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German Pages 288 [286] Year 1927
Zeitschrift des
Historischen Vereins Schwaben und Neuburg.
1927. 47. Band.
Augsburg. J. A. Schlossersche Buchhandlung (F. Schott).
Buch- und Kunstdruckerei J. P. Himmer, Augsburg.
Vorwort. In dem Vorwort zu dem vorausgehenden Bande der Zeit schrift wurde als Fortsetzung das Erscheinen eines Halbjahres heftes in Aussicht gestellt. Es wurde jedoch für den vorliegenden Band letzten Endes davon Abstand genommen, weil in diesen neben dem ganzen zweiten Teile der Arbeit von Prof. Dr. Fr. Roth noch zwei weitere größere Abhandlungen aufgenommen werden sollten. Der vorliegende Band war im Frühjahr größtenteils fertig gestellt, wurde jedoch durch unvorhergesehene größere Arbeiten dringlicher Art, die den Unterfertigten in der zweiten Jahreshälfte in außerordentlichem Maße in Anspruch nahmen, leider in den ab schließenden Arbeiten aufgehalten. Er umfaßt dafür 2 */4 Druck bogen mehr als der vorausgegangene Band einschließlich seiner familiengeschichtlichen Beilage, die voraussichtlich dem folgenden, 1928 herauskommenden Hefte wieder wird beigegeben werden können. Dem Stadtrat Augsburg ist der Verein durch Gewährung eines Zuschusses von 1500 RM und das damit bekundete weit gehende Verständnis für die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Forschung zu besonderem Danke verpflichtet. Der Jahresbeitrag beträgt wie bisher 5 RM. Auf die nächste Zeitschrift bezügliche literarische Zusendungen wollen an die nachstehende Adresse des Schriftleiters gerichtet werden. Dr. Hans Wiedenmann, Augsburg, Fuggerstraße 12.
Inhalts -Verzeichnis Seite
Clemens Jäger, nacheinander Schuster und Ratsherr, Stadtarchivar und Ratsdiener, Zolleinnehmer und Zolltechniker in Augsburg, der Verfasser des Habs burgisch - Oesterreichischen Ehrenwerks. Zweiter Teil. Von Prof. D. Dr. Friedrich Roth, München 1 — 105 Die Bibliotheken der Stadt Nördlingen. Von Direktor Dr. Albrecht Schmid, Augsburg......................... 106—178 Das Zollwesen der Reichsstadt Memmingen. Von Dr. Anton Eichheim, Türkheim.............................. v 179—207 Der Maler Johann Ulrich Loth (ca. 1600—1662). Von Prof. Dr. Hermann Nasse, München . . . . 208—216 Carl Maria von Weber und Augsburg. Ein biogra phischer Beitrag von Dr. Max Herre, Augsburg 217—234 Mitteilungen aus der Literatur: Wagner Friedrich Dr., Die Römer in Bayern. 4. Auf lage. Besprochen von Dr. G. Kessler, Augsburg Eberl Bartholomäus, Die bayerischen Ortsnamen als Grundlage der Siedlungsgeschichte. Besprochen von Julius Miedel, Memmingen......................... Büchner Georg Dr., Bibliographie zur Ortsnamenkunde der Ostalpenländer. Besprochen von Eduard Wallner, Augsburg......................................................... Schröder Alfred Prof. Dr., Das Bistum Augsburg, 64. Lieferung. Besprochen von Dr. E. Gebele, Augs burg ............................................................................ Weber Ambros Dr., Graf Hartmann von Dillingen. Besprochen von Dr. E. Gebele, Augsburg . . . Stark Theodor Dr., Die christliche Wohltätigkeit im r Mittelalter und in der Reformationszeit in den ostschwäbischen Reichsstädten. Besprochen von Julius Miedel, Memmingen...................................
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Seite
Christoffel Ulrich Dr., Augsburg. Besprochen von Dr. H. Nasse, München....................................... 246—24' Stolz Otto Dr., Die Geschichte der Stadt Vils in Tirol. Mit Unterstützung von Pfarrer A. Wieland und Oberlehrer L u t z in Vils. Besprochen von Eduard Wallner, Augsburg................................................ 247—24( Strieder Jakob Prof. Dr., Jacob Fugger der Reiche. Besprochen von Dr. G. Kessler, Augsburg . . 249—25! Weidenbacher Josef Dr., Die Fuggerei in Augs burg. Besprochen von Prof. Joh. Meyer, Augsburg 251—252 Schottenloher Karl Dr., Pfalzgraf Ottheinrich und das Buch. Besprochen von Georg J. Meyer, Augs burg ......................................................................... 252—25^ Braun Friedrich D., Dr. Christoph Schorer. Besprochen von Julius Miedel, Memmingen........................ 254—257 Alt Karl Dr., Die Lateinschule der freien Reichs stadt Kaufbeuren und ihr berühmtester Rektor Mag. Dr. Jakob Brücker. Besprochen von Julius Miedel, Memmingen........................................... 257—259 Herre Max Dr., Das Stadttheater Augsburg, unter Mitarbeit von R. Steiger, R. Hauber, Georg I. Meyer und M. Hohennester. Besprochen von Prof. Joh. Meyer, Augsburg.................................. 259—261 Verzeichnis der mit dem Historischen Verein für Schwaben und Neuburg im Schriftenaus tausche stehenden Vereine und Gesell schaften ............................................................... 262—267 Rechnungsbericht 1927 ............................................ 268
Clemens Jäger, nacheinander Schuster und Ratsherr, Stadt archivar und Ratsdiener, Zolleinnehmer und Zolltechniker in Augsburg, — der Verfasser des Habsburgisch00
Österreichischen Ehrenwerks. Von Prof. D. Dr. Friedrich Roth, München.
II. Das Habsburgisch-österreichische Ehrenwerk. (Siehe den Anfang dieser Abhandlung in der ersten Hälfte des Bandes, S. 1—75).
Nun wollen wir das habsburgisch-österreichische Ehrenwerk x) unter dem Gesichtspunkt, daß sein Verfasser Clemens Jäger ist, soweit es hier möglich, einer näheren Betrachtung unterstellen. Es galt, wie allbekannt, bisher unbestritten als ein Werk Hans Jakob Fuggers, trotzdem verschiedene Merkmale gewichtig ge nug dagegen sprachen. Sie entgingen selbst einem Historiker wie Ranke, der sich eingehender mit dieser Chronik beschäf tigt hat,*2) und erst Otto Hartig, der Geschichtschreiber der bayerischen Staatsbibliothek in München, machte Wahrnehmungen, die ihm die Autorschaft Fuggers — wenigstens die alleinige — fraglich erscheinen ließen und darauf hin wiesen, daß Jäger an diesem Werk einen gewissen Anteil gehabt haben muß.3) Einen Schritt x) „Warhafftige Beschreibung Zwaier in ainem Der aller Edlesten . . . Geschlechten der Christenhait, des Habspurg ischen v nn d O s t e r r e i c h i s ch en gebluets, . . . biß auff . . . Carolum den fünfften vnndFerdinandum den ersten. ... Anno 1555“ — zwei mächtige Folianten von je fast 400 Blättern, Cgm. 895, 896. — Biblio graphisches hierzu bei Maasen-Ruf S. 59 Anm. 2, 3, 4. 2) „Über eine ungedruckte Lebensbeschreibung von Maximilian I.“ in R a n k e s Sämtlichen Werken (IV. Aufl.), Bd. I 1867 S. 342; „Zur Kritik neuerer Ge schichtschreiber“ ebenda (II. Aufl,), Bd. XXXIV (1878) S. 62. 3) Die Gründung der Münchener Hofbibliothek durch Albrecht V. und Johann Jakob Fugger (München 1917) S. 199: „Es ist die .... Vermutung kaum von der Hand zu weisen, daß er (Fugger) bei der Herbeischaffung und Verarbeitung des gesamten Stoffes die weitgehendste Unterstützung Jägers genoß“. 1
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weiter gingen Maasen-Ruf in der oben wiederhole citierten Biographie des Hans Jakob Fugger, in der Jäger schon als der mutmaßliche Verfasser bzw. Redakteur des Ehrenwerks statuiert wird,1) und zu demselben Ergebnis waren auch wir, als wir uns bei den Arbeiten für die uns . von der historischen Kommission bei der Akademie d. W. übertragene Herausgabe der Weber chronik Jägers auch mit dessen andern Werken zu befassen hatten, schon vorher gekommen, bis wir endlich zu der Über zeugung gelangten, daß ganz sicher niemand Anderer als er es war, der auch das in Rede stehende Werk verfaßt oder wenigstens „zusammengetragen“ hat.
Die Vorrede des Ehren werks wurde, nachdem dieses im Conzept der Hauptsache nach vorlag, einige Wochen vor der Publicierung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 ge schrieben und im Anschluß daran die Reinschrift des Textes begonnen, die jedoch damals—wie es scheint, nur als Probe — nicht weiter als bis Blatt 13 gediehen ist. Dann wurde, nehmen wir an, der Beschluß gefaßt, das Weitere, auf Jahre verteilt, mit anderem Schrifttypus in gemächlichem Tempo anfertigen zu lassen, das jeweils Testierende Conzept, soweit es sich um Ein fügung von Geburten, Heiraten und Todfällen sowie anderer Änderungen im Familienstand der darin auftretenden „Poten taten“ handelt, auf dem Laufenden zu erhalten, neu anfallende Quellen — Handschriften und Gedrucktes — nachträglich aus zubeuten und während des Vorschreitens der Reinschrift die wohl erst im Rohen ausgearbeiteten letzten Teile des Ganzen zum völligen Abschluß zu bringen. Nur so erklärt sich die Struktur des Werkes, wie wir sie noch kennen lernen werden.2) Das Vorwort3) hebt an mit dem Gruße: „Gnad, Frid und *) S. 68 f. 2) Hier sei vorläufig bemerkt, daß wir schon im I. Band auf verschiedene Stellen stoßen, die nach dem Jahre 1555 geschrieben worden sein müssen. So wird z. B. schon Bl. 61a erzählt, daß Ferdinand seinem Bruder Karl, der „39 Jahre“ regiert, als Kaiser nachgefolgt sei (März 1558), und Bl. 228a wird auf einer Stammtafel Ottheinrich als „Kurfürst“ bezeichnet, welche Würde er erst seit Februar 1556 bekleidete. 3) Es ist wörtlich mitgeteilt im III. Teil dieser Abhandlung.
3 Freud in dem hailligen Gaist wünsche ich Hans Jakob Fugger, Herr von Kirchberg und Weissenhoren und zu Pfirt, der römi schen kaiserlichen und kuniglichen Mayesteten Rat etc., als ein Stiffter und Ordinierer dises newen Österreichischen Eemwercks allen meinen Erben und Nachkommen sambt allen waren Liebhabern des edlen Österreichischen Gebluets jetzund und in künftig Zeit’ von gantzem Hertzen, amen!“ Dann kommt, wie vor einer Predigt der ihr zu Grunde liegende Text, so hier ein Fundamentalsatz, von dem aus alles Folgende entwickelt wird, nämlich der, „daß aller Gewalt auf Erden allain von Gott, dem allmechtigen, verordnet und hergeflossen“,1) was durch je einen Ausspruch des Homer, des Vegetius und des Apostels Paulus belegt wird. Sind nun die Menschen, fährt das Vorwort fort, wegen dieses göttlichen Ursprung der Obrigkeit ver pflichtet, allen Potentaten, selbst solchen, die ihnen nicht gefallen, zu gehorchen und „sie lieb und werd, auch in hohen Eren zu halten“, um wie viel lieber wird man das tun gegenüber einem Herrscherhaus von der Art des Hauses Habsburg, das, wie jeder sieht, von Gott, dem allmächtigen, mit „überflüssigen Herrlichkaiten, Gewalt, Macht, Eer und Reichtumb . . . über alle Kinig und Fürsten der Christenheit so reichlichen fürsehen und erhöhet worden, also daß denselbigen Ertzfürsten die höchste Eer und Wirdigkait des hailigen Reichs von Gott gnediglich vertraut und zu tragen bevolhen worden ist". Deß will ich, Hans Jakob Fugger, vor Andern eingedenk sein, dessen Voreltern „von dem dritten Vater bis anher auf mich bei den hochgemelten Ertzfürsten des edlen österreichischen Gebluets in allen Gnaden herkomen,2) auch denselben jeder Zeit mit waren Treuen beistendig gewesen und in allen Nöten nie verlassen haben41, und „will mein Gemuet zu Befürderung irer Eern, Gnaden und Wolfart mit höchstem Fleis in disem meinem fürgenomnen Eemwerck erlustigen“. Bei diesem Gedanken ist mir eine Stelle in Flavius Josephus eingefallen, in der er sagt, daß man Historien auf gar mancherlei Weise schrei ben kann, wie vor uns auch von Sebastian Brant, der 30 Jahre lang „allain mit dem habspurgischen Herkomen sich bemüet“, Man*) Ein Satz, den Jäger in mehreren seiner Werke auf das nachdrücklichste in den Vordergrund stellt und betont. 2) Die ersten nachgewiesenen Beziehungen des Hauses Fugger zu den Habsburgem fallen in das Jahr 1473. Siehe unten S. 22. 1*
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lius,1) Cuspinianus, Gebweiler, Nauclerus, Magister Albrecht von Straßburg und Wolfgang Lazius2) getan, doch haben sie alle das eine gemein, daß sie sich kurz gefaßt und „allein stücksweis ire Beschreibungen von den hochloblichen heusem Österreich und Habspurg zu guter Gedächtnus herfür gethon“. Das werde ich anders machen, denn ich habe erwogen, „was doch solche Hi storien, die also obenhin stücksweis beschriberi werden, dem wer den Leser für ain sondern Nutz bringen mögen, und gedacht, was es doch helfe, so man schon wisse, wie die Marggraven von Österreich erstlich aufkommen und volgendt zue Ertzhertzogen worden, deßgleichen wie die gewaltigen Graven von Habspurg zue dem Ertzherzogthumb kommen und wie lang ein jeder der selben geregieret habe, und anders dergleichen mehr“. Legt man aber dar, „warumbe, mit was Form und Wege, wan, auch wo, zu dem aus was Ursachen und zu welcher Zeit jedes beschehen — jedes an seinem Ort nach Ordnung der Jarzall“ —, „so möchte sol ches und anders mehr ain recht geschaffne, nuzliche und leben dige Historien von sich geben und auch namentlich „der edlen Jugend, welche solcher lieblichen Historien vor Andern vast vehig seind, nützlich und dienlich sein“. Nachdem dann noch der Jägersche Lieblingsgedanke vom „Nutzen der Geschichte“ auf geworfen und mit Citaten aus Autoren der Alten belegt worden, kommt der Autor zu dem „Ende“: „Dieweil dann . . . Got, der allmechtig, mir so vil Gnaden verlihen, daß ich aus warer, angeborner Natur und Liebe zu allen lobwirdigen, guten Künsten aller Faculteten vor andern meines eerlichen Geschlechts ein solche herrliche Bibliothecam, (welche mit sonderm Lob von vilen Gelerten aus ferren Landen besucht wirdet), versamlet, zusammen bringen, auch mit guter Ordnung regieren und bewaren lassen,3) * * * * *) Über ihn siehe unten S. 11 Anm. 2. 2) Zu Cuspinian: Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie seit dem Auftreten des Humanismus (München u. Leipzig 1885) S. 105 ff.; Joachimsen P., Geschichtsauffassung und Geschichtschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus, I (Leipzig u. Berlin 1910) S. 209, Aschbach, Gesch. der Universität Wien, II S. 284 ff., Horawitz, in der A. D. Biogr., IV S. 662 ff.; zu Geb weil er: Kaemmel in der A. D. Biogr., VIII S. 486; zu Nauclerus: Wegele, S. 61 ff., Joachimsen, S. 91 ff., Lier in der A. D. Biogr., XXIII S. 298; zu Albrecht von Straßburg: O. Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen, 3. Aufl. (Berlin 1886) S. 36, 41; zu Lazius: Horawitz in der A. D. Biogr., XVIII S. 89 ff., Joachimsen, S. 150 ff. 8) Vgl. das von Jäger der Bibliothek Fuggers gespendete Lob im Teil I S. 38.
5 habe ich bei mir entliehen beschlossen, wie ich dieselbigen mit ainem meinem aignen, gantzen Österreichischen Eerenwerck, wel ches ichselbs mitOrdnung, Wappen und Schriften fun diert und bestellet, meren und zieren möchte.“ Da aber einem „eerliebenden Vätern von Ambts und Liebe wegen gebüren, auch wohl ansteen will, daß er die Eer und Wolfarth seiner Kinder nit allain in dem Zeitlichen, sondern vilmer in andern beruembten Tugenden und guten Sitten suche, [habe ich] ... diß edel Österreichische Eerenwerck . . . allen meinen Kindern und Nachkomen und mir selbs zu ainer löblichen und ewigen Gedechtnus als ein, (so vil mir bewust), volkomne Beschreibung des österreichischen Namens und Geschlechts nicht mit wenigerMühe selbs versamblet und als ainen reichen Vorrat voller guten, tugentsamen und gedechtnuswirdigen Exemplen löblichen hinder mir verlassen wollen, welches ich nach meinem Abscheiden zu Got, dem allmechtigen, meinen geliebten Sünen und Nachkommen ... zu volstrecken geschafft und bevolhen haben will.“ So wird schon in der Vorrede der feierliche Ton angeschlagen, der Zeugnis ablegen soll von der inbrünstigen Hingebung, mit der der Verfasser seinem erhabenen Stoff gegenübersteht, ein Ton, der zwar natürlich nicht durchweg festgehalten wird, aber doch dem Ganzen sein eigenartiges, die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlendes Gepräge verleiht. Wer das Werk aufschlägt, hat den Eindruck, als wenn er eine hohe, mit prunkvollem Schmuck gezierte Festhalle beträte, in der Großes zu erwarten ist. Ob aber die oft fast aufdringliche Begeisterung des Autors echt ist? Wäre Hans Jakob Fugger der Verfasser, so könnte man wohl daran glauben, denn sein Geschlecht war ja — verdienter maßen — von den österreichischen Kaisern und Königen mit einer Fülle glänzender und wertvoller Gnaden bedacht worden. Aber Jäger, der, wie man z. B. aus seiner Weberchronik sieht, als Städtemann von den habsburgischen Herrschern, die das Szepter des Reiches geführt, wenig Gutes zu sagen weiß und auch für seine Person nicht die geringste Ursache hatte, für sie zu schwärmen? Muß man da nicht eher annehmen, daß dieser der verschiedensten „Imaginationen“ fähige Mann, der jede Familie, für deren Geschichte er bezahlt wurde, „aufs hohe Postament zu
6 stellen“ wußte, sich auch im Ehrenwerk einfach sachlich „ein gefühlt“ hat? Freilich geschickt und konsequent Das große Werk hat seine unmittelbaren Vorläufer in den genealogischen, geschichtlichen und künstlerischen Arbeiten, die Kaiser Maximilian zur Verherrlichung seines Geschlechtes und seiner Person im Laufe der Zeit, mit besonderem Eifer in den letzten Lebensjahren, zum Teil bis ins Kleinste selbst mitwirkend, ins Leben gerufen hatte,1) — in dem Theuerdank2) und Weißkunig,3) den Bildwerken „Freydal“,4) „Ehrenpforte“5) und „Tri umph“,6) in den habsburgischen „Heiligen und Seligen“,7) in den Schöpfungen für sein berühmtes Grabmal,8) in den genealogischen Forschungen des Ladislaus Suntheim, Stabius, Manlius und an derer in diesen Spuren wandelnder Männer.9) Zu Augsburg im *) Siehe hierzu etwa Ul mann, Kaiser Maximilian, II (Stuttg. 1891) S. 743 ff.; Wegele, S. 91 ff.; Joachimsen, S. 196 ff.; Laschitzer, Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. im Jahrbuch VII der Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses S. 1 ff. 2) Die Geverlichkait und eines Teils der Geschichten des löblichen, streytparen und hochberümbten Heids und Ritters Herr Theuerdankhs, gedruckt 1517 zu Nürnberg, neu herausgegeben von Hai taus (Quedlinburg 1836), von Goedeke(Leipzig 1878), in Facsimile-Reproduktion von Laschitzer im Jahrbuch etc. VIII. 3) Gedruckt erst 1775, neu ediert von A. Schultz im Jahrb. etc. VI.— Vgl. R. v. Liliencron, „Der Weißkunig“ in Räumers histor. Taschenbuch 5. Folge, 3. Jahrg. (1873) S. 320 ff.; Schönherr, „Über Max Treitzsauerwein“ im Archiv für österr. Gesch. XLVIII (1872) S. 357 ff.; Wegele, S. 94. 4) „Freydal“, des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien, ed. Qu. Leitner (Wien 1880, 82). 5) E. Chmelarz, Die Ehrenpforte des Kaisers Maximilian I. im Jahrb. etc. IV S. 289 ff.; Er hat das Werk auch neu herausgegeben ebenda, Bd. IX. 6) Schestag, Kaiser Maximilians I. Triumphzug im Jahrb. etc., I S. 155 ff.; Th aus ing, „Dürers Triumphwagen und sein Anteil am Triumphzug“ in den Mitteilungen der k. k. Central-Commission für Kunst und hist. Denkmäler, XIII S. 135 ff. 7) Laschitzer, Die Heiligen der Sipp-, Mag- und Schwagerschaft Maximilians I. im Jahrb. etc. IV S 70 ff., V S. 177 ff. 8) Herberger, Dr. K. Peutinger in seinem Verhältnis zu Kaiser Maxi milian (Augsb. 1851) S. 23 ff.; Ulmann II S. 756 ff. 9) Herberger an verschiedenen Stellen; Buff, Rechnungsbücher, Ur kunden, Urkundenregesten aus dem Augsburger Stadt-Archiv im Jahrb. XIII; König, Peutinger-Studien (Freib. i. Br. 1914) S. 14; Joachimsen S. 205.
7 besondem, wo der Kaiser so oft und so gerne weilte, war es Peutinger, der ihm bei vielen dieser Dinge unermüdlich und mit höchstem Verständnis zur Hand ging, häufig den Vermittler zwischen dem kaiserlichen Herrn und den von ihm beschäftigten Künstlern und Gelehrten machte und in manchen zweifelhaften Fällen den Ausschlag gab. Möglich, daß Jäger durch das, was er hierüber — vielleicht von Peutinger selbst — gelegentlich hörte, auf den Gedanken kam, sich eine große Lebensaufgabe zu stellen, indem er das Beste dessen, was jene Gelehrten und deren Vorgänger ans Licht gebracht, zu einem mächtigen Werk zusammenfassen wollte, wie er ja schon in der oben erwähnten Chronik von 1540, in der er die seit frühester Zeit bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Stadt Augsburg und den Habsburgern hatte schildern wollen,1) etwas Ähnliches in vergeblichem Anlauf versucht hatte. In dem Bewußtsein, mit den geringen ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln sein hohes Ziel nicht erreichen zu können, wird Jäger, der bald darauf mit Jakob Fugger bekannt geworden sein muß, an diesen herange treten und ihm später (um 1547) seinen Plan vorgetragen haben, wie ja in allen Fällen, in denen wir Jäger „im Auftrag“ eines Gönners arbeiten sehen, sichtlich er es gewesen, der die An regung zu dem Werk gegeben. Fugger ging auf die Sache ein, vielleicht mehr, um ihn für andere ihm geleistete Dienste, die wir ja kennen, dadurch zu belohnen, als weil er selbst ein so gar großes Interesse daran gehabt hätte. So übertrug er ihm denn in aller Form die Herstellung des Werkes. Er selbst hat hiefür allem nach nichts getan, als daß er es, wie das Vorwort ganz deutlich sagt, „mit Ordnung, Wappen und Schrifften fun diert und bestellet“; das heißt: er hat in großen Zügen den Plan des Ganzen entworfen und festgestellt, hat Jäger die in seinen großen Sammlungen sich findenden Quellenschriften, Wappen und Bilder zur Benützung übermittelt oder übermitteln lassen, hat ihm freien Zutritt zu seiner Bibliothek gewährt und die be trächtlichen Kosten, die die Ausführung des Werkes mit sich brachte, auf sich genommen. Außerdem wird Fugger, der ja wissen mußte, wo es bei Jäger, dem Autodidakten, fehlte, dafür Sorge getragen haben, daß eine verlässige Persönlichkeit, etwa sein Bibliothekar Wolf oder sonst einer der von ihm besoldeten r) Siehe Teil I S. 21.
8 Gelehrten, die Conzepte Jägers vor der Reinschrift durchsah und von besonders störenden Fehlem, wie sie diesem manchmal in die Feder kamen, reinigte; vielleicht hat er diese Arbeit dann und wann, namentlich am Anfang, selbst getan, da er dabei zu gleich sehen konnte, inwieweit Jäger überhaupt der übernom menen Aufgabe zu genügen vermöchte. Der eigentliche Autor war also Jäger, der auch die Ausstattung des Werkes leitete, indem er, wie auch bei den andern von ihm herrührenden Pracht werken, dem zur Reinschrift des Textes aufgestellten Kunst schreiber sowie den zur „Illuminierung“ verwendeten Malern die nötigen Anweisungen gab und deren Ausführung überwachte, denn der mit einer Menge der mannigfaltigsten Geschäfte über lastete Fugger, der noch dazu sehr häufig länger von Augsburg abwesend war, hatte hierzu sicher keine Muße. Zur Bestimmung der Zeit, in der das Werk begonnen wurde, haben wir keine ganz sicheren Anhalte. Wenn wir jedoch er wägen, daß Jäger in einem Brief an Fugger, der in der letzten Augustwoche 1547 geschrieben wurde und zum Teil eine von Jäger für diesen gefertigte literarische Arbeit zum Gegenstände hat,1) das „Ehrenwerk“ noch nicht erwähnt und daß der im Jahre 1548 herausgekommenen Schweizerchronik von Stumpf2) an einer vom Anfang des Werkes nicht weit entfernten Stelle3) als einer erst „neulich“ erschienenen gedacht wird, so ergibt sich, daß Jäger wohl nicht vor dem Jahre 1548 angefangen haben wird. Da aber anderseits, wie wir sahen, im August 1555 das umfangreiche Werk im Conzept schon zum großen Teil vorlag, so darf der Zeitpunkt des Anfanges auch nicht weit hinter 1548 angesetzt werden, so daß dieser wohl in die Spanne 1548 bis 1550 fallen wird.4) Nach mehreren einleitenden Abschnitten und der Geschichte der im ersten Buche behandelten „ersten und Vrältisten Margkgrauen, hertzogen vnnd Ertzhertzogen der löblichen marg Öster*) Schreiben vom 23. August 1547 in Cod. 500/8 (schwarzer Kasten) des Geh. Staatsarchivs in München, Bl. 538. 2) Gemeiner lobli s/eher Eydgenossenschaft Stetten, / Landen vnd Völcker chronick wir s / diger thaten beschreybung / etc. durch Johann Stumpffen (Zurych 1548). 3) Bl. 51b. 4) Vgl. die abweichende Ansicht bei Wege 1 e S. 280 Anm. 2; MaasenRuf S. 69.
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reich“ kommt Jäger im zweiten Buch zu dem „hocheerlichen anfang und herkommen der Vralten vnd löblichen Grauen von habsburg 70 a, 109 a, 126 b (3x), 169 a, 172 b, 230 b, 253 b, 259 a, 320 a.— Weberchronik 14b, 17a (2x), 18a, 22a, 24b, 42b, 43a, 43b (2x), 47a, 63b, 64b, 75b, 76a, 110b unter 1467, 1536; in der Beschreibung des „Auflaufs von 1524 Bl. 2b, 16 b, 20 a, 28 a, 32 a, 57 a, 60b, 62 b ; in den Vorb. des Rates“: Bl. 47 a, 63 b, 75 b, 76 a, 110 b und so durchweg auch in den anderen Schriften Jägers.
102 braucht; auch das Adjektiv „nachgriffig“ (habsüchtig) spielt in der copia verborum Jägers eine kennzeichnende Rolle.1) Verschie dene Ausdrücke und Wörter sind geradezu der Sprache des „ge meinen Mannes“ entnommen. Besonders häufig in der „Vorbe reitung“, wo er in seinem Grimm gegen Österreicher förmlich nach groben Wörtern auf die Suche geht, um den Gegner damit „ge hörig zuzudecken“. Aber auch das Ehren werk hat manches der Art. So faßt Jäger seine Schilderung der traurigen im Interreg num herrschenden Zustände zusammen in die Worte: Deutschland hat damals einen „harten Kropfstoß“ 2) erhalten; die im Leben einander so feindlich gegenüberstehenden deutschen Könige Albrecht I. und Adolf von Nassau, berichtet er, mußten sich nach ihrem Tode gefallen lassen, im gleichen Raum bestattet oder „wie man sagt, in ainenStal (Dom zu Speyer) zusamenbracht“ zu werden;3) um uns zu erzählen, daß jemand mit rauher Hand an gefaßt worden sei, bedient er sich des Ausdrucks, man habe sich daran gemacht, ihm „den Hundshabern zu treschen“,4)5Ge wohnheitsdurstige nennt er „nasse Knaben“ oder „nasse Kunden“,6) Rauhes, Unfreundliches bezeichnet er als „händig“,6) das Adverb „blitzschnell“ ersetzt er durch „schnaps“, für die den Landsknechten zulaufenden Dirnen wird das Wort „Brustbilder“ 7) gebraucht, für Frauenspersonen überhaupt, auch für Fürstinnen und Königinnen fast regelmäßig das Wort „Weibsbilder“8) — eine doch auch in dem damaligen robusten Sprachgebrauch etwas ungewöhnliche Derbheit, die H. J. Fugger ebensowenig aus der Feder geflossen wäre wie die lächerliche Ungeschicklichkeit, daß Kaiser Fried rich III. nach Überstehung großer Schmerzen endlich in Gott „gnediclich verschiden“.9) Für den Schluß haben wir uns noch drei Wörter Vorbehalten, die wegen ihrer außerordentlichen Seltenheit für unsern Zweck *) Z. B. I, 52 a, 367b. — Jägers Vogtbuch 23a: nachgriffige, geitzige eingriff der pfaffen“; „Vorher, des Rates“ 10b; Weberchronik 16b, 38a usw. 2) I, 93 a. a) I, U3a.
4) 5) c) 7) s) 9)
II, 86 a. I, 391 a. II, 106 b. — „Vorher, des Rates“ 65 b. I, 377 b. B. I, 245b; II, 129a, 341b, 342 a. I, 388 b.
103 besonders beweiskräftig sind. Das erste ist „Lausguß“. Es be zeichnet die letzte Operation (Lavationem postremam), die der Scherer an einem lausigen Schädel vornimmt, indem er, um seinem Werk die Krone aufzusetzen, durch einen kräftigen Wasserstrahl die etwa noch vorhandenen Läuse wegzuspülen versucht. Das Wort begegnet uns zunächst ein paar Mal in der „Vorbereitung“, wo es z. B. heißt: „das wollen wir am Ende des Öfterreichers Laußgus erzelen“,1) so daß also ein Teil der Österreicher gewid meten Abfertigung als „Lausguß“ gedacht wird. Im Ehrenwerk stoßen wir auf das Wort in der Erzählung von Ereignissen des Landshuter Erbfolgekrieges, wo gesagt wird: Der Wisbeck „wolt inen (denen von Nürnberg) den Laußguß geben“.2) Das zweite Wort ist „Pfeiler“. Es bedeutet unter anderm auch ein „Bartuch“.3) In der Jägerschen Schusterchronik, ent halten in Cgm. 2648, wird berichtet, die Schusterzunft habe beschlossen, von jetzt an den „Pfeiler“ nur mehr für die Leichen begängnisse solcher Mitglieder der Zunft zur Verfügung zu stellen, die die „ganze Zunft“ besitzen und das Handwerk wirklich treiben;4) das gleiche Wort findet sich zweimal auch im Ehrenwerk und zwar bei der Beschreibung der Aufbarung bzw. Totenfeier der Maria von Burgund — Maximilians Ge mahlin — und Kaiser Friedrichs III., beide Male im Text und im Bild.5) Das dritte Wort ist das Adjektiv „zierfließend, zürfließend“, ver mutlich so viel wie „von Zierlichkeit überfließend“. Eine so unsinnige Wortbildung darf man doch sicher nicht H. J. Fugger, dem Philo logen, zuweisen. Es kommt im Ehrenwerk ebenfalls zweimal vor: das erstemal zum Lob des Livius: „der zürfließend Livius“,6) dann in der Beschreibung von Kaiser Friedrichs „Besingnus“, bei der der Schultheiß von Wien, Bernhardus Peregrinus, in Gegenwart des Königs die orationem funebrem gehalten „vaft zierfließend“.7) Der Schöpfer des schönen Wortes ist natürlich Jäger; der „zier1) Bl. 119 b; ähnlich an zwei anderen Stellen der „Vorbereitung“ Bl. 83 b, 132 b. 2) 3) 4) 5) 6) 7)
II, 198b. Vgl. Schmeller-Fromann, Bayr. Wörterbuch. Cgm. 2648, BI. 16 a. I, 383 b, II, 49 a. I, 52 b. I, 383 b.
104 fließende“ Livius tritt schon in der Weberchronik 4) und in der Vorrede zum Herwartbuch auf den Plan. Damit wollen wir unsere Beweisführung, die sich in den meisten der berührten Punkte leicht hätte erweitern lassen, be schließen. Wer sich in dieser Sache über das von uns Beige brachte hinaus ein Urteil aus eigener Prüfung bilden will, möge die Jägersche „Vorbereitung“,*2) daneben vielleicht noch die Fugger- und die Weberchronik vor sich nehmen und die Schreib art dieser Werke mit der des Ehrenwerks vergleichen, dann wird er sich bald überzeugen, daß Jäger auch der Verfasser des letzteren sein muß und H. J. Fugger nur als dessen „Fun dator“ in dem von uns öfter umschriebenen Sinn des Wortes gelten kann.3)4 Von den älteren Historikern, die sich mit dem „Ehrenwerk“ eingehender beschäftigt, ist, soviel wir sehen, nur einem, Jutrosinsky, manches darin aufgefallen, das ihm nicht recht zur Autor schaft Fuggers passen wollte, aber da ihm jede Handhabe, einen andern Verfasser an dessen Stelle zu setzen, fehlte, blieb es bei der bloßen Feststellung dieser Auffälligkeiten. So wunderte er sich über die Schärfe, mit der sich Fugger über die seit den Zeiten Karls des Großen immer mehr überhand genommene Ver weltlichung der Kirche und des hohen Klerus geäußert,4) und brachte, um die Aufmerksamkeit der Geschichtsforschung nach drücklich darauf hinzulenken, zum Teil dieselben Stücke zum Abdruck, die wir oben als Beispiel, wie feindlich Jäger der alten Kirche gegenüberstand, herausgehoben; doch zog er aus diesen Stellen keinen andern Schluß als den, daß sich Fugger in dem „Ehrenwerk“ sporadisch in einerWeise ausgesprochen, die mit *) Bl. 21a. 2) Ein Exemplar derselben im Hauptstaatsarchiv München und im Stadt archiv Augsburg. 3) Hartig äußert sich (S. 199) in dieser Hinsicht: Dem „Stifter“ verdankt man trotz allem noch genug, ja gerade, was uns heute als das historisch Wert vollste entgegentritt, das an Ort und Stelle aufgenommene, nur durch viel fache Reisen zu gewinnende Bildermaterial, dessen Herstellung nur ein Fugger zu bestreiten vermochte. Inwieweit sich dieses Verdienst Fuggers erstreckt, wird sich freilich erst dann einigermaßen sicher ermessen lassen, wenn die Ergebnisse elrer eingehenden methodischen Untersuchung dieses Bildermaterials vorliegt. 4) Siehe auch oben S. 13.
105 seinem katholischen Standpunkt im Widerspruch stehe. Auch daß der Autor des Werkes beim Gebrauch lateinischer und anderer fremdsprachiger Quellen deutsche Übersetzungen benützt, hat Jutrosinsky sehr wohl bemerkt,1) ohne aber zu versuchen, diese befremdende Wahrnehmung zu erklären. Sein Schlußurteil über das Ganze lautet,2) wenn wir Belangloses weglassen, in freier Übersetzung: „Das Buch wirkt hauptsächlich dadurch so sym pathisch, weil wir in der Person Fuggers, wenn wir von seinen Anschauungen in der Religion absehen, einen ebenso erfahrenen wie vaterlandsliebenden Staatsmann kennen lernen, der sich in Zeiten der heftigsten zwischen den Katholiken und den Prote stanten tobenden Kämpfe stets einen freien Blick und Selb ständigkeit des Urteils gewahrt hat und so ein Werk schuf, das der Beachtung in hohem Maße würdig ist.“ Inwieweit dies alles zutrifft und nicht zutrifft, wissen wir nun und damit auch, daß das hier dem Autor des Ehrenwerks gespendete Lob auf Cle mens Jäger zu übertragen ist, was aber, wie wir sahen, dem Ruhme Fuggers keinen Abtrag tut, sondern für ihn eher eine „Rettung“ bedeutet. *) S. 10, 12; vgl. Maasen-Ruf, S. 65 f. 2) S. 34.
Die Bibliotheken der Stadt Nördlingen. Von Direktor Dr. Albrecht Schmid-Augsburg. I.
