesellschaftliche Position verstanden. Erster Hauptmann des hildburghäusischen Reichskontingents war Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg. Er entstammte einem ursprünglich aus Österreich stammenden Niederadelsgeschlecht und stand Ende des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich in gothaischen Militärdiensten.1143 Von hier gelangte er nach Sachsen-Hildburghausen, wo er erstmals 1703 als Hauptmann des Reichskontingents auftauchte. Im Jahre 1706, nach Ablauf zweier Rekrutierungsverträge, nahm Spiller v. Mitterberg seinen Abschied und wurde wahrscheinlich wenig später zum Major im Landregiment befördert. Es ist davon auszugehen, dass er bereits bei seiner Anwerbung unter das Reichskontingent die Aufstiegsmöglichkeiten im Fürstentum erkannte und auf eine 1143 Johann Christian v. HELLBACH, Adels-Lexikon, Bd. 2, Ilmenau 1826, S. 591.
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spätere Karriere in Sachsen-Hildburghausen hinarbeitete. Zumindest in den nächsten Jahren trieb er seine Karriere konsequent voran und versuchte zunehmend Einfluss im Fürstentum und in der unmittelbaren Umgebung des Herzogs zu gewinnen. Er errichtete zudem ein mehrgeschossiges Wohnhaus am Hildburghäuser Markt.1144 Im Landregiment stieg er bis zum Obristen auf, und 1711 war er bereits Kriegsrat des Herzogs Ernst. Um diese Zeit erwarb Spiller v. Mitterberg das meiningische Rittergut Oberstadt, das er als Wohnsitz wählte. Wenig später tätigte er erneut bedeutende Ausgaben in Höhe von mehreren zehntausend Gulden mit dem Kauf der hildburghäusischen Rittergüter Steudach und Engenstein.1145 Beide Rittergüter waren zu diesem Zeitpunkt bereits unrentabel, doch brachte ihm vor allem der Besitz des Gutes Engenstein einen Sitz unter den Landständen des Fürstentums und damit vermehrten Einfluss. Nach dem Tod des Herzogs im Jahre 1715 zog sich auch Spiller v. Mitterberg aus dem Fürstentum zurück. Es scheint, dass Differenzen zwischen ihm und dem Erbprinzen Ernst Friedrich der Grund dafür waren. Er verkaufte sein Rittergut Engenstein und engagierte sich seitdem in meiningischen Militärdiensten. In den archivalischen Quellen findet er sich nur noch im Rahmen von Konflikten mit den Einwohnern seines Gutes Oberstadt.1146 Bis zu seinem Tod erlangte der ehemalige hildburghäusische Offizier die Position eines Geheimen Rates und Hofmarschalls in SachsenMeiningen. Nachdem Spiller v. Mitterberg im September 1706 seinen Abschied vom Reichskontingent genommen hatte, folgte ihm Heinrich v. Gleichen als Hauptmann nach. Er entstammte einem freiherrlichen Geschlecht, das in Thüringen und Franken Einfluss genoss.1147 Heinrich v. Gleichen wurde im Jahre 1681 in Etzelbach geboren. Er war der Sohn des saalfeldischen Schlosshauptmanns Hans Christoph v. Gleichen und der Veronica Wurmser v. Vendenheim. Ersten Kontakt mit dem Militärdienst hatte v. Gleichen vermutlich in Sachsen-Gotha-Altenburg, bevor er sich im März 1703 als Fähnrich unter das hildburghäusische Reichskontingent anwerben ließ. Mitte 1705 fand man ihn bereits als Leutnant. Aufgrund der häufigen Abwesenheiten Spiller v. Mitterbergs übernahm v. Gleichen des Öfteren das Kommando und arbeitete sich in diverse Verwaltungsabläufe ein. Als Spiller v. Mitterberg verabschiedet wurde, trat v. Gleichen im Oktober 1706 an seine Stelle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass v. Gleichen – trotz seiner begrenzten Erfahrung – versuchte, auf Grundlage seines Familienvermögens von der Hauptmanns1144 Es handelte sich hierbei um das sogenannte Ehemalige Kavaliershaus, das in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. 1145 HEYN, Rittergut Engenstein, S. 88; ders., Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 46 f. 1146 Vgl. ThStAM, Sachsen-Coburg/Gothaer Regierung, 127–129. 1147 Johann Christian v. HELLBACH, Adels-Lexikon, Bd. 1, Ilmenau 1825, S. 432.
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stelle sowohl finanziell als auch gesellschaftlich zu profitieren. Dies gelang ihm allerdings nicht, da mit fortschreitender Kriegsdauer zusehends Pflichten von herzoglicher Seite auf den Hauptmann des Kontingents abgeschoben wurden. Dabei ging es neben der Mannschaftsergänzung hauptsächlich um die Verpflichtung, die Monturen der Soldaten regelmäßig zu ersetzen. Dies überstieg v. Gleichens finanzielle Möglichkeiten, der sich mit drei Brüdern das väterliche Erbe teilen musste, sodass er im Oktober 1710 um eine baldige Entlassung nachsuchte. Er begründete dies damit, dass der weitere Dienst zu seinem völligen Ruin führen würde.1148 Im März 1711 wurde v. Gleichen vom Reichskontingent verabschiedet und trat zum Landregiment über, wo er im Mai desselben Jahres zum Obristwachtmeister befördert wurde. Nach dem Tod von Herzog Ernst verließ v. Gleichen Sachsen-Hildburghausen und begab sich nach Bayreuth. Hier gebar ihm seine Ehefrau Caroline Dorothea Sophie v. Rußwurm im Jahre 1717 einen Sohn. Bei diesem handelte es sich um den in späteren Jahren bekannt gewordenen Naturforscher Wilhelm Friedrich v. Gleichen-Rußwurm.1149 Bereits vorher wurde der Vater als Obrist in bayreuthische Dienste übernommen und brachte es hier später zum Oberjägermeister und Geheimen Rat. Heinrich v. Gleichen verstarb im Jahre 1767 in Bayreuth. Da seine Ehefrau die letzte Vertreterin der Linie von Rußwurm war, genehmigte Kaiser Karl VI. im Jahre 1732 die Wappenvereinigung der beiden Häuser Rußwurm und Gleichen. Damit wurde Heinrich v. Gleichen auch Begründer der freiherrlichen Linie von Gleichen-Rußwurm. Nach der Verabschiedung Heinrichs v. Gleichen im März 1711 und den mittlerweile offenkundigen Versorgungsengpässen und Schwierigkeiten beim Reichskontingent war es schwer, einen Nachfolger zu finden. Man griff nun auf Johann Christoph Thiel, einen willigen, aber wenig begüterten Offizier aus dem Landregiment zurück. Über ihn, dem der gesellschaftliche Aufstieg versagt blieb, ist nur sehr wenig in Erfahrung zu bringen. Er stammte aus dem hildburghäusischen Dorf Reurieth und war in frühen Jahren Kammerdiener des Erbprinzen Ernst Friedrich. Im Jahre 1709 war er Leutnant der Sonnefelder Kompanie beim Landregiment und trat Ende März 1711 seinen Dienst als Hauptmann beim Reichskontingent an. Diese Stelle hatte er bis zum Ende des Krieges inne. Um 1715 kommandierte er die kleine Garnison der Veste Heldburg und wurde hier seines Kommandos enthoben, als er einen hochrangigen Gefangenen entkommen ließ.1150 Als Stellvertreter und Berater des Hauptmanns beim Reichskontingent fungierte der Leutnant. Er war Bindeglied und Vermittler zwischen Haupt1148 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 7.10.1710. 1149 Friedrich KLEMM, Wilhelm Friedrich Freiherr von Gleichen genannt von Rußwurm, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, Berlin 1964, S. 447 f. 1150 KRAUSS, Landes-Historia, Bd. 2, S. 14.
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mann und Mannschaften sowie zwischen Kompanie und Regiment. Der Charakter dieser Charge ist schwieriger zu fassen als jene des Hauptmanns oder Fähnrichs. Bei den Leutnants handelte es sich bereits um militärisch vorgebildete Persönlichkeiten, die privatwirtschaftlich nicht an die Kompanie gebunden waren. Dass Leutnants des Reichskontingents auf die Hauptmannstelle spekulierten, ist unwahrscheinlich; lediglich Heinrich v. Gleichen wurde – eher unvorhergesehen – Hauptmann und verließ diese Stelle später, ohne persönlich davon profitiert zu haben. Der erste Leutnant, Franz Christoph v. Römer, trat aus dem Landregiment freiwillig zum Reichskontingent über, wohl weil er sich nach Kriegsende eine höhere Charge im Landregiment erhoffte. Die Absichten Christian Jacob Rüdigers, des dritten Leutnants im Reichskontingent, sind schwerer zu fassen. Er war einer der bemerkenswertesten Offiziere im Dienste SachsenHildburghausens und setzte sich vielfach persönlich für die Belange gemeiner Soldaten ein. Er hat zahlreiche Briefe hinterlassen, die – wenn auch subjektiv gehalten – kleine, aber lebendige Einblicke in den Dienst beim Reichskontingent geben. Rüdiger wurde im Jahre 1680 in Altenburg geboren und hatte noch vier Brüder. Er erlernte kein Handwerk und trat auch nicht in Militärdienste. Es ist wahrscheinlich, dass Rüdiger in jungen Jahren zeitweise als Student an einer Universität immatrikuliert war. Im März 1703 ließ er sich für elf Gulden und dreißig Kreuzer von Hauptmann Spiller v. Mitterberg unter das hildburghäusische Reichskontingent als Musterschreiber anwerben, jedoch mit der Zusicherung, jederzeit den Dient freiwillig verlassen zu können.1151 Im April 1704 wurde er zum Führer befördert und nach nur 26 Monaten Dienstzeit zum Feldwebel. Wenig später beschwerte sich Rüdiger bei Herzog Ernst über seine niedrige Besoldung und die Tatsache, dass der coburgische Feldwebel etwa sechs Gulden mehr bekomme, dabei aber die Verantwortung für weniger Soldaten habe. Rüdiger berichtete: „Ich hingegen unter einer 155 Mann [starken Kompanie] stehe, dabey die Dienste viel stärker als jene [der coburgischen Kompanie] und ich werde zumahl ietzo in Guarnison wegen Ausmachung derer täglichen Dienste und was sonsten bey der Compagnie passiret, mit continuirlichem Lauffen und Rennen fast Tag und Nacht fattigiret […].“1152 Rüdigers Schreiben blieben unbeantwortet, und seine Unzufriedenheit mit dem Dienst stieg daher weiter an. Er suchte 1706 mehrmals um seine Entlassung nach, ohne dass diese ihm gewährt wurde. Als ihm der Kommandeur des Allianzregiments, Obrist v. Friesen, die Stelle eines Adjutanten zusagte, schöpfte Rüdiger neuen Mut. Er wurde jedoch jäh enttäuscht, als man einen 1151 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 22–23. 1152 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 23.11.1705, fol. 1r.
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anderen Bewerber vorzog. Dies führte im März 1707 zu mehreren Ansuchen um Entlassung aus dem Dienst, die selbst von Hauptmann v. Gleichen unterstützt wurden. Um seinem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen, gab der junge Rüdiger vor, an zahlreichen körperlichen Gebrechen und Krankheiten zu leiden.1153 Als ihm der Abschied erneut verwehrt wurde, besann sich Rüdiger auf die Zusicherung, die ihm Hauptmann Spiller v. Mitterberg 1703 gegeben hatte. Hauptmann v. Gleichen wollte ohne herzogliche Bestätigung nichts davon wissen und wies Rüdiger erneut ab. Am 12. Juni 1707 sah sich Rüdiger gezwungen, unter Zurücklassung einer Nachricht die Festung Landau zu verlassen. Hauptmann v. Gleichen berichtete wenige Tage später an Herzog Ernst, dass „dieser leich[t]färdige Mensch, nebst Hindansetzung seiner Ehre und Pflicht den ersten Pfingsttag aus hiesiger Guarnison desertiret, weiln er nur laud seines zurückgelaßenen eigenhändigen Brieffs sich nach dem Lande in specie Hauptmann Spillers zu begeben vorhabens“.1154 Rüdiger wusste aber genau, dass er nun als Deserteur galt und eine Rückkehr nach Sachsen-Hildburghausen im Arrest enden würde. Er begab sich daher zunächst nach Kronach und logierte sich in einen Gasthof ein. Von hier aus schrieb er nach Hildburghausen und berichtete über die Zustände beim Regiment. Bezugnehmend auf die weimarischen Offiziere gab Rüdiger zu verstehen, dass er sich wegen „Verdrießlichkeiten verhaßet gemachet [hätte], daß fast niemand mir gut geweßen und beym Regiment [in] nicht geringe Feindschafft gerathen bin, auch sodaß mit dem härtesten bedrohet, mich vorzusehen, daß nicht einmahl anlauffen thäte“.1155 Zudem äußerte sich Rüdiger angesichts seiner zahlreichen Entlassungsgesuche ungehalten. Es tat seiner Glaubwürdigkeit Abbruch, dass er mitteilte, er wolle in ein derzeit in Kursachsen stehendes schwedisches Dragonerregiment eintreten und dabei auf die Vermittlung seines Bruders, der ebenfalls dort diente, zurückgreifen. Vorher begehrte er aber seinen ordentlichen Abschied aus dem Militärdienst. Aus hildburghäusischer Perspektive handelte es sich hier um eine einwandfreie Desertion, weswegen man das Schreiben Rüdigers zunächst auch ignorierte. Etwa zwei Wochen später meldete sich Rüdiger erneut schriftlich in Hildburghausen. Er befand sich immer noch in Kronach, und das Geld für die Unterkunft wurde langsam knapp. Er behauptete, auf dem Weg von Landau nach Kronach von einem feindlichen Kommando überfallen worden und nunmehr fast mittellos zu sein. Rüdiger bat nochmals um seinen Abschied und versicherte, ohne diesen nicht in schwedische Dienste treten zu wollen. Erneut erfolgte keine Antwort aus Hildburghausen. Sechs Wochen später 1153 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 20.3.1707. 1154 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 17.6.1707, fol. 1r. 1155 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 148r.
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meldete sich Rüdiger aus Leipzig und berichtete, aufgrund finanzieller Engpässe genötigt worden zu sein, nach Kursachsen zu reisen. Erneut bat er um seinen Abschied, der ihm schließlich genehmigt wurde. Vermutlich um Rüdiger eine Lehre zu erteilen, vergingen noch Wochen, bis der Abschied schließlich ausgestellt wurde – er erhielt ihn erst im Dezember 1707. Dies war bereits zu spät, um noch in schwedische Dienste zu treten, und Rüdiger begab sich reuig nach Hildburghausen zurück. Mittlerweile hatte sich Spiller v. Mitterberg für Rüdiger verwendet und die 1703 gegebene Zusicherung des freiwilligen Abschieds bestätigt. Es lässt sich nicht nachweisen, dass in den folgenden Wochen Sanktionen gegen Rüdiger verhängt worden wären. Im Gegenteil scheint er sogar unter herzoglicher Protektion gestanden zu haben, denn er trat Anfang 1708 als Fähnrich und Adjutant in die Schlosswache ein. Nach einem Jahr erhielt er hier seinen Abschied und wurde Anfang 1709 als Fähnrich unter das coburgische Reichskontingent angeworben. Rüdiger verblieb nur kurze Zeit dort. Bereits im Sommer 1709 scheint er sich um eine Versetzung in das hildburghäusische Reichskontingent bemüht zu haben. Erneut stellte ihm Spiller v. Mitterberg dazu eine Bestätigung seiner Rechtschaffenheit aus, und Rüdiger wurde im August als Fähnrich angenommen. Das war ein Affront für alle Offiziere des Allianzregiments, von denen nun einige versuchten, die Anstellung des Fähnrichs zu hintertreiben. Die offizielle Indienststellung eines Offiziers unter dem Majorsrang konnte jedoch erst erfolgen, nachdem dieser bei der Truppe „vorgestellt“ war. Diese Vorstellung lief im Rahmen eines zeremoniellen Aktes ab und erforderte das Antreten des gesamten Regiments. Hauptmann v. Gleichen konnte aber ohne Befehl des Regimentskommandanten den Fähnrich nicht vorstellen. Der Obrist v. Uslar machte keine Anstalten, eine Vorstellung vorzunehmen, und verweigerte dem Fähnrich Rüdiger sogar das Quartier innerhalb der Festung Landau. Rüdiger berichtete: „[…] daß also wenn es Nacht ist, fast nicht weiß wo ich bleiben soll und in Ermangelung der Wirthshäußer oder guter Freunde, manchmahl gar auf der Gaßen liegen müßte und wie es auch augenscheinlich am Tag lieget, so hat der Obrist Uslar nicht nur vor Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht gnädigst gegebene Befehle keinen Respect, sondern suchet auch in Hinterung der Vorstellung, mir an meiner Ehre ohne die geringste Raison hauptsächlich Tort zu thun.“1156 In diesem unbefriedigenden Zustand lebte Rüdiger noch drei Monate, ohne dass Herzog Ernst etwas gegen den Obristen v. Uslar unternehmen konnte. Erst Ende Dezember 1709 ergab sich eine Möglichkeit der Vorstellung, als der Obrist v. Uslar nach Sachsen-Weimar reiste. Für ihn übernahm der eisenachische Obristleutnant Heinrich Philipp v. Steinsdorf das Kommando über das Allianzregiment. Dieser war gewillt, nach nochmaligem Befehl des Her1156 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 295r.
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zogs den Fähnrich Rüdiger bei Kompanie und Regiment vorzustellen, und er tat dies schließlich auch. Der Obrist v. Uslar hegte aufgrund dessen sowie wegen der 1707 vorgefallenen Desertion bis zum Ende des Krieges einen Groll gegen den Fähnrich Rüdiger. Letzterer konnte sich auch mit anderen Offizieren des Allianzregiments nicht anfreunden und verkehrte daher häufig mit den Mannschaften. Da Rüdiger selbst vom Musterschreiber bis zum Fähnrich aufgestiegen war, hatten die Soldaten Vertrauen zu ihm, was erneut den Ärger der anderen Offiziere auf ihn zog. Trotz seines schwierigen Standes beim Regiment setzte sich Rüdiger wiederholt für die Belange der Mannschaften ein und rettete im April 1711 einen zum Tode verurteilten Musketier vor dem Erhängen. Noch im selben Monat wurde Rüdiger, vermutlich um den gerade angenommenen und unerfahrenen Hauptmann Thiel zu unterstützen, zum Leutnant befördert. In diesem Rang verblieb er bis zum Ende des Krieges und marschierte 1713 mit dem Reichskontingent nach SachsenHildburghausen zurück. Rüdiger wurde im März 1714 aus dem Dienst verabschiedet. Zu seinem weiteren Lebensweg, der sich außerhalb SachsenHildburghausen abspielte, ist nichts in Erfahrung zu bringen. Die niedrigste Offiziersstelle war jene des Fähnrichs. Ähnlich wie beim Hauptmann lassen sich auch hier Veränderungen in der Stellenbesetzung feststellen, je länger der Krieg andauerte: Während in den ersten Kriegsjahren vor allem Adelige die Fähnrichstelle bekleideten, setzen sich gegen Kriegsende zunehmend bürgerliche Anwärter durch – ein Hinweis darauf, dass die konstant schlechte Versorgungslage die Attraktivität des Dienstes nachhaltig beeinflusste. Das freiherrliche Geschlecht von Heßberg, seit dem 12. Jahrhundert auf thüringischem Gebiet heimisch, gehörte zur gesellschaftlichen und höfischen Elite der Fürstentümer Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg. Mitglieder dieser Familie fanden sich im 18. Jahrhundert in wichtigen Militär- und Verwaltungsposten beider Territorialstaaten. Die Familie sah die Truppen dieser beiden Fürstentümer als naheliegende Möglichkeit, die jüngsten Mitglieder in den Militärdienst einzuführen. In Sachsen-Hildburghausen warben die v. Heßberg nicht nur um Stellen in den fürstlichen Garden oder dem niederländischen Kavallerieregiment, sondern suchten auch Dienste im Reichskontingent. Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges galt der Dienst dort noch als attraktiv. Lorenz Albrecht v. Heßberg wurde 1681 auf dem Rittergut Dörfles bei Coburg geboren. Nachdem die Fähnrichstelle beim Reichskontingent durch den Tod des Johann Ernst v. Schaumberg während der Schlacht von Höchstädt vakant geworden war, ließ sich v. Heßberg als Fähnrich anwerben. Er trat seinen Dienst im Oktober 1703 an, blieb jedoch nur kurz bei der Truppe. Maria Dorothea v. Heßberg, die Mutter des Fähnrichs, bat bereits Anfang
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Dezember um die Entlassung ihres Sohnes aus dem Militärdienst. Die Witwe begründete dies damit, dass sie bereits zwei ihrer drei Söhne in anderen Militärdiensten verloren habe und nun ihren einzig verbliebenen Sohn in Sicherheit wissen wolle.1157 Tatsächlich war Lorenz Albrechts Zwillingsbruder, Friedrich Ludwig v. Heßberg, bereits am 29. August 1703 in Bergen-opZoom einer Verwundung erlegen.1158 Angesichts dieser Umstände gab Herzog Ernst der Bitte statt.1159 Diese Entscheidung sicherte den Fortbestand dieser Seitenlinie der Freiherren von Heßberg. Lorenz Albrecht v. Heßberg und seiner Ehefrau Magdalena Sophia Müfflin v. Ermreuth wurden in den folgenden Jahren insgesamt zwölf Kinder geschenkt, von denen jedoch nur die Hälfte das Kindesalter überlebte. Der zweite Heßberger im Dienste des Reichskontingents war Johann Carl v. Heßberg.1160 Er wurde 1689 auf dem hildburghäusischen Rittergut Eishausen geboren. Im Alter von 17 Jahren ließ er sich als Fähnrich im Reichskontingent anwerben und diente hier etwa drei Jahre lang. Vermutlich um weiterführende Kenntnisse zu erwerben, verließ er diese Einheit und begab sich in kursächsische Dienste. Im Rahmen des Großen Nordischen Kriegs stieg v. Heßberg bis zum Hauptmann auf und hielt sich nach dem Friedensschluss in Dresden auf. Um 1725 kehrte er nach Sachsen-Hildburghausen zurück und heiratete hier. Gleichzeitig übernahm der militärisch gut ausgebildete Offizier Verantwortung im Landregiment. Bis 1732 stieg er zum Obristen auf und widmete sich später politischen Ämtern. Unter Herzog Ernst Friedrich II. wurde er Geheimer Rat, Regierungs- und Konsistorialpräsident sowie Landschaftsdirektor. Johann Carl v. Heßberg verstarb hoch angesehen am 23. April 1750 und wurde in der Kirche seines Rittergutes Eishausen beigesetzt. Es ist bemerkenswert und weist zugleich auf den Status des Reichskontingents hin, dass die Familie von Heßberg trotz ihres Einflusses im Fürstentum nie höhere Chargen in dieser Einheit anstrebte. Im späteren Kriegsverlauf fanden sich zunehmend weniger adelige Freiwillige für den Dienst beim Reichskontingent. Die Fähnrichstellen wurden nun durch beförderte Feldwebel besetzt oder blieben zeitweise vakant. Als erster nichtadeliger Fähnrich übernahm Volkmar Kruspe 1706 die Charge. Hier spielte neben dem Mangel adeliger Bewerber auch die immense militäri1157 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 7.12.1703. Im Übrigen liegt BIEDERMANN, GeschlechtsRegister (1748), Tab. LXIX falsch, wenn er schreibt, Lorenz Albrecht v. Heßberg sei in der Schlacht von Eckeren am 30. Juni 1703 gefallen. 1158 Der Älteste der Brüder, Wolf Christoph v. Heßberg, fiel 1689 im Kampf gegen die Türken auf Morea. 1159 In dem Schreiben des Herzogs heißt es: „Ihrem Suchen [wird] gnädigst deferiret und ermelter Ihr Sohn seiner ufgehabten Fendrichsdienste hiermit in Krafft dieses erlaßen […]“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 17.12.1703, fol. 1r. 1160 BIEDERMANN, Geschlechts-Register, Tab. LXXIII.
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sche Erfahrung Kruspes eine entscheidende Rolle. Der im Jahre 1664 geborene Kruspe hatte sich in gothaischen Militärdiensten über viele Jahre hinweg vom Gemeinen bis zum Fourier hochgedient. Kurz nach 1700 ließ er sich in Hildburghausen für die Schlossgarde anwerben und trat im März 1703 als Unteroffizier in das Reichskontingent über.1161 Mit der Beförderung des Leutnants v. Gleichen rückte Kruspe 1705 in den Rang eines Fähnrichs auf. Das fortgeschrittene Alter Kruspes machte sich im Feldzugsleben allerdings zusehends bemerkbar. Bereits im Dezember 1706 schrieb er an Herzog Ernst und bat um seine Entlassung.1162 Dem folgte im Februar 1707 ein Schreiben an seine Frau, in dem er sie u. a. wissen ließ: „Ich bin bald kranck, balt bin ich gesund […].“1163 Die Ehefrau sollte sich umgehend beim Herzog für seinen Abschied verwenden. Dieser wurde gegen Ende der Kapitulationszeit im April 1707 gewährt. Bereits vorher hatte Kruspe den Wunsch geäußert, aufgrund seiner Dienste als Leutnant bei der Königsberger Landregimentskompanie vorgestellt zu werden. Ob diesem Ansinnen entsprochen wurde, konnte nicht geklärt werden. Dem Fähnrich Kruspe folgte der Adelige Johann Carl v. Heßberg nach, der wiederum durch den bereits oben angeführten Christian Jacob Rüdiger ersetzt wurde. Anschließend blieb die Fähnrichstelle, offensichtlich aus Mangel an geeigneten Kandidaten, für geraume Zeit unbesetzt. Anfang 1712 wurde Stephan Jahn als Fähnrich beim Reichskontingent angenommen. Er wurde 1682 in Heldburg geboren und erlernte das Handwerk des Kupferschmieds.1164 Er stand unter der Heldburger Landregimentskompanie, als er im März 1703 vom Hauptmann Spiller v. Mitterberg für sieben Reichstaler als Gemeiner zum Reichskontingent angeworben wurde. In den nächsten Jahren diente sich Jahn weiter nach oben. Im Juni 1709 hatte er bereits den Rang eines Feldwebels erreicht und stieg von hier zum Fähnrich auf.1165 In diesem Rang fiel er, von einer Kugel tödlich getroffen, im August 1713 während der Belagerung von Landau. Er hinterließ eine Frau und ein Kind, die seit dem Tode Jahns unter herzoglicher Protektion standen und freies Quartier im Amt Hildburghausen genossen.
1161 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 22–23. 1162 ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 27.12.1706. 1163 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 90v. 1164 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 28. 1165 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 211r.
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5.4 Die Unteroffiziere und Gemeinen „[…] und waß mich anbelanget, so bin ich auch noch friß und gesund solang es Gott will und eß hat mich verdrossen, daß mir Mutter und Geschwister nicht geschriben haben und dieße haben alle Andword bekommen […].“1166 Musketier Hans Caspar Müller, 1703
5.4.1 Regionale Herkunft Als Grundlage für die Auswertung der regionalen Herkunft der Soldaten des Reichskontingents diente eine detaillierte Mannschaftsliste der Jahre 1703/04. Sie nimmt unter dem Quellenmaterial zum Spanischen Erbfolgekrieg einen singulären Status ein, da in späteren Kriegsjahren aufgeschlüsselte Mannschaftslisten, die neben Daten zur Herkunft auch Informationen zu Alter, Ausbildung und Anwerbungsumständen enthielten, nicht mehr angefertigt wurden.1167 Man begnügte sich stattdessen mit einer namentlichen Auflistung der angeworbenen Soldaten, sodass einer statistischen Auswertung hier enge Grenzen gesetzt sind. Da sich Werbemethode und Werbegebiet während der Dauer des Krieges nicht veränderten, kann die Mannschaftsliste der Jahre 1703/04 zumindest für die erste Kriegshälfte als repräsentativ gelten.1168 Knapp die Hälfte (43,24 Prozent) der Soldaten des Reichskontingents stammte aus Sachsen-Hildburghausen. Damit lag der Anteil der hildburghäusischen Rekruten etwas niedriger als bei den Gardemannschaften (47,62 Prozent). Die Erklärung dafür dürfte in der Werbemethode zu suchen sein. Es ist davon auszugehen, dass sich die Differenz von 4,38 Prozent aus den Bemühungen der hildburghäusischen Werber ergab, die in der Endphase der Anwerbung im Jahre 1704 mehr ausländische Rekruten zu verpflichten suchten. Die Herkunft der restlichen Mannschaften wird durch das unten stehende Diagramm verdeutlicht. Die genannten Territorien wurden in verschiedene Gruppen untergliedert: Es handelt sich dabei um benachbarte (schwarz), nahe (umrahmt), entfernte (grau) und außerhalb des Reiches gelegene Gebiete (schwarz). 1166 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 144r. 1167 Diese Mannschaftsliste befindet sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 29. Die Auswertung zur regionalen Herkunft erfolgte auf Grundlage der Daten von 148 Soldaten des Reichskontingents. 1168 Jene Soldaten, die auf dem Kriegsschauplatz angeworben wurden, sind in der Mannschaftsliste der Jahre 1703/04 nicht erfasst. Diese Werbemethode, die hauptsächlich im Rahmen der Mannschaftsergänzung zur Anwendung kam, hatte in quantitativer Hinsicht äußerst geringe Bedeutung. Eine Beeinträchtigung bzw. gar eine Verfälschung des Gesamtergebnisses kann ausgeschlossen werden.
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Die hildburghäusische Werbung für das Reichskontingent des Spanischen Erbfolgekrieges stellte sich wesentlich ausgewogener dar als bei den Gardetruppen. Zudem überschritt die Werbung für das Reichskontingent die eigenen Landesgrenzen deutlich. In besonderem Maße zeigte sich das am wesentlich größeren Anteil von Rekruten aus entfernten Gebieten. Hier hoben sich besonders Kursachsen (11,9 Prozent), Kurbayern (5,95 Prozent) und Brandenburg-Bayreuth (5,95 Prozent) von anderen Territorien ab. Es handelte sich dabei um die Werbeorte des Schwagers des hildburghäusischen Leutnants v. Römer, der hier die Anwerbung freiwilliger Rekruten praktizierte. Der Weg von Rekruten aus anderen entfernten Territorien lässt sich indes nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Hier ist nochmals auf die überregional bedeutsamen Handelsstraßen im Umland Hildburghausens hinzuweisen.1169 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2%
Würzburg Sachsen-Coburg Bamberg Sachsen-Meiningen Sachsen-Zeitz Sachsen-Römhild Sachsen-Gotha-Altenburg Sachsen-Eisenach Sachsen-Weimar Kurmainz Kursachsen Kurbayern Brandenburg-Bayreuth Reichsstädte Österreich Speyer Kurbrandenburg Hessen-Kassel Schwedisch-Pommern Köln Braunschweig Kurpfalz Münster Gebiete außerhalb des Reiches
0%
Graphik 16: Herkunft der ausländischen Mannschaften des hildburghäusischen Reichskontingents, 1703/04
1169 Es ist interessant festzustellen, dass es sich bei einigen anderen entfernten Gebieten um katholische Territorien handelte, die – bis auf Würzburg und Bamberg – im Rahmen der hildburghäusischen Werbung ansonsten keine größere Rolle spielten. Die konfessionelle Zusammensetzung des Reichskontingents lässt sich jedoch nicht mehr erschließen, da die Mannschaftsliste der Jahre 1703/04 ungewöhnlicherweise keine Daten zur Konfession der Soldaten enthielt.
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Ein Großteil der Rekruten entstammte benachbarten Territorien. Diese Feststellung deckt sich mit den Ergebnissen, die bereits im Rahmen der Auswertung der Gardemannschaften gewonnen werden konnten, obgleich dort die Anzahl der Rekruten aus benachbarten Territorien wesentlich höher lag. Für die Anwerbung in den Nachbargebieten war in den Jahren 1703/04 v. Römer zuständig, der sich hauptsächlich an der Südgrenze des Fürstentums bewegte, sodass es wenig verwundert, wenn Rekruten aus würzburgischem (13,1 Prozent) und bambergischem (5,95 Prozent) Gebiet zahlreich vertreten waren. Das Gleiche galt für Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Römhild. Die Rekruten aus Sachsen-Zeitz (4,77 Prozent) stammten aus der jenseits des Flusses Schleuse gelegenen Exklave Schleusingen, die 1660 der albertinischen Sekundogenitur Sachsen-Zeitz zugewiesen wurde und aus der regelmäßig Rekruten den Weg nach Hildburghausen fanden. Die Rekruten, die von außerhalb des Reiches nach Hildburghausen kamen (3,57 Prozent), waren lediglich von marginaler Bedeutung und lassen keine weiterführenden Aussagen zu. Diese Männer stammten aus Frankreich, der Schweiz oder Ungarn; bei einem von ihnen handelte es sich um den bereits oben erwähnten Johann Seibe aus Basel, der über verschlungene Umwege nach Hildburghausen kam und hier zum Militärdienst gepresst wurde. 5.4.2 Alter, Familienstand und Ausbildung Die Mannschaftsliste 1703/04 ermöglicht es zudem, Alter, Familienstand und Ausbildung näher zu untersuchen. Das Durchschnittsalter der Mannschaften lag bei 26½ Jahren.1170 Obwohl dieser Wert genau dem ermittelten Durchschnittsalter der Gardemannschaften entsprach, kann hier nicht ohne Weiteres eine Parallele gezogen werden: Die ermittelten Gesamtdurchschnittswerte bei den Garden waren stark von der Werbeaktion für ein Subsidienkorps der Jahre 1750 bis 1752 beeinflusst und können daher nicht verallgemeinert werden. Tatsächlich lag das Durchschnittsalter der Gardemannschaften in den Jahren 1720 und 1735 bei etwa 29 Jahren und damit signifikant höher (über 2,5 Jahre) als beim Reichskontingent des Spanischen Erbfolgekrieges. Deutlich mehr als die Hälfte aller Rekruten des Reichskontingents war unter 25 Jahre alt (58,34 Prozent). Obwohl sich im Reichskontingent wesentlich mehr Männer im Alter von unter 25 Jahren zusammenfanden als bei den Garden (plus 12,84 Prozent), war die Gruppe der 15- bis 17-jährigen Soldaten deutlich kleiner (1,92 Prozent). Der jüngste aufgezeichnete Soldat war beim Antritt des Dienstes erst 15 Jahre alt. Dennoch scheint das Reichskontingent für 1170 Grundlage der Auswertung zur Altersstruktur bilden die Daten von 156 Rekruten des Reichskontingents.
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die sehr jungen Altersklassen tendenziell unattraktiver gewesen zu sein als der Dienst bei den Gardetruppen. Mit zunehmendem Alter ging die Anzahl der Rekruten stetig zurück. Die daraus entstehende graphische Abstufung im Diagramm stellt sich bei den Garden ausgewogen dar, während sich beim Reichskontingent ein Übergewicht der jüngeren Altersklassen feststellen lässt. Zur Gruppe der über Fünfzigjährigen zählten lediglich fünf Soldaten. Der älteste Soldat des Reichskontingents war 55 Jahre alt. 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Jugendlich Junges Alter Mittleres Hohes Alter (15–24) (25–34) Alter (35– (50+) 49) Alter
Ledig
Verheiratet
Familienstand
Graphik 17: Alter und Familienstand der Mannschaften des hildburghäusischen Reichskontingents, 1703/04
Die Auswertung zum Familienstand ergibt ein starkes Übergewicht der ledigen Rekruten (83,97 Prozent), das durch das starke Gewicht der jüngeren Altersklassen bedingt ist.1171 Hier zeigt sich erneut eine Diskrepanz zu den Gardetruppen. Obwohl dort ebenfalls der Großteil der Soldaten ledigen Standes war (66,74 Prozent), findet sich dennoch eine Differenz von etwa 17 Prozent, die ebenfalls auf das signifikante Übergewicht der jüngeren Altersklassen im Reichskontingent zurückzuführen ist. Weitergehende Aussagen zu den Familien der Rekruten sind für das Reichskontingent nicht möglich. Die ansonsten äußerst ergiebige Mannschaftsliste der Jahre 1703/04 enthält keine Angaben zur Kinderzahl der Rekruten. 1171 Grundlage der Auswertung zum Familienstand bilden die Daten von 156 Rekruten des Reichskontingents.
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Etwas mehr als die Hälfte (52,08 Prozent) der Mannschaften hatte einen Lehrberuf begonnen oder abgeschlossen. Dieses Ergebnis liegt nicht wesentlich über dem Wert der Gardegrenadiere (plus 2,28 Prozent), sodass weitere Aussagen auf dieser Grundlage nur schwer möglich sind. Das unten stehende Diagramm, das die Berufsverteilung der Rekruten des Reichskontingents im Vergleich zu jener der Grenadiergarde darstellt, kann indes weitere Hinweise liefern:1172 Die Berufe wurden nach den verarbeiteten Rohstoffen in textil-, leder-, holz-, stein-/ton- und metallverarbeitende Gewerbe gegliedert. 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
Reichskontingent 1703-1704
Garden 1720-1752
Graphik 18: Berufsverteilung der Mannschaften; vergleichende Auswertung von Reichskontingent (1703/04) und Grenadiergarde (1720–1752)
Der größte Teil der Rekruten des Reichskontingents (23,75 Prozent) durchlief eine Ausbildung im Lebensmittelgewerbe bzw. war dort tätig gewesen. In dieser Gruppe fanden sich vor allem zahlreiche Bäcker- und Müllergesellen. Die Gruppen der textil-, leder- sowie der stein-/ton- und metallverarbeitenden Gewerbe folgten. Dies entspricht weitestgehend den Ergebnissen der Auswertung der Grenadiergarde. Im direkten Vergleich zeigen sich jedoch einige Unterschiede: Während sich die wichtigsten Berufsgruppen beim Reichskontingent ausgewogen verteilen, weichen die Werte bei den Gardemannschaften deutlicher voneinander ab. Besonders auffällig ist der Befund, dass sich unter den Mannschaften der Grenadiergarde etwa doppelt so viele Weber, Tuchmacher und Schneider wie im Reichskontingent finden. Dies deutet darauf hin, dass das Militär für die oft verarmten Männer aus dem 1172 Grundlage der Auswertung zur Ausbildung bilden die Daten von 151 Rekruten des Reichskontingents.
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Textilgewerbe eine attraktive Lebensalternative darstellte. Dass diese Berufsgruppe beim Reichskontingent nicht hervorstach, könnte u. a. am wesentlich gefahrvolleren Einsatz des Kontingents liegen, vor dem zahlreiche Männer zurückschreckten. Das Gleiche konnte auch für Studenten, die möglicherweise vor Schulden flohen, gelten. Zumindest würde dies die allgemein ausgewogenere Berufsverteilung beim Reichskontingent erklären. Der freiwillige Beitritt zu dieser Einheit erforderte demnach größere Entschlusskraft, die nicht allein mit einer beruflichen oder persönlichen Notsituation erklärt werden kann. Welche darüber hinausgehenden Motivationsfaktoren bei den Rekruten vorlagen, soll im Rahmen der nachfolgenden Analyse näher beleuchtet werden. 5.4.3 Analyse zur Motivation der Rekruten Der Nachweis von Motiven für den Militärdienst scheint sich beim Reichskontingent zunächst erheblich schwieriger als bei den Garden zu gestalten. Obwohl sich über die Hälfte aller Rekruten als Freiwillige anwerben ließ, war das Motiv der Freiwilligkeit – im Sinne von gewaltfreier Anwerbung – unter den Soldaten des Reichskontingents weniger stark ausgeprägt. Einige Soldaten wurden während der Anwerbung unter Druck gesetzt, gelegentlich sogar gewaltsam zum Dienst gezwungen. Generell lassen sich die Rekruten des Reichskontingents grob in zwei Gruppen unterteilen: Unfreiwillige und Freiwillige. Diese Grobgliederung bedarf jedoch einer weiteren Differenzierung anhand des Quellenmaterials. Bei unfreiwilligen Rekruten handelte es sich hauptsächlich um Gemeinderekruten und Gepresste, denen allesamt keine Entscheidungsfreiheit bei der Anwerbung zugestanden wurde. Ein deutlicher Unterschied zwischen Reichskontingent und Garden verdient Beachtung: Im Gegensatz zu den Garden handelte es sich beim Reichskontingent um eine Kampfeinheit, die auf dem Kriegsschauplatz dem Feind direkt gegenüberstand. Dieses nahm an Gefechten, Schlachten und Belagerungen teil und erfuhr damit grundlegend andere militärische Realitäten als die Gardetruppen in der Residenzstadt. Anstrengung, Krankheit, Verwundung und Tod waren allgegenwärtig und mussten den Soldaten als Risiko bewusst sein. Dass man in der Bevölkerung realisierte, welch mannigfachen Gefahren für Leib und Leben der Dienst beim Reichskontingent mit sich brachte, zeigen zum einen die vielfachen Bemühungen von Familien und Gemeinden, Eingetretene anzuwerben, die für die diensttauglichen Bauern- und Bürgersöhne in den Krieg ziehen sollten. Zum anderen war der Spanische Erbfolgekrieg nicht das erste kriegerische Ereignis, welches die Stadt- und Landbevölkerung in Kontakt mit der
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Institution des Reichskontingentes brachte. Bereits für den Entsatz von Wien im Jahre 1683 und im Pfälzischen Erbfolgekrieg war für ernestinische Kontingente im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen geworben worden.1173 Einige Väter von jungen Rekruten für das Kontingent des Spanischen Erbfolgekrieges hatten zuvor in diesen Konflikten gedient und dürften ihre Erfahrungen in der dörflichen Gemeinschaft weitergegeben haben. Damit ist durchaus von einem breiteren Wissen darum, was die Anwerbung zum Reichskontingent bedeuten konnte, auszugehen. Warum also entschieden sich zahlreiche Männer dafür, den Dienst im Reichskontingent freiwillig anzutreten und ihre „Fortun auch eine Zeit lang im Krieg zu suchen“?1174 Wie bei den Garden waren finanzielle Probleme sowie die Flucht aus der Mittellosigkeit wichtige Motive. Dies zeigt sich bereits bei den jüngsten Soldaten. Der 17-jährige Lorenz Raubet aus Unfinden hatte im Kindesalter seine Eltern verloren und war auf sich allein gestellt. Ohne eine Handwerkslehre angetreten zu haben, ließ er sich 1703 freiwillig für zwei Reichstaler anwerben.1175 Ähnlich erging es dem 15-jährigen Bernhard Endres aus Hausen bei Kissingen, der ebenfalls seine Eltern in frühen Jahren verloren hatte. Er hatte noch zwei Schwestern und zwei Brüder, die allesamt unter der Vormundschaft der Verwandten standen. Endres begann zwar eine Zimmermannslehre, aber lief bereits kurze Zeit später von dort davon, um bei würzburgischen Truppen Dienst zu tun. Auch dieses Dienstes entledigte sich Endres nach kurzer Zeit durch Flucht – es scheint fragwürdig, ob sich der Knabe die möglichen Konsequenzen einer Desertion tatsächlich vergegenwärtigte – und ließ sich in Königsberg auf das Versprechen von fünf Gulden hin anwerben.1176 Tatsächlich handelte es sich bei der kleinen Gruppe der 15- bis 17-jährigen Soldaten ausnahmslos um Waisenkinder, und auch etwa die Hälfte der unter 25-jährigen Rekruten gab an, bereits beide Elternteile verloren zu haben. Bei zahlreichen jungen Rekruten lebte lediglich noch die Mutter, sodass auf den Schultern dieser jungen Männer nahezu die gesamte Last der Familienversorgung ruhte. Allerdings existiert kein statistisch fassbarer Zusammenhang zwischen dem Verlust der Eltern und einer nicht begonnenen Ausbildung. Faktisch hatte etwa ein Drittel aller unter 25-jährigen Rekruten mindestens ein Elternteil, dabei aber keine Ausbildung begonnen oder abgeschlossen. Demgegenüber standen die elternlosen Rekruten ohne Ausbildung, die im Reichskontingent weniger als ein Siebtel ausmachten.
1173 Zum Großen Türkenkrieg vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 13. Zur vollständigeren Überlieferung des Kontingents im Pfälzischen Erbfolgekrieg vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 3. 1174 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 61. 1175 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 68cv. 1176 Ebd., fol. 68ev.
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Mehr als die Hälfte der Rekruten hatte indes eine Lehre in einem Handwerk begonnen oder bereits abgeschlossen. Einige der noch in der Ausbildung stehenden Lehrlinge begriffen den Militärdienst als Möglichkeit, eine handwerkliche Ausbildung auf Umwegen zu beenden. Dies bestätigen mehrere Schreiben, in denen Lehrlinge mit Hinweis auf ihren geleisteten Dienst um den Erlass der verbliebenen Lehrzeit nachsuchten. So wandte sich im Februar 1709 der Maurerlehrling Michael Roßteuscher aus Heßberg an Herzog Ernst und berichtete, „wie daß ich nechstverlittenen Sommer bey Hanß Jörg Zinner mich auf daß ehrsame Maurerhandwerck auffdingen laßen, seithero auch mit allen Fleiß drauff gearbeitet. […] Wann aber nun gleichwohl daß einmal mir vorgese[t]zte Handwerck der Maurer nicht gar in die Schanze zu schlagen gemeinet, sondern selbigen nach geendigten Krieg und Außgang der versprochenen Zeit mit allen Ernst und Eiffer zu poussiren und fortzutreiben gemeinet bin; So gelangt derohalben an Euer Hochfürstliche Durchlaucht mein unterthänigst-gehorsamstes Bitten und suchen Sie wollen doch in Hochfürstlichen Gnaden geruhen, mir die noch restirende Lehrzeit völlig zu schencken und nachzulaßen, auch dießerwegen dem e[h]rbaren Handwerck der Maurer gnädige Verordnung zu ertheilen, mir dießfalls nichts im Wege zu legen, sondern daß selbige mich von der gese[t]zten Lehrzeit, alß ob ich solche würklich außgestanden, völlig loßsprechen mögten.“1177 In ähnlicher Weise wandte sich auch der Metzgerlehrling Johann Rottmann aus Häselrieth an Herzog Ernst und erlangte schließlich mittels fürstlicher Verordnung eine Lossprechung von seinen Lehrjahren.1178 Eine derartige Fürsprache des Herzogs erlangte wenig später auch Roßteuscher, er geriet dabei aber in Konflikt mit der Maurerinnung.1179 Im Allgemeinen beurteilten die zünftig organisierten Handwerksmeister die beabsichtigte Verkürzung der Lehrzeit einzelner Lehrlinge durch den Herzog kritisch, zumal diese Lehrlinge oftmals nur kurze Zeit in der Lehre standen und somit noch nicht die Qualifikation und Praxis eines Gesellen erwerben konnten. Die Handwerksmeister der Residenzstadt fürchteten um ihre Reputation und waren keinesfalls gewillt, den im Militär gedienten Lehrlingen ihre Lehrzeit zu erlassen.1180 Michael Roßteuscher war erst der zweite Lehrling, der um den Erlass der Lehrzeit nachsuchte, doch bereits hier formierte sich der Widerstand der Handwerksmeister. Diese weigerten sich, Roßteuscher, der erst 1177 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 61. 1178 „Von Gottes Gnaden Ernst, Herzog zu Sachsen, etc. Auf Johann Rottmanns, […] welcher bei Balthasar Pfrängern zu Streufdorff das Metzgerhandwerck erlernet, nunmehro aber sich unter Unßer Reichs Contingent alß Musquetier anwerben laßen, unterthänigstes Nachsuchen, daß er vorhero gewöhnlichermaßen von den Lehrjahren logezehlet werden mögte, ist hiermit Unßer Begehren, ihr wollet die Meister besagten Handwercks sofort dahin bedeuten, daß solches erwehnten Rottmann ohne einigen Anstandt von seinen Lehrjahren mittelst ertheilung gewöhnlichen Lehrbrieffs der Innung gemäß dimittieren sollen“, ebd., fol. 14. 1179 Ebd., fol. 60. 1180 Ebd., fol. 63.
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ein halbes Jahr in der Lehre stand, die restlichen Lehrjahre zu erlassen. Sie argumentierten gegenüber dem Herzog aber in einem Ton, von dem man sich versprach, dass dieser Gehör finden werde: „Ob wir zwar demselben [Entschluss des Herzogs] in alle Wege unterthänigst nachzuleben uns pflichtig erachten, so haben Eure Hochfürstliche Durchlaucht wir dennoch unterthänigst vorstellig zu machen nicht entübriget seyn können, welcher gestalt ermelter Roßteuscher weit besser gebunden ist und man sich des Desertirens nicht so bald von ihm wird zu befahren haben, wann die Loßzehlung biß nach Verfließung derer drey Lehrjahren in suspenso bleibet […].“1181 Der Widerstand brachte keinen Erfolg, und die fürstliche Verordnung musste schließlich ausgeführt werden. Dass die Argumente der Handwerksmeister auf längere Sicht Wirkung zeitigten, belegt die Tatsache, dass derartige Verordnungen nicht mehr vorkamen. Weitere Zusicherungen, welche die Motivation junger Männer zum Militärdienst erhöhten, kamen aus den zahlreichen Gemeinden des Fürstentums, deren Versprechungen ein Eingetretener nur schwer widerstehen konnte. Dem bereits erwähnten Eingetretenen Bernhard Schuster aus Nürnberg wurde im Jahre 1703 das Bürgerrecht der Stadt Hildburghausen zugesichert und zwei Jahre später wurde dieses Versprechen auch anstandslos eingelöst.1182 Des Weiteren gab Schuster selbst als Gründe für seine Anwerbung an: „Weilen ich mit meinem Weibe […] ehelichen versprochen, aber keine Mittel und Rath erfinden konndte, wie wir uns verehelichen, ich Meister werden […] und meine Handwercksnahrung fortsetzen mögte, [so habe ich] mich auf 2 Jahre unter […] [das] Contingent anwerben laßen […].“1183 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass vor allem jüngere Männer den Dienst beim Reichskontingent als Chance wahrnahmen, um in vergleichsweise kurzer Zeit möglichst viel finanziell bzw. materiell zu gewinnen. Das Bürgerrecht, die Errichtung eines Hauses oder das Startkapital für Heirat und berufliche Selbständigkeit konnte ein junger Handwerker im 18. Jahrhundert nicht ohne Weiteres erlangen. Als eigenen Einsatz brachten die jungen Männer ihr Leben. Die Voraussetzung zur Erlangung des Gewinns war das Überleben der mannigfachen Kriegsstrapazen. Unter den angeworbenen Mannschaften des Reichskontingents fanden sich zudem zahlreiche erfahrene Soldaten höheren Alters. Diese Mannschaften waren wie bei den Gardetruppen allesamt über vierzig Jahre alt und hatten meist bereits in mehreren Heeren gedient. Aufgrund ihrer Erfahrung und Zuverlässigkeit handelte es sich um geschätzte Soldaten, die beim Reichskon1181 Ebd., fol. 62v. 1182 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 25 sowie XXII, 30, 13.3.1705 [I]. 1183 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 13.3.1705 [I], fol. 1r.
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tingent oft umgehend Unteroffizierschargen bekleideten und zudem ein höheres Handgeld einstrichen. Einer der ältesten Soldaten des Reichskontingents, der 55-jährige Führer Johann Caspar Schneider, wurde zunächst im Jahr 1701 für die Schlossgarde angeworben. Während der letzten Monate des Dreißigjährigen Krieges im Felde geboren, ließen sich seine Eltern nach dem Krieg in Pommern nieder. Schneider erlernte das Metzgerhandwerk, heiratete und wurde Vater eines Kindes. Im Jahr 1703 ließ er sich zum Reichskontingent anwerben und gab an, vor seiner Dienstzeit in Hildburghausen bereits zwanzig Jahre in Lüneburg und Frankfurt gedient zu haben.1184 Der 40-jährige Volkmar Kruspe aus Sachsen-Gotha-Altenburg, der ab 1703 als Feldwebel im Reichskontingent diente, sagte aus, er „habe beim Hertzog zu Gotha gedient vom Gemeinen bis zum Fourier“.1185 Eine ähnlich lange Militärzeit konnte auch der 36-jährige Wolfgang Mühlfriedel aus dem Vogtland verbuchen, der angab, er habe „14 Jahr gedienet unter denen Kayserlich Kratzischen Regiment“.1186 Einen exotischeren Lebenslauf wies hingegen der 30-jährige Franz Koll aus dem bayerischen Weilheim auf, der „in Morea 8 Jahr unter [dem] Herrn Markgrafen von Beyreuth, den Churfürsten von Sachßen in Pohlen und in Moscau sodann“1187 gedient hatte. Insgesamt hatte etwa ein Drittel aller Rekruten in der Mannschaftsliste von 1703/04 bereits in diversen Kriegsdiensten gestanden. Die Dienstzeiten erstreckten sich dabei von zwei bis zu über zwanzig Jahren. So erinnerte sich der Korporal Hans Heinrich Schmied aus dem meiningischen Walldorf genau, „dem Fürstenthum Gotha unter Hertzog Heinrichs Regiment 267 Monath“ gedient zu haben.1188
5.5 Die Feldzüge des Reichskontingents (1703–1713) „Insonders viel geliebte Frau, ich mus dier mit schmertz klagen, daß ich in Landau mit der Companie lieg, und wier wieder alle Stunde der Belagerung gewertich sein, ich weiß nicht ob ich dich und mein liebes Kint wieder werte sehn oder nicht […], ich bin balt kranck, balt gesund; wenn ich Dich und daß Kint solte nun noch ein mal sehen dar nach woltich gerne sterben, ich bitte alle gute Freunde zu gruesen, […] Gott befohlen verbleyb dein gedreyer Man biß in den Dott. 1184 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste des Reichskontingents 1703/1704, pag. 22. 1185 Ebd. 1186 Ebd. 1187 Ebd., pag. 42. 1188 Ebd., pag. 24. Das Regiment zu Fuß unter dem Kommando des Herzogs Heinrich v. Sachsen-Römhild war als ernestinisches Allianzregiment und Reichskontingent am Pfälzischen Erbfolgekrieg beteiligt.
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DIE REICHSDEFENSION Landau d. 15. Februar 1707.1189 Fähnrich Volkmar Kruspe an seine Ehefrau Anna Catharina, 1707
5.5.1 Die erste Schlacht von Höchstädt (1703) Das hildburghäusische Reichskontingent war bis Mitte Juni 1703 vollständig angeworben und machte sich zum Abmarsch auf den Kriegsschauplatz bereit. Zu diesem Zeitpunkt bestand es aus 125 Mann und formierte eine Kompanie im Rahmen des ernestinischen Allianzregiments „Rumohr“. Zu Anfang des Feldzuges bestand dieses Regiment aus insgesamt 410 Mann, die in fünf schwache Kompanien eingeteilt waren:1190 Zwei stellte Sachsen-Weimar und jeweils eine Sachsen-Eisenach, Sachsen-Coburg und SachsenHildburghausen. Als das hildburghäusische Reichskontingent Ende Juni 1703 aus der Residenzstadt abmarschierte, waren die Feldzüge auf allen Kriegsschauplätzen bereits weit fortgeschritten. In Bayern hatte der mit Frankreich verbündete bayerische Kurfürst Max Emmanuel bereits Regensburg erobert. Französische Truppen unter dem Marschall Claude Louis de Villars, denen es gelungen war, den Rhein zu überschreiten, suchten nun die Verbindung zu ihrem bayerischen Verbündeten und marschierten durch Süddeutschland. Die Vereinigung beider Seiten gelang Anfang Mai 1703 bei Tuttlingen.1191 Im Juni bezogen die Franzosen eine feste Stellung an der Donau zwischen Ulm und Donauwörth, während Teile der Reichsarmee auf diese Linie zumarschierten. Auch das hildburghäusische Reichskontingent bewegte sich im Juli 1703 auf dem bayerischen Kriegsschauplatz. Über Bamberg und Nürnberg kommend erreichten die Soldaten am 10. Juli die Umgebung von Nördlingen. Hier vereinigte sich die hildburghäusische Kompanie mit dem Rest des Regiments „Rumohr“ und bezog ein Feldlager außerhalb der Stadt. Hauptmann Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg berichtete, dass „unß dan Ihro Hochfürstliche Durchlaucht der Herr Margraff von Bayreuth mit Dero Frau Gemahlin Hoheiten noch vor dem Lager besehen, unsere Bataillon[s] [sic!] alß recht schöne und wohlmundirte Leuthe sehr gelobet, anbey auch denen Officieren viele gnädige Promessen gethan.“1192 Wenige Tage später marschierte das Regiment weiter nach Süden und erreichte Ballmertshofen, wo erneut ein Feldlager bezogen wurde. Hier berichtete Spiller v. Mitterberg, dass es bereits zu Streitigkeiten unter den verschie1189 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 90. 1190 Alphons DANZER, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1703 (= Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Bd. 5), Wien 1877, S. 118. 1191 Max BRAUBACH, Prinz Eugen von Savoyen – Eine Biographie, Bd. 2, Wien 1964, S. 17; LYNN, Wars of Louis XIV., S. 282. 1192 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 17.7.1703, fol. 1r.
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denen Kompanien des Regiments gekommen sei. Tatsächlich scheinen die Kompanien höchst unterschiedliche Mannschaftsstärke besessen zu haben, sodass die Lasten des Dienstes angemessen verteilt werden mussten. Die Kompanie aus Sachsen-Eisenach war die schwächste des gesamten Regiments; daher versahen die hildburghäusischen und coburgischen Kompanien deren Dienste teilweise mit. Anfang September 1703 befand sich das ernestinische Regiment in einem Feldlager vor Dillingen. Es gehörte zum Korps des Feldmarschalls Hermann v. Limburg-Styrum, der nördlich der Donau neben kaiserlichen Einheiten auch zahlreiche Reichstruppen befehligte. Da sich die von den Franzosen besetzten Befestigungen von Dillingen als zu stark erwiesen, beschloss Limburg-Styrum auf Drängen des Markgrafen Ludwig v. Baden-Baden hin Mitte September den Angriff auf das nordöstlich gelegene Donauwörth, um hier den Flussübergang zu gewinnen.1193 Am 18. September begann der Abmarsch des Korps Limburg-Styrum in diese Richtung. Noch am selben Tag schlugen die Truppen ein Lager bei Schwenningen auf und verblieben aufgrund der widrigen Witterung und des weit zurückgebliebenen Pontonmaterials auch am nächsten Tag hier.1194 Den Franzosen war der Abmarsch des Gegners nicht unbemerkt geblieben. Bereits vorher hatte sich die französische Hauptarmee getrennt: In Dillingen wurde ein kleines Korps unter dem Generalleutnant d’Usson zurückgelassen, während der Marschall Villars mit der Haupttruppe dem gegnerischen Angriff auf Donauwörth zuvorkommen wollte. Der französische Plan sah vor, nach dem Donauübergang Villars’ und unter Mitwirkung d’Ussons das Korps Limburg-Styrum in Front und Rücken anzugreifen. Da der kaiserliche Feldmarschall seine Truppen am 19. September nicht bewegte, gelang es den Franzosen, die nunmehr von einigen bayerischen Einheiten verstärkt wurden, in der Nacht zum 20. September die Donau bei Donauwörth zu überschreiten. Gleichzeitig rückte auch d’Usson von Dillingen nach Höchstädt vor und hatte die Anweisung, das Korps LimburgStyrum umgehend anzugreifen. Auch die Hauptmacht unter dem Marschall Villars bereitete sich für den 20. September auf den Angriff vor. Bereits gegen sechs Uhr morgens stießen ihre Kavalleriepatrouillen südöstlich von Donauwörth auf Vortruppen des kaiserlichen Feldmarschalls. Limburg-Styrum und der gesamte Generalstab waren über das unerwartete Erscheinen des Gegners beunruhigt und formierten das gesamte Korps in einer Verteidigungsposition. Durch Kanonenschüsse von beiden Seiten auf die Umschließung aufmerk-
1193 DANZER, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1703, S. 539 f. 1194 LÜNIG, Corpus Iuris Militaris, Pars Specialis, Sp. 105 f. Hier ist ein Bericht des Feldmarschalls v. Limburg-Styrum enthalten.
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sam gemacht, entschied sich Limburg-Styrum, zunächst die schwächere französische Abteilung unter d’Usson anzugreifen.1195 Das gesamte Korps Limburg-Styrum befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Schlachtordnung mit zwei Treffen. Das ernestinische Allianzregiment stand im zweiten Treffen, die Bagage der Truppen jedoch zwischen den Treffen. Als das gesamte Korps einen Frontwechsel gegen d’Usson ausführte und gleichzeitig einige französische Kanonenschüsse in die Bagage einschlugen, gerieten die Fuhrleute in Panik und zahlreiche Gespanne fuhren ineinander.1196 Trotz der entstandenen Verwirrung gelang es Teilen des ersten Treffens, die französische Abteilung unter d’Usson vollständig aufzureiben und bis nach Höchstädt zurückzudrängen. Anschließend marschierte das zweite Treffen mit dem ernestinischen Regiment durch das erste hindurch und besetzte eine Linie von Lutzingen bis Höchstädt. Die hildburghäusische Kompanie vertrieb um diese Zeit eine französische Truppe aus dem Gehölz am Fuße des Goldberges westlich von Lutzingen. Noch am Vormittag erschien aber die französische Hauptstreitmacht unter dem Marschall Villars im Rücken des Korps Limburg-Styrum und griff in den Kampf ein. Der Feldmarschall erkannte nunmehr, dass ein Rückzug am ratsamsten wäre, und sammelte seine Truppen am Goldberg, um durch einen nahen Talweg den Rückzug nach Norden anzutreten. Gedeckt durch preußische Truppen, welche die Nachhut bildeten, gelang dem Korps des Feldmarschalls Limburg-Styrum der Rückzug vom Schlachtfeld. Die hildburghäusische Kompanie stand vornehmlich während des Kampfes am Goldberg und während des folgenden Rückzugs durch das Tal nach Nördlingen im Gefecht. Die Verluste beliefen sich auf fünf Tote und 19 Verwundete.1197 Das ernestinische Regiment hatte insgesamt einen Verlust von 108 Toten und Verwundeten zu verzeichnen. Obwohl der Rückzug des Korps in weiten Teilen geordnet verlief, gerieten dennoch zahlreiche Soldaten 1195 Es ergibt sich in dieser Hinsicht ein bedeutender Widerspruch zwischen den zeitgenössischen Berichten und dem später verfassten Generalstabswerk. In Letzterem heißt es, dass Limburg-Styrum Kanonenschüsse abgab und d’Usson, mit dem Villars dies vorher als Zeichen vereinbart hatte, darauf antwortete. D’Ussons Angriff wäre daher wesentlich zu früh angelaufen, siehe DANZER, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1703, S. 547. In einem am 21. September 1703 im Feldlager bei Nördlingen verfassten Schreiben des Feldmarschalls v. Limburg-Styrum heißt es hingegen, dass die Franzosen die ersten Schüsse gelöst hätten und man erkannt habe, „daß dieses ein Concert und der stärckere Theil mich vorwärts, der schwächere aber hinterwärts attaquiren wolle“, LÜNIG, Corpus Iuris Militaris, Pars Specialis, Sp. 106. Damit übereinstimmende Darstellung auch in weiteren Briefen bei Philip Röder v. DIERSBURG (Hg.), Kriegs- und Staatsschriften des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden über den Spanischen Erbfolgekrieg, Bd. 1, Karlsruhe 1850, S. 214. 1196 DANZER, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1703, S. 548. 1197 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 22.9.1703.
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in Panik und warfen Ausrüstungsgegenstände von sich. In der hildburghäusischen Kompanie gingen auf diese Weise je ein Dutzend Musketen, Patronentaschen, Degen und Bajonette verloren. Einzelne Soldaten entledigten sich sogar ihres Waffenrocks und der Schuhe. Anders als bei den meisten Einheiten des Korps Limburg-Styrum konnte der hildburghäusische Zeltwagen während der Schlacht in Sicherheit gebracht werden, er ging dafür aber später verlustig.1198 Hauptmann Spiller v. Mitterberg berichtete zwei Tage nach der Schlacht: „Der Zeltwagen, welcher biß 3 Stund von Nortling in Sicherheit gebracht worden, ist aber von unsern eigenen Reutern außgeblüntert und der Feltcasten zerschlagen und föllich außgel[e]ert, der gantze Wagen föllich ruiniret, müßen also die armen Leute näbst antern unter freihen Himmel bey solcher Kelte lich[en], doch habe ich so viel erhalten, daß Stroh von denen Dörffern zugesagt worten […].“1199 5.5.2 Anfeindungen und schwierige Versorgungslage in Franken (1703–1704) Nach der Schlacht von Höchstädt rückte das Reichskontingent mit dem Regiment „Rumohr“ in ein Feldlager bei Baldingen nahe Nördlingen. Nun begann eine Zeit kontinuierlicher Märsche ohne erkennbares Ziel. Gegen Mitte Oktober 1703 befand sich das Reichskontingent in einem Feldlager mit teilweiser Einquartierung in Kirchheim am Ries, wenige Kilometer nordöstlich des vorherigen Lagers. Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit und des herannahenden Endes der Feldzugstätigkeit beschäftigte sich Spiller v. Mitterberg mit Planungen zum Abmarsch des Kontingents in heimatliche Winterquartiere. Der Obrist v. Rumohr wurde nach der Schlacht von Höchstädt durch den Obristleutnant v. Molzahn ersetzt, der sich bereits durch seine kurze Anwesenheit einige Feinde bei der Generalität der Reichsarmee gemacht hatte. Daher hielt es Spiller v. Mitterberg auch für unwahrscheinlich, dass das Regiment in heimatliche Winterquartiere einrücken könne. In den Briefen des Hauptmanns dominierten in den folgenden Wochen und Monaten Beschreibungen der unsäglichen Zustände in den Feldlagern des Spanischen Erbfolgekrieges, die einen lebendigen Eindruck des soldatischen Lagerlebens vermitteln. Die Mannschaften und das Material litten vor allem unter dem anhaltenden herbstlichen Regenwetter. Aus dem Lager bei Kirchheim wurde berichtet, dass „die Compagnie täglich schwecher [wird], indem das continuirliche Rechenwetter die Leute sehr ungesunt in denen Hütten machet“.1200 Trotz 1198 Die Kompanie verfügte zu diesem Zeitpunkt über zwei Wagen (Proviantwagen und Zeltwagen) und vier Ochsen. Der Proviantwagen ging in der Schlacht von Höchstädt verloren. 1199 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 22.9.1703, fol. 2v. 1200 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 11.10.1703, fol. 1v.
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der widrigen Umstände verblieb das Reichskontingent mehr als zwei Wochen in Kirchheim, bevor die Kompanie erneut nach Nördlingen verlegt wurde. Am 19. November 1703 marschierte das Kontingent aus der Stadt ab und erreichte innerhalb von nur einem Marschtag Eichstätt. Die ungewöhnlich hohe Marschleistung war einer feindlichen Patrouille geschuldet. Hauptmann Spiller v. Mitterberg berichtete dazu, dass „man feindlicherseits sonder Zweiffel einige Kundschafft davon [vom Marsch] mag erhalten haben und etliche 100 Pferde, um uns aufzuheben von Ingolstadt aus commandiret worden, [so] hat man die Compagnien sobald man solches erfahren, noch in der Mitternacht zusammen gezogen, auf Wagen gese[t]zet und dadurch nicht alleine den Marsch beschleuniget, sondern auch die Mannschafft salviret“.1201 In Eichstätt angekommen, stellten die Soldaten schnell fest, dass es sich im Vergleich zum Lager bei Kirchheim um keine Verbesserung der Zustände handelte. In seinen Briefen berichtete der Hauptmann über die Situation in Eichstätt: „[…] daß wir also dem Feind sehr nahe und in nicht geringer Gefahr stehen […]. Das Schlimmste ist, daß dieser Orth sehr schlecht [ist] und auch [weder] hiesigen Ministris noch der Bürgerschafft zu trauen, indem solche an den umliegenden feindlichen Orthen hinund wieder nahe Anverwandtschafft haben und deshalber, wie leicht zu vermuthen, täglich correspondiren, daß zu wündschen were, wir würden von hier wieder abgelöset und entweder zur Armee gelaßen oder in beßere Orth gebracht.“1202 Die Verlegung aus Eichstätt kam erst Ende Dezember 1703 zustande und führte erneut – mittlerweile zum dritten Male – in Richtung Nördlingen. Die Stadt war jedoch nicht das Ziel, sondern die zwischen Nördlingen und Eichstätt gelegene Stadt Wemding. Das gesamte ernestinische Regiment errichtete bei winterlichen Temperaturen in der Umgebung der Stadt ein Feldlager. Auch hier sprachen sich erneut zahlreiche Offiziere des Regiments dafür aus, die Truppen in heimatliche Winterquartiere zu verlegen, ohne aber bei der fränkischen Generalität Gehör zu finden. In dieser Lage entschloss sich Obristleutnant v. Molzahn am 7. Januar 1704 zum eigenmächtigen Abmarsch seines Regiments nach Norden, erneut ohne die Generalität der Reichsarmee oder des Fränkischen Kreises davon zu unterrichten. Am folgenden Tag erfuhr der Fränkische Kreistag vom Abmarsch der Einheit und beschloss, diesen durch eigene Truppen zu unterbinden.1203 Tatsächlich wurde das Regiment südlich von Bamberg aufgehalten und nach Nördlingen beordert.1204 1201 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 29.11.1703, fol. 1r. 1202 Ebd., fol. 1v. 1203 Franz WILLAX, Das Fürstentum Brandenburg-Ansbach und die Reichsstadt Nürnberg im Spanischen Erbfolgekrieg. Zur Politik des Fränkischen Kreises (= Mittelfränkische Studien, Bd. 5), Ansbach 1984, S. 45 f. 1204 Die Angabe bei WILLAX, Das Fürstentum Brandenburg-Ansbach, S. 47, das Bataillon sei nach Roth beordert worden, ist unzutreffend.
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Der Obristleutnant v. Molzahn wurde für etwa einen Monat in Arrest genommen und übernahm dann das Kommando über das Regiment nicht wieder.1205 In Nördlingen war derweil die Verpflegungssituation erneut äußerst angespannt und der Schneefall zehrte zusätzlich an den Kräften der Mannschaften. Hauptmann Spiller v. Mitterberg stellte hier erstmals fest, dass die Führung der Reichsarmee offenbar Unterschiede in der Behandlung der verschiedenen Reichstruppen machte. Ganz konkret beobachtete er eine bessere Verpflegung der fränkischen Kreistruppen sowie die Vergabe von leichteren Diensten an diese. Dies ist umso bemerkenswerter, als SachsenHildburghausen während des Feldzuges für die Verpflegung der Kontingentskompanie in die Kriegskasse des Fränkischen Kreises einzahlte. Den zunehmenden Verfall der Mannschaften des hildburghäusischen Reichskontingents führte Spiller v. Mitterberg indes darauf zurück, „daß andere fränkische Truppen, so auf denen Posten neben unsern gestanden, Fleisch und Bier, dargegen die unseren nichts als Brodt […] bekommen, jedennoch jenen gleiche Dienste thun müßen“.1206 Ursprünglich sollte die Stadt Nördlingen durch sechshundert Mann fränkischer Kreistruppen verstärkt werden, stattdessen wurden aber die beiden Kompanien aus Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg in die Stadt verlegt. Aufgrund der widrigen Zustände dort vermutete der hildburghäusische Hauptmann, die fränkische Generalität tue dies nur, „indem sie die Ihrigen nicht gerne hierein stecken, sondern minachiren [schonen] wollen“.1207 In den Briefen des Offiziers ist in der Folgezeit eine immer stärkere Abgrenzung zu den fränkischen Kreistruppen spürbar, zumal „bis dato in der Verpflegung noch alle Zeit ein Unterschied gemacht [wird]“.1208 Die Empörung über die Verhältnisse ging sogar so weit, dass Spiller v. Mitterberg persönlich beim Markgrafen von Bayreuth vorstellig werden wollte, „damit denen Leuden geholffen werde“.1209 In der Zwischenzeit wurde den Soldaten aus Hildburghausen, Coburg, Eisenach und Weimar die Einquartierung in Nördlingen untersagt, sodass die Kompanien ein provisorisches Lager an der Stadtmauer aufschlu-
1205 Nach der Entlassung v. Molzahns aus dem Arrest wurden aus dem Bataillon mehrere Vorwürfe gegen diesen und seinen vermeintlich gut gemeinten Abmarsch nach Norden erhoben. Unter anderem beschwerte sich der hildburghäusische Hauptmann Spiller v. Mitterberg, dass die Anstrengungen des Abmarsches die Kompanie stark geschwächt hätten. Er empfahl Herzog Ernst, finanzielle „Satisfaction“ beim Obristleutnant oder aber beim Herzog von Sachsen-Eisenach zu suchen, siehe ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 30.1.1704, fol. 2r. 1206 Ebd., fol. 1r. 1207 Ebd. 1208 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 30.1.1704, fol. 2v. 1209 Ebd., fol. 3r.
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gen.1210 Aufgrund der zahlreichen kranken Soldaten sprachen sich alle Offiziere für eine schnelle Verlegung in heimatliche Winterquartiere aus, da sich ansonsten die Kompanien vollständig auflösen würden. Offenbar aus Freude über diesen Umstand ließen sich einige Soldaten zu demoralisierenden Äußerungen gegenüber ihren Kameraden aus anderen Kompanien hinreißen. Spiller v. Mitterberg schrieb dazu: „[…] wie mir Haubtmann Hartmann [Sachsen-Coburg] und auch mein Lieutenant sagen, daß die Eisenachischen Officer und Gemeine gesacht, alß sie wech marschieret weren: ‚Ihr armen Leude, ihr wertet euer Vatterland in Ebichkeit nicht wiederum zu sehen bekommen, denn ihr werdet nunmehro untergestoßen [aufgeteilt] auf andere Regimenter‘“.1211 Dieses Verhalten der eisenachischen Kameraden drückte weiter auf die angeschlagene Moral der noch in Nördlingen verbliebenen Kompanien und führte im hildburghäusischen Reichskontingent zur umgehenden Desertion von einem Dutzend Soldaten. Desertionen, das sich immer weiter ausbreitende Fleckfieber sowie die mittlerweile epidemisch auftretende Rote Ruhr ließen den Mannschaftsstand der Kompanie gegen Ende Januar 1704 auf lediglich 44 dienstfähige Männer sinken – ein Tiefstand, der bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges nicht wieder erreicht wurde. Was die Verpflegung der in Nördlingen liegenden Truppen anging, fand Hauptmann Spiller v. Mitterberg nun Zeit, sich eingehend um eine Besserung der Verhältnisse zu bemühen. In diesem Zusammenhang stellte sich der Hauptmann Anfang Februar 1704 beim damaligen Stadtkommandanten von Nördlingen, Obristleutnant Johann Georg Schilling v. Canstatt, der auch Kommandeur des Regiments zu Fuß Baden-Durlach war, vor:1212 „[…] und da ich mich bei den dermahlingen Comendanden Herrn Obrist [sic!] von Schilling, von den schwabisch-durlachischen Regiment befraget, wie ihre und die von anderen darin commandirte Manschafft verpfleget würden, ist mir von getachten Herrn Obristen zur Andtwordt worten, wie daß die ihrigen Haußmanßkost bekommen deten, alß ich nun solches gleichfalls vor die 2 Companien [Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg] pretendirete, hat er sich excusiret und gesacht daß er darinn nichts zu sprechen hette, worauf ich mich bey dasichen Magistrat melten und von ihnen gesucht, daß sie anbefählen möchten, 1210 Zur Entwicklung der Stadt Nördlingen während frühneuzeitlicher Kriegszeiten und unter sozialhistorischem Gesichtspunkt vgl. Christopher FRIEDRICHS, Urban Society in an Age of War. Nordlingen 1580–1720, Princeton 1979. 1211 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 30.1.1704, fol. 1v. 1212 Johann Georg Schilling v. Canstatt, Herr zu Wössingen (1663–1723): geb. am 19. Mai 1663 in Owen, im Militärdienst seit 1684 und Teilnahme am Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekrieg, lag vom 19. November 1703 bis zum 22. April 1704 mit dem Regiment zu Fuß Baden-Durlach in Nördlingen im Quartier, gest. am 22. Juli 1723 auf Schloss Oberwössingen (1791 abgebrochen), siehe ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 29.11.1703; Carl Friedrich Schilling v. CANSTATT, Geschlechts-Beschreibung derer Familien von Schilling, Karlsruhe 1807, S. 46 f.; Dietmar-Henning VOGES, Nördlingen seit der Reformation. Aus dem Leben einer Stadt, München 1998, S. 140 f.
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daß diese [Kompanien] gleich anderen gehalten würten, welches mir aber rund abgeschlagen wurde, worauf dan nochmahls zu Herrn Obristen gegangen und gebetten biß zu meiner Rückunfft die Leude mit denen Diensten zu verschonnen, welches er auch versprache, worauff mich dan per posto zu Ihrer Durchlaucht Herr Margraffen begeben, alwo ich anfänglich nur solicitiret, man möchte diese 2 Companien gleich anderen Kreißtruppen verpflegen oder aber weillen die Companien sehr schwach, Dienst und Schantzen frey laßen, aber weder das eine noch das antere erhalten können […].“1213 Im weiteren Gesprächsverlauf gelang es Spiller v. Mitterberg schließlich doch, den Markgrafen davon zu überzeugen, die Kompanie unter den schwierigen Umständen aus dem Heeresverband zu entlassen und in heimatliche Winterquartierte zu entsenden. Am 7. Februar 1704 formierte sich die Kompanie zum Marsch und verließ Nördlingen in Richtung Norden. Fünf Tage später passierten die Soldaten Bamberg und erreichten in der zweiten Februarhälfte die ihnen zugewiesenen Winterquartiere im hildburghäusischen Amt Heldburg. Eine erste Musterung des Reichskontingents fand bereits im März 1704 unter den Augen des Obristen Hans v. Heßberg statt, der das Rechnungswesen und die Finanzen der Kompanie sichtete und die Mannschaften für diensttauglich befand.1214 Wenige Tage später erreichte Herzog Ernst ein Schreiben des Herzogs Johann Ernst III. v. Sachsen-Weimar, der sich erkundigte, ob man von hildburghäusischer Seite aus gewillt sei, im kommenden Feldzug des Jahres 1704 erneut die Kontingentskompanie zum ernestinischen Allianzregiment zu stellen. Gleichzeitig wurde Herzog Ernst mitgeteilt, dass der Obristleutnant v. Molzahn aufgrund des vorzeitigen Abmarsches aus Franken abgedankt habe und nunmehr erneut der Obrist v. Rumohr das Kommando des Allianzregiments übernehme.1215 Trotz der zahlreichen Vorfälle und schlechten Erfahrungen des letzten Feldzuges erklärte man sich in Hildburghausen bereit, die Kompanie erneut zum Allianzregiment zu stellen, man ließ den Weimarer Herzog aber wissen, dass Herzog Ernst vom Obristen v. Rumohr verlange, die hildburghäusischen Soldaten wie die eigenen Truppen zu behandeln.1216 Aufgrund des verspäteten Einrückens in die Winterquartiere kamen die ernestinischen Truppen vergleichsweise spät auf dem Kriegsschauplatz an. Seit März 1704 vergingen noch einige Monate, bis der Abmarsch der Truppen unmittelbar bevorstand. Den Anfang machte erneut die weimarische Kompanie, die am 29. Juli 1704 aus Weimar aufbrach und Befehl hatte, nach
1213 1214 1215 1216
ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 11.2.1704, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 15.3.1704. ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 17.3.1704. ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 22.3.1704.
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Bamberg zu marschieren, um sich hier mit dem Rest des Regiments zu vereinigen.1217 Anfang August stieß hier auch die hildburghäusische Kompanie zu den Truppen, die am 6. August gemeinsam nach Nürnberg aufbrachen. Von hier war zunächst der Marsch nach Ingolstadt befohlen worden, er wurde jedoch wenige Tage später nach Regensburg umgeleitet und stieß zum Korps des kaiserlichen Feldmarschallleutnants Ludwig v. Herbeville. Dieser hatte am 12. August den befestigten Ort Stadtamhof an der Donau, der Regensburg direkt gegenüberlag, erobert. Hier rückten die hildburghäusischen Soldaten am 21. August 1704 ein und schlugen ein Feldlager vor den Befestigungsanlagen auf.1218 Die Kompanie verbrachte die nächsten drei Wochen vor Stadtamhof und versah hier einen wenig abwechslungsreichen Wachdienst. Am 12. September wurde das Feldlager bei Stadtamhof abgebrochen und die Soldaten marschierten über die Donaubrücke nach Regensburg. Hier wurden sie vor die Stadt verlegt und kampierten auf einer schmalen Freifläche zwischen der Stadtmauer und den vorgelagerten Bastionen. Die hildburghäusische Kompanie war nicht die erste Truppe, die dort ihr Lager bezog. In den vorangegangenen Wochen hatten an dieser Stelle mehrere Einheiten der Reichsarmee sowie im vergangenen Winter zahlreiche kurbayerische Truppen gelagert. Dementsprechend hatte sich die ansonsten grasbewachsene Fläche in einen Morast aus Schlamm und Fäkalien verwandelt. Hauptmann Spiller v. Mitterberg berichtete, es sei „zu besorgen, daferne dieses Lager lange wehret, es werden von denen unsrigen ebenso wohl alß vormahlß von denen Beyrischen, wegen des allzu großen Unflats eine baldige Einbuße verspühret werden und kann ich versichern, daß wir ietzo so schlimm als vorm Jahre niemahls stehen“.1219 Zu allem Überfluss gesellten sich im November 1704 erneut Versorgungsschwierigkeiten zur ohnehin misslichen Lage des Reichskontingents: Das unter Vermittlung des Fürstentums von einem Nürnberger Kaufmann übersandte und zur Verpflegung der Soldaten bestimmte Geld war von minderwertiger Qualität und wurde in Regensburg nicht angenommen. In dieser Situation unterhielt der Hauptmann die Soldaten kurzzeitig aus seinen eigenen Mitteln. In Regensburg verblieb die Kompanie bis Anfang Dezember 1704, marschierte dann über Straubing nach Landau an der Isar und quartierte sich hier ein. In der Zwischenzeit gelang es dem Obristen v. Rumohr in umständlichen Verhandlungen, vom kaiserlichen Kriegsrat Prinz Eugen v. Savoyen den Abmarsch des gesamten ernestinischen Regiments zu erwirken. Dies alles ge-
1217 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 23.7.1704. 1218 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 28.8.1704. 1219 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 13.9.1704, fol. 2r.
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schah jedoch unter der strikten Auflage, „daß [sich das] Regiment den 20. May künftigen Jahres in loco operationis unfehlbar wieder einfinden und stellen solle“.1220 Die Zusammenführung und der Abmarsch des Regiments wurden umgehend veranlasst, und bereits am 28. Dezember 1704 befand es sich in Strullendorf bei Bamberg im Quartier. Von hier aus meldete man Herzog Ernst den Durchmarsch des Regiments durch Sachsen-Hildburghausen an und man bat um die Bereitstellung eines Nachtquartiers im Fürstentum.1221 Drei Tage später gelangte der Großteil des Regiments in das Amt Heldburg. Der weitere Durchmarsch wurde von heftigem Schneefall und starker Kälte behindert, sodass das Regiment das Gebiet Sachsen-Hildburghausens erst mit mehreren Tagen Verspätung räumte.1222 Bereits vorher hatte das hildburghäusische Kontingent im Amt Heldburg den Regimentsverband verlassen und die Mannschaften wurden zur Einquartierung auf die fünf Ämter des Fürstentums verteilt. 5.5.3 In der Linie von Bühl-Stollhofen (1705) Noch während des Feldzuges kam es zu Streitigkeiten unter den höheren Befehlshabern der Reichsarmee. Die Markgrafen Christian Ernst v. Brandenburg-Bayreuth und Ludwig Wilhelm v. Baden gerieten in einen Streit über ihre jeweiligen Befugnisse.1223 Auch die Zuständigkeit kaiserlicher Befehlshaber über einzelne Reichstruppen war umstritten, sodass im Winter 1704/05 organisatorische Unordnung im Militärapparat des Reiches herrschte. Unter diesen Umständen erwies sich die vom Prinzen Eugen an den Obristen v. Rumohr gegebene Zusage, bis Mai in Winterquartieren verbleiben zu dürfen, als unzuverlässig. Bereits am 5. Dezember 1704 – wenige Tage vor Prinz Eugens Zusage – bestand Markgraf Ludwig Wilhelm v. Baden auf dem Abmarsch des Regiments „Rumohr“ nach Worms. Durch Prinz Eugens Genehmigung wurde diese Anweisung zunächst außer Kraft gesetzt. Kurz nach seiner Ankunft in Weimar erhielt der Obrist v. Rumohr jedoch erneut vom badischen Markgrafen die Aufforderung, das Regiment nach Worms mar-
1220 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 17.12.1704, fol. 1r. 1221 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 28.12.1704. 1222 Die Kompanien aus Sachsen-Weimar erreichten erst am 7. Januar 1705 ihre Residenzstadt, vgl. MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 81, der jedoch die Verteilung der Kontingentskompanien unzutreffend darstellt. 1223 Heinz POLSTER, Der Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth und seine Rolle in den Reichskriegen 1689–1707 (= Erlanger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Bd. 23), Erlangen 1935, S. 123 f.
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schieren zu lassen.1224 Als der Markgraf erfuhr, dass das Regiment bereits in die heimatlichen Winterquartiere eingerückt war, wandte er sich einige Tage später an die verschiedenen ernestinischen Herzöge mit der Aufforderung, bis Ende März 1705 die Quartiere in Richtung Kriegsschauplatz zu verlassen.1225 Die erst kürzlich in den Winterquartieren eingetroffenen Soldaten bei widriger Witterung erneut auf einen längeren Marsch zu schicken – dazu konnten sich die Herzöge nicht entschließen. Stattdessen wurde der Obrist v. Rumohr Anfang Februar 1705 zum Markgrafen von Baden gesandt, der sich in Aschaffenburg aufhielt. Der Obrist stellte dem Markgrafen vor, dass der Marsch nach Worms aufgrund des schlechten Zustandes der Soldaten sowie der Witterung ohne größeren Schaden nicht angetreten werden könne. Anders als einige Wochen zuvor bei Prinz Eugen gelang es dem Obristen hier nicht, eine Freistellung der Truppen zu erwirken. Es galt weiterhin, dass „Medio Marty alles in solchem Stand seyn müßte, auf erfordernden Fall marchieren zu können“.1226 Als Mitte März herannahte und kein ernestinisches Allianzregiment bei der Reichsarmee eintraf, wurde der Markgraf von Baden unruhig und ermahnte u. a. den Herzog von Sachsen-Hildburghausen, die Truppen schleunigst abmarschieren zu lassen, „damit solches [Reichskontingent] lengstens medio Aprilis an dem Rhein [steht]“.1227 In Hildburghausen, aber auch in Weimar und Eisenach war man von diesen Forderungen wenig beeindruckt und man ließ sich mit der Mannschaftsergänzung noch bis Ende April 1705 Zeit. Die weimarische Kompanie verließ ihre Residenzstadt erst am 27. April.1228 Die hildburghäusische Kompanie formierte sich einen Tag später und marschierte in Richtung Schweinfurt ab, wo sich die Kompanien des Regiments vereinigen sollten.1229 Der Marsch 1224 „[…] waßmaßen schon aus dem Lager bey Landau die Ordre an denselben ergangen, mit dem unterhabenden Regiment den March in aller guten Ordnung und Disciplin, wie es reichsconstitutionsmäßig ist, nach geendigter Bayerischer Unruhe geraden Weges an den Rhein nacher Wormß, in welcher Stadt die anheutige Winterstation demselben assigniret worden, fortzusetzen“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 12.1.1705, fol. 1r. 1225 Hier heißt es, Herzog Ernst möge „in Continuirung Dero ie und allzeit so rühmlich bezeugten patriotischen Eyffers das dermahlen beyzustellende Reichscontingent fördersamb recroutieren, remontiren und nebst Anlegung deren erforderlichen Magazinen zu ohnentbehrlicher Subsistence in solchen Stand bringen damit selbiges allerlängstens mit Ende Marty sich aller Orthen an den Rhein, wohin es die Raison de Guerre erfordern wird, bewegen könne“,ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 28.1.1705, fol. 1v. Die Herzöge von Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach erhielten zeitgleich wörtlich abweichende Nachrichten, jedoch mit gleichem Inhalt, vgl. MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 81. 1226 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 6.2.1705, fol. 1r. 1227 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 13.3.1705 [III], fol. 1r. 1228 MÜLLER, Das Heerwesen im Herzogtum Sachsen-Weimar, S. 81. 1229 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 6.4.1705.
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führte anschließend kontinuierlich nach Westen bis an den Rhein. Ziel war nicht Worms, sondern eine aus Gräben und Schanzen bestehende Befestigungslinie zwischen Bühl und Stollhofen, die französische Einfälle ins Reich sowie eine Verbindung der Franzosen mit den verbündeten Bayern verhindern sollte. Am 8. Juni 1705 befanden sich die hildburghäusischen Soldaten in einem Feldlager in der Linie bei Bühl, wurden aber kurz nach Mitte Juli in ein Feldlager bei Hügelsheim, hinter der Befestigungslinie und dem französischen Fort Louis direkt gegenüber, verlegt. Wenige Tage später fand hier eine Besichtigung aller Reichstruppen durch den Reichsfeldzeugmeister und Oberkommandierenden am Rhein, Johann Karl v. Thüngen, statt, bei der die Truppen für tauglich befunden wurden.1230 Das Regiment „Rumohr“ verfügte zu diesem Zeitpunkt über 708 Mann.1231 Es folgte erneut ein eintöniger Dienst im Feldlager bei Hügelsheim, der erst im August unterbrochen wurde. Der französische Marschall Villars hatte zu Anfang des Monats den Rhein bei Straßburg überquert, um Kontributionen im feindlichen Gebiet einzutreiben.1232 Aufgrund der feindlichen Bewegungen wurden auch die Truppen in der Bühl-Stollhofener Linie alarmiert und in Bereitschaft gesetzt. Das Regiment „Rumohr“ rückte Mitte August 1705 in die Linie nahe Stollhofen ein und bereitete sich auf einen französischen Angriff vor. Dieser unterblieb, da es anderen Reichstruppen gelang, die Franzosen erneut auf das gegenüberliegende Rheinufer zu manövrieren. Um diese Zeit war der Mannschaftsstand der hildburghäusischen Kompanie erneut geschwächt. Spiller v. Mitterberg schrieb in diesen Tagen aus dem Feldlager bei Stollhofen: „[…] vorjetzo aber muß ich unterthänigst berichten, wie daß bey allen Regimentern große Krankheiten grassiren, welches auch meine armen Leute ziemlich betrifft, doch ist gottlob nicht mehr alß einer gestorben […].“1233 In den folgenden Wochen war keine Besserung des Krankenstandes zu verzeichnen. Im Gegenteil, die Krankheit, bei der es sich wahrscheinlich erneut um die Ruhr handelte, griff epidemisch um sich. Begünstigt wurde die Übertragung der Krankheit durch die große Zahl von Soldaten, die auf engstem Raum und unter mangelnden hygienischen Bedingungen lebten. So sah sich der hildburghäusische Hauptmann gezwungen zu berichten, „wie miserabel das gantze Regiment, absonderlichen auch meine mir gnädigst anvertraute Compagnie stehet, indem bey dem Regiment mehr dann 300 Mann, bey meiner Compagnie aber 48 Mann sehr kranck darnieder liegen, von welchen wenig Apparenz zur Geneßung [zu 1230 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 27.7.1705; Johann Franz BUDDEUS, Jacob Christoph ISELIN (Hg.), Allgemeines Historisches Lexicon, Bd. 4, Leipzig 1722, S. 531. 1231 Johann Rechberger v. RECHKRON, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1705 (= Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Bd. 7), Wien 1881, S. 65. 1232 LYNN: The Wars of Louis XIV, S. 300. 1233 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 21.8.1705, fol. 2r.
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erwarten ist]. […] dann ich bey meinen Pflichten versichere, daß wo diese durchgehende Kranckheit, ja fast eine rechte Seuche bey denen in der Linie stehenden Regimentern continuiret, wird das Regiment nicht hundert Mann starck aus [der] Campagne gehen […].“1234 Die schlimmsten Befürchtungen des Hauptmanns bewahrheiteten sich nicht: Obwohl im Oktober noch immer zwanzig bis dreißig Soldaten krank lagen, starben infolge dieser Epidemie nur sieben Mann.1235 Anfang November befand sich das Regiment „Rumohr“ mit der hildburghäusischen Kompanie nach wie vor in der Umgebung der BühlStollhofener Linie. Die Kompanie wurde nun aus dem Dienst in der Befestigungslinie abgelöst und stand bei kühlen Temperaturen in einem Feldlager bei Wittenheim. Die Soldaten bereiteten sich auf das Beziehen der Winterquartiere vor. Anders als in den Vorjahren sollte das hildburghäusische Reichskontingent den Winter des Jahres 1705/06 auf dem Kriegsschauplatz verbringen, ohne dass Ort und Umstände des Winterquartiers bereits bekannt waren. Gegen Mitte November 1705 wurde das Regiment „Rumohr“ durch den Markgrafen von Baden aus der Bühl-Stollhofener Linie abgezogen und zunächst nach Drusenheim im Elsass beordert, später jedoch weiter westlich bis nach Hagenau geschickt. Diese Stadt konnte im Rahmen einer kurzen Belagerung durch Reichstruppen im September 1705 erobert werden und sollte nun als Winterquartier für das Regiment „Rumohr“ dienen. 5.5.4 Von Philippsburg nach Landau (1706–1713) Kurz nachdem das hildburghäusische Reichskontingent im Winter 1705/06 in die Winterquartiere in Hagenau einrückte, riss die regelmäßige Korrespondenz zwischen Hauptmann und Herzog ab. Daraus resultierte eine Lücke in der archivalischen Überlieferung. Deshalb ist es nicht möglich, die Bewegungen des Reichskontingents bis August 1706 zweifelsfrei nachzuzeichnen. Die mangelnde Quellenlage dürfte mit der Anfang 1706 erfolgten Abdankung des Hauptmanns Spiller v. Mitterberg in Zusammenhang stehen. Anders als in den Jahren 1703 bis 1705 unterzeichnete der Hauptmann für den Feldzug des Jahres 1706 keinen Vertrag, der ihm die Verantwortung des Kontingents übertragen hätte. Spiller v. Mitterberg verließ bereits in den Wintermonaten den Kriegsschauplatz und reiste nach Hildburghausen, um an Gesprächen über seinen Nachfolger teilzunehmen. In der Zwischenzeit übernahm Leutnant Heinrich v. Gleichen das Kommando über die Kompanie, sandte jedoch zunächst keine Berichte vom Kriegsschauplatz nach Hildburghausen. Auch in 1234 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 17.9.1705, fol. 1r,v. 1235 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 9.10.1705.
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der Regimentsführung kam es zu Änderungen, als der Obrist v. Rumohr nach dem Feldzug 1705 abberufen und durch den weimarischen Obristleutnant v. Friesen ersetzt wurde. Damit erhielt das ernestinische Allianzregiment nunmehr die Bezeichnung Regiment zu Fuß „Friesen“. Erste Nachrichten von der hildburghäusischen Kompanie erhielt man erst wieder am 10. August 1706. Zu diesem Zeitpunkt lagerte das Regiment „Friesen“ den Lauterburger Linien gegenüber auf einer Rheininsel bei Au, nördlich Rastatt gelegen.1236 Von hier aus brach das Regiment in der zweiten Augusthälfte in Richtung Philippsburg auf, um Anfang September im Verband mit anderen Reichstruppen den Rhein zu überschreiten und die französischen Truppen unter Marschall Villars an der Lauterburger Linie anzugreifen. Aufgrund der Stärke des Gegners unterblieb der Angriff jedoch und die Reichstruppen bezogen ein Feldlager bei Kandel. Hier erfuhr Leutnant v. Gleichen von seiner Beförderung zum Hauptmann der Kontingentskompanie, mit der er nun offiziell die Nachfolge des Hauptmanns Spiller v. Mitterberg antrat.1237 Aus Kandel rückte das Regiment „Friesen“ Ende September ab und bezog ein vorgeschobenes Lager in Hagenbach, direkt der Lauterburger Linie gegenüber. Über die Befestigungsarbeiten im Feldlager berichtete Hauptmann v. Gleichen: „Seyd einigen Tagen hat man angefangen den Wald, womit unßer gantzes Lager eingeschloßen, zu verhauen und sich gegen den Feind mit einem Trenchement zu versehen, vermutlich wird das Lager bis zu[m] gäntzlichen Ausgang der Campagne alda verbleiben.“1238 Diese Vermutung schien sich zu bestätigen, als das Regiment vom Reichsfeldzeugmeister v. Thüngen den Befehl erhielt, in der Umgebung von Hagenbach in Winterquartiere zu gehen. Der Obristleutnant v. Friesen versuchte zwar, in einem persönlichen Gespräch mit Thüngen den Abmarsch in heimatliche Winterquartiere zu erwirken, konnte jedoch nichts erreichen.1239 Eine erneute Änderung trat ein, als Friesen wenig später ein Schreiben Thüngens aus Rastatt erhielt, indem dem Regiment die Winterquartiere nunmehr verbindlich anderweitig angewiesen wurden: „1 Battailon von der Arnestinischen Linie kombt in das Chur-Pfälzische Ambt Bretten nach Weingarten und nechste Orthe verleget.“1240 Etwa eine Woche später brachen die ernestinischen Truppen das Feldlager bei Hagenbach ab, überquerten den Rhein und marschierten nach Weingarten, das nur wenige Kilometer nordöstlich von Karlsruhe liegt. Das Regiment „Friesen“ erreichte das Dorf am 21. November 1706 und bezog sog1236 1237 1238 1239 1240
ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 10.8.1706. Siehe Abschnitt 5.3: Die Offiziere. ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 4.10.1706, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 3.11.1706. ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 6.11.1706, fol. 1v.
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leich Quartier im Ort sowie in der Umgebung. Der Marsch in das Winterquartier fand damit aber noch kein Ende. Der Reichsfeldzeugmeister v. Thüngen entschied sich kurz nach der Ankunft des Regiments in Weingarten, dieses nach Philippsburg zu verlegen. So marschierten die Soldaten nach nur drei Tagen im Quartier in Richtung Philippsburg ab, wo man am 27. November 1706 eintraf. Ähnlich wie andernorts waren auch hier die Möglichkeiten zur Unterbringung mangelhaft. In einem Schreiben des Hauptmanns v. Gleichen an Herzog Ernst heißt es dazu: „[Dem Regiment hätte] man bald die Cassernes zu deßen Delogirung angewießen, welche Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht ich nicht erbarmungswürdig genug beschreiben kann, dieweil es ein bloßes aldes Gemäuer, worinnen weder von Öfen, Thüren, sonst Diehlen und dergleichen nicht das geringste zu finden, im Gegentheil mit einen solchen Spectacul angefüllet, daß mich ohngezwungen nicht resolviren können das elendesde Vieh hineinzustellen […].“1241 Auch in Philippsburg war die Versorgung der Mannschaften schwierig. In dieser Situation kam es den Mannschaften und Offizieren gelegen, dass sie nach nur wenigen Wochen den Befehl zum Ausmarsch aus der Festung Philippsburg erhielten und sich nach Landau begeben sollten. Die Festung Landau wurde seit dem Spätherbst 1706 von französischen Truppen bedroht, die sich auf eine Belagerung vorbereiteten.1242 Zur Verstärkung der Landauer Garnison wurde das gesamte Regiment „Friesen“ nun in die Festung Landau verlegt und es verbrachte hier den größten Teil des Winters. Das Datum der Ankunft des Regiments „Friesen“ in der Festung Landau lässt sich nicht genau bestimmen, da die Korrespondenz des Hauptmanns erneut in unregelmäßigen Abständen in Hildburghausen einlief. Das Weihnachtsfest 1706 sowie den Jahreswechsel verbrachten die Soldaten noch in Philippsburg, während man erste Nachrichten aus Landau in der ersten Februarhälfte 1707 erhielt. Zu dieser Zeit wandte sich der Obristleutnant v. Friesen schriftlich an Herzog Ernst, um diesem mitzuteilen, dass er mit einer Belagerung der Festung rechne und daher die ausreichende Versorgung der Soldaten sichergestellt werden solle.1243 Tatsächlich kam es im Jahre 1707 zu keiner Belagerung Landaus, wenngleich es sich bei der Festung – aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage – um einen der am stärksten umkämpften Plätze des Spanischen Erbfolgekrieges handelte. Besonders für die Franzosen, deren westlichster Vorposten die Stadt und Festung Landau von 1680 bis 1702 war, war der Ort von strategischer Bedeutung. So kam es während des Konfliktes zu insgesamt vier Belagerungen der Festung, die allesamt für die Verteidiger nachteilig verliefen. 1241 ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 28.11.1706, fol. 1v. 1242 LYNN, Wars of Louis XIV, S. 309. 1243 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 11.2.1707.
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Eine der wichtigsten Veränderungen des Jahres 1707 war der Kommandowechsel beim Regiment „Friesen“. Der Obristleutnant v. Friesen wurde im Juni 1707 durch den weimarischen Obristen Otto v. Uslar ersetzt, sodass das ernestinische Allianzregiment fortan unter dem Namen „Uslar“ geführt wurde.1244 Die folgenden Jahre bis 1713 verliefen vergleichsweise ruhig und waren hauptsächlich vom monotonen Festungsdienst geprägt. Ausnahmen stellten gelegentliche Ausmärsche aus der Festung dar. Diese standen stets in Zusammenhang mit vermuteten Belagerungsunternehmungen der Franzosen, die sich jedoch nicht bewahrheiteten. Dennoch wurden die Truppen durch die oft planlosen Hin- und Hermärsche stark ermüdet. Über die Zustände im Sommer 1708 berichtete Hauptmann v. Gleichen aus Landau nach Hildburghausen, „waßmaßen das Regiment den 26ten dieses [Monats Juli] die schleunige Ordre erhalten aus seinem Lager bei Scheibenhart [nahe Lauterburg] aufzubrechen undt […] gegen Philippsburg zu marchiren. Ob nun zwar […] man nicht vermuthet, daß diesen schlechten Posten, von dem das Regiment so vielen Schaden erlitten, wir hinwieder zu verstärcken auffs neue erwehelt wären, so hat man […] den 27ten Abends die Ordre vernehmen müßen, sogleich […] gegen Landau zu marchieren. […] Wir haben noch 300 Mann vom Regiment zurücklaßen müßen; den einen Theil unter Commanda Herrn Generals Mercy, den andern aber in der von Daxland[en] gegen den Schwarzwald gezogenen Linie. Es ist zu besorgen, daß wir ziemlichen Verlust an dieser Mannschaft leiden werden, indem ihnen diese Guarnison sehr zu wider […].“1245 Die stete Furcht vor einer französischen Belagerungsarmee bestand auch in den folgenden Jahren fort und stellte eine konstante Beunruhigung der Festungsgarnison von Landau dar. Im Juli 1710 „hatte [man] Sorge getragen, es möchte etwas mit [der] Belagerung [von] Landau vorseyn, deßhalben die Guarnison des Orts auf 6000 Mann verstärcket und sonst von dem allda commandirenden Prinz [Karl] Alexander von Württemberg allerhand gute Anstalten gemachet worden“.1246 Aber auch in diesem Jahr blieb eine Belagerung der Festung aus. Eine veränderte Situation für die Festungsgarnison ergab sich erst im Nachgang der Utrechter Friedensverhandlungen. Im Jahre 1713 zeichnete sich zusehends eine Einigung zwischen den wichtigsten Kriegsparteien des Spanischen Erbfolgekrieges ab. Friedensverträge, die neben Frankreich auch die Vereinigten Niederlande, England, Spanien, Portugal und Savoyen einschlossen, wurden im März und April 1713 in Utrecht unterzeichnet. Kaiser und Reich waren von diesen Verträgen ausgenommen und befanden sich auch nach dem Frieden von Utrecht weiterhin im Krieg mit Frankreich. Aufgrund der Kriegsmüdigkeit beider Seiten war aber auch hier der Abschluss von Friedensverhandlungen nicht fern. Bis es dazu kam, versuchte Frank1244 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 4.6.1707. 1245 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 31.7.1708, fol. 1r. 1246 SCHNEIDER, Theatrum Europaeum, Bd. 19, S. 37.
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reich, seine Position gegenüber Kaiser und Reich weiter zu stärken, und fasste dabei insbesondere die Rückgewinnung der Festung Landau ins Auge. Um diesen wichtigen Ort unter Kontrolle zu bringen, erschien noch in der ersten Junihälfte 1713 ein französisches Heer unter dem Marschall Villars vor Landau.1247
Abbildung 8: Brief des Fähnrichs Volkmar Kruspe an seine Ehefrau Anna Catharina aus Landau, 15. Februar 1707. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 32, fol. 90r)
1247 Zum Anmarsch des französischen Heeres, siehe SCHNEIDER, Theatrum Europaeum, Bd. 20, S. 87 f.
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Die Festung war zu diesem Zeitpunkt in schlechtem Zustand und nur mangelhaft mit Schießpulver versehen.1248 Die Garnison bestand aus insgesamt elf Bataillonen Infanterie und drei Eskadronen Kavallerie.1249 Unter diesen Truppen befand sich auch das ernestinische Allianzregiment „Uslar“ zu zwei Bataillonen mit einer Gefechtsstärke von 850 Mann.1250 Die hildburghäusische Kontingentskompanie hatte daran einen Anteil von etwa 120 Mann. In der Gesamtheit verfügte die Festung Landau Anfang Juni 1713 über eine Besatzung von 6700 Mann. Die Franzosen planten, Landau durch eine förmliche Belagerung in ihre Gewalt zu bringen und blockierten die Festung zunächst. Die ersten Laufgräben wurden in der Nacht vom 20. zum 21. Juni 1713 eröffnet. Zur Abwehr von französischen Überfällen und zur Zerstörung des Vorfeldes der Festung befanden sich abwechselnd stets zwei Bataillone außerhalb der Festung. Zu einem bedeutenderen Einsatz des ernestinischen Allianzregiments und damit auch des hildburghäusischen Kontingents kam es jedoch erst am 2. Juli, als der Festungskommandant beschloss, die nächstliegenden französischen Laufgräben durch einen Ausfall zu zerstören. Gegen Mittag brach das gesamte Allianzregiment, geführt vom Obristen v. Uslar und dem Obristleutnant v. Steinsdorf, aus dem gedeckten Weg der Festung hervor und drängte in die französischen Laufgräben. Begleitet wurde der Angriff von kleineren Kavallerieabteilungen und etwa zweihundert Arbeitern. Letztere sollten bei erfolgreicher Attacke die feindlichen Erdarbeiten schnellstmöglich zerstören.1251 Aufgrund der Wucht, mit der die Attacke geführt wurde, konnten die französischen Soldaten in den Laufgräben schnell überwältigt werden. Französische Bataillone, die nur ungeordnet zum Gegenangriff übergingen, mussten sich schließlich ebenfalls zurückziehen. Derweil wurde durch die Arbeiter ein bedeutender Teil der Laufgräben in diesem Abschnitt zerstört. Der Rückzug des ernestinischen Alllianzregiments erfolgte, als sich eine Übermacht von insgesamt zwölf französischen Bataillonen der Stellung näherte. Die Verluste wurden im Tagebuch des Festungskommandanten mit 58 Mann angegeben. Der Anteil des hildburghäusischen Kontingents lässt sich indes 1248 Ottokar MACHALICKY, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1713 (= Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Bd. 15), Wien 1892, S. 172 f. beschrieb den gesamten Verlauf der Belagerung detailliert. Die Korrespondenz des Marschalls Villars während der Belagerung findet sich bei Jean-Jacques Germain PELET, Mémoires militaires relatifs à la succession d’Espagne sous Louis XIV., Bd. 11, Paris 1862, S. 309 f. 1249 Es handelte sich um die kaiserlichen Bataillone d’Arnant, Guttenstein, de Wendt sowie um die oberrheinische Bataillone Nassau-Idstein, Darmstadt und das Kreisregiment Schönborn (zwei Bataillone). Dazu kamen noch das kursächsische Bataillon Anspach, das westphälische Bataillon Simmern und das ernestinische Allianzregiment Uslar (2 Bataillone), siehe MACHALICKY, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1713, S. 175. 1250 Ebd. 1251 Ebd., S. 185.