Die Rats- oder Stadtbibliothek* In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wurde der Grund zu den Bibliotheken der Stadt Nördlingen gelegt. In einer Zeit also, die an sozialer und seelischer Aufgewühltheit der Gegen wart in vielen Zügen ähnlich war, in einer Zeit, die Wandlungen und Erschütterungen der Grundfesten des bisherigen Daseins schaudernd, bebend und bang in die dunkle Zukunft blickend ahnte und spürte. Ja, viele Menschen jener Jahre und Jahrzehnte um die Wende des 16. Jahrhunderts hielten den Untergang alles Bestehenden für nahe bevorstehend. Aber das Gesicht'jener Zeit zeigt auch andere Züge: ein hoffnungsfrohes Ringen um neue geistige Werte und neue Ziele, eine neue Einstellung des Lebens in allen Grundfragen der Religion, der Kunst, der Wissenschaft, dem Staate gegenüber. Der jugendlichen Freude des Zeitalters über den Frühling, der da unter brausenden Stürmen seinen Ein zug halten wollte, hat Ulrich von Hutten den zum Kennzeichen jener Zeit gewordenen Ausdruck verliehen in den Worten: „O Jahrhundert, o Wissenschaften! es ist eine Lust zu leben — es blühen die Studien, die Geister erwachen!“ —Das ist der geistige Untergrund, aus dem auch das Nördlinger Bibliothekswesen her auswuchs, Die Buchdruckerkunst hatte die Mitteilbarkeit geistiger Werte in vorher nicht geahnter Weise gesteigert und bald war in den Humanistenkreisen das Interesse am Buch als solchem erwacht. Der Gedanke, das ganze Wissen der Alten und der Neuen, den heiß erkämpften geistigen Besitz von Jahrhunderten in einer schönen Büchersammlung verkörpert und gegenwärtig zu haben, hatte etwas geradezu Berauschendes für die Träger der gelehrten Bildung. Ein Mann nun, der offenbar auf der Höhe der Gelehrsamkeit des Humanismus den geistigen Besitz des
107 Zeitalters, soweit er seinen Niederschlag in Büchern gefunden hatte, sammelte und ihn schließlich seiner Vaterstadt als ein kost bares Vermächtnis hinterließ, war der Nördlinger Bürger Joh annes Protzer. Von seiner Stiftung an gibt es eine Bibliotheksgeschichte der Stadt Nördlingen. Denn wenn Beyschlag die Geschichte der Nördlinger Bibliotheken „um ein gutes weiter in das Altertum“ zurückreichend bezeichnet,1) weil noch vorhandene Nekrologe des Barfüßerklosters Beweise für namhafte Bücherschenkungen an dieses Kloster, namentlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhun derts enthalten, so stellt er damit einerseits lediglich eine selbst verständliche Tatsache aufs neue fest, daß nämlich das Nördlinger Barfüßerkloster eine Bibliothek besessen hat, zum andern aber muß er gleich darauf mitteilen, daß von dieser, wie von anderen etwa vorhandenen mittelalterlichen Bibliotheken Nördlingens leider nichts auf die Nachwelt gekommen ist. Das Barfüßerkloster, das jetzige sog. „Klösterle“, fristete, seitdem sich die Reichsstadt der Reformation angeschlossen hatte, nur mit Mühe sein Dasein. Man hob es zunächst nicht auf, entzog ihm aber die bisherigen Ein künfte; 1536 wurde es dann säkularisiert und von der Stadt angekauft. Offenbar wurden die Bücher des Klosters in der Folgezeit nach und nach verkauft, die Handschriftenbände aufgelöst und zum Büchereinbinden verwendet. Das beweisen zahlreiche Per gamenteinbände mit Text und Noten aus liturgischen Werken im städtischen Archiv, die Rechnungsbücher u. a. enthalten. Die Stadtbibliothek verwahrt als einzigen Besitz vom Barfüßerkloster drei Totenbücher, von denen das besterhaltene in den städtischen Sammlungen auf liegt. Es ist ein Folioband in Holzdeckeln mit Lederrücken; er besteht aus 34 Pergamentblättern. Die Einträge sind nur lateinisch und reichen zurück bis zum Jahre 1384. Johannes Protzer (so schreibt er sich selbst in den von ihm gestifteten Büchern) entstammte einer alten, seit 1378 in Nörd lingen nachweisbaren Familie, die unter der Bürgerschaft hohes Ansehen genoß. Diese Patrizierfamilie hatte seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts Glieder im Rat der Stadt sitzen und auch Wil helm Protzer, der Vater des Johannes, war von 1471—1501 ohne Unterbrechung „alten Rates“ der Stadt und wurde im Jahre 1486 6 Versuch einer Schulgeschichte der Reichsstadt Nördlingen von Daniel Eberhardt Beyschlag, 6 Stücke, Nördlingen 1793—1797, 5. Stück, Seite 4 ff.
108 mit dem Amt eines Bürgermeisters betraut. Es gab damals deren drei, von denen jeweils einer die Geschäfte des Ober- oder Amts bürgermeisters ein Jahr lang führte. Wir finden demgemäß Wil helm Protzer in den Jahren 1486, 89, 92, 95 und 98 im Besitze dieser Würde. Von 1501 bis zu seinem im Jahre 1507 erfolgten Tode genoß er die Ruhe des Alters, das seine Lebensarbeit voll endet hat; er hinterließ zwei Töchter und vier Söhne, von denen Johannes der älteste war. Wir wissen von dem Werdegang und den Schicksalen des Johannes Protzer nur sehr wenig. Nicht ein mal sein Geburtsjahr, geschweige denn das genaue Geburtsdatum ist bekannt. Sicher ist, daß er eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung genossen hat, die ihn in den Stand setzte, sich eine den Anforderungen des Zeitalters entsprechende wissenschaftliche Bildung zu erwerben. Wir finden ihn in den Jahren 1487 und 88 als Studenten auf der bayerischen Universität Ingolstadt.1) Die eigenhändigen Einträge in seinen Büchern erzählen uns ferner, daß er von 1490 bis 1497 in Italien gewesen ist, dort seine juristischen Studien weiterbetrieben und vielleicht zum Abschluß gebracht hat. Denn neben der dem Namen beigefügten eigenhändigen Bezeichnung I.U.L. = Juris utriusque Licentiatus findet sich die andere I.U.D. = Juris utriusque Doctor in seinen Büchern, doch nicht in der Weise, daß die letztere zeitlich nur nach der ersteren erscheint. Protzer setzt vielmehr auch in späteren Jahren wiederholt den alleinigen Titel I.U.L. hinter seinen Namen. Vom Jahre 1500 an weilte er wieder in seiner Heimatstadt. Das Vertrauen seiner Mitbürger wollte auch ihn in den alten Rat berufen, aber Protzer nahm die Würde nicht an. Er hatte sich mit einer Nürnbergerin verheiratet und war nach Nürnberg gezogen. Er blieb zwar zunächst noch Bürger von Nördlingen, denn nach den Ein trägen im Steuerbuch von 1507 und von 1508 wird von seiner verwitweten Mutter auch für „Maister Hansen zu Nürnberg“ ge steuert; im Jahre 1509 aber gab er offenbar sein Nördlinger Bürgerrecht auf. Nachdem er schon 1507 Ratskonsulent in Nürnberg geworden war, wurde er dort 1509 unter die „Genannten des größeren Rats“ aufgenommen; beide Ämter bekleidete er bis zu seinem Tode im Jahre 1528. Protzer muß auch in Nüm9 Vgl. Kern, Die Söhne der Reichsstadt Nördlingen auf Hohen Schulen. 5. Jahrbuch des historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung. 1916. S. 26.
109 berg rasch eine seinem Wissen und Können entsprechende Stel lung erlangt haben; denn er wird im Jahre 1514 zur Ausarbeitung der Nürnbergischeu Reformation mit herangezogen. Diese Re formation bezog sich auf die Gesetzgebung der freien Reichs stadt. Protzers Handexemplar ist in der Nördlinger Stadtbiblio thek noch erhalten. Es ist ein Folioband mit dem Titel „Reformation der Stat Nüremberg. Cum gratia et privilegio.“ Es ist dies die dritte, von der Stadt besorgte, verbesserte und vermehrte Ausgabe. Auf dem Titelholzschnitt steht die Jahres zahl 1521, doch heißt es am Schlüsse des ganzen Buches: „Hie endet sich die Reformation der Stat Nüremberg..........durch Jrn Burger Fridrichen Peypus gedruckt Anno Domini Fünf zehenhundert unnd im Zweyundzweynzigisten“. — Ein so umfas send gebildeter Mann, wie Protzer nach seinen Büchern zu schließen es war, mußte sich auch mit der alle Tiefen des reli giösen Lebens aufwühlenden Bewegung der Erneuerung der Kirche und mit der überragenden Persönlichkeit ihres Trägers, D. Martin Luther, selbständig und unmittelbar auseinandersetzen. Zwei stattliche Quartbände aus Protzers Besitz, die heute zur Kirchenbibliothek gehören, legen hievon Zeugnis ab. Sie ent halten 45 Schriften und Gegenschriften aus den ersten Jahren der religiösen und theologischen Kämpfe, darunter viele Schriften Luthers selbst, z. B. „Eyn Sermon von dem Ablass und gnade .... “ Wittenberg 1518, oder „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“, Wittenberg 1520. Mit welchem Eifer der gelehrte Jurist die religiöse Bewegung verfolgte, geht daraus hervor, daß er die Schriften meistens gleich nach ihrem Erscheinen erwarb und einzelne mit zahlreichen Randbemerkungen versah. So ent sprang seine endgültige Stellungnahme für die Lehre Luthers der eingehenden Prüfung und bewußten Entscheidung, wie sie ein selbständig denkender Geist vollzieht. Diese beiden Sammel bände sind aber auch in bibliographischer Hinsicht von großer Bedeutung. Sie enthalten, wie schon angedeutet, eine große An zahl, im ganzen 24, von Drucken früher Schriften Luthers, die alle zwischen 1518 und 1522, also noch zu seinen Lebzeiten herausgegeben worden sind; diese „Autographa Lutheri“ besitzen heute besonderen Wert als Bestandteile einer Bibliothek.—Das genaue Todesdatum Protzers läßt sich nicht ermitteln. Doch muß er im Jahre 1528 gestorben sein. Denn das Ämterbüchlein der /
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Stadt Nürnberg vom Jahre 1528 enthält seinen Namen noch; das vom Jahre 1529 nicht mehr. Ferner wird Protzers letzter Wille in dem Verzeichnisse der in der Losungsstube beurkundeten Testamente unter dem Jahre 1528 aufgeführt. Nimmt man an, daß er etwa mit 18 Jahren nach Italien gekommen ist, so hätte er ein ungefähres Alter von 56 Jahren erreicht. Er war dreimal verheiratet, nämlich 1. mit einer Cecilia, die 1510 starb und unter dem Großtotengeläut von St. Lorenz beerdigt wurde, 2. mit Clara Hagelsheimer gen. Held geb. 1492, gest. 1515, die ihm zwei Töchter gebar, und 3. mit Elisabeth, Martin Erckels Erbtochter, mit der er am 7- Januar 1522 Hochzeit hielt. In den stadtge schichtlichen Sammlungen Nördlingens wird ein Bild Johannes Protzers aufbewahrt. Es ist ein kleines Schabkunstblatt in der Größe von 12/81/2 cm. Das Blatt zeigt das Brustbild eines etwa fünf zigjährigen Mannes, der den Beschauer anblickt. Das volle Haar ist schlicht gekämmt und ein stattlicher Vollbart umrahmt das Gesicht, dem das Leben seine Spuren tief eingeprägt hat. Die Tracht der Zeit, Halskrause und pelzverbrämter Mantel, ist angedeutet. Das Bild, dem jede Signatur fehlt, trägt die Unterschrift: „Johann Protzer J.U.D. Norimb (ergensis). Starb 1526.“ Das Todesjahr ist also falsch angegeben. Das bayerische Staatsarchiv Nürnberg, dem ich die Kenntnis der meisten der oben angeführten Daten aus Protzers Leben verdanke, hat mir auch mitgeteilt, daß dort sein Wappen und Siegel noch in mehreren Exemplaren vorhan den ist. Das Wappen der Familie Protzer zeigt auf einem un geteilten silbernen Schild den roten Kopf und Hals eines nach rechts blickenden Bracken mit gebleckten Zähnen und heraus hängender Zunge. Das Tier trägt ein goldenes Krönlein. Die Helmzier zeigt das nämliche Wappentier nach vorn blickend; das Helmtuch ist in Silber und Rot gehalten. Im Stiegenhaus des Nördlinger Rathauses hängt dieses Wappen in Gestalt eines geschnitzten Epitaphs oder Totenschildes, wie sie in den Kirchen dieser Stadt sehr zahlreich anzutreffen sind. Es bezieht sich auf ein jüngeres Glied der einst blühenden und angesehenen Familie, wie aus folgender Umschrift hervorgeht; „Ano Dni 1587 den 11. Decembris Starb der ehmvest Herr Wilhalm Procer Pfleger zu Lierheim des Seele G.G.s.“ (Lierheim liegt etwa 10 km süd östlich von Nördlingen). Die eigentliche Grundlage jener Schenkung, die den Namen
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„Johannes Protzer“ in der Geschichte der Stadt Nördlingen und, wie wir sehen werden, in der Geschichte des Bibliothekwesens unvergeßlich gemacht hat, das Testament Protzers, besitzen wir nicht mehr. Aber zwei Briefe geben uns getreue Nachricht, daß die Schenkung tatsächlich in Protzers Testament verbrieft war und daß die Bücher von Nürnberg nach Nördlingen gebracht worden sind. Den ersten hat Bürgermeister und Rat der Stadt Nördlingen an die Nürnberger Bürger Sigmund Held und Hans Scheufelin, die Testamentsvollstrecker und Verwalter des Protzer’schen Nach lasses im Jahre 1529, also etwa ein Vierteljahr nach Protzers Tod, geschrieben; der zweite ist vom 7. Juli 1529 datiert und ist von den genannten Nürnberger Bürgern nach Nördlingen gerichtet worden. Dieser zweite Brief vom 7. Juli 1529 bezieht sich haupt sächlich auf Leibgedinge für die überlebenden Geschwister Johannes Protzers und auf die Nachlaßsteuer. Nur an einer Stelle heißt es: ................... inn ansehung / das gedachter Doctor Johann protzer inn seinem und hintter ime verlassenn geschefft / gemayner Stat Nördlingen mit seiner liberey so er unnter anderen als einenn besunderen schätz hochlichenn gelyebt versehen hat/1 Der erste Brief dagegen, der von Nördlingen aus geschrieben wurde, gibt klaren Aufschluß über die Schenkung. Er lautet: „Den Ersamen und weisen Sigmunden Hölden und Hannsen scheifelin beden Burgern zu Nuremberg unnsern lieben und guten freunden. Unnser freundlich willig Dienst zuvor. Lieben und guten freundt. Unns hat unnserer Herren und freund eins Ersamen Rats der Stat Nurmberg Diener Caspar frey / aus ewerem | als Testa mentarien beuelch / wie er unns mündlich angezeigt jn zwayen großen und einem klainen Vaß dreyhundert und ein stuck bucher großer und klainer / eingepundener und uneingebundner / und nemliche zwayhunderte und neuntzige / nach Inhalt / einer darzu verordneten tafel / darein weylundt / unnser lieber Herr und freund / Doctor Johann Protzer / der testator / seliger gedechtnus die schrifftlichen und benenntlichen verzaichnet | und daneben achtzig guldin in gutem golt / die derselb in seinem Testament / unnd letzten willen / dem Heiligen Geist des Spitals / Gemainer Stat und Bürgerschaft zu gutem / alher verordnet und verschafft hat (der Allmechtig welle desshalben seiner sei gnedig Barmhertzig unnd ewiger belönner sein) auff heut dato erberlichen unnd redlichen / zu unsernn wissentlichen Hannden / uberant/
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wurt und zugestelt / on allen mangel unnd abgang. Darumben wir euch / euer gehapte muehe / von unser und unsers Spitals wegen dissfals fürgewenndt unnd angekert / freuntlichen und fleissigen Dannk / Sagen / auch dieselben alle euer beder erben / unnd sonnst menigklich / wer desshalben quittierens nottürfftig sein unnd werden möchte / hiemit irer execution unnd volnstreckung benannts Doctor Johanns protzers Testaments der uberantwurten buecher unnd Achtzig guldin in Gold halben / sovil uns / gemainer Stat / Burgerschafft / den heiligen geist / das Spital unnd desselbigen pfleger unnd maister berueren mag quit frey ledig und loss / mit und in crafft dis unsers verschlossen missiues Mit unnserm Stat Secret (= Geheimsiegel) ausswendig bevestnetder pösten (= besten) form / Mit dem erpieten / wo wir E. E. Whn (= Euer Weisheiten) freuntlich diennst uund annemlichs gefallen beweisen künden / Das ir uns auch alltzeit gutwillig befunden sollent / Geben auff Sampstag nach Thrium Regum I den Neundten Tag Jenners / anno .. XXVIIII Bürgermeister und Rathe zu Nördlingen. (Registrum missivarum anno millesimo quingentesimo vicesimo nono. Briefbuch 1529). — Es war also eine Bibliothek von 290 Bänden, die im engeren Rahmen alle Wissensgebiete umfaßte. Die erste Stelle nahmen natürlich Werke des römischen, des germanischen und des Kirchen rechts ein. Weitaus der größte Teil der Bücher wären Inkunabeln, d. h. sog. Wiegendrucke von der Zeit des ersten Buchdrucks an bis zum Jahre 1500. Die „darzu verordnete tafel, darein weylundt unnser lieber herr und freund Doctor Johann Protzer der testator seliger gedechtnus die schrifftlichen und benenntlichen verzaichnet“, war ein vom Stifter selbst gefertigter Katalog, den Hirsching1) erwähnt und Beyschlag (s. Anm. S. 107) folgendermaßen beschreibt: „Was das Protzerische Vermächtnis anbelangt, ... so schreibt es sich von Johann Protzer, der Rechten Doctor, her, wie man aus dem noch vorhandenen, von ihm selbst eigenhändig geschrie*) Friedrich Karl Gottlob Hirsching: Versuch einer Beschreibung sehens würdiger Bibliotheken Teutschlands nach alphabetischer Ordnung der Oerter, Erlangen 1788, 3. Band. 1. Abt., S. 536. Dort auch der merkwürdige Irrtum, daß Wilhelm Protzer, der Vater des Stifters, die Bibliothek gegründet habe. Überhaupt enthält der kurze Überblick manche unrichtigen und ungenauen Angaben.
113 benen Katalog ersiehet, der in Regalfolio auf zwey hölzernen Tafeln aufgezogen ist, und gleich einem Kästchen kann verschlossen werden. Er hat wie mehrere Bücher aus dieser Bibliothek noch sichtbare Spuren, daß er in älteren Zeiten wegen der Bücher diebe angeschlossen gewesen. Auf der Außenseite hat er fol gende Aufschrift: „In diser Tafel sein geschriben allen die La teinischen PücheR. So ich Johann ProtzeR Der Rechten DoctoR nach MeineM Absterben Dem Spital vnndt dem heyligen Geyst zu Nördlingen aüch gemeiner Statt daselbst vnd deR Bürger schaft ze gutt verschafft habe“. — Inwendig findet man die Bücher unter folgenden Rubriken geordnet und summiert: In Theologia Volumina 55, in artibus et medicina Volumina XVI. In Jure Canonico Volumina XXXVIII. In Jure Civili Cesareo an der Zal hundert vnd Ein Volumen. In poesi humanitate et oratoria Volumina LXXX. — Am Schlüsse steht: Facit der Eingepondten Volumina in allerley faculteten So ich Doctor Johann Protzer der rechten DoctoR nach meinem Absterben dem heyligen Geist dem Spital zv noerdling verschafft vnd vermeint hab an der Zal Ilhundert vnd XC.“ — Leider ist auch dieser Katalog, wie so manches wertvolle Stück, das zur Bibliothek selbst gehörte oder in weiterem Sinne mit ihr zusammenhing, durch die Achtlosigkeit interesseloser Generationen verloren gegangen. Er war 1797 noch vorhanden und zwar war er ein sog. Holzdeckelkatalog, dessen Blätter in Regalfolio auf 2 hölzerne Tafeln aufgezogen waren, die, mit Scharnieren versehen, wie ein Kästchen verschlossen werden konnten. Daß schon damals gewandte Bücherdiebe ihr Unwesen in Bibliotheken trieben, beweist die Bemerkung Beyschlags: „er hat wie mehrere Bücher aus dieser Bibliothek noch sichtbare Spuren, daß er in älteren Zeiten wegen der Bücherdiebe ange schlossen gewesen“ (nämlich an der Wand mit Kette und Schloß). Zahlreiche Bände aus Protzers Bücherei zeigen noch deutlich die Spuren davon, daß sie sog. Kettenbücher oder libri catenati waren. Sie haben gewöhnlich eine 2—3 cm lange wagrechte Einkerbung unten am Buchdeckel. Nur zwei Bände habe ich gefunden, bei denen die Vorrichtung zum Anschließen an eine Kette unversehrt erhalten geblieben ist. Der eine ist die Aurea practica ... Petri Jacobi de Aureliaco Gallici, Lyon 1501, ein Quartband in Holzdeckeln mit Lederrücken und 2 Schließen.
114 Der hintere Buchdeckel hat unterhalb der unteren Schließe eine wagrechte Einkerbung, in welcher ein 3 cm langer eiserner Schenkel angebracht ist, der über den Rand des Deckels hinaus ragt. Er ist an seinem Ende zu einer Öse umgebogen, die 6 mm Durchmesser hat. In diese Öse wurde die Kette eingehängt. Das andere Kettenbuch ist Johannis de Londris Breviarium sanctorum canonum humanarumque legum . . Paris, 1510, ebenfalls ein Quartband von der gleichen Ausstattung wie der oben genannte. Bei ihm ist auch der erste Ring der Kette in der Öse noch vor handen. (Über die Seltenheit heute noch erhaltener Kettenbücher vgl. O. Glauning, Der Holzdeckelkatalog in der Stadtbibliothek zu Nördlingen, im 6. Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung, 1918, S. 34). Die Schenkung wurde dem Heiligen Geist-Spital als der ältesten und bedeutendsten Stiftung der Stadt Nördlingen gemacht. Der Rat der Stadt hielt sich je doch für berechtigt, die Büchersammlung als Eigentum der Stadt zu betrachten, hatte doch der Stifter auf dem von ihm selbst geschriebenen Tafelkatalog „gemeiner Statt daselbst vnd deR Bürgerschaft“ eigens Erwähnung getan. So war denn der Grund zu der Stadt- oder Ratsbibliothek Nördlingens, der bedeutendsten dieser Stadt, gelegt.1) Die Schenkung Protzers war in kleinen und bescheidenen Verhältnissen für Nördlingen das, was im Jahre 1571 die Erwerbung der Büchersammlung Johann Jakob Fuggers durch Herzog Albrecht V. für die Münch ner Hofbibliothek bedeutete. Da die Bibliothek viele bedeutende Werke der Rechtswissenschaft enthielt, sahen die Väter der Stadt ihren Hauptwert für praktische Zwecke darin, daß sie in schwie rigen Rechtsfragen und bei Rechtshändeln des Gemeinwesens für die berufenen Rechtskundigen, die Ratskonsulenten, ein zu verlässiges Hilfsmittel bilden könnte. Demgemäß war auch ein Teil der gesamten Bibliothek, eben die juristische, auf dem Rat haus selbst untergebracht, während der Rest im Karmeliterkloster,2) Es mögen wohl vor Protzers Stiftung einige Bücher vorhanden gewesen sein, juristische Werke für den praktischen Gebrauch des Rates und theolo gische und liturgische im Besitz der St. Georgskirche. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die eigentliche Geschichte der Nördlinger Bibliotheken, wie sie heute vorhanden sind, mit der Stiftung Johannes Protzers ihren Anfang nimmt. 2) Das Karmeliterkloster wurde 1525 säkularisiert und von der Reichs stadt übernommen.
115 dem jetzigen katholischen Pfarrhaus, Aufstellung gefunden hatte. Denn das Ratsprotokoll vom 31. August 1554 besagt: „Jung Baumann (= Baumann der Jüngere) ist furhabens die Jnstitutiones publice zu lessen / wo man Jme dasselbige gestatten wolt j Jtem das Jme mocht vergont werden ein Zugang Zu d(er) Liberey im closter und uffm Rathhauss/. Ist Jme alles bewilliget j sollen die buecher im Closter zu Carmelitern visitirt werden Zuvor er pauman seinen Zugang hab I ob sie alle vorhanden.“ Weitere Angaben für die Jahre 1563 und 1581 besagen, daß man sich im Stadtregiment der Bedeutung und des Wertes der der Stadt gehörigen Bibliothek wohl bewußt war. So heißt es im Ratsprotokoll vom 19. Februar 1563: “Herren rechner sollen den orth zur Liberey Jm kloster besichtigen, den zurichten und die bucher dahin alle zusammen verordnen“ und am 20. Septem ber 1581 wird mitgeteilt: “M(agister) Paulus Mayer bittet ihm etliche Bücher aus der Bücherei zu leyhen; weyl man Jm werkh stet die Zusam Zuordnen und Zu registrirn / mag er sein beger bis dahin sparen und alsdann fürpringen“. Man wollte also auch einen neuen, genauen Katalog anlegen, Der Schenkung Protzers folgt e unmittelbar eine zweite: die des Sacellans an der Georgskirche Gregorius Raming, gen. En gel hart, der vermutlich im Jahre 1532 gestorben ist. Er hat ebenfalls seine Büchersammlung dem Rat der Stadt Nördlingen vermacht. Da aber dieses Vermächtnis nicht der Stadtbibliothek ein verleibt, sondern der Kirchenbibliothek zu gewiesen wurde, soll es bei der Darstellung der Geschichte dieser Bibliothek näher betrachtet werden. Daß der Gedanke, kleinere oder größere Büchersamm lungen der jungen Stadtbibliothek zu vermachen, Freunde unter der Bürgerschaft gewonnen hatte, beweist eine dritte Schenkung aus jener Zeit. Um 1550 übergab Christoph Scherb, der später Amtskastner im Deutschen Haus1) war, einen Teil seiner, von seinem Vater Jörg und dem Vetter Heinrich Scherb ererbten Bibliothek der Stadt und der Georgskirche. Ueber den Umfang der der Stadtbibliothek zugeführten Schenkung läßt sich nichts ermitteln. Der heutige Bestand der Stadtbibliothek weist nur noch vier Bände in Folio und einen Quartband auf, die zum Teil eigen9 d. i. Rechnungsbeamter des Deutschherrenordens, der in Nördlingen ein Haus besaß. 8*
116 händige Einträge der Jörg, Heinrich und Christoph Scherb, zum Teil das Scherb'sche Bücherzeichen enthalten. Die Scherb’schen Bücher trugen auf der Innenseite des Deckels ein Ex libris mit dem Scherb’schen Wappen. Dieses zeigt in einem goldenen Schilde einen schwarzen Wasservogel, der einen silbernen Fisch im Schna bel hält. Es ist der Kormoran, der auch „Scharbe“ heißt. Der nämliche Vogel, vorwärtsblickend, bildet die Helmzier; das Helm tuch ist in Gold und Schwarz gehalten. (Vgl. Daniel Eberhard Beyschlag, Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie die Nördlingischen Epitaphien enthaltend . . . Nördlingen, bey Karl Gottlob Beck, 1801. I., S. 197.) Dieses Kennzeichen der Scherbschen Bücher spielte in einem späteren Streit, auf den noch zu rückzukommen sein wird, eine wichtige Rolle. Rund hundert Jahre nach Protzers Stiftung erfuhr die Bibliothek wiederum durch die Anhänglichkeit eines Sohnes der freien Reichs stadt eine wertvolle Bereicherung. Jeremias Seng, der 1554 als Sohn des Bürgermeisters Peter Seng in Nördlingen geboren war, wurde nach der Vollendung seiner medizinischen Studien 1582 Stadtphysikus in Rothenburg o. d. Tauber. Also auch ihn verpflanzte das Schicksal, ebenso wie Johannes Protzer in eine andere Stadt, die ihm zur zweiten Heimat wurde. Er starb 1618 kinderlos und vermachte neben einem Familienstipendium seine Büchersamm lung der unvergessenen Vaterstadt. Am 1. März 1619 übernahm der Rat offiziell die pietätvolle Schenkung. Sie bestand aus 16 Bänden Manuskripte vorwiegend medizinischer Werke, ferner 29 Folio-, 14 Quart-, 36 Oktav- und 8 Sedezbänden, umfaßte also im ganzen 103 Bände. Ein undatierter Zettel in den Biblio theksakten gibt hierüber Aufschluss; er ist überschrieben: „Consignatio Librorum Dn. Jeremiae Sengii Med. Doctoris et Physici Rothenburgensis amplissimo Senatui ab heredibus insinuatorum “ (Vgl. auch Anhang I., S. 172.) Eine Bibliothek, wenn sie nur einigermaßen Umfang und inneren Gehalt gewonnen hat, ist ein Organismus, der die Not wendigkeit seines Wachstums und die Richtung seiner Entwick lung aus sich heraus entfaltet. So war es auch mit der Stadt bibliothek. Sie hatte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts durch die hochherzigen und wertvollen Schenkungen Form und Gestalt gewonnen und durfte nicht als ein abgeschlossener, toter Besitz, der einer weiteren Ausgestaltung nicht mehr fähig wäre, be-
117 trachtet werden. Die kostbaren Bücherschätze waren über die Stürme des Dreißigjährigen Krieges, die über Nördlingen mit ihrer ganzen Furchtbarkeit hinwegfegten, glücklich hinübergerettet worden. Nördlingen hatte eine 21 tägige Belagerung durch die Kaiserlichen Truppen unter Ferdinand vom 8. bis 28. August 1634 durchzumachen; die Stadt war damals von den Schweden besetzt. Nun nahm der Rat der Stadt selbst die nächste sich bietende Gelegenheit wahr, um die Bibliothek zu vergrößern. Als nämlich der Doktor der Rechte Jakob Kyllinger, der von 1610 bis 1646 das Amt eines Ratskonsulenten in Nördlingen bekleidet hatte, am 17. September 1646 starb, kaufte der Rat dessen umfang reiche und kostbare Bibliothek um 1800 fl. und fügte sie der Stadtbibliothek ein. Sie dürfte ohne nennenswerte Verluste auf uns gekommen sein. Es sind heute noch insgesamt 873 Bände vorhanden, die alle wichtigen Wissensgebiete nach dem Stand der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert mehr oder weniger vollständig und ausführlich umfassen; Werke der Rechtswissen schaft überwiegen natürlich. Die Bände ziehen das Auge des Bibliothekbesuchers ebenso durch ihr einheitliches, vornehmes Gewand wie durch ihre stattliche Zahl auf sich. (Vgl. Anhang I., S. 165 f.) Der Rat bewies durch die Erwerbung der Bücherei Kyllingers, daß er sich der kulturellen Aufgabe voll bewußt war, die für ihn mit dem bloßen Vorhandensein einer öffentlichen Bibliothek gegeben war. Auch den Fragen der Verwaltung, Benützung und Unterbringung der Bibliothek wurde in diesen Jahren erneute Aufmerksamkeit zugewendet. Auch hierüber gibt uns wieder das Ratsprotokoll Aufschluß. Es lautet unterm Mitt woch, den 8. Februar 1654; „Von der erkauften Bibliotheca Herrn Dr. Kyllingers geredt und geschlossen, daß Herr Johann See fried (Johann Adam Seefried war Jurist und Richter des Stadt gerichts) sich möchte zu einem Bibliothecario gebrauchen lassen. Altherr Gundelfinger aber (Johann Konrad Gundelfinger 1635 Ratsherr, 1647 Stadtammann, 1664 Bürgermeister) zur Inspektion etwan jährlich die Bücher zu perlustrieren und solle ein Register eingebunden werden, darein jeder, so ein Buch begehrt zu ent leihen, mit eigener Hand zu schreiben, was er entliehen.“ Man sieht hieraus, daß nur Männer, denen hinsichtlich ihrer Kennt nisse und ihrer amtlichen und persönlichen Stellung im Gemein wesen volles Vertrauen entgegengebracht wurde, mit der Ver-
118 waltung der städtischen Bibliothek betraut wurden. So finden wir auch im „Ambtleuth Büechlin Anno 1659“ als Stadtbiblio theksverwalter und -beamte angeführt: „Zur Juristenbibliothec (d. i. die Stadtbibliothek) 1. Herr Burgemeister Rommel, 2. Altherr Gundelfinger, 3. J. G. Aurnhammer, 4. Johann Adam Seefried“, also einen Bürgermeister, zwei Ratsherren und einen Richter. Aus dem oben angeführten Ratsprotokoll vom 8. Februar 1654 geht aber des weiteren die sehr wichtige Tatsache hervor, dass die Ratsbibliothek jetzt eine öffentlicheEinrichtung geworden war, die dem Gebrauch der Allgemeinheit offen stand. Natürlich dürfen wir das Wort ,,Allgemeinheit“ hier nicht in dem Sinne verstehen, wie wir es heute im Zusammenhang mit den Benützern einer öffentlichen Bibliothek gebrauchen. Damals kamen vielmehr die rechtskundigen Beamten der Stadt, dann die Bürgermeister, Rats herren, Magister, Geistlichen und Mitglieder der Patrizierfamilien als Entleiher ausschließlich in Frage; aber gerade die Anordnung, daß jeder Entleiher seine eigenhändige Unterschrift in ein Aus leihebuch einzutragen habe, beweist, daß die Benützung der Stadt bibliothek eine rege war, sodaß eine solche Bestimmung not wendig wurde. Auch der Unterbringung der Bücher an einem einzigen Ort wurde im Zusammenhang mit den geschilderten Maß nahmen erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ratsbeschluß vom 21. Januar 1659 besagt hierüber: „Altherr Gundelfinger soll neben Herrn Superintendenten und Altherrn Hildebranden Bibliothecae Theologicae Bibliothecarii sein, ist auch im Zahlhaus nachzu sehen, ob alda eine Stuben zur Bibliothec konnte gemacht werden.“ Ueber das Ergebnis dieser Prüfung der Räumlichkeiten erhalten wir keine direkte Mitteilung. Jedenfalls muß das Zahlhaus, ein großes städtisches Gebäude am Holzmarkt, die heutige Realschule, A 168, einen geeigneten Raum für die Aufstellung der Bücher geboten haben. Denn im März 1671 erwähnt ein Ratsprotokoll kurz das Zahlhaus als den Ort, wo die Bibliothek stehe, und Ende desselben Jahres wird diese Tatsache noch weiterhin bestätigt. Die Biblio thek muß im ersten Stock des Gebäudes untergebracht worden sein und den größten Teil dieses Stockwerkes umfaßt haben. Denn hier sollte ursprünglich eine Art Börse, besonders zur Zeit
119 der Nördlinger Messen, eingerichtet werden. Da jedoch gerade nach der Vollendung des Zahlhauses im Jahre 1544 der Handel der Stadt seinen Höhepunkt schon überschritten hatte, dienten die Räume des ersten Stockes nie ihrer eigentlichen Bestimmung. Sie boten also damals (um 1660) die geeignetste Möglichkeit für die Unter bringung der Stadtbibliothek. Die schöne Renaissance-Stuckdecke in dem Saal, der gegenwätig die naturwissenschaftliche Samm lung der Realschule birgt, und einzelne reich verzierte Säulen lassen noch heute die großzügige, vornehme Gesamtanlage dieses Raumes erkennen, der später durch Einbauten leider zerstückelt worden ist. Auch die innere Einrichtung dieses Bücher- und Lese raumes entsprach der Schönheit seiner äußeren Gestaltung. Die Stadt ließ auf ihre Kosten Bücherschränke und Lesepulte her steilen. „Alles, was zum bequemen Gebrauch derselben zu da maliger Zeit gehörte, war völlig nach dem Modell der großen italienischen Bibliotheken geformt“. (Hirsching a. a. O., S. 536.) Hier aber wieder eine falsche Angabe, des Inhaltes, diese gesamte Einrichtung auf dem Zahlhaus sei ebenfalls eine Stiftung Johannes Protzers. Das ist schon aus dem Grund unmöglich, weil das Zahl haus erst zwischen 1541 und 1544, also geraume Zeit nach Protzers Schenkung und Tod erbaut wurde. So hatte denn das 17- Jahrhundert, das doch allenthalben in deutschen Landen infolge des großen Krieges einen erschüttern den Niedergang der Kultur, teilweise bis zum völligen Tiefstand gebracht hatte, die Nördlinger Bibliothek in ihrer Entwicklung nicht nur nicht gehemmt, sondern sogar zu ihrer Erhaltung und' Entfaltung wesentlich beigetragen. Und eine Bibliothek ist ja in hervorragendem Maße der sichtbare Sammelpunkt geistiger und kultureller Werte. Gegen Ende dieses Jahrhunderts wurden nun noch zwei für den Bestand einer Bibliothek äußerst wichtige Auf gaben gelöst; die Katalogisierung und die Bereitstellung von Mitteln zur fortlaufenden Ergänzung der Bücherbestände. Lassen wir wieder das Ratsprotokoll selbst erzählen: „Freytag, den 29. Dezembris 1671. Herr Georg Wilhelm Wiedenmann (Georg Wilhelm Wiedenmann, aus einer alten Nördlinger Familie, kam als Jurist 1652 ins Stadtgericht, 1670 in den Rat, starb 1692)» des Rhats Bibliothecarius, übergibt einen newen verfertigten Catalogum über die Bibliothec. Geschl. (= es wird beschlossen) pro labore 25 fl verehrt und angezeugt, weilen nunmehr die Bibliothec
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in guter Ordnung / (an den 25 fl. solle die Stadtkammer 13 und das übrige die 7 Pflegen geben) als begehr E. E. Rhat denselben weiter nit zu bemühen, sondern Herrn Zahlmeister die Uffsicht zu uberlassen.“ Somit war wieder ein Wechsel in der Aufsicht über die Bibliothek eingetreten, der seinen Grund in praktischen Er wägungen hatte. Der im Zahlhaus und Bibliotheksgebäude woh nende Beamte — die Zahlmeister, städtische Rechnungsbeamte, wohnten seit 1545 im Zahlhaus — war der gegebene Hüter der im Hause untergebrachten Bücherschätze, freilich nur in äußer licher, praktischer Hinsicht. Aber darüber ging ja auch seine Verpflichtung nicht hinaus. Die verantwortliche Verwaltung der Bibliothek war, wie wir gesehen haben, schon vollständig geregelt. Der Katalog Wiedenmanns vom Jahre 1671 ist, abgesehen von dem noch erhaltenen Holzdeckelkatalog des erwähnten Sacellans an der Georgskirche Raming, gen. Engelhart, von dem später noch die Rede sein wird, der älteste der heute vor handenen Kataloge der Stadtbibliothek. Es ist ein Folioband in Leder; der Deckel trägt die schwer leserliche Inschrift: Catalogus Bibliothecae Nördling(ensis) publ(icae). Vom im Buch liegt ein Einzelblatt mit der Aufschrift: „Catalogus librorum juridicorum, historicorum et philosophicorum, qui in seculo XVII praeter legata Proceriana et Engelhardiana in publica bibliotheca Noerdlingensi extiterunt, qui vero per multos annos et usque ad 9. d. octobris anni 1752 inter libros Archigrammatei Engelhardii anno 1732 pie defuncti latuit.“ Der Katalog war also längere Zeit verschwunden und tauchte dann unter den Büchern des im Jahre 1732 verstorbenen Stadtschreibers Johann Friedrich Engelhard wieder auf. Er ist von verschiedenen Handschriften in den einzelnen Zweigen der Bibliothek ungleichmäßig fortge führt bis zum Jahre 1803. Für uns kommt hier lediglich die Arbeit Wiedenmanns in Betracht, die durch die zuverlässige Deutlichkeit seiner Handschrift genau umgrenzt werden kann. Der Katalog ist ein Fachkatalog, der die Bücher innerhalb der einzelnen Wissensgebiete nach dem Format ordnet. Er ver zeichnet Libri Juridici 850 Bände, politische und andere Streit schriften 25 Bände, Libri Historici et Philosophici 355 Bände und Orationes 20 Bände. Die Stadtbibliothek umfaßte also im Jahre 1671 insgesamt 1250 Bände. Darunter sind sehr viele Sammelbände, von denen manche 10 und mehr Einzelwerke ent-
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halten; diese sind im Katalog alle genau aufgeführt. Wieden manns Katalog stellt also eine gründliche und umfassende Lei stung für die Stadt und ihre Bibliothek dar. Er gewährte einen genauen Ueberblick über das Vorhandene und erleichterte den verantwortlichen Verwaltern die Erhaltung des von der Ver gangenheit überkommenen wertvollen Besitzes. Nicht minder wichtig aber war die Sorge für die Ergänzung und Vermehrung der Bücherbestände. Der Lösung dieser Aufgabe galt ein Rats beschluß vom 10. Januar 1683, der besagt: „Zu der Juristenbibliothec soll jährlich die Stadtkammer 10 fl Reich und gemein Almosen-Pfleg / Latzaret Schul und Stipendiaten Pfleg jede 5 fl geben / Und Herrn D. Wengen eingehendiget werden / wovon Er newe Authores kauffen solle.“ — So standen denn dem Bib liothekar jährlich 30 fl (•= ca. 400 Goldmark1) für Neuanschaffungen zur Verfügung. Etwa 15 Jahre später, 1697, erwähnt das Rats protokoll vom 21. Januar rügend, daß die Bibliothek auf dem Zahlhaus „bey zimlichen Jahren her fast nichts mit Neotericis adaugiert worden mögen“, d. h. durch Anschaffungen von neuen Werken vergrößert worden sei, obwohl doch eine jährliche Summe für diesen Zweck in den Haushaltplan der Stadt eingesetzt worden sei, und bestimmt aufs neue, daß „wann der verhoffende Friede wiederumb würde erfolgen, alßdann denen vorigen Schlüssen nach die Bibliothec widerumb vermehrt werden sollte.“ „Der verhoffende Friede“ stellte sich bald ein. Am 30. Oktober 1697 schloß das Reich zu Ryswik mit Ludwig XIV., am 26. Januar 1699 Oesterreich zu Carlowitz mit den Türken Frieden. So wurde der Weiterentwicklung der Bibliothek ein stetes Augenmerk zu gewendet; dafür werden schon die Bibliothekare, wenn anders sie die hohe Bedeutung ihrer Aufgabe erkannten, immer wieder beim Rat der Stadt eingetreten sein. Zudem erfreute sich die Bibliothek in dem Jahrzehnt von 1690—1700 der besonderen Für sorge des Oberhauptes der Stadt, des Bürgermeisters Georg Friedrich Engelhard. Dieser muß ein Freund der Wissenschaf ten und ein eifriger Förderer der Stadtbibliothek gewesen sein. Denn sowohl handschriftliche Quellen (Nördlingisches Geschichts repertorium, Handschriftenband, S. 151 ff.) als auch Hirsching (a. a. O. S. 537) teilen mit, daß er die Bibliothek mit einem Verl) 1 fl = ca. 13 berechnet auf Grund des Bierpreises an der Bräu statt Wallerstein in den Jahren 1682/84.