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nicht genau bestimmen, da mit der Einschließung Landaus sämtliche Korrespondenzen unterbunden wurden. Aufgrund des damit einhergehenden Fehlens einer archivalischen Überlieferung für den Belagerungszeitraum sind detaillierte Informationen zum Zustand des Reichskontingents nicht zu erlangen. Die hildburghäusischen Soldaten befanden sich während der nächsten Wochen der Belagerung ausschließlich innerhalb der Festungsmauern und wurden nicht zu weiteren Ausfällen herangezogen. Bis Anfang August 1713 gelang es den Franzosen, mehrere außerhalb der Festung liegende Erdwerke zu besetzen und sich Landau bedeutend anzunähern. Der Durchhaltewillen des Festungskommandanten sowie der gesamten Garnison fußte vor allem auf der Hoffnung, von einem größeren kaiserlichen Feldheer unter dem Prinzen Eugen v. Savoyen entsetzt zu werden. Diese Hoffnung wurde am 19. August 1713 zerschlagen, als der Festungskommandant eine Nachricht des Prinzen Eugen erhielt, in der dieser eine Kapitulation empfahl, da er Landau unmöglich entsetzen könne.1252 In Anbetracht der Tatsache, dass wichtige Befestigungswerke bereits von den Franzosen erobert worden waren und die Munition der Garnison zur Neige ging, entschied sich der Prinz v. Württemberg noch am 19. August für die Aufnahme von Kapitulationsverhandlungen. Der französische Oberbefehlshaber hatte bereits in den vorangegangenen Wochen in der Umgegend Landaus die Nachricht verbreiten lassen, lediglich eine bedingungslose Kapitulation der Garnison zu akzeptieren. Der Festungskommandant wies dies am 19. August vehement ab, sodass das Feuer auf Landau erneut eröffnet wurde. Als die Bataillonskommandeure der Garnison dem Prinzen v. Württemberg den schlechten Zustand ihrer Einheiten vorstellten, willigte dieser schließlich ein, erneut in Unterhandlungen zu treten. Am 20. August 1713 wurde die Kapitulation der Festung Landau ausgehandelt.1253 Darin wurde u. a. festgelegt, dass die Garnison am 22. August aus der Festung marschieren solle und sich in Kriegsgefangenschaft nach Hagenau zu begeben habe. Beim Ausmarsch aus Landau verfügte das ernestinische Allianzregiment „Uslar“ noch über 705 diensttaugliche Soldaten, die von 29 Offizieren geführt wurden. Insgesamt 84 Soldaten befanden sich verwundet oder krank in den Hospitälern innerhalb der Festungsmauern.1254 Etwa sechzig Mann waren in den vorangegangenen Kämpfen gefallen. Dem hildburghäusischen Hauptmann Thiel war es mit dem Ende der Belagerung Landaus erstmals wieder möglich, sich schriftlich in Hildburghausen zu melden. Ein erstes Schreiben, datiert vom 30. August 1713 aus der Kriegs-
1252 Ebd., Suppl. 233. 1253 PELET, Mémoirs militaires, Bd. 11, S. 615 f. 1254 Aus einer französischen Aufstellung, ebd.
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gefangenschaft in Hagenau, war an den hildburghäusischen Hofrat Sutorius v. Karlstein gerichtet: „Wie malheureux die Belagerung vor die Guarnison zu Landau abgelaufen, dasselbe wird hoffentlich bekanndt seyn und weiln das Unglück mich mit dem Contingent betroffen und zu Prisoniers gemacht worden, so seind wir von Landau anhero geführet, alda wir nun des [französischen] Königs Resolution erwarten, ob die Regimenter zurück über [den] Rhein gehen und in gewißer Zeit nicht zu dienen [versprechen], oder aber ob selbige in Prison nach Franckreich geführet werden sollen. […] Ich habe dahero meinen hochgeehrtesten Herrn Hof- und Cammerrath gehorsamst ersuchen wollen, die hohe Gütigkeit vor mich zu haben und bey gnädigster Herrschaft den iezigen miserablen Zustand vorzustellen, damit ich mit Geld secundiret werde und diejenigen Leute so noch dahier seind, erhalten kann. Ich wollte mich gerne von allem mehrers expliciren, es ist aber verboten […].“1255 Die Verhandlungen über die Kriegsgefangenschaft nahmen den ganzen September 1713 in Anspruch. Der französische Marschall Villars sicherte in der Kapitulation von Landau zu, sich bei Ludwig XIV. für die Entlassung der Garnison einzusetzen. Villars selbst trug dem König vor, dass die kriegsgefangenen Truppen dem eigenen ausgesogenen Land zur Last fallen würden, und erreichte schließlich deren Freilassung.1256 Voraussetzung war, dass die entlassenen Truppen nicht erneut gegen Frankreich eingesetzt werden sollten. Die kriegsgefangenen Einheiten biwakierten während dieser Zeit in Hagenau. Am 30. September erfolgten der Abmarsch in Richtung Rastatt und mit der Überschreitung des Rheins die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft. Das hildburghäusische Reichskontingent und das gesamte Regiment „Uslar“ marschierten bis zum 3. Oktober nach Mühlburg bei Karlsruhe und erwarteten hier die offizielle Genehmigung zum Abmarsch in die Heimat. Von hier berichtete der hildburghäusische Leutnant Rüdiger, „daß das gesamte löbliche Regiment […] von Hagenau aus der Prison aufgebrochen und gestern alhier in die Linie gerücket, morgen aber nach beykommender Marchroute ins Land fortgehen wird. [Das Kontingent] befindet sich effective noch mit 80 Mann und seind die Leute bis auf 2 Mann gottlob gesund, daß also von selbigen keine bösen Seuchen zu befahren [sind]“.1257 Noch am 3. Oktober 1713 ging dem Obristen v. Uslar ein Schreiben des Prinzen Eugen zu, in welchem dieser dem Regiment eine Marschroute in die Heimat zuwies.1258 Diese führte zunächst von Mühlburg nach Forst bei Bruchsal und von dort aus weiter nördlich bis nach Walldorf. Anschließend marschierten die Soldaten weiter nach Norden an Heidelberg vorbei und überschritten bei Ladenburg den Neckar. Über den Odenwald wurden Aschaffenburg und der Übergang des Mains erreicht. Von hier aus führte der 1255 1256 1257 1258
ThStAM, GA Hbn, 34, 30.9.1713, fol. 1r. MACHALICKY, Spanischer Successions-Krieg – Feldzug 1713, S. 203 f. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 3.10.1713 [I], fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 3.10.1713 [II] ist eine Abschrift des Originalschreibens.
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Marsch über Lohr nach Gemünden und im Sinngrund nach Norden bis zur Rhön. Über Bischofsheim wurden das Grabfeld und wenig später meiningisches Territorium erreicht. Als sich das Kontingent bereits zwei Wochen auf dem Marsch befand, wurden in Hildburghausen erste Vorkehrungen für seine Ankunft getroffen. An Johann Peter Thamerus, Amtmann von Behrungen, erging am 19. Oktober folgende Anweisung des Herzogs Ernst: „Wir begehren hiermit ihr wollet Anstalt machen, daß das in Heraufmarch begriffene hiesige Reichs-Contingent in dem Ambte Behrungen aufgenommen, aldar ein paar Tage biß auf weitere Ordres einquartieret und mit Haußmannskost versehen werde.“1259 Während für das hildburghäusische Reichskontingent der Marsch in Behrungen endete, trennten sich nahe Meiningen die anderen Kompanien voneinander. Die meiningischen Soldaten blieben in ihrer Residenzstadt stehen. Die weimarischen Truppen marschierten in Richtung Eisenach über den westlichen Ausläufer des Thüringer Waldes in Richtung Heimat. Die coburgischen Soldaten trennten sich bereits im Grabfeld vom restlichen Regiment und marschierten anschließend über hildburghäusisches Territorium nach Coburg. Am 23. Oktober 1713 kam die hildburghäusische Kontingentkompanie im Amt Behrungen an und bereitete sich auf das Beziehen der Winterquartiere vor. Bereits nach wenigen Tagen wurden die Soldaten in das Amt Hildburghausen verlegt, wo bis Mitte November die Einquartierung in verschiedene Dörfer erfolgte.1260 Aufgrund in Behrungen entstandener Misshelligkeiten zwischen Soldaten und Quartierwirten beratschlagte nun Erbprinz Ernst Friedrich mit mehreren Regierungsbeamten den weiteren Verbleib des Reichskontingents und kam zu folgender Feststellung: „Es will die Nothdurfft erfordern, daß das al[l]hiesige von Landau zurückgekommene Reichskontingent diesen Winter über in Unsern Landen füglich verpfleget und mit behörigen Obdach und Lagerstadt versehen werde. Nachdem Wir nun das Werck und wie solches ohne besondere Beschwehrde der Unterthanen am füglichsten Geschehen möge, aus landväterlicher Besorge reiflich überleget und befunden, daß die sonst gewöhnliche Einquartierung dem Landmann und Unterthanen nicht wenig beschwehrlich falle; So haben wir zu derselben Erleichterung und Besten gnädigst resolvirt, sothanes Reichscontingent auf Unsere Veste Heldburg zu verlegen und daselbsten mit behöriger Nothdurfft versehen zu laßen […].“1261 Mit dem Entschluss, das Reichskontingent auf die Veste Heldburg zu verlegen, erhielt diese hildburghäusische Festung erstmals eine Garnison.1262 Auch wenn zahlreiche Dorfbewohner des Fürstentums damit einer 1259 1260 1261 1262
ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 19.10.1713, fol. 1r. Siehe den folgenden Abschnitt 5.6: Im Winterquartier. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 25.10.1713, fol. 1r. Siehe Punkt 4.2.3.1: Der große Mäzen.
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Einquartierung entgingen, wurden die Kosten der Garnison dennoch auf sie umgelegt. Ernst Friedrich formulierte, dass zur Unterhaltung „von iedem Ambt und Gericht ein leidentliches, so aber nicht von denen Gemeindstücken, sondern durch eine besondere Anlage aufzubringen, monathlich beygetragen werden solle“.1263 Auf welcher Grundlage diese kurzfristige Extrasteuer auf die Untertanen verteilt wurde, lässt sich nicht mehr nachweisen. Allein das Amt Hildburghausen hatte monatlich 64 Gulden aufzubringen. Gegen Zuwiderhandlung wurde die militärische Exekution angedroht und auch ausgeführt, damit „sodann das auf ieden repartirte Quantum […] herausgetrieben werde“.1264 Die Zahlungen waren von den Gemeinden des Fürstentums ausnahmslos zu leisten und an den Amtsverwalter abzuliefern. Diesem oblag allmonatlich die Sendung der Gelder an den Vorratsverwalter der Veste Heldburg. Im weiteren Verlauf weigerten sich vornehmlich die adeligen Güter Hetschbach, Massenhausen und Bockstadt, ihrer auferlegten Pflicht nachzukommen. Ernst Friedrich wies darauf hin, dass auch diese sich „desjenigen, was ihres gleichen zu solchen KriegsAnlagen im Lande beytragen, so wenig sich entbrechen [können], alß die von ihnen vorgeschützte Freyheit ihres Guths denenselben dießfallß zusatten kommen kann“.1265 Während auf diese Weise die Versorgung des hildburghäusischen Reichskontingents auf der Veste Heldburg sichergestellt wurde, verhandelten gleichzeitig die kriegführenden Parteien des Spanischen Erbfolgekrieges in Rastatt über einen Friedensschluss. Dieser kam am 7. März 1714 zustande und beendete den Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser sowie dem Reich. Zusammen mit dem Frieden von Utrecht beendeten die Rastatter Verhandlungen den Spanischen Erbfolgekrieg endgültig. Die Kampfhandlungen wurden eingestellt, und die Truppen konnten vielfach aus ihren Diensten entlassen werden. Das hildburghäusische Archivmaterial vermittelt den Eindruck, dass man nach dem Utrechter Frieden mit einem baldigen Friedensschluss für Kaiser und Reich rechnete, ohne jedoch während der Rastatter Verhandlungen das Reichskontingent zu entlassen. Dieses wurde bis Ende März 1714, als die Nachricht vom Rastatter Frieden in Hildburghausen eintraf, auf der Veste Heldburg in Bereitschaft gehalten. Auf Anweisung des Erbprinzen Ernst Friedrich begab sich der hildburghäusische Obrist Siegmund v. Pflug am 29. März 1714 auf die Veste Heldburg, um den Kontingentssoldaten das Ende des Spanischen Erbfolgekrieges bekannt zu machen. Dem Obristen wurde anbefohlen, „die bey unserem [Land-]Regiment unter dem Hauptmann Thiel gestandene Compagnie, so bißhero zu unserm Reichß-Contingent abgegeben worden, zusammen kommen zu laßen und nach gehaltener Abrechnung mit denen Leuten ihnen sämbtlich wissend zu machen, wie nach 1263 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 25.10.1713, fol. 2r. 1264 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 3.11.1713, fol. 1r. 1265 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 8.1.1714, fol. 1v.
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nunmehr geschlossenem Frieden im Reich [sic !] wir gesonnen wären besagte Compagnie abzudanken, dahero er sowohl den Lieutenant, Fähndrich, Unterofficier und Gemeine zu dimittieren, sie ihrer bißherigen Pflicht und Eyd zu erlassen, also die ganze Compagnie biß auf den Capitain, 2 Corporals, ein Tambour und 18 Gemeine, welche er nach seinem Gefallen aussuchen mag und bey der Garnison bleiben, […] zu licquitiren, auch ihnen wegen bißhero geleisteter Dienste Danck zu sagen, auch ieden noch eine Lehnung mit zu theilen […].“1266
5.6 Im Winterquartier „[…] ehe der Soldat und Bauer bekandt miteinander werden, […] bald der Soldat sich über den Bauer beschwehrt und die ihm zureichende Hausmanns-Kost allzuweit extendiren will, baldt der Bauer über den Soldaten geklaget, daß er mit ihme nicht vorlieb nehmen wolle […]“.1267 Johann Peter Thamerus, Amtmann zu Behrungen, 1713
Die Bevölkerung des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen war seitens des Reichskontingents nur vergleichsweise wenigen Belastungen ausgesetzt. Während die fürstlichen Garden ständiges Quartier und Verpflegung in der Residenzstadt bezogen, befand sich das Reichskontingent allenfalls in den Wintermonaten im Fürstentum. Über die zehn Jahre ihres Einsatzes im Spanischen Erbfolgekrieg bezogen die Mannschaften des Kontingents nur dreimal – 1703/04, 1704/05 und 1713/14 – die heimatlichen Winterquartiere. Die restlichen Winter verbrachte das Reichskontingent meist als Festungsgarnison in Landau und war hier in festen Kasernenbauten nahe den Festungsmauern untergebracht. Da die dortigen Lebensumstände meist von Monotonie geprägt waren und sich zudem die Vorfälle in den Festungsquartieren weitestgehend der archivalischen Überlieferung entziehen, soll der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf der Einquartierung des Reichskontingents im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen liegen. Das Einrücken des Reichskontingents in die heimatlichen Winterquartiere wurde den Amtmännern und Stadträten des Fürstentums meist erst wenige Tage vor der Ankunft der Mannschaften bekannt gemacht. Das Winterquartier sollte die Ämter des Fürstentums gleichmäßig belasten, sodass man die Mannschaften auf verschiedene Städte und Dörfer verteilte. Im Winter 1704/05 zeigte sich folgende Verteilung der Winterquartiere auf die Ämter:1268
1266 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 28.3.1714, fol. 1r. 1267 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 597r. 1268 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, 31.12.1704.
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Stadt/Amt Hildburghausen Stadt/Amt Heldburg Stadt/Amt Königsberg Stadt/Amt Eisfeld Stadt/Amt Schalkau
= = = = =
35 Mann 1 Unteroffizier und 45 Mann 1 Hauptmann, 1 Leutnant und 18 Mann 1 Fähnrich und 36 Mann 1 Unteroffizier und 16 Mann.
Eine ausgewogene Verteilung auf einzelne Dörfer versuchte man zudem durch Verlegungen der Soldaten zu erreichen. So kam es häufig vor, dass Soldaten während des Winters monatlich die Quartiere wechselten. Was die Verpflegung der Mannschaften in den Quartieren anging, so bestimmte eine fürstliche Verordnung des Jahres 1703, diese lediglich mit Obdach zu versehen. Da Verpflegungslieferungen jüdischer Lieferanten nur außerhalb des Fürstentums getätigt wurden und die Soldaten ihr weniges Geld stets anderweitig ausgaben, entstand bald ein Konfliktherd. So berichtete der Heldburger Stadtrat im Jahr 1704, dass sich die einquartierten Soldaten während des letzten Winterquartiers mit dem Obdach nicht zufrieden gegeben und stattdessen Hausmannskost konsumiert hätten, ohne diese jedoch zu bezahlen.1269 Die Bezahlung der Hausmannskost durch die Soldaten war die einzige Einnahmequelle der Quartierwirte. Eine Vergütung in Form von Quartiergeld, wie sie bei der Einquartierung der fürstliche Garden üblich war, existierte für das Winterquartier des Reichskontingents nicht. Selbst das für die Soldaten aufgewendete Holz und Licht wurde nicht ersetzt.1270 Was die Hausmannskost anbelangte, wurde die Ordnung der Verhältnisse noch bis zum Winter 1704/05 hinausgeschoben. Erst am 21. Januar 1705 ordnete Herzog Ernst die Versorgung aller einquartierten Reichskontingentssoldaten mit Hausmannskost an.1271 Da die zur Einquartierung ausgewählten Haushalte unterschiedlich wohlhabend waren, unterschied sich auch die Kost, die den Soldaten gereicht wurde. Aufgrund dessen kam es innerhalb von zwei Wochen nach der Publikation der herzoglichen Verordnungen zu zahlreichen Beschwerden von Soldaten, die sich über eine ungleiche Versorgung beklagten. Um diese Angelegenheit letztendlich zu klären, erfolgte am 7. Februar 1705 eine weitere herzogliche Verordnung, welche die Quartierwirte von der Versorgung mit Hausmannskost entband, dafür aber festlegte, alle Soldaten durch die Quartierwirte mit täglich einem Pfund Fleisch, zwei Pfund Brot und zwei Maß Bier zu verpflegen.1272 Ob diese beträchtlichen Leistungen den Quartierwirten vergütet wurden, lässt 1269 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, 16.4.1704. 1270 Die Bezahlung von Holz, Stroh und Licht lässt sich für die Winterquartiere in der Festung Landau durchgängig nachweisen, im heimatlichen Winterquartier jedoch nicht, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 226 f. 1271 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 7.2.1705. 1272 Ebd.
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sich aus dem archivalischen Material nicht zweifelsfrei rekonstruieren, scheint jedoch wahrscheinlich zu sein. In jedem Fall handelte es sich aber um eine kurzlebige Einrichtung, denn nach Ende des Winterquartiers 1704/05 fand die Verordnung keine weitere Anwendung. Als das Reichskontingent im Winter 1713/14 erneut in heimatliche Winterquartiere einrückte, befanden sich die Quartierwirte einmal mehr in einer schwierigen Situation, da die Verpflegung der Soldaten nach wie vor nicht eindeutig geregelt war. Im Oktober 1713 wurde aus dem hildburghäusischen Amt Behrungen berichtet, einige Quartierwirte hätten sich „sogar unterstanden mit Bedrohung sich zuwieder [zu] setzen“.1273 Der Behrunger Amtmann Johann Peter Thamerus rief daraufhin die Einwohner des Amtes auf, „nicht nur die Soldaten mit nothdürfftiger Hausmanns-Kost und Obdach unweigerlich zuversehen, sondern ihnen auch nach Gelegenheit ein Stück Fleisch und [ein] Trunck Bier vorzusetzen“.1274 Dass für die Verrichtungen der Quartierwirte keine Vergütung geleistet wurde, dafür sprechen die immer wieder auftauchenden Konflikte zwischen Quartierwirten und Soldaten. Thamerus berichtete aus Behrungen über einen dieser Vorfälle: „[…] als ich eben bey Herrn Haubtmann [Thiel] und Herrn Lieutenant [Rüdiger] auf der Gaße gestanden, ein Musquetier gekommen und sich beklaget, daß sein Wirth, Hanns Wölfing, ihn s. v. mit einen Misthacken bedrohet, auch ihme kein rechtes Eßen geben wolle […].“1275 In diesem Fall kam es zu einem protokollarischen Verhör, in dem sich herausstellte, „daß der Soldat außer ein einigesmahl sein Nothdürfftiges Eßen und Trincken bekommen und gleichwohl seinen Wirth vermöge seiner eigenen Außage mit Schlägen tractiren wollen“.1276 Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, auf Grundlage der archivalischen Quellen einem beschriebenen Sachverhalt objektiv näherzukommen. Selbst für Zeitgenossen war dies oft nicht ohne Weiteres möglich, sodass Thamerus zu Abschluss dieses Falles konstatieren musste, dass es zweifelhaft sei, „ob nun der Soldat dem Bauer oder der Bauer dem Soldaten zuviel gethan“.1277 Aufgrund der vergleichsweise kurzen Einquartierungszeit im Rahmen des Winterquartiers wurden die Soldaten des Reichskontingents nicht nur in Privathäuser vergelegt, sondern vereinzelt auch in größeren Gasthäusern untergebracht. Wenngleich dies nicht die Regel war, ging damit doch eine zeitweise Erleichterung zahlreicher Untertanen einher, da diese die Soldaten nun nicht in ihr eigenes Heim aufnehmen mussten. Dafür wirkte sich die Einquartierung für die Pächter oder Besitzer der Gasthäuser umso nachteiliger aus. Ein 1273 1274 1275 1276 1277
ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 597r. Ebd., fol. 597v. Ebd., fol. 597v. Ebd., fol. 598r. Ebd., fol. 598r.
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besonders lebendig beschriebener Fall ereignete sich in Hildburghausen, als im Winter 1705/06 eine größere Anzahl neu geworbener Rekruten im dortigen Ratsgasthaus untergebracht wurde. Bereits wenig später beschwerte sich der Stadtrat über Hauptmann Spiller v. Mitterberg, der im Winter 1705/06 ebenfalls in Hildburghausen weilte und die Einquartierung organisierte. Es sei „durch seine Einlogierung im Schlundhause, vermittelst seiner vielen Leute, auch stetigen Einkehrung der Soldaten und dahero fortwerigen Tumults darinnen, wie leichtlich zu ermeßen, dermaßen vertorben und in Abgang gerathen, daß ein frembter Mensch sich gescheuet, mehr darinnen einzukehren […] alldieweiln der Rath in selbiger [Wirtschaft] nicht mehr, sondern die Soldaten, Herren wehren, dahero diese auch sich von Ihme, dem Wirthe, nichts befehlen ließen und wann gleich iezu Zeiten ein Frembter kommen, bey ihme Herbergen und sich zu denen Soldaten auf die Streue legen wollen, hätten sie ihn nicht geduldet, sondern mit Ungestüm da abgetrieben, vorgebend, es wehre Ihr, der Soldaten, Quartier […] und obschon zuzeiten ein Fuhrmann oder sonst jemand zu Pferde bey ihme die Einkehr genommen, so hätte alßdann solchen bald dieß, bald jenes an sein Zeug ermangelt und niemand was davon wißen wollen“.1278 Unter den einquartierten Soldaten befand sich auch eine nicht näher zu bestimmende Zahl an Kranken und Verwundeten. Beim Überschreiten der Grenze des Fürstentums wurden die Fußkranken und nur schwer zu transportierenden Soldaten direkt in die nächstgelegenen Dörfer einquartiert. Soldaten, die sich mit ansteckenden Krankheiten infiziert hatten, übertrugen diese meist auf ihre Quartierwirte. Aufgrund der zahlreichen kranken Soldaten, die im Dezember 1705 in Heldburg einquartiert wurden, kam es bereits nach kurzer Zeit zur Ausbreitung eines hitzigen Fiebers. Dieses Fieber erfasste etwa ein Dutzend Haushalte und verbreitete sich bis Anfang 1706 im gesamten Unterland. In einer solchen Situation erachtete man es als ratsam, die einquartierten Soldaten aus ihren Quartieren zu nehmen und in provisorisch hergerichteten Hospitälern unterzubringen. Um die Kooperation der Amtsverwalter und Landbewohner zu erreichen, wurden Einweisungen in die Hospitäler stets von Herzog Ernst persönlich angeordnet. So wurde im Dezember 1705 bestimmt, „die beiden von der Spillerschen Compagnie zu Einöd liegende krancke Soldaten, Hanß Philipp Güsenbauer und Hanß Kutscher, in dem Heldburger Hospital einzunehmen und mit Pfleg- und Arzneimitteln zu versehen“.1279 In ähnlicher Weise ließ der Landesherr auch für verwundete und dienstunfähige Soldaten sorgen. So wandte sich im Oktober 1709 der hildburghäusi1278 ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, o. D. 1706, fol. 1 f. 1279 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 18.12.1705, fol. 1r. Daraufhin wurde der Heldburger Amtmann Johann Siegmund Eberhard vom Herzog angemahnt: „Alß begehren Wir hiermit, Ihr, der Amtmann, wollet solchem [Befehl] also nachkommen, zugleich auch, daß [was] denselben [Soldaten] an Besuchung des Medici und Adhibirung benöthigten Medicamenten abgehen soll, bestens besorgen“,ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 20.12.1705, fol. 1r.
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sche Musketier Peter Weigand an den Herzog und berichtete, „wie daß, nachdem ich an dem einen Bein schadhaft worden, daß ich von denen Wundärzten in Landau nicht können curiret werden, dannenhero von Herrn Hauptmann von Gleichen mit einem sichern Pass von Landau hieher [nach Hildburghausen] geschicket worden, mich allhier curiren zu laßen“.1280 Weigand lebte in der Mietswohnung seines Bruders, der in Hildburghausen Ratsdiener war. Als dieser jedoch anderswo in Dienste trat und seine Wohnung aufgab, wurde Weigand obdachlos. In dieser Situation wandte sich Weigand an den Herzog und bat, „die Gnade gegen mir zu haben und zu verordnen, daß ich doch allhier, biß daß ich wieder curiret, einquartiert werden möchte“.1281 Wenig später erging eine herzogliche Weisung an den Stadtrat von Hildburghausen, den Musketier Weigand mit „Obdach und Lagerstatt“ versehen zu lassen.1282 Derartige Gnadenerweise von Seiten des Herzogs waren keine Seltenheit, müssen aber kritisch eingeschätzt werden: In Sachsen-Hildburghausen existierte keine Invalidenversorgung, obwohl die Zahl der Militärinvaliden derart gering war, dass es finanziell leicht möglich gewesen wäre, eine Invalidenkasse einzurichten. Im Gegensatz dazu stellten sich die herzoglichen Gnadenerweise lediglich als zeitlich begrenzte Soforthilfe dar, ohne jedoch eine nachhaltige Lösung für die Betroffenen zu bieten. Ähnlich verhielt es sich mit verarmten oder verwitweten Soldatenfrauen, die größtenteils obdachlos waren und ebenfalls zahlreich beim Herzog um Erleichterung ihrer Lebensumstände nachsuchten. Barbara Jahn, die Witwe des während der Belagerung von Landau gefallenen Fähnrichs Jahn, ließ den Herzog zu Anfang des Jahres 1715 wissen, „daß Eure Hochfürstliche Durchlaucht […] die Hochfürstliche Gnade mir ertheilet und mir von Extra-Steuern 16 fl. zahlen und auf ein Jahr lang frey Quartier in Dero Fürstlichen Ambt allhier gnädigst angedeyen laßen, darvor sage unterthähnigsten und demüthigsten Danck. Nachdeme ich aber dieses Jahr mit meinem Kind sehr kranck darnieder gelegen und […] auch diese Stunde noch mit meinem Kinde so miserabel bin, daß ich also nicht weiß, wo ich ein Stücklein Brodt hernehmen solle […].“1283 Die Witwe, die bereits seit Ende 1713 mietfrei im Amt Hildburghausen einquartiert war, bat anschließend erfolgreich um die weitere Einquartierung auf unbestimmte Zeit. Hier zeigt sich, dass die herzogliche Fürsorge durchaus über längere Zeit hinweg in Anspruch genommen werden konnte. Es gilt jedoch zu bedenken, dass neben den Betroffenen vor allem die Quartierwirte, die ohne Gegenleistung Obdach gewährten, die Leidtragenden waren. Dahingehend übernahm weder der Herzog noch eine öffentliche Kasse die Ver1280 1281 1282 1283
ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 291r. Ebd. Ebd., fol. 292v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 21.2.1715, fol. 1r.
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antwortung für die Militärinvaliden und deren Angehörigen. Diese Verantwortung kam allein den Quartierwirten zu, was offenbar von herrschaftlicher Seite aus als kostengünstigste Alternative gesehen wurde. Unter diesen Umständen wurde die Soldatenfrau Anna Maria Meixner im Jahre 1709 aufgefordert, bei ihrer Einquartierung „dem Quartiersmann mit möglichster Arbeit an Hand [zu] gehe[n], biß uf fernere Verordnung“.1284 Meixners Ehemann, der als Soldat unter dem hildburghäusischen Reichskontingent diente, wurde in den Heldburger Amtsdorfschaften „mit nothdürfftiger Verpflegung, auch Obdach und Lagerstatt“ versehen.
5.7 Die Desertion „[…] hätte weiter nichts vorzubringen, als umb gnädige Straffe zu bitten und sein armes schwangeres Weib und Kindt anzusehen; es wäre sein erstesmahl, daß er solche Boßheit begangen; er wolle sein Lebetag solches nicht mehr thun […]“1285 Aus dem Verhör des Musketiers Caspar Helbig, 1712
5.7.1 Motive Ebenso wie bei der Anwerbung der Soldaten lassen sich auch im Rahmen der Desertion verschiedene begünstigende Motivationsfaktoren ausmachen. Um den Ablauf der Desertionen von Motivation über Flucht, Wiederergreifung bis hin zur Aburteilung im Zusammenhang zu erfassen, ist eine Gruppierung der verschiedenen Motivationsfaktoren von Vorteil. Eine solche Gruppierung wurde in der älteren militärgeschichtlichen Forschung vollständig unterlassen.1286 Erst neuere Forschungen arbeiteten die Komplexität und Vielschichtigkeit des frühneuzeitlichen Militärwesens heraus und entwickelten damit einhergehend neue methodische Zugänge zum Phänomen der Desertion im 18. Jahrhundert.1287 Auf der Grundlage des für das hildburghäusische Reichskontingent zur Verfügung stehenden Quellenmaterials kann die Erfassung der Motivationsfaktoren weiter präzisiert werden.1288 Bei der Betrachtung aller aufgezeichneten Desertionsfälle lassen sich die genannten Motive in strukturelle und individuelle unterteilen. Anders als bis1284 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 342r. 1285 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 156r. 1286 Arthur GILBERT, Why Men Deserted from Eighteenth-Century British Army, in: Armed Forces and Society 6/4 (1980), S. 560–563; Thomas AGOSTINI, „Deserted His Majesty’s Service“: Military Runaways, the British-American Press, and the Problem of Desertion during the Seven Years War, in: Journal of Social History 40/4 (2007), S. 957–985. 1287 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 22 f. bietet eine kurz gefasste Übersicht. 1288 REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2, S. 213 f. gibt eine grobe Unterteilung der Motivationsfaktoren.
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her werden an dieser Stelle alle Umstände, die Person und Persönlichkeit des Soldaten betrafen und für die er eigens Verantwortung übernehmen musste, als individuelle Faktoren aufgefasst. Im Gegensatz dazu stehen die strukturellen Faktoren, d. h. die Rahmenbedingungen, die ein Soldat im Militär vorfand. Der Soldat konnte die in diesen Bereich fallenden Bedingungen nicht beeinflussen und übernahm hierfür keine Verantwortung. Die Untersuchung der Motive der gemeinen Soldaten basiert hauptsächlich auf kriegsgerichtlichen Akten, in denen die Soldaten selbst zu Wort kamen. Besonders im Bereich der individuellen Faktoren sind die hierin enthaltenen Informationen als wertvoll – doch keinesfalls als authentisch – anzusehen. Es ist davon auszugehen, dass verhörte Soldaten auf die Frage: „Was Inquisiten zu dießem schändlichen Meineydt und Desertion bewogen?“ menschlich nachvollziehbare Gründe angaben, um vor dem Kriegsgericht Verständnis zu erlangen. Dass auch in anderen Situationen wahre Gründe verschwiegen und durch erfundene Rechtfertigungen ersetzt wurden, ist ebenso wenig auszuschließen. Besonders problematisch ist, dass Aussagen, die von individueller Motivation zeugen, meist nicht durch Sekundärquellen verifizier- oder falsifizierbar sind. Der entgegengesetzte Fall zeigt sich bei der Untersuchung von Aussagen, die auf eine strukturelle Motivation hindeuten. Diese weisen meist auf allgemeine Missstände im Militär hin, die auch durch anderweitige archivalische Quellen belegbar sind. Individuelle und strukturelle Faktoren konnten in bestimmten Desertionsfällen auch miteinander vermischt sein. Grundsätzlich ließ sich jedoch nachweisen, dass der bei weitem größte Teil aller Deserteure entweder eine individuelle oder eine strukturelle Motivation angab. Zu den individuellen Motiven gehörten vor allem die Sehnsucht nach der eigenen Familie und Heimweh.1289 Hinzu kamen Beschwerden über subjektiv zu schwer empfundene Dienste sowie die Beeinflussung durch Kameraden. Am schwersten fassbar sind jedoch Deserteure, die keine Ursache angaben. Beispiele für individuelle Motive gab es zahlreich: Der 32-jährige Musketier Hans Erhard Otto aus Schwarzenbrunn desertierte im Januar 1704 und rechtfertigte sich damit, „keine Ursach gehabt [zu haben], außer daß er 6 Kinder zu Hauße gehabt und sich zu selbigen gesehnet“.1290 Ottos Ehefrau nahm ihn in Schutz und berichtete über ihren Mann, dass dieser „sich seines armen Weibes und seiner VI. hinterlassenen kleinen Kinder, welche ihr Brodt vor den Thüren anderer christmitleidi-
1289 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 97 bemerkt hierzu treffend: „Im Zwiespalt zwischen Armee und Familie entschieden sich dann nicht wenige Männer für die Familie.“ 1290 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste 1703/04, pag. 53. Eine abschriftliche Zusammenstellung aller Informationen zu den Desertionen aus der Mannschaftsliste findet sich bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 28.
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gen Menschen suchen müßen, erinneret habe“.1291 Der Tambour Hans Schmidt desertierte „wegen schwehrer Dienste“1292 und überredete noch einige Kameraden, mit ihm zu kommen: „Alß werden Ihro Hochfürstliche Durchlaucht hieraus in Gnaden vernehmen, wie wir leben müßen, dann die Dienste gehen sehr starck und die Leuthe werden sehr kranck und könnens nicht mehr ausstehen, […] deßwegen schon etliche weg gelauffen […].“1293 Diese gaben später an, keine Ursache zur Desertion gehabt zu haben, außer von Schmidt „verführet“ und „verreitzet“ worden zu sein. Der 24-jährige Musketier Nicolaus Ley glaubte sogar, sich von Schuld und Verantwortung rein waschen zu können, indem er aussagte, „er habe keine Ursach gehabt, seye verführet worden von Hans Schmiden, dieser seye der Übelthäter“.1294 In einem anderen Zusammenhang glaubte ein Musketier auf Verständnis zu stoßen, indem er zugab: „Wann er nicht wäre betruncken geweßen, würde er es nicht gethan haben, sonsten habe er sich über gar nichts […] zu beschweren.“1295 Tatsächlich hatten die meisten Deserteure sowohl den offiziellen Listen zufolge als auch nach ihren eigenen Aussagen Besoldung und Brot richtig erhalten und konnten sich zumindest zu Kriegsbeginn objektiv nur wenig beschweren. Im Jahre 1705 berichtete Hauptmann Spiller v. Mitterberg, dass von der Kompanie „so viele […] ohne einzige Ursach leichtferdiger Weise deserdiret sind“.1296 Demgegenüber gehörten zu den strukturellen Motivationsfaktoren der den Soldaten verweigerte Abschied sowie mangelhafte Verpflegung, Bekleidung, Unterbringung und Besoldung. Es handelte sich hierbei um Gegebenheiten, die der Soldat nicht selbst verbessern konnte und denen er sich lediglich durch die Desertion zu entziehen vermochte. Unter den genannten strukturell begründeten Motivationsfaktoren kam dem verweigerten Abschied die größte Bedeutung zu. Die Offiziere verweigerten den Soldaten ihren Abschied hauptsächlich aufgrund der schwierigen Mannschaftsergänzung, die sich, je länger der Krieg andauerte, immer teurer gestaltete. Des Weiteren waren zahlreiche Soldaten nicht im Besitz einer zeitlich befristeten Kapitulation, sodass von offizieller Seite aus kein Anlass zum Abschied gegeben war. In diese Falle begaben sich leichtsinnige Soldaten bereits bei der Anwerbung. In einer Empfehlung an Hauptmann v. Gleichen wies Herzog Ernst im Jahre 1707 darauf hin, „dem Musquetierer, [nur] in Fall er nicht anders zu haben, eine Versicherung auf gewiße Zeit zuzu[ge]stehen“.1297 Tatsächlich wurden zahlreiche junge Männer ohne Zugeständnis einer festen Dienstzeit angeworben. Aus dieser 1291 1292 1293 1294 1295 1296 1297
ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, fol. 137v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste 1703/04, pag. 51. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 24.1.1713 [II], fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste 1703/04, pag. 53. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 154v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 8.6.1705, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 15r.
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juristisch schwierig zu bewertenden Situation befreiten sich Soldaten später durch die Desertion. Aber auch eine Kapitulation mit zeitlicher Begrenzung war keine Garantie, rechtmäßig den Abschied zu erhalten. Der Großteil der Soldaten des Reichskontingents wurde 1703 für die Dauer von zwei Jahren angeworben. Im Frühjahr 1705 neigte sich deren Dienstzeit dem Ende entgegen, ohne dass die Offiziere Anstalten machten, die Abschiede zu bewilligen. Der Musketier Caspar Förster berichtete: „[Ich habe] bey Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht durch ein demüthiges Bittschreiben um meinen Abschied angesuchet, welches mir aber der Herr Hauptmann sehr übel ausgeleget und mich deßwegen 4 Wochen lang in Arrest setzen und meine Montur wegnehmen laßen […] darneben mir gar gedrohet mich von der Compagnie ohne Abschied wegzujagen.“1298 Da man für solche Fälle keine Lösung fand bzw. finden wollte, spitzte sich die Situation bei der Kompanie in den nächsten zwei Jahren noch bedeutend zu. Die Soldaten empfanden ihre Kapitulationen als wertlos, und die Desertionszahlen sowie die allgemeine Unzufriedenheit stiegen. Hauptmann v. Gleichen berichtete im Sommer 1707, dass „nun diese Leuthe [die Soldaten] fast täglich umb ihre Erlaßung ansuchen“.1299 Erst im Januar 1708 wurde der Hauptmann angewiesen, allen Soldaten, die eine schriftliche und befristete Kapitulation vorweisen konnten, den Abschied zu gewähren.1300 In den nächsten Monaten kam der Hauptmann dieser Weisung aber nur höchst widerwillig nach. Grund dafür war, dass verabschiedete Soldaten gemäß eines Vertrages auf Kosten des Hauptmanns durch Anwerbung ersetzt werden mussten. Die Anwerbung eines neuen Rekruten war jedoch – zumal bei fortgeschrittener Kriegsdauer – kostspieliger als die Verlängerung einer bereits bestehenden Kapitulation. Als im November 1708 weitere Kapitulationen ausliefen, kam es erneut zur Unruhe unter den Soldaten. Als die Überredungsversuche des Hauptmanns scheiterten, berichtete dieser nach Hildburghausen: „Alleine es ist von diesen Leuthen […] ohnmöglich solches [die Verlängerung der Kapitulationen] zu erhalten, ja laßen [sie] sich fast öffentlich verlauthen, falls [sie] ihre Abschied[e] nicht erhielten, von der Compagnie zu desertieren […].“1301 Ein Präzedenzfall dafür ereignete sich im Jahr 1705, als die auf zwei Jahre geschlossenen Kapitulationen der aus Schleusingen stammenden Musketiere Hans Georg Schultes und Alexander Bastheim ausliefen. Beide desertierten, begaben sich zurück nach Schleusingen und vermeinten, mit Recht gehandelt zu haben. Herzog Ernst verlangte die Auslieferung der Deserteure, konnte 1298 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 11.2.1705, fol. 1v. 1299 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 1.8.1707, fol. 1r. 1300 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 21.1.1708. Zu dieser Zeit forderten insgesamt zwanzig Soldaten ihren Abschied, von denen fast die Hälfte beträchtlich über die kapitulierte Zeit diente. Nicht jeder Soldat, dem der Abschied verweigert wurde, desertierte zwangsläufig. 1301 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 28.11.1708, fol. 1v.
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aber bei Herzog Moritz Wilhelm v. Sachsen-Zeitz nichts erreichen. In einem Verhör, das in Schleusingen abgehalten wurde, wiesen beide Männer anhand ihrer schriftlichen Verträge überzeugend ihren Standpunkt nach. Eine in Hildburghausen eingesetzte Kommission, die den Fall untersuchte, kam zu dem Schluss, dass die Männer nicht als Deserteure anzusehen seien und die alleinige Verantwortung Hauptmann Spiller v. Mitterberg zukomme, der den Soldaten die Abschiede verweigert habe.1302 Neben verweigerten Abschieden kam vor allem schlechter Verpflegung und mangelhafter Bekleidung im Rahmen der Desertion Bedeutung zu. Besonders zum Bekleidungsmangel liegen zahlreiche Quellenbeispiele vor. So versuchte sich der im Winter 1703/04 desertierte Musketier Andreas Herta damit zu rechtfertigen, keine Schuhe und Strümpfe gehabt zu haben.1303 Ein anderer Soldat klagte im selben Winter, er habe „keine Kleider alß Strümpff, Hosen und Hembter gehabt“.1304 Der Musketier Hans Caspar Müller, der über nahezu kein Bekleidungsstück mehr verfügte, berichtete, er sei „von Franzosen gefangen und ausgezogen worden, sonst hette er keine Ursach [zu desertieren]“.1305 Ein anderer Soldat entfernte sich aufgrund der unregelmäßigen Besoldung unerlaubt von der Kompanie und begründete dies später damit, dass er „keine oder gar wenige Monaths Gelder bekommen also gar, daß es ihm ohnmöglich geweßen sein tägliches Unterhalt davor zu schaffen, auch noch hiernechst nicht wissend wo er hin sollte geführet werden“.1306 Eine Verifizierung der zahlreichen Klagen der Soldaten findet sich zwar in den kriegsgerichtlichen Unterlagen nicht, dafür bestätigen aber die privaten Korrespondenzen der Hauptmänner nahezu alle vorgebrachten Missstände. Im Jahre 1705 schrieb Hauptmann Spiller v. Mitterberg selbst, dass die Verpflegung bei der Kompanie derart schlecht sei, „indem kein guter Kerl bey solchem Tractement zu erhalten, muß [derselbe] also entweder crepieren oder wann er sich retten will desertiren“.1307 In ähnlicher Weise beschrieb auch Hauptmann v. Gleichen im Jahre 1706 die Situation der Kompanie in der Festung Philippsburg: „[Ich muss] die armen Leute mit Schmertzen sehen und ihr Lamentieren Tag und Nacht hören […], es wird ihnen nicht ein Halmen Stroh oder Splitter Holtz […] gereichet […].“1308 Unter solchen Umständen, in denen auch die Soldaten die Machtlosigkeit ihrer eigenen Offiziere erfuhren, galt die Desertion als Mittel der Selbsterhaltung. War der Entschluss zu desertieren gefasst, musste rasch eine günstige Situation zur Flucht wahrgenommen werden. Eine vorausschauende Planung 1302 1303 1304 1305 1306 1307 1308
ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 13.5.1705. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, Mannschaftsliste 1703/04, pag. 51. Ebd., pag. 53. Ebd., pag. 55. ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, fol. 137r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 9.10.1705, fol. 2r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 28.11.1706, fol. 2r.
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sowie die Wahl des Fluchtweges hatten entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines solchen Unternehmens.
Abbildung 9: Ausschnitt aus dem Verhörprotokoll des Musketiers Philipp Feyler, 1709. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 33, fol. 345r)
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5.7.2 Fluchtsituationen und Fluchtwege der Deserteure Der Dienst beim Reichskontingent bot für einen desertionswilligen Soldaten zahlreiche Fluchtmöglichkeiten. Allgemein wurde die Überwachung der Mannschaften nicht streng gehandhabt und war für Offiziere und Unteroffiziere während der Feldzüge auch nicht ohne größeren Aufwand möglich. Demgemäß boten sich erste Fluchtmöglichkeiten für neu geworbene Rekruten bereits in den Quartieren innerhalb des Fürstentums. In wesentlich größerer Zahl desertierten Soldaten während des Ausmarsches aus dem heimatlichen Territorium. Das Hochstift Würzburg wurde beim Verlassen des Fürstentums von der Marschkolonne des Reichskontingents bereits nach wenigen Stunden erreicht. Es kam hier mehrfach vor, dass sich Soldaten beim Marsch durch Wälder aus der Marschkolonne lösten und wegliefen. Die Einhaltung und Überwachung einer strengen Marschordnung, wie sie u. a. bei den preußischen Truppen dieser Zeit im Reglement gefordert war, wurde beim hildburghäusischen Reichskontingent nicht beachtet.1309 Die auf würzburgischem Gebiet desertierten Soldaten traten meist binnen kurzer Zeit in würzburgische Militärdienste und versuchten dadurch, sich einer Auslieferung an Sachsen-Hildburghausen zu entziehen.1310 Da kein Desertionskartell mit dem Hochstift Würzburg bestand, war man hier stets auf die Kooperation des Fürstbischofs angewiesen. Diese Situation versprach wenig Erfolg, zumal der Fürstbischof des Öfteren die durch eindeutige Beweise belegte Anwesenheit hildburghäusischer Soldaten auf würzburgischem Territorium abstritt.1311 An allen Orten, an denen Unordnung oder Geschäftigkeit herrschte, war es für potentielle Deserteure leicht, eine Gelegenheit zur Flucht auszumachen. Besonders prädestiniert dafür war das Getümmel innerhalb eines Gefechts bzw. einer Schlacht. Am 20. September 1703 stand das hildburghäusische Reichskontingent gemeinsam mit anderen Reichstruppen in einer Schlacht bei Höchstädt französischen und bayerischen Truppen gegenüber. Im Verlauf der Kämpfe zog sich die Kompanie auf eine bewaldete Anhöhe zurück, deren Deckung einzelne Soldaten zur Desertion nutzten. Hauptmann Spiller v. Mitterberg notierte noch am selben Tag, dass „unterschiedliche seint, welche ich noch selbsten in dem Walt eine Stund weit gesehen und vermuthlich sich nacher Hauß rediriret“.1312 Schwieriger und zudem auffälliger gestaltete sich die Desertion aus einer Festung. Das Reichskontingent stand den größten Teil des Spanischen Erb1309 1310 1311 1312
SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 103. Ein Fall aus dem Jahre 1709 bei ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 47. ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 5.6.1705. ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 22.9.1703, fol. 2r.
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folgekrieges als Festungsgarnison in Landau, und so verwundert es wenig, dass zahlreiche Soldaten aus dieser Stadt desertierten. Auch hier war die Überwachung und Kontrolle der Militärpersonen nicht umfassend genug, um der Desertion Einhalt zu gebieten. Ein als Wache am Festungstor eingeteilter Soldat hatte die besten Chancen, eine erfolgreiche Flucht auszuführen. Da die Soldaten nie allein auf Wache standen, erfolgten gelegentlich Absprachen unter den Mannschaften. Ein hildburghäusischer Soldat berichtete beispielsweise, dass „er nicht läugnen [könne], daß er benebenst dem Musquetier Büchner und Baumann des Tages zuvor in einem Wirthshauß sich unterredet, indem sie auch schon gewußt, daß sie auf die Wacht gekommen, daß sie alle drey die Wacht wol[l]ten vertauschen, zusammen auf eine Wacht ziehen und sodann durch[gehen]“.1313 Die Desertion von der Wache gelang u. a. auch dem Gefreiten Ferdinand Cämmerer, der im Mai 1711 aus Landau desertierte. Innerhalb eines Verhörs zum darauffolgenden Kriegsgerichtsprozess wurde festgestellt: „Quaestio: Resp.:
Ob Inquisit nicht […] als Gefreiter des Nachts von seinen Posten auf der Queyeheimer Schließen desertiert? Ja, das könnte er nicht läugnen.“1314
Die gleiche Situation beschloss im Januar 1712 auch der Musketier Caspar Helbig auszunutzen. Im dazugehörigen Verhör heißt es: „Quaestio:
Resp.:
Ob Inquisit nicht ohngefähr vor 8 Tagen, als er auf die Wacht auf der Queyeheimer Schließen gehabt, desertiret und den Musquetier Baumann von seiner Compagnie darzu verführet und zu dem Feind nach Straßburg gehen wollen? Ja, er wäre desertiret und zwar auf solche Weiße.“1315
Im Juni 1708 berichtete Hauptmann v. Gleichen nach Hildburghausen, dass „die hiesige Guarnison seyd einiger Zeit wegen starker Desertion ziemlichen Theil geschwächet worden [sei]“.1316 Zu diesem Zeitpunkt wurden in der Mannschaftsliste 18 Mann als Deserteure aufgeführt. Dies entsprach etwa zwölf Prozent der Sollstärke der hildburghäusischen Kompanie. Es scheint, dass in der Festung Landau die Sicherheitsmaßnahmen gegen die Desertion allgemein nachlässig gehandhabt wurden. So konnte der hildburghäusische Musketier und potentielle Deserteur Philipp Feyler im Jahr 1709 die Landauer Festungstore, ohne einen Pass bei sich zu führen, unkontrolliert passieren.1317 Wem es trotz solcher Lücken zu riskant war, direkt aus der Festung zu desertieren, nutzte 1313 1314 1315 1316 1317
ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 153v. Ebd., fol. 147v. Ebd., fol. 152v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 9.6.1708, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 345r.
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Gelegenheiten, die sich außerhalb der Festungstore boten. Kleinere Teile der Garnison wurden regelmäßig zu Aufklärungsmärschen abkommandiert, bei denen sich Möglichkeiten zum Entweichen boten. Am 30. März 1707 meldete Hauptmann v. Gleichen nach Hildburghausen, dass „Valtin Eichhorn, welcher auf Parthey gegen Cronweißenburg [Wissembourg] com[m]endiret geweßen aufn Rückmarsch anhero zum Feind übergegangen [ist]“.1318 Ob der Befund, dass die Überwachung und Kontrolle der Soldaten in der Landauer Garnison nicht durchgreifend gehandhabt wurde, auf alle Reichstruppen dieser Zeit ausgedehnt werden konnte, muss fraglich bleiben. Es scheint jedoch, dass die Bekämpfung der Desertion nicht primär innerhalb der Regimenter und Kompanien stattfand. Vielmehr verließen sich die Truppenführer während des Feldzuges auf ein ausgedehntes Netz aus Vorposten und Kontrollstationen, die ein Deserteur notgedrungen zu passieren hatte. Es handelte sich dabei jedoch um keine planmäßig organisierte Überwachung. Vielmehr entstand durch die Postierung und Einquartierung verschiedener Einheiten auf dem Kriegsschauplatz eine Truppendichte, die für Deserteure nur schwer zu durchdringen war. Gleichzeitig gab es von den Regimentsoder Kompaniekommandeuren ausgestellte Pässe, mit denen sich Soldaten bei Abwesenheit von der Truppe legitim ausweisen konnten. Jeder Soldat, der ohne Pass und ohne Begleitung auf den Landstraßen angetroffen wurde, machte sich prinzipiell verdächtig. Das offensichtliche Misstrauen und die Sensibilisierung vieler Soldaten und Offiziere für vermeintliche Deserteure erschwerte die Situation flüchtiger Soldaten noch zusätzlich. Ziel der Vorposten und Kontrollstationen sowie der ausgestellten Pässe war es, die Bewegungsfreiheit eines Deserteurs einzuschränken und damit die Flucht bedeutend zu erschweren. Die hildburghäusischen Quellen, die über den Kriegsschauplatz am Oberrhein zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges berichten, zeigen, wie sich dieses Kontroll- und Überwachungssystem aus der Sicht eines Deserteurs darstellte und wie schwierig es zu durchdringen war. Noch einmal sei dabei auf den anschaulichen Fall des Gefreiten Ferdinand Cämmerer verwiesen, der sich im Mai 1711 als Deserteur auf der Flucht befand: „Er hätte wollen ins Landt auf Man[n]heim zu gehen, es wäre aber ein Bauer zu ihm kommen, der ihn gesaget, er könne da nicht durch, weiln er keinen Pass hätte und die Neuburgischen alda legen, er solle auf das Dorff, welches nach Franckfurth gehörig […] zu gehen, da könnte er gut durchkommen.“1319 Tatsächlich erwiesen sich Zivilisten als wichtige Hilfe für Deserteure, um durch die Maschen der Kontrolle zu schlüpfen. Auch dem Deserteur Caspar Helbig kam 1712 ein Zivilist zu Hilfe. Helbig berichtete, es „wäre ein Bauer mit 1318 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 31.3.1707, fol. 2v. 1319 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 148r.
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3 leeren Pferdten von Landau aus gekommen, welcher aus Wormbß bürtig und ihm Deponenten mit nachher Wormbß und sodann über den Rhein zu nehmen versprochen, worfür er den Bauer den Riemen von seiner Patron Taschen gegeben“.1320 Im Übrigen zeigte sich die Zivilbevölkerung am Oberrhein gegenüber den Deserteuren wesentlich kooperativer als die Bevölkerung in SachsenHildburghausen. Wie bereits bei den Garden nachgewiesen, mahnten hildburghäusische Untertanen die Deserteure in der Regel zur Einsicht und Umkehr; am Oberrhein dagegen erwiesen sich die Zivilisten als willige Desertionshelfer. Ob in Sachsen-Hildburghausen Loyalität zur eigenen Landesherrschaft oder Furcht vor Bestrafung eine Rolle spielte, muss fraglich bleiben. Beihilfe zur Desertion galt als Verbrechen, und Strafe konnte hildburghäusische Untertanen im Heimatterritorium wesentlich leichter treffen als fremde Untertanen am Oberrhein. Die Flucht des Gefreiten Cämmerer im Jahre 1711 endete jedoch nicht mit dem Hinweis des Bauern. Vielmehr geriet Cämmerer in die Fänge französischer Truppen und desertierte hier später erneut. Auf der Landstraße „wäre er aber von einer Partie aus Landau recontriret worden, da er dann sogleich davon gesprungen und sich in denen Weinbergen verborgen [habe]“.1321 Dennoch glückte dem Musketier die Flucht noch nicht, denn „wie er zwischen das Dorff Hochdorff und Mutterstadt gekommen, wären einige Pfaltz Neuburgische daher marchirt kommen, wovon der eine Major nahmens Keller zu ihm sogleich angefangen woher er käme […] und wo er zuhauße wäre“.1322 Auf diese Weise geriet Cämmerer erneut in die Fänge der Reichstruppen und gelangte über diesen Umweg zurück zum hildburghäusischen Reichskontingent. Ebenso unmöglich erwies sich die Flucht für den Musketier Helbig, der „eine Stunde von Wormbß in ein Dorff gekommen, [dort] hätte ein Hußar, welcher da Schildwacht gestanden ihn gewincket, auf welchem er auch sogleich zugangen und nachdem er von selbigem gefragt worden, ob er einen Pass hätte, selbiges mit Nein beantwortete, sogleich hin zu dem Hußaren Lieutenant gebracht, der ihn sogleich dann arretiren laßen“.1323 Die Ausführung einer geplanten Desertion erforderte demnach neben der Wahrnehmung einer geeigneten Fluchtmöglichkeit auch Überlegungen zum weiteren Verbleib sowie einiges Glück. Wohin wandten sich aber die Deserteure nach ihrer Entfernung von der Truppe? Grundsätzlich lassen sich die Deserteure des hildburghäusischen Reichskontingents bezüglich ihrer Fluchtwege in zwei Gruppen einteilen. Gemeinsam war beiden Gruppen das Bewusstsein, mit der Desertion einen Rechtsbruch begangen zu haben. In der
1320 1321 1322 1323
Ebd., fol. 153r. Ebd., fol. 149r. Ebd., fol. 149v. Ebd., fol. 153v.
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Ansicht darüber, wie ihr Verhalten bzw. ihr Rechtsbruch von obrigkeitlicher Seitegesehen werden würde, unterschieden sie sich jedoch beträchtlich. Zur ersten Gruppe gehörten desertierte Soldaten, die sich bewusst dem obrigkeitlichen Zugriff aus Furcht vor Sanktionen zu entziehen versuchten. Es handelte sich meist um junge und alleinstehende Soldaten, die oft keine Untertanen Sachsen-Hildburghausens waren und zur Desertion keine explizite Motivation oder Rechtfertigung vorbringen konnten. Soldaten dieser Gruppe befanden sich tatsächlich „auf der Flucht“. Sie versuchten, sich im Verborgenen zu halten, und gingen meist in fremden Territorien ihrem Ausbildungsberuf oder einem Tagelohn nach. Zu dieser Gruppe gehörte der Musketier Hans Caspar Seyfert, der im Juni 1704 aus seinem Quartier in Heldburg desertierte und anschließend die Grenze zum Hochstift Bamberg überschritt. In Staffelstein verdingte er sich in den nächsten Monaten als Tagelöhner, ohne dass der Bamberger Fürstbischof einem hildburghäusischen Auslieferungsgesuch nachgekommen wäre.1324 Andere Deserteure wähnten sich auch in fremden Territorien vor der Verfolgung des hildburghäusischen Herzogs und vor dessen Offizieren nicht sicher. In dieser Situation flüchtete sich mancher desertierte Soldat auf das Gebiet kleiner geistlicher Herrschaften oder in Klöster. Das Motiv des Klosters tauchte im Zusammenhang mit Deserteuren des Reichskontingents gleich mehrfach auf. So entfernten sich Ende 1709 zwei Rekruten auf würzburgisches Gebiet und hatten sich dort in „ein Closter retirirt“.1325 Ein ähnlicher Vorfall hatte Anfang 1704 in Hildburghausen schon einmal zur Diskussion gestanden, als sich der als Deserteur angegebene Musketier Egidius Gräßmann überraschend zurückgemeldet hatte. Dieser aus der Handwerkslehre angeworbene Soldat gab an, während der Schlacht von Höchstädt im September 1703 von der Kompanie getrennt und anschließend von Franzosen gefangen worden zu sein. Nach einem geglückten Fluchtversuch in Lauingen an der Donau sei er „endlich durch Hülffe einer Weibsperson in ein Closter1326 kommen, aldar mich vor einen Schreiner Gesellen von Königshoffen gebürtig angegeben und mich etliche Tage da aufgehalten, da dann die Closter Herren mir wieder behüllflich geweßen, daß ich einen alten Rock bekommen, mich auch durch einen Closter Bruder biß nachher Schwebisch Hall begleiten laßen“.1327 Von hier aus machte sich Gräßmann auf den Weg nach Hildburghausen und er „hatte in der Hoffnung gelebet, ich würde der Kriegsdienste entlediget und befreyet seyn, weilen ich mein Leben so wunderlich errettet“.1328 1324 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 12.1.1705. 1325 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 29.1.1709, fol. 1r. 1326 Es handelte sich bei dem Kloster höchstwahrscheinlich um das AugustinerEremitenkloster in Lauingen. 1327 ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 162v. 1328 Ebd., fol. 163r.
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In Hildburghausen wurde Gräßmann jedoch als Deserteur angesehen und zunächst auch entsprechend behandelt: Bereits kurz nach seiner Ankunft wurde er festgenommen und er sollte umgehend auf die Veste Heldburg in Arrest gebracht werden. Der Fürsprache seines Lehrmeisters gelang es schließlich, dies abzuwenden, woraufhin Gräßmann noch einmal betonte, lediglich die Handwerkslehre abschließen und sich anschließend in SachsenHildburghausen niederlassen zu wollen. Der weitere Ausgang der Sache ist nicht überliefert, ebenso wenig, ob die Aussagen Gräßmanns verifiziert werden konnten. Bei zweifelhafter Sachlage wurde jeder von der Truppe abwesende Soldat bis zum gegenteiligen Beweis als Deserteur bezeichnet. Gräßmann zog vor allem Verdacht auf sich, da er seit September 1703 als abgängig gemeldet, jedoch erst im Februar 1704 in Hildburghausen vorstellig geworden war. Eine wesentlich eindeutigere Sachlage lag bei Deserteuren vor, die zum Feind überliefen und unter feindlichen Fahnen Kriegsdienste nahmen. Dies war der naheliegende Weg, um sich in einem vom Krieg ausgesogenen Landstrich schnell wieder in Lohn und Brot zu begeben. So berichtete ein hildburghäusischer Deserteur, dass ihm „eine frantzösische Partie eine Stunde unter Leiningen begegnet [wäre], welche ihn angeredet und gefraget wer er wäre und woher er käme und alß er selbigen geantwortet, daß er ein Deserteur aus Landau, hätten die Frantzoßen zu ihm angefangen, ob er Dienste unter ihnen nehmen wolle, welches er auch getan […] und zwey harte neue Thaler auf die Hand bekommen und seine Montur vor 1/2 fl. verkaufft“.1329 Ein anderer Deserteur berichtete ebenfalls, dass er „von einer feindlichen Pardie gefangen worden […] und auf ihr vieles Zureden Dienste genommen […] und habe eine Douplone auf die Hand bekommen“.1330 Die Hoffnungen der Deserteure erfüllten sich im neuen Dienst indessen meist nicht. Soldaten der Reichsarmee, die zu französischen Truppen überliefen, wurden hier im Arbeitsdienst oder als Schildwache eingesetzt. Das Resultat war meist eine erneute Desertion mit nachfolgender Flucht oder einem Übertritt zu den Reichstruppen. Es wurde bereits im Rahmen der Mannschaftsergänzung darauf hingewiesen, dass sich die Reichstruppen auf dem Kriegsschauplatz gegenseitig Soldaten abwarben bzw. dass die Herkunft verdächtiger Soldaten bewusst nicht weiter untersucht wurde, um diese schnellstmöglich anzuwerben. Prinzipiell war es für jeden Deserteur der Reichstruppen extrem riskant, sich erneut von anderen Reichstruppen anwerben zu lassen. Die große Truppendichte auf dem Kriegsschauplatz sowie die unvorhergesehenen Verlegungen der Einheiten machten eine Begegnung des Deserteurs mit seinem alten Truppenteil sehr wahrscheinlich. Das Entdeckungsrisiko war hoch, wie auch der hild1329 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 148v. 1330 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 345v.
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burghäusische Musketier Hans Adam Gerstenberger zu spüren bekam. Dieser aus dem Hochstift Würzburg stammende Soldat desertierte im Oktober 1706 und begab sich unter pfälzische Kreistruppen. Im Februar 1707 diente Gerstenberger im Kreisbataillon Haxthausen. Als diese Einheit wenig später als Verstärkung in die Festung Landau verlegt wurde, erkannte der hildburghäusische Hauptmann den Deserteur und beantragte erfolgreich dessen Auslieferung.1331 In einem anderen Fall begab sich Leutnant Rüdiger zur Abholung eines Deserteurs von Landau nach Neustadt und traf hier unvorhergesehen auf einen weiteren Deserteur. Dieser berichtete: „[Wäre] der Lieutenant hinunter nach Neustadt […] gekommen, er Inquisit erkandt worden und zugleich mit gefänglich zurück nachher Landau genommen worden.“1332 Diese Beispiele erfassen das Spektrum der ersten Gruppe der Deserteure. Zu einer zweiten Gruppe gehörten Soldaten, welche die Desertion als einen gerechtfertigten Akt der Selbsthilfe betrachteten und davon ausgingen, bei einer „gerechten“ Obrigkeit auf Verständnis zu stoßen und Straffreiheit zu erlangen. In der Forschung ist diese Gruppe bislang vollständig vernachlässigt worden.1333 Möglicherweise hat man es hier mit einem Desertionsphänomen zu tun, das speziell im kleinstaatlichen Rahmen auftrat und mit Vorstellungen der Soldaten zusammenhing, die das Verhältnis zum Landesfürsten als vermeintlich unmittelbarer und gerecht deuteten. Bei Soldaten dieser Gruppe handelte es sich meist um Männer mit familiären oder anderweitigen Bindungen im Fürstentum. Ein Großteil der Deserteure dieser Gruppe versuchte durch Desertion und Rückkehr nach Hildburghausen einen regulären Abschied zu erlangen. Für sie kam eine langwierige Flucht oder eine Lebensperspektive außerhalb Sachsen-Hildburghausens nicht in Frage. Es ist charakteristisch für diese Männer, dass sie sich umgehend nach ihrer Desertion auf den Weg nach Hildburghausen machten, um sich hier offiziell anzumelden und ihre Klagen vorzubringen. In den Verhören bedienten sich derartige Deserteure wiederholt des Terminus „ins Landt“. Man trifft diesen bei Zitaten wie: „er hätte vermeynet mit der Zeit ins Landt zu kommen“, oder: „seine Absicht wäre ins Landt geweßen“. Mit der wiederholten Verwendung dieser Formulierungen versuchten die Deserteure ihr Vergehen zu bagatellisieren, gleichzeitig aber auch zu legitimieren. Ihrer Lesart zufolge bestand zu keiner Zeit die Gefahr, dass der Deserteur als Soldat dem Staate abhandenkam, da er sich auf geord1331 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 22.3.1707, fol. 1r. 1332 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 150r. 1333 Sikora klassifiziert derartige Deserteure in seinem Standartwerk zur Desertion nicht. Zwar wird die freiwillige Rückkehr kurz angeschnitten (vgl. SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 162), jedoch nicht im vorliegenden Kontext erkannt. Sikoras freiwillig zurückkehrende Deserteure begaben sich zunächst auf die Flucht und kehrten erst durch veränderte Umstände in die Heimat zurück, während sich die hildburghäusischen Deserteure umgehend und von Intention getrieben auf den Heimweg machten.
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netem Weg zurück in die Residenzstadt befand, um hier sein Anliegen vorzubringen. Nahezu alle „Heimkehrer“ waren von dieser Sichtweise überzeugt und schienen keine Bedenken hinsichtlich einer Verurteilung als Deserteure zu hegen. Da schätzungsweise zwei Drittel aller Deserteure des Reichskontingents zur Gruppe der „Heimkehrer“ gehörten, haben sich auch zahlreiche Dokumente zu Einzelschicksalen erhalten. An dieser Stelle soll jedoch nur auf einen Fall, der besonders heraussticht und dessen Ablauf repräsentativ für andere Einzelfälle stehen kann, genauer eingegangen werden. Es handelte sich dabei um ein Desertionskomplott, welches Ende Januar 1704 von elf Soldaten des Reichskontingents in die Tat umgesetzt wurde. Interessant ist, dass bei allen Beteiligten mindestens einer der weiter oben angesprochenen Motivationsfaktoren ursächlich vorlag, der letztendliche Auslöser der Massendesertion aber die Unzufriedenheit mit dem aktuellen Feldzugsgeschehen war.1334 Nachdem sich das Reichskontingent noch im Januar 1704 auf dem bayerischen Kriegsschauplatz befand und vom Fränkischen Kreis am Abmarsch in die heimatlichen Winterquartiere gehindert wurde, entschied sich der Kommandeur des Allianzregiments zu einem eigenmächtigen Abmarsch nach Norden. Wenige Tage später wurde das Regiment nahe Bamberg zur Umkehr nach Süden und zur Besetzung von Nördlingen gezwungen. Der Abmarsch in die Winterquartiere, den die Mannschaften aller Kompanien des Regiments bereits seit langem herbeigesehnt hatten, wurde somit rückgängig gemacht. Die Truppen marschierten auf denselben Wegen zurück nach Süden, und die Unzufriedenheit unter den Soldaten des Regiments stieg merklich an, wozu auch die desaströse Verpflegungs- und Quartiersituation in Nördlingen beitrug. Hildburghäusische Soldaten berichteten später: „Schon gleich mit unsern Rückmarch […] hatt sichs begeben, daß gleich in der ersten Nacht die ganze Leib Compagnie von der gedachten [Eisenacher] Bataillon, außer einen einzigen kranken Mann, so nicht nachfolgen können, fort und nach Hauße gegangen, welchen die andern mit kleinen Trouppen zu 14 und vielmehr Mannschafft täglich nachgefolget, also daß von besagten Eisenacher Compagnien mehr nicht alß etwa 13 Mann übrig geblieben, die Dienste thun können […].“1335 Wenig später erlangten mehrere eisenachische Kompanien die Genehmigung, in die Winterquartiere abzumarschieren. Beim Ausmarsch aus der Stadt riefen die Offiziere und Mannschaften den zurückgebliebenen hildburghäusi1334 Bereits KROLL, Soldaten im 18. Jahrhundert, S. 548–563 hat auf den Zusammenhang zwischen Operationsgeschichte und Desertionsraten verwiesen und anhand einer Untersuchung zum Bayerischen Erbfolgekrieg festgestellt, dass Feldzüge bzw. bestimmte Feldzugsereignisse Desertionen bedeutend beförderten. 1335 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, fol. 139r.
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schen Soldaten demoralisierende Parolen zu: Sie würden nicht wieder nach Hause kommen, ihr Vaterland nie mehr wiedersehen und auf andere Truppenteile aufgeteilt werden. „Worauff dann auch sogleich die 15 Mann [sic!] deserdiret“,1336 berichtete Hauptmann Spiller v. Mitterberg wenige Tage später. Tatsächlich aber waren es nur elf Deserteure, die am 28. Januar 1704 Nördlingen heimlich verließen und sich auf den direkten Weg nach Hildburghausen machten. Die Soldaten waren zwischen 20 und 32 Jahren alt und bis auf drei Ausnahmen hildburghäusische Landesuntertanen. Hans Schmied, einer der wenigen älteren Soldaten im Komplott, beschwerte sich als Erster in Nördlingen über den schweren täglichen Dienst. Nachdem nämlich das eisenachische Bataillon abmarschiert war, hatten die verbliebenen Truppen deren Wach- und andere Dienste übernehmen müssen. Schmied beredete anschließend drei jüngere Soldaten, sich ihm anzuschließen. Weitere Soldaten, die glaubten, ernsthaften Grund zur Klage zu haben, schlossen sich den vieren nun ebenfalls an, sodass schließlich etwa ein Dutzend Männer übereinkamen zu desertieren. Gemeinschaftlich sagten die Deserteure später aus, dass sie „bey dießen schweren Diensten [und] gar schlechtem Tractament […] nicht aus Zaghafftigkeit oder anderen gemüßiget worden, dero Eißenacher Fußstapffen nachzufolgen, wiederum anhero in daß Land zu gehen und Euer Hochfürstlichen Durchlaucht alß unseren Gnädigsten Herrn und Landes-Fürsten unsere Noth beweglichst vorzutragen und um Remetirung derselben demüthigst anzuflehen, nicht aber einige Außreisßung jemals in den Sinn zulaßen“.1337 Die Gruppe begab sich geschlossen zurück ins Fürstentum und meldete sich hier in der ersten Februarhälfte im Amt Hildburghausen an. Die Soldaten berichteten: [Wir haben] die Motiven und Ursachen unseres Weggehens angezeiget und um zulänglich Verordnung gebeten, da wir dann ad interim mit nottürfftiger Provision und Quartier versehen worden.“1338 Als wenige Tage später auch die Kontingentskompanie aus Nördlingen in Hildburghausen einmarschierte, erfolgte umgehend die Verhaftung der Gruppe. Am 17. Februar wurden alle Deserteure auf die Veste Heldburg in Arrest verbracht. Mehrmals betonten die Männer der Desertionsgruppe, „daß dießes unser Weggehen von der Compagnie gar nicht auß einer bößen Intention oder animo deferendi geschehen seye, sondern nur bloß auß hochdringender Noth veranlaßet worden, maßen wir sonst wo[h]l andere Wege würden getroffen haben und unß nicht hier im Lande finden und betreten laßen“.1339 Die meisten Soldaten der Gruppe schienen tatsächlich keine böswilligen Absichten gehegt zu haben, nur nutzte ihnen dies ebenso wenig wie ihre wiederholten Rechtfertigungen. Durch die Desertion nach Hildburghausen ent1336 1337 1338 1339
ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 30.1.1704, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, fol. 140r. Ebd. Ebd., fol. 139v.
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zogen sich alle Deserteure einem Regimentsgericht, das unter weimarischem Vorsitz gestanden hätte. Im Fürstentum übte der Herzog die Jurisdiktion aus, was alle Deserteure als positiv einschätzten, auch wenn der Hauptmann in den folgenden zwei Wochen der Haft auf der Veste Heldburg versuchte, die Hoffnungen der elf Männer zu zerstreuen. Dies geschah zunächst mittels eines verschärften Arrests, in dem die Landesuntertanen unter den Deserteuren keine Verpflegung erhielten und auf die Verpflegung durch Familienangehörige, die dazu eigens auf die Veste Heldburg kommen mussten, angewiesen waren.1340 Besonders der 24-jährige Musketier Johann Christoph Nehring litt stark unter der Haft und erkrankte innerhalb zweier Wochen an einem starken Fieber.1341 Sein Vater, Joachim Nehring, war Pfarrer in Rieth und kämpfte seit der Inhaftierung der Deserteure unaufhörlich für die ihre Freilassung. Dabei wandte er sich zunächst an den Hauptmann, dann aber auch an den Herzog und argumentierte: „Ein Deserteur im Kriege ist, der seine Fahn und Compagnie verläßt zu dem Ende, daß er nie mehr wird zu derselben zu kommen gedencket und entweder bald einen andern Herren zugehet oder in die Welt hinein läufft. Aber das haben mein Sohn und die anderen nicht gethan, sondern sind weggegangen, um […] unterthänigst ihre Noth zu klagen […].“1342 Der Hauptmann war über das Schreiben Nehrings an den Herzog äußerst aufgebracht und bat Nehring, ihn „mit dergleichen Ansinnen ins Künftige zu verschonen“.1343 Laut Nehring hatte der Hauptmann „zu keinem Mitleiden und Barmherzigkeit können bewogen werden, sondern gesagt […], daß thut nichts, ob der Sohn gleich kranck sey und gar im Arrest stürbe, denn er müßte doch hengen, er sey ein Meineydiger“.1344 Überraschenderweise kam dann doch alles anders: Herzog Ernst befahl am 5. März 1704, ein Kriegsgericht über die elf Deserteure zu halten, welches ein vergleichsweise mildes Urteil fällte.1345 Dieses stand in keinem Verhältnis zu den vorangegangenen Haftbedingungen, denn es gewährte allen Deserteuren binnen einer festgesetzten Frist die Möglichkeit, einen Ersatzmann zu stellen. Zur Organisation dieses Ersatzes wurde eine eigene Kommission einberufen, die bis Ende Juni 1704 bestand. Vor dieser Kommission erschien am 18. Juni der Musketier Johann Christoph Nehring, dem „ernste Bedeutung geschahe, entweder binnen zehen Tagen einen andern tüchtigen Kerl vor sich zu stellen oder bey Vermeidung harter Strafe, selbsten wieder mit zu gehen“.1346 Im Anschluss fanden 1340 1341 1342 1343 1344 1345 1346
ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, fol. 149r. Ebd., fol. 148r. Ebd., fol. 147v. Ebd., fol. 150r. Ebd., fol. 147r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 5.3.1704. ThStAM, GA Hbn, XXII, 29, 18.6.1704.
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fast alle der elf Deserteure einen Ersatzmann und konnten sich glücklich schätzen, derart glimpflich davongekommen zu sein.
5.8 Finanzen, Verpflegung und Logistik „Bitte unterthänigst mich wegen ietziger Proviantlieferung […] außer Gefahr zu setzen und Dero mir gnädigst anvertrautes Contingent bey demjenigen, ohne welches sie nicht subsistiren können, zu erhalten.“1347 Hauptmann Heinrich v. Gleichen an Herzog Ernst, 1710
5.8.1 Ergänzungen des Reichskontingents während des Krieges Das Reichskontingent des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen war ab Juli 1703 an insgesamt vier Feldzügen beteiligt und versah zudem mehrere Jahre Garnisonsdienst in der Festung Landau. Das Feldzugs- und Garnisonsleben sowie die Kampfhandlungen wirkten sich beträchtlich auf den Zustand der Kontingentskompanie aus. Überlange Märsche, nasskaltes Wetter, schlechte Quartiere und gelegentliche Gefechte führten zu einer Vielzahl von Kranken und Toten. Unter widrigen Lebensbedingungen sahen sich zudem zahlreiche Soldaten zur Desertion veranlasst. Letztendlich achteten die Soldaten penibel auf die mit ihnen vertraglich vereinbarte Dienstzeit und forderten pünktlich nach deren Ablauf ihren Abschied. All diese Faktoren setzten die Mannschaftsstärke des Reichskontingents herab. Dessen Einsatzfähigkeit hing wiederum erheblich von einer hohen Mannschaftsstärke ab. Während eines Feldzuges konnten abkommandierte Werbemannschaften nur schwer entbehrt werden, und auch während des Festungsdienstes in einem fremden Territorium verlief die dortige Werbung eher schleppend. Es mussten also neue Strategien entwickelt werden, um die anfallenden Verluste auszugleichen. Anhand des folgenden Diagramms soll die hohe Bedeutung der Mannschaftsergänzung während des Krieges herausgestellt werden. Ziel der Mannschaftsergänzung war es stets, die Stärke des Reichskontingents auf einer Höhe von etwa 140 bis 160 Mann zu halten. Die unten stehende graphische Darstellung zeigt bereits, dass es den Werbemannschaften nicht immer gelang, diesen Wert zu erreichen. Gefechtsausfälle wie jene während der ersten Schlacht von Höchstädt (1703) sowie Krankheiten wie die Ruhr, die in den Lagern von Nördlingen (1703) und Stollhofen (1705) grassierten, wirkten den Werbemaßnahmen entgegen. Auch die zahlreichen Desertionen aus den Fes-
1347 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 143v.
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tungen Philippsburg (1706) und Landau (1708) ließen die Mannschaftsstärke sinken.
180
Lager in Nördlingen (Ruhr)
Mannschaftsstärke exkl. Prima Plana
160
Lager in der BühlStollhofener Linie (Ruhr) Festung Lager auf der Philippsburg Rheininsel Au (Desertion) (Desertion)
140 120
Festung Landau (Desertion) Belagerung v. Landau
1. Schlacht v. Höchstädt
100 80 60 40 20
Frühjahr Frühjahr 1708 1707
Werbezeiträume: Winter 1704/05
Winter 1708/09
Juli September November Januar Oktober Dezember Februar Juli September Oktober November August September Oktober November März Mai Juli Oktober April Juli Oktober Januar Juni Oktober Oktober
0
1703
1704
1705
1706
1707
1708
1709 1713
Graphik 19: Mannschaftsstärke des hildburghäusischen Reichskontingents, 1703–1709/13
Das Reichskontingent musste hauptsächlich während des Feldzuges und zu Beginn der Wintermonate Verluste hinnehmen. Ende September/Anfang Oktober erkrankten alljährlich zahlreiche Soldaten aufgrund der widrigen Witterungsbedingungen und der mangelhaften Bekleidung. Da das Kriegswesen des 17. und 18. Jahrhunderts zur Schonung der Heere winterliche Feldzüge im Allgemeinen ausschloss, gewann man in dieser Jahreszeit Freiraum für die Mannschaftsergänzung. Die archivalisch verfügbaren Daten zeigen deutliche Mannschaftszuwächse stets in den Winter- und Frühjahrsmonaten. Die Aufstockung der Truppen in den feldzugsfreien Monaten lässt sich damit für das Reichskontingent indirekt in vier Fällen nachweisen. Zahlreiche Quellen bestätigen diesen Befund direkt und zeigen auf, dass die Mannschaftser-
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gänzung des Reichskontingentes tatsächlich im Winter bzw. Frühjahr jeden Jahres zwischen 1703 und 1713 stattfand. Die Organisation dieser sogenannten Winterwerbung lag in den Händen des Hauptmanns, der im Rahmen eines dreijährigen Vertrages mit dem Herzog zur Mannschaftsergänzung verpflichtet war. In den Vertragstexten heißt es dazu zunächst, dass „der Abgange von der Compagnie so vor den Feindt in Stürmen, Schlachten, Parteien und dergleichen wie es Nahmen haben möge [geschieht], von Hochfürstlicher Landschaft zu ersetzen [ist]“.1348 Die übrigen Verluste, die hauptsächlich durch Desertion und Krankheiten entstanden, waren vom Hauptmann über die Winterwerbung hinaus alle drei Monate zu ersetzen. Dazu wurde diesem jährlich und auf zwei Raten verteilt eine Summe von 1192 Gulden ausgezahlt, die zur Anwerbung und Mannschaftsergänzung verwendet wurde. Gelang es dem Hauptmann, Rekruten und Mannschaftsersatz günstig anzuwerben, so konnte er einen Teil der Summe als persönlichen Profit verbuchen. War das Geld aber vorzeitig aufgebraucht, konnten auch beträchtliche Verluste für den Offizier entstehen. Er war daher bei allen Mannschaftsausfällen der Kompanie auch persönlich involviert. Es gelang dem Hauptmann meist nicht, in dreimonatigen Abständen die Verluste zu ersetzen, sodass man sich in der Praxis hauptsächlich auf die Winterwerbung konzentrierte. Werbegebiet war fast ausschließlich das Fürstentum SachsenHildburghausen, was zunächst keine größeren Schwierigkeiten verursachte. Das Reichskontingent bezog 1703/04 und 1704/05 Winterquartiere im Fürstentum und konnte damit vor Ort werben. Anders gestaltete sich dies zwischen 1705 und 1713, als das Reichskontingent die Winter stets am Oberrhein verbrachte und damit weit vom Werbegebiet entfernt lag. Dieses organisatorische Problem konnte nicht ohne Weiteres gelöst werden. Zur Organisation der Winterwerbung war die Anwesenheit des Hauptmanns in Hildburghausen meist unumgänglich erforderlich. Doch bereits hier konnten Schwierigkeiten auftreten: Die Führungsoffiziere der kleineren Reichskontingente unterstanden in dienstlichen Belangen und während des Feldzuges einem übergeordneten Armee- oder Festungskommandeur. Um in den Wintermonaten die Kontingentskompanie zu verlassen und nach Hildburghausen reisen zu können, war eine formelle Beurlaubung erforderlich, die vom jeweiligen Oberkommandierenden ausgestellt wurde. Für Letztere gestaltete sich die Situation während der Wintermonate stets problematisch, da zahlreiche Offiziere der Feld- und Festungstruppen um Beurlaubung nachsuchten, gleichzeitig aber auch in den Winterquartieren eine gewisse Effektivstärke der Truppen erhalten bleiben sollte. Als im Winter 1707/08 die Anwesenheit des 1348 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 15r. In einem zweiten Entwurf weitete man den Ersatz durch die Landschaft noch auf „Feuer [und] Pest“ aus.
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Hauptmanns Heinrich v. Gleichen in Hildburghausen erforderlich wurde, sorgte dieser sich, keine Beurlaubung zu erhalten.1349 Erst als Herzog Ernst ein persönliches Schreiben an den Landauer Festungskommandanten, Generalmajor Hoffmann v. Löwenfeld,1350 richtete, wurde der Bitte stattgegeben.1351 Doch auch innerhalb des Regiments konnte es zu Schwierigkeiten kommen: Das hildburghäusische Reichskontingent war nur eine von mehreren Kompanien, die das ernestinische Allianzregiment unter Führung Sachsen-Weimars bildeten. Der Obristleutnant dieses Regiments duldete lediglich die Abwesenheit von höchstens zwei Hauptmännern während der Wintermonate.1352 Schwierige Verhandlungen mit höheren Offizieren und Komplikationen wiederholten sich daher nahezu alljährlich, sodass es von Gleichens Vorgänger, Hauptmann Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg, bereits im Jahre 1705 bevorzugte, zur Werbung abkommandierte Soldaten nach Hildburghausen zu senden. Dabei handelte es sich meist um einen Unteroffizier, der von bis zu sechs Gemeinen begleitet wurde. Diese Werbekommandos wurden nach der Ankunft im Fürstentum im Heldburger Amt einquartiert und versahen von hier aus ihre Tätigkeit. Sie arbeiteten eng mit den Offizieren des Landregiments sowie mit den lokalen Amtsverwaltern zusammen. Die Werbung zur Ergänzung des Reichskontingents wurde kurz nach Ankunft des Werbekommandos mit Trommelschlag und Aushängen öffentlich bekannt gemacht.1353 Die Konditionen der Anwerbung im Rahmen der Mannschaftsergänzung unterschieden sich nicht von jenen, die den ersten Rekruten des Reichskontingents im Jahre 1703 angeboten worden waren. Die Rekruten wurden direkt nach der Anwerbung in größeren Ortschaften einquartiert und warteten hier den Abmarsch auf den Kriegsschauplatz ab. Obwohl diese Einquartierungen 1349 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 6r. 1350 Samuel Hartmann Hoffmann v. Löwenfeld (1653–1709), 1707 als Regimentskommandeur des Kreisregiments Hessen-Darmstadt sowie als Festungskommandant in Landau. Am 30. September 1709 als Generalwachtmeister des Oberrheinischen Kreises in Landau verstorben. 1351 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 5.10.1707. Der Bitte wurde am 2. November 1707 entsprochen. 1352 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 13.10.1708. 1353 Eine der letzten veröffentlichten Bekanntmachungen stammte vom Januar 1713: „Von Gottes Gnaden, Wir, Ernst Friedrich, Herzog zu Sachsen, etc. Fügen hiermit iedermänniglich zu wißen, daß Wir unsern bestellten Haupmann bey unserm dermahligen Reichs-Contingent Johann Christoph Thielen zu Anwerbung einiger Recrouten Ordre ertheilet haben; Wer demnach Lust und Beliebung trägt unter vorbesagtes unser Reichß-Contingent sich zu begeben, der hat sich sofort bey ermelten unserm Hauptmann Thielen anzumelden und von demselben die Conditiones, worauf er angenommen werden solle, anzuhören; Allermaßen Wir dann, daß alles, waß einem ieden bey solcher Annehmung zugesaget und versprochen wird, auch unfehlbar gehalten werden solle, hiermit versichern“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 29.10.1710, fol. 1r.
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meist ruhig verliefen, ist ein Vorfall aus Heldburg überliefert, der Einblicke in das Selbstverständnis der neuen Rekruten gewährt: Im November 1705 war die Mannschaftsergänzung des hildburghäusischen Reichskontingents bereits bedeutend fortgeschritten. Die angeworbenen Rekruten wurden als größere Gruppe in Heldburg einquartiert und stifteten dort Unruhe. An Herzog Ernst wurde am 1. Dezember 1705 durch den Heldburger Amtsverwalter Johann Siegmund Eberhard berichtet, „daß die neugeworbene, hier einquartierte Soldaten samt und sonders ein gottloses, höchstärgerliches Leben führen, indem dieselbe so wohl in Wirthshaußern, als auf der öffentlichen Gaßen, Sonn- und Werckeltage, auch das verblichene Advent mit Schießen, Schreyen und Plöcken die Stadt beunruhigen […], daß fast ein Aufstand der Bürgerschafft vor einigen Tagen geworden were, [die Soldaten] gehen auf öffentlicher Gaßen, ruffen und schreyen, wer sich unterhalten laßen wollte, sollte haben eine gute Montur und eine prave frische Hur“.1354 Darüber hinaus wurde ein schutzverwandter Jude in der Stadt Heldburg verprügelt, einige Bürger auf der Straße wurden angerempelt sowie diverse Fensterscheiben eingeschlagen. Ebenso wie bei den Garden offenbarte sich hier ein Konflikt zwischen Militär- und Zivilgesellschaft. Das Selbstverständnis der Rekruten als Soldaten bedingte ein von den Bürgern abgegrenztes und überhöhtes Selbstbild: Der Soldat stehe über dem Zivilisten. Deutlich trat dies hervor, wenn die Soldaten gegenüber den Bürgern mehrmals verlauten ließen, „es hette ihnen niemand nichts zu befehlen“.1355 Ferner fielen mehrere Schimpfwörter gegen die Bürger und den Bürgermeister, „deßen Balletten [Quartierbillets] recht hundsfödisch wären“.1356 Der Amtsverwalter Eberhard, der gemeinsam mit dem Heldburger Superintendenten versuchte, gegen die Soldaten vorzugehen, berichtete, dass er solche Gewalttaten „mit höchsten Verdruß selbsten gesehen [hätte], haben auch 2 von solchen [Soldaten] ihre Degen in Stücken zerschlagen und ist in summa kein Respect oder sonst was e[h]rbahres von denselben zu erwarten, vielmehr aber zu besorgen, daß bey solchen Brutalitäten zwischen denen Bürgern und Soldaten ein Unglück entstehen mögte“.1357 Um den Vorfällen auf den Grund zu gehen, wurde der Heldburger Landregimentshauptmann Georg Julius Rieß zur Untersuchung befohlen. Dieser stellte Bemerkenswertes fest: Obwohl die Gewalttätigkeiten von nahezu allen Soldaten begangen worden waren, existierte in der Person eines gewissen Rekruten Kölbel1358 ein Anführer, auf dessen Geheiß hin die Übergriffe ge1354 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 1.12.1705, fol. 1r. In dem Untersuchungsbericht des Hauptmanns Rieß heißt es, es sei ausgerufen worden: „Der Soldat sollte haben gut Quartier und eine frische Hur!“ 1355 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 1.12.1705, fol. 1v. 1356 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 15.12.1705, fol. 2v. 1357 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 1.12.1705, fol. 2r. 1358 Der Rekrut Kölbel ist nicht näher zu identifizieren. Es ist davon auszugehen, dass der von ihm angegebene Name falsch war. Kölbel tauchte in späteren Mannschaftslisten
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schehen waren. Dieser war einigen Heldburger Bürgern bereits bekannt, da er im Frühjahr 1705 als Bettler umhergegangen war und sich gestellt hatte, als ob er nur eine Hand habe. Kölbel wurde nach seiner Anwerbung ebenfalls in Heldburg einquartiert, gab sich als Korporal aus und übernahm das Kommando über die anderen Rekruten. Er hatte verschiedene Siegel dabei und bot sogar den anderen Rekruten an, Dokumente zu fälschen. Reguläre Unteroffiziere waren offenbar nicht zugegen, sodass Kölbel weitgehend freie Hand hatte. Er wies die Rekruten später an, die Bürger auf den Straßen zu überfallen und die Beute zu ihm zu bringen: „Ingleichen sollten sie Gänse und Hü[h]ner mausen und in sein Quartier (wie dann derselbe de facto ein besonderes praetendiret) bringen, ingleichen die Fischkästen öffnen und die Fisch ihm bringen […], [er hat] denen Burschen in die Kirche zu gehen verbotten oder sie gar geheißen, sie sollten sich vollsauffen und braf in die Kirch speyen, […] also sollten sie es auch machen, allermaßen er dann in 12 Jahren nicht zum Nachtma[h]l kommen.“1359 In den ersten Dezembertagen des Jahres 1705 wurde Kölbel in Gewahrsam genommen und nach Hildburghausen gebracht. Über sein weiteres Schicksal ist nichts überliefert. Die anderen Rekruten wurden eingehend befragt und angeblich zeigte sich, dass sie „sambt und sonders einen Abscheu über den gemelten Kölbel und seine unfertige Dinge bezeuget, auch sich beßer vorzusehen stipuliret“.1360 Damit war der Fall für die hildburghäusischen Offiziere erledigt, wohl auch um den winterlichen Werbeerfolg nicht zu gefährden. Die im Rahmen der Mannschaftsergänzung angeworbenen Rekruten wurden am Abmarschtag, der meist auf März oder April terminiert wurde, in Hildburghausen versammelt und traten von hier aus den Marsch auf den Kriegsschauplatz an. Eine solche Gruppe neu angeworbener Soldaten wurde Rekrutentransport genannt. Der Transport wurde von einem Offizier angeführt, der bald nach Überstellung der Rekruten an das Reichskontingent den Heimmarsch antrat. Der Umfang der hildburghäusischen Rekrutentransporte schwankte während des Spanischen Erbfolgekrieges stark und konnte lediglich ein Dutzend oder aber mehr als fünfzig Männer umfassen. Der mannschaftsstärkste Rekrutentransport erreichte das hildburghäusische Reichskontingent Ende April 1707. Er wurde von Hauptmann Rieß angeführt und umfasste 63 angeworbene Männer.1361 Für das Frühjahr 1707 haben sich Aufzeichnungen zur Marschroute des Rekrutentransports erhalten, die Einblicke nicht auf und war wahrscheinlich nach den geschilderten Vorfällen in Heldburg noch als Rekrut aus dem Dienst entlassen worden. 1359 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 15.12.1705, fol. 2r. 1360 Ebd., fol. 3r. 1361 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 29.4.1707. Dieser Rekrutentransport lässt sich auch in oben stehendem Diagramm unter „Frühjahr 1707“ indirekt nachweisen.
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in die Zeitplanung und die tägliche Marschleistung der Rekruten erlauben:1362 Datum 8. April 9. April 10. April 11. April 12. April 13. April 14. April 15. April 16. April 17. April 18. April 19. April 20. April 21. April 22. April 23. April 24. April 25. April 26. April 19 Tage
Marschroute Leistung Hildburghausen, Bedheim, Simmershausen, Gleicherwiesen, Linden, Trappstadt Trappstadt, Königshofen, Großbardorf, Großwenkheim Erster Rasttag in Großwenkheim, in zwei Tagen = 42 km Großwenkheim, Poppenlauer, Oerlenbach Oerlenbach, Greßthal, Wülfershausen, Gauaschach, Hundsbach Zweiter Rasttag in Hundsbach, in zwei Tagen = 50 km Hundsbach, Aschfeld, Eußenheim, Karlstadt (Überquerung des Main), Laudenbach, Hirschfeld, Billingshausen Billingshausen, Birkenfeld, Uettingen, Helmstadt, Wenkheim, Werbachhausen, Werbach Werbach (Überquerung der Tauber), Hochhausen, Dienstadt, Königheim, Brehmen, Buch-Ahorn-Schwarzbrunn Dritter Rasttag in Buch, in drei Tagen = 98 km Buch, Erfeld, Altheim, Götzingen Götzingen, Bödigheim, Eichholzheim, Oberschefflenz, Unterschefflenz, Katzental, Billigheim, Allfeld Vierter Rasttag in Allfeld, in 2 Tagen = 44 km Allfeld, Tiefenbach, Gundelsheim (Überquerung des Neckar), Hüffenhardt-Siegelsbach Hüffenhardt, Bargen, Helmstadt, Waibstadt, Hoffenheim, Eschelbach Eschelbach, Horrenberg, Dielheim, Rauenberg, Rot, St. Leon Fünfter Rasttag in St. Leon, in 3 Tagen = 65 km St. Leon, Waghäusel, Philippsburg (Überquerung des Rhein) Philippsburg, Weingarten, Landau Hildburghausen – Landau
~20 km ~22 km ~23 km ~27 km ~39 km ~34 km ~25 km
~16 km ~28 km – ~18 km ~30 km ~17 km ~13 km ~35 km ~347 km
Tabelle 15: Marschroute eines Rekrutentransports von Hildburghausen nach Landau, April 1707
Dem Offizier des Rekrutentransports wurde ein von Herzog Ernst ausgestellter Pass mitgegeben, mit dessen Hilfe sich die Soldaten in den fremden Territorien auswiesen. Demnach war dem Transport überall Unterstützung und Quartier zu gewähren. Offenbar aufgrund der Schwierigkeit, geeignete Quartiere zu finden, verteilten sich die Rekruten mehrmals, u. a. in der Nähe von Buch und Hüffenhardt, auch auf umliegende Orte und verbrachten die Nächte in Privatquartieren und Gasthäusern. Nach fast drei Wochen auf dem Marsch erreichten sie das Reichskontingent in Landau, ohne dass eine bedeutende Zahl desertiert wäre. Dies erscheint umso bemerkenswerter, als sich auf dem Marsch zahlreiche Gelegenheiten ergaben, um sich abzusetzen – zumal keine Eskorte den Rekrutentransport begleitete. 1362 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, „Die mit denen Hochfürstlich Hildburghäußischen Recrouten gehaltene Marchroute“ [April 1707].
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Neben der winterlichen Mannschaftsergänzung im Heimatterritorium wurden auch direkt auf dem Kriegsschauplatz Rekruten angeworben. Zwar war diese Werbemethode in ihrem Umfang nicht mit der heimatlichen Rekrutenwerbung vergleichbar, doch konnten auf diese Weise schnell und zudem vergleichsweise günstig Rekruten angenommen werden. Auf dem Kriegsschauplatz existierte kein Werbegebiet im eigentlichen Sinn. Tatsächlich war es den verschiedenen Kontingenten der Reichsarmee untersagt, während der Feldzüge in fremden Reichsterritorien zu werben. Dies führte dazu, dass sich die Reichskontingente untereinander Rekruten abwarben, um den dringend benötigten eigenen Mannschaftsbedarf zu decken. Der genaue Ablauf derartiger Anwerbungen bleibt aufgrund der mangelhaften Quellenlage verborgen. Allein auf Grundlage des hildburghäusischen Materials lässt sich jedoch bereits erkennen, wie verbreitet ein derartiges Werbeverhalten unter den Reichstruppen war. Die gegenseitigen Abwerbungen spielten sich jenseits des Reglements ab und mussten daher möglichst geheim gehalten werden. Wurde ein solcher Fall aufgedeckt, schien es außer der unentgeltlichen Rückführung der abgeworbenen Rekruten keine Bestrafungen oder andere Sanktionen zu geben. Möglicherweise war man deshalb auch bereit, das geringe Risiko auf sich zu nehmen. Auch der Hauptmann des hildburghäusischen Reichskontingents bediente sich – mit Wissen des Herzogs – solcher illegaler Maßnahmen. So befanden sich beispielsweise im November 1706 mehrere ehemalige kurpfälzische Soldaten unter den Mannschaften des Reichskontingents, die dem Hauptmann einige Sorgen bereiteten, „weiln nun den Verlaut nach die sämbtlichen Pfälzischen Trouppen aus Italien wieder ins Reich gehen und bey der mir gnädigst anvertrauten Compagnie […] sich etliche befinden und ich besorge, wenn solche erkannt werden, daß man gleichfalls die Gegenlieferung thun muß“.1363 Gelegentlich wurden auch Soldaten angeworben, deren Herkunft unklar war bzw. bei denen sich erst im Nachhinein herausstellte, dass es sich um Rekruten anderer Einheiten handelte: Im Juli 1710 berichtete Hauptmann v. Gleichen an Herzog Ernst, „waßmaßen sich unter den vor- und dießjährigen Recrouten wider mein Wißen und Intention unterschiedene Deserteurs befinden; wann nun bißanhero solche zu erhalten und nicht an die Regimenter, worvon sich seit einiger Zeit und noch Commandirte allhier [in Landau] befinden, auszuhändigen, diese Leuthe ohne die geringste Dienste thun zu können, verbergen müßen, so will es dennoch schwer fallen solche länger geheimb zu halten, allermaßen zu besorgen, daß sie endlich verrathen und als dann ohne Entgeld zu Handhabung der Justice auszuliefern [seien]“.1364
1363 ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 28.11.1706, fol. 1v. 1364 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 339.
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5.8.2 Proviantkontrakte und Verpflegungssituation Sowohl im Feldzug als auch in der Garnison und im Winterquartier waren militärische Einheiten auf regelmäßige Verpflegungslieferungen angewiesen. Die Verpflegung der Armeen zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges beruhte hauptsächlich auf dem Magazinsystem und der Kontribution. Besondere Ausformungen der Verpflegung und Logistik traten bei der dezentral organisierten Reichsarmee auf; sie stellen nach wie vor ein Desiderat der Forschung dar. Mehrmals beschäftigte sich auch der Reichstag in Regensburg mit der Zuständigkeit für die Verpflegung der einzelnen Reichstruppen. Vornehmlich in den Jahren 1673, 1674 und 1681 ergingen Reichsschlüsse, welche die Verproviantierung den einzelnen Reichsständen auferlegten.1365 Ein am 12. März 1704 gefasster Reichsschluss bestätigte dies und stellte nochmals heraus, dass man, „soviel das Proviant betrifft, dafür gehalten und geschlossen, daß, weilen einem jeden Stand die Versorgung der Seinigen sowohl im Feld als in denen Quartieren oblieget, er auch dieselbe nicht mit denen Lebens-Mitteln, sondern auch andern KriegsNothwendigkeiten bestmöglichst zu versehen und an Beyschaffung keinen Mangel erscheinen zu lassen hätte“.1366 Zur Bezahlung der Verpflegung hatte bereits der Reichsschluss vom 30. Dezember 1681 besagt, dass „aus der Creyß-Casse aber dasjenige, so die Verpfleg- und Besoldung der von jedem Creyß zu stellen habenden Völcker und Zugehörde erfordert, bezahlt werden [müssen]“.1367 Dies waren auf Reichsebene die geltenden juristischen Eckpunkte und Handlungsempfehlungen, die auch für SachsenHildburghausen zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges maßgeblich waren. Ein für das Fürstentum unüberwindbares Problem bestand darin, dass der Reichstag die Kreise als organisatorischen Rahmen für die Verpflegung der Reichstruppen bestimmte. Aufgrund der Inaktivität des Obersächsischen Kreises befand sich Sachsen-Hildburghausen gemeinsam mit den anderen Kreisständen in einem Vakuum. Reichskreise mit funktionierender Struktur wie der Fränkische oder der Schwäbische Kreis organisierten die Stellung des Proviants durch die Kreisstände sowie die Versorgung ihrer Truppen über eigens eingerichtete Proviantämter. Darüber hinaus versuchte man, auch im Rahmen der Kreisassoziationen das Proviantwesen einheitlicher zu organisieren. Dennoch gelang es 1365 Johann Jacob SCHMAUSS (Hg.), Corpus Juris Publici S. R. Imperii Academicum enthaltend des Heiligen Römischen Reichs Grund-Gesetze […], Leipzig 1745, S. 1409. 1366 Johann Joseph Pachner v. EGGENSTORFF (Hg.), Vollständige Sammlung aller von Anfang des noch fürwährenden teutschen Reichs-Tags de Anno 1663 biß anhero abgefaßten Reichs-Schlüsse, Bd. 3, Regensburg 1776, S. 104. 1367 DERS., Vollständige Sammlung aller […] Reichs-Schlüsse, Bd. 2, Regensburg 1740, S. 338.
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nicht, eine zuverlässige Verpflegung der Truppen sicherzustellen. Im Wesentlichen existierten bis zum Ende des Alten Reiches zwei Versorgungssysteme, die Johann Jakob Moser im Jahre 1773 folgendermaßen charakterisierte: „In Ansehung des Proviantwesens halten es die Crayse abermalen sehr verschi[e]dentlich: Entweder nemlich sorget jeder Stand selbst für die Natural-Verpflegung seines Contingents, welches jedoch jezo wenig mehr geschehen mag, auch viele Inconvenientien hat, oder der Crays hält ein eigenes Proviantamt, welches entweder das Proviantwesen admodirt oder es nur administriert.“1368 Die organisierten und assoziierten Reichskreise griffen im Rahmen der Truppenverpflegung auf Proviantämter und selbst auf kreisübergreifende Abkommen zurück. Dem Obersächsischen Kreis hingegen fehlte die institutionelle Infrastruktur, um ein Proviantamt aufzurichten oder sich möglicherweise im Rahmen einer Assoziation anderen Kreisen anzuschließen. In dieser Situation fielen die noch an der Reichsdefension partizipierenden kleineren Stände des Obersächsischen Kreises auf organisatorischer und logistischer Ebene immer weiter zurück. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Ohnmacht des Obersächsischen Kreises auszugleichen, begannen die Ernestiner bereits seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert, im militärischen Bereich verstärkt miteinander zu kooperieren. Diese Kooperation war jedoch nicht derart intensiv, um auch die Verpflegung und den Nachschub der Truppen abzudecken. Hier richtete man sich weiterhin nach dem Reichsschluss des Jahres 1681 und überließ die Details den einzelnen ernestinischen Linien. In dieser Situation befand sich das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen, als es Anfang 1703 ein Reichskontingent anwarb. Die Erlangung der Unabhängigkeit vom Nexus Gothanus lag erst etwa ein Jahr zurück und die während des Pfälzischen Erbfolgekrieges gestellten Mannschaftskontingente waren von Sachsen-Gotha-Altenburg verwaltet worden, sodass man mit der eigenständigen Organisation eines Reichskontingents noch relativ unerfahren war. In besonderem Maße galt dies für Herzog Ernst, der in den vorausgegangenen Jahren in niederländischen Militärdiensten gestanden hatte und sich in die Militär- und Reichspolitik seines Bruders in Gotha nur wenig eingemischt hatte. Daher ist die Geschichte der Proviantversorgung des Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg als ein von Widersprüchen, Irrtümern und Versuchen geprägter Lernprozess zu verstehen. Anders als die Rekrutierung bzw. Mannschaftsergänzung waren in Sachsen-Hildburghausen die Zahlung der Besoldung und die Proviantlieferungen nicht von vornherein vertraglich an den Hauptmann gebunden. Diese Verantwortungen wurden vielmehr an überregional operierende Kaufleute abgetreten, die aufgrund ihrer weitreichenden Geschäftsbeziehungen dafür bestens geeignet erschienen. 1368 MOSER, Von der teutschen Crays-Verfassung, S. 543.