122 mächtnis aus seinen eigenen Büchern bedacht habe. Auch Stadt schreiber Heinrich Konrad Weng, der Reorganisator der Bib liothek im 18. Jahrhundert, berichtet von einem „Engelhardischen“ Katalog, der im Jahre 1752 noch vorhanden war und „67 Volumina, impressa und manuscripta“ aufzählte, die vorwiegend theologische, philosophische und historische Werke und fünf Bände „de jure canonicou enthielten. Leider findet sich weder in den Akten noch in den Ratsprotokollen auch nur ein kurzer Hinweis auf diese Schenkung, die doch zweifellos in dem angegebenen Umfang erfolgt ist. Auch die bis 1700, dem Todesjahr des Bürgermeisters, erschienenen Bände der Stadtbibliothek, die ich einzeln durch gesehen habe, verraten nicht im geringsten eine Herkunft aus dem Besitz dieses Mannes. Entweder trugen die Bücher gar kein Besitzerzeichen, auch nicht den Namen G. F. Engelhards, was nicht wahrscheinlich ist, oder aber die Bücher gingen verloren wie so manche Bestandteile dieser Bibliothek. Gerade der Ver lauf der Bibliotheksgeschichte von 1700 an läßt diese letztere Annahme wohlbegründet erscheinen. Wenn nun die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts nur spärliche Nachrichten über die Stadtbibliothek bringen, so könnte man versucht sein anzunehmen, die Bibliothek habe sich unter der steten Fürsorge des Rats und der im besonderen verant wortlichen Persönlichkeiten ungestört weiter entwickelt. Die Be schlüsse der vorhergehenden Jahre hatten ja eine brauchbare Grundlage für die Verwaltung und Vergrößerung der Bibliothek geschaffen. Aber dem war leider nicht so; das Gegenteil war vielmehr der Fall. Ob gerade die bestehenden Verordnungen das Gefühl der Sorglosigkeit aufkommen ließen, als ob nun alles seinen vorgezeichneten Gang gewissermaßen von selbst nehmen könne und müsse, oder ob die ungeschichtliche Denkweise des „aufgeklärten Jahrhunderts“ das Verantwortungsgefühl den wert vollen Vermächtnissen der Vergangenheit gegenüber abschwächte, muß dahingestellt bleiben. Wahrscheinlich hat beides zusammen gewirkt, um Verhältnisse sich entwickeln zu lassen, die zum Ver lust wertvoller, zum Teil unersetzlicher Bestandteile der Nördlinger Stadtbibliothek geführt haben. Das Verdienst, den ganzen Schlendrian, der sich eingeschlichen hatte, aufgedeckt und klare, durchgreifende Vorschläge zu seiner Beseitigung gemacht zu haben, gebührt dem Stadtschreiber Heinrich Konrad Weng, der,
123 ein Sohn der Stadt aus Alt-Nördlinger Familie, sein Amt von 1746 bis zu seinem Tod im Jahre 1760 bekleidete. (Die Stadt schreiber waren juristisch geschulte Beamte mit Universitäts bildung). Er öffnete in seinem „Gehorsamsten Bericht die hiesige Stadt Bibliothec betreffend“ vom 7- Februar 1752 dem Rat die Augen hinsichtlich der herrschenden Zustände im städtischen Bibliothekwesen und wies zugleich die Wege, die zu einer der Stadt und der Bibliothek würdigen Ordnung führen konnten. Das umfangreiche Schriftstück gliedert sich in drei Abschnitte. Weng berichtet zunächst über den gegenwärtigen Bestand der Bibliothek, die vorhandenen Kataloge und die fehlenden Stücke, schildert dann die herrschenden Mißstände in Verwaltung und Benützung der Bibliothek und schließt mit seinen eigenen Ver besserungsvorschlägen. An Katalogen werden erwähnt: „ein Prot zerischer, ein Engelhardischer“, ein etwas neuerer „über diese beederley Bücher, ein Sengischer, einige fragmenta von einem Killingerischen, so viel nemlich die theologischen Killingerischen Bücher anbetrifft“. Es folgen dann kurze Angaben über die Gründung der Bibliothek und über die Errichtung der Kirchen bibliothek aus Teilen der bereits erwähnten Schenkungen. 60 Bände fehlen; sie werden aber nicht einzeln aufgeführt. Ein weiteres undatiertes Blatt in den Akten, das nach Handschrift und Stil in diesen Zusammenhang gehört, enthält eine „(Konsignation der in der Stadt-Bibliotheque noch weiters fehlenden Bücher“, die nicht weniger als 165 Bände aufzählt. Was die Verwaltung der Bibliothek betrifft, so wirft Weng den Ratskonsulenten, also den Bibliothekaren jener Jahre vor, daß sie einen großen Teil der Schuld an der herrschenden Unordnung trügen. Sie nähmen viele juristische Werke mit in ihr Amtszimmer, ja mit nach Hause, ließen sie dort monate- und jahrelang liegen, sodaß der Verlust solcher Bücher beinahe unvermeidlich werde. Die Be weise für diese Behauptungen finden sich in den Akten der Bib liothek. Da berichtet ein Catalogus, daß der Ratskonsulent Georg Friedrich Scheid während seiner Amtszeit in den Jahren 1724 bis 1746 nach und nach 87 Bände der Juristenbibliothek nach der Konsulentur auf dem sog. Leihhaus, einem städtischen Ver waltungsgebäude, habe bringen lassen. Diese Bücher seien bei einem Verlust von sechs Bänden 1753 wieder zurückgeliefert worden. Ein anderer Catalogus zählt 100 Bände auf, die Scheids
124 Nachfolger Johann Matthäus Scheuffelhut in den Jahren 1746 bis 1753 ebenfalls der Stadtbibliothek entnommen und in seinem Amtszimmer aufgestellt hatte. Ferner habe mancher Unberech tigte freien Zutritt zu den Büchern. Damit sei die Gefahr des Bücherdiebstahles in erhöhtem Maße gegeben und manche der vermißten Bücher müßten eben tatsächlich gestohlen worden sein. Endlich kommt Weng zu folgenden Vorschlägen: Die ganze Bibliothek muß mit peinlichster Genauigkeit neu katalogisiert werden. Die Pflichten des Bibliothekars müssen klar umschrieben und der Bibliothekar muß auf sein Amt vereidigt werden. Die Darlegungen Wengs verfehlten ihre Wirkung nicht. Mit einemmale wird der ganzen Frage neue Beachtung geschenkt. Das zeigt sich zunächst in einer Reihe neuer Ratsbeschlüsse hinsicht lich der Bibliothekverwaltung und -benützung. Das erste, worin man Wengs Ratschlägen folgte, war die Vereidigung des Biblio thekars. Der „Eid eines Bibliothecarii“ vom 12. Januar 1753 lautet: „Ihr sollet geloben und schwören, daß da Ein Hochedler und Hochweiser Magistrat die hiesige Stadt Bibliothek eurer Inspektion allein anvertrauet hat, ihr über solche gute Aufsicht haben, die Bücher soviel möglich in eine Ordnung bringen und darinnen erhalten, nicht nur vor euch selbsten nichts davon ver wahrlosen noch veruntreuen, sondern auch davor sorgen, daß niemand anderst kein Buch entfremde oder unterschlage, zu dem Ende auch Niemanden, er seye wer er wolle, keines ohne Recognition leihen und nicht über x/4 Jahr lang an einander lassen, es wäre denn von dem Entlehner eine neue Recognition ausgestellet worden überdas aber in der Bibliothek selbsten und nicht zu Haus ein ordentliches manual halten und darin sowohl was vor Bücher ihr anderen Personen verabfolgen lassen, als auch welche ihr selbsten vor euch aus dieser Bibliothek entlehnet und wann solche restituiert worden, mit beederley datis einschreiben wollet, getreulich und ohne Gefährde/4 — Die eidliche Verpflichtung des Bibliothekars war also so gehalten, daß ein weiterer Verlust von Büchern durch Schlamperei oder Diebstahl nach menschlicher Voraussicht ausgeschlossen erschien. Der Rat hatte dadurch den verantwortlichen Beamten in einer Weise ver pflichtet, daß ihn selbst der Vorwurf mangelnder Aufsicht und eines laxen Geschehenlassens in den Angelegenheiten der Bibliothek nicht im mindesten mehr treffen konnte.
125 Des weiteren erscheinen jetzt wieder die für Neuanschaf fungen von Büchern aufgewendeten Summen, so eine Rechnung des Nördlinger Buchdruckers und Buchhändlers G. Mundbach vom 4. September 1756 über gelieferte Werke im Wert von 110 fl. 45 kr., ferner Verzeichnisse neu anzuschaffender Bücher aus den Jahren 1758 und 1759 und endlich wird am 3. August 1759 der jährliche Beitrag „der Balleyen und Pflegen“ (— der Verwaltungsabteilungen des Deutschherrenordens in Nördlingen und der städtischen StiftungsVerwaltungen) auf 50 fl. durch Rats beschluß erhöht. Dann wird bestimmt (12. November 1760), daß nur der jeweilige Ratskonsulent die Schlüssel zur Stadtbibliothek führen dürfe, daß aber die Aufsicht über dieselbe neben dem Ratskonsulenten auch dem Stadtschreiber übertragen sein solle. (14. Januar 1761.) Auch das äußere Gewand der Bücher wurde in jener Zeit einheitlich und vornehm gestaltet. Die aus öffentlichen Mitteln angeschafften Bände sind bis etwa 1790 einheitlich gebunden. Die Vorder- und Hinterdeckel der glatten, weißen Pergament einbände tragen in der Mitte den von einem ovalen Kranz um gebenen gekrönten Adler in Gold eingepreßt. Auf dem Herz schild des Adlers prangt das N. Besonders schön tritt dieses stolze Besitzerzeichen an einer Ausgabe der nachgelassenen Werke Friedrichs des Großen hervor: Oeuvres posthumes de Frederic II, roi de Prusse, Berlin 1788, Oktav, 15 Bände in 7- Der Einband ist hier aus rotem Leder, das Wappen in Gold, wie geschildert, der Rücken der Bände reich mit Gold verziert, der Rückentitel in Gold auf olivgrünem Leder. Die Reihen all dieser wappen geschmückten Bände sind ein in die Augen fallender Beweis für die erhöhte Sorgfalt, die man der Bibliothek angedeihen ließ. Man sieht aus alledem, daß die Anregungen Wengs auf fruchtbaren Boden gefallen waren und daß der Rat der Stadt mit Energie daran ging Ordnung zu schaffen. Die mühevollste Arbeit, die Herstellung eines neuen Bücherverzeichnisses, nahm Weng selbt auf sich und führte sie auch glücklich durch. Sein Katalog, der zweite umfassende seit der Gründung der Bibliothek, ist ein Standortskatalog, der 1638 Bände in zehn Repositorien aufzählt. Es sind im einzelnen: in Folio 561 Bände, in Quart 308, in Oktav und Duodez 761 Bände, endlich 8 Hand schriftenbände. Es ergibt sich also gegenüber dem Katalog von
126 1671, der 1250 Bände aufzählt, nur eine Mehrung von 388 Bänden in einem Zeitraum von 82 Jahren, sodaß in jedem Jahr nur 4 bis 5 Bände bei regelmäßiger Ergänzung des Bücherbestandes angeschafft worden wären. Daß dem aber nicht so ist, sondern daß der Verlust einer Reihe von Büchern an der geringen Er höhung des Gesamtbestandes gegenüber dem des Jahres 1671 schuld ist, erhellt aus dem Gesagten. Die bedeutsamsten Folgen für die Stadt aber zeitigte Wengs Auftreten dadurch, daß er in direkt den langwierigen Streit mit den Erben des Professors Schwarz in Altdorf veranlaßte. Er hatte nämlich in seinem Be richt kurz darauf hingewiesen, daß ein Teil der fehlenden Bücher sich vermutlich in der Bibliothek des weiland Professors der Alt dorfer Universität Christian Gottlieb Schwarzx) befinde. Denn Schwarz habe vor Jahren eine Reihe von Büchern aus der Nördlinger Stadtbibliothek entliehen; für eine Rückgabe derselben finde sich jedoch nirgends ein Beleg. Der Rat der Stadt griff nun die Sache auf in dem Bestreben, eine Nachlässigkeit nicht durch eine zweite noch schlimmere Folgen zeitigen zu lassen, als ohne hin erwachsen waren. Am 17. Oktober 1752 ließ der Rat zunächst durch den Stadtschreiber Weng „privato nomine“ ein in sehr höflichem Ton gehaltenes Schreiben an Professor Kirsten in Altdorf, einen der Erben Schwarzens,*2) richten. Es heißt darin, daß „ein Wohllöblicher Magistrat . .. jetzo ganz zuverlässig er*) Christian Gottlieb Schwarz, geb. 1675, wurde 1709 Professor der Bered samkeit und Poetik an der Universität Altdorf. Später lehrte er Moralphilo sophie und endlich — unter Abgabe der Poetik — Geschichte. Erstarb 1751. Vgl. Allg. deutsche Biogr. 33, 227. Will-Nopitsch, Nürnbergisches Gelehrten lexikon III, 631 und VIII, 163. E. v. Steinmeyer, Die Matrikel der Universität Altdorf, Bd. II. 2) Die Erben waren folgende: a) Joh. Jakob Kirsten,geb. 1710, seit 1737 Professor der Medizin, später der Physiologie und Chemie in Altdorf, gest. 1765. Er war ein Schwiegersohn Schwarzens. (Will-Nopitsch a. a. O. 2, 287 und 6, 211.) b) Johann Nicolaus Weiss, geb. 1702 oder 1703, wird in Altdorf 1732 Professor der Anatomie und Chirurgie, später der Chemie, der med. Praxis und Pathologie. Er starb 1783. Auch er war ein Schwiegersohn Schwarzens (Will-Nopitsch a. a. O. 4, 205 und 8, 385). c) Johann Augustin Dietelmeier, geb. 1717, wird 1746 in Altdorf Professor der Theologie, dann 1769 auch noch der griechischen Sprache, gestorben 1785 (Will-Nopitsch a. a. O. I, 253 und 5, 210). Vgl. über alle drei E. v. Steinmeyer, a. a. Om Bd. II.
127 fahren hat, daß von denen im 16. Seculo zu hiesiger Stadtbibliotheque gestifteten Büchern die in der Beylage benamsten manuscripta und impressa“ (eine Abschrift der Beilage, aus der Titel und Anzahl der fraglichen Bände zu ersehen wären, ist nicht vorhanden) „dero wohlseligem Herrn Schweher weyland Tit. Herrn Professori Schwartz, und zwar vermutlich zwischen 1727 bis 1728 alschon aber ohne wohlersagten Magistrats Wissen und Willen zugekommen seyen“ . . . Weiter wird die Hoffnung aus gesprochen, daß „die Herren Erben sich in Güte zu dieser Bücher Herausgab verstehen möchten, da die Billigkeit und der recht liche Grund sothanen Begehrens ihnen von selbsten in die Augen leuchten wird“. Dieser Brief bildet den Ausgangspunkt des ganzen Handels. Welches sind also die rechtlichen Unterlagen der For derung? Der Magistrat hat jetzt „ganz zuverlässig“ erfahren — ein Beweis für diese Behauptung wird nicht erbracht —, daß die in Frage stehenden Werke vor etwa 25 Jahren in Schwarzens Hände gekommen seien „ohne wohlersagten Magistrats Wissen und Willen“. Daher werden sie jetzt von diesem bzw. seinen Erben zurückgefordert. Nach dem, was wir von den Zuständen an der Nördlinger Stadtbibliothek in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wissen, erscheint es möglich und wahrscheinlich, daß Bücher von unbefugten Händen hinausgegeben wurden, da es an der nötigen Aufsicht fehlte, ja daß sogar ausgeliehene Bücher weiter veräußert wurden und so für immer aus der Bib liothek verschwanden. Einen Beweis für diese letzte Möglichkeit bringt gleich die erste Antwort Kirstens vom 19. November 1752, der zugleich im Namen seines Schwagers Weiß schreibt. Der Brief geht an Weng persönlich und enthält eine glatte Absage. Schwarz habe die Manuskripte und Bücher „bona fide an sich gekauft“. Warum sei denn in den ganzen 25 Jahren kein einzigesmal eine Forderung von seiten der Stadt laut geworden? Überdies seien gar nicht alle der verlangten Bücher in Schwarzens Nachlaß vorhanden. Kirsten schlägt vor, der Rat solle die da maligen Verkäufer der Bücher zu ermitteln suchen; vielleicht hätten auch inzwischen verstorbene Senatores um die Sache gewußt. So ist denn der Standpunkt der beiden Parteien dargelegt Da beide sich nach ihrer Meinung auf gute Gründe stützen können, kann sich der weitere Verlauf des Streites nur dem Grade, nicht aber der Art nach von dem ersten Schriftwechsel
128 unterscheiden. Schon am 28. November ergeht eine Antwort von Nördlingen aus. Natürlich zeichnen jetzt, nachdem eine private gütliche Einigung nicht zustande gekommen ist, Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Nördlingen. Der Rat beharrt auf seiner Forderung und stellt zur Begründung derselben fest, die Bücher seien offenbar eine res furtiva (— entwendetes Gut), für die der Grundsatz gelte: ubi rem meam invenio, ibi vindico. Zudem verfalle gestohlenes Gut erst nach 30 Jahren, während Kirsten selbst zugebe, die Bücher seien vor 25 Jahren gekauft worden. Endlich werden die Namen der jetzigen Besitzer inzwischen etwa weiter verkaufter Bände und die Namen jener Ratsmitglieder erbeten, die von dem Bücherkauf seinerzeit Kenntnis gehabt haben sollen. Die Form des Schreibens ist eine sehr höfliche, der Stil mit den übertriebenen Redensarten und Höflichkeitsbezeugungen des Zeitalters gesättigt. „Unter herzlicher Felicitation zu dem angetrettenen neuen Jahr“ .. . schreibt Kirsten am 5. Januar 1753 zurück; er verlangt strikte Beweise, daß „questionierte Bücher, und zwar eben diese, welche noch in hinterlassenen Bibliotheca Schwarziana befindlich sind, aus Dero Stadtbibliothek wirklich herkommen, auch wie? wann ? und durch wen ? solches geschehen seye ?“ — Als solche Beweise bezeichnet der Rat (19. Februar 1753) die in den beregten Büchern eingeschriebenen Namen Protzers, Raming-Engelharts und des damaligen Stadtschreibers Georg Mair oder das in den Büchern befindliche Scher bische Wappen. (Gemeint ist damit das Bücherzeichen mit dem Scherbischen Wappen in den ca. 1550 geschenkten Büchern. Vgl. S. 116.) Und selbst wenn diese un trüglichen Kennzeichen fehlen sollten, so wäre das kein Beweis für eine anderweitige Herkunft der Bücher. Namentlich erwähnt wird, offenbar wegen seiner Kostbarkeit, ein Exemplar des Cor pus Juris civilis, ein Manuskript auf Pergament in 6 Folianten. Zum Schluß droht der Rat mit dem Vorgehen bei „Dero Obrig keit“, also beim Rat der Stadt Nürnberg; denn Altdorf war nümbergisch. Diese Drohung wird nach langem Stillschweigen Kirstens, das erst am 7. August durch die erneute klare Wei gerung der Herausgabe auch nur eines der verlangten Bücher gebrochen wird, von seiten der Stadt Nördlingen wahr gemacht durch die beiden Schreiben vom 23. Oktober 1753 und 6. März
129 1754. Das erste ist nach Nürnberg gerichtet, das zweite, nach dem Einspruch der Altdorfer Professoren, die als erste Instanz den Senat ihrer Universität bezeichnen, der in der ganzen An gelegenheit nicht übergangen werden dürfe, an den Senat der Universität Altdorf. Es wird darin nach der Darlegung des Sach verhaltes die Forderung erhoben, die Schwarz’schen Erben sollten unter Eid aussagen, daß „in besagten Büchern weder des Johann Protzers noch des M. Gregorius Raminger, genannt Engelhart, noch unsers ehemaligen Stadtschreibers Georg Mair Namen ein geschrieben, noch unser Stadt, oder das Scherbische Wappen darauf gedruckt oder auch eine Spur davon befindlich seyen, sie Herren Erben auch nicht wissen, daß einer dieser Namen oder Wappen oder eine Spur und Merkmal davon darinnen gestanden wären ..Werde der Eid verweigert, so müßten die Bücher „ohne Anstand restituieret werden.“ Daß dieses Verlangen, das sich auf die Tatsache stützt, daß Bücher der Nördlinger Biblio thek irgendwann einmal auf unrechtmäßige Weise in den Handel gekommen waren — der Verdacht, Schwarz selbst könnte sich eines Unrechts beim Erwerb der Bücher bewußt gewesen sein, wird nirgends ausgesprochen —, auf Ablehnung stieß, ist nach dem bis herigen Gang der Verhandlungen selbstverständlich. Die drei Professoren Weiß, Kirsten und Dietelmeier begründen ihr Nein mit zahlreichen Belegen aus dem Recht und aus Kommentatoren. Sie betrachten sich als rechtmäßige Besitzer der Bücher, fordern vom Nördlinger Rat den Beweis des dominiums rei vindicandae und lehnen den Eid mit dem Satz ab: supervacuo iuramento nemo onerari debet. Die Altdorfer Professoren richten ihre Schrei ben von jetzt an an den Senat ihrer Universität, der den weiteren Schriftwechsel führt. Die Aufforderung des Senats „binnen 14 Tagen einen Mandatarium (— Anwalt) entweder allhier in loco oder in Nürnberg“ zu bestellen, ließ Nördlingen zunächst unbe antwortet, forderte jedoch seinerseits vom Ratskonsulenten ein Gutachten ein, ob man „diese Sache weiter betreiben oder viel mehr davon abstrahieren solle“. Der Ratskonsulent kommt in seinem ausführlichen Gutachten, das eine Fülle juristischer Ge lehrsamkeit und zahlreiche Zitate enthält, zu dem Schluß, man solle die Klage per viam processus nicht fortsetzen, sondern den ganzen Handel abbrechen; Die Begründung seiner Stellungnahme ist eine dreifache: der Beweis des Besitzrechtes über jene Bücher 9
130 kann nicht einmal „etlichermaßen“, geschweige denn vollständig erbracht werden. Die Bücher haben lediglich Liebhaberwert. Und endlich könnten die Prozeßkosten leicht den Wert der reklamierten Bücher übersteigen. Der zwingendste Grund ist der erste; es be stand eben offenbar keine rechtliche Möglichkeit, den Rat der Stadt als Eigentümer der Bücher im Sinne des Gesetzes zu er weisen. Der schwächste Grund ist der zweite; er zeugt von voll ständiger Verständnislosigkeit des Ratskonsulenten für den un ersetzlichen Wert so seltener Werke, wie sie hier in Frage standen. Inzwischen schien die Sache noch eine weitere Ver wicklung erfahren zu sollen. Die Schwarz’schen Erben forderten nämlich sogar noch die Rückerstattung aller Kosten, die ihnen aus der Angelegenheit erwachsen waren. Damit war aber zu gleich eine Möglichkeit für die Stadt gegeben, den ganzen Handel zu beenden und dabei doch Haltung zu wahren. Im letzten Schrei ben vom 12. September 1754 verzichtet der Rat auf weiteres Vorgehen, wenn die Altdorfer keinerlei Ansprüche an die Stadt Nördlingen erheben. Die waren’s offenbar zufrieden und so kam die leidige Sache zum Abschluß. Die bedeutenden Anstrengungen der Stadt, einen Teil von verschleudertem, kostbarem Besitz der Bibliothek zu gewinnen, hatten mit einem völligen Mißerfolg geendet und der Ausgang des Streites zeigte mit unerbittlicher Deutlichkeit, wie schwer das Versagen der Bibliotheksverwaltung und ihrer Organe in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich schließlich gerächt hätte. Man war durch diese Erfahrung vor sichtig geworden, so vorsichtig, daß man nicht nur weitere Ver luste nach Kräften zu vermeiden suchte, sondern sogar Schen kungen gegenüber Zurückhaltung zeigte, wenn solche nicht ganz eindeutig und ohne beabsichtigte Nebenwirkung gemacht wurden. Das zeigte sich, als der Kurmainzische Geheime Rat und Kaiserliche Hofpfalzgraf Georg Wilhelm Zapf, ein geborener Nördlinger, in nähere Beziehungen zur Bibliothek seiner Vater stadt trat. Georg Wilhelm Zapf, geboren 1747, hatte sich nach viel seitiger Tätigkeit als Kanzleibeamter, Literat und Privatgelehrter im Jahre 1773 in Augsburg niedergelassen. Seine besonderen Arbeitsgebiete waren Geschichte, Diplomatik und Bibliographie. Im Jahre 1786 ernannte ihn der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, Friedrich Karl Joseph Baron von Erthal, zum Kurmain-
131 zischen Geheimen Rat. In dem nämlichen Jahre zog er sich auf sein Gut zu Biburg bei Augsburg zurück. Er hatte sich bei seinen weitausgedehnten Beziehungen zu Adeligen, Gelehrten und Aka demien eine wertvolle Büchersammlung erworben. Aus seinen Werken spricht neben vielseitigem Wissen ein stark ausgeprägtes Selbstgefühl; seine Briefe lassen ihn als eine Persönlichkeit er kennen, die mit einer sich überall einmischenden Vielgeschäftig keit große Empfindlichkeit verbindet. Zum erstenmale trat Zapf im Jahre 1786 mit der Nördlinger Bibliothek in Berührung. Er hatte drei seiner eigenen Werke übersandt: die „Monumenta anecdota historiam Germaniae illustrantia“ Augsburg 1785, eine Sammlung bis dahin noch nicht veröffentlichter Urkunden; „Augspurgs Buchdruckergeschichte“, Augsburg 1786, und „Reisen in einige Klöster Schwabens, durch den Schwarzwald und in die Schweiz“, Augsburg 1786, und den Rat ersucht, diese Werke der Stadtbibliothek als Geschenk einzuverleiben. Dies geschah durch Ratsbeschluß vom 1. September 1786; dem Autor wurde „ein Douceur von 4 Carolins aus dem Stadtsäckel“ bewilligt. Ein Jahr später, am 20. August 1787, übergibt Bürgermeister Georg Christian von Troeltsch, Bürgermeister von 1771 —1803, dem Rat ein weiteres Werk Zapfs, das dieser wiederum für die Bibliothek seiner Vaterstadt übermittelt hatte, betitelt „Bibliothecae Moguntinae libris saeculo primo typographico Moguntiae impressis instructae“, eine Aufzählung und Beschreibung jener ältesten Mainzer Drucke, die die Bibliotheken dieser wStadt aufzuweisen haben. Auch dieses Werk wurde angenommen. Zwei weitere Bände eines Werkes über alte Gemmen ließ Zapf am 18. April 1788 „als Andenkens Geschenk“ überreichen. Im Juli 1791 kam er nun selbst nach Nördlingen und besichtigte dabei auch die Stadtbibliothek eingehend. Da er hier manches bedeutende Buch, das er selbst besaß, vermisste, so kündigte er in einem Schreiben an den Magistrat vom 14. Juli die Schenkung einer größeren Anzahl von Werken aus seiner eigenen Bibliothek an. Merkwürdigerweise hatte er die Bücher offenbar gleich mit gebracht; denn sie wurden am folgenden Tage übergeben, der größte Teil der Stadtbibliothek, eine kleinere Anzahl der Kirchenund der Schulbibliothek. Zur Stadtbibliothek kamen 14 Folio-, 71 Quart- und 24 Oktavbände, also die stattliche Zahl von 109 Bänden, darunter natürlich das neueste Werk Zapfs, seine „Aelteste 9*
132 Buchdruckergeschichte Schwabensu, Ulm 1791. Wenn diese Schen kung von Seiten der Stadt mit einem Gegengeschenk von 250 fl. erwidert wurde, so beweist das, daß man sich einerseits seiner Ehrenpflichten wohl bewußt war, daß man aber auch auf der anderen Seite bei dem Geber die Hoffnung auf eine klingende Belohnung als selbstverständlich voraussetzte. Jedenfalls regte 'dieses Ergebnis bei dem Herrn Geheimrat die Lust zu weiteren „Schenkungen“ an. In einem weit ausholenden, selbst für den Zopfstil an Redensarten allzureichen Schreiben vom 7. September 1791 (es ist 15 Seiten in Folio) machte er Vorschläge, wie die Nördlinger Stadtbibliothek auf die Höhe anderer berühmter Bib liotheken gebracht werden könnte. Neben platten Selbstverständ lichkeiten finden sich einige treffliche Ratschläge. So mutet die Aufforderung, die Zeugnisse „der Vaterlandsgeschichte“, womit die engere Heimatgeschichte gemeint ist, zu sammeln, höchst modern an. Wir sehen heute in der Wiederbelebung des Heimat sinnes auf geschichtlicher Grundlage ein köstliches Heilmittel für die kranke Seele unseres Volkes; lebendige Kenntnis der Heimat geschichte erzeugt Heimatliebe und Ehrfurcht vor der Vergangen heit. Und heute sind es wie damals weltbürgerliche Ideen, die in weiten Kreisen unseres Volkes den klaren Blick für die Be deutung heimischer Sonderart, die den Nährboden des tiefsten eigenen Wesens bildet, trüben. Zapf führt da im einzelnen aus, man solle z. B. die Makulatur der Krämer durchsuchen; da finde sich manchmal wertvolles handschriftliches Material aus Chroniken und anderen Aufzeichnungen oder stoße man auf alte „Rech nungen, die das gemeine Wesen angehen“. Dann solle man die in den Bürgerhäusern aufbewahrten Chroniken von Nördlingen sammeln und der Bibliothek zuführen, Leichenpredigten zur Auf hellung der Familiengeschichte heranziehen und „andere wich tige Piecen“ zu erhalten suchen, „welche die Geschichte der Stadt, sowohl die politische als auch die Kirchen- und Gelehrtengeschichte erläutern“. An die Spitze seiner Ausführungen stellt er die Auf forderung, die Stadt solle zu ihrem Ruhm Werke ankaufen und die Bibliothek vergrößern und am Schlüsse kündigt er eine Bücher sendung für seine Vaterstadt an. Dieser Anfang und dieser Schluß stehen offenbar in einem gewissen inneren Zusammenhang; denn, wenn die Übersendung der Bücher formell auch wieder eine Schenkung an die Bibliothek bedeutete, so folgt nach dem Vor-
133 gang vom Juli desselben Jahres mit zwingender Notwendigkeit, daß der Absender wieder ein entsprechendes Gegengeschenk er wartete. Die Bücher wurden tatsächlich von Biburg aus über sandt. Es waren 22 handschriftliche Werke, 79 Folio-, 37 Quart-, 132 Oktav- und 9 Duodezbände, also 257 Bände, zu denen noch 27 Bände Leichenpredigten hinzuzuzählen sind. Besonderen Wert stellten die zahlreichen Inkunabeln dar, die mit dem Jahre 1470 beginnend die Städte Köln, Straßburg, Nürnberg, Paris, Mailand, Venedig als Druckorte aufweisen. Der Rat ließ die Sendung zu nächst katalogisieren und nach ihrer Eignung für die Kirchen-, Schul- und Stadtbibliothek sortieren. Dann verlangte er ein Gut achten des Ratskonsulenten über den Wert sämtlicher Bücher. Der Ratskonsulent, Anton Jakob Dolp, betont in seinem 21/2 Seiten Folio umfassenden Gutachten den Liebhaber wert der Bücher und schätzt ihn auf 593 fl. 55 kr. mit Ausschluß der Manuskripte und Leichenpredigten. Aber er setzt voraus, daß der Absender keine Vergütung in Geld will, da er als Beweggründe nur „wahren Patriotism oder Enthusiasm“ annimmt. Er schlägt daher vor, an Zapf ein Dankschreiben abzuschicken und diesem Schreiben „eine mäßige Geldsumme“ als Erkenntlichkeit beizufügen. Aber der Rat ging auf diesen Vorschlag nicht ein. Daß dies unklug ge handelt war, zeigte der weitere Verlauf der Sache. So wäre die Bibliothek auf immerhin billige Weise zu einer wertvollen Meh rung ihrer Bestände gelangt, der Rat hätte sein Ansehen gewahrt und sich doch weitere unangemeldete Büchersendungen in ge messener Form verbitten können. Statt dessen wies man in dem Dankschreiben vom 19. Oktober darauf hin, daß Zapf bei seinem Aufenthalt im Juli „ein Geldgeschenk geschöpfft“ habe und daß man heute nur mit Worten danken könne. Daran wurde die an sich wohl berechtigte Bitte geknüpft, Zapf möge in Zukunft vor her beim Rat anfragen, ob eine Bücherspende erwünscht sei, und möge vor allem eine bestimmte Erklärung des Rates abwarten, ehe er auch nur ein Buch weiter nach Nördlingen sende. Dieses „Dankschreiben“ beantwortete Zapf mit einem entrüsteten Brief, der neben der zornigen Zusicherung, er werde kein Blatt mehr nach Nördlingen stiften, als Kernpunkt das Geständnis enthält, daß er allerdings ein entsprechendes Gegengeschenk erwartet habe. Jetzt wußte man zwar, wie man daran war; aber es war sehr schwierig geworden, die Sache zu einem glimpflichen Ende
134 zu bringen. So kam man schließlich auf den unglückseligen Ge danken, den Knoten mit einem Schlag zu zerhauen. Am 2. No vember wurde beschlossen, es sollten alle von Zapf gestifteten Bücher „sowohl in der Stadt-, Kirchen- und Schulbibliothek wieder um zusammengepackt und auf Kosten des Publici an denselben remittiert werden“. Alle Unkosten, die ihm erwachsen seien, wolle man ersetzen. Tatsächlich erfolgte die Rücksendung am 8. No vember — das schlug dem Faß den Boden aus. Zapf kündigte darauf die Veröffentlichung des ganzen Handels im Druck an und ließ sogar durchblicken, daß er der Stadt auf dem Kreistag Schwierigkeiten machen werde. Unter anderem schreibt er: „Weit unerwarteter war mir auf meine Aufforderung die Zurücksendung meiner Bücher, die mir einen Beweis von Ihren vortrefflichen Gesinnungen und Einsichten, und einen solchen Beweis ablegt, daß sie gänzlich ausgeschämt sind, denn diese Schande wäscht Ihnen der Rhein nicht ab, geschweige denn die durch Ihre Stadt laufende Eger.“ Endlich legte er eine Rechnung von 26 fl. 22 kr. für entstandene Unkosten bei, von denen nur 6 fl. 22 kr. von seiten der Stadt als berechtigt anerkannt und bezahlt wurden. Zugleich wurden ihm seine letzten Briefe zurückgeschickt; sie finden sich daher nur in beglaubigter Abschrift bei den Akten. Inzwischen aber hatte der Rat durch Amtsbürgermeister von Troeltsch, der in persönlicher Fühlung mit Zapf stand, erfahren, daß bei der Rücksendung verschiedene Bücher beschädigt worden waren. Diese wurden nun durch Beschluß vom 6. November um den Preis von 102 fl. durch die Stadt zurückgekauft. Außerdem behielt sich der Rat Zapf gegenüber alle Rechtszuständigkeiten bezüglich dessen „ungeziemenden Benehmens“ vor. Die am 15. Dezember zum zweiten Male von Biburg abgeschickten Bücher traf n am 22. Dezember in Nördlingen ein; ja es fanden sich außer den bezeichneten*noch 6 Folio-, 4 Quartbände und 1 Oktav band bei der Sendung. Vielleicht wollte Zapf doch etwas ein lenken. Weitere Schriftstücke wurden nicht mehr gewechselt; aber eine tiefe Verstimmung war zurückgeblieben. Denn als Zapf nach sieben Jahren, im August 1798, für sich und seine Familie, die aus seiner Frau und einem Sohn bestand, um Aufnahme in die Nördlinger Bürgerschaft nachsuchte, wurde es „ein für allemal abgeschlagen“. Seine weitere Bitte, ihm durch einen ausdrück lichen Ratsbeschluß zu gestatten, daß er Nördlingen von Zeit zu
135 Zeit besuchen dürfe, falls er sich in Wallerstein niederlassen sollte, ist unbeantwortet geblieben. Man wollte keine neuen Fäden mehr anknüpfen, nachdem das alte Band abgeschnitten worden war. Dieser bedauerliche, völlige Bruch der Stadt mit einem ihrer Söhne, der sich immerhin in der gelehrten Welt einen ziemlich bedeutenden Ruf erworben und sich auch um die Nördlinger Bibliotheken zweifellos verdient gemacht hatte, wäre zu vermeiden gewesen, wenn der Magistrat den klugen und besonnenen Rat des Konsulenten Dolp befolgt hätte. Die brüske Rücksendung der Bücher aber, die die Stadtverwaltung offenbar als einzig möglichen Ausweg ansah, mußte auch einen weniger schwer zu behandelnden Charakter, als Zapf es nach allen Zeugnissen war, in Harnisch bringen. So kam denn eine Aussöhnung nicht mehr zustande. Zapf starb am 29. Dezember 1810. (Vgl. über ihn Allg. Deutsche Biographie, Band 44, S. 693, Leipzig 1898, Artikel von Th. Schön.) Die in Nördlingen verbliebenen Bücher aus Zapfs Bibliothek waren eigentlich eine Neuerwerbung wider Willen. Erfreulicher waren in jenen Jahren die Anschaffungen, die die vorhandene Literatur über Nördlingen selbst vervollständigten und Zuwen dungen, die den Gebern zur Ehre gereichten, da sie tatsächlich ohne jede Nebenabsicht gemacht wurden. Die treibende Kraft war in jener Zeit der erwähnte Ratskonsulent Anton jakob Dolp. Trug der Ratskonsulent an sich die Hauptverantwortung hin sichtlich der Bibliothek und war sein Wort bei größeren Neu anschaffungen von entscheidender Bedeutung, so fühlt man bei Dolp im besonderen verständnisvolle Liebe für seine Aufgabe und eine mit feinem Takt gepaarte weitblickende Fürsorge für die ihm anvertraute Bibliothek heraus. Auf sein Betreiben wurden aus dem Nachlaß des Archidiakons an der St. Georgskirche, Georg Adam Wolf, der 1789 starb, ein starker Handschriftenband, „enthaltend viele Nachrichten von der Stadt Nördlingen“, und 57 Bände „allgemeiner Welthistorie“ erworben. Und als die Witwe des Diakons Christian Gottfried Boeckh, der 1792 starb, dem Rat mitteilen ließ, daß ihr Gemahl viele Hand- und Druckschriften hinterlassen habe, „welche Materialien zu der politischen und literarischen Geschichte Nördlingens abgeben können“, war es wieder Dolp, der die Anschaffung dieser Schriften empfahl um einen Preis, den der Rat schließlich um 30 fl. heruntersetzen zu
136 müssen glaubte, ein Vorgehen, das bei der Sachkenntnis Dolps und bei dem Angebot einer Witwe nicht gerade erfreulich an mutet. Das Verzeichnis über diese Erwerbung ist mit der Unter schrift Dolps vorhanden; es zählt 6 Bände Handschriften und 42 Bände Druckschriften auf, darunter zahlreiche Predigtbände. Das schönste Denkmal für sein Wirken als Bibliothekar aber setzte sich Dolp durch seine Schenkung vom Mai 1812. Er über gab damals als „quiescirender Stadtkommissar und Polizei-Direktor“ seiner ihm ans Herz gewachsenen Nördlinger Bibliothek aus eigenem Besitz 59 Folio-, 153 Quart- und 443 Oktavbände und bereicherte sie mit diesen 655 Bänden, die er selbst in einem besonderen Katalog sauber verzeichnet hatte, in uneigennützigster Weise. Diese Schenkung war zahlenmäßig die größte, die der Nördlinger Stadtbibliothek bis dahin zuteil geworden war. Dolp starb am 29. Januar 1819 im Alter von 73 Jahren. Inzwischen hatten die großen Ereignisse der europäischen Geschichte auch die stille Reichsstadt nicht unberührt gelassen. Durch den Frieden von Luneville vom 9. Februar 1801 hatte auch Nördlingen, wie so viele andere Reichsstädte, seine Selbständigkeit verloren, Aus der freien Reichsstadt war eine kurpfalz-bairische Stadt geworden. Auch die Geschichte der Bibliothek weiß davon zu berichten. Am 6. Dezember 1803 forderte die kurpfalz-bairische Landesdirektion in Schwaben, deren Sitz Ulm war, einen Katalog der Nördlinger Bibliothek ein. Der wurde offenbar in größter Eile auf den damaligen Stand gebracht und am 31. Dezember ein geschickt mit der Bemerkung, daß die Bibliothek während des letzten Krieges (2. Koalitionskrieg, 1799—1801/02) eilig in ein anderes Haus habe verlegt werden müssen und jetzt nach der Zurückbringung noch nicht wieder geordnet sei. Welche Räum lichkeiten hier in Betracht kommen, läßt sich nicht ermitteln. Zur Neuordnung kam man auch im ganzen nächsten Jahr nicht. Die Veränderung der städtischen Verfassung, die Umgestaltung des städtischen Beamtenapparates, die neue Zeit im allgemeinen hatten so viele neue Aufgaben gebracht, daß die Bibliothek wieder einmal das Stiefkind der Stadtverwaltung geworden war, um das sich niemand kümmerte. Am 8. Februar 1805 wurde in der Sitzung des Stadtmagistrates darauf hingewiesen, daß sich die Stadtbibliothek in einem „verwaisten Zustande“ befinde und es an der nötigen Aufsicht fehle. Um dem abzuhelfen, wurden
137 die beiden Bürgermeister Schaegk und Cramer und der Stadt richter Johann Philipp Wucherer zu „Spezial-Aufsehern“ über die Stadtbibliothek bestellt. Nach der Beförderung Wucherers zum K. Appellationsrat in Neuburg a. D. wurde der Hospitalpfarrer Johann Friedrich Weng mit dem Amt des städtischen Biblio thekars betraut. Dieser stellte in den Jahren 1814—1817 einen Katalog her, den letzten, den die Stadtbibliothek besitzt. Er ist in Anbetracht der Tatsache, daß Weng im Nebenamt die Bib liothek verwaltete, mit staunenswertem Fleiß und großer Genau igkeit ausgearbeitet; vollendet freilich ist er nicht worden. Wengs Katalog trägt den Titel: Catalogus Librorum ad Bibliothecam Civitatis Nordlingensis publicam pertinentium recognitus et conscriptus a Johanne Friederico Weng, Archidiacono et h. t. Bibliothecario, und umfaßt vier handschriftliche Foliobände; diese sind folgendermaßen eingeteilt: Tomus I. Catalogus librorum ab artis typographicae origine usque ad annum 1536 impressorum et manuscriptorum, 1814. — Es werden darin die Inkunabeln und älteren Drucke aufgeführt nach Druckort, Druckjahr, Verfasser und Titel. Anfang und Ende jedes Werkes (mit dem Impressum) werden sorgfältig wiedergegeben. Bei den Inkunabeln wird auf bekannte Inkunabelwerke, wie Panzer, Annales typographici ab artis inventae origine ..., Nürnberg 1795, verwiesen. Dieses Ver zeichnis, 352 Folioseiten umfassend, zählt unter 220 Nummern 384 Werke vom Druckjahr 1473 bis zu dem schon genannten Jahre 1536 auf. Dann folgt als „Appendix“ auf 12 Seiten der Catalogus Librorum manuscriptorum, der 25 Werke und eine Collectio praelectionum medicarum a Jeremia Sengio*) Medico Nordlingensi collectarum in Quart anführt. Daran schließt sich der Index primus Bibliographicus secundum Ordinem Alphabeti und zwar nach dem Namen der Schriftsteller. Endlich sind in einem „Index secundus urbium et typographorum alphabeticus“ die Druckorte und Drucker der im Vorhergehenden katalogisierten Bücher enthalten. Tomus II, Libros in Folio et in Quarto continens, teilt die Bücher nach ihrem Format (646 in Folio und 903 in Quart) in zwei Sektionen ein; im übrigen ist hier die Anordnung eines Fachkataloges (jus germanicum privatum — publicum — scriptores l)
Vgl. S. 116.