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Ein erster Vertrag über Besoldungszahlung und Proviantlieferung wurde am 25. Juni 1703 mit dem Nürnberger Kaufmann Georg Christoph Welcker1369 geschlossen.1370 Im Rahmen des Vertrages versprach Welcker, monatlich 429 Gulden für die Besoldung des Reichskontingents zu liefern. Brot und Hafer für Mannschaften sowie Pferdematerial sollten an Magazine des Fränkischen Kreises abgegeben werden. Für die Proviantlieferungen wurden Welcker noch einmal 300 Gulden ausgezahlt sowie weitere 15 Gulden für seinen persönlichen Aufwand. Da das Reichskontingent im Jahre 1703 auf dem süddeutschen Kriegsschauplatz eingesetzt werden sollte, erklärte sich der Fränkische Kreis gegen die monatliche Zahlung von sechs Dukaten bereit, die eigenen Magazine als Umschlagplätze des hildburghäusischen Proviants freizugeben. Welckers Vertrag lief bis zum Winter 1703/04 und endete formal mit dem Bezug des Winterquartiers durch das Reichskontingent. Für den kommenden Feldzug griff man nicht erneut auf Welcker zurück, sondern wandte sich an jüdische Kaufleute, die über ebenso gute Geschäftsbeziehungen verfügten. Den Anstoß dazu gab ein Proviantvertrag, den der coburgische Kriegskommissar und Landschaftsdirektor Johann Adam v. Könitz im März 1704 mit dem jüdischen Kaufmann Moyes Jacob aus Merzbach abschloss. Dieser Vertrag diente der Verpflegung des coburgischen Reichskontingents, wurde jedoch zur Einsichtnahme in Abschrift nach Hildburghausen übersandt.1371 Wenig später war Moses Jacob auch in die Versorgung des hildburghäusischen Kontingents involviert.1372 Die genauen Beziehungen und geschäftlichen Abläufe sind im Quellenmaterial nur schwer nachzuvollziehen – erst eine Synthese der verfügbaren Quellen ergibt ein stimmiges Bild. Das System der Proviantversorgung, wie es sich ab 1704 etablierte, sowie die bereits behandelten Mechanismen der Rekrutierung und Besoldung sind in der folgenden Graphik veranschaulicht. Diese zeigt das System, wie es im Jahre 1709 bestand und bis zum Ende des Krieges nahezu unverändert beibehalten wurde. Im Zusammenhang mit der Proviantversorgung sind hier lediglich die grün dargestellten Verbindungen von Bedeutung. Innerhalb des Systems fanden sich vier Gruppen, die miteinander in Beziehung standen: die fürstliche Verwaltung mit dem Herzog an der Spitze und der Kammer als Finanzressort, die Landschaft mit Landtag und Landschaftskasse, das Reichs1369 Franz WILLAX, Das Fürstentum Brandenburg-Ansbach und der Fränkische Kreis im Spanischen Erbfolgekrieg. Die Karriere des Generals Lebrecht Gottfried Jahnus von Eberstädt vom ansbachischen Offizier zum General Zar Peters des Großen, Ansbach 2003, S. 221–225. 1370 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 25.6.1703. 1371 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 14.3.1704. 1372 Die Verträge mit den verschiedenen jüdischen Kaufleuten sind nur lückenhaft überliefert. Detaillierte Verträge finden sich erst ab 1708, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 279.
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kontingent mit dem Hauptmann an der Spitze sowie verschiedene jüdische Lieferanten. Am Beginn stand stets ein Proviantvertrag („Proviant-Contract“) mit einem jüdischen Faktor. Diese Proviantverträge wurden vom Herzog in Auftrag gegeben (1). Die Tatsache, dass sie auf dem Papier zwischen dem Hauptmann des Reichskontingents und dem Faktor geschlossen wurden, hatte keine weitere Bedeutung. Der Hauptmann selbst bemerkte dem Herzog gegenüber: „Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht ruhet sonder Zweiffel annoch in hohen Gedächtniß, waßgestalt auff Dero gnädigste Verordnung von mir mit dem Juden Schimmel von Merzbach wegen Lieferung des […] Proviants ein […] Accord geschloßen.“1373 Zum einen wies dies auf den direkten Befehl des Herzogs an den Hauptmann hin, zum anderen zeigen die Abrechnungen der Landschaftskasse, dass der Hauptmann keine finanzielle Verpflichtungen einging und auch keine Zahlungen leistete. Letztendlich verpflichtete sich der Hauptmann lediglich zur korrekten Bestätigung empfangener Lieferungen und schloss die Proviantverträge stellvertretend für den Herzog ab. Nach dem Abschluss eines Proviantvertrages war es zunächst Aufgabe des Faktors, seine zugesagten Leistungen zu erbringen. Diese bestanden hauptsächlich in der Lieferung von „ordonanzmäßigen Mundtportionen und zwar jede Portion zu zwey lb. Brod […], von lauter gerechten, guth und genießlichen Korn-Mehl, ohne Vermischung [von] Gersten, Haber, Wicken, Erbßen und dergleichen verwerfflichen Frucht“.1374 Da es sich bei dem Reichskontingent um eine sehr mobile Einheit handelte, die sich auf dem Kriegsschauplatz bewegte und oft zu unvorhergesehenen Märschen befohlen wurde, erwies sich auch die Anlieferung des Proviants als schwierig. Um im Zweifelsfall auf eine vertragliche Klausel zurückgreifen zu können, wurde bestimmt, dass Proviantlieferungen „biß zwey Stund zum weitesten von denen Fahnen oder Stations- oder Postierungs-Orthen auf seine [des Faktors] Kosten und Schaden […] zuthun [seien]“.1375 Es wurde zudem festgesetzt, dass die Lieferungen stets zwischen dem ersten und fünften Tag des Monats angeliefert bzw. bereitgestellt werden mussten. Falls der Faktor „nicht selbsten darüber seyn könne, [so sey] solches [von ihm] durch einen andern capablen Menschen, auff den man sich verlaßen kann, zubesorgen“.1376 Der 1709 für die Proviantlieferungen zuständige Faktor war der Merzbacher Jude Simon Moyses, der hauptsächlich im oberfränkischen Raum geschäftlich tätig war. Zu dieser Zeit befand sich aber das hildburghäusische Reichskontingent als Garnison in der Festung Landau, sodass die Koordination der Lieferungen durch den weit entfernten Faktor unmöglich war. Nach1373 1374 1375 1376
Ebd., fol. 269r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 20r. Ebd., fol. 20v. Ebd.
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richten über einen eventuellen Ausmarsch des Kontingents sowie zu neuen Aufenthaltsorten konnten nicht schnell genug übermittelt werden, um eine zuverlässige Organisation der Proviantlieferungen zu garantieren. Der Faktor bediente sich daher „capabler Menschen“, die als Mittelsmänner zwischen dem Faktor und dem Reichskontingent fungierten.
Graphik 20: Proviantsystem zur Verpflegung des hildburghäusischen Reichskontingents, 1709
Diese Mittelsmänner wurden umgehend nach Vertragsabschluss vom Faktor kontaktiert. Zur Vereinfachung von Logistik und Kommunikation handelte es sich meist um jüdische Kaufmänner, die ihren Geschäftssitz nahe dem Kriegsschauplatz hatten, auf dem das Reichskontingent eingesetzt war. Im Jahre 1709 knüpfte der Faktor Simon Moyses Kontakte zu ortsansässigen Landauer Kaufleuten wie den beiden Juden Heyum und Seligmann.1377 Diese werden in den Quellen wiederholt als sogenannte Proviantjuden bezeichnet; sie waren es auch, die Proviantgüter direkt an das Reichskontingent auf dem Kriegsschauplatz lieferten und vor Ort über die notwendige Logistik in Form 1377 Eine bereits vorher bestehende Bekanntschaft des Simon Moyses von Merzbach zu jüdischen Kaufleuten ist aus Mangel an überzeugenden Quellen zunächst auszuschließen. Bei Unstimmigkeiten war die Form der schriftlichen Kommunikation zwischen Proviantlieferanten und Faktor sehr harsch, sodass es sich hier höchstwahrscheinlich nicht um langjährige Geschäftspartner handelte; hierzu ein Brief des Proviantlieferanten Hersch Heyum nach Hildburghausen vom 18. Juni 1709, in dem er sich herablassend über Simon Moyses beschwerte, siehe ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 208 f.
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von Warenlagern, Fuhrwerken und Knechten verfügten. Die „Proviantjuden“, die nachfolgend als Proviantlieferanten bezeichnet werden, wurden vom Faktor beauftragt und sollten den Kontakt zum Hauptmann des Reichskontingents herstellen, um die im Vertrag festgeschriebenen Lieferungen zu tätigen (3). Eine Vergütung wurde bislang weder vom Herzog an den Faktor noch vom Faktor an die Proviantlieferanten geleistet. Die Bezahlung des anzuliefernden Proviants wurde über den Frankfurter Rat und Kaufmann Heinrich Christoph v. Reineck, der in der Reichsstadt als Agent SachsenHildburghausens fungierte, abgewickelt. Er war das Bindeglied zwischen allen am Proviantwesen beteiligten Parteien. Kurz nach Vertragsabschluss mit dem Faktor hinterlegte das Fürstentum einen bedeutenden Betrag beim Agenten mit dem Hinweis, diesen monatlich auf Anweisung des Hauptmanns des Reichskontingents an den Faktor auszuzahlen (2). Von fürstlicher Seite aus wurde der Hauptmann angewiesen: „Was aber das Proviant anbetrifft, wollen solches Seine Hochfürstliche Durchlaucht wie bißanhero, also fernerweit durch Dero hiesige Cammer besorgen und zu deßen richtiger Lieferung sichere Personen bestellen laßen.“1378 Tatsächlich lassen sich aber zu keinem Zeitpunkt Zahlungen aus der fürstlichen Kammer nachweisen. Diese können, so sie denn vorgenommen wurden, nur von geringer Höhe gewesen sein. Abrechnungen beweisen, dass der bei weitem größte Teil der Bezahlung der Proviantversorgung aus der Landschaftskasse bestritten wurde.1379 Die Proviantlieferanten stellten in der Zwischenzeit ihre Lieferungen zusammen und ließen diese in die Nähe des Reichskontingents transportieren. Der Proviant wurde nicht direkt an das Kontingent geliefert, sondern an Warenhäuser oder Magazine in nahegelegenen Städten (4). Dass sich ein Teil dieser Warenhäuser im Besitz der Proviantlieferanten befand, erleichterte die Logistik erheblich. Eine direkte Lieferung an die Truppe wäre unmöglich gewesen: Eine Brotlieferung an das Reichskontingent für Oktober 1709 beinhaltete insgesamt 3968 Mundportionen für die gemeinen Mannschaften, was etwa 3,6 Tonnen Brot entsprach. Die von den Proviantlieferanten organisierten Verpflegungsgüter hatten zu Anfang jeden Monats in den Magazinen bereitzustehen. Hier holten die Fouriere des Reichskontingents den Proviant mehrmals monatlich mit dem kontingentseigenen Proviantfuhrwerk ab und brachten ihn zurück ins Feldlager. War das Reichskontingent als Garnison einer Festung eingesetzt, gestaltete sich das Heranschaffen des Proviants bedeutend leichter. Besonders für die Festung Landau traf dies zu, denn sowohl die Geschäftssitze der Proviantlieferanten als auch deren Magazine befanden sich innerhalb der Festungs1378 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 22v. 1379 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 226 f.
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mauern, sodass die Fouriere keine weiten Anfahrtswege hatten. Auch die unmittelbare Kommunikation zwischen Hauptmann und Proviantlieferanten funktionierte hier wesentlich schneller und zuverlässiger. Die angelieferten Güter wurden den Proviantlieferanten quittiert, vom Hauptmann aufgezeichnet und wenig später an die Mannschaften ausgegeben (5). Daraufhin übersandte der Hauptmann eine Assignation, welche die vertraglich vereinbarte Gesamtbezahlung beinhaltete, an den Faktor (6). Dieser konnte diese Assignation gegen Ende jedes Monats beim Agenten v. Reineck in Frankfurt einlösen und auf diesem Wege seine Vergütung erhalten (7). Mit dieser in Händen war es ihm nun möglich, auch die noch bestehenden Ansprüche der Proviantlieferanten zu befriedigen (8). Dieser komplexe Kreislauf von Vorleistung und anschließender Bezahlung, der die Proviantversorgung des Reichskontingents sicherstellen sollte, wiederholte sich allmonatlich aufs Neue. Alle Beteiligten waren in ein Netz wechselseitiger Verpflichtungen eingebunden. Alle Verpflichtungen wiederum – seien es Lieferung, Zahlung oder Anweisung – mussten qualitativ angemessen, fristgerecht und zuverlässig ausgeführt werden. Es ist evident, dass das Funktionieren dieses Kreislaufs nur von der Zufriedenstellung aller Beteiligten abhing. War dies nicht der Fall, so wurde durch die Beanstandung eines Beteiligten eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die auf alle anderen Geschäftspartner erhebliche Auswirkungen hatte. Tatsächlich war dies mehrfach der Fall, und so fand sich kein Jahr des Spanischen Erbfolgekrieges, in dem nicht Klagen über die Proviantversorgung laut geworden wären. Besonders die Zeit zwischen 1707 und 1710 war von zahlreichen Konflikten um das Proviantwesen gekennzeichnet, wobei sich alle Beteiligten gegenseitig Pflichtvergessenheit vorwarfen. Es ist auf Grundlage des Schriftverkehrs und der darin enthaltenen wechselseitigen Anschuldigungen nicht verlässlich zu ermitteln, wie sich der Sachverhalt objektiv darstellte. Es lässt sich jedoch konstatieren, dass unvorhersehbare Einflüsse, wie durch Regen aufgeweichte und unpassierbare Straßen oder eine spontane Verlegung des Reichskontingents, beim Versagen des Proviantsystems besonders bedeutsam waren. Auch Fehlplanungen, das Einschalten von Mittelsmännern sowie die damit verbundene ständige Weiterreichung von Verantwortlichkeiten hatten einen sehr negativen Einfluss auf das gesamte Proviantwesen. Die Offiziere und Mannschaften des Reichskontingents waren hauptsächlich die Leidtragenden von Lieferengpässen und Unzuverlässigkeit. Als es ab April 1708 zu einer besonders ausgedehnten Versorgungskrise kam, geriet Hauptmann v. Gleichen in zunehmenden Konflikt mit den jüdischen Lieferanten. Ende April 1708 meldete der Hauptmann nach Hildburghausen: „Ob nun zwar solcher [Proviantvertrag] von Anfang des Monath January bis Ende des Juny diesen Jahres determiniret gewesen, so bin ich dennoch gezwungen worden, solchen
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nach Verfließung dreyer Monath aufzuheben, allermaßen der hiesige Jud Seligmann, alß deme die Lieferung durch den Schimmel [v. Merzbach] aufgetragen worden, solches fortzuführen in geringsten nicht capable […]. Wiewohl nun ich dem Juden bey meiner Ankunfft unterschiedene mahl erinnert, hinführo dem Accord beßer nachzukommen, so habe dennoch im Monath April abermahlen mit großer Ungelegenheit das Gegentheil erfahren müßen […].“1380 Zu diesem Zeitpunkt gab ein zweiter Proviantlieferant, Hersch Heyum aus Landau, ebenfalls Proviant an das Reichskontingent ab und erwartete seine Bezahlung durch den Faktor. Als die zugesagte Bezahlung nicht eintraf, sandte Heyum mehrere Papiere nach Hildburghausen, von denen er sagte, „das beyliegende Attestat ist zu dem Ende angefüget, damit dem Juden Schimmel von Merzbach seyn unwahres Angeben (ob hätte er das gelieferte Brod jeden Monat richtig bezahlet überwiesen) [entkräftet wird]“.1381 Zur weiteren Begründung führte Heyum aus: „Weilen wegen meiner an das Hochfürstliche Hilbershaußen-Contingent vor geschoßenen [gelieferten] Proviant habenden Anforderung, der Jud Schimmel zu Merzbach bey Hochfürstlicher Regierung angegeben, daß derhalben mich von Januario bis Aprilis gäntzlich befriediget hat, solches aber der Wahrheit gantz zu wider und [ich] von niemandem einiges Gelt […] empfangen.“1382 Aufgrund dieses Vorfalls stellte Heyum bereits im März 1708 die Proviantlieferungen für das Reichskontingent vollständig ein. In einem Schreiben an Hauptmann v. Gleichen kündigte er diesem an, dass er der Kompanie „keinen Leib Brodt mehr [gebe], sondern mag sehen wo sie solches her bekombt, indem die Theuerung alhier dergestalten einreißet, daß fast vor das Gelt keine Frucht mehr zu bekommen ist“.1383 Damit gestaltete sich die Situation für das Reichskontingent zunehmend bedrohlich. Tatsächlich blieb die Einheit während des Großteils des Feldzuges 1708 ohne ausreichende Proviantversorgung und war auf spärliche Requisitionen angewiesen. Als im Sommer 1708 einige Mannschaften der Kompanie auf einen Posten im Schwarzwald abkommandiert wurden, standen diese ohne jegliche Versorgung im Feld. Zunächst nahm sich ein weimarischer Offizier der notdürftigen Verpflegung der Soldaten an, bevor Hauptmann v. Gleichen aus seinem Privatvermögen durch einen anderen jüdischen Kaufmann aus Landau das Notwendigste beschaffen ließ.1384 Aufgebracht schrieb der Hauptmann nach Hildburghausen, „daß die Mannschaft innerhalb [der] 3 Wochen, so sie daroben [im Schwarzwald], hätte crepiren müßen, wenn nicht durch mich 1380 1381 1382 1383 1384
ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, fol. 269v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 208v. Ebd., fol. 209r. Ebd., fol. 101r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 6.8.1708, fol. 2v.
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genugsame Garantie an [den] Juden Simon Samuel wegen der Zahlung geschehen wäre“.1385 Simon Samuel war ein angesehener und einflussreicher Kaufmann aus Landau. Anfang des 18. Jahrhunderts kontrollierte Samuel den gesamten Salzhandel der Stadt und war darüber hinaus Lieferant aller möglichen Verpflegungsgüter.1386 Die Tatsache, dass Samuel dem Reichskontingent in der schwierigen Situation schnell zu Hilfe kam, sollte nicht unvergessen bleiben. Nach 1709 fand eine Umgestaltung des Proviantsystems statt: Der Faktor wurde als instabiles Glied in der Kette, möglicherweise sogar als Auslöser der Proviantkrise des Jahres 1708 erkannt. In den folgenden Proviantverträgen wurde daher auf ihn verzichtet. Stattdessen wandte man sich nun direkt an ortsansässige Proviantlieferanten, und so wurde im Jahr 1710 Simon Samuel alleiniger Lieferant des hildburghäusischen Reichskontingents.1387 Erhaltene Abrechnungen aus dieser Zeit geben weiteren Aufschluss über den Umfang der Proviantlieferungen: So gingen beispielsweise von November 1710 bis Januar 1712 insgesamt 67.243 Mundportionen zweipfündiges Brot beim hildburghäusischen Reichskontingent ein.1388 Simon Samuel folgte im Jahre 1712 der Bamberger Jude David Meyer nach. Beide erhielten ihre Bezahlung direkt aus der Landschaftskasse. Die hildburghäusische Seite bat sich zwar eine Zahlungsfrist von zwei Monaten aus, welche aus Sicherheitsgründen vom Lieferanten mit bis zu 2,5 Prozent Zinsen belegt wurde, ohne dass es jedoch erneut zu größeren Schwierigkeiten gekommen wäre.1389 In dieser Form bestand das Proviantwesen des Reichskontingents bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges fort. 5.8.3 Besoldung und Geldmangel Ähnlich wie die Versorgung des Reichskontingents wurde auch die Auszahlung der Besoldung über den Frankfurter Agenten v. Reineck als Mittelsmann 1385 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 15.9.1708, fol. 2r. 1386 Simon Samuel kontrollierte bis 1709 den gesamten Salzhandel der Stadt, wurde jedoch vom Stadtrat gezwungen, dieses vertraglich geregelte Privileg abzugeben. Im Jahre 1713 wurde ihm jedoch vom Festungskommandanten Prinz Carl Alexander v. Württemberg der Salzhandel erneut gestattet. Darüber hinaus lieferte Samuel vor allem qualitativ hochwertigen Rheinwein, vgl. Hermann ARNOLD, Juden in der Pfalz. Vom Leben pfälzischer Juden, Landau 1986, S. 44; Hans HESS, Die Landauer Judengemeinde – ein Abriss ihrer Geschichte, Landau 1969, S. 14; Heinrich SCHNEE, Die Hoffinanz und der moderne Staat. Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus, Bd. 4, Berlin 1963, S. 99. 1387 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 20 ff. 1388 Ebd., fol. 226v. u. 229v. 1389 Ebd., fol. 246v.
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abgewickelt. Diese Praxis sowie die unvorhergesehenen Märsche des Kontingents führten in den ersten Kriegsjahren zu regelmäßigen Verzögerungen der Auszahlung. Mit dem Fortschreiten des Krieges und der Verwendung des Reichskontingents als ortsgebundene Garnison konnte dieses Problem reduziert werden. Dennoch waren die Offiziere und Mannschaften stets mit der kriegsbedingten Teuerung konfrontiert, die von hildburghäusischer Seite nicht kompensiert werden konnte. Daher blieb die finanzielle Lage der Soldaten – auch bei regelmäßiger Soldauszahlung – stets angespannt. Die folgende Übersicht zeigt die Besoldungsentwicklung beim Reichskontingent: Dienstgrad Hauptmann Leutnant Fähnrich
1705 65 fl. 26 fl. 22 fl.
1707 26 fl. 26 fl. 22 fl.
1711 26 fl. 22 fl. 22 fl.
1712 32 fl. 22 fl. 22 fl.
Feldwebel Sergeant Führer Fourier Musterschreiber Feldscher Korporal Fourierschütz Tambour Gefreiter Gemeiner
8 fl. 15 xr. 8 fl. 15 xr. Vakant 6 fl. 35 xr. 6 fl. 45 xr. 6 fl. 45 xr. 5 fl. 15xr. 3 fl. 45 xr. 3 fl. 45 xr. 3 fl. 12 xr. 3 fl.
9 fl. 9 fl. 7 fl. 30 xr. 7 fl. 30 xr. 7 fl. 30 xr. 7 fl. 30 xr. 6 fl. 3 fl. 57 xr. 4 fl. 30 xr. 4 fl. 30 xr. 3 fl. 45 xr.
Vakant 8 fl. 15 xr. 6 fl. 45 xr. 6 fl. 45 xr. 6 fl. 45 xr. 6 fl. 45 xr. 5 fl. 15 xr. 3 fl. 45 xr. 3 fl. 45 xr. 3 fl. 12 xr. 3 fl.
Vakant 7 fl. 30 xr. 6 fl. 6 fl. 6 fl. 6 fl. 4 fl. 30 xr. Vakant 3 fl. 2 fl. 27 xr. 2 fl. 15 xr.
Tabelle 16: Übersicht zur monatlichen Besoldung der Offiziere und Mannschaften des Reichskontingents, 1705–1712. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, GA Hbn, 437, fol. 5r. (1705); XXII, 32, fol. 7r. (1707); XXII, 34, fol. 226r. (1711); XXII, 34, fol. 229r. (1712); die Besoldung wurde gestückelt und im Rhythmus von zehn Tagen an die Soldaten ausgezahlt
Es zeigt sich, dass die Besoldungen der einzelnen Rangstufen im Verlaufe des Krieges stark schwankten. Ungeachtet einer kurzzeitigen Steigerung im Jahre 1707 fielen die Besoldungen aller Rangstufen, je länger der Krieg andauerte. Für die Soldaten im Feld war dies eine fatale Entwicklung. Um der allgemeinen Teuerung entgegenzuwirken, hätten die Bezüge nicht nur gleich bleiben, sondern sogar beträchtlich steigen müssen. Unzureichende Besoldung scheint kein speziell hildburghäusisches Problem gewesen zu sein.1390 So bezog ein gemeiner Infanterist des bayerischen 1390 Der hildburghäusische Feldwebel Rüdiger berichtete im Jahre 1705, dass der coburgische Feldwebel 14 fl. als Besoldung erhalte, er hingegen nur 8 fl. 15 xr., vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 23.11.1705.
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Heeres mit drei Gulden und vierzig Kreuzer etwa dieselbe Besoldung wie sein Gegenpart aus Hildburghausen.1391 Ein französischer Infanterist erhielt während des Spanischen Erbfolgekrieges täglich einen Sol und erreichte damit monatlich genau dieselben Bezüge wie ein hildburghäusischer Gemeiner im Jahre 1707.1392 Ob man es hier mit einer bewussten Angleichung zu tun hatte, um der Desertion vorzubeugen, muss offen bleiben. Erste Klagen über die schwierige finanzielle Situation der Soldaten erreichten Hildburghausen bereits vier Monate nach dem ersten Ausmarsch des Reichskontingents. Mehrere Soldaten richteten gemeinsam ein Schreiben an Herzog Ernst, in dem die örtliche Teuerung und die niedrige Besoldung thematisiert wurden. Mit dem Sold „sei unmöglich darauf außzukommen, indem hier im Lager alles so theuer, daß man nicht einmahl ein Maaß Bier bezahlen könnte […], dieweil wir bei der iezigen [Besoldung] ohmöglich subsistiren können, indem unser Ruin augenscheinlich am Tage lieget, weil wir nichts anders als Brod und ungesundes Wasser haben“.1393 Bezeichnenderweise blieben derartige Schreiben – ganz gleich ob von Mannschaften oder Offizieren verfasst – stets unbeantwortet. Von Seiten der herzoglichen Regierung fanden sich keinerlei Konzepte oder ernsthafte Bemühungen, den finanziellen Übelständen abzuhelfen. Das archivalische Material zum Thema bietet daher lediglich eine Bestandsaufnahme vielfältiger Missstände, zeigt aber keine erkennbaren Anstrengungen, diese zu beseitigen. Im September 1704 berichtete Hauptmann Spiller v. Mitterberg über eine massive Verschlechterung der Zustände bei der Kompanie. Der Grund dafür war die Auszahlung der von einem Nürnberger Kaufmann überwiesenen Besoldung, die jedoch nur aus minderwertigen und unbrauchbaren Münzen bestand.1394 Zu Beginn des Winters 1706 war die Situation derart prekär, dass der vor den Kompaniewagen eingespannte Ochse geschlachtet werden musste, da dessen Fourage nicht mehr bezahlt werden konnte. Hauptmann v. Gleichen berichtete, „waßmaßen [man] den bey der Compagnie habenden Proviantwagen forthin nicht mehr brauchen […] kann, dieweil man schon den Centner Heu [für den Ochsen] vor 1 Reichsthaler und den Bund Stroh biß 6 xr. seit zwey Monathen bezahlen müßen“.1395 Mit der Verlegung des Reichskontingents in die Festung Landau entspannte sich die Situation zusehends. In Landau waren zahlreiche Kaufleute ansässig, mit denen der Hauptmann in persönlichem Kontakt stand und die 1391 REDLICH, Military Enterpriser, Bd. 2, S. 238. 1392 John LYNN, Giant of the Grand Siecle: The French Army 1610–1715, Cambridge 1997, S. 152. 20 sol = 1 livre, p. Monat = 7,5 livre = 3 fl. 45 xr. 1393 ThStAM, GA Hbn, XXII, 27, 17.7.1703 [II], fol. 1r. 1394 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 13.9.1704. 1395 ThStAM, GA Hbn, XXII, 31, 3.11.1706, fol. 1r.
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ihm in Notzeiten privaten Kredit gewährten, um wenigstens die Grundbedürfnisse der Soldaten zu befriedigen.1396 Zu einem größeren quellenmäßig fassbaren Zwischenfall kam es erst wieder zu Beginn des Jahres 1713, als sich der größte Teil der Kompanie über eine ausbleibende Besoldung beschwerte. Einige Soldaten hatten über den Winter drei Monate lang keinen Sold erhalten. Sie wandten sich daher an Leutnant Rüdiger, der ihnen zusagte, deswegen ein Schreiben nach Hildburghausen abgehen zu lassen. In Ungeduld und Not hatte eine Gemeinschaft von Soldaten bereits vorher ein Schreiben an Herzog Ernst gerichtet und geklagt, „daß wir in Ihro Hochfürstliche Durchlaucht gnädigste Dienste unter Dero alhier stehenden Compagnie angenommen worden und uns versprochen, unsere Montur, Brodt und Geld, wann es fällig ist, richtig zu geben, das Geld aber ist uns ziemlich ausgeblieben“.1397 Der Kommandeur des Allianzregiments, Obrist v. Uslar, kreidete es später den Soldaten an, nicht den ordentlichen Dienstweg eingehalten zu haben. Er beauftragte Leutnant Rüdiger mit einer Untersuchung und vergaß darüber die Angelegenheit des ausstehenden Soldes völlig. Der Obrist v. Uslar berichtete über die weitere Entwicklung: „Nachdem nun der Leutnant [Rüdiger] solches [die Untersuchung] vornehmen undt einige, um sie darum anzusuchen, vor sein Quartier hohlen lassen, haben sich andere unterstanden, sich vor berührten Leutnants Quartier zusammen zu rotten undt sich darwider zu setzten, welches beynahe eine Rebellion verursachet [habe].“1398
5.9 Uniformierung und Ausrüstung „[Ich habe] um meinen Abschied angesuchet, welches mir aber der Herr Hauptmann sehr übel ausgelegt und mich deßwegen 4 Wochen lang in Arrest setzen und meine Montur wegnehmen laßen […].“1399 Musketier Caspar Förster, 1705
Die Uniformierung der Reichskontingentssoldaten während des Spanischen Erbfolgekrieges unterschied sich nur unwesentlich von derjenigen des Landregiments dieser Zeit. Sie bestand aus einem weiß-grauen Waffenrock aus Leinen und Wolle, der mit roten Tuchaufschlägen und ebensolchem Futtertuch versehen war. Das Kamisol war aus Leinen gefertigt. Die Knöpfe der Montur bestanden bei gemeinen Soldaten aus Holz, von den Korporälen aufwärts aber aus Zinn. Dazu trug der Soldat einen schwarzen Dreispitz mit weißer Hutschnur. An den Beinen trugen die Mannschaften rote Strumpfgamaschen, die mit einem Lederriemen oberhalb des Knies befestigt wurden. 1396 Unter anderem so geschehen im Jahre 1708, als der Jude Simon Samuel dem Hauptmann v. Gleichen Kredit gewährte, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 15.9.1708. 1397 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 24.1.1713 [II], fol. 1r. 1398 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 4.2.1713, fol. 1r. 1399 ThStAM, GA Hbn, XXII, 30, 11.2.1705, fol. 1v.
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Die Uniformierung der Offiziere war ähnlich ausgeführt und unterschied sich lediglich durch einen roten Waffenrock mit weißen Tuchaufschlägen. Eine erhaltene Aufstellung gibt Aufschluss über die Kosten für die Montierung eines gemeinen Soldaten: 9 fl. 17 ggr. 6 ½d. Rock und Kamisol 14 ggr. 9 ½d. Hut mit eingefassten Schnüren 1 fl. 5 ggr. 3 d. Halstuch 5 ggr. 8 d. Degen 16 ggr. 10 d. Degenkoppel 1 fl. 4 ggr. 2 ½d. Ein Paar Hosen 12 ggr. 7 d. Ein Paar Strümpfe 1 fl. 4 ggr. 2 ½d. Ein Paar Schuhe 8 ggr. 5 d. Ein Tornister 3 ggr. 6 d. Ein Paar Handschuhe 1 fl. 7 ggr. Zwei Hemden Summe: 17 fl. 16 ggr. Tabelle 17: Kosten für einen Rekruten exklusive Werbegeld und Obergewehr, 1707. Auf Grundlage einer Zusammenstellung aus ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 32
Zur Ausrüstung der gemeinen Soldaten gehörten eine Muskete mit Tüllenbajonett sowie ein Infanteriesäbel mit Koppel, dazu eine gefüllte lederne Patronentasche mit Pulver, 36 Kugeln und 6 Flintsteine sowie ein Tornister („Rantzen“), der wahrscheinlich aus Kalbfell gefertigt war.1400 Die tägliche Verpflegung wurde in einem leinenen Brotbeutel, Trinkwasser in einer hölzernen Feldflasche mitgeführt. Die gesamte Ausstattung eines Soldaten des Reichskontingents mit Uniform und allen dazugehörigen Ausrüstungsgegenständen belief sich im Jahre 1707 auf einen Gesamtwert von 17 Gulden und 16 Gute Groschen. Demnach kostete die gesamte Montierung des Reichskontingents bei einer Mannschaftsstärke von 152 Mann insgesamt 2699 Gulden und 17 Gute Groschen. Trotz der Tatsache, dass für die Ausstattung der Soldaten bedeutende Summen ausgegeben wurden, war die Qualität der gelieferten Montur- und Ausrüstungsgegenstände häufig mangelhaft. So berichtete Hauptmann Spiller v. Mitterberg im Jahre 1704 über neu gelieferte Musketen, „daß [diese] nicht viel nutze[n], indem ein Kerl über 6 mahl nicht daraus feuern darff, so crepiret der Lauf gleich“.1401 Koppel und Patronentaschen wurden während des gesamten Krieges nicht erneuert und verblieben von 1703 bis 1713 in Dienst. Noch im Dezember 1712 berichtete Hauptmann Thiel: „So fehlet bey den gantzen mir gnädigst anvertrauten Hochfürstlichen Reichs-Contingent […] Neugewehr, Degen, Pajonet, 1400 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 129r. 1401 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 10.11.1704, fol. 1v.
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Kuppel und Patronentaschen, in dem von diesen allen, so lange die Compagnie stehet nichts als bey Etablirung derselben, gegeben worden und daher in Abgang kommen, zumahlen das Gewehr, welches gantz unbrauchbar worden.“1402 Bei der Bekleidung war die Situation ebenfalls schwierig: Die Kleidungsstücke der großen Montur sollten ursprünglich alle zwei Jahre ersetzt werden. Sowohl aus finanziellen als auch aus organisatorischen Gründen unterblieb dies ab 1706 vollständig, sodass die lang gedienten Soldaten gegen Ende des Krieges stark abgenutzte Uniformen trugen. Hauptmann v. Gleichen berichtete im Dezember 1709 an Herzog Ernst, „daß der alte[n] Mannschafft fast zwey Jahr getragene Montur in solchen Stande, daß nicht wohl länger dann zwey biß drey Monath darin zu subsistiren; allermaßen, die Fatiguen, so den Ruin verursachen in hiesiger Garnison [Landau] vor den Musquetirer viel schwehrer, alß wann solche im Feldt stehen“.1403 Eine Lösung konnte dafür nicht gefunden werden, sodass die Soldaten auch im folgenden Jahr unzureichend bekleidet waren. Etwa ein Jahr später – im November 1710 – wandte sich Hauptmann v. Gleichen erneut an den Herzog und berichtete, dass „allermaßen viele von der mir gnädigst anvertrauten Compagnie […] sich fast nicht bedecken oder vor der von Tag zu Tag vermehrenden Kälte schützen können“.1404 Als in den folgenden Wintermonaten die Desertion stark überhand nahm, wurde auch der Regimentskommandeur, Obrist v. Uslar, auf den Missstand der Bekleidung aufmerksam. Auch er beschrieb, „wie der Abgang der Montur bey Dero Contingent so groß [sei], daß [sich] fast die Leute bey dießer Kälte nicht zu subsistieren wissen“.1405 Eine spürbare Verbesserung der Situation sollte erst im Mai 1712 eintreten. Zu diesem Zeitpunkt entschied man sich in Hildburghausen, auch den Uniformersatz in die Hände eines jüdischen Kaufmannes zu legen, und schloss mit dem Bamberger Juden David Meyer einen Lieferantenvertrag.1406 Dieser lieferte im Sommer 1712 einen kompletten Satz neuer Monturen an das Reichskontingent und war auch für den Ersatz zuständig.1407 Im Übrigen schien auf französischer Seite ebenfalls Bekleidungsmangel zu herrschen, denn mehr als einmal wurden hildburghäusischen Soldaten von Franzosen überfallen und ihrer Bekleidung beraubt. Im Jahr 1712 wurden beispielsweise dem Musketier Wilhelm Schamberger 18 Gulden „zu montiren,
1402 1403 1404 1405 1406 1407
ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 15.12.1712, fol. 1r. [84r.]. ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 339r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 8.11.1710, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 3.2.1711, fol. 1v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 10.5.1712. Die Geschäftsbeziehungen Meyers mit dem Fürstentum Sachsen-Hildburghausen wurden später beendet. Aufgrund des bereits weit fortgeschrittenen Krieges wurden seine Dienste nicht mehr benötigt.
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als selbiger auf dem Commando vom Feinde gefangen und der Leibesmontur völlig beraubet worden“ ausgezahlt.1408 Uniformierung und Ausrüstung der Mannschaften des Reichskontingents wurden von herzoglicher Seite aus sehr sparsam zur Verfügung gestellt und nur sporadisch ersetzt. Der projektierte Ersatz der Kompaniefahne ist in diesem Zusammenhang besonders markant. Im März 1709 beschlossen Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach im Interesse ihrer Reputation, die Kompaniefahnen ihrer Kontingente zu ersetzen. Im Zuge dessen wurde Herzog Ernst durch den Obristen v. Uslar darauf hingewiesen, dass „die Fahne bey Euer Hochfürstlichen Durchlaucht Contingent zu Fuß auch ziemlich abgangen [sei]“.1409 Im Sinne des Sparkurses gab der Herzog dem Obristen darauf zu verstehen, dass „eine alte und bey vielen Occasionen gebrauchte Fahne dem Bataillon mehr Gloire und Reputation als eine neue bringet“.1410 Später stellte der Herzog gar den Verschleiß der alten Kompaniefahne in Abrede, da das Kontingent meist als Festungsgarnison eingesetzt war, und lehnte einen Ersatz kategorisch ab. Des Weiteren besaß die Kompanie noch einen Proviant- sowie einen Zeltwagen. Beide Wagen wurden zunächst von Pferden gezogen, bereits nach einem Feldzug aber durch kostengünstigere und genügsamere Ochsen ersetzt. Der Proviantwagen wurde vom Fourier und den Fourierschützen zum Transport des Proviants verwendet und war auf Märschen stets mit Brot und Hafer für vier Tage beladen. Der Zeltwagen transportierte die Lagerutensilien des Reichskontingents. Dazu gehörten neben den vier Offiziers- und Unteroffizierszelten insgesamt vierzig Mannschaftszelte, achtzig Zeltbeile und vierzig Kochkessel. In jedem Zelt befanden sich durchschnittlich zwischen drei bis vier Soldaten, die eine Zeltgemeinschaft bildeten. Innerhalb dieser Gemeinschaften wurde gemeinsam geschlafen, gekocht und gearbeitet.
1408 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 227v. 1409 ThStAM, GA Hbn, XXII, 33, fol. 75r. 1410 Ebd., fol. 74r.
6. Die Militärgerichtsbarkeit
6.1 Grenadiergarde und Landregiment „Hat er wegen vielfältigen Verbrechen verdienet, daß er 20mahl Gaßenlauffen und ohne Abschied von der Companie gejagt werde.“1411 Obrist und Präses des Kriegsgerichts Christian Friedrich v. Brüchting, 1723
6.1.1 Der Auditeur und seine Pflichten Eine zentrale Figur in militärjuristischen Verfahren war der Auditeur. Er war eine „bestellte öffentliche Person, welche die bey den Soldaten vorfallende RechtsStreitigkeiten und Händel nach den Kriegs-Rechten und Gebrauch untersuchet, in gewißen nachgelassenen Fällen entscheidet“,1412 ohne jedoch dabei über eigene Gerichtsbarkeit zu verfügen.1413 Diese nahmen die Regimentsobristen über die ihnen unterstellten Soldaten wahr. So war der Auditeur meist einem Regiment beigeordnet. In größeren Heeren existierten mehrere Ebenen des Auditeurdienstes, die sich hierarchisch abgrenzten, sodass man hier zwischen Generalauditeuren, Oberauditeuren oder Regimentsauditeuren unterschied. In Sachsen-Hildburghausen wurde im Verlauf der Errichtung der fürstlichen Garden erstmals im Jahre 1718 ein Auditeur angestellt. Dabei handelte es sich um den Juristen Johann Michael Lützelberger, der bis in die Regierungszeit Ernst Friedrichs II. hinein die juristische Betreuung des gesamten hildburghäusischen Militärs übernahm. Es wurde stets nur ein Auditeur angestellt, der sowohl für die Grenadiergarde als auch für das Landregiment zuständig war. Nach der endgültigen Entlassung der Gardetruppen blieb der Auditeur dann lediglich für das Landregiment verantwortlich.
1411 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 28.5.1723, fol. 6v. 1412 Johann August HELLFELD, Repertorium Reale Practicum Iuris Privatii Imperii RomanoGermanici oder vollständige Sammlung aller üblichen und brauchbaren Rechte im Heiligen Römischen Reiche, Jena 1753, S. 340. Heinrich ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 2 (1732), Sp. 2123 definiert den Auditeur als „Justitiarius oder Kriegs-Richter, welcher alle vorkommende Proceß- und andere dahin einschlagende Sachen verrichten muß[te]“. Dasselbe auch bei Johann Hieronymus HERMANN, Allgemeines Teutsch-Juristisches Lexicon, Jena 1741, S. 137. KUTSCHE, Kriegsbild, Wehrverfassung und Wehrwesen, S. 393 f. rezipierte dies später. 1413 Gottfried Erich ROSENTHAL, Encyclopädie der Kriegswissenschaften, das ist: Kriegskunst, Kriegsbaukunst, Artillerie, Minirkunst, Pontonir-Feuerwerkskunst und Taktik, ihrer Geschichte und Literatur, in alphabetischer Ordnung, Bd. 1, Gotha 1794, S. 241.
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Voraussetzungen für den Dienst als Auditeur war ein juristisches Studium sowie eine gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit. Zudem sollte der Bewerber Gewissenhaftigkeit und einen ehrbaren Lebenswandel an den Tag legen.1414 Die Pflichten des Auditeurs waren vielfältig:1415 Er war mit allen juristischen Angelegenheiten innerhalb des Militärs befasst. Er beschäftigte sich mit den Beschwerden der Soldaten, untersuchte diese und sprach gegebenenfalls Empfehlungen aus. Zudem war er Schreiber bei der Enrollierung der gemeinen Soldaten und Offiziere sowie Sekretär der gesamten Kompanie. Bei jeder Vereidigung der angeworbenen Soldaten sowie beim Schwur auf die Fahne musste er zugegen sein. Er leistete den Handschlag. Bei dieser Gelegenheit sowie alle Vierteljahre verlas der Auditeur die Kriegsartikel, erläuterte den Fahneneid und die Pflichten des Soldaten.1416 Bei Unklarheiten war er der Ansprechpartner für alle Militärangehörigen. Wenn ein Offizier verstarb, war es die Aufgabe des Auditeurs, den Nachlass zu inventarisieren und zu besiegeln. Bei der Übergabe des Nachlasses an Verwandte bzw. bei dessen Verkauf musste er ebenfalls persönlich anwesend sein. Wenn schwere Vergehen der Soldaten ein Kriegsgericht erforderten, hatte der Auditeur den Gegenstand des Verfahrens genau zu untersuchen und das Ergebnis dem Obristen der Grenadierkompanie bzw. des Landregiments mitzuteilen. Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte er Hausdurchsuchungen anordnen und musste diesen persönlich beiwohnen. Im Rahmen des Verhörs führte der Auditeur zudem das schriftliche Protokoll über die Aussagen der Delinquenten;1417 darüber hinaus stand ihm neben dem Kriegsgerichtspräsidenten ein entscheidendes Votum bei der Urteilsfindung zu. Eine hildburghäusische Verordnung aus dem Jahre 1780 zu den Pflichten und dem Status des Auditeurs beim Landregiment erwähnte den „Gebrauch, […] daß wann ein Kriegsrecht oder Session gehalten wird, sich keiner mit den Stiefeln, Ring an Finger, Stock in der Hand, einfinde; dieses fället dem Auditor [sic!] anheim“.1418 1414 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 220r. 1415 Ebd., fol. 221r.; ZEDLER (Hg.), Universallexicon, Bd. 2, Sp. 2124 f. 1416 In einem Fall ist dies sogar außerhalb des Reglements überliefert. Als Herzog Ernst Friedrich III. Carl am 18. Oktober 1748 erneuerte Kriegsartikel für das Landregiment publizieren ließ, berichtete der bei der Vereidigung anwesende fürstliche Kommissar Johann Sebastian Kob: „Actum Hildburghausen, den 18. October 1748. Auf vorstehende KriegsArticuln haben bey deren anheute beschehenen solennen Publication und deren dortlichen Vorlesung, welche der Auditeur, Herr Hauck, verrichtete, die sämtliche Herren Stabs- auch Ober- und Unterifficiers und allerseits Gemeine des löblichen Regiments, in Gegenwart meiner, […] den Eyd würklich abgeschworen“, ThStAM, SM, Inneres, 23781, 18.10.1748. 1417 In den 1730 niedergeschriebenen Instruktionen Herzog Ernst Friedrichs II. für den Auditeur Thauer heißt es dazu: „Und weiln sehr viel an der Ordnung und Interesse der Protocolln gelegen, so hat er alles in den Zusammenhang, wie über eine Sache deponiret wird, getreulich niederzuschreiben […]“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 29.4.1730, fol. 1r. 1418 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 220v.
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Der Auditeur, „dem gemeiniglich nach seinen Vorverhalten ein Officier Titul gegeben [wird]“,1419 gehörte zum sogenannten kleinen Stab, dem auch Unteroffiziere, Musiker und Profoss angehörten. In Sachsen-Hildburghausen war er in Rang und Besoldung dem Fähnrich gleich. Seine besondere Stellung wurde jedoch dadurch unterstrichen, dass er – im Gegensatz zu anderen Mitgliedern des kleinen Stabes – keiner Leibesstrafe unterworfen war. Um ihn vor Bedrohungen und Anfeindungen zu schützen, war er dem Hauptmann bzw. dem Obristen direkt unterstellt. Über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Auditeure in SachsenHildburghausen ist nur wenig erhalten geblieben. Der Amtsaktuar Johann Martin Bähring, der im Dezember 1732 Auditeur wurde, erhielt monatlich drei Gulden und zwanzig Kreuzer als Besoldung. Vermutlich wurde dieses Besoldungsniveau ohne größere Schwankungen bis zur endgültigen Abdankung der Garde beibehalten. Die vergleichsweise niedrige Besoldung der Auditeure ist damit zu erklären, dass deren Dienstverhältnis – ähnlich wie dasjenige der Feldschere – keinen rein militärischen Charakter hatte. Vielmehr arbeiteten sie zusätzlich noch als zivile Juristen. Darüber hinaus rechneten die Auditeure einzelne Posten separat mit der Landschaftskasse ab. So wurden Verhöre, Protokollführung und andere Leistungen gesondert vergütet. Im Jahr 1744 kostete die Vereidigung eines Landregimentssoldaten mit Handschlag 17 Kreuzer und 2 Pfennig. Bei der Verpflichtung von zehn Soldaten erhielt der Auditeur also nahezu drei Gulden. Zudem wurden nicht nur neu angeworbene Rekruten vereidigt; auch bei jeder Regierungsübernahme eines neuen Herzogs erfolgte die Vereidigung der Truppen auf den neuen Fürsten. Des Weiteren wurden Verhöre je nach Aufwand mit neun bis dreißig Kreuzer berechnet und die Einschreibung von neuen Offizieren in die Stammrolle sowie die Aufsicht beim Verkauf der Nachlässe verstorbener Offiziere ebenfalls gesondert vergütet. Obwohl die regelmäßigen Einnahmen aus dem militärischen Dienst eine wichtige Einkommensquelle des Auditeurs darstellten, verschärfte sich dessen wirtschaftliche Situation nach 1770 bedeutend. Mit der endgültigen Abdankung der Garde fielen plötzlich zahlreiche einträgliche Tätigkeiten weg. Damit einhergehend wurde auch die ohnehin niedrige Besoldung gekürzt. Die Aufgaben beim Landregiment reichten nicht aus, um die Einnahmen auf ausreichender Höhe zu halten. Nach 1770 bezog ein Auditeur in SachsenHildburghausen jährlich lediglich zwanzig Gulden Besoldung. Ernst Friedrich Schüler, seit 1773 Inhaber des Amts, beschwerte sich daher 1783 beim Regenten Prinz Joseph Friedrich über die unhaltbare Einkommenssituation. Schüler führte aus, das Jahresgehalt sei vollends unzulänglich, da „ich aber bey 1419 Ebd., fol. 222r.
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meinem wenigen Salario noch sogar alle Schreib- und Siegel-Materialien ex propriis vorzuhalten genöthiget bin“.1420 Der Auditeur bat in diesem Zusammenhang um eine Erhöhung der Besoldung bzw. um die Erlaubnis, die Bearbeitungsgebühren zu erhöhen. Die zu diesem Zeitpunkt von der Landschaftskasse jährlich für das Militär freigegebenen viertausend Gulden waren jedoch bereits vollständig verplant, sodass eine generelle Besoldungserhöhung nicht in Frage kam.1421 Drei Jahre später wandte sich Schüler an Herzog Friedrich und bat formell um eine Rangerhöhung bzw. Beförderung zum Stabsauditeur, „indem ich dem Herkommen nach nicht einmal dem letzten Lieutenant gleich komme, sondern nachgehen müß[t]e, da ich jedoch bey vorkommenden Fällen in gewißen Betracht über deren facta cognosciren und judiciren müßte“.1422 Tatsächlich erfolgte am 18. Februar 1787 die Beförderung zum Stabsauditeur,1423 die jedoch – wie sich bald herausstellen sollte – nicht die erhoffte höhere Besoldung mit sich brachte, sodass die Unzufriedenheit des Auditeurs beträchtlich anwuchs. Im Jahre 1793 fiel Schüler aus nicht näher bekannten Gründen in Ungnade bei Herzog Friedrich und wurde seiner militärischen Pflicht entbunden.1424 Ihm folgte im Juli 1793 der Jurist Christian Friedemann Bartenstein, der erstmals auch „mit Charakter und Rang eines Leutnants“1425 versehen wurde, als Sekretär und Auditeur nach. An der niedrigen Besoldung änderte sich jedoch nichts. Der neue Auditeur unterstand jetzt der wenige Wochen zuvor eingerichteten Kriegskommission und war sowohl für die Belange des Landregiments als auch für die Verwaltung des Reichskontingents im Ersten Koalitionskrieg verantwortlich. Im Zuge der Koalitionskriege und der damit einhergehenden Verpflichtungen erwies sich die Besoldung in Hildburghausen erneut als zu niedrig. In dieser Situation wurde dem Auditeur angeboten, ihn bei der künftigen Besetzung der Stadtdirektorenstelle1426 zu berücksichtigen. Auf dieses Angebot vertrauend, konstatierte Bartenstein im Februar 1804: „Der Geschäfte des Kriegs-Secretariats sind im vorigen Jahr so viele gewesen, daß ich meine
1420 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 10.6.1783, fol. 1v. 1421 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 9.9.1783, fol. 1v. 1422 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 3.7.1786, fol. 1v. An diesem Schreiben ist bemerkenswert, dass es an Herzog Friedrich gerichtet war, obwohl Prinz Joseph Friedrich nach wie vor die Regierungsgeschäfte in Sachsen-Hildburghausen führte. 1423 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 18.2.1787, fol. 1r. Auch hier ist bemerkenswert, dass die Beförderung etwa einen Monat nach dem Tode des Prinzen Joseph Friedrich erfolgte. 1424 Auf den Zwischenfall des Jahres 1793 weist ein Brief Schülers an Herzog Friedrich hin, in dem er den Herzog um Audienz bat, vgl. ThStAM, SM, Inneres, 24296, 1.7.1793. 1425 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 15.7.1793, fol. 1r. 1426 Der Stadtdirektor leitete die kommunale Verwaltung der Stadt und war juristischer Berater des Stadtrates. Hier zeigte sich der bereits umfassende Einfluss der herzoglichen Regierung auf die städtischen Angelegenheiten in Hildburghausen.
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Advocatenpraxis, die mir vorher beträchtlichen Ueberverdienst gewähret hat, beynahe ganz habe aufgeben müßen. Auch dieses Opfer habe ich gerne gebracht […].“1427 Die versprochene Stelle wurde dann jedoch anderweitig besetzt, und so versah Bartenstein wahrscheinlich noch bis 1806 seinen Dienst als Auditeur und Sekretär der Kriegskommission. Während der Koalitionskriege und Rheinbundzeit änderte sich die Situation des Auditeurs nicht. Erst mit der Reorganisation des herzoglichen Militärs ab 1815 verbesserte sich auch dessen Lage merklich. Im Jahre 1819 erhielt ein Auditeur in SachsenHildburghausen eine jährliche Besoldung von 62 Gulden und 30 Kreuzer.1428 Name Lützelberger, Johann Michael Thauer, Nikolaus Bähring, Johann Martin
Auditeure im Dienste Sachsen-Hildburghausens Dienstzeit Sonstige Tätigkeiten 1718–1726 Amtsaktuar 1726- 1732 1732–1737
Hauck, Friedrich Christoph
1737–1751
Brunnquell, Johann Christoph v.