138 historiae — usw.) durchgeführt. Ein Index alphabeticus mit An gabe der Katalognummer jedes einzelnen Werkes ist jeder Sektion beigegeben. Außerdem enthält der 2. Band desWeng’schen Katalogs ein „Verzeichnis ungebundener Schriften in der Stadtbibliothek.“ Tomus III, Libros in Octavo et Duodecimo continens, be ginnt mit dem alphabetischen Verzeichnis der Bücher in Oktav (1440 Nummern); an dieses schließt sich gleich das der Bücher in Duodezformat (278 Nummern) und dann erst beginnt der Fachkatalog, der wie in Tomus II angeordnet ist. Nach Num mer 278 folgt die Bemerkung: „Finit(ur) felic(iter) hic Catalogus D. 21. Martii 1816.“ Endlich enthält der Catalogus Nordlingensium (ungebunden) die Literatur über Nördlingens Geschichte, die Dis sertationen und Disputationen von Nördlinger Söhnen, die die Hochschule besuchten, und Predigten oder Predigtsammlungen von Nördlinger Geistlichen. — Die einzelnen Bände kennzeich nete Weng folgendermaßen: er schrieb in der Regel die Kata lognummer des Bandes auf das untere Drittel des Bücherrückens und auf das 1. Blatt des Buches rechts oben. Geschlossene Be stände, wie die Bibliothek Kyllingers, ordnete und stellte er innerhalb der einzelnen Disziplinen zusammen; die Bücher Dolps versah er mit dem Vermerk auf der ersten Seite: Ex donatione Dolpiana oder Ex munificentia A. Dolpii. Die Inkunabeln und älteren Drucke bis etwa 1520 tragen im oberen Drittel des Buch rückens ein weißes Papierschild, auf dem Druckort, Druckjahr, Verfasser, Titel und Bandzahl handschriftlich vermerkt sind. Darunter ist ein kleines Schildchen mit der Katalognummer ge klebt. Das erste, gewöhnlich unbedruckte Blatt dieser Bände trägt dann oben wieder die Katalognummer und darunter finden sich kurze bibliographische Angaben, so meistens der Hinweis auf Panzer, Annales Typographici ab artis inventae origine ad annum M D. oder die Bemerkung: Panzero incognita Editio. Im ganzen hat Weng 3651 Bände katalogisiert, eine Arbeit, die den Beweis dafür liefert, mit welcher Pflichttreue dieser Biblio thekar seines Amtes waltete und wie sehr ihm die Ordnung der Bücherbestände am Herzen lag. Das Wichtigste aber, was das 19. Jahrhundert für die Stadtbibliothek brachte, war die Übertragung des großen, aus wahr haft sozialem Empfinden geborenen Gedankens der Wohlfahrts pflege und Volksbildung auf sie. Dadurch erst wurde sie davor
139 bewahrt, lediglich ein wertvolles Schaustück aus der Vergangen heit zu bilden, nur wenigen zugänglich und in seinem Wert ver ständlich ; dadurch erst wurde sie eine Quelle geistiger Nahrung und edlen geistigen Genusses für alle Kreise der Bürgerschaft. Magistrat und Kollegium der Gemeindebevollmächtigten wett eiferten miteinander, die Bibliothek der allgemeinen Benützung zu öffnen. Freilich war das nicht von heute auf morgen möglich. Dem ersten Beschluß vom 29. Oktober 1863 folgten ohne Säumen die weiteren notwendigen Schritte. In dem Studienlehrer an der Lateinschule Ludwig Müller fand die Stadt eine Persönlichkeit, die zur Durchführung der neuen großen Aufgabe besonders ge eignet war. Der bisherige Bibliothekar und Archivar, Studien lehrer Johann Gottlieb Laible, legte auch aus Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit im Jahre 1864 die Verwaltung der Bib liothek und im Jahre 1867 die des städtischen Archivs in die Hände des jüngeren Amtsgenossen. Müller erhielt am 6. Mai 1864 die Aufsicht über die städtische Bibliothek und entwickelte am 16. Mai ein großzügiges Programm, das besonders für die Be schaffung neuer Werke den Gedanken der Volksbildung immer wieder in den Vordergrund schob. Zugleich reichte er eine, nach modernen Gesichtspunkten ausgearbeitete Bibliotheksordnung ein, bezeichnete das Waisenhaus, Tändelmarkt C 82, als den günstig sten Ort für die Aufstellung der gesamten Bibliothek und ver langte bald darauf (20. Juli) die Trennung der Archivalien von der Bibliothek. Das städtische Archiv befindet sich heute in den Gewölben des Erdgeschosses im Rathaus. Alle seine Anträge wurden angenommen und nach angestrengtester Arbeit war das Werk soweit gediehen, daß der Magistrat schon am 26. Oktober die Eröffnung der Bibliothek im „Nördlinger Anzeigblatt“, Nr. 126 bekannt geben konnte. Auch in dieser Ankündigung wurde der belehrende und volksbildende Charakter der Bibliothek hervor gehoben. Ebenso energisch wie Müller an seine Arbeit herangegangen war, verteidigte er auch seine Handlungsfreiheit gegenüber ängst lichen und kleinlichen Einengungen und Vorschriften. Es liegt in der Natur einer Aufgabe, wie der ihm gestellten, daß man nicht alles und jedes vorher festlegen kann. Das einmal bewiesene Vertrauen muß der tragende Grund sein, auf dem das Werk als Ganzes erstehen kann. Als daher Unstimmigkeiten wegen an-
140 geblicher eigenmächtiger Etatsüberschreitungen entstanden, ver focht Müller seine Sache mannhaft und aufrecht und behauptete sein Ansehen nach allen Seiten ungeschmälert. Das Vertrauen der Stadtverwaltung übertrug ihm schließlich auch die Aufsicht über das städtische Archiv im Juli 1867. Endlich gründete er in diesem Jahr auch das städtische Museum und gab ihm seine erste Gestalt. Die Stadt erwies sich dem rastlos Tätigen dadurch dank bar, daß sie ihn zu ihrem Ehrenbürger machte. Die Bibliothek erhielt in jenen Jahren bedeutenden Zuwachs; auch daran hatte Müller verdienstvollen Anteil. Er verschaffte der Stadtbibliothek die über 100 Bände umfassende Sammlung des erwähnten ehemaligen Stadtrichters Joh. Philipp Wucherer (vgl. S. 137). Sie enthält nur Nördlinger Drucke und Schriften, die auf Nördlingen irgendwie Bezug haben. Kurz vorher hatte der Buchhändler Ernst Rohm er als Inhaber der C. H. Beckschen Buchhandlung in Nördlingen aus Anlaß des hundertjährigen Be stehens der Firma*) die Stadtbibliothek reich beschenkt. Er stiftete „je ein Exemplar der sämtlichen im Verlage der C. H. Beck schen Buchhandlung und Buchdruckerei erschienenen Bücher, soweit solche noch nicht vergriffen waren, als ein Denkmal der Buchdrucker- und Buchhandelsgeschichte Nördlingens“. Die Schen kung, die von der Stadt dankbarst angenommen wurde, umfaßte 649 Bände und Hefte und wurde von Rohmer im Jahre 1867 durch weitere 78 Bände ergänzt. Im Jahre 1913 erhielt die Firma C. H. Beck die älteren Werke des Verlags aus jener Schenkung, soweit sie für die Stadtbibliothek keinen Wert mehr hatten, auf ihre Bitte hin zurück und übergab dafür der Bibliothek J\ Bände neuere und zum Teil wertvolle Werke. Wieder war es gewaltiges geschichtliches Geschehen, dessen Wellenschlag die Nördlinger Bibliothek leise brandend berührte* Und zwar war es diesmal die hohe Zeit unseres deutschen Vater landes: das Deutsche Reich war neu erstanden, die deutschen Stämme waren zur Einheit zusammengeschweißt, uraltes deutsches Kulturland war durch die Wiedergewinnung der Westmark mit dem deutschen Mutterland vereinigt worden. Mit tiefer Bewegung wenden wir uns heute diesem Höhepunkt deutscher Geschichte x) K&rlGottlobBeck aus Georgenstadt in Sachsen hatte die Mundbachische Buchdruckerei und Buchhandlung in Nördlingen gekauft und war hier 1763 Bürger geworden; er war gestorben 1802.
141 zu. Das alte Straßburg, der geistige und kulturelle Mittelpunkt des Elsaß, sollte von nun an eine Hochburg des deutschen Geistes* lebens in der Westmark sein. Am 1. Mai des Jahres 1872 wurde die deutsche Universität in Straßburg, an der einst Goethe seine Studien vollendet hatte, neu eröffnet. Die kostbare, an seltenen Werken reiche Bibliothek der Stadt war in der Nacht vom 24., auf 25. August 1870 während der viertägigen Beschießung ein Raub der Flammen geworden. Die neuerrichtete Universitäts und Landesbibliothek verdankte ihre Entstehung größtenteils frei willigen Zuwendungen aus allen deutschen Gauen. An diese Bib liothek nun, die in hervorragendem Maße ein Programm deutscher Geistes- und Kulturarbeit bedeutete, wurde Müller im März 1872 als Bibliothekar berufen. Der herzliche Dank der Stadt, der er bisher so wertvolle Dienste geleistet hatte, geleitete den ver dienten Mapn in seinen neuen Wirkungskreis. Er vergaß aber in dem lebensfrohen, großen Straßburg das stille Nördlingen nicht und Nördlingen bewies seinerseits seine Dankbarkeit dadurch, daß es im Mai 1872 der jungen Straßburger Bibliothek auf Müllers Wunsch zehn Foliobände, z. T. Straßburger Drucke aus den Jahren 1486 bis 1517 als Geschenk übersandte. Auch in den folgenden Jahren blieben die Beziehungen rege und manche Austauschgabe wanderte hinüber und herüber. Die wertvollste war der Einla dungsbrief der Nördlinger Schützen an die Straßburger aus dem Jahre 1477* Dieser öö1^ Zeilen umfassende Einblattdruck im Be sitz der Nördlinger Stadtbibliothek ist der erste gedruckte Schützenbrief in Deutschland. (Vgl. Chr. Mayer, Gedenkblatt zur Feier des Jubelfestes der Schützengesellschaft der Stadt Nörd lingen, 9.—13. Juni 1900, Nördlingen 1900, 47 Seiten; die Schrift erschien anonym). Die reichen Anregungen, die Müller in Nördlingen erhalten hatte, verwertete er auch in literarischen Arbeiten; solche sind: „Die Reichsstadt Nördlingen im Schmalkaldischen Kriege“, Nörd lingen 1877, 199 S., ferner „Beiträge zur Geschichte des Bauern krieges im Ries und seinen Umlanden“, Augsburg 1891, 313 S. und endlich „Aus fünf Jahrhunderten“, Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Ries, Augsburg 1900, 226 S. Daß er sein Werk für die Nördlinger Bibliothek mit einer Schenknng krönte, ist bei einem Manne wie ihm geradezu eine innere Notwendigkeit gewesen. Müller war am 18. September
142 1910, in seinem lieben Nördlingen weilend, als Geheimer Regie rungsrat und kaiserlicher Oberbibliothekar a. D. gestorben. Im Juli 1911 übersandte seine Witwe ein Bücherverzeichnis, aus dem der Nördlinger Stadtbibliothekar 225 Werke auswählen durfte. Die Bahnen, die Müller eingeschlagen und gewiesen hatte, wurden in der Folgezeit nicht mehr verlassen. Unter bewährter Leitung hütete die Bibliothek das ihr an vertraute Erbe der Ver gangenheit getreulich, ohne ihrer Gegenwartsaufgabe, dem Volke zu dienen, sich zu verschließen. Von 1872—1910 verwaltete sie der um die Erforschung der Heimatgeschichte verdiente evan gelische Theologe und Germanist, der Rektor der Realschule Hofrat Christian Mayer, der sein Andenken ebenfalls durch die Stiftung von 400 Bänden aus seinem Nachlaß, die eine wertvolle Bereicherung der Bibliothek bedeuteten, ehrte. Außer dem er wähnten „Gedenkblatt zur Feier des Jubelfestes der Schützen gesellschaft der Stadt Nördlingen“ schrieb er als Hauptwerk „Die Stadt Nördlingen, ihr Leben und ihre Kunst im Lichte der Vor zeit“, Nördlingen 1876, 255 S. Das Werk, das auf eingehendem Quellenstudium aufgebaut ist, war auf vier Teile angelegt. Leider sind nur zwei ausgearbeitet worden: „Die Stadt“ und „Die Haupt kirche“, während „Rathaus und Gemäldesammlung“ und „Herr gottskirche, Hospital und Barfüßerkloster“ unausgeführt blieben. Die Arbeit ist die eingehendste zusammenfassende Darstellung auf wissenschaftlicher Grundlage über Nördlingen, die vorliegt. Im Jahre 1910 wurde die Bibliothek von ihrem jetzigen Leiter neu organisiert und nach Fächern aufgestellt. Sie befindet sich im Erdeschoss des ehemaligen Zahlhauses, d. i. das heutige Real schulgebäude, Holzmarkt A 168; ein feuersicheres Gewölbe in diesem Gebäude birgt die Inkunabeln und die Handschriftenbe stände. Die Stadtbibliothek umfaßt heute etwa 15 000 Bände. Hatte in früheren Jahrhunderten die Bibliothek ihre Tore nur den „Gelehrten“ der verschiedenen Wissenschaftsgebiete ge öffnet, hatte das Licht der Erkenntnis, dessen Träger das Buch in hervorragendem Maße ist, nur einem kleineren Kreis von Berufenen geleuchtet, so haben die letzten Jahrzehnte der Bib liothek die große Aufgabe der Erziehung und Bildung aller Schichten des Volkes zugewiesen. Es kann nicht davon die Rede sein, allen Volkskreisen Wissenschaft zu vermitteln; die einzige öffentliche Bibliothek einer Kleinstadt darf aber auch nicht nur
143 auf das Verständnis des gemeinen Mannes eingestellt werden. Sie hat vielmehr gerade heute eine doppelte Aufgabe: sie muß auf der einen Seite das geistige Gut, das sie von früheren Ge schlechtern überkommen hat, getreulich hüten und bewahren und es durch bedeutende Werke aus dem gesamten Geistesleben der Gegenwart mehren, auf der anderen Seite aber muß sie dem Volke solche Gaben darbieten, die seiner Bildungsstufe ent sprechen und es doch zugleich höher heben. Nur dann wird eine Bibliothek Vergangenheit und Gegenwart lebensvoll miteinander verbinden und eine Schatzkammer geistiger Werte sein, die Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauern. II.
Die Bibliothek der Sb Georgskirche. Auch die Kirchenbibliothek geht in ihrer heutigen Zusam mensetzung auf die Schenkung Johannes Protzers zurück. Der Rat schaltete mit dem Vermächtnis Protzers, das ja dem HeiligGeist-Spital zugedacht war, als Eigentümer in völlig freier Weise und überwies jene Bücher, die ihm hierfür geeignet schienen, an die Stadtkirche. Es sind heute noch 43 Bände, meist in Folio, von Protzers Stiftung vorhanden, die mit ihren 37 Inkunabeln den wertvollsten Bestandteil und den größten durch Schenkung erfolgten Zugang der Kirchenbibliothek bilden. Und doch spre chen diese Zahlen von unersetzlichen Verlusten. Denn der hand schriftliche Katalog der Kirchenbibliothek vom Jahre 1678 in Folio (CATALOGUS
BIBLIOTHECAE
TEMPLI
NEROLINGANI
AD
D(IVUM)
GEORGIUM, recognitus & conscriptus A.O.R. MDCLXXVUI mense Majo.), der im ersten Teil die Bücher nach dem Standort verzeich net, bringt im zweiten Teil eine nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete Übersicht und führt endlich die Schenkungen in ge schlossenen Verzeichnissen auf. An der Spitze steht nicht nur wegen der zeitlichen Reihenfolge, sondern mit größerem Recht wegen ihrer überragenden Bedeutung die Schenkung Protzers. JOHANNES PROTZER, U.J.D./Sequentes in Jtalia libros maximam / partem, circa annum 1492 & / seqq. comparavit, qui jam in Sa/ crario Templi ad D. Georgium/asservantur. Und nun werden über 200 Werke in 114 Bänden aufgezählt, griechische und römische Schriftsteller, Kirchenväter, berühmte Theologen und Kommen tatoren des Mittelalters, Werke der Kosmographie, Geschichte
144 und Pädagogik, kurz die ganze Welt des Humanismus hat hier in bedeutenden Werken, meist Inkunabeln Gestalt gewonnen. Und von diesem Reichtum hinsichtlich des geistigen Gehalts und der bibliographisch wertvollen Form ist weit mehr als die Hälfte, näm lich 71 Bände, verloren gegangen, nicht durch gewaltsame Eingriffe etwa bei kriegerischen Ereignissen, denn im Jahre 1678 waren die schwersten Jahre für die Stadt und für die Kirche längst vorüber, sondern, wie wir später sehen werden, zum großen Teil durch ganz unfaßliche Verständnislosigkeit und aufklärerischeNüchtemheit dem Vermächtnis der Geschichte gegenüber. Die Bände Protzers haben gewöhnlich Holzdeckel, die nur zur Hälfte und über den Rücken des Buches mit Leder bezogen sind, sodaß die andere Hälfte des Buchdeckels aus purem Hartholz besteht. Sie tragen alle den eigenhändigen Namen des Stifters, gewöhnlich in folgender Fas sung: Johannes protzeR I. U. Doctor (Licentiatus) in Jtalia (Ger mania) ConpeRavit. Dazu kommt bei jedem Band das Jahr der Erwerbung und die Preisangabe. In manchen Bänden findet sich auch das Motto: Mors tua Mors Christi / FRaus mundi / GloRia celi / Et doloR infeRni / Sunt Meditanda Tibi. Alle diese Einträge finden sich gewöhnlich auf der Innen seite des Vorderdeckels, selten auf dem ersten Blatt. Da Protzer seine Bücher, soweit sie italienischen Druckerpressen entstammen, hauptsächlich in den Jahren von 1492 an erworben hatte und das Jahr 1492 wiederholt in den Büchern eingetragen ist, kam die irrige Anschauung auf, Protzers ganze Stiftung stamme aus dem Jahre 1492. So bemerkt auch Glauning in „Der Holzdeckelkatalog in der Stadtbibliothek zu Nördlingen“ im 6. Jahrbuch des Histo rischen Vereins für Nördlingen und Umgebung, Nördlingen 1918, S. 28: „... weitaus die umfangreichste (sc. Schenkung) ist die erste, die des Rechtsgelehrten Johannes Protzer von 1492“. Dem gegenüber muß betont werden, daß nach den vorhandenen Ur kunden kein Buch aus Protzers Besitz vor dessen Tod an die Stadt oder an die Georgskirche kam, sondern daß wir erst im Frühjahr 1529 den Übergang der Bücher Protzers in den Besitz der Stadt als tatsächlich vollzogen ansehen dürfen. Ein zweiter wichtiger Bestandteil der Nördlinger Kirchen bibliothek ist das Vermächtnis des Sacellans an der Georgskirche
145 GregoriusEngelhart, genannt Raming(er). (Vgl. obenS. 115.) Über diese Schenkung, die uns ein zum Glück noch gut erhaltener Holzdeckelkatalog in ihrem ganzen Umfang gegenwärtig macht, hat zuerst Glauning ausführlich berichtet. (Glauning a. a. O. S.19 bis 72) Von ihm angeregt hat sich Clauß mit den Büchern selbst und den charakteristischen Einträgen, Randbemerkungen und Fußnoten des Stifters eingehender beschäftigt. (Clauss, Gregorius Raming, gen. Engelhart, ein Zeitgenosse Luthers in Nördlingen, Neue kirchliche Zeitschrift, Bd. XXXI, 10 S. 519 ff. und 11 S. 564 ff.) Das Vermächtnis bestand ursprünglich aus 114 ge druckten und 23 handschriftlichen Werken. Das Problem des Raminger-Engelhart’schen Doppelnamens hat schon der wieder holt erwähnte Nördlinger Lokalhistoriker Daniel Eberhard Beyschlag aufgegriffen („Versuch einer Schulgeschichte der Reichs stadt Nördlingen“, 6. Stück, S. 12 ff.) und nachgewiesen, daß dieser Doppelname durch die Wiederverheiratüng einer Witwe Engel hart mit einem Claus.Raming(er) (1437), der eben in das ange sehene Bürgerhaus einheiratete, entstanden ist und sich auch auf die Kinder aus dieser Ehe fortgeerbt hat. So erklärt sich der eigenhändige Eintrag in den betreffenden Büchern der Kirchen bibliothek: „Gregorius Raming(er), dictus „Engelhard“. Raming, der um 1465 in Nördlingen geboren sein muß, studierte in Leipzig 1482/83; in Köln treffen wir ihn mit Unterbrechungen in den Jahren 1485—1493. Dort erlangte er auch die Magisterwürde und von 1496 an wirkte er dauernd in Nördlingen an der Georgs kirche, zuerst als Benefiziat, dann als Inhaber der Pfründe am Altar Unserer Lieben Frau. Die Bezeichnung sacellanus = sacello praefectus läßt nach Glauning (a. a. O. S. 61, Fußnote 60) den Schluß zu, daß er „entweder die Reliquien der St. Georgskirche unter seiner besonderen Obhut hatte oder zum Verwalter des Kirchenvermögens bestellt war“. Nach der Einführung der neuen Lehre scheint der stille Gelehrte unbehelligt in seiner Vaterstadt geblieben zu sein bis zu seinem ebenfalls nur ungefähr zu be stimmenden Tode, vermutlich im Jahre 1532. Wie ungetrübt das Verhältnis Ramings zu seiner Vaterstadt offenbar geblieben ist, beweist die Bücherschenkung, die der dem katholischen Bekennt nis treu gebliebene Priester der evangelisch gewordenen Stadt gemacht hat. Ihr ursprünglicher und ihr späterer Umfang ist uns durch zwei Verzeichnisse überliefert: eines ist der wertvolle Holz10
146 deckelkatalog im Besitz der Stadtbibliothek, den Glauning her ausgegeben und beschrieben hat. Er besteht aus zwei Tafeln aus weichem Holz, die mit Rahmen je 54 cm hoch, 43 cm breit und an den inneren Längsseiten durch Scharniere fest mitein ander verbunden sind. Das ermöglicht das Zusammenklappen der beiden Hälften, die mittels Haken auf der Außenseite der einen und entsprechenden Öse auf der der andern geschlossen gehalten werden können. Auf die Tafeln sind nun zwei einseitig beschrie bene Papierblätter aufgezogen. In vier Spalten, auf jedem Blatt zwei, werden nun die von Raming geschenkten Bücher aufge zählt. Die erste Spalte des Vorderdeckels beginnt folgendermaßen: INDEX LIBRORUM MAGISTRI GREGORII ENGELHARTS SACELLANI
(zum Teil ergänzt nach Glauning a. a. O. S. 22). Auf den Blättern des Holzdeckelkataloges selbst werden nun 137 Werke und Schriften in 62 Bänden aufgezählt, unter denen sich 23 handschriftliche Werke befinden. Solche Holz deckelkataloge waren sehr selten. Glauning findet „in der Literatur nur noch bei dem englischen Benediktiner Francis Aidan Gasquet, The Old English Bible and other Essays, 1897, S. 26 f. ähnliche Bibliothekskataloge auf Brettern erwähnt. In dem berühmten burgundischen Kloster Cluny seien im 17- Jahr hundert die Bücher auf Pergament verzeichnet und dieses auf zwei Brettern von Fuß Länge und l1^ Fuß Breite aufge spannt gewesen. Eine zweite ähnliche Anordnung wird von Ox ford berichtet. Dort sei der Bibliothekar gehalten gewesen, die Bücher und die Namen ihrer Schenker sichtbarlich auf einer großen Tafel aufzuzeichnen, die in der Bibliothek aufgehängt war.“ Aber gerade in Nördlingen war noch ein zweiter Tafel katalog vorhanden und zwar ein für unsere Bibliothek äußerst wichtiger, nämlich der von Protzers Vermächtnis, dessen oben Erwähnung getan wurde. (Vgl. S. 112f.) Leider ist er im 19. Jahrhundert verschwunden. Das zweite Verzeichnis der Ramingschen Bücher findet sich in dem bereits erwähnten handschrift lichen Katalog der Kirchenbibliothek von 1678 (vgl. S. 143), un mittelbar nach der Aufzählung der Protzerschen Schenkung. Da heißt es: GREGORTUS RAMINGER DICTUS / ENGELHARD, Artium Magister et Sacella- / nus in Nördling. Senatui ibi- / dem Legavit /: circa Annum 1555:/ Sequen-/ tia. Es folgt die Auf zählung von 37 Bänden, von denen die meisten Sammelbände IN NOERDLINGEN
147 mit kleineren theologischen, philosophischen oder ethischen Wer ken und Traktaten sind. Gegenüber dem Verzeichnis auf dem Holzdeckelkatalog ergibt sich ein Verlust von etwa einem Drittel bis einem Viertel des ursprünglichen Bestandes der Schenkung. Dieser Verlust allerdings ist wohl auf Rechnung der stürmischen Ereignisse zu setzen, die sich in den Jahren von 1532—1678 in Nördlingens Mauern abgespielt haben. Von den in dem Katalog von 1678 angeführten 37 Bänden finden sich heute nur noch 32; es ist also ein Verlust von weiteren 5 Bänden seit dem Jahre 1678 zu verzeichnen. Diese enthielten nach den Angaben des Kata logs 13 einzelne Wiegendrucke. Die Schenkung war urspünglich in ihrem ganzen Umfange der Stadt und ihrer Bibliothek zuge dacht. Das beweist die eindeutige Widmung „Senatui Legavit“, die sich in den Büchern von Ramings eigener Hand findet. (Vgl. Anhang II.) Der Rat der Stadt verfuhr hier wie in dem vorhergegangenen Fall Protzer als Eigentümer völlig frei mit dem Vermächtnis und überwies es beinahe vollständig der Kir chenbibliothek ; nur 7 Bände befinden sich heute im Besitz der Stadtbibliothek. Daß die Büchersammlung im großen und ganzen für jene geeignet war, ist bei einem wissenschaftlich tätigen Geist lichen nicht verwunderlich. Ramings Bibliothek bestand ja größ tenteils aus Werken der Theologie und ihrer Nachbargebiete. In seiner erwähnten Untersuchung hat nun Clauß die Bücher Ramings auf dessen eigenhändige Einträge hin untersucht. Diese sind ebenso zahlreich als charakteristisch für den, der sie schrieb. So hat Clauß ein Bild des Entwicklungsganges Ramings, seines Wesens und seiner Stellung der neuen Lehre gegenüber auf Grund der Bücher selbst, die dieser gelehrte Geist liche gesammelt, und mit Hilfe der kürzeren und längeren Äuße rungen, die er den Büchern, seinen stillen und verschwiegenen Freunden, anvertraut hat, gezeichnet. Clauß kommt zu dem Er gebnis, daß Raming das Auftreten Luthers mit Interesse verfolgte, dessen frühe Schriften sammelte und zu den Gedanken Luthers in temperamentvollen Äußerungen zustimmend und ablehnend Stellung nahm. Als jedoch im Jahre 1521 Luther von der Kirche mit dem Bann, vom Reiche mit der Acht belegt wird, da ist für den gehorsamen Sohn der katholischen Kirche der Fall er ledigt: nach diesem Jahr hat er kein Buch, das sich mit dem Glaubensstreit befaßte, seiner Sammlung mehr einverleibt. Still 10*
148 und zurückgezogen mag er die letzten zehn Lebensjahre in seinem lieben Nördlingen zugebracht haben; weitere Kunde von ihm ist nicht zu uns gedrungen; sein Name wird 1531 zum letztenmal in den Steuerbüchern der Stadt erwähnt. Die Kirchenbibliothek erfuhr durch weitere, meist kleinere Schenkungen und durch wiederholte, von 1668 bis 1700 beinahe regelmäßig erfolgte Zuweisungen aus städtischen Mitteln einen bescheidenen Zuwachs. Über die Zugänge letzterer Art berichtet unser Katalog vom Jahre 1668 an unter dem Titel: Caeteris Magnif(icus) Nobilissimus atque Amplissimus S(ancti R(omani) j(mperii) liberae ac inclutae nerolingae senatus per Sin gulärem semper munificentiam / diversis Temporibus / auxit Hanc BIBLIOTHECAM / uti JPSIUS JNSIGNIA & Jnscriptiones plerumque Testantur. Unter den „Jnsignia“ des Rates der Stadt kann nur das Holzschnitt-Ex libris der Stadtbibliothek gemeint sein. Es war ein sogenanntes Universal-Ex libris, d. h. eine Rand leiste mit architektonischem Aufbau, Säulen, imitierter Holz schnitzerei und Intarsien, alles in Renaissance-Formen, umrahmt einen innen leeren, ausgeschnittenen und auswechselbaren Holz stock, In diesen inneren rechteckigen Raum können nun ver schiedene Wappenholzstöcke, die genau hineinpassen, eingelegt werden, sodaß also das Bücherzeichen von verschiedenen Bücher besitzern verwendet werden kann. Es braucht nur das innere Rechteck jeweils von einem Holzstock abgedruckt zu werden, der das Wappen des betreffenden Eigentümers trägt. Dieses Nördlinger Uni versal-Ex libris wurde sowohl in Schwarzdruck als auch handkoloriert benützt. Und in der Tat finden wir als früheste Benützer nicht einmal den Rat der Stadt, sondern im Jahre 1533 den Stadtschreiber Wolfgang Vogelmann und etwa im Jahre 1550 Johann Christoph Scherb. (Vgl. S. 128 und S. 1163 Das Ex libris Vogelmanns findet sich heute nicht mehr in den Bänden der Stadt- oder Kirchenbibliothek. Es wurde offenbar aus den Bänden herausgenommen. Die Stadtbibliothek besitzt es als Einzelblatt. Den Innenraum nimmt das Vogelmann’sche Wappen ein. Es ist in Schwarz und Gold gehalten und zeigt in der oberen schwarzen Hälfte einen silbernen Adler mit Krone und ausgebreiteten Flü geln (Vogel...) und in der unteren goldenen die untere Hälfte eines männlichen Körpers mit gespreizten Beinen (.... mann). Die Helmzier bildet ein aus dem Helm hervorwachsender Mann
149 mit weißem Haupthaar und Vollbart, der mit einem schwarzen Wams bekleidet ist. Er trägt auf dem Haupte eine goldene Krone und breitet statt der Arme zwei goldene Flügel aus. Scherbs Bücherzeichen findet sich z. B. noch in dem der Kirchen bibliothek gehörigen Werk: Divi Alberti Magni de Animalibus libri vigintisex Novissime Jmpressi Venedig 1495 per Joannem et Gregorium de Gregoriis fratres. Folio. Erst von etwa 1550 an sind in der Stadt- und Kirchen bibliothek auch Bücher mit dem Ex libris des Rates nachweisbar. Man benützte dreierlei verschiedene Holzstöcke: den gekrönten Adler nach links blickend, den ganzen Raum ausfüllend, dann den gekrönten Adler etwas kleiner auf dem Wappenschild und endlich den doppelköpfigen Adler, der wieder ohne Zutaten den ganzen Innenraum ausfüllte. Die Größenverhältnisse sind folgende: die Umrahmung mißt 160:248 mm, der auswechselbare Holz stock für das innere Rechteck 112: 150 mm. Die über 300 Jahre alten Holzstöcke, die sich im städtischen Museum befinden, sind trefflich erhalten, was ein auf Veranlassung der Stadt vor einigen Jahren hergestellter, wohl gelungener Neudruck beweist. Die Stadt benützte übrigens auch den inneren Holzstock mit dem Wappenadler allein als Bücherzeichen, ohne Umrahmung, beson ders in Oktavbänden. (Vgl. Warnecke, Die Bücherzeichen von ihrem Ursprünge bis zur Gegenwart, Berlin 1890, im besonderen Nr. 1468 und Nr. 1887 und C. Graf zu Leiningen-Westerburg, Über Universal-Ex libris in „Zeitschrift für Bücherzeichen-, Bib liothekenkunde und Gelehrtengeschichte“, Jahrgang X, Seite 9 ff.) Die Angabe Wameckes, die Leiningen-Westerburg offenbar ohne Prüfung übernommen hat, daß nämlich die Ratsbibliothek Nördlingen das Bücherzeichen erst im Jahre 1602 sowohl in Schwarz druck als auch handkoloriert verwendet habe, ist völlig unzu treffend. In Wirklichkeit war dies viel früher der Fall. Als ältesten Band, der dieses Bücherzeichen trägt, habe ich das 14. Pfand buch der Stadt von 1549/52 im städtischen Archiv festgestellt, auf das es außen auf den Vorderdeckel geklebt ist. Das wurde offenbar von den Schreibern gemacht; irgendein Grund, warum dies in späteren Jahren nachträglich geschehen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Das Ex libris des Rates war ein würdiges Besitzer zeichen, das das Selbstgefühl der freien Reichsstadt widerspiegelte, in der auch Kunst und Wissenschaft eine Pflegestätte hatten.
150 Von den kleineren Schenkungen an die Kirchenbibliothek ist noch zu erwähnen die von Christoph Scherb, der um das Jahr 1550 auch der Georgskirche einige Bücher aus der von seinem Vater Jörg und seinem Vetter Heinrich ererbten Bibliothek über gab. (Vgl. S. 115,) Es waren 6 Bände, darunter 2 Inkunabeln. Ferner enthält ein von Diakonus Johannes Romul (Johannes Ro mul, geb. zu Möhringen a. D., seit 1566 Diakonus in Nördlingen bis zu seinem 1606 erfolgten Tode) geschenkter Band: Explicationes Euangeliorum et Epistolarum ... autore Joanne Spangenbergio. Basileae Sumptibus Joannis Oporini Anno MDLxI (Folio), ein rührendes Zeugnis persönlicher Art. Auf dem ersten un bedruckten Blatt des Buches ist mit roter Tinte folgendes ein getragen: Pium Colloquium Joannis Rhumelii tamque parentis cum filiolo suo Benedicto iam morituro, Anno a nato Christo 1553 Kurstadij 13 Julij paucis versiculis epithaphi loco comprehensum. pater: Sicne repente cadis, fili, puerilibus Annis, Ut tener in pingui flos modo natus agro? filius: Cur gemis o genitor, moestis cur fletibus ora Humectas, manibus sic mea membra fovens? pater: Te quia defuncto visu pater esse nequibo, Nec potero dulcis nomen habere patris. Adpositis dapibus, quis verba precantia dicet, Ad mensam poteras quae recitare meam? filius: Quin lacrymas retine, moesti quia funeris expers, perpetua laetus vixero luce fruens. Sic testatur enim fidei confessio nostrae Quam repetens tecum vox mea saepe dedit, Credimus aetemae nos vivere secula vitae post hanc, impletos vivificante Deo. Ergo quiesce pater, non est tibi causa doloris, Gaudia me potius carpere vera sine, pater: Etsi vix patiatur amor consistere mentem, Et graviter luctum haec tua fata ferant: Est tarnen imperio Domini parere necesse, Huic fragilis temere nititur ire caro. Aeternum, Benedicte, Deo gratissime, salve, Ad Christum properans, tempus in omne vale.
151 Vix ea fatus eram, placide tua lumina claudis, Annorum septem, spes mea, care puer. Suo Joanni Rhumelio Jsaacus Amerbachius Bopfingae 1564 26. Novembris. Author. Foelix, a teneris verbum qui discere curat possit ut in Christum semper obire fide.[ Der Eintrag lautet in freier Übertragung: Frommes Zwiegespräch des Johannes Romul als Vater mit seinem im Sterben liegenden Söhnlein Benedict, im Jahre nach Christi Geburt 1553 zu Kurstadt, am 13. Juli, in wenig Versen abgefaßt anstatt eines Nachrufes. Vater: Mußt du denn wirklich, mein Sohn, im kindlichen Alter so schnell schon wie die Blume im Feld fallen, die eben erblüht? Sohn: Vater, warum doch klagst Du? Warum beträufst Du mit Tränen traurig Dein Angesicht ? streichst mir so lind meine Hand ? Vater: Weil ich kein Vater mehr bin, wenn Du aus dem Leben geschieden, weil dann für mich nimmer gilt „Vater“ das liebliche Wort. Stehn uns die Speisen bereit, wer betet dann künftig die Worte, die Du an unserem Tisch, Liebster, zu sprechen vermocht ? Sohn: Dennoch halte die Tränen zurück, denn weitab vom Grabe werd ich leben und werd jauchzen im ewigen Licht. Wie unser Glaube bezeugt: ich hab ja oft das Bekenntnis zur Wiederholung gesagt — weißt Du es nimmer? — mit Dir. Ewiges Leben! — wir glauben, es sei uns beschieden nach dem irdischen Sein, wenn wir erfüllt sind in Gott. Drum sei ruhig, mein Vater, Du hast nicht Ursach zu trauern; Wahre Wonne zu schau’n gönne vielmehr Deinem Kind! Vater: Kaum vermag die Liebe Besinnung walten zu lassen, denn ein solches* Geschick bringt unerträglichen Schmerz. Aber dennoch gilt’s, dem Willen des Herrn zu gehorchen; seiner Güte zu traun, bleibt des Gebrochenen Stab.
152 Benedikt, Gottes Liebling, der Herr behüte Dein Scheiden! Siehe, der Heiland naht; allzeit leb wohl — lebe wohl! Kaum ist solches gesagt, da schließest Du leis DeineÄuglein, siebenjähriger Du, Du meine Hoffnung, mein Kind! Seinem Johannes Rhumelius Isaak Amerbach in Bopfingen 1564, 26. November Verfasser. Wohl dem, der besorgt ist, die Schrift zu lernen von Kind auf, daß er im Glauben an Christ allzeit zu sterben vermag. Als weitaus wertvollste Gabe unter den kleineren Zuwen dungen verzeichnet unser Katalog: MARCUS JACOBUS SEEFRID, U.I.D. & CONSILIARIUS Neroling(ensis) I : teste manu propria in primo volumine Zwin- | geri: / Legavit. Theodori Zwingeri Theatrum Vitae Humanae/tribus Voluminibus. Basil(eae) 1586 fol. Uralte Teutsche Bibel/ : teste ibidem manu propria : / fol. Für uns kommt hier die „Uralte Teutsche Bibel“ in Be tracht. Es handelt sich um die sog. 2. deutsche Bibel, die 1466 in Straßburg in der Druckerei des H. Eggestein gedruckt wurde. (S. Anhang II, S. 173.) Der Stifter Marx Jakob Seefried, Doktor beider Rechte, war 1600 nach Nördlingen gekommen und bekleidete hier von 1618 bis 1638 das Amt eines Ratskonsulenten. Er schenkte im Jahre 1635 die kostbare deutsche Bibel, die ebenso wertvoll ist als Denkmal der frühen deutschen Buchdruckerkunst wie interessant als Übersetzung der gesamten Bibel ins Deutsche vor Luther, der Kirchenbibliothek und fügte dem Geschenk fol gende eigenhändige Widmung bei: Ob vetustatem inque testimonium verum dixisse D. Lutherum sancta biblia etiam ante eum in linguam Germanicam translata fuisse adeo tarnen obscure, ut vix verba percipi minus vero sensus hauriri inter genuinus potuerit, Exemplar hoc reliquis in Sacristia asservatis libris* dono addere voluit Marcus Jacobus Seefrid manü propria, Nerolingae XXIII Novemb(ris) Ao. MDCxxxv. Aus dieser Widmung, die diese alte Bibel gewissermaßen als Beispiel der oft schwer verständlichen und fehlerhaften Über setzungen vor Luthers Übertragung hinstellt, geht hervor, daß die Bücher der Kirchenbibliothek zu jener Zeit in der Sakristei der Kirche aufbewahrt wurden. Das berichtet auch Hirsching
153 noch vom Ende des 18. Jahrhunderts (a. a. O. III. Bd., 1. Abt.r S. 546 f.). Er teilt mit, daß die Bücher „in verschlossenen Kästen auf bewahrt“ werden, und fährt fort: „Es ist aber die Un bequemlichkeit dabey, daß viele Bücher wegen Mangel des Raums in doppelten Reihen hintereinander stehen, und schwer aufzu suchen sind. Es wäre daher zu wünschen, daß ein freyer Platz zu bequemerer Stellung und Übersicht könnte ausfindig gemacht werden.“ Die Aufsicht über die Kirchenbibliothek hatte der je weilige Archidiakon, d. h. der Inhaber des Stadtpfarramtes, der auch heute noch die Bibliothek zu verwalten hat. Er verwendete als Bibliothekar die vom Rat jeweils bewilligte Summe für Neu anschaffungen und ergänzte den Katalog entsprechend. Letzteres ist geschehen bis 1773 durch regelmäßige Einträge. Wie erwähnt, berichtet unser Katalog von 1678 auch von Neuanschaffungen, die in bescheidenem Umfange durch Zuschüsse aus der Stadt kasse ermöglicht wurden. (Vgl. S. 148.) Besonders in der Zeit zwischen 1668 und 1700 war dies beinahe regelmäßig der Fall. Dann tritt eine lange Pause ein. Erst von 1788 an kommen von der Stadt wieder Zuschüsse zur Kirchenbibliothek und zwar 10 fl. jährlich. Von den verschiedenen Zugängen der Folgezeit, unter denen sich auch einige von angesehenen Nördlinger Familien, z. B. der Frickhinger, befinden, mögen noch zwei erwähnt werden. Neben dem Katalog von 1678 findet sich noch ein zweiter, der 53 Quartseiten umfaßt. Er trägt auf dem ersten Blatt die Aufschrift: „Verzeichnus der Bücher, Weyl(and) H(errn) M(agister) Johann Schmids, Coeci, seel(ig), welche von Löbl. Stipendiatenpfleg 9 in die Sacristey zu S. Georgen, allhier in Nördlingen, erkaufft worden A.C. 1689.4< Dieser Magister Johann Schmid war als Sohn eines Nördlinger Sattlers 1639 geboren. Er war als Knabe schon um sein Augenlicht gekommen, hatte die lateinische Schule zu Nörd lingen besucht und darnach in Straßburg, Mömpelgard und an anderen Universitäten studiert und die Magisterwürde erworben. Von 1670—1674 wurde er in Nördlingen als Hilfsprediger ver wendet und begab sich dann nach Jena. Jetzt führte er, in unglück licher Ehe mit einer Frau lebend, die „zänkisch und närrisch“ wurde, 9 Die mit Kapital und Grundstücken ausgestattete Stipendiatenpfleg war eine geistliche Pflege, welche die Stipendien verrechnete und verteilte. Sie war wohl aus Meßstipendien und anderen Stiftungen hervorgegangen.
154 ein unstetes Wanderleben, das ihn bis nach Dänemark tührte. Während seiner Reisen predigte er auf vielen Kanzeln. Schließ lich kam er wieder in seine Vaterstadt zurück und kaufte hier unter dem Drucke bitterer Not eine Wein Wirtschaft. Warum er nicht in irgend einer Form im geistlichen Amte Verwendung fand, läßt sich nicht ermitteln. Endlich zog er nach dem ganz nahe bei Nördlingen gelegenen Dorfe Baldingen, wo er abermals ein Gasthaus, das längere Zeit nach ihm benannte „Blinde Eck“, erwarb. Dort starb er „als ein unglücklicher Gelehrter“ im Alter von 50 Jahren am 5. April 1689 und hinterließ eine Witwe mit 6 Kindern (vgl. Beyschlag, Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie die Nördlingischen Epitaphien enthaltend, Nördlingen 1801, S. 432). Seine Bibliothek, die eine bemerkens wert umfangreiche Sammlung von evangelischen Kirchenord nungen enthielt, wurde für die Nördlinger Kirchenbibliothek an gekauft. Der Katalog zählt 102 Kirchenordnungen deutscher Länder und Reichsstädte, auch solche von Holland, Kurland und Däne mark und eine württembergische von 1559 auf, die das Vorbild für die Nördlinger Kirchenordnung von 1579 war. Die württem bergische trägt den Titel: „Von Gottes gnaden unser Christoffs Hertzogen zu Würtemberg ... summarischer vnd einfältiger Be griff I wie es mit der Lehre vnd Ceremonien in den Kirchen vnsers Fürstenthumbs .. gehalten vnd volzogen werden solle. Getrukt zu Tüwingen / Jm jar 1559“. Folio. Die nördlingische von 1579 ist in drei handschriftlichen Exemplaren im städtischen Archiv verwahrt. Wörtliche Übereinstimmung mit der württembergischen zeigen z. B. die Abschnitte „Von der Tauf“, „Von der Bueß und Absolution“ (teilweise) und „Ordnung der Ehe einleitung“. (Vgl. Chr. Geyer, Die Nördlinger evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. München 1896 bei C. H. Beck, S. 71 ff*)* Ferner bringt der Katalog der Büchersamm lung des Magisters Schmid Caecus noch „Allerhand Schöne Pre digten und andere Schrifften“; daran schließen sich „Catechismus, Beicht- und Betbüchl in 8° und lang 12°“ .... und „Gesang bücher“. Als Autor erscheint Schmid selbst mit seinen „Disputationes, Gastpredigten und Jesus Calender“ (Nr. 121 des Ka talogs), einem stattlichen Quartband in weißem Leder, und seiner „Bet-Postill oder Festtags-Andachten über alle Christliche Fest-
155 oder Feyertags-Evangelia ... durch M. Johann Schmid Theologum Caecum Nerolingensem. Augsburg 1671“. (Nr. 142 des Katalogs, Oktavband in Pergament, 759 Seiten.) In einem Handschrif tenband der städtischen Archivbibliothek, betitelt „ Biographien merkwürdiger Personen in Nördlingen“, werden nach der Schil derung seines Lebensganges alle seine Schriften, Abhandlungen und Reden aufgezählt. Das Verzeichnis umfaßt die stattliche Zahl von 28 Werken, die, wenn auch meist kleineren Umfangs, doch davon zeugen, daß der blinde Magister ein hochgebildeter, belesener und vielseitiger Mann war, dessen wahrhaft tragisches Schicksal und Lebensende am wenigsten durch seine Blindheit herbeigeführt wurde. In seiner Katechismensammlung befinden sich noch zwei bedeutendere Stücke. Das eine ist Luthers kleiner Katechismus mit Holzschnitten von Hans Sebald Beham. „Catechismus für die gemeine Pfarrherr vnd Prediger. D. Mart. Luther. Zu Frankfurdt am Mayn druckts Weygand Han“. Folio, 52 S. Hans Sebald Beham (1500—1550), Maler, Kupferstecher und Zeich ner für den Formschnitt lebte von 1532 an bis zu seinem Tode in Frankfurt a. M. Der Katechismus ist einer Kirchenordnung der Markgrafen zu Brandenburg und des Rats der Stadt Nürn berg von 1564 beigebunden. Er enthält einen Titelholzschnitt, Christus am Kreuz, darunter Maria und Johannes, ferner Holz schnitte zu den einzelnen Geboten, den drei Glaubensartikeln, den sieben Bitten des Vaterunsers und den Sakramenten Taufe und Abendmahl. Das andere ist der seltene „Deutsch Catechismus. Gemeret mit einer neuen vnderricht vnnd Vermanung zu der Beycht“ Mart. Luth. mdxxxui, Oktav, in einem Sammel band, 142 Seiten mit Initialen und kleinen und ganzseitigen Holzschnitten. Auch diese Sammlung zeigt heute leider beträcht liche Lücken; von 312 Nummern des Katalogs sind nur mehr 135 und von diesen manche nur teilweise vorhanden, ein Beweis für die Tatsache, daß es Zeiten in der Bibliotheksgeschichte gegeben hat, in denen durch Mangel an Verständnis und Sorg falt verloren ging, was in anderen Zeiten eifrig gesammelt worden war. Endlich wurde die Kirchenbibliothek von dem Nördlinger Buchdrucker und Buchhändler Karl Gottlob Beck mit je einem Exemplar von seinen Verlagswerken beschenkt. (Vgl. Hirsching a. a. O. S. 545.) Damit hat dieser bedeutende Buchhändler sich
156 und seinem zu Weltruf emporblühenden Verlagshause ein blei bendes Andenken in seiner Adoptivheimat gesichert. (Vgl. auch die Schenkung der C. H. Beckschen Buchhandlung an die Nördlinger Stadtbibliothek S. 140.) Im allgemeinen führten die Bücher der Kirchenbibliothek in ihren „verschlossenen Kästen“ in der Sakristei wohl ein recht stilles, in mancher Hinsicht vergessenes Dasein. Störende Ein griffe von außen sind zum mindesten seit der Mitte des 17. Jahr hunderts nicht mehr anzunehmen. Um so schmerzlicher berührt es, daß diese Bibliothek im 19. Jahrhundert unersetzliche Ver luste erlitt, die in doppelter Beziehung beklagenswert sind, ein mal wegen der wertvollen Werke, um die es sich handelt, und nicht weniger vielleicht wegen der Umstände, durch die diese Verluste herbeigeführt wurden. In einer von dem erwähnten Hospitalpfarrer und Stadtbibliothekar Johann Friedrich Weng (vgl. S. 137) im Jahre 1806 gefertigten Abschrift des Katalogs von 1678 liegen zwei lose Aktenbögen, die Kunde von ziemlich umfangreichen V er äuß eru n ge n geben. Ihr Inhalt wird durch die Akten des Stadtpfarramtes bestätigt. Man wollte offenbar die Bibliothek „sichten“. Am 21. Februar 1859 wurden an das Antiquariat der Beckschen Buchhandlung in Nord1 in gen 17 Bände und 9 Kirchenordnungen um 63 fl. 18 kr. „mit Hoher Regierungs- und Consistorialbewilligung“ verkauft. (Vgl. Glauning, a. a. O. Seite 38.) Unter den veräußerten Bü chern waren drei Inkunabeln, nämlich 1. Biblia latina, 1478. 2. Guidonis historia Trojana, 14873. Vocabularius rerum, Straßburg 1495. Und im November desselben Jahres bekam das Becksche Antiquariat nochmals die „Auswahl einer Sammlung von Büchern aus der Kirchenbibliothek in Nördlingen, philologischen Inhalts, teilweise wurmstichig“. Es waren 75 Folio- und 44 Quartbände, also 119 Bände um 120 fl. Darunter waren 54 Wiegendrucke, z. B. Boöthius, De consolatione philosophiae, Venedig 1489, Folio, veranschlagt zu 24 kr.; Thomas de Aquino, Summa theologiae, tom. 1. 2. Venedig 1483 und 1484, Folio, zu 2 fl. Zum Glück nahm man wenigstens nicht das Geld, sondern verlangte als Tausch Melanchthons Werke in 21 Bänden, zu 80 fl. veranschlagt, und weitere nicht näher bezeichnete theologische Antiquarien
157 und Werke im Werte von 40 fl. So erklären sich zum Teil die bereits erwähnten Verluste aus der Schenkung Protzers, der Ramings nach dem Jahr 1678 und der des Magisters Joh. Schmid Caecus, Wenn man nun bedenkt, daß unter den weggegebenen Büchern 54 Inkunabeln, 40 in Folio und 14 in Quart, waren, daß sich darunter Werke befanden wie Boöthius, De consolatione philosophiae, Venedig 1489 oder Thomas von Aquino, Summa theologiae, tomus I u. II, Venedig 1483 und 1484, von denen das erste um 24 kr., das zweite um 2 fl. weggegeben wurde, so muß man es, selbst bei der Annahme, daß die Bücher „teilweise wurmstichig“ waren, tief beklagen, daß solch wertvolle und ehrwürdige Bestandteile der Bibliothek dieser nicht unter allen Umständen erhalten geblieben sind. Wir denken heute in diesen Dingen anders und so wird auch die Bibliothek der Georgskirche, die gegenwärtig etwa 75 0 Bände umfaßt und ausschließlich theolo gischen und allgemein wissenschaftlichen Zwecken dient, treulich gehütet als kostbares, in vielen Stücken unersetzliches Erbe der Väter. Sie ist nicht mehr in der Sakristei der Kirche aufgestellt, sondern seit 1888 in einem stimmungsvollen Raum über der Sakristei. Im Jahre 1907 wurden die Inkunabeln der Kirchenund der Stadtbibliothek im Auftrag der „Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke bei der Kgl. Bibliothek zu Berlin“ von E. Freys-München aufgenommen, 1916 wurden die Bücher nach zusammengehörenden Gruppen geordnet und nach bibliothekarischen Gesichtspunkten aufgestellt. Über eine dunkle Wendeltreppe gelangt man zum Bücher raum. Gotische Bogenrippen wölben die Decke, Butzenscheiben lassen das Tageslicht gedämpft hereindringen. Wer da an einem sonnigen Maientag etwa hinaufkommt und läßt die Frühlings sonne zum geöffneten Fensterflügel in breiten Lichtstreifen herein strömen, während draußen auf dem stillen Kirchenplatz ein paar Kinder spielen und die Amsel singt, es sonst aber weltverloren stille ist, — und nimmt einen der alten Folianten zur Hand, etwa des heiligen Augustinus De civitate Dei, gedruckt zu Freiburg im Jahre 1494, oder die lateinische Bibel, die aus der Druckerei Meister Kobergers zu Nürnberg im Jahre 1478 hervorging, oder den alten Ulmer Druck der Legenda aurea des Jacobus de Voragine, dem wird gar feierlich zu Mute. Er fühlt, ein Kind später Zeiten, den geheimnisvollen Zusammenhang des Geistigen
158 über Jahrhunderte und Länder und Meere hinweg, dasaus ewigem, geheimnisvollem Urgrund hervorgebrochen wieder hindrängt über alle menschlichen Bindungen und Trennungen hinweg zum Ewigen und Einen. III.
Die Bibliothek der Lateinischen Schule. Der Humanismus hatte ein neues Bildungsideal aufgestellt: er wollte den geistig freien Menschen heranbilden. Die Geistes welt des griechischen und römischen Altertums war Vorbild und Grundlage dieser Bildung.1) Das Vorrecht, höhere Bildung zu vermitteln, das im Mittelalter ausschließlich in den Händen der Geistlichkeit gelegen war, wurde dieser entwunden; der Unterricht in den wissenschaftlichen Fächern sollte auch nicht mehr allein zur Vorbereitung auf den geistlichen oder, was ja oft damit zusammenfiel, den staatsmännischen Beruf dienen, son dern jeder, der Lust und Fähigkeit besaß, sollte an den uner schöpflichen Quellen seinen Wissensdurst löschen und sich zum Menschen in des Wortes höchster und umfassendster Bedeutung heranbilden. So entstanden auch in Deutschland allenthalben Humanistenschulen, die sich zunächst an die alten Universitäten anschlossen; ihrer weiteren Entwicklung und Verbreitung kam die wirtschaftliche Blüte der freien Reichsstädte entgegen: dem Glanz des Reichtums sollte sich die Pflege der Wissenschaften und des gelehrten Unterrichts beigesellen. Auf diesen Grund lagen erwuchs auch die Nördlinger lateinische Schule. Die in Nördlingen vorhandene Parochialschule erhielt im Jahre 1512 den Namen „Lateinische Schule“ (vgl. D. E. Beyschlag, Versuch einer Schulgeschichte, 2. Stück, S. 3 ff.). Diese Namensänderung war nicht nur äußerlich, sondern jetzt zog in ihre Mauern der Geist des Humanismus ein. (Vgl. H. Ockel, Die lateinische Schule der Reichsstadt Nördlingen. Zeitschrift des Historischen Ver eins für Schwaben und Neuburg, Band 34, 1908). In der Schul ordnung von 1522 wird dem Bildungsideal der Zeit entsprechend „der Kunst des latein redens vnd Schreibens“ eigens gedacht. Die Schule wurde auch mit Büchern bedacht und im Laufe der 9 Vgl. Ziegler, Geschichte der Pädagogik mit besonderer Rücksicht auf das höhere Unterrichtswesen, 3. Auf!., München 1909.
159 Zeiten kam eine Bücherei zustande, die heute etwa 4000 Bände umfaßt und in 9 Schränken in den Räumen des Progymnasiums untergebracht ist, dessen Eigentum die Bücher sind. Zahlreiche Widmungen in den Büchern legen davon Zeugnis ab, daß Freunde der Schule, angesehene Männer der Stadt und ehemalige Schüler immer wieder durch Büchergeschenke ihrer Wertschätzung dieser Bildungsstätte sichtbaren Ausdruck gegeben haben. Eine fortlaufende Ergänzung des Bücherbestandes, frei lich iri recht bescheidenem Umfange, ermöglichten die Strafgelder, die die Schüler alle Monate zahlen mußten, „wenn sie teutsch sprechen“ statt wie vorgeschrieben lateinisch „oder sonst etwas begehen“, (vgl. Hirsching, a. a. O. S. 548 und L. Mußgnug, „Ein Streifzug durch Nördlingens Geschichte“, Nördlingen 1921, 2. Aufl., S. 13.) Endlich waren die Schüler der obersten (fünften) Klasse verpflichtet, bei ihrem Abschied von der Schule ein Werk zu stiften; diesbezügliche Einträge zeugen davon. Von Spendern wären etwa zu nennen : Georg Caspar Ehinger, der 1750 die vierte Klasse des Lyzeums, wie es damals hieß, führte und schon 1754 im Alter von 27 Jahren von einem Lungen leiden dahingerafft wurde. Er vermachte seine Bücherei, die in der Hauptsache aus antiken Schriftstellern bestand, der Schul bibliothek zum Andenken. Es finden sich davon heute 13 Bände mit dem Eintrag: Bibliotheca Ehingeriana. Ferner bedachte die Bibliothek Daniel Eberhard Dolp, Bürgermeister von 1762 bis 177 U dem als gewesenem Protoscholarcha in einem Nachrufe von einem Freunde nachgerühmt wird: „ . . .besonders aber ging Seine Absicht auf die Vermehrung der Schulbibliothek, die Jhme manch schönes Werk zu danken hatte. Er selbsten hatte dieselbe mit einer schönen und prächtigen Ausgabe vom Corpus Juris civilis Beschenkt“. (Denkmal bei dem Grabe des Herrn Bürgermeisters Daniel Eberhard Dolps in der Reichsstadt Nörd lingen,“ Öttingen 177L anonym. Der Nachruf ist von G. W. Zapf.). Von Schenkungen jener Schüler, die die Schule verließen, zeugen Einträge in den Büchern wie: „Sit hic libellus bibliotheculae IV. classis memoriae causa insertus a I. F. Schepperlino 1748“, Ausonii Opera 8°, 1608 oder „Ut et absentis memoria servaretur, hunc libellum Bibliothecae inserendum curavit Georgius Christophorus Hubelius Nerolingae Kal. Junii Ao MDCCxxv“
160 in Desiderii Erasmi Roterodami Colloquia, 8° Jena, 1670 oder „Librum hunc in perpetuam sui memoriam et commilitonum usum ad Scholas universales abituriens, Bibliothecae scholasticae inserere voiuit Georg Matthäus Ammerbacher. Nerolingae, d. 8. April 1728“ in Des. Erasmi Roterodam. Apophthegmatum libri octo. Basel, 1535, Oktav. Die Anschaffung aus Strafgeldern beweisen die Einträge : „ex mulctis irrogatis“ oder „ex mulcta quadam irrogata“, die sich öfter finden. Von einer originellen Art, der Bibliothek Bücher zuzuführen, zeugt folgender Eintrag in einem Handbuch der Universalhistorie, Göttingen 1765, Quart: Jussu Magnifici Con8ulis regentis Dan. Euerardi Dolpi Protoscholarchae de Lyceo patrio meritissimi ex mulcta quadam civi in praeceptorem iniuris irrogata Bibliothecae scholasticae, ut inde sibi exempium sumeret posteritas paravit Jo. Fridericus Schoepperlin Lyc(ei) patr(ii) Rector et Soc(ietatis) Lat(inae) Jen(ensis) Coll(aborator) Honorar(ius) MDCCLXV m(ense) Maio. So kam, besonders an Drucken aus dem 16. Jahrhundert, ein für die Bibliothek einer so kleinen Schule nicht unansehn licher Bestand zusammen. Es finden sich 11 Bände, die antike Schriftsteller, griechische Autoren zum Teil in lateinischer Über setzung, in Drucken des 16. Jahrhunderts enthalten. Es sind: 1. C. Suetonii Tranquilli De vita duodecim Caesarum, Libri XII, 8° Straßburg, Johannes Prüss, 1520, mit Titelholzschnitt. 2. Dasselbe 8°, Lyon 1558 bei Johannes Tornaesius und Jul. Gazeius. 3. M. Fabius Quintilianus, Institutionum oratoriarum Libri XII, Folio, Paris, Gervasius Chevallonius 1538. Verzierter Leder band von 1543. Hübsche Holzschnitt-Initialen. Aus Ehingers Bücherei. 4. Plutarchi Cheronei Graecorum Romanorumque illustrium Vitae, Basileae apud Mich. Isingrinium Anno 1542. Folio, lateinisch. 5. Homeri .. . Ilias, Latino carmine reddita Helio Eobano Hesso interprete, Parisiis apud Joannem Roigny 1550. Oktavband in dunkelbraunem Leder. 6. S04>0KAEOYS TPATQMAl ElITA, Francofurti, ex officina Petri Brubachii, 1544, Quart.
161
7.
nreiA IS0MIA mit griechischem Kommentar. Francoforti, opera impensa Petri Brubachii, 1542, Oktav. 8. Isocratis scripta, Basileae, ex officina Oporiniana 1587. Hübsch gepreßter Oktavband in Leder. Griechisch und lateinisch. Die lateinische Übersetzung stammt von dem Humanisten Hieronymus Wolf. 9. Hesiodi . . opera. Abraham Lamberg imprimebat Leipzig 1591. Oktavband in weißem Leder von 1593. Demselben Band beigebunden: Plutarch, liegt naldcov dycoyfjg und drei Reden des Isocrates, beides nur in griechischer Sprache. Wittenberg 1590. Excudebat Zacharias Lehmann. 10. Epicteti Enchiridion . . lateinisch von Hieronymus Wolf, Basel 1560 bei Oporin. Quart. 11. Ciceronis Opera 1588. Quart. Titelblatt fehlt. Von Humanisten sind mit Drucken aus dem 16. Jahr hundert vertreten: Erasmus von Rotterdam mit dem Opus adagiorum, BaselFroben 1528, Folio und den Apophthegmata (lateinisch) BaselFroben 1535, Oktavband in einem Pergamentband aus einem Blatt eines alten Meßbuches. Dann in einem Sammelband, Oktavband in Pergamentblatt, das einer lateinischen Bibelhandschrift entnommen ist, Erasmus von Rotterdam mit seinem Opus de conscribendis epistolis, Köln 1587 bei Peter Horst und Conrad Celtes mit dem Methodus conficiendarum epistolarum, Köln 1579 bei Peter Horst. Der Band stammt ebenfalls von Ehinger. Ferner Joh. Sleidanus, Commentariorum de statu religionis et reipublicae Carolo V. caesare Libri XXVI, Straßburg 1566. (Johann Sleidanus, eigent lich Philippi, geb. 1506 oder 1508 zu Schleiden bei Köln, Ge schichtsschreiber, starb 1556 in Straßburg). Gemma Frisius, Arithmeticae practicae methodus facilis, Wittenberg 1544, 16° und Peurbach, Geo-arithmeticae elementa cum praefatione Ph. Melanchthonis, Frankfurt 1544. Quart. Endlich der Praeceptor Germaniae, Philipp Melanchthon, mit einem Band Selectarum declamationum, tomus IV, Straßburg 1560 und den Erotemata dialectices, Wittenberg 1556. IHNAAPOT OATMniA NEMEA
11
162 Im ganzen sind die Humanisten, was Drucke aus dem 16. Jahrhundert betrifft, mit 15 Bänden vertreten. Aber auch das deutsche Schrifttum wurde nicht vernachlässigt. Vor allem ist es die Blütezeit des 18. Jahrhunderts, deren Niederschlag wir in der Schulbibliothek finden. An Bodmers und Breitingers kriti sche Schriften (Joh. Jakob Bodmer, Kritische Betrachtungen über die poetischen Gemälde der Dichter, Zürich 1741, Originalausgabe, und Joh. Jakob Breitinger, Kritische Abhandlung von der Natur, den Absichten und dem Gebrauch der Gleichnisse, Zürich 1740, Originalausgabe) schließen sich Gellerts „Geistliche Oden und Lieder“ an, Leipzig 1757, Originalausgabe. Auch die ältere deutsche Sprachwissenschaft ist erfreulicher weise vertreten in zwei Hauptwerken Justus Georg Schottels (1616—1676) und Joh. Christoph Adelungs (1732—1806): J. G. Schottelius, „Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt Sprache .... abgetheilet in fünf Bücher“, Braunschweig 1663, Quart, Originalausgabe und Joh. Christoph Adelung, „Auszug aus dem grammatischkritischen Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart“, Leipzig 1793, 5 Bände. Endlich zieren die Schulbibliothek Fr. v. Schillers sämtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1812—15, Cotta, 12 Bände in 14, erste Gesamtausgabe, und Goethes Werke, vollstän dige Ausgabe letzter Hand, Stuttgart und Tübingen 1828 bis 1834, Cotta, 55 Bände und ein Registerband, beides in dieser Form nicht durchaus selbstverständliche Bestandteile einer bescheidenen Schulbibliothek, beides das größte Vermächtnis deutschen Geistes für Lehrende und Lernende an einer höheren Schule in deutschen Landen. Einen äußerst wichtigen Bestandteil der Schulbibliothek bildet endlich die Sammlung „Noerdlingana et Suevica“. Sie enthält 127 Bände, unter denen sich grundlegende Werke für die orts- und heimatgeschichtliche Forschung befinden. Diese Samm lung ist im Rathaus aufgestellt. An dieser Stelle müssen wir vor allem dreier Männer ge denken, deren Arbeiten wegen ihrer wissenschaftlichen Gründlich keit auch heute noch bei geschichtlichen Forschungen über Nordfingen treffliche Dienste leisten. Es sind Daniel Eberhard Dolp, Joh. Friedrich Schoepperlin und Daniel Eberhard Beyschlag.