1751–1773
Schüler, Ernst Friedrich
1773–1793
Bartenstein, Christian Friedemann
1793–1806
Hofadvokat in Hildburghausen, Syndikus in Heldburg Amtsaktuar in Hildburghausen (1729), Amtsverweser in Sonnefeld (1738), Fähnrich in der Sonnefelder Landregimentskompanie (~1755) geboren 1712, Hofadvokat (1734– 1741), Syndikus und Stadtschreiber in Heldburg (1741–1744), dann Amtsverweser in Hildburghausen (1744– mindestens 1780) Stadtsyndikus (1753–1801), Mitglied des Geheimen Ratskollegiums (seit 1780), Kanzler (seit 1789), gest. 1801 Stadtsyndikus, Hofadvokat (1785), Stadtrat (1800), Landrat (1813), als Botaniker unterhielt er eine Baumschule und veröffentlichte die Schrift „Kurzer Unterricht in der Obstpflege für den Landmann“, Hildburghausen 1799 Amtmann zu Hildburghausen, meinigischer Regierungsrat (1829)
Tabelle 18: Die Auditeure in Sachsen-Hildburghausen, 1718–1806. Auf Grundlage von: ThStA Mgn, GA Hbn, XXII, 42 sowie ThStA Mgn, SM, Inneres, 23781 u. 24296; KRAUS, LANDES-HISTORIA, Bd. 1 (1750), S. 255 u. Bd. 2 (1752), S. 90 ff., 369 u. 397; NEUENHAHN, Annalen der Gärtnerey, Bd. 10 (1799), S. 67 f.; WITTER, Die Landstände (2008), S. 260, Anm. 38.
1427 ThStAM, SM, Inneres, 24296, 5.2.1804, fol. 1r. 1428 Landtags-Verhandlungen im Fürstentum Hildburghausen, Bd. 1, Hildburghausen 1819, S. 229.
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6.1.2 Kriegsgericht und Strafmaß Waren der Auditeur und der Obrist der Garde im Zuge eines Verhörs zu der Erkenntnis gekommen, dass ein besonders schwerer Fall vorliege und der Delinquent nach dem Artikelbrief bestraft werden müsse, teilten beide dies dem Herzog mit. Dieser ordnete anschließend die Durchführung eines Kriegsgerichtsprozesses an, überließ aber die Berufung der einzelnen Chargen dem Auditeur und dem Obristen. Zwischen dem abschließenden Verhör und dem Beginn eines Kriegsgerichts, das in Hildburghausen oder auf der Veste Heldburg stattfinden konnte, vergingen selten mehr als zwei Tage. Der Obrist wählte jeweils zwei Vertreter jeder Rangstufe aus, um am Kriegsgericht teilzunehmen. Bei der hildburghäusischen Grenadiergarde bestand das Kriegsgericht aus je zwei Gemeinen, Korporälen, Fähnrichen, Leutnants und Hauptmännern. Major und Obristleutnant fanden sich zu einer Charge zusammen. Den Vorsitz über das Kriegsgericht führte der Obrist, während der Auditeur als Schriftführer fungierte. Es gab für die Kriegsgerichte keinen festgesetzten Ort. Sie wurden nachweislich u. a. in der Hildburghäuser Wachstube, gelegentlich auch im Freien vor der Wachstube oder im Innenhof der Veste Heldburg abgehalten. Alle Beteiligten versammelten sich in einer nach Rängen abgestuften Sitzordnung am Ort des Kriegsgerichts. Dann wurde der Delinquent vorgeführt und den Beteiligten noch einmal offiziell vorgestellt. Diejenigen Mitglieder des Kriegsgerichts, die an den vorangegangenen Verhören beteiligt waren, kannten ihn bereits. Nach der formellen Eröffnung durch den Obristen wurde allen Beteiligten durch den Auditeur und in Anwesenheit des Delinquenten der Eid abgenommen.1429 Danach führte man den Delinquenten ab. Anschließend verlas der Auditeur die während der Verhöre aufgezeichneten Protokolle. Der Großteil der Mitglieder war bei diesen Verhören nicht zugegen gewesen und erfuhr nun erstmals Details des Deliktes, über welches zu urteilen war. Nach dem Verlesen gab es die Möglichkeit, offen über verschiedene Aspekte des vorliegenden Falles zu diskutieren oder Fragen an den Auditeur zu richten. Nach dieser „umständigen Relation und beschehener Deliberation“1430 zogen sich die 1429 Der Eid lautete: „Wir geloben und schwören bey Gott und seinem heiligen Wort, daß wir alles und jedes, was ietzo vorgelesen, vorgebracht und gehandelt werden wird, nach unserm besten Verständnüs mit allen Umständen genau erwegen und überlegen und nach Befinden, ohn einiges Ansehen der Persohn, helffen recht richten und urtheilen wollen und solches weder um Gunst und Freundschaft, vielweniger Geschenk und Gaben, am allerwenigsten aber einen Schuldigen zu befreyen oder einen Unschuldigen zu condemniren, sondern dermaßen, daß wir es sämtlich gegen den allgerechten Gott vor seinem gestrengen Gericht [und] unserer hohen Obrigkeit verantworten können, so wahr uns Gott helffe durch Jesum Christum unsern Heiland und Seeligmacher Amen“, ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 28.5.1723, fol. 1v. 1430 Ebd., fol. 2r.
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Mitglieder zurück und berieten über das zu fällende Urteil. Jeder Rangstufe fiel ein Votum zu. Dies bedeutete, dass sich die beiden Vertreter einer Rangstufe auf eine gemeinsame Stimme einigen mussten. Schließlich trat der Auditeur vor, forderte den sechs Ranggruppen, von den Gemeinen aufwärts, ihr Votum ab und zeichnete diese sowie die dazu abgegebene Begründung auf. Alle abgegebenen Voten wurden in einer Übersicht zusammengestellt. Die Urteilsfindung beruhte generell auf dem Mehrheitsprinzip, wovon man in Sachsen-Hildburghausen jedoch abwich. Bei dem Urteil handelte es sich streng genommen um eine Empfehlung, die dem Herzog vorgelegt wurde. Er war es, der dem Urteil zu Rechtskraft und Ausführung verhalf. Die folgende Übersicht fasst die Voten zusammen, die 1723 im Rahmen eines ausgedehnten Kriegsgerichtsprozesses mit mehreren Delinquenten abgegeben wurden: Ort/Datum Delinquent
Grenadier J. Röder
Vergehen
Desertion
Herzogliche Entscheidung Zwei KorpoHerzogliche räle Entscheidung Zwei FähnriHerzogliche che Entscheidung Zwei LeutHerzogliche nants Entscheidung Zwei HauptHerzogliche männer Entscheidung Major und Zwei Jahre Obristleutnant Festungshaft Zwei Jahre Obrist Festungshaft
Zwei Gemeine
Urteil
Zwei Jahre Festungshaft
Hildburghausen, 29. Mai 1723 Grenadier J. E. Gefreiter J. Röhring Ebert Gewalt gegen Desertion Untergebene Herzogliche G.*, 1 Tag, 6x Entscheidung Herzogliche G., 1 Tag, 9x Entscheidung Herzogliche G., 1 Tag, 10x Entscheidung Herzogliche G., 1 Tag, 6x Entscheidung
Grenadier L. Braun Gewalt gegen Untergebene G., 2 Tage, 9x G., 2 Tage, 9x G., 1 Tag, 20x G., 1 Tag, 12x
G., 20x
G., 1 Tag, 6x G., 1 Tag, 12x
G., 2 Tage, 7x
G., 1 Tag, 8x G., 1 Tag, 12x
Zwei Jahre Festungshaft
G., 1 Tag, 10x G., 1 Tag, 20x
Zwei Jahre Festungshaft
G., 1 Tag, 8x
G., 1 Tag, 16x, Abschied
Tabelle 19: Zusammenstellung der bei einem Kriegsgericht der Grenadiergarde abgegebenen Voten, 1723. *Gassenlaufen
Anhand der Übersicht lässt sich der Ablauf der Urteilsfindung in mehreren Fällen gut nachvollziehen. Im Falle des Grenadiers Röder wollte die Mehrheit der Beteiligten ein Urteil der herzoglichen Entscheidung anheimstellen. Da dies sowohl für ein Urteil als auch für eine Empfehlung zu wenig substantiell war, entschied man sich auf Druck des Obristen für eine Empfehlung von
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zwei Jahren Festungshaft. Tatsächlich votierten aber nur die Stabsoffiziere dafür. Dass der Obrist als ranghöchster Offizier und Kommandant der Grenadiergarde wesentlichen Einfluss auf die Urteilsfindung hatte, zeigt sich auch am Beispiel des Grenadiers Röhring. Auch hier beabsichtigte die Mehrheit der Beteiligten eine Festsetzung des Strafmaßes durch den Herzog. Obwohl lediglich ein Votum – jenes des Obristen selbst – für eine zweijährige Festungshaft stimmte, wurde dies dennoch als Urteil und Empfehlung ausgesprochen. Das Mehrheitsprinzip kam im Fall des Gassenlaufens ebenfalls nicht zur Anwendung. Dies zeigt sich u. a. an den Fällen der Grenadiere Ebert und Braun, denen im Kriegsgerichtsprozess die Strafe des Gassenlaufens zugesprochen wurde. Die Urteilsfindung wurde hier im Rahmen einer einfachen Durchschnittsberechnung des täglichen Strafmaßes durchgeführt, und alle Voten flossen damit in das Urteil ein. Die im hildburghäusischen Militär verhängten Strafen schöpften das gesamte im 18. Jahrhundert übliche Spektrum aus: Sie reichten von Sonderdienst, Eselsitzen, Flintentragen und Pfahlstehen über Prügelstrafen, Arbeitsdienst und Gassenlaufen bis hin zum Tode durch Erhängen. Leichtere Strafen wie Flintentragen oder Pfahlstehen, wurden jedoch vom Kriegsgericht nicht verhängt. Bestrafungen dieser Art waren für geringere Vergehen vorgesehen, die einen Kriegsgerichtsprozess gar nicht erst notwendig machten. Sie wurden meist direkt vom Vorgesetzten des Delinquenten ausgesprochen und kamen umgehend zur Ausführung. Die Kriegsgerichtsprozesse in Hildburghausen nahmen stets Bezug auf den Artikelbrief und versuchten sich auch daran zu orientieren. Dieser unterschied jedoch nur diffus zwischen Leibes- und Lebensstrafe, sodass bei der Bestimmung des angemessenen Strafmaßes großer Spielraum bestand. Bei einer Betrachtung aller überlieferten Prozesse zeigt sich aber, dass das Strafmaß lediglich zwischen Arbeitsdienst, Gassenlaufen und dem Tod durch den Strang variierte. Alle drei Bestrafungsformen standen in einer engen Beziehung zueinander und wurden nicht wahllos ausgesprochen: Den größten Teil der Prozessfälle machten Desertionen aus, bei denen der Delinquent grundsätzlich die im Artikelbrief vorgesehene Todesstrafe zu erwarten hatte. Es fand sich kein Prozess, in dem diese nicht mindestens angedroht wurde. Als endgültiges Urteil wurde die Todesstrafe jedoch nur ausnahmsweise verhängt. In der archivalischen Überlieferung zur Grenadiergarde lässt sich nur ein solcher Fall nachweisen. Es handelte sich dabei um den vierzigjährigen Grenadier Ernst Severin Sommer aus Eisfeld, der sich mit Herzog Ernst Friedrich II. und einer Abteilung Grenadiere im Winter 1734/35 im Jagdschloss Ernstthal aufhielt. Sommer, der höchstwahrscheinlich während der Desertion aufgegriffen worden war, wurde umgehend der Kriegsgerichtsprozess gemacht, der mit dem Todesurteil endete. Herzog Ernst Friedrich II. sandte
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daraufhin folgendes Schreiben nach Hildburghausen: „Demnach ein Deserteur von unserer Grenadier Garde nahmens Sommer anheute durch ein über ihn gehaltenes Kriegsrecht zum Todt condemniret worden, diese Sentenz auch an ihm des nächstens vollzogen werden soll, mithin selbiger vorhero zu einen seligen Ende behörig zuzubereiten ist; Alß hat sich des Endes unser Hoff- und Guarnisons-Prediger Herr [Johann Gottfried] Nicander morgen zu rechter Zeit dahier einzufinden um sodann mit dem ermelten Delinquenten die nöthige Praeparation zu seinem Tode vornehmen zu können. Wornach sich zu achten. Ernstthal den 20. Januar 1735. Ernst Friedrich II.“1431 Wurde bereits der Prediger zur Abnahme der Beichte bestellt, gab es für den Delinquenten keine Hoffnung mehr. Der Grenadier Sommer wurde Ende Januar 1735 in Ernstthal gehängt. Obwohl eine exakte Quantifizierung der exekutierten Gardegrenadiere nicht möglich ist, stellte der Fall des Grenadiers Sommer wohl eine Ausnahme dar.1432 Im Fall des Grenadiers Sommer ist es zudem schwierig, eine Begründung für die harte Bestrafung zu finden. Andere Deserteure wurden durchweg mit Leibesstrafen abgeurteilt. Möglicherweise erlebte der Herzog das Delikt hautnah mit und war darüber besonders erbost. Immerhin versah Sommer als Leibwache im herzoglichen Jagdschloss Ernstthal seinen Dienst. In den meisten Fällen kamen die Herzöge mit den Delikten ihrer Soldaten nur indirekt in Berührung. Sie erfuhren durch offizielle Berichte davon und machten sich auf Grundlage der Akten ein eigenes Bild. Darüber hinaus gingen im Anschluss an zahlreiche Kriegsgerichtsprozesse Gnadengesuche der Delinquenten bei der Landesherrschaft ein. Diesen Gnadengesuchen wurde regelmäßig stattgegeben, was die geringe Zahl der Exekutionen im hildburghäusischen Militär erklärt. Zwischen ausgesprochenen und ausgeführten Todesurteilen bestand eine starke Diskrepanz. Dies lässt sich neben der Bezeigung fürstlicher Gnade vor allem durch die offensichtliche Erwägung des Nutzens begründen. Letztendlich nutzte ein exekutierter Grenadier, zumal wenn es sich um einen Landesuntertanen handelte, niemand. Zudem zeigte sich bereits während des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts, dass als Abschreckungsmaßnahme gefällte Todesurteile nur wenig Wirkung hatten. Dennoch war es für den Herzog wie für die Offiziere wichtig, ihre Sanktionsgewalt zu demonstrieren. Schließlich bestimmten die hildburghäusischen Kriegsartikel eindeutig die Todesstrafe. Als äußeres Zeichen fürstlicher Gnade entschied der Herzog in nahezu allen Fällen, die Strafe in eine schwere Leibesstrafe abzumildern. Eine abgemilderte Todesstrafe führte immer zu 1431 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 20.1.1735. 1432 Die Zahl der zum Tode verurteilten Soldaten darf nicht zu hoch angesetzt werden, da es unwahrscheinlich ist, dass über mehrere Jahrzehnte hinweg genau an diesen Stellen im Archivmaterial Lücken bestehen.
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Gassenlaufen und/oder Festungshaft mit Arbeitsdienst. Auf diese Weise konnte der Delinquent noch nutzbringend eingesetzt werden. Mildernde Umstände, wie sie für das Reichskontingent im Spanischen Erbfolgekrieg belegt sind, spielten bei den Gardegrenadieren eine geringere Rolle. Lediglich die Jugend eines Delinquenten und die mangelnde militärische Erfahrung konnten die Abwendung der Todesstrafe begünstigen. Im Rahmen der Leibesstrafen spielten diese und andere mildernde Umstände keine Rolle. Die familiären Bindungen eines Grenadiers fanden fast nie Berücksichtigung. Im Jahre 1724 saß der desertierte und von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilte Grenadier Nicolaus Tannhäuser in Arrest. Der plötzliche Tod von Herzog Ernst Friedrich I. veranlasste Tannhäuser dazu, ein Bittschreiben an den Erbprinzen zu richteten: „Indem ich aber der gewißen Hoffnung lebe […], daß ich nicht mit dem Strang hingerichtet, sondern [mir] eine solche Strafe wiederfahren möchte, daß ich doch nicht durch den Scharffrichter, sondern eine andere gnädige Strafe erlangen möchte.“1433 Tannhäusers Schreiben gelangte an die Vormundschaftsregentin Sophia Albertine, die eine Entscheidung in dieser Sache beförderte: „Nachdem nun […] theilß des Delinquenten Jugend, theilß deßen wehmütigste Bitte in Consideration gezogen, so haben höchst gedachte Ihro Durchlaucht als hohe Vormünderin und Landesregentin diese Lebensstrafe aus Hochfürstlicher Gnade dahin gemildert, daß dieser Tannhäußer mit 8 mahligen Gaßenlauffen, als 8 mahl hinauf und 8 mahl hinab, beleget und sonst auf das Schloß Heldburg zur Schanzarbeit bey Speisung Waßer und Brodts gebracht werden solle.“1434 Ähnlich erging es dem 28-jährigen Grenadier Johann Philipp Keller aus Simmershausen, der ebenfalls aufgrund einer Desertion zum Tode verurteilt worden war, aber 1733 überraschend von Ernst Friedrich II. begnadigt wurde: „Ob Wir wohlen aus bewegenden Ursachen in Gnaden entschloßen haben, den Delinquenten Keller wegen seiner verschiedenen zu Schulden gebrachten schwehren Verbrechen mit der in Unsern Kriegs-Articuln darauff gesetzten Lebens-Straffe dermahlen verschonen zu laßen, so soll er jedennoch nach militairischen Gebrauch mit einem 12 mahligen GaßenLauffen d. 1. 6mahl hinauf und 6mahl herunter durch 300 Mann ihme zum wohlverdienten Lohn, andern aber zum Abschein und Exempel, abgestraffet und so fort nach vorhero abgenommener Montur ohne Abschied von der Compagnie weggejaget werden.“1435 Welches Selbstverständnis hatten die Delinquenten und wie beurteilten sie ihre Taten? Im Mai 1723 beobachtete der nach Sachsen-Hildburghausen zurückgekehrte Deserteur Johann Erhard Röhring seine ehemaligen Kameraden aus der Ferne: „Er wäre auch, als die Compagnie herunter nach Heldburg marchiert, keine 20 Schuh darvon gestanden, hinter einer halben Klaffter Holz und hätte willens 1433 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 3.4.1724, fol. 1v. 1434 ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 6.4.1724, fol. 1r. 1435 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 20.4.1733, fol. 1r.
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gehabt, darzu zu gehen […].“1436 Röder war sich seiner Schuld durchaus bewusst. Er wünschte nach eigenem Bekunden inständig, seine Desertion wäre nie geschehen und er könnte zur Garde zurückzukehren, ohne Konsequenzen zu fürchten. Dieses Denkmuster ist fast allen desertierten oder anderweitig straffällig gewordenen Soldaten gemeinsam. Auch wenn es sich um eine aufrichtige Argumentation der Delinquenten handeln mochte, konnte diese im Rahmen eines Kriegsgerichtsprozesses nicht entschuldigend angeführt werden. Aus Sicht der Delinquenten war es daher notwendig, auf eine andere Argumentationsstrategie auszuweichen. Dies führte in vielen Fällen zum Abschieben der Verantwortung. Waren mehrere Soldaten an einer Desertion bzw. an einem Delikt beteiligt, beschuldigten diese sich regelmäßig gegenseitig. Auch Soldaten, bei denen eine vorangegangene freundschaftliche Beziehung nachgewiesen werden konnte, traten in den Verhören als Gegner auf. Der Grenadier Röder behauptete beispielsweise: „Er hätte niemahlen Willens gehabt seine Kriegs Articul zu brechen, wäre aber […] durch seine Cameraden […] dahin gebracht worden.“1437 Auch der Grenadier Wickler, der mehrmals selbst Desertionen initiiert hatte, schob im Rahmen seiner Verteidigung die Verantwortung auf andere ab: „Er hätte im geringsten keine Ursache, als die Verhetzung [Verleitung] und wüßte selbst nicht wie ihm geweßen, daß er durchgangen.“1438 Der Grenadier Tannhäuser gab an, durch „Verführung des argen Feindes [des Teufels] und Anreitzung böser Cammerathen und Gesellschaft“1439 dazu gebracht worden zu sein. Typisch für derartige Aussagen war die Verwendung der Passivform, die den Delinquenten zum Opfer der Situation bzw. eines verführenden Kameraden werden ließ. Gleichzeitig vergaßen hildburghäusische Delinquenten niemals zu erwähnen, dass sie Landesuntertanen waren. So formulierte auch der Grenadier Röder: „Er könnte es nicht über sein Hertz bringen, daß er seinen Landes Fürsten sollte untreu verbleiben, es wäre ihm herzlich Leyd, daß er sich verführen laßen.“1440 In ähnlicher Weise äußerte sich auch der Grenadier Schuchart, der ein Desertionsvorhaben zunächst ablehnte, weil er ein Landesuntertan sei. Der Grenadier Röhring bekannte zu seinem Vergehen freimütig, „daß er sich an Gott und seinen Landes Vater hart versündiget hätte, auch weiln er nicht gehalten, was ihm geordnet worden, harte Straffe verwircket“.1441
1436 1437 1438 1439 1440 1441
ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 2v. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 5r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 35, 28.11.1721, fol. 6r. ThStAM GA, Hbn, XXII, 35, 3.4.1724, fol. 1r. ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 5r. Ebd., fol. 8r.
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Für Soldaten, die sich allein ein Vergehen zu Schulden kommen ließen, war das Abschieben der Verantwortung indessen nahezu unmöglich. In diesem Fall versuchten die Delinquenten, andere Vorwände geltend zu machen. Beliebte Rechtfertigungen waren Alkoholeinfluss, innere Aufgewühltheit oder das Eingeständnis eigener Dummheit.1442 Dahingehend bat ein Grenadier, „weiln er doch […] ein junger Mensch sey, der sich […] in Trunck verführen laßen, […] ihn mit gnädiger Straff anzusehen“.1443 Der Grenadier Stelzner erklärte seine Unruhestiftung damit, dass „er solches in der Furie gethan [hätte], sey ihme sehr Leyd“.1444 Der Grenadier Fromann hingegen „habe aus Unverstand und Jugend diese Bosheit [Desertion] unbesonnen begangen, daher er auch unterthänigst anhoffe, daß ihme Gnade vor Recht angedeihen werde“.1445 Vor Kriegsgerichten des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen das Anführen von menschlich nachvollziehbaren Beweggründen als strafmilderndes Element. Die bei der hildburghäusischen Grenadiergarde vorgefallenen Vergehen sowie die anschließenden Verhöre ließen den Soldaten wenig Spielraum, dahingehend zu argumentieren. Sehnsucht nach der Familie oder Heimweh spielten keine Rolle. Mangelnde Bekleidung und Ausrüstung wurden nur selten angeführt. Tatsächlich konnte keiner der in den Akten vorkommenden Delinquenten eine stichhaltige Beschwerde oder eine nachvollziehbare Rechtfertigung vorlegen. Vor allem jüngere Grenadiere ließen sich zu emotionalen Regungen hinreißen und hofften, damit auf die Urteilsfindung Einfluss zu nehmen. In mehreren Fällen wurde darüber berichtet, dass Soldaten „bey währenden Kriegs Recht mit vielen Thränen ihr begangenes Unrecht beweinet [hätten]“.1446 6.1.3 Exemplarische Fälle vor dem Kriegsgericht 6.1.3.1 Der Fall des Johann Erhard Röhring in Gemünda (1723) Johann Erhard Röhring wurde 1702 in Gemünda, im Hochstift Würzburg gelegen, geboren. Nachdem er das Schmiedehandwerk erlernt hatte, arbeitete er gelegentlich in der fürstlichen Hofschmiede in Hildburghausen. Hier kam Röhring vermutlich erstmals in näheren Kontakt mit den Gardegrenadieren und ließ sich von diesen nach nur kurzer beruflicher Tätigkeit im Jahr 1720 1442 Im Gegensatz dazu spielten hier familiäre oder andere private Komponenten kaum eine Rolle. 1443 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 24.5.1723, fol. 8v. 1444 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, April 1734, fol. 10r. 1445 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 26.6.1736, fol. 3r. 1446 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 28.5.1723, fol. 5r.
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anwerben. Röhrings Eltern standen dem Soldatenleben ihres Sohnes von Anfang an skeptisch gegenüber. Unter finanziellen Aufwendungen und gegen den Willen des Sohnes erwirkten sie bereits nach elf Monaten dessen Entlassung aus dem Dienst. Zwei Jahre später ließ sich Röhring jedoch erneut anwerben und versah fortan seinen Dienst als Grenadier auf der Veste Heldburg. Bereits während seiner Zeit in Hildburghausen hatte Röhring die Magd Anna Maria Brandheim kennengelernt und führte wohl mit dieser eine lose Beziehung. Den Mitgliedern des Kriegsgerichts war jedenfalls bekannt, dass es sich dabei um eine Frau handle, „an der Er vorhero schon gehangen“.1447 Auch wurde Röhring von der Magd, wenn diese beispielsweise Briefe nach Heldburg brachte, gelegentlich besucht. Am 25. April 1723 sollte in Gemünda das Kirchweihfest stattfinden. In diesem Zusammenhang ersuchten die Eltern Röhrings den Heldburger Festungskommandanten Leutnant Schulz um eine Beurlaubung ihres Sohnes, damit dieser an den Feierlichkeiten teilnehmen könne. Der Bitte der Eltern wurde stattgegeben und Röhring wurde wenig später beurlaubt. Auf dem Kirchweihfest in Gemünda traf Röhring – ob unverhofft oder abgesprochen, muss dahingestellt bleiben – die Magd Anna Maria. Daraufhin „hatt er den Vater gleich angegangen, er soldte ihm Geld schaffen […] oder er woldte ihm und seine Mutter krumm und lahm hauen“,1448 auch „fienge [er] lauter schlimme Händel an und drohete Vater und Mutter im Hauß zu mortiren“.1449 Die Ursache der Streitigkeiten ist nicht überliefert, doch scheint die Magd dabei eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Noch am selben Tag schickte der Vater einen Bekannten auf die Veste Heldburg, um Leutnant Schulz zu bitten, seinen Sohn durch ein Kommando arretieren zu lassen. Schulz reagierte sofort und befahl den Grenadieren Lorenz Braun und Johann Ebert, am nächsten Tag nach Gemünda zu marschieren und Röhring in Gewahrsam zu nehmen. Letzterer sowie die Magd Anna Maria Brandheim wurden auch in Gemünda angetroffen, widersetzten sich jedoch ihrer Festnahme. Daher begaben sich die Grenadiere mit ihren Gefangenen zunächst zu einem herrschaftlichen Beamten. Da man sich auf dem Gebiet des Hochstifts Würzburg befand, war es notwendig, von diesem die offizielle Auslieferung der Delinquenten zu erwirken. Der Beamte rief sowohl Röhring als auch die Magd zum Gehorsam auf. Beide sollten zurück in ihre Dienste gehen und keine weiteren Umstände machen. Danach begaben sich die Grenadiere mit ihren Gefangenen in das Gemündaer Wirtshaus. Hier trafen sie zufällig auf einen weiteren Grenadier, der auf Urlaub war, und betranken sich mit diesem. Braun und Ebert tanzten mit der Magd. Im Laufe des Abends schlug die 1447 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 26.5.1723, fol. 2r. 1448 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, Rapport vom 30.4.1723. 1449 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 25.5.1723, fol. 1r.
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Stimmung jedoch um: Laut Röhring bedrängten die stark angetrunkenen Grenadiere die Magd zunehmend. Der Gemündaer Dorfälteste, möglicherweise der Schultheiß, führte die Magd in einem Moment der Ablenkung aus der Wirtsstube heraus und versteckte sie im Keller eines Nachbarhauses. Die Grenadiere wurden derweil von anwesenden Einwohnern beruhigt und legten sich bald schlafen. Am nächsten Morgen, dem 27. April 1723, erwachte Röhring als Erster und er fand die Grenadiere ihren Rausch ausschlafend vor. Er beschloss, das Wirtshaus zu verlassen, um sich im Dorf nach dem Verbleib Anna Marias zu erkundigen. Gegen Mittag kehrte Röhring, scheinbar ohne Erfolg, in das Wirtshaus zurück, um mit den Grenadieren auf die Veste Heldburg zu marschieren. Noch vor dem Abmarsch kam es im Wirtshaus erneut zu einem Streit über die Magd und deren Verbleib, in dessen Verlauf die Beteiligten handgreiflich wurden. Obwohl die Veste Heldburg von Gemünda aus in einem Tag ohne Weiteres hätte erreicht werden können, kehrten die Grenadiere in Autenhausen, kurz vor der hildburghäusischen Landesgrenze, in das Wirtshaus ein. Erneut betranken sich Braun und Ebert. Beide bedrohten Röhring und prophezeiten ihm nach der Rückkehr eine schlimme Strafe. Röhring sagte später aus, dass er zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst habe zu desertieren. Noch in derselben Nacht verließ Röhring das Wirtshaus und verschwand in Richtung Gemünda. Ebert, der ihm nachlief, gab die Verfolgung aufgrund der Dunkelheit auf. Früh am nächsten Morgen erreichte Röhring Gemünda und erkundigte sich nach der Magd. Wie das Kriegsgericht später konstatierte, deutete alles auf eine bereits am Vortag erfolgte Absprache der beiden hin. Röhring und die Magd fanden in Gemünda Unterschlupf im Haus des Schusters Brand. Spätestens hier verständigten sich beide darauf, gemeinsam zu flüchten. Laut Röhring schlug die Magd vor, nach Altenstein zu gehen und sich vom dortigen Pfarrer trauen zu lassen. Die Grenadiere kehrten in der Zwischenzeit von Autenhausen nach Gemünda zurück und durchsuchten diverse Häuser. Daher verließen Röhring und die Magd das Haus des Schusters rasch. Nahe der Gemündaer Papiermühle, der sogenannten Gehegsmühle, wollten beide die Nacht verbringen. Da die Magd angeblich einige persönliche Gegenstände in Gemünda vergessen hatte, kehrten beide dahin zurück, blieben jedoch von den Grenadieren unbemerkt. In der Nacht begaben sich Röhring und die Magd dann in Richtung Altenstein. Am nächsten Morgen trafen beide dort auf einen preußischen Grenadier, der zu einem Werbekommando gehörte. Die Magd erzählte diesem sofort, dass es sich bei Röhring um einen Deserteur handle, worauf der preußische Grenadier diesen nicht passieren lassen wollte. Röhring wurde zum Fähnrich Üchtritz, dem Kommandeur der preußischen Werbung, gebracht und von diesem angeworben. Am folgenden Tag wurde Röhring mit der Magd von
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den Preußen nach Hafenpreppach geleitet, um dort vom Altensteiner Pfarrer die Trauung vollziehen zu lassen. Anschließend sollten beide von einem preußischen Fourier auf einem Fuhrwerk nach Magdeburg gebracht werden. Die Reise endete abrupt in Coburg, als der Fourier unter einem Vorwand das dortige Posthaus betrat. Er kam mit drei Soldaten heraus und arretierte Röhring als Deserteur. Ein Kriegsgericht votierte am 28. Mai 1723 dafür, den Grenadier Röhring mit zweijähriger Festungshaft zu bestrafen. Dieser Empfehlung folgte man.1450 Der Fall ist von besonderer Bedeutung, da es sich nicht nur um ein einfaches Desertionsdelikt handelte. Durch die Verhörprotokolle können nicht nur Einblicke in die Lebenswelt der hildburghäusischen Soldaten eröffnet werden. Vielmehr illustriert der Fall auch Methodik und Praxis der preußischen Werbung im Grenzgebiet Sachsen-Hildburghausens, welche sich vornehmlich junger Frauen als Lockmittel bediente. Obwohl im Rahmen der Kriegsgerichtsverhandlung darauf nicht explizit eingegangen wurde, lässt der Fragenkatalog doch Vermutungen in diese Richtung erkennen. Bei der Magd Anna Maria Brandheim handelte es sich um eine mit den Preußen in Kontakt stehende „Verführerin“. Johann Erhard Röhring wiederum wurde aufgrund seiner Leichtgläubigkeit sowie seiner längeren Bekanntschaft mit der Magd ein vergleichsweise leichtes Opfer. 6.1.3.2 Der Fall des Johann Röder in Hildburghausen (1723) Johann Röder wurde 1700 in Käßlitz im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen geboren. Nach der Lehrzeit als Salpetersieder verdiente sich Röder zwei Jahre seinen Lebensunterhalt in der fürstlichen Stuterei von Seidingstadt, bevor er ein weiteres Jahr in den Diensten des dortigen Wirtes stand. Wenig später ließ er sich auf der Veste Heldburg zur fürstlichen Garde anwerben und versah seinen Dienst vornehmlich in Hildburghausen. Hier kam Röder mit dem Grenadier Johann Andreas Wickler in Kontakt, der bereits 1721 im Rahmen einer Desertion aufgefallen war. Wicklers Mutter lebte bei seinem Stiefvater in Rabelsdorf, zum Hochstift Würzburg gehörig. Im Jahre 1723 befanden sich mehrere preußische Werber nahe der hildburghäusischen Grenze in Rabelsdorf und Altenstein. Diese standen in Kontakt mit Wicklers Stiefvater sowie dem Altensteiner Pfarrer und einigen Mägden, welche Dienste für die Werber erledigten. Anfang März 1723 erhielt Wickler einen Brief von seinem Stiefvater, in dem dieser ihm von den preußischen Werbern berichtete und er aufgefordert wurde, sich von den Werbern profitabel anwerben zu lassen. Wickler berichtete Röder von dieser Nachricht und weihte ihn in seinen De1450 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, fol. 7r.
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sertionsplan ein. Nach einigen Wochen unentschlossenen Wartens begaben sich beide Grenadiere außerhalb ihrer Dienstzeit von Hildburghausen aus nach Süden und überschritten die Grenze nach Altenstein. Hier wurden die Männer von einem preußischen Sergeanten angeworben und in den nächsten Tagen nach Magdeburg verbracht. Der preußische Oberst in Magdeburg – höchstwahrscheinlich vom Infanterieregiment Arnim (Nr. 5) – war mit der Körpergröße Röders unzufrieden, gewährte diesem aber dennoch eine Besoldung bis Ende März. Bereits hier reifte bei Röder der Entschluss, wieder in die Heimat zurückzukehren. Daher verdingte er sich in Magdeburg als Tagelöhner, um genügend Geld für seinen Abschied aufzubringen. Ende April 1723 erreichte Röder die Grenze Sachsen-Hildburghausens und erfuhr, dass sein Name bereits am Galgen angeschlagen sei. In dieser Notsituation begab er sich zu seinem Bruder, der in Wallbur bei Coburg lebte. Röders Schwester hingegen arbeitete bei Leutnant Schulz von der hildburghäusischen Grenadiergarde als Magd, sodass über diese angefragt wurde, wie es um Röder stehe. Die abschlägige Antwort des Offiziers erschütterte Röder, der sich nun mehrere Wochen im Wirtshaus von Völkershausen aufhielt. Ob er sich wenig später stellte oder aufgegriffen wurde, lässt sich nicht sicher feststellen – in jedem Fall geriet er erneut in die Gewalt des hildburghäusischen Militärs. Am 24. Mai 1723 wurde Röder erstmals zum Verhör geladen. Zur Desertion trat noch das Delikt des Annehmens fremder Kriegsdienste hinzu. Es war daher wenig verwunderlich, dass er nach fünf Verhörtagen vom anschließenden Kriegsgericht zum Tod durch den Strang verurteilt wurde – jedoch mit der Empfehlung an Herzog Ernst Friedrich I., diese zu mildern. Am 1. Juni 1723 folge der Herzog dieser Empfehlung und ließ das Urteil in „zweyjährige Vestungs- und Bau-Arbeit geschloßen und bey Waßer und Brod“ umwandeln.1451 6.1.3.3 Der Fall des Lorenz Braun in Rodach (1723) Die beiden Grenadiere Lorenz Braun und Johann Christoph Schuchart dienten im Jahr 1723 auf der Veste Heldburg. Im November wurde Braun damit betraut, Herzog Ernst Friedrich I., der sich zu dieser Zeit in Eisfeld aufhielt, eine Nachricht zu überbringen. Schuchart lag derweil in Eisfeld auf Exekution und sollte anschließend mit Braun auf die Veste Heldburg zurückmarschieren. Am 11. November 1723 traten die beiden Grenadiere den Rückmarsch von Eisfeld nach Heldburg an. Unterwegs kehrten sie im Ratskeller der coburgischen Stadt Rodach ein. Hier tranken beide drei Maß Bier sowie etliche Gläser Branntwein. Dabei geriet Braun mit mehreren jungen Männern der Bürgerschaft in Streit, wobei einige Schimpfreden ausgestoßen wurden 1451 ThStAM, GA Hbn, XXII, 37, 1.6.1723, fol. 1r.
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und auch Mobiliar zu Bruch ging. Für Letzteres leisteten beide Grenadiere noch finanzielle Entschädigung, bevor sie von aufgebrachten Rodacher Männern aus dem Ratskeller geworfen wurden. Da Braun und Schuchart noch auf offener Straße von den Männern verfolgt wurden, entspann sich eine Hetzjagd durch Rodach, bei der die Verfolger mit Steinen nach den Soldaten warfen. Vor dem Stadttor trennte sich Schuchart von Braun, um die aufgebrachte Menge zu zerstreuen. Während Schuchart in den nahen Wald entkommen konnte und dort die folgende Nacht verbrachte, wurde Braun, der über einen Zaun stolperte, von den Männern eingeholt. Diese verprügelten ihn derart stark, „daß er auch nicht mehr von seinen Sinnen gewußt“.1452 Schließlich griffen andere Rodacher Bürger ein und brachten Braun in das Haus einer Frau, deren Sohn ebenfalls Grenadier auf der Veste Heldburg war. Hier verbrachte Braun die Nacht, bevor er am folgenden Tag „mit großen Schmertzen und großer Mühe“ die Veste Heldburg erreichte. Leutnant Schulz berichtete, Brauns „gantze[r] Leib wahre voll Beillen und mit Bludt unterlauffen geweßen“.1453 Der Wirt im Rodacher Ratskeller ließ sich später verlauten: „[…] daß aber der Braun die Bürgerschafft soldte gescholdten haben, das währe wahr und [dass] der Braun braff zuebrügelt währe, könnte man daran abnehmen, weiln drey Burschen von denen, so darbey geweßen, flüchten gingen, in der Meinung sie hetten ihn gar todt geschlagen.“1454 6.1.3.4 Der Fall des Johann Schlund in Weidhausen (1736) Im Jahre 1736 arbeitete Gabriel Mäusel als Hafnergeselle bei Nicol Gutsel in Weidhausen, im hildburghäusischen Amt Sonnefeld gelegen. Als Mäusel am späten Morgen des 18. Juni 1736 aus dem Schlaf erwachte, wurde er von der Frau seines Meisters angehalten, Holz für den Töpferofen zu spalten. Mäusel, der an diesem Tag etwas arbeitsunwillig war, wollte zunächst sein Frühstück in einem nahegelegenen Wirtshaus einnehmen. Sein Weg führte ihn in das Weidhäuser Gemeindewirtshaus. Hier befand sich bereits der Hautboist Johann Schlund, der aus Weidhausen stammte und sich auf Urlaub von der Garde befand. Obwohl keine Bekanntschaft zwischen den Männern nachweisbar ist, setzte sich Mäusel zu Schlund an den Tisch und begann, mit diesem zu trinken. Im Verlauf des Gesprächs berichtete Mäusel wahrscheinlich von der Unzufriedenheit mit seiner Arbeit. Schlund begann daraufhin, vom Soldatenleben zu sprechen, und wollte Mäusel anwerben. In bereits angetrunkenem Zustand vertauschten beide Männer ihre Hüte. Mäusel bekräftigte mit dem Soldatenhut auf dem Kopf seinen Willen, ein Soldat zu werden. Der 1452 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.11.1723, fol. 2r. 1453 Ebd., fol. 2v. 1454 Ebd., fol. 3r.
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weitere Gesprächsverlauf ist unklar, doch gerieten beide Männer in Streit über die Anwerbung. Als Mäusel nunmehr versuchte, das Wirtshaus zu verlassen, verfolgte ihn Schlund in den Hof. Hier zog er den Säbel und schlug Mäusel mit der flachen Klingenseite über den Rücken. Mäusel konnte schließlich entkommen und flüchtete in das Haus seines Meisters. Da er sich in stark angetrunkenem Zustand befand, schickte ihn die Frau des Meisters in seine Kammer im Obergeschoss, um den Rausch auszuschlafen. Schlund kehrte zunächst in das Wirtshaus zurück, entschloss sich aber wenig später, Mäusel zu verfolgen. Er begab sich direkt zum Haus von Mäusels Meister und fragte nach dem Lehrling. Dieser wurde geweckt und traf mit Schlund in der Stube zusammen, wo es erneut zu einem heftigen Streit kam. Schlund beanspruchte Mäusel als einen geworbenen Soldaten und forderte diesen auf, mit ihm zu kommen. Als Mäusel sich vehement weigerte, erklärte sich Schlund bereit, Mäusel gegen Zahlung eines Geldbetrages zu entlassen. Da Mäusel den geforderten Betrag von sechs Batzen nicht aufbringen konnte und es somit zu keiner Einigung kam, nahm Schlund den Hafnergesellen gewaltsam mit sich. Um sein vermeintliches Recht durchzusetzen, beabsichtigte Schlund, den Weidhäuser Schultheißen aufzusuchen und diesen zu bitten, eine weitere Flucht Mäusels durch eine Wache des Landregiments zu verhindern. Der Schultheiß Lorenz Redlein war gleichzeitig Gastwirt im Wirtshaus „Zum goldenen Eichhorn“ in Weidhausen, sodass sich Schlund mit Mäusel direkt dorthin begab. Der Schultheiß war aber zu dieser Zeit noch in Sonnefeld abwesend, sodass man im Wirtshaus wartete. Hier fielen wiederholt gegenseitige Beschimpfungen und Drohungen. Als Mäusel erneut zu flüchten versuchte, wurde er von Schlund zurückgehalten. Es entspann sich eine Schlägerei, bei der sich beide Kontrahenten auf dem Boden wälzten. „Der Schlund habe sich wieder in die Höhe gemacht und den Mäusel mit dem blosen Pallage wieder ein paar Streiche über den Rücken ziehen wollen, in wenden aber des Mäuselß, und wie es etwa möge kommen seyn, wäre der Pallage auf der lincken Achsel eingangen, daß also nun Mäusel den Hieb habe.“1455 Während Mäusel verwundet am Boden lag, bedrohte Schlund andere Gäste des Wirtshauses, welche helfend eingreifen wollten. In der Zwischenzeit traf auch der Schultheiß ein und versuchte, Schlund zu beruhigen. Mit einer Ablenkung gelang es dem Schultheißen schließlich, den Säbel aus der Gaststube zu bringen. Als dieser in die Gaststube zurückkehrte, „habe Schlund das in der noch an sich hengen gehabten Pallage Scheide befindliche Meßer herausgezogen und den Schulzen […] darmit stechen wollen, und wenn Schulzen sich nicht gewehrt hätte, so hätte er ihm solches in den Leib hineingestoßen“.1456
1455 ThStAM, GA Hbn, XXII, 42, 19.6.1736, fol. 2v. 1456 ThStAM, GA Hbn, XXII, 36, 20.11.1723, fol. 3v.
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Die anwesenden Männer stellten sich nun endgültig gegen Schlund und warfen diesen gemeinsam aus dem Wirtshaus hinaus. Durch den Lärm waren bereits vorher einige Neugierige angelockt worden, sodass sich mittlerweile eine Menschenmenge vor dem Wirtshaus versammelt hatte. Diese verfolgte nun Schlund, der sich nur noch mit Steinen verteidigen konnte, durch die Straßen des Dorfes. Die Wohnung seines Vaters bot sich Schlund als einzige Zuflucht an. Diese befand sich auf dem Weidhäuser Rittergut, welches zu diesem Zeitpunkt dem Stadtrat von Coburg gehörte. Als Straftäter konnte Schlund hier zunächst Unterschlupf finden, ohne von der Menge weiterverfolgt zu werden. Am nächsten Tag erhielt der Amtmann von Sonnefeld Nachricht von dem Vorfall und er beschloss, eine Abteilung des Landregiments unter dem Kommando des Feldwebels Knauer nach Weidhausen zu schicken, um Schlund zu arretieren. Hier brachte Knauer in Erfahrung, dass sich Schlund innerhalb des Coburger Gutsbereichs aufhalte. Schlund befand sich jedoch nur scheinbar in Sicherheit: Das Amt Sonnefeld übte trotz der gemischten Rechtsverhältnisse in Weidhausen die Zentgerichtsbarkeit aus. Nachdem Knauer dies in Erfahrung gebracht hatte, drangen die Landregimentssoldaten in die Wohnung von Schlunds Vater ein und arretierten Schlund, der sich ohne Widerstand ergab. Nachdem Schlund nach Sonnefeld in die Fronfeste gebracht wurde, erfolgte am 22. Juni seine Überführung nach Hildburghausen.
6.2 Das Reichskontingent „[Es ist seine] gethane Einwendung nicht hinlänglich noch in einigen Rechten gegründet, [daher er] wegen dießes seines Verbrechens den Kriegs-Articuln gemäß, Ihme aber zur wohlverdienten Straff undt andern zum Exempel undt Abscheu, durch den Strang am Galgen vom Leben zum Todte hingerichtet werden solle.“1457 Aus dem Kriegsgerichtsurteil gegen den Musketier Ferdinand Cämmerer, 1712
6.2.1 Zur Jurisdiktion über das Reichskontingent Auch beim hildburghäusischen Reichskontingent war die Desertion allgegenwärtig. Besonders für den Hauptmann, der vertraglich an die Rekrutierung und den Ersatz der Mannschaften gebunden war, entstanden durch die Deserteure unerwünschte Mehrkosten. Trotz dieser Tatsache und der im Rahmen von Verhören von Soldaten dezidiert vorgebrachten Beschwerden wurde zu keiner Zeit der Versuch unternommen, die beklagten Missstände abzustellen. Die Bekämpfung des Desertionsverhaltens fußte nicht auf dem Prin1457 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 163r.
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zip der Vorbeugung, sondern vielmehr auf dem der Abschreckung und Existenzzerstörung. Alle Maßnahmen waren eng mit der Rechtsprechungspraxis verwoben, sodass zunächst die juristische Zuständigkeit für einen Deserteur des Reichskontingents geklärt werden musste. Die Jurisdiktion über eine Kompanie stand stets dem Regimentskommando zu. Im Falle des hildburghäusischen Reichskontingents lag die Rechtsprechung damit beim ernestinischen Allianzregiment. Auf Grundlage der archivalischen Quellen ergab sich jedoch für die Praxis ein uneindeutiges Bild: Tatsächlich wurden Kriegsgerichte sowohl beim Allianzregiment als auch unter herzoglicher Aufsicht in Hildburghausen abgehalten. Die Ernestiner versäumten es, diesen Bereich ihrer militärischen Kooperation eindeutig zu reglementieren, sodass bezüglich der Zuständigkeiten selbst unter den Offizieren des Allianzregiments Verwirrung herrschte. Als der hildburghäusische Musketier Adam Müller im Jahr 1704 während eines Streits einen Soldaten aus der weimarischen Leibkompanie erstach, hatten weimarische und hildburghäusische Offiziere widersprüchliche Auffassungen bezüglich der Jurisdiktionsrechte. Selbst Hauptmann Spiller v. Mitterberg war sich über die Rechtslage und die Zuständigkeit nicht vollständig im Klaren und zweifelte die Rechte des weimarischen Obristen an.1458 Auf Nachfrage teilte Herzog Ernst seinem Hauptmann mit, dass es keinen Zweifel geben könne, dass die hildburghäusische Kompanie als Teil des Regiments unter dem weimarischen Obristen stehe. Der Hauptmann könne sich lediglich beschweren, aber kein Eingreifen des Herzogs in die Rechte des Regiments erwarten.1459 Ein Eingreifen des Herzogs war auch zu keiner Zeit zu verzeichnen. Dieser ließ sich aber stets über schwerwiegende Vorfälle informieren, und auch der Obrist des Regiments holte für die Vollstreckung von Todesurteilen zunächst die lediglich formelle Genehmigung des Herzogs ein. Die hildburghäusischen Offiziere gerieten dennoch in Jurisdiktionssachen mit den weimarischen Regimentskommandeuren bis zum Ende des Krieges häufiger in Konflikt. Es ging dabei hauptsächlich um die Rechtsprechung über hildburghäusische Deserteure, denn es zeigte sich, dass das von weimarischen Offizieren dominierte Regimentsgericht diese mit äußerster Härte bestrafte. Hierin bestand ein bedeutender Unterschied zu Kriegsgerichtsprozessen in Hildburghausen, der sich auch auf das Fluchtverhalten desertierter Soldaten auswirkte. Es wurde bereits belegt, dass aus dem Fürstentum SachsenHildburghausen stammende Soldaten des Reichskontingents nahezu ausschließlich den Weg nach Hildburghausen einschlugen, um ihre Klagen an offizieller Stelle vorzubringen. Es ist evident, dass die Soldaten einer möglichen Aburteilung durch ein Kriegsgericht in Hildburghausen, das von hild1458 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 13.9.1704. 1459 ThStAM, GA Hbn, XXII, 28, 4.10.1704.
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burghäusischen Offizieren geleitet wurde, weniger Furcht entgegenbrachten als einem Kriegsgericht am Oberrhein, in dem weimarische Offiziere den Vorsitz führten. Die überlieferten Urteile und die signifikanten Differenzen im Strafmaß beweisen dies. Wie aber verliefen die jeweiligen Prozesse und von welchen Faktoren waren sie beeinflusst? 6.2.2 Kriegsgericht und Strafmaß Ein hildburghäusischer Deserteur, der auf dem Kriegsschauplatz am Oberrhein aufgegriffen wurde, kam ohne Umschweife vor das Kriegsgericht des Allianzregiments. Dieses Kriegsgericht setzte sich aus mehreren Mitgliedern aller militärischen Ränge zusammen und fällte eine Mehrheitsentscheidung. Zum Regimentsgericht gehörten je zwei Musketiere, Gefreite, Korporäle, Führer, Feldwebel, Fähnriche, Leutnants und Hauptmänner. Den Vorsitz übernahm meist der Major des Regiments. Ein Ausnahmefall trat ein, wenn über einen Offizier Kriegsgericht gehalten werden sollte. Hier wurden ausschließlich Dienstgrade ab dem Feldwebel, gelegentlich auch erst ab dem Fähnrich für das Votum zuglassen, wohingegen das Kriegsgericht aus jeweils vier Vertretern eines Ranges bestand. Entlief ein Deserteur einer bestimmten Kompanie, so durfte im Rahmen der nachfolgenden Rechtsprechung kein Mitglied des Kriegsgerichtes aus dieser Kompanie stammen. Hildburghäusische Deserteure wurden also nie unter Hinzuziehung hildburghäusischer Offiziere abgeurteilt. Hildburghäusische Offiziere wurden wiederum nie oder nur sehr selten von Offizieren ihres eigenen Regiments abgeurteilt.1460 Dies sollte die Delinquenten vor Ressentiments oder vor Bevorzugung aus den eigenen Reihen bewahren und bei den Mitgliedern des Kriegsgerichts Unvoreingenommenheit sicherstellen. Tatsächlich waren hildburghäusische Offiziere meist bestrebt, das Strafmaß abzumildern oder eine zuerkannte Todesstrafe zu verhindern. Nur in wenigen Fällen gelang ihnen dies. Einer dieser seltenen Fälle ereignete sich im April 1711 in der Festung Landau. Der am 26. Dezember 1710 desertierte hildburghäusische Musketier David Schubart konnte Anfang April wieder aufgegriffen werden und sollte auf Wunsch des Festungskommandanten Prinz Alexander von Württemberg von einem Standgericht abgeurteilt werden. Dagegen protestierte der Obrist 1460 Im Falle eines Kriegsgerichts über einen Offizier wurden meist Vertreter anderer Regimenter, die mit jenem des Offiziers in Garnison lagen, zum Votum bestellt. Dies geschah u. a. im Januar 1712 im Rahmen eines Kriegsgerichtsprozesses gegen einen hildburghäusischen Offizier in der Festung Landau, vgl. ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 322 ff.