163 Dolp. 1702 in Nördlingen geboren, trat wie sein Vater und Großvater in die Dienste der Stadt, deren Oberhaupt er im Jahre 1762 wurde. Er bekleidete das Amt eines Bürgermeisters bis zu seinem Tode im Jahre 1771* Wir haben ihn als Gönner der lateinischen Schule und ihrer Bibliothek kennen gelernt. (Vgl. S. 159.) Er schrieb den „Gründlichen Bericht von dem alten Zustand und erfolgter Reformation der Kirchen, Clöster und Schule in des H. Reichs Stadt Noerdlingen und ihrem angehörigen Gebiet . Noerdlingen bey Georg Gottfried Mundbach 1738, 8°. In Schoepperlin lernen wir den Sohn einer alten Nördlinger Familie kennen. Er wirkte seit 1755 an der lateini schen Schule, die er von 1763 bis zu seinem im Jahre 1772 er folgten Tode als Rekor leitete. Er ist der Verfasser der „Kleinen historischen Schriften“, Nördlingen 1787, 2 Bände, 8°. Beyschlag endlich, auch aus Alt-Nördlinger Geschlecht, war ebenfalls Rektor der lateinischen Schule (1789—1801) und wurde im Jahre 1801 als Rektor des Gymnasiums bei St. Anna und Stadtbibliothekar nach Augsburg berufen. Er war der vielseitigste unter den ge nannten Lokalhistorikern. Neben seinen „Beyträgen zur Kunst geschichte der Reichsstadt Nördlingen“, 7 Stücke, Nördlingen 1798—1801 und dem „Versuch einer Schulgeschichte der Reichs stadt Nördlingen“, Nördlingen 1793—1797, sind besonders zu nennen die „Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie, die Nördlingischen Epitaphien enthaltend“ .. Nördlingen 1801 —1803, ein unentbehrliches und zuverlässiges Nachschlagewerk für bio graphische und familiengeschichtliche Forschung. Die „Beyträge zur Geschlechtshistorie . .“ umfassen zwei Bände. Der Plan und die Anlage des Werkes stammen von Beyschlag, der auch den 1. Band selbst ausgearbeitet hat. Der 2. Band ist als Fortsetzung des ersten von Maler Johannes Müller fertiggestellt worden. Auch der Nördlinger Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts, Christian Mayer fußt in seinem Hauptwerk „Die Stadt Nörd lingen, ihr Leben und ihre Kunst im Lichte der Vorzeit“, Nörd lingen 1876, in vielen Dingen auf den drei genannten Autoren. Mauern, Tore, Türme, eine große Kirche und ein Rathaus auf dem Marktplatz — das ist die deutsche Kleinstadt, ein Symbol altdeutschen Städtelebens. Alle diese Städte waren in vergangenen Jahrhunderten Mittelpunkte einer kleineren oder größeren in sich geschlossenen Landschaft, Herz eines lebendigen Orga-
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nismus. Das ist Vergangenheit. Rauchende Schlote, sausende Schwungräder, riesige Hallen, Schmelzöfen und Fabriken, Kauf häuser und Bankpaläste, Theater, Museen und groß angelegte Bildungsstätten, das ist die Gegenwart: die Großstadt beherrscht das Leben unserer Tage. Aber so wenig ein Mensch seine Jugend vergessen kann, so wenig darf ein Volk sich lösen von seiner Vergangenheit. Und darum schöpfen wir aus dem Anblick jener altersgrauen Mauern und Türme, jener Kirchen und Altäre immer wieder neue Kenntnis der deutschen Seele, unserer eigenen Seele. Und sie hat sich in jenen stillen Kleinstädten geradeso offenbart wie an anderen Orten, die von allen aufgesucht werden, weil sie allgemein bekannt sind. Für den Bücherfreund aber sind das Köstlichste die Bücherschätze, die solch ein Städtlein im ehr würdigen Gewölbe, im gotischen Ratsstüblein oder in stiller Zelle seit Jahrhunderten hütet. Sie sind kostbare Gefäße, die geistige Werte im Wandel der Zeiten treu bewahrt haben. Der Geschlechter lange Reihe hat aus ihnen Licht der Erkenntnis, Kraft und Mut, Trost und Glauben geschöpft.
Anhang. i.
Aus dem gegenwärtigen Bestand der Stadtbibliothek. Die Stadtbibliothek, die heute an die 15000 Bände ent hält, besitzt 164 Inkunabeln und 28 Einblattdrucke vor 1500. Davon sind aus Johannes Protzers Stiftung 104 Wiegen drucke, die den eigenhändigen Eintrag des Stifters enthalten. Dieser lautet z. B. c t Johannes pRotzeR I. V. Doctor Mv xii conpa In GeRMANIA. VI. Lib. (= sex libris, d. i. 6 Pfund, ca. 12 Silbermark). In mehreren Bänden findet sich, ebenfalls von Protzers Hand das Motto: Mors tua Mors Xpi (= Christi) FRaus mundi / Gloria celi Et doloR infeRni / Sunt Meditanda Tibi. Die Inkunabeln hat Protzer in den Jahren 1492—1518 teils „in Italia“, teils „in Germania“ erworben. Von Drucken nach 1500 besitzt die Stadtbibliothek aus Protzers Vermächtnis 24 Bände. Rechnet man gleich hieher die 38 Inkunabeln aus Protzers Stiftung, die der Kirchenbibliothek gehören, so ergibt sich ein Gesamtbestand von 142 Wiegendrucken aus Protzers Vermächtnis. Die umfangreichste Sammlung unter den Urbeständen der Stadtbibliothek ist die Bücherei Jakob Kyllingers. (Vgl. S. 117)Sie umfaßt 873 Bände und zwar 277 in Folio, 209 in Quart und 387 in Oktav. Sie sind an ihrem einheitlichen Einband kenntlich. Es sind weiße Lederbände mit ornamentaler oder figürlicher Pressung. Den älteren sind auf der Außenseite des Vorderdeckels die Buchstaben I. K. oder I. K. D. oder jtACOBUS KILLINGER eingepreßt, die weitaus größere Zahl aber ist mit dem Familienwappen der Kyllinger geschmückt; dieses ist ebenfalls aufge preßt und rein weiß gehalten. Das Wappenbild ist ein auf den Hinterläufen hüpfender Hase, der auch die Helmzier bildet. In deren Höhe läuft ein schmales Band quer über das Wappen mit den Buchstaben M. I. K. D. = Magister Jacobus Kyllinger Doctor.
166 Kyllinger war 1589 in Tübingen Magister geworden. Die ovale Umrahmung des ganzen Wappens trägt die Umschrift: VT DAT MENTIS HONOK caelos // ITA kyrios VSQVE. 1589. Die Mehr zahl der Bände (592) hat Kyllinger überdies mit eigenhändigem Eintrag auf dem Titelblatt versehen, z. B. Genio & Ingenio. Sum M. Jac. Kyllinger D. D. qui me suis addidit Calend. Mart. Anno Christi MDCIV. Einige glatte weiße Pergamentbände tragen das Kyllingersche Wappen in Gold. Aus der Fülle der wertvo llen Wiegendrucke derStadtbibliothek mögen nur einige hervorgehoben werden: 1. Johannes de Turnhout, Casus breves super totum corpus juris, Folio, sine loco et anno. Auf der Innen seite des Vorderdeckels findet sich der Eintrag: Johannes Protzer I. V. Licentiatus MCCCCXCIH conpat In Itaiia. Es ist ein Folioband in Holzdeckeln, die ganz mit braunem Leder von einfacher Blindpressung überzogen sind. Der gotische Druck ist in zwei Kolumnen zu je 47 Zeilen angeordnet. Die Initialen sind einfach, von roter Farbe, mit der Hand gemalt. Der Platz für dieselben ist im Druck für den Rubrikator jeweils frei gelassen. Die zwei Schließen des Buches sind weggebrochen. Auf Folio Ia ohne jeden Titel: Incipiunt Casus breves super totum corpus iuris civilis perEgregium virum magistrum Johanem Turnout alme vniuersitatis lonanien(sis). Das Werk schließt: Expliciunt Casus breves super toto corpore iurium civilium. Der Druck ist das Werk eines deutschen Buchdruckers, des Albert Kunne von Duderstadt, der seine Kunst in Memmingen ausübte. (Vgl. Hain, Repertorium Bibliographicum .,, 15686.) 2. Biblia latina cum postillis Nicolai de Lyra, Vol. 1.2.3.4. Nürnberg, A. Koberger 1493, Folio. Das Werk besteht aus vier Bänden und enthält in lateinischer Sprache den Bibeltext und die Bibelerklärung des Franziskanerprovinzials Nicolaus de Lyra (1270—1340), die erste, die gedruckt wurde. Die Einbände sind Holzdeckel, mit braunem, einfach ge preßtem Leder überzogen. Je vier Eckbeschläge und ein Schutz nagel auf der Außenseite des vorderen und hinteren Deckels sowie je zwei Schließen vervollständigen das Außere jedes Bandes. Der 1. Band trägt auf der Mitte der ersten Seite als Titel: Postilla fratris Nicolai de lyra de ordine minor(um) super Genesim Exodum
167 Leviticum Numeri Deutronomium Josue Judicum Regum & Paralypomenon. cum additionibus pauli episcopi Burgen, replicisque Mathie dorinck cumque textu plano incluso. Die vier Bände umfassen das ganze Alte und Neue Testament. Der Text ist in zwei Kolumnen auf jeder Seite angeordnet, die Erklärungen umgeben den Text allseitig. Jeder Band enthält am Anfang der ersten Textseite (folio2a) einen prächtigen handgemalten Zier buchstaben. Band 1: H, blau mit Deckweiß auf goldenem Grund, Umrahmung rot und grün. Band 2: U, blau auf Goldgrund. Band 3: N, grün auf Goldgrund. Band 4: Q, blau auf Gold. Am Schluß des vierten Bandes: Exactum est Nuremberge insigne hoc ac inusitatum opus biblie unacum postillis venerandi viri ordinis minorum fratris Nicolai de lyra . ., charactere v(er)o imp(re)ssum habes iucundissimo impensisque Anthonij Kobergers praefate civitatis incole. Anno incarnate deitatis MCCCCXCHI die v(er)o duodecima Aprilis. De quo honor invictissime trinitati necnon intemerate virgini Marie iesu christi gerule: Amen. (Vgl# Hain 3170.) 3. Spiegel der waren Rhetoric vss M. Tulio C. vnd andern getutscht: mit Irn glidern cluger reden sandbriefen / vnd formen, menicher contract / se 11zam ReguliertsTutschs vnd nutzbar exempliert | mit fugen vff göttlich vn d kaiserlich schrifft vnd rechte gegründt: nuwlich (vnd vormaln In gemein nye ge sehen) yetz löblich vss gangen. Das ist der Titel eines in deutscher Sprache gedruckten Buches, eines Foliobandes in Holzdeckeln mit Lederrücken. Der Druck in gotischen Lettern ist in 43 ganzen Zeilen auf der Seite angeordnet. Das Titelblatt auf der ersten Seite zeigt drei Figuren in Holzschnitt: zwei wappentragende Engel rechts und links vom Titel selbst und eine wappentragende Frauengestalt darunter. Die zweite Seite wird von einem Holzschnitt mit der Ueberschrift „Rhetorica8 ganz ausgefüllt. Im Vordergrund rechts sitzt ein König mit Krone und Szepter auf dem Thron unter einem Bal dachin, daneben steht ein Page. Vor dem König, diesem zuge wendet, steht eine Frauengestalt, die Rhetorica, einen Stern in Händen haltend. Links von ihr wenden sich zwei Männer eben-
168 falls dem Throne zu, ein Geistlicher und ein Vertreter weltlicher Gelehrsamkeit. Auf der letzten Seite das Impressum: Rhetorischer Spiegel und lüchtender Stern j wolerwegens redens und schribens zuo friburg in Brissgaw uss hilff des / der alle guotheit würckt / vnd von aller creatur zeloben ist. Durch fridrichen Riedrer (= Fried rich Riederer, Verfasser und Drucker) versamelt / gedruckt / vnd volendet. An mittwoch vor sant Lucien tag nach desselben vnsers lieben herren gottes Jhesu cristi gebürt vierzehenhundert Nüntzig vnd drü jar gezalt. Darunter wieder eine wappentragende Frauen gestalt. (vgl. Hain 13914). 4. Bonifatius VIII. Liber VI. Decretalium (und) Clementinae, Venedig, Baptista deTortis 1494, folio. Ein Band in Holzdeckeln mit stark beschädigtem Lederrücken und zwei Schließen, aus Protzers Besitz, von diesem 1495 in Italien erworben. Der Besitzereintrag steht wie gewöhnlich auf der Innenseite des Vorderdeckels. Der Band enthält zwei Werke: die Dekretalen des Papstes Bonifatius VIII. (1294—1303) und die Constitutiones des Papstes Clemens V. (1305—1314), kurz Clementinae genannt, beides Teile des Corpus juris canonici. Der Text ist in zwei Kolumnen auf jeder Seite angeordnet, der klare Druck in gotischer Type schwarz und rot, der Kommentar allseitig um den Text herum. Folio la: Sextus et Clementine de tortis (rot). Folio 104b: Venetiis per Baptistam de Tortis. die primo April(is). MCCccLXXxxim. Die nächste Seite beginnt mit dem Titel: Clementine (rot). Am Schlüsse das Impressum: Venetiis p. Baptistam de tortis. MCCCCLXXXXIIII die XV April(is). Auf der nächstfolgenden, im übrigen leeren Seite das Drukkerzeichen des Baptista de Tortis in negativem Druck auf rotem Grund mit den Buchstaben B. T. (vgl. Hain 3620, Panzer, Annales typographici III, 351). 5. Hartmann Schedel, Liber Chronicarum, Augs burg, Joh. Schönsperger 1497, Folio. Brauner Lederband, der die Spuren von Eckbeschlägen und Schließen zeigt. Auf der Innenseite der Buchdeckel und auf der ersten und der letzten Seite finden sich zahlreiche Einträge und Besitzervermerke von verschiedenen Händen. Gotischer Druck in
169 zwei Kolumnen zu je 51 Zeilen auf der Seite, zahlreiche kleinere und mehrere größere, auch ganzseitige Holzschnitte. Seite 1 im oberen Drittel: Liber cronicarum cum figuris et yma / ginibus ab inicio mü/di usqu(e) nüc temporis. Auf Seite 4 ein ganzseitiger Holzschnitt: Gottvater auf dem Thron, im Herrschermantel, mit Krone und Reichsapfel, die Rechte erhoben. Darüber ein Spruchband mit den Worten: Ipse dixit et facta sunt ipse mandavit et creata sunt. Ps. 33. Auf Seite 680 und 681 eine Karte von Mitteleuropa. Auf Seite 674 das Impressum: Finit hic feliciter über Cronicarum cum figuris & imaginibus ab initio müdi usque nunc temporis Im pressum ac finit um in vigilia purificationis Marie in imp(er)iali urbe Augusta a Johanne Schensperger Anno ab incarnatione domini Mccccxcvn. (vgl. Hain 14, 509). 6. Pauli Aemilii V eronensis De rebus gestis Francorum libri III, Paris, JodocusBadiusAscensius, sine anno, Folio. Ein Folioband in Holzdeckeln mit weißem, leicht gepreßtem Lederrücken. Das erste Blatt zeigt einen mit Figuren und Re naissance-Ornamenten gezierten Rahmen, der den Verfassernamen und den Titel in Kapitalbuchstaben, darunter das Privilegium und unter diesem einen Holzschnitt, darstellend eine Druckerpresse, um schließt. Der Holzschnitt nimmt etwa drei Viertel des Raumes ein und gibt ein anschauliches Bild von der Einrichtung und dem Betrieb der ältesten Druckerpressen. Das Privilegium lautet: Regio privilegio cautum est nequis intra triennium in Regno Franciae hoc Opus rursus imprimat: aut alibi impressum vendat. Der Text ist in schöner, klarer Antiqua in 36 durchgehenden Zeilen auf der Seite angeordnet und enthält acht schöne ornamen tale Zierbuchstaben in Holzschnitt. Der Druck zeigt deutlich den Unterschied zwischen germanischem und romanischem Formemp finden. Während die gotischen Lettern der deutschen Drucker mit ihren derberen knorrigen Formen das deutsche Wesen widerspiegeln, das grüblerisch in die Tiefe dringt und in seinem Ringen um Gestaltung und Ausdruck kraus und wunderlich die Form hintansetzt, leuchtet ui s aus dem klaren Bild der Antiqua, wie sie z. B. in diesem Werk verwendet ist, die Meisterschaft des Romanen in der Beherrschung des Formalen, die durch die
170 Renaissance geschulte und erhöhte Freude an Linie, Form und Gesamtbild entgegen. Und doch wenden wir uns mit einem letzten Gefühl von Fremdheit von diesem harmonischen Formenspiel ab und fühlen uns geheimnisvoll hingezogen zu dem aufwühlenden Kampf unserer deutschen Meister und Künstler, die mit dem Stofflichen und Inhaltlichen um letzte Wahrheit ringen. Denn wir grüßen in diesem Kampf und in seinen künstlerischen Schöpfungen die Seele unseres Volkstums, Geist von unserem Geiste. Von den Einblattdrucken der Nördlinger Stadtbiblio thek sind zu erwähnen die Schützenbriefe und der Ab laßbrief des Papstes Sixtus IV. aus dem Jahre 1479 zur Vollendung der Georgskirche. Nördlingen besitzt 13 Schützenbriefe folgender Städte: 1. Nördlingen, gedruckt 1477 in Augsburg von Günther Zainer. 2. Lenzkirch, gedruckt 1479 in Basel von Michael Wenssler. 3. Schwäbisch Gmünd, gedruckt 1479 in Ulm von Johann Zainer. 4. Speyer, gedruckt 1480 in Speyer von Peter Drach. 5. Offenburg, gedruckt 1483 in Straßburg von dem Drucker der Vitas patrum. 6. Passau, gedruckt 1484 in Nürnberg von den AugustinerEremiten. 7. Bamberg, gedruckt 1488 in Bamberg von Johann Sensen schmidt. 8. Heidelberg, gedruckt 1490 in Heidelberg von Heinrich Knoblochtzer. 9. Worms, gedruckt 1493 in Mainz von Peter Friedberg (für Peter Schöffer?) 10. Windsheim, gedruckt 1495 in Nürnberg von Fr. Creußner. 11. Rottweil, gedruckt 1496 in Freiburg i. B. von Friedrich Riederer. 12. Leipzig, gedruckt 1497 in Leipzig von Konrad Kachelofen. 13. Leipzig (Nachtrag zu 12), gedruckt 1497 in Leipzig von Konrad Kachelofen. Diese Schützenbriefe sind Einladungen zu Armbrust- und Büchsenschießen, die von der veranstaltenden Stadt an die be freundeten Schützengilden gesandt wurden. Der Name der jeweils eingeladenen Stadt wurde handschriftlich eingesetzt. Die Stadt bibliothek Nördlingen nun steht mit ihren 13 gedruckten Schützen-
171 briefen an der Spitze aller größeren Bibliotheken und Museen und besitzt zudem den ältesten gedruckten Schützen brief Deutschlands. Es ist der unter Nr. 1 erwähnte der Stadt Nördlingen, die Einladung zu einem Armbrust- und Büch senschießen, das im Sommer 1478 in ihren Mauern stattfand. Das Exemplar der Nördlinger Stadtbibliothek ist an die Straßburger Schützen gerichtet; es trägt das Nördlinger Stadtsiegel, die Schnur, welche die Länge der Sciehßbahn angibt und auf der Rückseite den Zirkel mit 15 cm Durchmesser. Das wertvolle Blatt kam, wie erwähnt, durch L. Müller in den Besitz der städt ischen Sammlungen. An gedruckten Schützenbriefen besitzen heute Bamberg (Bibliothek) 2, London (British Museum) 1, Köln (Stadtarchiv) 1, München, Nürnberg (Germanisches Nationalmuseum) 2 und Nörd lingen 13. (vgl. E. Freys, Gedruckte Schützenbriefe des 15. Jahr hunderts, in getreuer Nachbildung herausgegeben, München 1912). Der Ablaßbrief Sixtus IV. ist ein römischer Einblattdruck von 51 ^ Zeilen aus dem Jahre 1479. Blattgröße 60/45 cm, Schriftspiegel 30/31 cm. Ferner ist ein Augsburger Nachdruck des Ablaßbriefes aus dem Jahre 1482 vorhanden. Die ältesten erhaltenen Nördlinger Drucke sind: 1. „Gebet wider den Türken“, „Die deutsche Litaney“, „Item Gebet so man am Freytag Schydung leyt“ (= Scheide stunde Christi) „und umb ein Friden“, ein Sammelband in Oktav, 13 Seiten, mit 2 kolorierten Holz schnitten, auf Seite 13 das Impressum : Gedruckt zu Nörd lingen durch Erasmum Scharpf 1541. E. Scharpf eröffnete 1538 in Nördlingen die erste Druckerei. 2. „Der Stat Nördlingen Ernewte Gesatz- und zuchtordnung“, ein ungebundener Quartband, 16 Seiten. Titelholzschnitt: Der Adler sehr ähnlich einem des Bücherzeichens. (Vgl. S. 149.) Impressum auf Seite 16: Gedruckt zuo Noerdlingen durch Erasmum Scharpf Formschneider 20. Februar 1542. Von ortsgeschichtlichem Interesse ist der Quartband: „Von dem Leben vnnd Sterben des heiligen Einsidels vnd Marterers Meinradi“ . . MDLxxvil o. O. mit Holzschnitten und Randleisten. Da heißt es S. 23: Wie zwen Mörder zuo Endingen zusamen
172 kommen / vnd angeschlagen haben / S. Meinraten zu toedten. Das zwölfFt Capitel. — Als nun S. Meinrat 26 Jar im finstern wald gewesen / begab es sich j dass zwen böse menschen (deren einer hieß Reich art/ und ward vonNöerdlingen auss dem Riess) zusammen kamen ,.. und zogen hin in den finstern wald I in meinung S. Meinraten zu ermoerden .. In bibliographischem Sinn wertvolle Handschriften besitzt die Stadtbibliothek unter den 34 vorhandenen Handschriften bänden nicht. Offenbar haben die Klöster, in deren Besitz wir mehr oder weniger wertvolle Bibliotheken annehmen dürfen, ihre Bestände nach der Säkularisation zum Teil verkauft; anderes wurde zu Einbänden verwendet oder ging auf andere Weise verloren. Außer den schon genannten Totenbüchem des Barfüßerklosters (vgl. S. 107) mag noch ein Handschriftenband aus dem 15. Jahr hundert erwähnt werden. Es ist ein mächtiger Folioband in weißem Leder. Er steckt nochmal in einer Hülle aus weichem, unge färbtem Leder; der Lederüberzug des hinteren Deckels hängt über diesen herunter, sodaß er bis über den Vorderdeckel um geschlagen werden kann. Vier Beschläge und zwei Schutznägel vervollständigen das Äußere des Bandes. Dieser enthält 720 Perga mentblätter, also 1440 Seiten, die in je zwei Kolumnen zu 62 Zeilen mit gotischer Minuskelschrift beschrieben sind. Die saubere Schrift wirkt auf den ersten Blick wie ein alter Druck. Inhalt: „Avicennae libri V.“ Auf fol. la Zierbuchstabe J rot und blau, im Text noch mehrere einfache rote und blaue Zierbuchstaben. Aus der Widmung auf dem ersten, im übrigen unbeschriebenen Blatt ist ersichtlich, daß der Band aus Jeremias Sengs Vermächt nis stammt. (Vgl. S. 116.) Avicenna (eigentlich Ibn Sina), arabischer Philosoph und Arzt, 980—1037. Seine im „Kanun“ gesammelten medizinischen Schriften waren in der mittelalterlichen europäischen Wissen schaft ein grundlegendes Werk. II.
Aus den Beständen der Kirchenbibliothek. Die Bibliothek enthält an 740 Bände, darunter 116 Wiegen drucke. Aus Protzers Stiftung sind 38, aus Raming-Engelharts Schenkung 32 Wiegendrucke erhalten. Der Eintrag in den Bänden aus Raming-Engelharts Vermächtnis lautet: Gregorius
173 Raminger dictus Engelhart Artium Mgr et Sacellanus in Nordl. Senatui ibidem hunc Lib Legavit. Auch hiermögennureinige,besonders wert volleßände erwähnt werden: 1. Alte deutsche Bibel, die sog. zweite deutsche Bibel, aus der Druckerei des Heinrich Eggestein in Straßburg, gedruckt etwa 1466. Der Band selbst enthält weder Angabe des Druckortes noch des Druckjahres. Es ist ein Folioband in braunem Leder, mit vier Eckbesch] ägen und zwei verzierten Schutz nägeln aus Messing in der Mitte des vorderen und hinteren Deckels. Die zwei Schließen fehlen. Auf der Innenseite des Vorderdeckels steht die Widmung des Stifters, D. Marx Jakob Seefried (vgl. S. 152). Folio la: Zierbuchstabe B, blau und rot, handgemalt. „BRuder Ambrosius d/(er) hat vns bracht ein deine gab.“ Der Druck in gotischen Lettern ist in zwei Kolumnen zu je 60 Zeilen auf jeder Seite angeordnet. Das Alte Testament ent hält zwischen fol. 155 und 156 eine handschriftliche Einlage bei gebunden: „Hie fahet an das vierd buch Essre das die Ebreer nit habend“. Die Zierbuchstaben, am Anfang jedes Buches einer, sind ziemlich einfach, rot und blau. Am Schluß: Llobt den herren in seinen heyligen lobt in in d(er) vestenung seiner tugent lobt in in seinen tugenden lobt in nach d(er) meing seiner groessung. Amen. (Hain 3129). 2. Missale Augustanum, Bamberg, Joh. Sensen schmidt 1489. Folio. Ein mächtiger Folioband in Holzdeckeln, die mit weißem, jetzt vergilbtem Leder überzogen sind. Jeder Deckel hat fünf große runde Schutznägel, vier in den Ecken, einen in der Mitte, davon auf der Vorderseite zwei, auf der Rückseite vier. Die zwei Schließen haben ein Messingbeschläg, das eine stilisierte Rose zeigt. 298 Blätter. Prächtiger großer Druck in gotischen Lettern, zwei Kolumnen mit je 30 Zeilen auf jeder Seite. Die ersten und letzten Blätter sind oben und unten stark zerfressen; der Erhaltungszustand des übrigen ist sehr gut. Folio la: Fridericus Dei et appostolice sedis gratia Episcopus Augustanus ex Comitibus in Zollr . . (= Zollern) Datum in Castro nostro Tilingn (= Dillingen). De anno dominicae Nativitatis Millesimo Quadringentesimo Octuagesimo nono. Quarto vero Idus Januarii. Darunter ein bemalter Holzschnitt, 21 x/2 cm hoch, 14 cm breit, darstellend von links: hl. Ulrich im Bischofsomat mit Stab
174 und Fisch, der auf dem in der Hand gehaltenen Buch liegt, Maria mit dem Jesuskind. Hl. Afra mit dem Baum. Darunter 4 Wappen, eines mit den schwarz-weißen Farben der Zollern. Zwischen Folio 139 b und Fol. 140 a steht auf 24 Seiten der Messetext mit Noten. Das Werk enthält 13 prächtige rote, figuren reiche Zierbuchstaben, 6/6 cm im Quadrat. Fol. 295 a unten das Impressum: Liber Missalis per magistrum iohannem Sensenschmidt de Babenberga. Anno domini MCCCCLxxxix quarto vero Idus ianuarii impressus finit feliciter (Hain 547). 3. St. Augustinus, De civitate Dei. Freiburg, [K. Fischer] 1494, Folio. Von Protzer im Jahre 1510 erworben. Holz deckel mit Lederrücken. Zwei Schließen weggebrochen. Titel: Augustinus de Civitate dei cum commento. Gotischer Druck; der Text in zwei Kolumnen auf jeder Seite; die Erläuterungen all seitig um den Text. Keine Zierbuchstaben. Am Schluß: Finitum est hoc opus in friburga. Anno incamationis domini Mccccxcim. Als Druckort erscheint in diesen Jahren Freiburg selten. 4. Jacobus de Voragine, Legenda aurea oder Legenda sanctorum, Folio, sine loco et anno. Brauner einfach gepreßter Lederband mit Messingbeschlägen; von den zwei Schließen eine erhalten. Der Band gehört zu RamingEngelharts Büchern; die Widmung an den Rat der Stadt Nördlingen steht auf der Innenseite des Vorderdeckels. Das Werk ist in gotischer Type gedruckt. 40 Ganzzeilen auf jeder Seite. Rubrizierter Abzug. Anfang auf dem 2. Blatt: Incipit prologus super legendam sanctorum quam compilavit frater iacobus natione Januensis ordinis fratrum praedicatorum. Seite 11: De sancto Andrea apostolo. Seite 788 nur: Finit feliciter. Der Druck ist das Werk des Johannes Zainer in Ulm. (Vgl. Copinger, Supple ment to Hain’s Repertorium Bibliographicum. III, 6389). 5. Ars moriedi ex va // riis scripturarü sentetiis collecta II cü figuris, ad resistendü in mor= // tis agonedyabolicesugestiöi va / / lens, cuilibetchristifideli vtilis ac//multum necessaria, Quart, 28 Seiten. Das lateinische Schriftchen findet sich in einem Sammelband in Holzdeckeln mit Lederrücken, der nach dem eigenhändigen Eintrag zu Raming-Engelharts Vermächtnis gehört. Verfasser, Druckort und Druckjahr sind unbekannt. Die Schrift ist vor allem
175 inhaltlich interessant. Auf je eine „Tentatio dyaboli“, die eine Textseite und einen ganzseitigen Holzschnitt umfaßt, folgt je eine „Bona inspiratio angelia gegen die vorhergehende Tentatio, mit Text und Holzschnitt ebenfalls zwei Seiten einnehmend. Der Ster bende wird vom Teufel und seinen Gesellen versucht, seine Sün den werden ihm in krasser Wei*e vor Augen gestellt, er soll sich in Verzweiflung von Gott abwenden und seine Seele der Hölle preisgeben. Demgegenüber treten nun Engel und Heilige an sein Sterbelager und trösten ihn mit dem Hinweis auf das Kreuz Christi, auf das Vorbild der Heiligen und auf die göttliche Gnade, sodaß die Teufel schließlich weichen müssen mit dem Geständ nis: victus sum, animam amisimus, während die Seele von einem Engel zu Gott emporgehoben wird. Am Anfang und am Schluß der Schrift finden sich noch zwei ganzseitige Holzschnitte, die das Sterben und das Gericht über die Seelen zum Gegen stände haben. (Hain* 1833.) Die Blätter tragen zahlreiche Ein träge Raming-Engelharts. Diese deutschen Sterbebüchlein bil deten eine ganze Gruppe innerhalb des geistlichen Schrifttums des 15. und 16. Jahrhunderts und geben mit ihren drastisch-naiven Darstellungen ein lebendiges Bild von den religiösen Vorstellungs kreisen, in denen der spätgotische Mensch sich bewegte. (Vgl. Franz Falk, Die deutschen Sterbebüchlein von der ältesten Zeit des Buchdruckes bis zum Jahre 1520, 1890, S. 82 f.; Görresgesellschaft, 2. Vereinsschrift für 1890 und Wetzer’s und Welte’s Kirchenlexikon, 2. Auflage, 8, 1893, Spalte 10391). 6. Von kirchengeschichtlichem Interesse für Nördlingen selbst ist endlich ein kleines Oktavbändchen, sieben Blätter ungebunden,: Die rechte Euä // gelische vnd aposto / j lische Messz/ geteut II sehet durch Gaspa // rum Kantzen j predi II ger zu Norlyngen / den Leyen vnnd ge jj meyner Christenheitjjgantznutzbarlichjjzulesen jj.MDXXIII. Dies ist ein Nachdruck der 1522 zum erstenmal erschienenen deutschen Messe (das heilige Abendmahl nach evangelischem Ritus) des Nördlinger Geistlichen Kaspar Kantz. (Vgl. Chr. Geyer, a. a. O. S. 2).
Nachweise I. Quellen* Akten, Briefbücher, Stadtkammerrechnungen, Ratsprotokolle, AmtleutBüchlein des städtischen Archivs. Akten des evangelischen Pfarrarchivs. Kataloge der drei Bibliotheken, die Bücherbestände selbst, besonders jene Bücher mit Einträgen.
II* Literatur* a) Allgemeines. Fr. Milk au, Die Bibliotheken, Kultur der Gegenwart, Leipzig 1906, S. 539—590. Schottenloher, Das alte Buch, Berlin 1919, J. H. S1 a t e r, Handbuch für Büchersammler und Bücherliebhaber, Jena 1906. O. Weise, Schrift- und Buchwesen in alter und neuer Zeit, „Aus Natur und Geisteswelt“, Band 4, 1919. L. Hain, Repertorium Bibliographicum, in quo libri omnes ab arte typographica inventa usque ad annum MD typis expressi ordine alphabetico vel simpliciter enumeräntur vel adcuratius recensentur, Stuttgart und Paris 1826, 2 Bände zu je 2 Teilen. G. W. Panzer, Annales Typographici ab artis inventae origine ad annum MD Nürnberg 1793 ff., 11 Bände. Panzer, Annalen der älteren deutschen Literatur, Bd. I und Zusätze, Nürnberg-Leipzig 1788—1802, 2 Bände. Fr. Adolf Ebert, Allgemeines Bibliographisches Lexikon, Leipzig 1821 und 1830, 2 Bände. Georg Wilhelm Zapf, Aelteste Buchdruckergeschichte Schwabens. Ulm 1791 (einem hochedlen und hochweisen Rat des Heil. Röm. Reichs Stadt Nördlingen gewidmet). Otto Hartig, Die Gründung der Münchener Hofbibliothek durch Albrecht V. und Johann Jakob Fugger, Abhandlungen der Bayer-
177 ischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-philologische und historische Klasse, 28. Band, 3. Abhandlung, München 1917). Gedruckte Schützenbriefe des 15. Jahrhunderts. In getreuer Nachbildung herausgegeben von E. Freys, München 1912 (Band 2 der Selten heiten aus Süddeutschen Bibliotheken, in getreuer Nachbildung heraus gegeben unter Leitung von E. Freys, O. Glau ning und E. Petzet). C. Graf zu Leiningen-Westerburg, Ueber Universal-Ex libris, in Zeitschrift für Bücherzeichen-Bibliothekenkunde und Gelehrten geschichte, Jahrgang X, S. 9 ff. Warnecke, Die Bücherzeichen von ihrem Ursprünge bis zur Gegen wart, Berlin 1890. G. Andreas Will, Nümbergisches Gelehrten-Lexikon oder Beschrei bung aller Nümbergischen Gelehrten beyderley Geschlechts nach Ihrem Leben, Verdiensten und Schrifften, Nürnberg und Altdorf 1755 bis 1758, 4 Teile (1—4). Georg Andreas Wills, weyl. Kaiserl. Hofpfalzgrafens und ältesten Professors zu Altdorf j Nümbergisches Gelehrten-Lexikon oder Be schreibung, . . , fortgesetzt von Christian Conrad N o p i t s c h, Pfarrer zu Altenthann, 4 Teile (5—8), Altdorf 1802—1808. Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, 4. Reihe, Matrikeln fränkischer Schulen, 1. Band: Die Matrikel der Uni versität Altdorf, herausgegeben v. Elias von Steinmeyer, Würz burg 1912 (1 Textband und 1 Registerband). Fr. K. G. H i r s c h i n g, Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bib liotheken Teutschlands nach alphabetischer Ordnung der Oerter, Erlangen 1788, 3 Bände. Allg. deutsche Biographie, Bd. 33 (1891) und Bd. 44 (1898). Th. Ziegler, Geschichte der Pädagogik mit besonderer Rücksicht auf das höhere Unterrichtswesen, München 1909, 3. Aufl. b) Nördlingen betreffend. D. E. Beyschlag, Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie, die Nördlingischen Epithaphien enthaltend . .., Nördlingen 1801—1803, 2 Bände (der 2. Band fortgeführt von Joh. Müller). Derselbe, Bey träge zur Kunstgeschichte der Reichsstadt Nördlingen, Nördlingen 1798. Derselbe, Versuch einer Schulgeschichte der Reichsstadt Nördlingen, 6 Stücke, Nördlingen 1793—1797. D. E. D o 1 p , Gründlicher Bericht von dem alten Zustand und erfolgter 12
178 Reformation der Kirchen, Klöster und Schule in des hl. Reichs Stadt Nördlingen und ihrem angehörigen Gebiet, Nördlingen 1738. Joh. Friedr. Schöpperlins Kleine historische Schriften, Nördlingen 1787, 2 Bände. C. Beyschlag, Geschichte der Stadt Nördlingen bis auf die neueste Zeit, Nördlingen 1851. Christian Mayer, Die Stadt Nördlingen, ihr Leben und ihre Kunst im Lichte der Vorzeit, Nördlingen 1876. Derselbe, Gedenkblatt zur Feier des Jubelfestes der Schützengesell schaft der Stadt Nördlingen, Nördlingen 1900 (anonym). A. Meier, Der Reichsdeputationshauptschluß und das Ende der freien Reichsstadt Nördlingen, Jahrbuch 1014 des Historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung, Nördlingen 1914, S. 50 ff. H. Ockel, Die lateinische Schule der Reichsstadt Nördlingen, Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, Band 34, Augsburg 1908. Christ. Geyer, Die Nördlinger evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, München 1896. L. Mußgnug, Ein Streifzug durch Nördlingens Geschichte, Nörd lingen 1921, 2. Aufl. O. Glauning, Der Holzdeckelkatalog in der Stadtbibliothek zu Nörd lingen, 6. Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung, Nördlingen 1918, S. 19 ff. C1 a u ß, Gregorius Raming, gen. Engelhart, ein Zeitgenosse Luthers in Nördlingen, Neue kirchliche Zeitschrift, Bd. XXXI, 10. S. 519 ff. und 11 S. 564 ff. Verlagskatalog der C. H. Beck’schen Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München von 1763—1913, herausgegeben zur Feier des 150jährigen Bestehens der Firma v. Oskar Beck, München 1913. E. Freys, Die Inkunabeln der Stadtbibliothek Nördlingen, 1907 (hand schriftliches Verzeichnis). Derselbe, Die Inkunabeln der Kirchenbibliothek Nördlingen, 1907 (handschriftliches Verzeichnis). Biographien merkwürdiger Personen in Nördlingen, Handschriftenband des 18. Jahrhunderts, der Stadtbibliothek gehörig, anonym.
Das Zollwesen der Reichsstadt Memmingen. Von Dr. A. Eichheim-Türkheim, Schwaben.
L Die Zölle und ihre rechtliche Begründung. Rein örtlich betrachtet, verfügte die Reichsstadt Memmingen seit dem 15. Jahrh. über „Zölle“, die im Innern der Stadt auf dem Markte, über solche, die unter den Toren beim Passieren derselben und endlich über Weg- und Brückenzölle, welche außer halb der Stadt zum Einzug gelangten. Diese waren entweder durch kaiserliches Privileg oder durch Kaufvertrag mit einem früheren Inhaber und zwar ent weder als Lehen oder als Pfand an die Stadt gekommen. Als ältester von der Stadt selbst verwalteter und ihr zu gehöriger Zoll ist offenbar der 1373 zum ersten Mal im Raitbuch2) aufgeführte, an der Wag oder Gred fällige Wag zoll zu betrachten. Dieser verdankte sehr wahrscheinlich seine Ent stehung dem am 14. 10. 1373 von Kaiser Karl IV. der Stadt verliehenen Zollprivileg,1) welches ihr die Einführung eines eigenen Zolls gestattete und ihr die Festsetzung des Tarifs, sowie et waiger Änderungen desselben überließ. Der andere der beiden innerhalb der Stadt erhobenen Zölle, in den Zollordnungen der Groß zoll, im Raitbuch2) ursprünglich der Zoll schlechthin, seit 1373 im Gegensatz zum Wagzoll der rechte Zoll genannt, war um diese Zeit z. T., d. h. abgesehen von dem sog. Salz zoll, im Eigentum des Hl. R. Reichs deutscher Nation. Da Memmingen als vordem den Hohenstaufen gehörige Stadt mit dem Aussterben derselben 1268 an das Reich gefallen war,3) so haben wir es hier jedenfalls mit jenem Zoll zu tun, den die ehemaligen Herren der Stadt, die Welfen, sodann die Hohen staufen, als Inhaber des Memminger Marktrechts dort erhoben hatten. 1328 wurde dieser Zoll durch Kaiser Ludwig den Bayern dem Ritter Friedrich von dem Riede um 100 Mark lötigen Sil bers verpfändet, um dessen dem Reich erwiesene Dienste zu honorieren.8) 1362 wurde das Pfand durch Kunz Guderscher aus Lindau erworben und kam 1376 auf die gleiche Weise an die Familie Harzer aus Konstanz.3) Am 5. 9. 14033) erwarb den 12*
180 „Zoll zu Memmingen“ die Stadt selbst um 222 fl. Das Reich hat ihn, wie so manches andere verpfändete Regal später nie mehr eingelöst. Der noch übrige Teil des Großzolls, der Salz zoll, im 15. Jahrh. Schellangszoll genannt, der in dem Unter schied zwischen der vom Bürger und der vom Gast zu zahlen den Abgabe von Salz bestand, war, soweit die Urkunden zurück reichen, Lehen des erzherzoglich-österreichischen Hauses.3) Lehens träger waren zu Anfang des 14. Jahrh. die Bürger Berchtold und Heinrich Kempter, seit 1340 die Herren von Eisenburg und Laubenberg, ab 1551 Angehörige der berühmten Patrizierfamilie Vöhlin von Frickenhausen. Der Salzzoll wurde als Afterlehen weiter verliehen. Als solches erwarb ihn die Stadt 1 4203) aus den Händen einer Anzahl von Bürgern, welche Teile desselben innegehabt hatten. Damit bekam Memmingen das gesamte Zoll wesen in seine Hand und keine fremde Macht hatte, wie das namentlich in bischöflichen Reichsstädten, wie Basel4) und Augs burg6) der Fall war, weiterhin das Recht irgendwelche Zölle oder ähnliche Abgaben innerhalb seiner Mauern zu erheben. Der unter den Stadttoren fällige Roß zoll, später Pflastergeld genannt, gehörte ursprünglich zum Großzoll, bedurfte somit keines eignen Rechtstitels. Anders verhielt sich die Sache bezüglich des außer dem gewöhnlichen Roßzoll unter dem Kalchstor erhobenen Ungerhauser Weggelds. Dieses fußte auf dem Privileg Kaiser Frie drichs vom 20. 12. 1491.6) Hierin wurde der Stadt erlaubt zur Verbesserung der Straßen und Wege zwischen Westerheim und Memmingen von jedem die Ungerhauser Straße passierenden Kaufmannsgut ein „Zollgeld“ zu erheben. Im Gegensatz zu dem weite Auslegungen zulassenden Stadtzollprivileg von 1373 wurde hier ein bestimmter Satz von 6 $ pro Wagen und 3 pro Karren vorgeschrieben, lediglich bezüglich des Erhebungsortes wurde eine gewisse Bewegungsfreiheit eingeräumt. Schon zu Anfang des 15. Jahrh. erhob die Stadt einen Zoll an der Brücke über die Aitrach bei Altmannshofen. Von diesem hatte die Stadt jährlich 1 pfd. hlr. an den Landvogt in Schwaben zu entrichten, wie eine Quittung von 14137) beweist. Der Zoll war demnach wahrscheinlich als Regal an die Stadt Memmingen verpachtet. Später ist von keinem landvogteilichen Recht an dieser Stelle mehr die Rede. Dagegen entstand 1463
181 für Memmingen ein neuer Anlaß, bei besagter Brücke einen Zoll zu erheben, in dem am 24. 2. 1463 mit den Leutkircher Bürgern Hans Wäckerlin und Konrad Sonthofer sowie der Stadt Leutkirch abgeschlossenen Straßenbauvertrage. Darnach sollten die beiden Leutkircher Bürger für die Erbauung eines Stückes der Straße Memmingen—Leutkirch von der Stadt Memmingen 170 pfd. hlr. erhalten. Zur Tilgung dieser Summe sollte die Stadt einen Zoll von 6 von jedem geladenen und 3 S) von jedem ungeladenen Wagen an besagter Straße erheben.8) Da das da malige Zollwesen grundsätzlich Sache des Reichs war, konnte der angeführte Vertrag als Rechtsgrund nicht genügt haben, die Stadt mußte sich den neuen Zoll jedenfalls privilegieren lassen. Da mit dem Zoll, der jährlich etwa 10 pfd. trug, die Summe von 170 pfd. in 17 Jahren schon getilgt worden sein dürfte, der Zoll jedoch bis ins 18. Jahrh. hinein fortbestand, scheint hier ein etwaiges Privileg für unbestimmte Zeit erteilt worden zu sein. 31. 5. 1714 verkaufte die Stadt ihre Zollbrücke zn Weizen hofen samt dem Zoll und andern dort gehabten Rechten um 15200 fl. an das Kloster Roth.9) Die Zollgerechtigkeit an der Iller, soweit sie hier in Be tracht kommt, nämlich von der Fähre bei Arlach im Süden bis zur Brücke bei Keilmünz im Norden, gehörte ursprünglich — wie Memmingen selbst vor 1268 — zur Grafschaft Marstetten. Im Wege des Kaufs erwarb die Stadt Memmingen 1495 die Fähre zu Egelsee, wo sie vorerst nur Fährlohn beziehen durfte, 1507 gegen die Verpflichtung Brücke und Zollhaus zu bauen, 1/H des daselbst von nun an zu erhebenden Zolls und die Hälfte des anfallenden Handlohns, 1576 brachte sie endlich um 9000 fl. nicht nur die Egelseer Brücke, sondern das gesamte Zollregal an der Iller von Arlach bis Kellmünz an sich.10) Die sog. Wehr- oder Afterzölle fußen auf dem Rechts grund anderer Zölle, bilden also rechtlich keine selbständigen Zölle, sondern dienen lediglich einer vollständigen Ausnützung jener. So wurde im Laufe des 17. Jahrh. der Wehrzoll zu Holzgünz zur vollständigen Erfassung des Ungerhauser Weggeldes, die Wehrzölle zu Lauben, Dickenreishausen und Woringen zu jener des Stadtzolls geschaffen, endlich wurde der Aitracher Brückenzoll um 1700 sowohl zu Weizenhofen als zu Volkrats hofen und unter dem Krugstor bezogen.
182 Besonders zu erwähnen ist das Privileg Kaiser Ludwigs vom 3. 6. 1346,n) welches der Stadt erlaubte, eine Leinwandbleiche zu halten und sinngemäß wahrscheinlich nur von Leinwand, die zur Bleiche kam, einen Zoll zu nehmen, worauf das im 17. und 18. Jahrh. erwähnte Stupfgeld zurückzuführen sein dürfte. Auf ein Privileg Kaiser Wenzels von 1373 geht endlich der zu erst nach dem in der Stadt getätigten Umsatz, später als „Leibzoll“ nach der Aufenthaltsdauer bemessene Juden zoll zurück.12)
II. Das Wesen der Memminger Zölle. 1. Der Grofizoll und der Wagzoll. a) Die Zeit vor dem 16. Jahrhundert. Wie rechtlich, so bildete jedenfalls auch tatsächlich der ur sprünglich den Welfen und Hohenstaufen, seit 1268 dem Reich gehörige Großzoll einschließlich des dem Hause Habsburg ge hörigen Salzzolls den Kern des städtischen Zollsystems. Auf schlüsse über die Natur dieses „Zolls“ erhalten wir jedoch erst durch die nach 1396 niedergeschriebene älteste Zollordnung,13) also aus einer Zeit, da bereits neben dem „rechten Zoll“ der „Wagzoll“ bestand. Wie bei den mittelalterlichen „Zöllen“ überhaupt, haben wir es hier keineswegs mit Zöllen im heutigen Sinn zu tun. Der Großzoll wie der Wagzoll waren vielmehr in erster Linie Markt abgaben, die beim Kaufgeschäft von Handelsgütern erhoben wurden. Steuersubjekte waren entweder der Verkäufer oder der Käufer oder beide. Steuerobjekt war nicht etwa der getätigte Handel schlechthin, sondern offensichtlich — in der Wagordnung von 144914) ist dies für Garn besonders ausgedrückt — das Kauf geschäft im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Einfuhr oder Ausfuhr. Darum ist umgekehrt bei allen Tarifen vor 1600 der Nachsatz „was vsgat“ nicht ohne weiteres mit „Ausfuhr“ zu über setzen, sondern meist mit dem Nachsatz „es werd hie kauft“ zu ergänzen, soweit dieser nicht schon dasteht und soweit es sich nicht etwa um eine bloße Passierabgabe handelt, wie dies bei der vom Bürger als Gredgeldäquivalent zu zahlenden Abgabe von 3 Pfg. pro Stück trockenen Guts der Fall ist. Daß diese „Ausfuhrzölle“ gar keine Zölle im heutigen Sinn von Aufwands steuern sind, sondern Vermögensverkehrssteuern, welche die am Handel unmittelbar beteiligten Personen treffen sollen,
183 dafür spricht einmal die Differenzierung nach dem Bürgerrecht, sodann die genaue Verteilung der Leistungspflicht auf Käufer und Verkäufer, die bei einer beabsichtigten Steuerüberwälzung sinnlos wäre, endlich die Tendenz aller Zollbefreiungen, gerade Konsumware der Zollpflicht zu entheben, welche doch gerade das Ziel einer Aufwandbesteuerung sein müßte. Auch die Auf fassung des dem Bürgerzoll gegenüber erhöhten Gastzolls als eines Äquivalents für die vom Bürger zu zahlenden übrigen Steuern16) kann nur einen Sinn haben, wenn bei den „Zöllen“ Steuersubjekt und Steuerdestinatar in einer Person zusammen fallen wie bei den Vermögensverkehrssteuern. Als Grund, warum es während des Mittelalters keine reinen Ausfuhr- und Einfuhr abgaben gab, ist die damalige Organisation des Handels anzu* sehen. Diese nämlich schloß das Distanzgeschäft im strengen Sinne grundsätzlich aus. Alle Warenumsätze hatten auf offenem Markte stattzufinden. Käufer und Verkäufer mußten hiebei an wesend sein. Somit folgte der Einfuhr, wenigstens durch einen Fremden, stets ein Verkauf und ging der Ausfuhr ein Einkauf voraus. Das gleiche gilt auch für den Kornzoll von 3 Pfg. pro Malter,16) der in Hinblick auf die gleiche Satzhöhe für Gast und Bürger doch am ehesten als echter Ausfuhrzoll angesehen werden könnte. Da nämlich aus leicht begreiflichen Gründen Getreide ohne vorangehendes Kaufgeschäft höchstens durch-, nie aber ausgeführt werden konnte, so ist auch bei dem Begriff dieses Zolls kein Grund vorhanden, das Kaufgeschäft nicht als das Primäre anzusehen. Endlich sei noch darauf hingewiesen, daß der heutige Zollbegriff an dem Merkmal der Überschreitung einer Gebietsgrenze anknüpft, während doch die mittelalterliche Stadt, als aus dem Markt hervorgegangen, zunächst weniger als ein von bestimmten Grenzen umgebenes Gebiet als vielmehr als ein Treffpunkt von Kauf- und Gewerbsleuten erscheint. Die damaligen Zölle als solche im heutigen Sinn aufzufassen wäre somit ähnlich, als wollte man etwa die heutige Börsensteuer als eine Abgabe bezeichnen, die beim Überschreiten der Schwelle des Börsen gebäudes erhoben wird. Außer den Kaufgeschäftsabgaben enthielt der Großzoll auch Durchfuhrabgaben. Diese sind ebensowenig Zölle im heutigen Sinne. Auch sie sind vielfach nach dem Bürgerrecht differenziert. Es muß also auch bei ihnen Absicht des Gesetzgebers gewesen
184 sein, diejenigen, welche die Durchfuhr Vornahmen, selbst zu treffen. Mit Rücksicht auf das oben Gesagte, insbesondere in Hinblick auf die vornehmliche und ursprüngliche Bedeutung der Stadt als Markt, müssen wir diese Durchfuhrabgaben, wenigstens z. T. als eine Art Ersatzsteuer ansehen für die bei der Durchfuhr ent fallende Verkehrssteuer. Die vom Bürger zu entrichtende Stück abgabe von trockenem Gut hingegen darf als Äquivalent für das unten zu besprechende Gredgeld betrachtet werden. Wodurch unterschied sich nun der Wagzoll vom Groß zoll? Solche Unterschiede ergaben sich auf Seite des Subjekts wie des Objekts. Steuersubjekt im Großzoll konnte sowohl Gast wie Bürger sein, Steuersubjekt im Wagzoll war durchwegs nur der Gast. Die einzige Ausnahme bildete der Fall, daß ein Bürger Gemeindeschafwolle verkaufte, so verzollte nur der Verkäufer.17) Steuerobjekt des Großzolls war sowohl das Kaufgeschäft wie die Durchfuhr, Steuerobjekt des Wagzolls war ausschließlich das Kaufgeschäft. Eine Reihe von Artikeln, wie Korn, Wein, Salz, wurden nur im Großzoll versteuert, da für diese eigene öffent liche Verkaufsstellen, nämlich das Kornhaus, der Weinstadel und der Salzstadel vorhanden waren, während für alle übrigen Waren, die zumeist nach dem Gewicht verkauft wurden, die Fronwag, welche zugleich Gred war, als Markt diente. So wurden nament lich Schmalz, Schafwolle und Flachs an der Wag verkauft und ausschließlich mit dem Wagzoll belegt. Eine Besonderheit stellt Eisen dar, welches zwar an der Wag gehandelt wurde, doch ausschließlich großzollpflichtig war.18) Bei einigen Waren fiel die Kaufgeschäftsabgabe sowohl an der Wag, wie am Großzoll an. So zollte der Gast im 15. Jahrh. für Baumwolle als Verkäufer an der Wag (3 sh. hlr. pro Ztr.), als Käufer sowie bei der Durchfuhr am Großzoll (19 Pfg. pro Ballen). In diesem Zusammenhang sei auch der zum Großzoll gehö rige P f u n d z o 1119) von 3 hl pro Pfd. Hlr. dem ebenfalls nach dem Wert bemessenen Wagzoll auf Flachs, Federn, Schaf wolle usw. in Höhe von 2 Pfg. pro Pfd. Hlr. bzw. 2 Pfg. pro fl gegenübergestellt. Beiderlei Wertabgaben haben zunächst das Gemeinsame, daß sie nur den Gast verpflichten. Während jedoch beim Wagzoll durchwegs Käufer wie Verkäufer pflichtig waren, war dies beim Pfundzoll wenigstens ursprünglich nur der Ver käufer, erst später wurden einige Artikel, wie Regentücher und
185 Filzhüte, in den Zolltarif aufgenommen, bei welchen der Käufer den Pfundzoll entrichtete. Der Hauptunterschied besteht jedoch darin, daß der Pfundzoll den Fremdhandel im kleinen — in Frage kommt nur der Absatz an die verbrauchende Bürgerschaft, daher nur der Verkäufer Steuersubjekt! —, der Wagzoll jedoch den Handel im großen besteuerte, namentlich soweit der Klein handel den zünftigen Bürgern überhaupt Vorbehalten war, wie dies bezüglich der Spezereiwaren der Fall war, welche nach der Wagordnung von 1449 von Nichtzünftigen unter 1 fl nicht ge handelt werden durften und nach dem ungefähr gleichzeitigen Wagtarif 2 Pfg. pro fl Wagzoll zahlten.20) Seiner Veranlassung nach war dem Privileg von 13732I) ge mäß der auf dasselbe rechtlich zurückzuführende Wagzoll eine Zwecksteuer, dazu bestimmt, „die Stadt zu bessern“. Tatsächlich wurde um diese Zeit die Stadt durch Einbeziehung der sog. „oberen Stadt“ in die Umwallung erweitert. Wie bei den meisten mittelalt. Zöllen trat alsbald an Stelle des sie veranlassenden Sonderzwecks der kollektive Stadtbedarf. Über die Veranlassung des Großzolls steht ebensowenig aktenmäßig fest wie über seine Entstehung. Besonderer Erwähnung bedarf hiebei der lediglich im Raitbuch22) 1391 ff angeführte Landfriedzoll. Diesen müssen wir nach anderweitigem Vorgang seiner Veranlassung nach als Sonder steuer zur Deckung der durch die Erhaltung des Landfriedens verursachten Kosten, steuertechnisch mit Dr. Müller als eine Abgabe für die Gewährung des Geleits auf den von der Stadt ausgehenden Straßen ansehen.23) Wie schon erwähnt, gehörte bis 1546 auch der unter den Toren fällige Roßzoll in den „Großzoll“, doch soll dieser seines be sonderen Charakters wegen weiter unten besprochen werden. Das Gleiche gilt bezüglich der in den Zoll- und Wagordnungen vor kommenden Gebühren wie Gred-, Auf-, Ablad- und Waggeld. b)DieNeuzeit. Etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts gingen bezüglich des Wesens der beiden Memminger Marktzölle grundsätzliche Änderungen vor sich. Aus den Verkehrssteuern des Mittelalters, die lediglich den Außenhandel treffen sollten, wurden Zölle im modernen Sinne von Aufwandsteuern.
186 Diese Veränderung ist meines Erachtens ein Ausfluß der zu Beginn der Neuzeit im gesamten Staats- und Kulturleben vor sich gehenden Wandlung. An Stelle der Stadt trat in allem der Territorialstaat. Die Stadt gab die führende, vorbildliche Rolle, die sie ehedem namentlich in Verwaltung, Wirtschaft und Finanz wesen gespielt hatte, an diesen ab, ahmte nun umgekehrt die Einrichtungen des jung erstarkenden Gebildes nach und eignete sich unbewußt die mit ihm erstandenen Begriffe und Anschauungs weisen an. So fing in unserem Falle die Stadt an, sich mehr als Gebiet denn als Markt zu betrachten und erhob an Stelle der Abgaben vom Marktverkehr solche vom Überschreiten ihrer Gebietsgrenzen, also Zölle wie die Staaten. Die Symptome, unter denen sich diese Entwicklung vollzog, waren folgende: 1. Im Großzoll verschwinden alle Kaufgeschäftsabgaben. Als letzte erscheinen solche 1634 für Tuch und tierische Wolle. Die 1688 von Vieh erhobene Kaufgeschäftsabgabe wird dort „Auf schlag“ genannt, sodaß sich in der Zollordnung dieses Jahres überhaupt keine mehr unter der Bezeichnung „Zoll“ vorfindet.24) 2. Der Unterschied zwischen Bürgern und Fremden fällt. Es wird nur mehr „durch“ und „hinaus“ gezollt. (Man beachte be sonders die Position „Wein“ vor 1500 und 1688!) 3. Der „Wagzoll“, für den zunächst in der Wagordnung von 1570 in oberflächlicher Weise das vordem lediglich die Gebühr für das Wägen bedeutende Wort „Waggeld“ gebraucht wird, erscheint in den Wagordnungen von 1673 und 1703 als reiner, Gast und Bürger in gleicher Höhe treffender Aus- und Durch fuhrzoll, im Gegensatz zu früher vielfach konkurrierend mit dem wesensgleichen Großzoll.26) Die Kaufgeschäftsabgabe ist jedoch nicht völlig verschwunden. Sie wird fortan als „Waggeld“ an der Wag erhoben, während die eigentliche Waggebühr nunmehr Überschlaggeld genannt wird. Wie ehedem der „Wagzoll“, so trifft nunmehr das „Wag geld“ Käufer und Verkäufer verschieden je nach Bürgerrecht und ist wie jener als Verkehrssteuer anzusehen. Am 18. Februar 1729 hob man den „Wagzoll“ auf,26) da man, seiner ursprünglichen Bedeutung längst nicht mehr bewußt, seine Entbehrlichkeit erkannt hatte.
187 Für die weitere Entwicklung des Abgabewesens an Zoll und Wag wurde die Einführung des ebenfalls der Begriffswelt der Staaten entnommenen A c c i s e s maßgebend. Dieser bestand zu nächst 1705 bis 171427) als Zwecksteuer zur Bestreitung des durch den Spanischen Erbfolgekrieg veranlaßten Mehraufwands. Er war eine Aufwandsteuer, welche bei der Einfuhr von Waren unter dem Tor, am Großzoll oder an der Wag, von einigen Gütern auch bei der Durchfuhr erhoben wurde. Wenn auch of fiziell 1714 wieder aufgehoben, blieb die Idee desselben bis zum Ende des Jahrhunderts fortbestehen. Während früher der Bürger für Waren, die als ihm schon gehörig, an ihn in die Stadt kamen, weder Großzoll noch Wagzoll — wohl aber den Roßzoll unter dem Tor — zahlen mußte, wurde seit 1724,28) da man eben längst zum Fernhandel auf Bestellung übergegangen war, ein besonderes „Eingangsgeld“ oder „Eingangsaccis“ von jenen Waren erhoben, die an einen Bürger hereinkamen. Grundsätzlich wurde dies an der Wag, teilweise, namentlich bei Lebensmitteln als Octroi unter den Toren bezogen. Die gleiche Bedeutung hatte die sog. Accisgebühr der Wagordnung von 1779.29) Steuer subjekt war hier ebenfalls der Bürger, an den hereinkommendes Gut adressiert war. Wie schon 172930) wurde von einigen in der Stadt erzeugten Gütern zum Ausgleich das vom exportierenden Bürger zu entrichtende Ausgangsgeld angesetzt. Als reine Verkehrssteuer hatte der verkaufende Gast das Doppelte der eine Aufwandsteuer darstellenden „Accisgebühr“ zu entrichten. Was den zum Großzoll gehörigen „Pfundzoll“ betrifft, so ist dieser dem Namen nach schon im 16. Jahrh. nicht mehr an zutreffen. An Stelle dessen wird in der Zollordnung von 1546 eine Pauschalabgabe von 6 $ genannt, die jeder fremde Kramer, der in der Stadt Waren feilhielt, entrichten mußte. Lediglich für den Gewandschneider, der auf dem Jahrmarkt feil hielt, bestand eine dem Pfundzoll ähnliche dem Werte nach bemessene Abgabe von 2 pfd. hlr. weiter.81) Zu Beginn des 18. Jahrh. begegnen wir wieder einer dem Wert nach bemessenen Verkaufsabgabe von 6 ^/fl, welche die fremden Krämer an den Accisdeputierten zu zahlen hatten. Zitronenhändler und eine Reihe anderer Krämer mußten statt dessen ein Pauschale von 24 kr unter dem Tor erlegen.82) Wenn man bedenkt, daß der Handel im kleinen stets grundsätzlich
188 den Kramerzünftigen Vorbehalten war, so kann man sich den Pfund zoll und die ihm wesensgleichen späteren Abgaben ihrem Ursprung nach als Gebühren für die Erlaubnis des Detailhandels denken. Ähnlich ist der zuerst nach dem Wert, seit lt)99 nach der Aufenthaltsdauer bemessene Judenzoll seinem Ursprung nach als Aufenthaltsgebühr, dem Privileg Kaiser Wenzels gemäß als Entgelt für den besonderen Schutz der Stadt anzusehen. Mit dem allmählichen Zurücktreten des Gebührencharakters ist eine Verkehrssteuer daraus geworden, die dem Wortlaut »von jedem fl Wert ihres Handels und Wandels“ gemäß nicht nur wie der Pfundzoll vom Erlös aus Warenverkäufen, sondern auch von anderweitigen Umsätzen genommen wurde. Vielleicht haben wir hier die Ansätze einer Kapital verkehrssteuer vor uns, als welche Schönberg auch den Pfundzoll zu Basel festgestellt hat neben dessen weiterer Bedeutung als Verkehrssteuer von Warenkäufen und Rentensteuer.38)
2. Die Torzölle. Wie schon erwähnt, gehörte der Torzoll oder „der Roßzoll unter dem Tor“ zuerst rein äußerlich in den Großzoil. 1547 wurde er von diesem gesondert und später als Pflastergeld be zeichnet. Er wurde als Passierzoll von allen Fuhren erhoben, welche durch eines der Tore in die Stadt oder aus derselben fuhren, und war, wie schon der Name „Pflastergeld“ sagt und die Bemessung nach dem Transportmittel vermuten läßt, eine Gebühr, die der Fuhrmann für Abnützung des Pflasters erlegen mußte. Seit dem 17. Jahrh. wurden zu dem gewöhnlichen Torzoll noch eine Reihe anderer Abgaben eingezogen, die grund sätzlich am Großzoll, an der Wag oder am Ungeldamt anfielen. Diese waren meist ebenso wie der seit 1720 unter den Toren fällige „neue Zoll auf Wildpret und Geflügel“, Aufwandsteuern in Form von Einfuhrzöllen oder, wenn man will, von Octrois. Der 1710 erwähnte „Kleinzoll“ war nichts anderes als das unter den Toren fällige Pflastergeld von Holz, Asche, Kohle, Heu, Stroh und Vieh. Die Bürger, welche sonst unter dem Tore stets wie die Gäste zollten, waren hievon befreit.34)
3. Die Weg- und Brückenzölle. Die Weg- und Brückenzölle der Stadt waren ihrer Veran lassung nach Gebühren, welche zur Deckung der durch den
189 Bau und die Erhaltung der betr. Brücken und Wege verursachten Kosten von den jeweiligen Benützern derselben und zwar grund sätzlich von Bürgern und Gästen in gleicher Höhe, ja teilweise wie zu Egelsee sogar von Fußgängern erhoben wurden. So wurde die Stadt mit dem Ungerhauser Weggeld 1491 ausdrücklich zu dem Zweck privilegiert,36) die Straßen zwischen Westerheim und Memmingen „davon zu bauen und bessern“. Der Zoll an der Aitrachbrücke bei Altmannshofen wurde dem Vertrage von 1463 gemäß zur Tilgung der durch die Herstellung eines Stücks der Leutkircher Straße verursachten Baukosten eingeführt.36) Endlich sollte der nach dem Vorbild des alten, im Rechtsbuch der Stadt Memmingen von 1396 aufgezeichneten Zolls zu Mauerstetten 1507 geschaffene Brückenzoll zu Egelsee zunächst die durch Erbau ung und Erhaltung von Brücke und Zollhaus entstehenden Un kosten decken, wobei es sogar gestattet war, bei etwaiger Er neuerung eines Brückenjochs während der Herstellung desselben zweifachen Zoll zu nehmen.37) Diese gebührenartigen Weg- und Brückenzölle unterscheiden sich von den im Innern der Stadt anfallenden, steuerlichen Cha rakter tragenden Zöllen einmal durch das grundsätzliche Fehlen einer Unterscheidung nach dem Bürgerrecht, sodann durch die Heranziehung auch durchaus unkaufmännischer Transporte zur Leistungspflicht — sogar Hochzeiten sind im Egelseer Tarif aufgeführt! —, endlich durch das Objekt der Verzollung, welches hier im bloßen Passieren der Straße bezw. Brücke, gleichviel in welcher Richtung, gleichviel zu welchem Zweck, besteht.
4. Die mit dem inneren Zollsystem zusammen hängenden Gebühren. Hier kommen die für die Benützung der städtischen Ver kaufseinrichtungen von den Benützern zu zahlenden Abgaben in Frage. So fiel an der Gred, welche zu Memmingen mit der Wag identisch war — ein eigenes Gredhaus hatte Memmingen nicht — das sog. Gredgeld an. Dies betrug im 15. Jahrh. meist 3 % pro Stück oder Ballen und war von dem Fremden zu entrichten, der Waren an der Wag oder einem andern öffentlichen Verkaufsort zum Verkauf oder zum Umschlag niederlegte. Die Gegen leistung beruhte, wie die Wagordnung von 141838) deutlich sagt,
190 in der Notierung und Aufbewahrung der Güter durch den Wag oder Gredmei8ter. Im 17. und 18. Jahrh. wurde es ganz konse quent Lagergeld und Standgeld geheißen und einerseits nach dem Gewicht, andererseits nach der Dauer der Lagerung bemessen. Beim effektiven Verkauf der niedergelegten Ware wurde das Gredgeld meist erlassen. Als Ersatzgebühr wurde es vielfach bei der bloßen Durchfuhr erhoben, wie auch der schon erwähnte Bürgerdurchfuhrzoll von ebenfalls 3 pro Stück als Ersatzgebühr angesehen werden kann. Eine dem Gredgeld ähn liche Bedeutung hatte das 1575 gelegentlich der Erweiterung des großen Salzstadels zur Baukostendeckung eingeführte Stand geld auf Salz,39) das in Höhe von 2 pro Scheibe und Monat zu entrichten war, ebenso das um 1700 unter den Toren erhobene Standgeld für Obst und Nüsse.40) An der Wag war ferner das keiner weiteren Erklärung be dürftige, an den Wagmeister zu zahlende Auf - und Ablade geld fällig. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls für das Auf- und Abladen, sowie für das Bespannen und „Sal ben“ der Kaufmannswagen den Sped- oder Wagknechten zu zahlenden Lohn, der sehr genau tarifiert war und auch dann anfiel, wenn ein Fuhrmann aus Ersparnisgründen selbst laden und spannen wollte.41) Für die gelegentlich eines Kaufgeschäfts oder sonstwie vor zunehmende Maß- oder Gewichtsbestimmung fielen an den je weiligen Verkaufsörtlichkeiten die entsprechenden Meßgebühren an, so der Korn- und Nußzuberlohn, das Leinmeßgeld und das Waggeld. Letzteres, ursprünglich vom „Wagzoll“ deutlich unterschieden, wurde dem Wortlaut der Wagordnung von 142038) gemäß in Höhe von 2 9) pro Ztr. von jedem, gleich gültig ob Bürger oder Gast, erhoben, der an der Wag wog. Dies konnte sowohl gelegentlich eines Kaufgeschäfts, als auch sonst geschehen, etwa um Ware auf die Fuhr aufzugeben oder mit dem Fuhrbrief zu vergleichen, während der „Wagzoll“ nur von Gästen und nur dann zu zahlen war, wenn diese Waren nach Memminger Gewicht verkauften. Wenn das „Waggeld“ infolge einer im 16. Jahrh. zu beobachtenden Begriffsverwirrung im 18. Jahrh. die Funktionen des alten Wag- und Großzolls als Verkehrssteuern übernommen hat, so hat es doch im Grunde fortbestanden und zwar unter dem Namen 8Überschlaggeld“;
191 denn dies blieb fortan die Gebühr für das bloße Wägen und betrug durchwegs 1 kr pro Ztr. Als Ersatz gebühr wurde von Waren, die in die Stadt an einen Bürger kamen, oder von einem solchen versandt wurden, ohne gewogen zu werden, die Hälfte des Waggelds erhoben. Lediglich eine Umschreibung dieser Tatsache stellt der Tarif von 1779 dar, wonach der Fuhrmann für Waren, die an einen Bürger hereinkommen, zunächst den sog. „Eingangskreutzer“, im Falle des Wägens jedoch einen weiteren Kreuzer pro Ztr. zu zahlen hatte, so daß also das „Waggeld“ im alten Verstände 2 kr pro Ztr., die Ersatzgebühr 1 kr beträgt. Ersatzweise wurde das Waggeld auch von solchen Waren fällig, die in eines Bürgers Haus gewogen wurden, da sie in Mengen unter 25 Pfd. verkauft wurden.
HI. Die Zoll>, Wag- und Accistarife. 1. Die Anordnung der Tarife. Für die Anordnung der Tarife — namentlich der des inneren Zollsystems — war zunächst weder die Zusammengehörigkeit der Waren nach ihrer Art noch die alphabetische Reihenfolge maßgebend. Als Gesichtspunkte für die Aneinanderreihung der einzelnen Positionen lassen sich, soweit hier nicht überhaupt blinde Willkür herrschte, einmal historische Momente erkennen. Wie aus dem Raitbuch2) ersichtlich, bilden die im 14. Jahrh. von einzelnen der damals hauptsächlich gehandelten Waren oder Warengruppen fälligen Zölle je eine verwaltungstechnische Zoll einheit, die einzeln verpachtet wurde. Es wurde also nicht etwa durchwegs der Großzoll, wie er in den Zollordnungen erscheint, oder der Roßzoll unter den Toren als jeweilige Einheit ver pachtet, sondern der „Kornzoll zu allen Toren“ oder zu einem oder mehreren bestimmten Toren, der „Gewand- und Ballenzoll“, „der Pfundzoll“, „der Zoll von Honig“, „der Zoll von Salz“ und bisweilen sogar nur der von einer bestimmten Ware, die in einer Richtung das Tor passierte, fällige Zoll bildeten jeweilig geson dert verpachtete Einheiten. Diese erscheinen sodann als Grund positionen der Tarife. Im Laufe der Zeit, da die ständige Meh rung des Finanzbedarfs, sowie die Einführung neuer Artikel in den Handel weitergehende Spezifizierung notwendig machten,
192 wurden neue Positionen irgendwo den alten Grundpositionen oder einfach an den Schluß des Tarifes angefügt. Maßgebend war hiebei vielfach die Art der Verpackung und Höhe des Zoll satzes. So wurden 154631) Rausch, also eine Art Erz, ebenso wie Schmiedfeilen der Position Korn angefügt, weil sie wie dieses nach dem Malter bemessen wurden und 6 Pfg. zollten. Fische wurden, weil auch in Boschen oder Lägeln verpackt, mit Eisen, Leinwand wurde mit Zucker, Weinstein, Reis, Wetzsteinen u. dgl., weil faßweise versandt und verzollt, ebenfalls in einem Zusam menhang genannt. Erst der Wag- und Accistarif von 1779 wurde alphabe tisch angeordnet.29) 2. Die Bemessungsgnindlage* Die Tarife enthalten im allgemeinen sowohl Stück- und Gewichts-, wie Wertzölle. Entsprechend der durch den fort während steigenden Finanzbedarf notwendig gewordenen Ge nauigkeit der Erfassung aller verfügbaren Einnahmequellen traten allmählich die Ge wi chtszöl 1 e gegenüber den Stückzöllen immer mehr in den Vordergrund. Als Wertzoll wurde im Mittelalter der Pfundzoll sowie der Wagzoll von gesottenem Schmalz und im großen gehandelten Kramereiwaren erhoben. Im Gegensatz zum Pfundzoll10) andrer mittelalterlicher Städte, der dort gewöhnlich 4 hlr pro Pfd. hlr., also so viel wie der Mem minger Wagzoll ausmachte, betrug der Memminger Pfundzoll nur 3 hlr/Pfd. hlr. Eine Besonderheit nicht nur des Memminger Zollwesens sondern desjenigen des deutschen Mittelalters überhaupt stellt der Eisen zoll dar, und zwar sowohl bezüglich der Bemessungs grundlage als hinsichtlich der gegenüber den übrigen oft nicht einmal 1 °/0 des Wertes betragenden Zollsätzen besonders auf fallenden Höhe des Satzes.42) Die Bemessungsgrundlage ist stets bei der Kaufgeschäftsabgabe, meist auch bei den Passierzöllen, in Memmingen sogar beim Gredgeld, entgegen jener anderer Waren, oft sogar entgegen der des nahe verwandten Stahls, der Wert des Eisens. So betrug der Zoll von Stahl beim Verkauf desselben nach der vor 1500 erlassenen Wagordnung18) nur 2 Pfg. pro fl, also etwa 1,7 0/0? die den Gast treffende Verkaufs abgabe von Eisen 8 sh hlr pro Pfd., also 40°/0. Selbst für die
193 bloße Durchfuhr von Eisen mußte der Gast 2 sh hlr., also 10°/0 zahlen; nach dem alten Mauerstätter Zolltarif aus dem 14. Jahr hundert betrug der Passierzoll von Eisen 8 Pfg. pro Pfd. Hlr., also 6,7°/- In Zürich42) — um auch eine andere Stadt anzu führen — betrug der Zoll von Schieneisen 1376 6 sh pro Pfd., also 30°/0 des Wertes! Der Umstand, daß in dieser Stadt 1371 noch der sehr geringe Zoll von 4 Pfg. pro Pfd. erhoben wurde, wie auch die älteste Memminger Zollordnung 1S) noch den Pfund zoll für Schieneisen vorschreibt, das ein Gast verkauft, läßt ver muten, daß der Eisenzoll allgemein erst Ende des 14. Jahrh. auf solche Höhe gebracht wurde. Welche Bewandnis es mit der Sonderstellung des Eisens im mittelalterlichen Zollwesen hatte, ist nicht ohne weiteres aufgeklärt; da es sich hiebei vielfach nur um Schieneisen handelte, welches Schulte wohl nicht mit Unrecht mit zu Rüstungen verwendbarem Eisen übersetzt, ist hier ein militärpolitischer Zusammenhang denkbar. Man wollte vielleicht die Kaufleute zwingen, das für Rüstungen gerade in jener so kriegerischen Zeit der Städtebünde besonders notwendige Eisen in der betr. Stadt abzusetzen, statt womöglich gar nach feindlichen Orten weiterzuverfrachten. Im 16. Jahrh. verschwand, wenigstens in Memmingen, der Wertzoll auf Eisen. 157043) wurde die Kaufgeschäflsabgabe von Eisen jener vom Stahl angepasst und nach dem Gefäß (Lägel) bemessen. Der Durchfuhrzoll betrug nach der Zollordnung von 1602 44) für den Gast 2 pro Ztr., für den Bürger 1 $ pro Boschen, während in den späteren Ordnungen24) Eisen fast durchweg nach dem Gewicht verzollt wird und zwar stets in der auch bei anderen Waren üblichen geringen Höhe. Zu erwähnen sind auch die Transportmittelzölle. So wurde in der ältesten Zollordnung13) bei der Durchfuhr von Trockenem Gut eine Gastabgabe von 4 pro Saum erhoben. 154631) wurde ähnlich ein Lastwagen zu Grunde gelegt und 1j2 fl. pro Last gefordert. Ab 160244) wurde statt dessen die Zahl der vorgespannten Pferde zum Ausgangspunkt der Ab gabenberechnung genommen und so ein neuer „Roßzoll“ ein geführt, der nicht zu verwechseln ist mit dem Roßzoll unter den Toren. Stets handelte es sich bei diesen Transportmitlelabgaben um Passierabgaben, die gewöhnlich vom Fuhrmann, und zwar auch im Falle des Kaufgeschäfts gezahlt werden mußten. Ebenso waren die unter dem Tor fälligen Passierabgaben, das Unger13
194 hauser Weggeld sowie der Zoll bei Altmannshofen nach dem Transportmittel bemessen. Wenn hiebei spezifische Sätze Vor kommen, so handelt es sich entweder um einzeln herein- oder herausgetragene Waren, für welche, gewissermaßen als Minimum der Satz für ein Roß in Anschlag kam, oder um Abgaben, die ihrer Natur nach in den Großzoll oder zur Wag gehören. Eine annähernde Wertangleichung bei dem nach Anzahl der vorge spannten Pferde bemessenen Pflastergeld erreichte man im 1/. und 18.84) Jahrh. dadurch, daß man den Roßzoll je nach Art der Ladung stufte. Außer Saum, Wagenlast und Zugtier dienten auch Flöße sowie Menschen, die Ware auf dem Rücken trugen, als bei der Zollbemessung in Betracht kommendes Transportmittel.45)
IV. Zollgesetzgebung und Zollstrafrecht. Die Zollgesetzgebung lag wie auch die übrige Gesetz* gebung in den Händen des Rats. Die Stadt war hierin lediglich den allgemeinen Reichsgesetzen, den Beschlüssen des Schwäbi schen Kreises46) sowie den mit anderen Zollherrn abgeschlossenen Verträgen unterworfen. So brachte der Westfälische Friede 1648 ein allgemeines Verbot von Zollerhöhungen, welches der Stadt in mancherlei Beschwerden vorgehalten wurde.46) Dieses Verbot scheint viel zur Einführung von Aufschlägen und Accisen bei getragen zu haben, welche man, wie Memminger Gegenvorstel lungen besagen, nun deutlich von den „Zöllen“ unterschied und auch in den Kreisbeschlüssen befürwortet hat.47) Als Beispiel einer vertraglichen Beschränkung dient der mit dem Erbtruch sessen von Waldburg abgeschlossene Zollvertrag, wonach dieser, seine Erben und Amtsleute die von Memmingen 1576 erworbene Egelseer Brücke künftig zollfrei passieren sollten.48) Ähnlich bedingte sich die Stadt bei Verkauf des Aitracher Brückenzolls aus, daß dieser nie erhöht und stets nur zu Altmannshofen ein gezogen werden sollte.36) Hinsichtlich der verschiedenen Adeligen und Geistlichen ge währten Zollbefreiungen betonte Memmingen stets den Stand punkt, daß diese nur von Fall zu Fall, nur für Waren, welche dem Hausgebrauch dienten, gelten und nie zu einer Gerechtig keit gereichen sollten. Eine Ausnahme machten höchstens Frei briefe des Kaisers.