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v. Uslar vom Allianzregiment und verwies auf die Jurisdiktionsrechte seines Regiments in dieser Sache. In einem kurzen Kriegsgerichtsprozess am 6. April 1711 wurde der Musketier zum Tod durch den Strang verurteilt. Unmittelbar nachdem das Urteil gesprochen war, setzte sich der hildburghäusische Fähnrich Christoph Jacob Rüdiger vehement für den Delinquenten ein und brachte ebenfalls die strittigen Jurisdiktionsrechte als Argument vor. Rüdiger selbst berichtete an Herzog Ernst: „So habe dargegen [gegen das Urteil] protestiret und dem Herrn Obristen Vorstellung gethan, ohne gnädigste Confirmation dieses Urtheil nicht exequiren zu laßen, […] dabey mir aber der Herr Obrist versichert, daß es im geringsten nicht zu Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht Praejudiz geschehe, […] sondern nur [um], weiln in 3 bis 4 Monaten die Desertion bey dem Contingent so starck eingerißen, ein Exempel [zu] statuiren und Furcht zu erwircken, auch theils darumb, weiln des Herrn Gouverneurs Durchlaucht solches wollen thun laßen […].“1461 Fähnrich Rüdiger, der bereits seit einigen Jahren einen dienstlichen wie privaten Konflikt mit dem weimarischen Regimentskommandeur austrug, gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Am 8. April 1711 versammelte sich das gesamte Regiment, um der Urteilsvollstreckung beizuwohnen. Der Musketier Schubart stand bereits mit dem Kopf in der Schlinge unter dem Galgen, als Rüdiger aus dem Glied trat. Er berichtete später: „So habe, da allbereit Execution commandiret und in Gewehr gestanden, bey dem Herrn Obristen von Ußlar nochmahls darwider meine Einwendung gethan und gesuchet, solches zu hintertreiben, endlichen auch, da insonderheit die ganze Guarnison sich vor diesen Menschen interessirte, hat es so viel gefruchtet, daß er vom Strang er[r]ettet und mit zweytägigen Gaßenlauffen durch 400 Mann bestraf[f]et [worden].“1462 Obwohl sich hildburghäusische Offiziere des Öfteren für ihre untergebenen Soldaten einsetzten, blieben derartige Fälle des aktiven Eingreifens in eine bereits begonnene Urteilsvollstreckung die Ausnahme. Im Gegenteil kam es auch vor, dass Offiziere sogar unterstützend auf eine harte Strafe hinwirkten. Ein Beispiel dafür ereignete sich im Jahre 1707, als der Musketier Hans Adam Gerstenberger aus dem Feldlager desertierte, sich von Reichstruppen anwerben ließ und anschließend in Landau von Kameraden erkannt wurde. Hauptmann v. Gleichen berichtete Herzog Ernst über den Vorfall und empfahl, „zu hinführiger Conservation Dero Compagnie die Execution nach dem Spruch des Kriegsrecht[s] an ihme vollziehen [zu] laßen“.1463 Der Herzog bestätigte wenig später das Ansuchen des Obristen v. Uslar, ein Kriegsgericht halten zu wollen, mit den Worten:
1461 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 7.4.1711, fol. 1r. 1462 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, 9.4.1711, fol. 1r. 1463 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 15.3.1707, fol. 1r.
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„Wann dann billig einmahl ein Exempel zur Steuerung des bisherigen al[l]zuvielen Desterierens zu statuieren seyn will; Alß ist annoch hiermit unser Begehren, ihr wollet ermelten Deserteur vor[s] Kriegs-Recht bringen und waß alda ausgesprochen würde, an ihme behörig exequiren laßen.“1464 Das Urteil des Kriegsgerichts lautete schließlich auf sechsmaliges Gassenlaufen durch dreihundert Mann an sechs aufeinanderfolgenden Tagen. Der Musketier Gerstenberger überlebte die Bestrafung und wurde mit der Verbüßung als „gewesener Deserteur seines Arrest erlaßen und dem Hauptmann von Gleichen übergeben“.1465 Grundsätzlich galt, dass in den verschiedensten Kriegsartikeln auf die Desertion die Todesstrafe folgte, doch in der Praxis war dies die Ausnahme. Nur in besonderen Situationen und Konstellationen wurden Deserteure zum Tode verurteilt. Die Beantwortung der folgenden Fragen war dabei essentiell: o War der Deserteur zum Feind übergelaufen bzw. hatte er sich von diesem anwerben lassen, und kämpfte er damit gegen seine eigenen Kameraden? o War der Deserteur ein Wiederholungstäter? o War der Deserteur ein reifer und erfahrener Mann? o War der Deserteur ledig und hatte er keine Kinder? o Fand das Kriegsgericht beim Allianzregiment statt? o Desertierte der Soldat in einer Zeit, in der die Desertion in seiner Einheit stark grassierte? Konnten eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantwortet werden, so war das Verhängen der Todesstrafe bzw. einer äußerst harten Strafe wahrscheinlich. Besonders in Zeiten starker Desertion konnte eine schnelle Aburteilung erfolgen. So rechtfertigte der Obrist v. Uslar das Todesurteil gegen den Musketier Schubart mit dem Statuieren eines Exempels. Und auch Herzog Ernst verstand den Prozess gegen den Musketier Gerstenberger als abschreckende Maßnahme. Es wurde bereits angedeutet, dass die Urteilsfindung beim Kriegsgericht auf dem Mehrheitsprinzip beruhte und alle von den Mitgliedern abgegebenen Voten gleichwertig in die Urteilsfindung eingingen. Es stellt sich die Frage, ob sich anhand der abgegebenen Voten weitere Rückschlüsse zum Verhältnis der Soldaten und Offiziere im Speziellen sowie zum Delinquenten im Allgemeinen ziehen lassen. Es ist in der Forschung umstritten, ob und wie auf Grundlage der Voten Ergebnisse erschlossen werden können.1466 Zwar wurde gelegentlich festgestellt, dass niedere Dienstgrade tendenziell schwerere Strafen 1464 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 22.3.1707, fol. 1r. 1465 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32. 4.4.1707, fol. 1r. 1466 Ein methodisches Werkzeug, um mit dieser speziellen Quellengattung umzugehen, fehlt bislang.
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befürworteten, doch steht eine plausible Begründung für diesen keinesfalls flächendeckenden Befund bislang aus.1467 Am Beispiel des hildburghäusischen Reichskontingents bestätigt sich dies allenfalls schemenhaft, sodass es hier keinerlei Grundlagen für differenzierte Aussagen gibt. Die unten stehende Übersicht stellt die Voten dreier ausgewählter Kriegsgerichtsprozesse gegenüber: Ort/Datum des Urteils Delinquent
Vergehen
Zwei Musketiere Zwei Gefreite Zwei Korporäle Zwei Führer
Zwei Feldwebel Zwei Fähnriche Zwei Leutnants Zwei Hauptmänner Auditeur Urteil
Landau, 30. Januar 1712
Landau, 26. Oktober 1712
Gefreiter F. Cämmerer Desertion, Anwerbung beim Feind Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang Tod durch den Strang – Tod durch den Strang
Leutnant C. J. Rüdiger
Musketier C. Helbig
Desertion
G.*, 3 Tage, 8x, 400 Mann G., 2 Tage, 8x, 400 Mann G., 2 Tage, 8x, 400 Mann G., 3 Tage, 8x, Rest d. Reg. G., 3 Tage, 6x, Rest d. Reg. G., 3 Tage, 8x, Rest d. Reg. G., 3 Tage, 8x, Rest d. Reg. G., 3 Tage, 6x, Rest d. Reg. – G., 3 Tage, 8x, Rest d. Reg.
Beleidigung des Auditeurs, Beleidigung des Obristen – – – –
Vier Wochen Arrest/andere Bestrafung –
Acht Tage Arrest/acht Tage Arrest Vier Wochen Wache/zwei Wochen Arrest Zwei Wochen Arrest Zwei Wochen Arrest
Tabelle 20: Zusammenstellung der bei einem Kriegsgerichtsprozess beim Allianzregiment abgegebenen Voten, 1712. *Gassenlaufen
1467 SIKORA, Disziplin und Desertion, S. 134.
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Abbildung 10: Urteilsspruch (Sentenz) eines Kriegsgerichts in Landau über die Musketiere Ferdinand Cämmerer und Caspar Helbig, 1712. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 34, fol. 163r)
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In den Kriegsgerichtsprozessen, an denen Mitglieder des hildburghäusischen Reichskontingents als Delinquenten beteiligt waren, zeigte sich, dass einstimmige Urteilsfindungen nur selten zustande kamen. Sie waren stets ein Hinweis auf eine spezielle Ausnahmesituation, in der das zu sprechende Urteil instrumentalisiert werden sollte. Juristische Unbefangenheit durfte bei frühneuzeitlichen Kriegsgerichtsprozessen nicht vorausgesetzt werden. Ein solcher spezieller Fall fand sich auch in der Verurteilung des Gefreiten Ferdinand Cämmerer, an dem ein Exempel statuiert werden sollte. Im Urteilsspruch heißt es, „daß peinlich beklagter Ferdinand Cämmerer, weilen er nicht allein alß Gefreyter, so schändlich und meineydiger Weiße mit Montur und Seithen Gewehr von seiner Wacht undt Post desertiert, sondern gar zu dem Feindt gangen undt wieder seine eigenen Landsleuth gedient, von dar auch gleichfalls wieder weg undt in andre Dienste gangen, undt seine dießerwegen gethane Einwendung nicht hinlänglich, noch in einigen Rechten gegründet, wegen dießes seines Verbrechens den Kriegs-Articuln gemäß, Ihme aber zur wohlverdienten Straff undt andern zum Exempel undt Abscheu, durch den Strang am Galgen vom Leben zum Todte hingerichtet werden solle“.1468 Der Musketier Caspar Helbig war gemeinsam mit Cämmerer vom Kriegsgericht angeklagt, hatte jedoch aufgrund mildernder Umstände eine wesentlich niedrigere Strafe zu erwarten. Die Gemeinen und anderen niederen Dienstgrade begründeten ihr Urteil damit, dass Helbig „noch ein junger Soldat [sei], wie auch dieß sein Erstesmahl undt sonst ein einfältiger Mensch“.1469 Für die Leutnants und Hauptmänner stand hingegen im Vordergrund, dass Helbig „nicht zum Feindt gangen, zudem auch ein junger und angehender Soldat [sei]“.1470 Erwartungsgemäß unterschieden sich in diesem Fall die Voten. Entgegen der bereits oben dargelegten Forschungsmeinung votierten hier die niederen Dienstgrade bedeutend milder. Musketiere, Gefreite und Korporäle plädierten für ein mehrtägiges Gassenlaufen durch vierhundert Mann, während die Offiziere allesamt den Rest des Regiments – etwa sieben- bis achthundert Mann – zur Gasse formieren wollten. Dieses Urteil wurde letztendlich auch vollstreckt. Anders verhielt es sich im Rahmen der Urteilsfindung vor dem Kriegsgericht über den hildburghäusischen Leutnant Christoph Jacob Rüdiger, der mit einem vermeintlich befreundeten Offizier abfällig über verschiedene beim Regiment ergangene Urteile sowie über die Regimentsführung gesprochen habe. Hier äußerte sich Rüdiger höchst unzufrieden über ein spezielles Urteil und meinte, „es wäre nicht recht, sondern zu viel gesprochen [zu hart geurteilt] worden,
1468 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 163r. 1469 Ebd., fol. 159v. 1470 Ebd., fol. 162r.
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und mort sacrament, der Donner soll den Auditor [sic!] erschlagen, der diesen Spruch gethan“.1471 Obwohl das Kriegsgericht gegen den Leutnant Rüdiger mit jeweils vier Vertretern jeden Ranges ein deutliches Übergewicht an Offizieren aufwies, votierten hier die Feldwebel am härtesten. Diese forderten vier Wochen Arrest bzw. die Übergabe der Bestrafung an den Obristen v. Uslar. Die Offiziere waren milder gestimmt, und besonders der zuständige Auditeur erkannte, dass die Worte „aus Unbedacht und hitziger Bewegung des Gemüthes von dem Arrestirten gesprochen worden, [so] meritirt er nach denen Rechten, eine öffentliche Abbitte allen beleidigten zu thun und 14 Tage bey Waßer und Brodt bey dem Profos[s]en noch geschloßen zu sitzen, nachdem seine Dienste nachzuthun“.1472 Gelang es aber einem hildburghäusischen Deserteur, das Fürstentum zu erreichen, und wurde er hier aufgegriffen, so erfolgte keine Auslieferung an das Allianzregiment. Der Deserteur wurde in Hildburghausen in Arrest genommen. Ihm blieb eine Aburteilung durch das Allianzregiment erspart, da die Untersuchungen direkt in Hildburghausen geführt wurden. Das war prinzipiell vorteilhafter für den Deserteur, denn die Untersuchungen und Prozesse in Hildburghausen unterschieden sich maßgeblich von jenen des Allianzregiments: Sie endeten nie mit einem Todesurteil und waren von pragmatischeren Bestrebungen getrieben. Diese Bestrebungen waren mit jenen des Kriegsgerichts der Garden kongruent. Auch hier waren die Delinquenten meist Landesuntertanen. Erstaunlicherweise liegen zum Großteil dieser Desertionsfälle nur wenige Unterlagen vor. Es gab zwar zahlreiche Untersuchungen in Hildburghausen, aber nur in den seltensten Fällen kam ein Prozess zustande. Fast scheint es, als seien die Desertionsangelegenheiten zügig und in gegenseitigem Einvernehmen abgehandelt worden. Die Schuld des Delinquenten lag durch seine Anwesenheit in Hildburghausen auf der Hand. Die Soldaten gestanden in der Hoffnung auf die Rechtmäßigkeit ihrer Klagen die Desertion ein und hofften auf Straffreiheit oder auf eine gelinde Strafe. Die in Hildburghausen ausgeführte Strafpraxis gab ihren Ansichten Recht. Es konnte weder im besonderen Interesse des Herzogs noch in jenem der Offiziere liegen, heimkehrende Deserteure – die noch dazu Landesuntertanen waren – mit harten Leibes- oder Lebensstrafen zu belegen. Anhand dieser Gruppe der Deserteure zeigt sich eine deutliche Abwägung im Strafmaß, welche einer höheren Zweckmäßigkeit geschuldet war: Zum Tode verurteilte oder durch Strafen verkrüppelte Untertanen wirkten sich wirtschaftlich nachteilig auf das Fürstentum aus. Durch Todesstrafen und Gassenlaufen entstanden Steuerausfälle und Invaliden, die dem Territorium keinen Dienst erweisen konnten. Zudem zogen Regierung und Offiziere den Groll etwaiger Familienangehöri1471 Ebd., fol. 329r. 1472 Ebd., fol. 325v. Urteil auf fol. 328r.
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ger auf sich, was sich im kleinen Sachsen-Hildburghausen fatal auswirken konnte. Der Untertanengeist, der an die über allem stehende Gerechtigkeit des Landesfürsten glaubte und appellierte, musste gewahrt bleiben, und dies ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Neben der repräsentativen Bezeigung fürstlicher Gnade befanden sich die über heimgekehrte Deserteure vorgenommenen Urteilsfindungen stets im Spannungsfeld von rigider, den Kriegsartikeln getreuer Strafpraxis einerseits und Alternativbestrafungen andererseits. Arbeitsdienst und hohe Geldstrafen wurden besonders für Landesuntertanen als nutzbringender angesehen als die Todesstrafe oder Spießrutenlaufen. Das Mindeste, was in Sachsen-Hildburghausen von einem Soldaten oder Deserteur mit dem Wunsch nach Abschied verlangt wurde, war das Ersetzen entstandener Ausgaben. Es handelte sich dabei besonders um Handgeld und Monturkosten, die später zur Anwerbung eines neuen Rekruten dienten. Neben diesen Beobachtungen lässt sich im Falle der heimkehrenden Deserteure eines zweifelsfrei konstatieren: Ganz gleich, wie ruchlos eine Desertion ausgeführt war und welche Strafe die Kriegsartikel ihr beimaßen – letzte Instanz blieb stets der Spruch des Herzogs. Der Umgang mit heimkehrenden Deserteuren lässt sich in all seinen Facetten am Beispiel des Musketiers Philipp Feyler exemplarisch verdeutlichen. Feyler desertierte 1709 aus der Festung Landau und kehrte über Umwege nach Hildburghausen zurück, wo er im Rahmen einer kurzen Untersuchung verhört wurde. Das Ergebnis ist aufschlussreich und keineswegs den Kriegsartikeln entsprechend: „Actum Hildburghausen, den 19. Xbr. 1709. Hat man den Deserteur Philip Feylern von Höffstätten [im Amt Sonnefeld] vor Fürstliche Regierung bringen laßen und demselben eröf[f]net, wasmaßen man zwar wohl Ursach hette, diese seine Desertions Sache vors Kriegs-Recht zu bringen und darin sprechen zu laßen; Jedoch weiln er im Lande angeseßen, auch andere Umbstände mit vorwalten, hette Hochfürstliche Gnädigste Herrschaft resolviret und Ihn dahin begnadiget, daß Er auf 1/2 Jahr mit leiblicher Arbeit, geschloßen zu verrichten, beleget werden sol[l]te.“1473 Feyler bat umgehend nach der Verkündung des Urteils um deren Umwandlung in eine Geldstrafe. Der Deserteur war gleichzeitig Pächter eines Wirtshauses in Sonnefeld und konnte dort nicht länger abwesend sein. Im weiteren Verlauf der Sache wurde Feyler auch durch die Eingaben seiner Frau bei der herzoglichen Regierung tatkräftig unterstützt.1474 Gemeinsam gelang es ihnen, den Herzog davon zu überzeugen, das Urteil in eine Geldstrafe in Höhe von fünfzig Gulden umzuwandeln. Dieser Betrag sollte jedoch sofort vom Vater des Deserteurs gezahlt werden. Erst dann sollte der Sohn aus dem Arrest entlassen werden. Es ergab sich schnell, dass die Familie des Arrestan1473 ThStAM, GA Hbn, 33, fol. 344r. 1474 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 347r.
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ten einen solch hohen Betrag nicht aufbringen konnte, sodass Feyler weiter in Haft blieb. Nach zwei Wochen bei Wasser und Brot wurde dem Gefangenen von der herzoglichen Regierung ein Vorschlag unterbreitet: Es wurde „gnädigst resolviret, wenn er versprechen und bey Verpfändtung seines Haabs und Guths, welches er nach seiner Eltern Tod von denselben zu hoffen und bekommen würde, angeloben wol[l]te, die ihme dictirte 1/2jährliche Arbeit zu verrichten und auf seinem Zimmerhandwerck abzuverdienen, er sofort der Bande und des Arrests befreyet werden sol[l]te“.1475 Feyler akzeptierte das Angebot und wurde aus dem Arrest sowie nach Ableistung der Arbeit aus dem Militär entlassen. Nur in den seltensten Fällen kam es zu einer Wiedereinstellung in das Militär. Dies lässt sich bei fast allen hildburghäusischen Deserteuren, welche die Residenzstadt erreichten, beobachten, und auch hierin bestand ein deutlicher Unterschied zur Rechtsprechung beim Allianzregiment. Am Beispiel des Musketiers Feyler lassen sich die Handlungsspielräume der hildburghäusischen Justiz deutlich abmessen. Es zeigt sich, dass es prinzipiell keine festgeschriebenen Grenzen gab. Das Strafmaß konnte vom Arbeitsdienst über eine Geldstrafe bis hin zur Abarbeitung im gelernten Handwerk ausgedehnt und jederzeit an die individuelle Situation des Delinquenten angepasst werden. Allgemeine Rechtsvorschriften oder Gesetzestexte mussten hier keine Gültigkeit besitzen, sodass sich auch das Strafmaß breit gefächert und facettenreich zeigte. Die unten stehende Übersicht fasst alle Ergebnisse der vorangegangenen Darstellungspunkte zusammen und stellt diese schematisch dar. Es handelt sich dabei um kein allgemeingültiges Schema, das ohne Weiteres auf andere Territorien des Reiches übertragbar wäre. Bis auf wenige Ausnahmen lassen sich alle hildburghäusischen Deserteure in das unten stehende Schema einordnen.
1475 ThStAM, GA Hbn, XXII, 34, fol. 351r.
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Graphik 22: Die Wege der Deserteure, 1703–1713
Deserteuren, denen die Flucht gelang, war nur schwierig beizukommen. Auch hier stellt sich die Frage nach der Herkunft des desertierten hildburghäusischen Soldaten. Handelte es sich um einen im Ausland angesessenen Deserteur, dann erwies sich die Strafverfolgung als unmöglich. Zum Zeitpunkt des Spanischen Erbfolgekrieges hatte Sachsen-Hildburghausen keine Kartellkonventionen mit anderen Territorien des Reiches abgeschlossen, sodass keine
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Handlungsspielräume jenseits der Landesgrenzen bestanden.1476 Das Gleiche galt für Deserteure, die in fremde Dienste getreten waren und dort verblieben. Das einzige Mittel, der Deserteure habhaft zu werden und auch die selbst durch Desertion geschwächten Truppen zu verstärken, war die Gewährung einer allgemeinen Amnestie. Dies geschah mittels der Publikation eines sogenannten Generalpardons, das allen freiwillig zurückkehrenden Deserteuren Straffreiheit und den Wiedereintritt in die ehemaligen Truppenteile zusicherte. Die Publikation des Generalpardons erfolgte durch den Generalstab der Reichsarmee, da die Reichstruppen unter der Jurisdiktion der Reichsarmee bzw. der einzelnen Truppenteile standen. In diesem Zusammenhang schrieb im Jahre 1708 Hauptmann v. Gleichen an die herzogliche Regierung nach Hildburghausen: „Denselben soll hiermit gehorsamst berichten, welchermaßen die hießige Guarnison [der Festung Landau] seyd einiger Zeit wegen starker Desertion ziemlichen Theil geschwächet worden; Als ist von hoher Generalitaet vor dieße Leuth abermalen ein Generalpardon ergangen […], umb sowohl einige dießer Ausreißer vom Feind wieder herüber zu locken […].“1477 Für das hildburghäusische Reichskontingent hatten Generalpardons nur marginale Bedeutung, da der Großteil der Deserteure aus Landesuntertanen bestand. Blieben desertierte Landesuntertanen aus, so konnten über diese wesentlich leichter Sanktionen verhängt werden als über ausländische Deserteure. Am Anfang der Strafverfolgung stand eine Vorladung der ausgebliebenen Deserteure, die sogenannte Citation oder Rufung. Diese Vorladung geschah in Hildburghausen zum einen mittels des öffentlichen Ausrufs der Namen durch einen Trommler, zum anderen aber durch eine schriftliche Ausschreibung. Trommelschlag und Ausschreibung erfolgten dreimal im Abstand von jeweils 14 Tagen. Vom Zeitpunkt des ersten Ausrufens an hatten die Deserteure demnach sechs Wochen Zeit, sich in Hildburghausen einzufinden „und ihre schuldige Dienste zu verrichten“.1478 Ob man mit dieser Formulierung eine tatsächliche Straffreiheit annehmen kann, muss unklar bleiben. In dieser Unklarheit liegt wahrscheinlich auch die Tatsache begründet, dass sich nur wenige Deserteure auf die Rufung hin einstellten. Da nützte auch die stets nach Ablauf der Frist eingesetzte Kommission nichts, mit der den Deserteuren zugesichert wurde, „[ihre] genugsame Ursachen, daferne sie dergleichen zu haben vermeinen, vorzubringen und rechtmäßigen Bescheides gewärtig zu seyn“.1479
1476 Das einzige Kartell, das Sachsen-Hildburghausen nicht mit anderen ernestinischen Territorien abschloss, war jenes mit Kursachsen im Jahre 1754, siehe ThStAM, ZinckMattenberg-Sammlung, 352, fol. 87–91. 1477 ThStAM, GA Hbn, XXII, 32, 9.6.1708, fol. 1r. 1478 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 178v. ist eine hildburghäusische Edictal-Citation aus dem Jahre 1705. Dieselbe findet sich auch bei GA Hbn, 30, 22.4.1705. 1479 ThStAM, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 352, fol. 179r.
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Gleichzeitig erging die Drohung: „Wer sich also nicht einstellen oder deme schuldigen Gehorsamb nicht leisten würde, daß nichts destoweniger wider den oder dieselbige denen Kriegsrechten nach verfahren, sie vor muthwillige Deserteurs und ausgerißene Schelme erklähret, vogelfrey gemachet und ihre Nahmen durch den Scharffrichter an die Justiz geschlagen werden sollen. Wornach sie sich stricte zu achten und vor Schimpff und Unehren zu hüten wißen werden.“1480 Hiermit erfasst man der Kern der Strafverfolgung einheimischer Deserteure – die Zerstörung der Existenz. Das Anschlagen der Namen an die Justiz meinte das Anbringen von blechernen Namensschildern an den Galgen.1481 Dieser befand sich auf dem Hildburghäuser Marktplatz und wurde – mehrmals erneuert – später auch von den Gardegrenadieren für diesen Zweck genutzt.1482 Doch weder Tod noch Abschreckung konnte der Desertion Einhalt gebieten, sodass diese bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges und darüber hinaus ständiger Begleiter des hildburghäusischen Militärs blieb.
1480 Ebd. 1481 Johann Ernst v. BEUST, Observationes Militares, Bd. 3, Gotha 1745, S. 420. 1482 KreisA Hbn, Stadt Hildburghausen, B153, pag. 61. Aus dem Jahre 1718 wurde berichtet: „Weiln neulich der Galgen auf dem Marckt aufgerichtet worden und wegen es Holtzes, so die Bürger herbeygeführet, ihre Fuhrlohn vom Rath aber verlanget, auch vom Herrn Amtmann an Rath gewiesen worden, als wird vom Rath darauf geantwortet, daß sie dießfalls keine Unkosten aufwenden dürfften, weiln es eine Soldaten Justiz und sie ganz und gar nichts anginge.“
7. Ergebnisse
7.1 Organisationsgeschichte „Das Landregiment manövrirt sehr gut. Die herrliche Soldaten- oder Janitscharen Musik macht daselbst [in Hildburghausen] den Einwohnern manche angenehme Stunde. Der Durchlauchtigste Landesregent [Joseph Friedrich], welche selbst kaiserlich-königlicher Generalmajor sind, sind vorzüglich ein Freund der Soldaten.“1483 Sonnefelder Diakon Christian Friedrich Dotzauer, um 1785
7.1.1 Organisation des Militärs Das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen bestand im 18. Jahrhundert aus den Formationen des Landregiments, des Reichskontingents und der fürstlichen Garden. Durch die drei Einheiten wurden die Landesuntertanen in unterschiedlicher Form an das Militär gebunden. Dies geschah zum einen im Rahmen obrigkeitlicher Dienstverpflichtung oder durch freiwillige Anwerbung, wobei die jeweiligen Rekrutierungsmethoden auf unterschiedliche herrschaftliche Intentionen hinweisen. Die organisatorische Struktur des Landregiments leitete sich wesentlich aus der zu Anfang des 17. Jahrhunderts entstandenen gothaischen Landesdefension sowie der im frühneuzeitlichen Staatsrecht fixierten Landfolge ab. Nach 1680 wurden die Kompanien der ehemaligen gothaischen Landesdefension auf hildburghäusischem Gebiet zu einem eigenen Landregiment formiert, das mit einer auf alle Landesuntertanen ausgeweiteten Militärdienstverpflichtung versehen war. Die Rekruten des Landregiments waren ausschließlich angesessene Gemeinderekruten bzw. Ausgehobene, aber auch Freiwillige. Der Dienst innerhalb der Formation wurde in Kompanien versehen, die nach den Ämtern des Fürstentums gegliedert waren und denen ein Hauptmann vorstand. Im gesamten Landregiment dienten zwischen fünf- und sechshundert Mann, was um 1750 etwa zwei Prozent der Bevölkerung SachsenHildburghausens entsprach. Zu den dienstlichen Verpflichtungen der Einheit gehörten insbesondere das Streifengehen gegen Gauner- und Diebesbanden, Vorsorgemaßnahmen beim Auftreten von Seuchen sowie der Wachdienst in der Residenzstadt in Zeiten, in denen keine fürstliche Garde bestand. Die Militärdienstverpflichtung im Rahmen der Landesdefension war nur im Konsens mit den Landesuntertanen praktikabel, sodass zahlreiche frühneuzeitli1483 DOTZAUER, HÖNN, Sachsen-Coburgische Chronik, Bd. 1, S. 132.
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che Landesfürsten an den Patriotismus der dienstverpflichteten Untertanen appellierten. Ein solcher lokalpatriotisch beseelter Untertanengeist lässt sich auf für das hildburghäusische Landregiment nachweisen. Er zeigte sich ausgeprägt während der einzig vollständigen Mobilisierung des Landregiments im Rahmen des Römhilder Krieges sowie während der Krise von 1770 und der damit einhergehenden vorbereiteten Verteidigung von Hildburghausen. Hier gelang es fürstlich gesteuerter Propaganda, Untertanen zu vehementen Verfechtern der herzoglichen Anliegen zu instrumentalisieren. Der geringe Widerstand gegen die allgemeine Dienstverpflichtung konnte jedoch nicht allein fürstlicher Propaganda zugeschrieben werden, da es sich beim Landregiment um kein rein herrschaftliches Machtinstrument handelte. Tatsächlich wurde die Einheit ausschließlich aus landständischen Mitteln finanziert, und deren Einsätze dienten ganz wesentlich dem Gemeinwesen. Das hildburghäusische Archivmaterial vermittelt dahingehend durchweg den Eindruck, dass der Dienst der Landesdefension auf breite Akzeptanz der Untertanen stieß. Zudem profitierten zahlreiche Landregimentsmitglieder aufgrund der Besoldung für den Wachdienst in Hildburghausen finanziell von dieser Einrichtung. Die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus diensttuenden Provisioner, bei denen es sich ausschließlich um Freiwillige handelte, legten darüber Zeugnis ab.
Graphik 22: Organisatorische Struktur des hildburghäusischen Militärs
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Das Reichskontingent war der matrikularmäßige Beitrag SachsenHildburghausens zur Reichsarmee. Die Einheit wurde lediglich aus Anlass eines Reichskrieges formiert und bestand aus einer Kompanie mit einer Stärke von etwa 140 Mann, die von einem Hauptmann kommandiert wurde. Rein formal stand das Reichskontingent unter dem hildburghäusischen Landregimentskommando und wurde als Teil des Landregiments betrachtet; tatsächlich trugen beide Einheiten sogar dieselbe Uniformierung. Diese spezifische Sichtweise geht auf die Anwerbungspraxis des Reichskontingents zurück, die ebenso wie das Landregiment freiwillige Werbung und Konskription kannte und teilweise sogar auf denselben Rekrutenpool innerhalb des Fürstentums zurückgriff. Die Gemeinderekruten des Reichskontingents wurden auf Grundlage der Konskription ausgehoben. Im Gegensatz zum Landregiment gab es hier die Möglichkeit, einen Eingetretenen als Ersatzmann zu stellen. Ein Großteil der Rekrutierungsverantwortung lag hier bei den Gemeinden des Fürstentums. Die fürstliche Verwaltung entschied lediglich über die Tauglichkeit der vorgestellten Gemeinderekruten. Um die Last der Gemeinden zu verringern, wurde zudem eine ausgedehnte freiwillige Werbung unternommen, sodass der Anteil der Landesuntertanen im Reichskontingent etwa vierzig Prozent betrug. Verluste wurden nicht durch Konskription, sondern ausschließlich durch freiwillige Werbung ersetzt. Bezogen auf die Praxis muss das Reichskontingent jedoch vor allem im Hinblick auf Dienst, Struktur und Logistik vollständig losgelöst vom Landregiment betrachtet werden. Es handelte sich um eine Kampftruppe, die auf dem Kriegsschauplatz gemeinsam mit Kompanien anderer ernestinischer Staaten ein Allianzregiment formierte und dem Kommando des Regimentsobristen sowie der Reichsarmee unterstand und strukturell keinerlei Gemeinsamkeiten mit der Landesdefension aufwies. Die sowohl im Spanischen Erbfolgekrieg als auch im Siebenjährigen Krieg und während des Ersten Koalitionskrieges erfolgte Stellung des hildburghäusischen Reichskontingents ist vor allem im Hinblick auf die Geschichte des Obersächsischen Kreises relevant: Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts erkannten die Ernestiner sowohl die Vorteile als auch die Notwendigkeit, in der Außen- und Reichspolitik miteinander zu kooperieren. Diese Einsicht hing hauptsächlich mit der zusehends in Verfall geratenen Verfassung des Obersächsischen Kreises zusammen. Während die ernestinischen Territorien einzeln nur unbedeutenden Einfluss ausüben konnten, waren die kooperativ vereinigten Staaten nach Brandenburg-Preußen und Kursachsen der einflussreichste Stand des Obersächsischen Kreises. Dennoch war die politische Machtausübung schwierig, da vor allem die bedrohliche Hegemonialstellung Kursachsens nicht effektiv untergraben werden konnte. In dieser Situation kam den formierten Reichskontingenten und der zuverlässigen Partizipation
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an der Reichsdefension große Bedeutung zu. Diese sicherten das Wohlwollen des Kaisers, sodass die Eigenständigkeit der ernestinischen Territorien bis zum Ende des Alten Reiches erhalten blieb. Bedeutender ist jedoch das Ergebnis, dass aufgrund der ernestinischen Kooperation der Reichsgedanke im Obersächsischen Kreis auch nach dem Zusammentreten des letzten Kreistages 1681 fortbestand. Obwohl der Obersächsische Kreis seit dieser Zeit formal als handlungs- und beschlussunfähig anzusehen ist, leisteten die ernestinischen Kreisstände unter eigener Organisation dennoch wichtige Reichshilfen. Ihre Kontingente rückten unter der Bezeichnung „Obersächsische Mannschaftskontingente“ in Form eines gemeinschaftlichen Allianzregiments ins Feld. Die fürstlichen Garden bestanden aus der berittenen Garde du Corps (1717–1724) und aus der Grenadiergarde (1717–1737, 1750–1771). Bei der Garde du Corps handelte es sich um eine schwache Kürassiereskadron mit einer Stärke von etwa fünfzig Mann, die von einem Kapitänleutnant kommandiert wurde. Als fürstliche Leibwache bestand ihre vornehmliche Aufgabe in der Absicherung des Residenzschlosses. Die Grenadiergarde bestand zunächst aus einer, später aus bis zu vier Kompanien, deren Mannschaftsstärken stark schwankten. In Zeiten der Reduzierung verfügte die gesamte Einheit lediglich über 45 Mann, erreichte jedoch 1735 eine Stärke von 202 Mann. Dass die Einteilung in Kompanien nicht völlig ernst zu nehmen ist, zeigt eine Aufstellung aus dem Jahr 1767, in der sich die 78 Grenadiere auf vier Kompanien verteilten. Hauptaufgabe der Grenadiergarde war die Absicherung der Residenzstadt durch den Wachdienst an den Stadttoren. Die fürstlichen Garden, bei denen die freiwillige Anwerbung der Rekruten dominierte, unterschieden sich in Funktion und Struktur beträchtlich von Landregiment und Reichskontingent. Die Bedeutung der Garden ging dabei weit über den oberflächlichen Charakter einer repräsentativen fürstlichen Leibgarde hinaus. Vielmehr war die 1717 erfolgte Errichtung der Garden ein erstes Experiment zur Aufrichtung stehender Truppen in SachsenHildburghausen. 7.1.2 Dynastische Konkurrenz und Prestigezuwachs Die territoriale Zersplitterung des Alten Reiches bildete sich auf dem Gebiet des heutigen Thüringen exemplarisch ab. Allein die ernestinischen Fürstentümer stellten um 1680 zehn verschiedene Territorialstaaten. Hinzu kamen noch die Gebiete der schwarzburgischen Linien, mainzische und hessische Besitzungen sowie kursächsische Ländereien bzw. die Gebiete albertinischer Sekundogenituren. Das Verhältnis der Residenzen und Territorien zueinander lässt sich am ehesten mit dem Begriff konkurrierender Höfe umschreiben: Es
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wurde um Macht, Souveränität und Prestige konkurriert, und zwar auf kulturellen Gebieten wie der Kunst oder Architektur, aber eben auch im Bereich des Militärs. Wenn den Herzögen von Sachsen-Hildburghausen wie auch anderen Fürsten dieser Zeit allgemein ein verstärkter Drang zur Verschwendung vorgeworfen wird, so bleibt dabei meist außer Acht, dass dieser Konkurrenzkampf kein freiwilliger war. Er wurde den einzelnen Potentaten durch die Konstellation aufoktroyiert. Der Landesfürst hatte keine Wahl: Um unter seinesgleichen als gleichwertig anerkannt zu werden, war er gezwungen zu wetteifern. Dies galt in besonderem Maße für die Herzöge von SachsenHildburghausen, die aufgrund ihres geringen Territorialbesitzes und der damit verbundenen schmalen Machtsphäre stets unter Konkurrenzdruck standen. Um im Rahmen des höfischen Konkurrenzdrucks zu bestehen, waren finanzielle Mittel unabdingbar. Diese wurden in frühneuzeitlichen Territorialstaaten hauptsächlich aus Steuern generiert. Die im Rahmen der Landesteilung des Jahres 1680 an Sachsen-Hildburghausen gefallenen Ämter erzielten gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein jährliches Steueraufkommen von lediglich 72.000 Gulden. Diese Summe hätte für ein bescheidenes Staatswesen inklusive diverser Apanagen ausgereicht, war jedoch im System der konkurrierenden Höfe völlig unzulänglich; eine Staatsverschuldung somit vorprogrammiert. Erste Prestigeprojekte waren kostspielige zivile Bautätigkeiten in der neuen Residenzstadt sowie der ab 1700 stattfindende Aufbau stehender Truppen. Diese nutzte man nun in Sachsen-Hildburghausen zusehends als zentrales Instrument zum Prestigegewinn und zur Repräsentation territorialstaatlicher Souveränität. Der Ausbau des Militärs wurde erst mit der geschickt erhandelten Loslösung aus dem Nexus Gothanus und der damit verbundenen Erlangung der vollständigen Landeshoheit möglich. Dies war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, die eigene Souveränität sowie den Besitz des ius armorum auch reichsweit zu inszenieren. Die direkt im Anschluss an den Liberationsrezess erfolgte Formierung des Reichskontingents für den Spanischen Erbfolgekrieg konnte als ein zweiter Schritt in diese Richtung gelten. Die hildburghäusischen Truppen, die nun unter eigener Fahne auf den Kriegsschauplätzen zugegen waren, vermittelten die Souveränitätsbotschaft indirekt anderen Reichsständen. Im zivilen Bereich gelang dies mit dem ab 1710 wahrgenommenen Teil des Hennebergischen Reichstagsvotums und der damit verbundenen Vertretung Sachsen-Hildburghausens auf dem Regensburger Reichstag noch eindringlicher.
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7.1.3 Konsolidierung des Staatshaushalts und fürstliches Reservat Während es Herzog Ernst in seiner Regierungszeit gelang, SachsenHildburghausen in bescheidenem Maße an die überregionale Politik innerhalb des Reiches anzuschließen, glaubte sein Sohn Herzog Ernst Friedrich I., das Fürstentum durch den Kontakt zu europäischen Mächten über den kleinstaatlichen Rahmen hinausheben zu können. Es handelte sich hier um eine zweite Phase ehrgeiziger Außenpolitik und Selbstdarstellung. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts konnte die zunehmende Staatsverschuldung Sachsen-Hildburghausens nicht mehr eingedämmt werden. Zusehends rückte neben dem Prestigezuwachs auch die Haushaltskonsolidierung in den Mittelpunkt fürstlicher Politik und sollte von nun an nahezu alle herrschaftlichen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. In gewisser Weise lässt sich die gesamte Geschichte des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen als eine Prestige- und Finanzgeschichte verstehen. Paradoxerweise ordneten die hildburghäusischen Herzöge vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Wirtschaft des Fürstentums dem Militär vollständig unter. Dies galt sowohl im Bereich der Finanzierung des Militärs, das ausschließlich aus steuerlichen Mitteln unterhalten wurde, als auch im Falle der bisweilen gewaltsamen Rekrutierung und Konskription sowie im Rahmen der ambitionierten Subsidienprojekte. Letztere wurden erstmals unter Ernst Friedrich I. im Jahr 1716 eingeleitet und von seinem Enkel Ernst Friedrich III. Carl 1750 wiederbelebt. Sie waren zum einen prestigeträchtige Unternehmungen, sollten jedoch hauptsächlich der Refinanzierung des Staatswesens dienen. Im Rahmen dieser finanziellen Innovation war geplant, dem Militär eine aktive Rolle in der Generierung neuer Einnahmen zukommen zu lassen. Noch so kleine Kontingente glaubten die Herzöge an fremde Mächte vermitteln zu können, um dadurch finanzielle Defizite auszugleichen. Doch die Unternehmungen misslangen. Zum einen vermochte es das Fürstentum nicht, aufgrund seiner zu beschränkten logistischen und demographischen Ressourcen im europäischen Konkurrenzkampf um Subsidien zu bestehen. Zum anderen blieben derartige Projekte immer von der jeweiligen Biographie der Landesfürsten abhängig. Diese waren es, die Bemühungen um Subsidien nicht langfristig und entschieden genug anlegten, sondern Staatsausgaben nach wie vor auf Bau- und andere Prestigeprojekte verteilten. Wären alle zur Verfügungen stehenden finanziellen Mittel in den Subsidienprojekten konzentriert worden, ist es nicht auszuschließen, dass Sachsen-Hildburghausen ein fiscal-military state im Miniaturformat hätte werden können. Die Herzöge von Sachsen-Hildburghausen begriffen die Gestaltung des Militärwesens als uneingeschränktes fürstliches Reservatrecht. Tatsächlich befand sich das Militär aber stets im Spannungsfeld zwischen fürstlicher Ver-
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fügungsgewalt und landständischer Finanzierung. Da die hildburghäusischen Landstände aufgrund desperater Quellenlage nach wie vor ein Desiderat darstellen, ist es nur schwer möglich, in diesem Bereich zu differenzierten Aussagen zu gelangen. Allein auf Grundlage der militärischen Quellenüberlieferung lässt sich jedoch konstatieren, dass es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine zentrale fürstliche Finanzbehörde gab und wohl die gesamte Finanzverwaltung des Fürstentums – und damit ein ganz wesentlicher Teil der Staatsbildung – in den Händen der Landstände lag. Dennoch zeigten sich deren Handlungsspielräume diffus. Dies führte in der wenig vorhandenen Forschungsliteratur zur Einschätzung, bei den hildburghäusischen Landständen handle es sich um ein willenloses Werkzeug des fürstlichen Willens. Dies wurde auf die nachweislich enge Anbindung zahlreicher Mitglieder der Landstände an den fürstlichen Hof zurückgeführt. Im Rahmen der Militärpolitik zeigten sich die Landstände stets offensiv und dem fürstlichen Willen entgegengesetzt, wenngleich sie es nie vermochten, den einmal gefassten Plänen der Herzöge Einhalt zu gebieten. Im Wesentlichen war die Militärpolitik im Fürstentum bis zur Krise des Jahres 1770 von zwei gegenläufigen Strömungen geprägt: Hier fand sich einerseits, hauptsächlich von den Landständen vertreten, eine realistische Haltung, welche mit Rücksicht auf den Staatshaushalt eine Abschaffung aller stehenden Truppen forderte. Auf der anderen Seite stand der durch die Herzöge propagierte Zwang, im Konzert der konkurrierenden Höfe die prestigeträchtigen stehenden Truppen als Ausdruck der Landeshoheit zu unterhalten. Aufgrund der historischen Konstellation erlangte in der Zeit nach Ernst Friedrich I. keine der Strömungen ein langfristiges Übergewicht. Nach dem Tod Ernst Friedrichs I. setzte zunächst ein allgemeiner Niedergang des Militärwesens ein. Sein Sohn Ernst Friedrich II. versuchte Anfang der 1730er Jahre nur kurzfristig an Vergangenes anzuknüpfen. Zwischen 1737 und 1770 wurde der Aufwand für das Militär dann deutlich zurückgefahren, doch war dies weniger dem Einfluss der Landstände als vielmehr den tatsächlich fehlenden finanziellen Mitteln des Fürstentums geschuldet. Zu einer vollständigen und endgültigen Auflösung der wenigen stehenden Truppen in Sachsen-Hildburghausen kam es erst im Jahr 1770, als die kaiserliche Schuldenkommission durch Eingriff von außen die herzogliche Macht brechen konnte. Durch kaiserlichen Willen zur strengen Haushaltskonsolidierung verdammt, schied Sachsen-Hildburghausen fremdbestimmt aus dem bereits im Niedergang begriffenen System der konkurrierenden Höfe aus. Als Militärverband verblieb bis zum Ende des Alten Reiches lediglich die Landesdefension bestehen. Da sich der anschließend regierende Herzog Friedrich zusehends aus Militärangelegenheiten zurückzog und diese – anders als seine Vorfahren – nicht mehr als „zentrales devoir“ begriff, spielte das Militär im Fürstentum nur noch eine marginale Rolle. An die Stelle
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kten fürstlichen Administration trat eine institutionel nelle Neuder vormals direkte schöpfung in Form rm der Kriegskommission. Der Landesfürst war im Militär nun nicht mehr allg allgegenwärtig, sondern delegierte Verantwortung an berufene Offiziere, die eig eigene Pläne einbrachten und umsetzten. Trotz dies ieser Entwicklungen verlorr ddas Militär seine Bedeutung nicht vollständig, de denn das Reichskontingentt w wurde weiterhin formiert, und die Landesdefension ion wurde gepflegt und überda rdauerte die Zeit des Rheinbundes unbeschadet. Sie ie b bestand in reformierter F Form bis zum Ende des Herzogtums SSachsenHildburghausen im Jahr 1826 fort.
lungsspielräume des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen mit ausgew gewählten Graphik 23: Handlun Beispielen aus zivilen/ n/diplomatischen und militärischen Bereichen
nsion als Mittel territorialer Expansion 7.1.4 Landesdefensi estinischen Dynastien auf Reichsebene kooperativ m miteinanWährend die ernest der verhandelten,, kkam es im lokalen Rahmen zu zahlreichen militäris ärisch ausgetragenen Konflik flikten. Die Ursache aller Konflikte unter den goth othaischen s in der Landesteilung des Jahres 1680, die A Auslöser Nebenlinien fand sich einer Kausalkette w war und bereits zum Zeitpunkt der Teilung in einee kkonfliktreiche Zukunft wie wies. Es wurde bereits angesprochen, dass im Syst ystem der konkurrierenden H Höfe die Haushaltskonsolidierung zu den wich ichtigsten Pflichten eines Ter Territorialstaates gehören musste. Dies versuchte te man in ghausen vorrangig durch wirtschaftliche Innovation, on, SubsiSachsen-Hildburgha
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dienprojekte und Steuereinnahmen zu erreichen. Eine Erhöhung der Steuereinnahmen konnte zum einen durch eine Mehrbelastung der Landesuntertanen durch Extrasteuern oder aber durch den Zugewinn neuer Untertanen im Rahmen von Gebietszuwächsen verwirklicht werden. SachsenHildburghausen nutzte dazu die innerhalb der gothaischen Linie im 18. Jahrhundert mehrfach vorkommenden Sukzessionskonflikte, um sein Territorium zu arrondieren. Zunächst gelang es Herzog Ernst auf diplomatischem Weg in den Jahren 1683 und 1705, die Ämter Königsberg und Sonnefeld an seine Linie zu bringen. Als 1710 Herzog Heinrich v. Sachsen-Römhild kinderlos verstarb, war schnelles Handeln geboten, und Diplomatie blieb zunächst keine Option. Was für Groß- und Mittelstaaten des Reichs kleine Gebietsfetzen waren, wurde im Rahmen kleinstaatlicher Politik zu einem Objekt, das den Aufstieg eines Territoriums entscheidend befördern konnte. Die hildburghäusische Landesdefension besetzte 1710 das Amt Behrungen und die Stadt Römhild, um so unumstößliche Tatsachen zu schaffen. Es gelang Sachsen-Hildburghausen auf militärischem Weg und durch Beharrlichkeit, den Besitz des Amtes Behrungen zu behaupten. Erstmals zeigte sich hier die gewichtige Rolle der Landesdefension, die ganz gegen die defensive Tradition auch erfolgreich offensiv eingesetzt werden konnte. Ein weiterer Beweis war die 1724 erfolgte schnelle Besetzung des meiningischen Amtes Schalkau durch Teile des Landregiments im Rahmen des sogenannten Schalkauer Kirschenkrieges. Dass es Sachsen-Hildburghausen nicht gelang, das kurz zuvor getauschte Amt zurückzugewinnen, war mehr der Diplomatie als dem Militär geschuldet. Dass schließlich auch während des sogenannten Meininger Kartoffelkrieges 1763 auf die Landesdefension zurückgegriffen wurde, zeigt, dass sich die Doktrin der offensiven Verwendung des Landregiments in SachsenHildburghausen endgültig durchgesetzt hatte. Im Zusammenhang mit dem Militär ist die Bedeutung dieser kleinräumigen und oft belächelten Konflikte nicht zu unterschätzen; stellen sie doch die althergebrachte Forschungsmeinung der undisziplinierten und tendenziell nutzlosen Landesdefensionen in Frage. Im Rahmen der kleinräumigen Sukzessionskonflikte kamen ausschließlich Einheiten der Landesdefension zum Einsatz, obwohl in den verschiedenen Territorien auch stehende Truppen vorhanden waren. Eine Begründung findet sich zum einen darin, dass Sachsen-Hildburghausen und die anderen Kleinstaaten davor zurückschreckten, die kostspielig aufgestellten und ausgerüsteten Gardetruppen leichtfertig einzusetzen. Wesentlich wichtiger aber war die Begrenzung des Konfliktes auf die lokale Ebene. Der Einsatz stehender Truppen hob jeden noch so geringen Landfriedensbruch zwischen den Territorien auf eine höhere Ebene. Da insgeheim alle Beteiligten auf das Wohlwollen und die Mediation des Kaisers hofften, schien der Einsatz regulären Militärs nicht zweckmäßig. In Sachsen-Hildburghausen ließ die Effektivität des
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offensiv agierenden Landregiments die Verwendung der Gardetruppen noch fragwürdiger erscheinen. In diesem Zusammenhang zeigen die für SachsenHildburghausen gewonnenen Ergebnisse, dass die vor allem aufgrund fehlender Quellengrundlage allgemein unterschätzten Landesdefensionen der verschiedenen Reichsstände neu zu bewerten sind. Zumindest unter der Voraussetzung eines beschränkten Ziels und eines zeitlich begrenzten Einsatzes erwies sich die Landesdefension als wichtiges Instrument offensiver kleinstaatlicher Außenpolitik.
7.2 Alltags- und Sozialgeschichte „Demnach der Recroute Hoenbaum sich selbst bey löblichen Regiment angegeben wie ihm eine Frauens Persohn alß den Vatter eines von ihr jüngst gebohrnen Kindes angeben wollte, so ist besagter Recroute dieserhalb vernommen […].“1484 Aus dem Verhör des Grenadiers Conrad Hohnbaum, 1750
7.2.1 Zwischen fürstlichem Disziplinierungswillen und bürgerlicher Sozialisation Die 1717 erfolgte Errichtung der Grenadiergarde war für Herzog Ernst Friedrich I. nicht nur aufgrund der nach außen getragenen Souveränität und Repräsentativität von Bedeutung. Vielmehr versuchte der Herzog, ein ihm vollständig ergebenes und professionalisiertes Instrument zu schaffen, das in Konfliktsituationen gegebenenfalls auch gegen die eigenen Landesuntertanen eingesetzt werden konnte. Hierin bestand auch der bedeutendste Unterschied zum Landregiment, das nicht zuletzt aufgrund der engen Bindung an die Landstände sowie der allgemeinen Dienstverpflichtung in der Bevölkerung stark verhaftet war. Jeder Einsatz des Landregiments gegen Untertanen hätte einer außerordentlichen Legitimation bedurft und war selbst dann unsicher. Für Ernst Friedrich I. war der 1717 vorgesehene und gescheiterte Einsatz des Landregiments während der Unruhen in Hildburghausen ein Schlüsselereignis. Wird die Einrichtung der Grenadiergarde vor diesem Hintergrund gesehen, so war zur Schaffung eines treuen Machtinstruments zunächst dessen Lösung vom Untertanenverband notwendig. Die Lösung wurde hauptsächlich durch die begrenzte Aufnahme von Landesuntertanen in die Grenadiergarde erreicht. Die freiwillige Werbung überschritt die Landesgrenzen des Fürstentums regelmäßig und war ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses. Die landesfremden Rekruten waren damit zunächst nicht in Sachsen-
1484 ThStAM, GA Hbn, XXII, 46, 8.12.1750, fol. 2r.
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Hildburghausen verwurzelt, wurden zudem direkt auf den Herzog vereidigt und von professionellen Offizieren angeführt. Insgesamt zeigt sich, dass die hildburghäusische Grenadiergarde sowohl Objekt als auch Exekutivkraft einer von fürstlicher Seite intendierten Disziplinierung war. Im Rahmen der Garde selbst zeigte sich dies an der starken Reglementierungstätigkeit der Herzöge. Des Weiteren finden sich beispielsweise im Rahmen der Beantragung von Trauscheinen und der Meldung von Abwesenheiten verschiedene Anhaltspunkte für die in allen Lebensbereichen der Soldaten stattfindende Überwachung. Da sich die Übergänge von Militärund Zivilgesellschaft fließend gestalteten, kam dem fürstlichen Disziplinierungswillen auch gesamtgesellschaftlich Bedeutung zu. Die im zivilen Bereich u. a. durch Verordnungen und Mandate implementierte Disziplinierung stand mit der Grenadiergarde insoweit in Verbindung, als diese als Exekutive fungierte. Dies galt insbesondere im kleinstaatlichen Rahmen, wo Gardetruppen bzw. das Militär allgemein weniger Instrument der Kriegsführung als mehr der „guten Policey“ waren. Vor diesem Hintergrund sind beispielsweise die Stadt-/Torwachen, die militärische Exekution, die Überwachung der Bevölkerung im Rahmen der Einquartierung zu sehen. Der gesamte Prozess der Disziplinierung ist – insbesondere was die Zivilbevölkerung angeht – lediglich als intendiert und ohne Abschluss oder eindeutiges Ergebnis zu betrachten. Hauptgrund dafür waren die häufigen strukturellen Veränderungen im gesamten hildburghäusischen Militär. Mehrfach hat sich gezeigt, dass der Kontakt zwischen Soldaten und Zivilisten nachteilig auf die Disziplinierung des Militärs wirkte, sodass in der Erweiterung von einem Spannungsfeld zwischen fürstlichem Disziplinierungswillen und ziviler/bürgerlicher Sozialisation ausgegangen werden kann. Im Rahmen der mikrohistorischen Untersuchung ließen sich vor allem Quartiere und Gasthäuser als Orte gesteigerten Konfliktpotentials ausmachen, die der Disziplinierung entgegenwirkten. Hier kam es u. a. zu Handgreiflichkeiten, Diebstählen und Desertionskomplotten. Die quellenmäßig erfassten Beispiele dürften dabei lediglich einen kleinen Einblick in die Gesamtsituation liefern. Da weder eine im Rahmen der Reglements unternommene verstärkte Kriminalisierung noch eine rigidere Strafjustiz Abhilfe schaffen konnte, standen die hildburghäusischen Herzöge diesen Entwicklungen weitgehend machtlos gegenüber. Erste Schritte zu einer Trennung zwischen ziviler und militärischer Lebenswelt schlug Herzog Ernst Friedrich III. Carl im Jahr 1750 mit der Errichtung eigener Kasernenbauten vor, was die Bürgerschaft der Residenzstadt jedoch ablehnte und auch finanziell nur schwer möglich schien. Die Bürgerschaft arrangierte sich bis 1771 mit der Einquartierung der Grenadiergarde, und der Landesfürst vermochte keine Trennung herbeizuführen. Auch die unter Ernst Friedrich III. Carl erlassenen Restriktionen für Solda-
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tenehen sowie die verstärkte Annahme ausländischer Rekruten zeigten keine durchgreifende Wirkung. 7.2.2 Perspektivloser Offiziersdienst Der Offiziersdienst zeigte in Sachsen-Hildburghausen große Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen des Militärwesens. In der Landesdefension bzw. dem Landregiment rekrutierten sich die niederen Offizierschargen fast ausschließlich aus angesessenen Landesuntertanen, die meist ehrenwerte Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft waren. Diese Offiziere versahen den Dienst neben einer zivilen beruflichen Tätigkeit und konnten damit ihre Finanzen aufbessern, ohne dass jedoch die finanzielle Absicherung im Vordergrund stand. Demgegenüber fanden sich ab dem Rang eines Majors ausschließlich Berufsoffiziere in der Landesdefension, die allesamt adeligen Geschlechtern des mitteldeutschen Raums entstammten. Diese Offiziere waren eng an die höfische Gesellschaft angebunden und hatten sich meist vom Kammerjunker über verschiedene Hofchargen nach oben gedient. Für diese adeligen Offiziere, die den Militärdienst hauptberuflich auszuüben suchten, spielte die finanzielle Absicherung eine wesentlich größere Rolle als bei den bürgerlichen Offizieren der Landesdefension. Im Laufe des 18. Jahrhunderts drängten immer mehr adelige Offiziere in den Dienst der hildburghäusischen Herzöge, was angesichts des Umfangs des Militärs rasch zu einer deutlichen Überbesetzung der Offiziersstellen führte. Im Rahmen dieser Entwicklung drängte der Adel zusehends auch in niedere Offizierschargen und verdrängte hier u. a. die traditionell bürgerlichen Kompanieführer des Landregiments. Zudem wurde verabschiedeten Gardeoffizieren gelegentlich eine Offizierscharge im Landregiment zugestanden, die als Ruhestandsgehalt fungierte. In abgeschwächter Form lässt sich eine solche Entwicklung auch bei den fürstlichen Garden konstatieren. Hier war die Hälfte aller Offiziere adeliger Herkunft, wobei zwei Drittel von außerhalb des Fürstentums nach SachsenHildburghausen kamen. Ähnlich wie bei den Stabsoffizieren der Landesdefension lässt sich eine enge Anbindung der adeligen Offiziere an die Hofgesellschaft feststellen, wohingegen bürgerliche Gardeoffiziere eine Anstellung lediglich auf Grundlage fundierter militärischer Erfahrung erlangten. Der Offiziersdienst bei den hildburghäusischen Garden bot aufgrund der Stellenüberbesetzung sehr wenige Perspektiven. Der Offizier, der außerdem seine „fortun“ im Krieg suchen wollte, war in Sachsen-Hildburghausen fehl am Platz. Der eintönige Wachdienst bot nur wenige Gelegenheiten, sich vor anderen auszuzeichnen, dafür aber die Möglichkeit, umfassende Erfahrungen im militärischen Dienstalltag zu sammeln. Daher verblieben vor allem junge
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Offiziere nur kurze Zeit in Hildburghausen und bemühten sich bald um Anstellung bei einem mächtigeren Reichsfürsten, sodass der Dienst in SachsenHildburghausen als Sprungbrett fungierte. Wenig dauerhaft gestaltete sich auch der Dienst der Reichskontingentsoffiziere. Analog zur Entwicklung bei der Landesdefension drängten auch hier adelige Offiziere in Verantwortungspositionen. Es schien hier weniger um finanzielle Absicherung zu gehen als mehr um Prestige, das man sich vom Dienst im 1703 erstmals formierten Reichskontingent erwartete. Mit fortschreitender Dauer des Spanischen Erbfolgekrieges lässt sich ein signifikanter Rückgang der Zahl adeliger Offiziere feststellen. Dies schien mit den logistischen Schwierigkeiten des Reichskontingents sowie mit den mangelnden Möglichkeiten eines wenig auszeichnungswürdigen Dienstes zusammenzuhängen. Das Fernbleiben adeliger Offiziere sowie die Verluste durch Gefechte und Krankheiten begünstigten den raschen Aufstieg niederer Chargen im Reichskontingent. Prinzipiell war es möglich, in wenigen Jahren vom Musterschreiber zum Leutnant zu avancieren, was sowohl im Landregiment als auch bei den Garden unmöglich war. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es adeligen Offizieren nur in den seltensten Fällen gelang, sich dauerhaft an den Landesfürsten zu binden. Auch bei bürgerlichen Offizieren war der Aufstieg die Ausnahme. Dies konnte insbesondere für die Offiziere der Garden und des Reichskontingents gelten, die trotz des erhofften Aufstiegs nur begrenzte Zeit in hildburghäusischen Diensten standen. Offenbar im Wissen um die oft bedrückenden Zustände engagierte sich der hildburghäusische Adel vornehmlich im Umkreis der zivilen Hofgesellschaft oder in der territorialstaatlichen Verwaltung, jedoch nicht im Militär. 7.2.3 Militärdienst als Möglichkeit alternativer Lebensgestaltung Die Ergebnisse zur Sozialstruktur hildburghäusischer Rekruten decken sich weitestgehend mit den Erkenntnissen, die durch neuere militärhistorische Forschungen für andere Reichsterritorien erzielt worden sind. Demnach rekrutierte sich das frühneuzeitliche Militärwesen nicht, wie lange Zeit unreflektiert angenommen, ausschließlich aus sozialen Randgruppen und Angehörigen unterständischer Schichten. Vielmehr zeigte sich auch am Beispiel des hildburghäusischen Militärs, dass zahlreiche Männer unterschiedlichster Altersklassen und Berufsgruppen den Militärdienst als Möglichkeit alternativer Lebensgestaltung empfanden. Die Entscheidung für den freiwilligen Dienst bei der Grenadiergarde oder dem Reichskontingent wurde jedoch meist ange-
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sichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten und prekärer Lebensumstände getroffen. Der Dienst in der hildburghäusischen Grenadiergarde fungierte für viele Rekruten als finanzielle Absicherung, da die regelmäßige und moderate Besoldung ein bescheidenes Auskommen ermöglichte. Der Großteil der Rekruten gelangte im jungen Erwachsenenalter zur Grenadiergarde und nutzte den Dienst als Möglichkeit zur Überbrückung einer schwierigen Lebenssituation. Dass Prekarität und der Militärdienst allgemein in Sachsen-Hildburghausen eng verbunden waren, zeigt u. a. die Tatsache, dass Rekruten ohne Berufsausbildung stets wesentlich früher in das Militär eintraten als Ausgebildete. Auch der vergleichsweise hohe Anteil an textilverarbeitenden Berufen unter den Rekruten der Grenadiergarde weist in diese Richtung. Der Dienst in der Grenadiergardekonnte dahingehend nicht als Beruf „wie jeder andere“ gesehen werden, da eine in jeder Form freiwillige Entscheidung für das Militär in den meisten Fällen grundsätzlich fehlte. Eine Ausnahme stellten die sogenannten Soldatenbiographien mit ihren teilweise mehrere Jahrzehnte umfassenden Dienstzeiten dar. Diese Soldaten entschieden sich offenbar wohlüberlegt für den Dienst und gestalteten ihren Lebensweg eng an das Militär angelehnt. Im Reichskontingent war die Lebensplanung der Soldaten wesentlich kurzfristiger angelegt als bei der Grenadiergarde. Da das Reichskontingent nur für die Zeit eines Reichskrieges angeworben wurde, war ein längeres Auskommen hier nicht möglich. Dennoch bestand der Großteil der Rekruten aus Freiwilligen, die hauptsächlich aus finanziellen Motiven heraus die Anwerbung suchten. Dass es dennoch Verschiedenheiten zwischen Grenadiergarde und Reichskontingent gab, zeigt die vergleichende Auswertung von Mannschaftslisten beider Einheiten. Es lässt sich feststellen, dass der mit höheren Anforderungen und Gefahren verbundene Dienst beim Reichskontingent hauptsächlich für sehr junge, größtenteils unausgebildete und ledige Rekruten attraktiv war. Der Anteil der hildburghäusischen Untertanen war hier vergleichsweise niedrig. Das ungewisse Schicksal der Reichskontingentssoldaten führte dazu, dass sich zahlreiche verwandte oder befreundete Männer gemeinsam anwerben ließen. Insgesamt spielten auch hier prekäre Lebenssituationen eine Rolle. Aufgrund der höheren finanziellen Vergütung beim Reichskontingent hofften die Rekruten, nach ihrer Dienstzeit den Ausgangspunkt für ein geordnetes Leben zu schaffen. Dies galt insbesondere für die Eingetretenen, die für ihren gefahrvollen Dienst von einigen hildburghäusischen Gemeinden nicht nur mit sehr hohem Handgeld, sondern u. a. auch mit Hausbau und Nachbarrecht entlohnt wurden. Ein Soldat im Reichskontingent konnte kurzfristig bedeutende finanzielle Vorteile erreichen, die Soldaten der Grenadiergarde selbst nach mehrjährigem Dienst erlangen konnten.
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1 Ungedruckte Quellen Thüringisches Staatsarchiv Meiningen (ThStAM) Bestand Amtsarchiv Heldburg: 1526, 2231, 2232. Bestand Finanzarchiv Geschichtliches: 62, 108, 109. Bestand Geheimes Archiv Hildburghausen (GA Hbn): 272, 274, 437, 459, 464, 465. Abteilung VI, A: 6. Abteilung VIII, D: 9. Abteilung XI: 4, 6. Abteilung XXII: 1, 2, 3, 7, 13, 19, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 51, 52, 53. Bestand Geheimes Archiv Meiningen (GA Mgn): Abteilung VII, J: 14. Abteilung XV, Z: 2. Bestand Kaiserliche Debitkommission Hildburghausen: 17, 18, 19, 20, 357, 362. Bestand Kreis Hildburghausen: 1461. Bestand Regimentskommando Meiningen: 58. Bestand Sachsen-Coburg/Gothaer Regierung: 127, 128, 129. Bestand Staatsministerium, Abteilung Inneres (SM, Inneres): 3185, 23781, 23785, 23939, 23940, 23941, 24216, 24217, 24218, 24296, 24447. Bestand Zinck-Mattenberg-Sammlung: 352. Thüringisches Staatsarchiv Altenburg (ThStAA) Bestand Geheimes Archiv Altenburg, Supplement: 7a–7m, 25. Bayerisches Staatsarchiv Coburg (BayStA Co) Bestand Landesarchiv: Abteilung B (LAB): 3850. Abteilung F (LAF): 4185, 4569.
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DERS.: Die Allgegenwärtigkeit der Pest in der frühen Neuzeit und ihre Vernachlässigung in der Geschichtswissenschaft, in: DERS. (Hg.): Die leidige Seuche, S. 1–63. VENTZKE, Marcus: Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1775–1783. Ein Modellfall aufgeklärter Herrschaft? (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 10), Köln/Weimar/Wien 2004. VIERHAUS, Rudolf: Hg.): Wege zu einer neuen Kulturgeschichte, Göttingen 1995. DERS.: Die Rekonstruktion historischer Lebenswelten. Probleme moderner Kulturgeschichtsschreibung, in: DERS. (Hg.): Wege zu einer neuen Kulturgeschichte, S. 7–28. VOGES, Dietmar-Henning: Nördlingen seit der Reformation. Aus dem Leben einer Stadt, München 1998. WEGNER, Bernd (Hg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten (= Krieg in der Geschichte, Bd. 4), Paderborn 2000. WEHLER, Hans-Ulrich: Preußen ist wieder chic …, Frankfurt 1983. DERS.: Neoromantik und Pseudorealismus in der neuen „Alltagsgeschichte“, in: DERS.: Preußen ist wieder chic …, Frankfurt 1983, S. 99–106. DERS.: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, München 42006. WERKSTETTER, Christine: Die Pest in der Stadt des Reichstags. Die Regensburger „Contagion“ von 1713/14 in kommunikationsgeschichtlicher Perspektive, in: BURKHARDT, Johannes; DIES. (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (= Historische Zeitschrift, Beihefte, Bd. 41 (NF)), München 2005, S. 267–294. WESTPHAL, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648– 1806 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 43), Weimar 2002. DIES.: Ernst II. und die Erbfolgestreitigkeiten im Hause Sachsen-Gotha, in: GREILING, Werner; KLINGER, Andreas (Hg.): Ernst II. von SachsenGotha-Altenburg. Ein Herrscher im Zeitalter der Aufklärung (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 15), Köln 2005, S. 85–100. WETTE, Wolfram: Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992. DERS.: Militärgeschichte zwischen Wissenschaft und Politik, in: KÜHNE (Hg.): Was ist Militärgeschichte? (=Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn 2000, S. 49–71.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Bd. 27), Weimar 2008, S. 234–262. DIES.: Sophie Albertine von Sachsen-Hildburghausen. Eine unglückliche Vormundschaftsregentin, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 24 (2009), S. 71–98. WITZLEBEN, Arwied von: Der Wasunger Krieg zwischen Sachsen-GothaAltenburg und Sachsen-Meiningen (1747–1748), Gotha 1855. WOHLFEIL, Rainer: Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1/1 (1967), S. 21–29. DERS.: Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte?, in: GERSDORFF, Ursula von (Hg.): Geschichte und Militärgeschichte. Wege der Forschung, Frankfurt 1974, S. 165–175. WÖLFING, Günther: Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön, Hildburghausen 1992. WOLLSCHLÄGER, Thomas: Die Military Revolution und der deutsche Territorialstaat. Determinanten der Staatskonsolidierung im europäischen Kontext 1670–1740, Halle 2002. WULFF-WOESTEN, Hans-Peter: Rudolf Armin Human – ein bedeutender Theologe, Historiker und Forscher, in: Jahrbuch des HennebergischFränkischen Geschichtsvereins 18 (2003), S. 9–37. WUNDER, Bernd: Die Kreisassoziationen 1672–1748, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 128 [NF 89] (1980), S. 167–266. WÜRGLER, Andreas: Bitten und Begehren. Suppliken und Gravamina in der deutschsprachigen Frühneuzeitforschung, in: NUBOLA, Cecilia (Hg.): Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.– 18. Jahrhundert), S. 17–52. ZSCHOKKE, Heinrich: Die Branntweinpest. Eine Trauergeschichte zur Warnung und Lehre für Reich und Arm, Alt und Jung, Aarau 1837.
9. Verzeichnis der Abbildungen, Graphiken und Tabellen
9.1 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Abbildung 2:
Abbildung 3: Abbildung 4:
Abbildung 5: Abbildung 6:
Abbildung 7:
Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen (1655–1715), um 1690. Gemälde, Öl auf Leinwand von einem unbekannten Künstler, Maße n. inv. (Residenzschloss Altenburg, Schlossund Spielkartenmuseum, Inv.-Nr. SM 2735). Herzog Ernst Friedrich II. v. Sachsen-Hildburghausen (1707–1745) mit blauer Schärpe vom polnischen Orden des Weißen Adlers, wahrsch. 1737. Gemälde, Öl auf Leinwand wahrsch. von Johann Valentin Tischbein, 64,5 x 82 cm (Stadtmuseum Hildburghausen, als Dauerleihgabe im Hennebergischen Museums Kloster Veßra, Inv.-Nr. STMH 0.677). Ausschnitt aus dem Wachreglement der Garde du Corps, 1719. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 35, fol. 108r.). Ernst Friedrich I. v. Sachsen-Hildburghausen (1681–1724), um 1715. Gemälde, Öl auf Leinwand von einem unbekannten Künstler, Maße n. inv. (Residenzschloss Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv.-Nr. SM 2734). Verhörprotokoll des Gardetrompeters Johann Daniel König, 1721. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 35, fol. 444r.). Herzog Ernst Friedrich III. Carl v. Sachsen-Hildburghausen (1727–1780) mit blauer Schärpe vom dänischen Elefantenorden, um 1770. Gemälde, Öl auf Leinwand wahrscheinlich von Johann Valentin Tischbein, Maße n. inv. (Residenzschloss Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv.Nr. VI b 55–20). „Compagnie Liste, über die Hochfürstlich Sachsen Hildburghausische Mir Gnädigst anvertraute Compagnie zu Fuß, wie starck sich selbe, dem 30ten Juny Ao. 1709, an Alt und Neuer Mannschafft effective befunden.“, Erste Seite der Mannschaftsliste des Reichskontingents, 1709. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 33, fol. 211r.).
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VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN, GRAPHIKEN UND TABELLEN
Brief des Fähnrichs Volkmar Kruspe an seine Ehefrau Anna Catharina aus Landau, 15. Februar 1707. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 32, fol. 90r.). Abbildung 9: Verhörprotokoll des Musketiers Philipp Feyler, 1709. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 33, fol. 345r.). Abbildung 10: Urteilsspruch (Sentenz) eines Kriegsgerichts in Landau über die Musketiere Ferdinand Cämmerer und Caspar Helbig, 1712. (ThStAM, Geheimes Archiv Hildburghausen, XXII, 34, fol. 163r.). Abbildung 8:
9.2 Graphikverzeichnis Graphik 1: Graphik 2: Graphik 3: Graphik 4: Graphik 5: Graphik 6: Graphik 7: Graphik 8: Graphik 9: Graphik 10: Graphik 11: Graphik 12:
Untersuchungsfelder. Übersicht zu Quellenordnung, Auswertung und Interpretation. Mannschaftsstärke und Finanzen der Grenadiergarde, 1717– 1737. Argumentationsmuster des Freiherrn v. Werther, 1750. Herkunft der Gardemannschaften; Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752. Alter und Familienstand der Gardemannschaften; Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752. Alter, Ausbildung, Familienstand und Herkunft der Gardemannschaften; vergleichende Auswertung von Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752. Berufsverteilung unter den Gardemannschaften; Zusammenstellung aus den Mannschaftslisten der Jahre 1720, 1735 und 1752. Körpergröße der Gardemannschaften, Eintrittsjahr 1750– 1752. Zivile und militärische Jahreseinkommen im Vergleich, 1730–1735. Vergleichende Betrachtung ausgewählter Monatsbesoldungen (1715/20, 1750/60) inklusive Brotgeld. Eheschließungen unter Beteiligung von Soldaten der Grenadiergarde und Garde du Corps in der Hildburghäuser Schlosskirche, 1709–1738 und 1750–1770.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN, GRAPHIKEN UND TABELLEN
Graphik 13: Graphik 14: Graphik 15: Graphik 16: Graphik 17: Graphik 18: Graphik 19: Graphik 20: Graphik 21: Graphik 22: Graphik 23:
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Anteil der Territorien am Simplum (in Mannschaften zu Fuß) des Obersächsischen Kreiskontingents, 1681. Anteile der Territorien am Simplum (in Mannschaften zu Fuß) des ernestinischen Kontingents, 1734. Zusammensetzung der rekrutierten Mannschaften für das hildburghäusische Reichskontingent, 1703/04. Herkunft der ausländischen Mannschaften des hildburghäusischen Reichskontingents, 1703/04. Alter und Familienstand der Mannschaften des hildburghäusischen Reichskontingents, 1703/04. Berufsverteilung der Mannschaften; vergleichende Auswertung von Reichskontingent (1703/04) und Grenadiergarde (1720–1752). Mannschaftsstärke des hildburghäussichen Reichskontingents, 1703–1709/13. Proviantsystem zur Verpflegung des hildburghäusischen Reichskontingents, 1709. Die Wege der Deserteure, 1703–1713. Organisatorische Struktur des hildburghäusischen Militärs. Handlungsspielräume des Fürstentums SachsenHildburghausen mit ausgewählten Beispielen aus zivilen/diplomatischen und militärischen Bereichen.
9.3 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7:
Mannschaftsstärke des Landregiments ohne Prima Plana, 1722–1792. Übersicht zur Mannschaft ohne Prima Plana, die von den Städten und Ämtern Hildburghausen, Eisfeld und Heldburg an das Landregiment abgegeben wird, um 1770. Verdienst eines Provisoners in Hildburghausen, 1799. Entwurfsrechnung zum venezianischen Subsidienprojekt, 1716. Uniformierung und Ausrüstungsgegenstände eines hildburghäusischen Gardegrenadiers um 1730. Wachdienst der Grenadiergarde in Hildburghausen, um 1720. Monatliche Besoldung der Gardeoffiziere, 1719.
476 Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20:
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN, GRAPHIKEN UND TABELLEN
Monatliche Besoldung von Unteroffizieren und Gemeinen der Garden, 1717–1755/60. Monatliches Einkommen eines gemeinen Grenadiers, 1733. Mögliche monatliche Einkäufe eines Gardegrenadiers auf dem Hildburghäuser Markt, 1765. Krankheitsfälle bei der Grenadiergarde, November 1734 bis Oktober 1736. Entwurf zur Gliederung des ernestinischen Allianzregiments, 1734 (nach dem Triplum und inklusive Prima Plana). Übersicht zu den verschiedenen Typen der Rekruten und den empfangenen Geldern, 1703/04. Die Offiziere des hildburghäusischen Reichskontingents im Spanischen Erbfolgekrieg. Marschroute eines Rekrutentransports von Hildburghausen nach Landau, April 1707. Übersicht zur monatlichen Besoldung der Offiziere und Mannschaften des Reichskontingents, 1705–1712. Kosten für einen Rekruten exklusive Werbegeld und Obergewehr, 1707. Die Auditeure in Sachsen-Hildburghausen, 1718–1806. Zusammenstellung der beim Kriegsgericht der Grenadiergarde abgegebenen Voten, 1723. Zusammenstellung der bei einem Kriegsgerichtsprozess beim Allianzregiment abgegebenen Voten, 1712.
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10. Stammtafel des Hauses Sachsen-Hildburghausen I. Ernst v. Sachsen-Gotha-Altenburg (ab 1680 v. Sachsen-Hildburghausen) *12.07.1655, Gotha; +17.10.1715, Hildburghausen oo 1680 mit Sophia Henriette v. Waldeck-Eisenberg, *03.08.1662, Arolsen; +15.10.1702, Erbach 1. Ernst Friedrich (siehe II.) 2. Sophie Charlotte I, *23.12.1682, Hildburghausen; +20.04.1684, Eisfeld 3. Sophie Charlotte II, *23.03.1685, Hildburghausen; +04.06.1710, ebd. 4. Karl Wilhelm, *26.07.1686, Hildburghausen; +02.04.1687, ebd. 5. Joseph Friedrich Wilhelm Hollandinus, *05.10.1702, Hildburghausen; +14.01.1787, ebd.; oo 1738/o|o 1752 mit Anna Viktoria v. SavoyenCarignan,*12.09.1683, Paris ; +11.10.1763, Turin II. Ernst Friedrich I. v. Sachsen-Hildburghausen, *21.08.1681, Arolsen; +09.03.1724, Hildburghausen oo 1704 mit Sophia Albertine v. Erbach-Erbach, *30.07.1683, Erbach; +04.09.1742, Eisfeld 1. Ernst Ludwig Hollandinus, *23.11.1704, Hildburgh.; +27.11.1704, ebd. 2. Sophia Amalia Elisabetha, *05.10.1705, Hildburgh.; +28.02.1708, ebd. 3. Ernst Ludwig Albrecht, *06.02.1707, Hildburghausen; +17.04.1707, ebd. 4. Ernst Friedrich (siehe III.) 5. Friedrich August, *08.05.1709, Hildburghausen; +04.03.1710, ebd. 6. Ludwig Friedrich, *11.09.1710, Hildburghausen; +10.06.1759, Nimwegen oo 1749 mit Christiane Luise v. Hohenlohe-Weikersheim, *27.11.1713, Plön; +05.04.1778, Heilbronn 7. Elisabeth Albertine, *03.08.1713, Hildburgh.; +29.06.1761, Neustrelitz oo 1735 mit Karl zu Mecklenburg-Strelitz, *23.02.1708, Strelitz; +04.06.1752, Mirow 8. Emanuel Friedrich Carl, *26.03.1715, Hildburghausen, +29.06.1718, ebd. 9. Anna Elisabetha Sophia, *13.09.1717, Hildburghausen, +04.10.1717, ebd. 10. Georg Friedrich Wilhelm, *15.07.1720, Hildburgh., +15.12.1721, ebd. III. Ernst Friedrich II. v. Sachsen-Hildburghausen, *17.12.1707, Hildburghausen; +13.08.1745, Hildburghausen oo 1726 mit Caroline Amalie v. Erbach-Fürstenau, *29.09.1700, Fürstenau; +07.05.1758, Hildburghausen 1. Ernst Friedrich Carl (siehe IV.) 2. Friedrich August Albrecht, *08.08.1728, Hildburgh.; +14.06.1735, ebd.
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STAMMTAFEL DES HAUSES SACHSEN-HILDBURGHAUSEN
3. Friedrich Wilhelm Eugen, *08.10.1730, Hildburghausen; +04.12.1795, Öhringen; oo 1778 mit Christiane Sophie Caroline v. SachsenHildburghausen (siehe IV.4) 4. Sophie Amalie Karoline, *21.07.1732, Hildburghausen; +19.06.1799, Öhringen; oo 1749 mit Ludwig Friedrich Carl v. Hohenlohe-Neuenstein, *23.05.1723, Neuenstein; +27.07.1805, Öhringen IV. Ernst Friedrich III. Carl v. Sachsen-Hildburghausen, *10.06.1727, Königsberg i. Franken; +23.09.1780, Hildburghausen oo 1749 mit Louise v. Dänemark-Norwegen, *19.10.1726, Kopenhagen; +08.08.1756, Hildburghausen 1. Friederike Sophie Juliane Karoline, *05.12.1755, Hildburghausen; +20.01.1756, Hildburghausen oo 1757 mit Christiane Sophie Charlotte v. Brandenburg-Kulmbach, *15.10.1733, Neustadt a. d. Aisch; +08.10.1757, Seidingstadt 2. Friederike Sophie Marie Karoline, *04.10.1757, Hildburghausen; +16.10.1757, Hildburghausen oo 1758 mit Ernestine Auguste Sophie v. Sachsen-Weimar-Eisenach, *04.01.1740, Weimar; +10.06.1786, Hildburghausen 3. Ernestine Friederike Sophie, *22.02.1760, Hildburghausen; +28.10.1776, Coburg; oo 1776 mit Franz Friedrich Anton v. Sachsen-Coburg-Saalfeld, *15.07.1750, Coburg; +09.12.1806, Coburg 4. Christiane Sophie Caroline, *04.12.1761, Hildburghausen; +10.01.1790, Öhringen; oo 1778 mit Friedrich Wilhelm Eugen v. SachsenHildburghausen (siehe III.3) 5. Friedrich (siehe V.) V. Friedrich v. Sachsen-Hildburghausen, *29.04.1763, Hildburghausen; +29.09.1834, Hummelshain oo 1785 mit Charlotte Luise Frederike v. Mecklenburg-Strelitz, *17.11.1769, Hannover; +04.05.1818, Hildburghausen ab 1826 Linie Sachsen-Altenburg
11. Register 11.1 Ortsregister Adelsdorf 103 Adelshausen 62 Ahorn 377 Albingshausen 62 Allfeld 377 Altenburg 42, 312 Altenhausen 290 Altenstein 288 Altheim 377 Arnstadt 211, 297 Arolsen 130 Aschfeld 377 Bachfeld 305 Baldingen 331 Ballmertshofen 328 Bamberg 135, 319, 328, 332, 335, 336, 337, 365, 368 Basel 305, 306, 320 Bayern Siehe Kurbayern Bayreuth 311 Bedheim 62, 102, 103, 377 Behrungen 43, 58, 59, 60, 69, 77, 97, 98, 103, 112, 194, 293, 348, 350, 352, 434 Belgrad 105 Bergen-op-Zoom 316 Biberschlag 62 Billigheim 377 Billingshausen 377 Birkenfeld 62, 128, 285, 377 Bockstadt 59, 349 Bödigheim 377 Bonn 134 Brandenburg-Bayreuth 216, 306, 319 Brandenburg-Preußen 216, 293 Brattendorf 47, 48, 62, 304 Brehmen 377 Brünn 62 Buch 377 Bühl 337, 339, 340 Bürden 62
Burggrub 206 Coburg 42, 43, 45, 78, 97, 142, 190, 209, 245, 293, 297, 348, 408 Colberg 62 Creuzburg 78 Crock 62, 291 Culembourg 43 Dänemark-Norwegen 147, 287 Den Haag 150, 443 Dielheim 377 Dienstadt 377 Dillingen 329 Dittersdorf 229 Donauwörth 328, 329 Dörfles 315 Drusenheim 340 Ebenhards 62 Ebersdorf 115 Eckeren 316 Eicha 208, 284 Eichholzheim 377 Eichstätt 332 Eisenach 338, 348 Eisfeld 23, 25, 37, 39, 40, 43, 44, 46, 47, 48, 49, 52, 57, 59, 60, 62, 63, 64, 69, 70, 77, 98, 103, 109, 110, 111, 121, 123, 124, 127, 130, 144, 203, 223, 235, 260, 272, 280, 291, 351, 401, 409 Eishausen 59, 92, 316 Eltmann 103 Engenstein 59, 92, 112, 194, 310 Erbach 159, 216 Erfeld 377 Ermelshausen 289 Ernstthal 401, 402 Eschelbach 377 Etzelbach 310 Eußenheim 377 Fehrenbach 48, 62, 235 Fort Louis 339
480 Frankfurt 48, 130, 385 Friedrichshall Siehe Lindenau Friedrichshöhe 49 Friesendorf 116 Gauaschach 377 Geisenhöhn 82 Gellershausen 62, 102, 162, 189, 229, 260 Gemünda 246, 259, 262, 279, 289, 405, 406, 407 Gerhardsgereuth 82 Gießübel 62 Gleicherwiesen 377 Gompertshausen 62 Goßmannsrod 62, 144, 304 Gotha 231 Göttingen 217 Götzingen 377 Gran 217 Greßthal 377 Großbardorf 377 Großbritannien 147, 227, 343 Großwenkheim 377 Gundelsheim 377 Hafenpreppach 288, 290, 408 Hagenau i. Elsass 340, 346, 347 Hagenbach 341 Haina 101 Hamburg 216 Hannover 200 Harras 62 Häselrieth 62, 102, 325 Hausen 324 Heldburg 33, 37, 39, 40, 43, 44, 46, 52, 57, 59, 60, 62, 68, 69, 71, 77, 80, 98, 102, 109, 110, 124, 130, 138, 161, 163, 164, 179, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 204, 213, 214, 215, 234, 245, 250, 255, 259, 260, 261, 272, 280, 289, 304, 306, 311, 317, 335, 337, 348, 349, 351, 353, 355, 365, 366, 369, 370, 374, 375, 376, 398, 399, 403, 406, 407, 408, 409, 410 Hellingen 62, 63, 102, 234
REGISTER
Helmstadt 377 Henneberg 305 Herbartswind 62 Heßberg 59, 105, 325 Hessen-Kassel 50, 216 Heubach 62, 63 Hildburghausen 11, 24, 25, 26, 27, 37, 39, 40, 43, 44, 45, 48, 57, 59, 60, 62, 65, 68, 69, 71, 76, 77, 86, 88, 89, 90, 91, 92, 97, 98, 99, 100, 101, 103, 104, 105, 109, 110, 113, 114, 117, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 134, 137, 138, 139, 140, 144, 145, 149, 150, 154, 155, 157, 162, 163, 165, 172, 184, 185, 189, 190, 192, 193, 196, 199, 200, 201, 204, 205, 209, 210, 211, 214, 215, 216, 217, 223, 225, 229, 230, 232, 233, 245, 246, 247, 248, 250, 252, 253, 255, 257, 260, 266, 268, 269, 270, 271, 272, 274, 275, 276, 277, 278, 280, 282, 283, 285, 289, 291, 302, 304, 305, 306, 313, 314, 317, 320, 326, 327, 335, 338, 340, 342, 343, 346, 348, 349, 351, 353, 354, 358, 359, 362, 363, 365, 366, 367, 369, 373, 374, 376, 377, 381, 385, 386, 389, 390, 392, 395, 397, 398, 399, 400, 401, 402, 405, 406, 408, 409, 412, 413, 420, 421, 424, 425, 426, 427, 429, 430, 431, 433, 435, 458 Hinterrod 62 Hirschendorf 62, 260 Hirschfeld 230, 377 Hochhausen 377 Höchstädt 315, 328, 329, 330, 331, 361, 365, 371 Hochstädt a. d. Donau 232 Hohenlohe 216 Holzhausen 62, 189, 190, 306 Horrenberg 377 Hüffenhardt 377 Hügelsheim 339 Hundsbach 377 Ingolstadt 332, 336
REGISTER
Kaltennordheim 78, 293 Kandel 341 Karlsruhe 330, 334, 341, 347 Karlstadt 377 Käßlitz 62, 232, 408 Katzental 377 Kirchheim a. Ries 331, 332 Kissingen 300, 324 Königheim 377 Königsberg i. Fr. 40, 43, 44, 50, 57, 59, 60, 77, 79, 98, 103, 112, 181, 200, 215, 231, 275, 302, 305, 324, 351, 434 Königsee 246, 247 Königshofen 306, 377 Kronach 313 Kurbayern 216, 217 Kurmainz 50 Kurpfalz 99, 102, 216 Kursachsen 42, 44, 48, 50, 113, 200, 215, 217, 227, 293, 313, 314, 319, 424, 428 Ladenburg a. Neckar 347 Landau 280, 313, 314, 317, 327, 328, 338, 340, 342, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 350, 351, 354, 362, 364, 366, 367, 371, 372, 374, 377, 378, 382, 384, 386, 387, 389, 392, 414, 415, 417, 421, 424 Landau a. d. Isar 336 Laudenbach 377 Lauingen a. d. Donau 365 Leimrieth 62, 128 Leipzig 314 Lichtenau 47 Linden 377 Lindenau 40, 49, 62, 193, 195, 213 Lyon 217 Magdeburg 408, 409 Mannheim 158 Massenhausen 59, 349 Mecklenburg 217 Meeder 187, 194, 204, 234 Meiningen 229, 231, 281, 348 Melkendorf 231 Merbelsrod 62
481 Merseburg 229 Merzbach 157, 179, 386 Mühlburg 347 Naumburg 42 Neubrunn 101 Neustadt a. d. Weinstraße 367 Neustadt a. Rennweg 48 Niederlande Siehe Vereinigte Niederlande Nimwegen 134 Nördlingen 328, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 368, 369, 371 Nürnberg 100, 304, 326, 328, 336 Oberneubrunn 62 Oberschefflenz 377 Oberstadt 310 Oberwind 62 Oerlenbach 377 Oldenburg 200 Pfersdorf 62 Philippsburg 340, 341, 342, 343, 359, 372, 377 Pommern 327 Poppenhausen 62, 213 Poppenlauer 377 Poppenwind 62 Prag 85 Queienfeld 100 Rabelsdorf 288, 290, 408 Rastatt 341, 347, 349 Ratscher 82 Rauenberg 377 Regensburg 85, 140, 328, 336, 379 Reurieth 59, 80, 81, 112, 311 Rieth 62, 284, 370 Rodach 209, 229, 230, 409, 410 Roermonde 134 Römhild 97, 98, 100, 101, 103, 252 Rot 377 Roth 62, 81, 305 Rügheim 302, 305 Sachsen Siehe Kursachsen Sachsen-Coburg 28, 36, 39, 44, 50, 97, 137, 195, 200, 209, 215, 245, 250, 288, 293, 295, 310, 315, 320, 328, 333, 334
482 Sachsendorf 62 Sachsen-Eisenach 35, 78, 113, 234, 293, 328, 329, 338, 393 Sachsen-Eisenberg 28, 39, 41, 97 Sachsen-Gotha-Altenburg 16, 21, 36, 37, 38, 39, 41, 43, 48, 50, 52, 54, 55, 56, 59, 65, 73, 95, 97, 98, 99, 131, 132, 216, 252, 293, 295, 296, 310, 327, 380 Ernst v. 36 Sachsen-Meiningen 20, 21, 24, 28, 39, 41, 42, 43, 44, 50, 58, 73, 88, 97, 98, 99, 100, 102, 104, 181, 200, 215, 250, 293, 295, 310, 320, 456 Sachsen-Römhild 28, 39, 40, 41, 43, 97, 293, 320, 327 Sachsen-Saalfeld 28, 39, 41, 50, 97 Sachsen-Weimar 21, 42, 50, 73, 78, 113, 120, 216, 234, 293, 295, 314, 328, 337, 338, 393 Sachsen-Zeitz 320 Sainte-Claude 217 Sardinien-Piemont 233 Schackendorf 62 Schalkau 37, 39, 40, 43, 57, 58, 60, 88, 215, 293, 351, 434 Schirnrod 62 Schlechtsart 62 Schleswig 216 Schleusingen 215, 225, 229, 306, 320, 358 Schmalkalden 223, 230 Schnett 62, 124 Schwarzbach 59, 112 Schwarzburg-Rudolstadt 246 Schwarzenbrunn 40, 47, 62, 356, 377 Schweden 227 Schweinfurt 338 Schweiz 320 Schwenningen 329 Seidingstadt 62, 124, 188, 204, 232, 255, 260, 285, 408 Seslach 229 Siegelsbach 377 Simmerhausen 62
REGISTER
Simmershausen 45, 189, 377, 403 Sonnefeld 43, 44, 60, 77, 107, 115, 311, 398, 410, 411, 412, 421, 434 Sophienau 49 St. Leon 377 Stadtamhof 336 Steinfeld 62 Stelzen 62 Steudach 59, 310 Stollhofen 337, 339, 371 Straßburg 339, 362 Straubing 336 Stressenhausen 62, 114 Streufdorf 62, 102, 208, 209, 255, 257, 260, 283, 305 Strullendorf 337 Stuttgart 227, 234 Suhl 27, 48, 69, 78, 158, 193, 211, 215, 297 Sülzbach 103 Tellerhammer 47 Themar 97, 98, 101 Tiefenbach 377 Tirol 187, 193 Trappstadt 103, 377 Tuttlingen 328 Uettingen 377 Ulm 232, 328 Ummerstadt 44, 62, 189, 272 Unfinden 324 Ungarn 77, 320 Unterneubrunn 62 Unterschefflenz 377 Utrecht 343, 349 Veilsdorf 39, 40, 49, 62, 103, 351 Venedig 135, 136, 137, 155, 287 Venlo 134 Vereinigte Niederlande 134, 147, 148, 150, 151, 212, 219, 221, 270, 287, 343 Völkershausen 62, 92, 280, 409 Waffenrod 62 Waghäusel 377 Waldau 195 Walldorf 304, 327, 347 Wallrabs 62
REGISTER
Weidhausen 205, 263, 410, 411, 412 Weilheim 327 Weimar 65, 335, 337, 338 Weingarten b. Karlsruhe 341, 342 Weitersroda 59 Wemding 332 Wenkheim 377 Werbach 377 Werbachhausen 377 Westhausen 62, 304 Wien 48, 85, 164, 234, 306, 324, 328 Worms 337, 338, 339 Wülfershausen 377 Württemberg 216 Würzburg 49, 50, 215, 229, 234, 287, 288, 291, 306, 319, 361, 367, 405, 406, 408 Zeilfeld 62, 81
483
484
11.2 Personenregister Adam, Johann 108 Altenfelder, Johann Georg 286 Baden-Baden, Ludwig Wilhelm v. 329, 337 Bähring, Johann Martin 396, 398 Bartenstein, Christian Friedemann 397, 398 Bastheim, Alexander 283, 306, 358 Bauer, Karl 111 Bayern, Max Emmanuel v. 328 Becher, Johann Christian 65 Bennhardt, Johann 252 Bensicke, Johann Christian 229 Bentzcky, Christian 70 Beust Ernst Heinrich Carl v. 67, 90, 105 Johann Ernst v. 251 Beyram, August Franz Wilhelm 229 Bommel, Jacob 70 Bourdillet, Michel 183 Boxberg, Friedrich Wilhelm v. 90 Boxberg, Friedrich Wilhlem v. 150, 152, 154 Brandenburg-Preußen, Friedrich Wilhelm I. v. 288 Braun, Lorenz 256, 259, 260, 261, 262, 400, 401, 406, 407, 409, 410 Brehm Johann Georg 281 Johann Karl 281 Brüchting, Christian Friedrich v. 394 Brunnquell, Johann Christoph v. 398 Bühner, Johann Carl 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287 Burgsdorff Georg Heinrich v. 201 Sabina Elisabeth v. 198 Büttner, Caspar 234 Callenbach, Johann 260
REGISTER
Cämmerer, Ferdinand 362, 363, 364, 412, 417, 419 Canstatt, Johann Georg Schilling v. 334 Credener, Amandus Abraham 231 Dänicke, Wilhelm 111 Degen, Adam 290 Dettesberg, Ernst Christian v. 201 Dietz, Conrad 70 Dotzauer, Christian Friedrich 426 d'Usson, Francois 329, 330 Ebenreuter, Andreas 305 Eberhard, Hieronymus Christoph 194 Eberhard, Johann Siegmund 353, 375 Ebert, Johann 259, 261, 262, 400, 401, 406, 407 Eberth, Daniel 63 Eichhorn, Andreas 304 Endres, Bernhard 300, 324 Eosander, Johann Friedrich v. 251 Erlebach, Ludwig Friedrich 256 Faber, Johannes 49, 59, 77, 107, 208, 209, 284 Ferie, Jacques 217 Feuchtersleben, Christoph Erdmann v. 70, 197 Feyler, Philipp 362, 421, 422 Fick, Michael 283 Fischer, Friedrich Albrecht v. 93 Förster, Caspar 358, 390 Frankreich, Ludwig XIV. v. 293, 296, 347 Fromann, Johann Ernst 161, 229, 230, 245, 405 Frossier, Matthieu 217 Gebhardt, Johann 117, 285 Gernert, Johann Georg 286 Gerstenberger, Hans Adam 367, 415, 416 Geyer, Hans 305 Gleichen(-Rußwurm), Heinrich v. 100, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 317, 340, 341, 342, 343, 357, 358,
REGISTER
359, 362, 363, 371, 374, 378, 385, 386, 389, 390, 392, 415, 424 Gleichen-Rußwurm, Wilhlem Friedrich v. 311 Göbel, Johann Christian 231 Gräßmann, Egidius 365, 366 Grätz, Lorenz 162, 237, 248, 253 Graver, Berhard Gottfried 189 Gussio, Johann Vincenz 74, 126, 127 Haas, Johann Caspar 102 Habermann, Johann Georg 235 Habsburg Ferdinand I. v. (Kaiser HRR) 293 Karl VI. v. (Kaiser HRR) 311 Leopold I. v. (Kaiser HRR) 295, 296 Halbig, Georg Benjamin 109 Hanstein, Adam v. 209 Hartmann, Carl 285 Hauck, Friedrich Christoph 395, 398 Hecker, Johann Friedrich 286 Helbig, Caspar 355, 362, 363, 364, 417, 419 Herta, Andreas 359 Heßberg 194, 315 Friedrich Ludwig v. 316 Hans v. 335 Heinrich v. 74 Johann Carl Christian v. 61, 68, 74, 75, 90, 91, 105, 107, 118, 120 Johann Carl v. 67, 68, 308, 316, 317 Johann v. 132 Lorenz Albrecht v. 308, 315, 316 Magdalena Sophia v. (geb. Müfflin v. Ermreuth) 316 Maria Dorothea v. 315 Wolf Christoph v. 316 Heyum, Hersch 383, 386 Hoffmann, Daniel 229
485 Hohenlohe-Neuenstein, Ludwig v. 216 Hohenlohe-Weikersheim, Albrecht Ludwig v. 216 Hohnbaum, Conrad 435 Hubert, Johann Georg 184 Jacob, Moyses 381 Jahn, Stephan 308, 317 Jourdan, Jean-Baptiste 79 Karche, Johann Heinrich 245 Karlstein, Tobias Sutorius v. 101, 194, 347 Kegert, Christoph 200 Keller, Johann Philipp 403 Kempf, Johann Caspar 114, 199, 200 Kempf, Johann Paul 114 Kius, Johann Valentin 114 Koch, Johann Nicolaus 246, 247 Kohles, Johann Michael 206 Koll, Franz 327 König, Johann Daniel 260 Könitz, Johann Adam v. 381 Korneffer, Andreas 208, 209 Kost, Johann Carl 109 Krauß, Johann Werner 19, 23 Kruspe, Volkmar 308, 316, 317, 327, 328 Lengefeld, Ludwig Friedrich v. 74, 90, 110, 121 Ley, Nicolaus 357 Limburg-Styrum, Hermann v. 329, 330 Lobenstein, Johannes 70 Löwenfeld, Samuel Hartmann Hoffmann v. 374 Luchese, Bartholomäus 200 Lützelberger, Christian 111 Lützelberger, Johann Michael 394, 398 Mahr, Lorenz 82, 83 Malinière, André la 200, 203 Mauer, Johann Nicolaus 74 Mäusel, Gabriel 162, 205, 256, 263, 410, 411 Meyer, David 387
486 Mitterberg, Johann Ludwig Spiller v. 98, 202, 306, 308, 309, 310, 312, 313, 314, 317, 328, 331, 332, 333, 334, 335, 336, 339, 340, 341, 353, 357, 359, 361, 369, 374, 389, 391, 413 Moyses, Simon 157, 179, 239, 382, 383 Mühlfriedel, Wolfgang 327 Müller, Hans 63 Müller, Hans Caspar 318, 359 Müller, Johann Nicolaus 242 Nehring Johann 370 Johann Christoph 370 Nicander, Johann Gottfried 402 Obermeyer, Johann Georg 70 Olmissen 200 Albert Johann v. 200 Friedrich Philipp v. 200 Oswald, Johann Adam 285 Otto, Hans Erhard 356 Otto, Johann Georg 114 Pflug, Siegmund v. 86, 194, 349 Raubet, Lorenz 324 Reg, Christoph 232, 417 Reineck, Heinrich Christoph v. 384, 385, 387 Reinhard, Johann Martin 225 Reinold, Johann Heinrich 281 Rieß, Georg Julius 375, 376 Röder, Johann 37, 59, 232, 245, 254, 259, 280, 289, 400, 404, 408 Röhring, Johann Erhardt 161, 162, 245, 246, 259, 260, 279, 280, 289, 290, 400, 401, 403, 404, 405, 406, 407, 408 Römer, Franz Christoph v. 306, 308, 312, 319, 320 Römhild, Justus 70 Roßteuscher, Michael 325 Rottenbach, Friedrich 92 Rottmann, Johann 325 Rottmann, Johann Martin 252
REGISTER
Rüdiger, Christian Jacob 308, 312, 313, 314, 315, 317, 347, 352, 367, 388, 390, 415, 417, 419, 420, 471 Sachsen August III. v. 159 Friedrich August II. v. 48 Sachsen-Altenburg Elisabeth Sophia 35 Sachsen-Coburg, Albrecht v. 37, 41 Sachsen-Coburg-Saalfeld Christian Ernst v. 209 Franz Josias v. 209 Sachsen-Eisenberg, Christian v. 37 Sachsen-Gotha-Altenburg Ernst v. 35, 37, 47, 51, 189 Friedrich I. v. 37, 38, 40, 43, 55, 56 Friedrich IV. v. 44 Sachsen-Hildburghausen Caroline Amalie v. (geb. v. Erbach-Fürstenau) 59, 144, 216, 292 Charlotte Georgine Louise v. (geb. v. Mecklenburg-Strelitz) 67 Christiane Louise v. (geb. v. Schleswig-HolsteinSonderburg-Plön, verw. v. Hohenlohe-Weikersheim) 216 Ernst Friedrich I. v. 43, 47, 48, 60, 80, 86, 134, 135, 136, 138, 143, 145, 151, 152, 155, 165, 174, 175, 176, 179, 181, 182, 184, 185, 186, 187, 188, 190, 192, 194, 195, 198, 201, 224, 238, 239, 243, 249, 269, 270, 271, 276, 288, 311, 403, 409, 431, 432, 435 Ernst Friedrich II. v. 27, 48, 66, 117, 120, 139, 140, 142, 143,
REGISTER
144, 145, 152, 158, 159, 164, 165, 174, 195, 203, 207, 208, 210, 211, 212, 216, 219, 221, 234, 238, 239, 240, 243, 246, 259, 281, 282, 291, 394, 401, 402, 403, 432 Ernst Friedrich III. Carl v. 23, 47, 48, 59, 67, 70, 72, 83, 87, 88, 118, 124, 145, 147, 149, 150, 151, 153, 154, 155, 197, 202, 212, 216, 219, 221, 224, 235, 243, 270, 271, 275, 276, 395, 431, 436 Ernst v. 37, 38, 40, 41, 43, 47, 56, 62, 64, 86, 97, 100, 104, 112, 115, 117, 119, 122, 130, 253, 295, 300, 303, 351, 357, 380 Friedrich v. 61, 67, 73, 74, 84, 111, 114, 127, 129, 282, 397 Joseph Friedrich v. 25, 72, 84, 88, 89, 90, 197, 396 Ludwig Friedrich v. 216, 271 Luise v. (geb. v. DänemarkNorwegen) 145 Sophia Albertine v. (geb. v. Erbach-Erbach) 43, 49, 139, 163, 165, 234 Sophie Amalie Caroline v. 216 Sachsen-Meiningen Bernhard v. 37 Charlotte Amalie v. (geb. v. Hessen-Philippsthal) 90 Ernst Ludwig v. 97 Sachsen-Römhild, Heinrich v. 37, 97 Sachsen-Saalfeld Johann Ernst v. 37 Sachsen-Weimar Johann Ernst III. v. 335
487 Sachsen-Zeitz, Moritz Wilhelm v. 359 Sacy, Louis-Silvestre de 252 Samuel, Simon 387 Sauerbrey, Johann Peter 275 Savoyen-Carignan, Eugen Franz v. 296, 336, 346 Schaumberg Johann Ernst v. 315 Johann Wilhelm v. 308 Schiller, Friedrich 227 Schlund, Johann 162, 205, 256, 263, 410, 411, 412 Schmidt, Hans 357 Schmied, Hans Heinrich 304, 327 Schneider, Johann Caspar 327 Schneider, Valtin 305 Schöppach, Johann Martin 230 Schubert, Wolfgang 70 Schuchart, Johann Christoph 161, 172, 191, 229, 248, 253, 254, 260, 261, 262, 278, 279, 404, 409, 410 Schüler, Ernst Friedrich 396, 398 Schultes, Hans Georg 358 Schulz, Johann Christoph 185, 188, 189, 191, 204, 245 Schuster, Bernhard 304, 326 Schwarz, Christian Albrecht 283 Schwarz, Johann Georg 260 Schwarzburg-Sondershausen, Christian Wilhelm v. 132 Seibe, Johann 305 Sommer, Ernst Severin 401 Sommer, Jacob 234 Spanien, Karl II. v. 296 Staffel, Georg Michael 69 Stegmann, Johann Gottfried 135 Stelzner, Johann Friedrich 11, 253, 278 Sticht, Caspar 305 Stötzinger, Johann Heinrich 242 Stubenrauch, Martin 303 Suhlfleisch, Hans 305 Tannhäuser, Nicolaus 403
488 Thamerus, Johann Peter 348, 350, 352 Thauer, Nikolaus 395, 398 Thiel, Johann Christoph 308, 311, 315, 346, 349, 352, 391 Thüngen, Johann Karl v. 339, 341, 342 Tilemann, Paul Heinrich v. 199 Tilling, Johann Heinrich Philipp v. 67, 150, 213 Trütschel, Carl Friedrich 108 Ulrich, Johann Heinrich 284 Uslar, Otto v. 314, 315, 343, 345, 347, 390, 392, 393, 415, 416, 420 Villars, Claude Louis de 328, 329
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Vogt, Antonius 217 Wagenschwantz, Peter 70 Weigand, Peter 354 Welcker, Georg Christoph 381 Werner Conrad 252 Johann Georg 252 Westhäußer, Johann Georg 285 Wickler, Andreas 162, 172, 229, 232, 246, 248, 254, 260, 278, 279, 280, 404, 408 Wolfram, Anton 306 Wolzogen, Friedrich v. 89, 90 Württemberg, Carl Alexander v. 387