195 Allen Zollgesetzgebungsakten gingen Konferenzen voraus, bei welchen die Zoll- und Wagbeamten über die bei der Erhe bung der Abgaben gemachten Erfahrungen berichteten und etwaige an sie gelangte Beschwerden und Wünsche mitteilten, soweit letztere nicht direkt an die Legislative gelangten. Die Übertretung der Zollgesetze, die meist in Vermei dung der Zollstätten und in falschen Angaben über die geführten Waren bestand, wurde durch Konfiskation der betr. Ware sowie durch Geldstrafen geahndet. Da die Übeltäter meist Untertanen fremder Herrschaften waren und von diesen meist bei solchen Angelegenheiten in Schutz genommen wurden, so mochte das Zollstrafrecht ein ziemlich schwaches Mittel zur Sicherung der Einkünfte gewesen sein.
V. Zollverwaltung und Zollkontrolle. Im Mittelalter wurden die Zölle, wie andere dauernde Ein künfte, die u. a. aus den Leinwandbleichen, dem Salzstadel, der Wag, dem Kornhaus wie dem Frauenhaus40) flössen, ver pachtet. Seit dem 15. Jahrh. besorgten besoldete Beamte den Einzug der Zölle. Als solche sind zu nennen; der Groß zoller, der Wag- oder Gredmeister, die Torwarte sowie die Zöllner und Bittel der außerhalb der Stadt liegenden Zollstätten. Der Wagmeister haftete für alle ihm anvertrauten Güter und mußte daher bei Amtsantritt zwei Bürgen stellen. Ebenso mußten schon die Zollpächter des Mittelalters Grundstücke zur Siche rung der Pachtsumme verpfänden. Dem Wagmeister war außer dem ein besonderes Handels- und Speditionsverbot auferlegt, von dem lediglich Eisen sowie solche Ware ausgenommen war, die er zum Selbstverbrauch erwarb. Über seinen eigentlichen Amtsbereich hinaus mußten der Wagmeister u. a. auch zu Beginn des 18. Jahrh. das Fuhrwesen regeln, der Großzoller das Stupfgeld von Leinwand sowie den Accis von 170527) einziehen, während bei den Torwarten außer den schon erwähnten, grundsätzlich an der Wag fälligen Ab gaben eine Reihe von Aufwandssteuern, wie „Ungeld“ und „Auf schläge“ zur Erhebung gelangten. Solche von dem ursprünglich nicht zuständigen Beamten eingezogene Abgaben mußten in einer gesonderten Büchse gesammelt werden, damit man den Ertrag derselben ermitteln konnte. Im 18. Jahrh. wurden die Ämter 13*
1% eines Accisdeputierten sowie eines Wag*- und Gefällinspektors mit kontrolltechnischen Befugnissen eingeführt. Die Zölle und die damit verbundenen Abgaben wurden zu meist bar eingezogen. Doch genossen Gesellschaften und Bürger namentlich bezüglich des Waggelds weitgehende St u ndünge n und konnten sodann ihre Schuldigkeit vielfach unmittelbar auf dem Steuerhaus erlegen. Im übrigen wurden die eingenommenen Gelder von den Zollbeamten jährlich dorthin gebracht und von den Steuerherren, welche die städtische Kasse führten, ver rechnet.50) Im Etat machten die Zölle einen sehr bedeutenden Teil der gesamten Einnahmen aus, erscheinen dort jedoch teil weise mit anderen Einkünften, so der Großzoll mit dem Unter kauf, zusammengeworfen.60) Zur Sicherung der Zolleingänge diente außer dem oben an geführten Zollstrafrecht und der Errichtung von Wehr- und After zöllen einmal die Vorschrift, daß die Zölle und andere Abgaben in gutem Gelde gezahlt werden mußten,51) wodurch den von Seiten der Münzverschlechterung und Münzzersplitterung dro henden Schädigungen entgegengearbeitet wurde, andererseits die Zollkontrolle. Hauptsächlich handelt es sich hiebei um Kontrollierung der am Großzoll und an der Wag fälligen Abgaben. Sie geschah in einfachster Weise durch die Torwarte, welche beim Verlassen der Stadt die an den inneren Abgabestätten aus gestellten Zollquittungen mit Fracht und Frachtbrief zu ver gleichen und einzusammeln hatten. Die allgemeine Anzeigepflicht der Zoll- und Wagbeamten und der Wagknechte, ja sogar der Wirte, welche Kaufleute beherbergten, sowie der Grundsatz, daß kein Gut außerhalb der Wag auf- oder abgeladen werden durfte, ohne Beisein des Wagmeisters oder der Wagknechte, sollte namentlich dem durch „Überfahren der Wag“ getätigten Zoll unterschleif begegnen. Im übrigen bildete ja überhaupt das dem Mittelalter eigentümliche Prinzip der Öffentlichkeit von Waren umsatz und Warenumschlag, wie es hier besonders in dem für fremde Kaufleute durchwegs maßgeblichen Wagzwang zum Aus druck kam, neben seiner wirtschaftspolitischen Bedeutung ein Hauptmittel zur Sicherung der betr. Einkünfte. Besondere Bedeutung gewann die zolltechnische Kontrolle im 18. Jahrh. bei Abwicklung des aktiven Veredlungsver kehrs von Leinwand, Bombasin, Kattun und Tuchen, welche
197 nur zum Bleichen, Ausrüsten oder Drucken in die Stadt kamen. So mußten nach der Verordnung vom 1. 4. 1707 fremde Weber und Leinwandhändler von Leinwand, die sie in die Stadt zum Bleichen brachten und unverkauft wieder hinausführten, ledig lich dem Großzoller das Stupfgeld und den Eingangszoll von 2 kr /Stück — dieser wurde bei Hausleinwand erlassen —, nicht aber den Ausgangszoll von 24 kr/Ztr. zahlen. Zur Kontrolle mußte beim Eingang unter dem Tor ein Zettel gelöst werden mit Angabe des Eigentümers und der Stückzahl, beim Ausgang war dieser Zettel wieder unter dem Tor abzugeben. Ähnlich galten einem Dekret vom 2. 1. 1723 gemäß fremdes Tuch, das lediglich zur Ausrüstung in die Stadt kam, nach dem Dekret vom 27. 11. 1772 Leinwand, Bombasin und Kattun, die zum Druck in die Stadt geführt wurden, als Transitgut. Nach beiden Dekreten mußte zur Kontrolle den Eigentümern der betr. Ware an der Wag ein besonderes „Skontro des Gewichts von Ein- und Ausgang“ geführt werden.62) Es wurde also kein strenger Identitäts nachweis gefordert, obwohl sich dieser gerade bei Geweben durch irgend welchen Aufdruck unschwer hätte ermöglichen lassen. Außer den eigentlichen „Zöllen“ wurden an Großzoll, Wagund besonders unter den Toren auch andere Abgaben kontrol liert. So wurde schon im 15. Jahrh. das Gewicht des mahl st e u e r pflichtigen, in die außerhalb der Stadt befindlichen Mühlen geführten Getreides an der Wag nachgeprüft.63) Außer anderen hier nicht näher zu erläuternden Aufwandsteuern wurde unter den Toren auch eine Vermögen verkehrssteuer kontrolliert, nämlich die sog. Nachsteuer. Diese wurde als Erbschaft steuer von solchen Fremden erhoben, welche in der Stadt, wie die Zollordnung von 1602 besagt, Hausrat erbten. Wurde solcher aus der Stadt geführt, mußte dem Großzoller die Steuerquittung der Steuerherrn erbracht werden, ohne welchen dieser keinen Passierschein unter das Tor erteilen durfte.44)
VL Die Zollpolitik. 1. Die ersten Sparen einer unsystematischen Zollpolitik vor dem 30 jährigen Kriege. Wie anderwärts im deutschen Mittelalter, so waren auch die .Zölle“ der Stadt Memmingen zunächst reine Finanz Zölle.54)
198 Die heutzutage den Prohibitionszöllen zukommende Aufgabe wurde damals — bei der leichten Übersehbarkeit des ganzen Handels war dies gut möglich — durch eine Reihe von Han delsverboten erfüllt. Solche erstreckten sich in Memmingen weniger auf die Ausfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen — hier genügte schon das Einstandsrecht der Bürger und Handwerker im besonderen — wie auf die Einführung von Fertig fabrikaten als vielmehr auf das Verbot des Zwischenhandels und des Handels im kleinen. Dazu kam das Salzstapelre cht65) weiches alle Salzfertiger, die nicht schlechthin durchfuhren, zwang, ihr Salz in Memmingen einige Tage niederzulegen und zu ver kaufen. Hieher gehört auch der Marktzwang. So durfte Korn innerhalb eines gewissen Umkreises um die Stadt lediglich auf dem Memminger Kornmarkt gehandelt werden. Ähnlich bezweckte das im 16. Jahrh. mit mehreren oberschwäbischen Städten und Herrschaften geschlossene Garnbündnis,56) welches innerhalb eines gewissen Bezirkes den Garnaufkauf auf dem Lande unter sagte und den Garnhandel auf den Markt der Vertragsteilnehmer zwingen wollte, die Unterbindung alles preistreibenden Zwischen handels. Alle diese Maßnahmen, wozu auch der Wagzwang ge hörte, hatten den vornehmlichen Zweck, den gesamten Handel an bestimmte öffentliche Örtlichkeiten zu konzentrieren. Hiedurch sollte das Angebot namentlich von Lebensmitteln, Rohstoffen und Halbfabrikaten möglichst vergrößert, somit die Eindeckung mit denselben den Bürgern und Handwerkern erleichtert und verbilligt werden. Weiterhin sollte, was besonders durch den Salz stapel bezweckt wurde, der Handel schlechthin möglichst in die Stadt konzentriert werden, was nicht nur dem Fiskus, sondern auch einer Reihe von Gewerben, wie dem Fuhrmanns-, dem Gastwirts- und dem Schmiedegewerbe, zugute kam. Als haupt sächliches Mittel die Ausfuhr von gewerblichen Erzeugnissen zu heben, diente die Schau, welche nur Qualitätsware zum Markte zuließ und so den guten Namen der Stadt in aller Welt ver breiten und erhalten half. Wenn den mittelalterlichen Zöllen rein fiskalischer Charakter zugeschrieben wird, so soll damit nicht gesagt sein, daß bei ihrer Festsetzung andere, besonders wirtschaftspolitische Rücksichten völlig außer Acht gelassen wurden. So erscheint mir die Tat sache, daß im Gegensatz zu andern Artikeln der Gastdurch-
199 fuhrzoll von Salz nach der Zollordnung von 1420ff.67) in gleicher Höhe (3 hlr./Scheibe) wie die Kaufgeschäftsabgabe erhoben Wurde, als von der Absicht diktiert über das Stapelrecht hinaus auch die schlechthin durchpassierenden Salzfertiger in Memmingen zum Stapel zu veranlassen. Die auffällige Erscheinung des un gewöhnlich hohen und nach dem Werte bemessenen Schieneieenzolls habe ich oben schon erwähnt und mit militärpoli tischen Zielen in Verbindung gebracht. Die oben für Salz an geführte Tendenz scheint auch, allerdings nur nach der ältesten Zollordnung,13) nach der nächsten schon nicht mehr, für Eisen Vorgelegen zu haben, von dem der Gast bei der Durchfuhr 2 sch.hlr/pfd., beim Verkauf nur den Pfundzoll zahlte. Doch ist hier ein Fehler in der Aufzeichnung nicht ausgeschlossen. Wenn in der nach 1420 niedergeschriebenen Zollordnung67) der Gast von Wein, den er aus eines Bürgers Keller kauft, weniger zollt als von Wein, der noch in keinen Keller gekom men ist, so ist darin wohl keine handelspolitische Maßnahme, sondern lediglich eine Rücksichtnahme auf das von „liegendem Wein“ etwa schon bezahlte Ungeld zu erblicken. Man wollte also eine Doppelbesteuerung verhüten. Ganz allgemein verbreitet war im Mittelalter, wenigstens bei den Marktzöllen, die Differenzierung nach dem Bürger recht, wonach der Gast höheren Zoll schuldete als der Bürger, während die aus Gast und Bürger bestehende Gesellschaft eine Zwischenstellung einnahm. Hierin liegt offenbar eine Bevor zugung des bürgerlichen Eigenhandels gegenüber dem Fremd handel, soweit diese Höherbelastung des Gastes nicht lediglich ein Äquivalent für die den Bürger treffenden Stadtsteuern jeg licher Art darstellt.16) Wie im Mittelalter der bürgerliche Handel in den Zoll tarifen einer besonderen Begünstigung begegnete, so wurde auf die Förderung des Handels überhaupt Rücksicht genommen, in dem ursprünglich zu hoch angesetzte Abgaben (meist Transit zölle) ermäßigt oder von vornherein in der Erwägung, „die Kommerzien nicht zu schädigen“ möglichst niedrig gehalten wurden, Daß solche Tendenzen schon in mittelalterlichen Tarifen zum Ausdruck kamen, beweist die Stadt Diessenhofen, welche 1426 den Memminger Kaufleuten und Salzfertigern gelegentlich der Errichtung eines Kaufhauses einen ermäßigten Gredlohn- und
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Hausgeldtarif einräumte.68) Hier liegt gegenüber dem Normal tarif ein regelrechter Konventionaltarif vor. Zur Förderung des Handels trug auch der in der Zollord nung von 1546 erwähnte Jahrmarktzoll bei, welcher die fremden Kramer und Gewandschneider in geringerer Höhe traf als außerhalb des Jahrmarkts.31) Als ältestes Zeugnis eines deutlichen Zusammenhangs zwi schen Zoll und Gewerbe ist der in der Klauzollordnung vom 8. 12. 153659) besonders geregelte, aber auch schon in der Groß zollordnung von 1420 ff. aufgeführte K1 a u z o 11 anzusehen. Dieser war, wie der Name schon andeutet, die äußerlich in den Groß zoll gehörige Kaufgeschäfts- und Durchfuhrabgabe auf Vieh, Häute und Leder. Den Einzug desselben besorgte jedoch nicht der Großzoller, sondern die Gerberzunft, welche hiefür wieder um 8 Pfd.hlr. jährlich an die Stadtkasse abführte. Diese Tat sache, die sonst noch nirgends anzutreffen war, rechtfertigt die Annahme eines gewerbepolitischen Motivs, wenn dieses auch nur in einer Dotierung der Zunftkasse aus dem Zoll und einer ge naueren Überwachung des Handels in den ins Gewerbe ein schlägigen Artikeln durch die Zunft bestanden haben mag. 1640 wurde der Klauzoll aufgehoben.60) Eine deutliche Ernährungs- wie gewerbepolitische Tendenz enthielt die Wagordnung von 1570.43) Während nämlich dort der Gast beim Verkauf oder Kauf von gesottenem Schmalz, Schweineschmalz, Schmer, Unschlitt, Flachs, Hanf, Schafwolle und Federn das allgemeine „Waggeld* — gemeint ist der alte „Wagzoll* — von 2 $/fl. schuldete, mußte er, wenn er dieselben Waren einem Bürger zu dessen Eigenverbrauch verkaufte, 4 kr/Ztr. zahlen. Allein schon die weniger genaue Tarifierung nach dem Gewicht, welche gerade bei steigenden Preisen den verhältnis mäßigen Anteil der Abgabe am Werte verringert, sowie die wenigstens für Flachs nachweisbare tatsächliche Erniedrigung der Abgabe macht es wahrscheinlich, daß man hier die Ver sorgung der Bürger mit den genannten Bedarfsgegenständen sowie im besonderen die Beschaffung der für Hausfleiß und Handwerk wichtigen Rohstoffe erleichtern wollte. Als eine Art indirekten Schutzzolls könnte man den in der Zollordnung 1546 31) enthaltenen Satz von 4 M.St.A.Sch. 266/2, Der Stadt Denkbuch, Bl. 95; 217. 49) M.St.A.Sch. 266/2, Der Stadt Denkbuch, Bl. 146.
207 50) Friedrich Dobel, Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Reichsstadt Memmingen, Augsburg 1876, S. 31. M.StA.Sch. 318/3, „Etliche Jahresrech nungen de Annis 1556, 1566, 15/6, 1586, 1596, 1600“. 51) M.St.A.Sch, 314/1, „Verkünd Zedl Zollens und andershalb an der Wag, Steuerhaus, Kornhaus und Salzstadel angeschlagen, 1574“. 5I) M.St.A.Sch. 313/4, „ . . . Die Ein- und Ausfuhr zur allhiesigen Aus rüstung fremder Tücher betr. 11. 4. 1723“. 313/1, „Obrigk. Verordnung über das Stupfgeld und Leinwathzoll und derer Einzug“. „Revid. Ordnung über das Stupfgeld und Leinwathzoll, 13. 6. 1721“. „Stupfgeld und Leinwathzoll, rev. 1721“. „Zoll-, Wag- und Torwartordnungen“, S. 38. 314/10, „4 obrigk. Decreta den Leinwathzoll betr», 27. 11. 1772“. 53) M.St.A.Sch. 266/2, „Der Stadt Verkündbuch“, Bl. 137, 160 genau so für Ulm Bl. 55, 54j Das Mittelalter kannte überhaupt nur Finanzzölle, erst später gesellten sich zu dem fiskalischen Interesse „noch andere Motive. Dabei stellt sich der Zoll als eine mildere Form der Ein- und Ausfuhrverbote dar und äußert sich charakteristischerweise viel eher als Mittel zur Verhütung der Ausfuhr von Waren, die im Inland notwendig gebraucht wurden ...., denn zu dem Zwecke, die Fremdzufuhr einzudämmen“. Handw. der Staatswissenschaften, Art. Zölle. 65) M.St.A.Sch. 314/9, „Gründliche Information“, wahrscheinlich 1689. Siehe ferner J. Groß. Memminger Salzhandel, Schwäbischer Erzähler, 13. Jahrg., Memmingen 1897. 56J Ascan Westermann, Zur Geschichte der Memminger Weberzunft und ihrer Erzeugnisse im 15. und 16. Jahrh., in Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. XII, 3. und 4. Heft 1914, Seite 398. 67) M.St.A.Sch. 313/1 zu oberst liegende zwei Akten, beginnend „wo der statt großer zoll...“, stammend aus der Zeit von ca, 1450. 58) Bayer. Hauptstaatsarchiv, Urkunden der Reichsstadt Memmingen, fase. 23. Ähnlich bestand zu Beginn des 15. Jahrh. zwischen den Bürgern Augs burgs und Frankfurts gegenseitige Zollfreiheit für die denselben jeweils zu gehörigen Güter. Die Welser, I. Bd. Nürnberg 1917, Seite 89. 59) M.St.A.Sch. 313/1, „Klawzol“. 8. 12. 1536. 60) M.St.A.Sch. 315/3, 314/5 und 314/6. 61) Ascan Westermann, Zur Geschichte der Memminger Weberzunft und ihrer Erzeugnisse im 15. und 16. Jahrh., in Vierteljahrsschrift f. Soz. u. W,Gesch., Bd. XII, 3. u. 4. Heft, 1914, S. 582 ff. 62) J. Fr. Unold, Geschichte der Stadt Memmingen, Memmingen 1826, S. 380. 63) M.St.A.Sch. 314/11 „Oberherrl. Decret ... 12. 9. 1783 . . . den ver mehrten Accis der fremden Lodnerwar und restringierte Verkaufen derselben der handlenden Lodner betr.“ 64) Siehe Anm. 55. 65) J. Fr. Unold, Gesch. der Stadt M., Memmingen 1826, S. 204. 6ß) M.St.A.Sch. 314/7 „Lindau, Magazin Fruchtzoll 1646“.
Der Maler Johann Ulrich Loth (ca. 1600—1662). Von Prof. Dr. Hermann N asse-München.1) Wenn auch mit dieser Skizze über Johann Ulrich Loth noch nicht Vollständigkeit geboten werden kann, so soll doch mit ihr ein erster bescheidener Versuch unternommen werden, eine Künst lerpersönlichkeit des 17. Jahrhunderts in den Vordergrund zu stellen, die für Augsburg und München immerhin von einiger besonderer Bedeutung ist. Hat unser Meister auch keinesfalls den Rang und die Größe eines Elsheimers, so darf er sich doch seinen ähnlich gearteten italienischen Zeitgenossen wie beispielsweise Celesti und Lanfranco und französischen Malern wie Jean le Clerc, Regnier, Valentin und vor allen Dingen Vouet unbedenklich an die Seite stellen. Als Johann Ulrich Loth um die Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts in München das Licht der Welt erblickte, waren dort Candid, zeitweise auch Rottenhammer und bis 1603 Mathias Kager eifrig am Werk. Nun hat man immer auf Grund einiger literarischer Notizen angenommen, Loth sei ein Schüler Kagers gewesen. Es muß aber ausdrücklich festgestellt werden, daß sich ein zwingender Beweis für eine solche, wenn auch ziemlich weit zurückgehende Überlieferung nicht erbringen läßt. Loth ist aber sicherlich Schüler Candids gewesen, der ja 1602 vom Kurfürsten Maximilian ausdrücklich als Hofmaler neu bestätigt worden war und noch bis 1628 lebte. Die Familie unseres Loth stammt aus Weilheim. Sein Vater Paulus war Glasmaler. Als solcher hatte er unter anderem die Fenster des Augsburger Rathauses auszubessern. Johann Ulrich l) Die Anregung zu dieser Arbeit und alle archivalischen Quellen ver danke ich dem uneigennützigen Entgegenkommen des Herrn Hauptkonservators Prof. Dr. Graeff in München.
209 war das älteste von sieben Kindern. Schon 1615 trat auch er in den Dienst des Kurfürsten Maximilian. Auf ein Gesuch wurde ihm am 30. Juli 1618 ein erhöhter Wochenlohn bewilligt, der im Jahr rund 100 Gulden ausmachte. Im folgenden Jahr schickt ihn der Kurfürst nach Rom, mit widerruflich 150 Gulden Jahresgehalt. Somit war auch für unseren Künstler wie für alle seine Kollegen Rom das heiß ersehnte erste Wanderziel. Denn in jener für unser deutsches Vaterland so schweren Prüfungs zeit des dreißigjährigen Krieges lag der Hauptakzent des allge meinen Kunstschaffens im Süden, in Italien und auch in Frank reich, in erster Linie natürlich in Venedig und Rom. Allerdings darf man sich erinnern, daß gerade München und Augsburg am wenigsten zu leiden hatten. Als Johann Ulrich Loth in Rom eintraf, waren Caravaggio und Elsheimer nicht mehr am Leben. Ersterer war 1609, letzterer 1610 gestorben. Aber ihre besten Schöpfungen hatte er dort vor Augen, von denen er lernen konnte. Caravaggios Naturalismus und Helldunkelmalerei wurde ihm durch dessen nächsten Schüler, Carlo Saraceni, auch durch Carlo Veneziano, mit dem er in persön liche Berührung getreten ist, besonders anschaulich. Wahrschein lich folgte er seinem Freunde nach Venedig, woselbst sich be kanntlich später sein bekannter, vielleicht aber doch nicht völlig mit Recht berühmterer Sohn Karl, genannt Carlotti, für den Rest seines Lebens aufgehalten hat. Archivalisch belegen läßt sich Ulrich Loths Lehrzeit und Freundschaft bei uns mit Saraceni freilich nicht, aber alle literarischen Quellen bezeugen und die Stilkritik bestätigt es. 1623 kehrte unser Loth nach München zurück. Hier wurde ihm sein Jahresgehalt nunmehr verdoppelt, sicherlich ein Beweis dafür, daß er auf seiner Italienreise tüchtige Fortschritte gemacht hatte. Trotz dieser Gehaltserhöhung richtet er nun immer drin gender und immer häufiger Gesuche um feste Anstellung und ausreichende Besoldung an den Hof. Dies hatte persönliche und menschliche Gründe: Er verheiratete sich mit Livia Krümper, der Tochter des bekannten, hochangesehenen Baumeisters und Bildhauers aus Weilheim. Livia, die ihren Gatten überlebte, ist als recht geschickte Miniaturmalerin bekannt geworden. Arbeiten von ihr, z. B. aus dem Bruderschaftsbuch von Altötting, verwahren das Nationalmuseum und die Graphische Sammlung in München. 14
210 Erstaunlicher und befremdender Weise scheidet nun Loth, der ein eigenwilliger und nicht leicht zu behandelnder Mensch gewesen sein muß, schon im Jahre 1626 aus dem unmittelbaren Dienst des Kurfürsten aus. Wie er aber schon seit seiner Rückkehr aus Italien im wei testen Maße an der Ausschmückung der „neuen Veste“ beteiligt gewesen war und wahrscheinlich Bilder für den einstigen Kaiserund Vierschimmelsaal gemalt hatte, so hatte er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Hofdienst noch häufig genug Arbeiten für den Kurfürsten auszuführen. Die archivalischen Quellen berichten uns, daß Loth 1630 den Auftrag für einen Altar der Georgenbruderschaft in der Frauenkirche erhielt. Dies Altargemälde ist noch erhalten, wegen schlechter Beleuchtung aber bisher noch nicht photographiert worden. Es stellt den auf einen Schimmel daherstürmenden hl. Georg dar, der durch Erlegung des Drachen die Prinzessin be freit. Etwas später entstand das Gemälde der „Anbetung der Könige“, dessen Predella zahllose Heilige darstellt, und jenes der „Darstellung“ des Herrn, das Ecce- Homo -Bild ebendort. Aus den Hofzahlamtsrechnungen erfahren wir aber außerdem, daß der Künstler im Jahre 1633 vom Kurfürsten Maximilian den Auf trag erhielt, ein Verkündigungsbild für die Lünette über dem schönen Portal der reichen Kapelle der Münchener Residenz zu malen, da das ältere Bild dort völlig verdorben und nicht mehr zu brauchen war. Interessant ist dabei die Mahnung, „da er ein so vornehmer Meister seia, bei Anfertigung dieses neuen Bildes „selbständig vorzugehen“. Ursprünglich hatte Loth nämlich die Absicht, die Zeichnung eines Dritten, nämlich die seines Vor gängers (Sustris?) als Vorlage zu benutzen. Statt nun aber das ausgeführte Verkündigungsbild seinem Fürsten abzuliefern, ver kauft er es an einen Privatmann, verspricht dem Kurfürsten eine eigenhändige Wiederholung und verreist, ohne sein Versprechen einzulösen, mit seinem Bruder Georg nach Wien. Dieser Bruder Georg war auch Maler und wird im Jahr 1654 als Kammermaler des Erzherzogs Wilhelm erwähnt. Um sich nun fürs erste schad los zu halten und wohl auch, um des Ausreißers Rückkehr von Wien sicherer zu erzwingen, läßt der Kurfürst durch den Rat der Stadt München Loths Liegenschaften vorübergehend pfän den. Ob Loth später jenes Gemälde der Verkündigung wirk-
211 lieh noch ausgeführt hat, ist mehr als fraglich. Das an Ort und Stelle befindliche Bild scheint von Candids Hand zu sein. Auch nach 1633 hören wir noch von manchen Aufträgen ähnlicher Art, darunter auch solchen für Miniaturmalereien. In das Ende des Jahres 1636 fällt noch der Auftrag für das besonders schöne Hochaltarbild der Stadtpfarrkirche in Weilheim, einer „Himmel fahrt und Krönung der hl. Maria“, das aber erst 1640/41 aus geführt wurde. Erst im Jahre 1644 (!) fertigte Loth sein Meister stück der Münchener Malerzunft, das bekannte „Abendmahlsbild“, nach einer Vorlage aus der Werkstatt des P. P. Rubens in der Münchener St. Peterskirche. Nach Gemälden der Rubens-Werk statt hat Loth häufig gearbeitet. Wie eines seiner frühesten Ge mälde, das „Urteil Salomons“ in Schleißheim nach Rubens ge malt ist, so ist wohl seine letzte Arbeit überhaupt eine freie Kopie nach dem „apokalyptischen Weibe“ von Rubens, einst in Freising, jetzt in München, die sich in der Klosterkirche von Isen befindet. Wir werden auf Loths Gemälde, ihren Stil und ihre Technik noch zurückkommen. Einstweilen nur noch einiges Wenige aus seinem Leben. Da ist leider eine etwas peinliche Angelegenheit nicht zu ver schweigen, die auf den Menschen kein sehr günstiges Licht wirft: er mußte wegen einer Gewalttat an einem Frauenzimmer in Strafe genommen werden! Auch galt er als trunksüchtig und war mehr wie einmal in großen finanziellen Verlegenheiten. So scheint es ihm in den letzten Jahren herzlich schlecht ergangen zu sein, bis ihn der Tod im Jahre 1662 vom Schauplatz seiner Tätigkeit abrief. Sein Sohn Karl, der 1632 geboren wurde und 1698 starb, der anfangs auch sein Schüler war, später aber ganz Venezianer wurde, war berufen, des Vaters künstlerisches Erbe anzutreten. Karl Loth ist aber kaum mit seinem Vater vergleichbar. Denn die Kunst Karls geht weit mehr auf Pietro Liberi und Candid, die seine Lehrer waren, als auf Johann Ulrich Loth zurück. Auch Guido Reni und Carlo Dolci haben Karl Loth erheblich beein flußt. Er war ein außerordentlich fruchtbarer Maler. Fast in allen Galerien Europas befinden sich Gemälde von ihm. Auf seinen Stil kommen wir noch zurück. Weit weniger zahlreich sind die Gemälde seines Vaters Johann Ulrich Loth. Ob der auch, wie manche Schriftsteller behaupten, in Miniatur gearbeitet hat, läßt sich
212 vorläufig nicht feststellen, da sich bisher noch keine für ihn ge sicherten Miniaturen nachweisen ließen. Auch ob es richtig ist, wie behauptet wird, daß er gerade durch zu häufige Beschäfti gung mit Miniaturmalerei der „Crudezza“ verfallen sei, muß da hingestellt bleiben. Denn schon, ja gerade in seinen früheren Arbeiten macht sich eine gewisse Härte, Herbheit und Stumpf heit geltend. Von der gewaltigen dramatischen Kraft eines Caravaggio ist nirgends etwas zu spüren. Aber die Sachlichkeit dieses Italieners, die scharfe Bestimmtheit der Zeichnung, die plastische Rundung und das Interesse für Bewegung teilt er mit seinem Vorbild. Wie stark er von Caravaggio beeinflußt wurde, beweist unzweideutig eine nicht schlechte Kopie von seiner Hand nach Caravaggios bekanntem Gemälde des „Todes Mariae“ zu Paris, die im Freisinger Dom in leider sehr schlechter Beleuchtung hängt. Weit nachhaltiger aber war Saracenis Einfluß, dem gegenüber das Caravaggieske reine Episode bleibt. Die frühe, gut erhaltene „FI1. Familie“ in Schleißheim mit dem derben, kleinen, braun gekleideten schlafenden Jesuskind und einem Joseph, dessen Kahlkopf an manche Büßer Riberas erinnert, von der eine Kopie des 18. Jahrhunderts sich in der Kapelle von Arzbach bei Tölz befindet, und eine weitere sehr geringe im Franziskanerkloster in Tölz zeigen in der Ausgestaltung der Einzelheiten die gleiche episch breite Erzählungslust, wie sie Saraceni beispielsweise in der Wiener „Ruhe auf der Flucht“ oder dem Münchener Bilde der „Vision des hl. Franz“ entfaltet. Besonders letzteres Bild läßt vortrefflliche Vergieichsmöglichkeiten beider Künstler zu. Wie Saraceni betont auch Ulrich Loth die Konturen, zeichnet er dicke, kurze, gelenklose Finger und überhaupt etwas plumpe Figuren, liebt er glattrasierte, rundliche Köpfe und bleibt er unter Ver meidung des Helldunkels hell, oft bleich im Kolorit neben beton ten, roten oder blauen, aber immer stumpfen, breiteren Farbflächen. Wie weit er sich hierdurch und auch durch Vermeiden jeglicher Süßlichkeit oder effektvolleren Pose von seinem Sohn Karl unter scheidet, erhellt aus einem Vergleich der „büßenden Magdalena“ von ihm in Burghausen mit der seines Sohnes in Bamberg. In der Augsburger Galerie befinden sich unter anderem zwei für unseren Künstler völlig gesicherte Gemälde : „Jakobs Traum“ und „Isaak und Esau“, denen sich der „Segen Jakobs“ im Mainzer Museum anschließt. In dem Bilde, da Jakob die Himmelsleiter
213 erblickt, begegnen wir dem für Loth charakterischen harten Rot im Mantel Jakobs, der Vorliebe für gebrochene Farben im WeißGelb der Engel. Ein gleiches gilt von dem Rot-Grün und GelbGrau in der Kleidung der beiden Männer dort auf dem Jäger bild. Einen ähnlichen Farbcharakter trägt auch das dritte Augs burger Gemälde: „Der Heiland mit dem ungläubigen Thomas“. Der „Christus in der Vorhölle“ in Würzburg (Gefängnis) soll im Kolorit ganz ähnlich gehalten sein. Zeitlich dürften die beiden Bilder folgen, die sich im Landtagsgebäude zu München befinden: „Die Berufung der beiden Jünger“ Petrus und Andreas durch den Heiland und „Matthaeus und der Engel“. Christus ist rot blau gekleidet, die Jünger tragen gelbe und rote Gewänder, Matthaeus erscheint in Rot-Grün, der Engel in Weiß-Blau. Wie hier die Fische groß und drastisch gebildet sind, so zieht in gleich nachdrücklicher Weise im Esau-Bild der Hund des Jägers die Aufmerksamkeit auf sich. Eine gut erhaltene „Hagar mit dem kleinen Ismael“ in der Münchener Akademie der bildenden Künste bringt den brüderlich ähnlichen Engel, wie auf dem Matthaeus-Bilde. Nur spielen hier auch gelbliche Töne eine Rolle. Und wieder ein ganz ähnlicher Engel Gabriel mit betont bewegter Geste erscheint auf dem in Augsburger Privatbesitz befindlichen schönen Verkündigungsbilde, auf dem auch das Stilleben wieder eine besondere Rolle spielt. Mit dem 1631 datierten Gemälde des „Hl. Rupertus und Maximilian“ der Traunsteiner Salinenkapelle beginnt die Reihe der größeren und innerlich vertieften Altarbilder, die auf beson dere Bestellung von Korporationen zurückzuführen sind. Rupertus ist weißbraun, Maximilian blau-gelb-rot gekleidet. Ersterer ist bekanntlich Patron von Oberbayern; letzterer, einst Missionar im Fränkischen, wird vorwiegend in Passau und Altötting verehrt. Der schon erwähnten „Anbetung der hl. drei Könige“ in der Münchener Frauenkirche scheinen stilistisch eine „Flucht nach Aegypten“ und „Darbringung“ in Kirchheimbolanden zu ent sprechen. Von wirklich visionärer Kraft, trotz etwas matter und teilweise, wie immer, ein wenig stumpfer Färbung ist ein einstiges Schützenbild, das, die Heiligen Franz von Paula, Sebastian und Rochus, also lauter Pestpatrone darstellend, jetzt oben auf der Empore der Tölzer Pfarrkirche hängt. Die Farben sind ein dunkles Braun, ein stumpfes Blau und ein mattes Weiß-Gelb.
214 Das Gemälde ist 1634 datiert. Ein gutes Votivbild ist die „Hl. Familie des Johann von Werth“ in Lindkirchen bei Neustadt an der Donau. Von Werth spielte bekanntlich als Reitergeneral mit sehr wechselnden Schicksalen im dreißigjährigen Krieg eine Rolle. Vielleicht stiftete er das besonders sorgfältig ausgeführte, in der Komposition gut und straff zusammengehaltene Gemälde mit der für Loth charakteristischen Madonna, deren Köpfchen fortan immer auf das gleiche Modell zurückzuführen ist, zum Dank für seinen Sieg über die Schweden und Franzosen bei Tuttlingen im Jahre 1642. An Bildnisähnlichkeit ist nicht zu zweifeln. Das energische Antlitz des Generals bildet einen packenden Gegen satz zu der einfachen, etwas ländlichen Lieblichkeit der Madonna. Nur ein Stich von Wenig vermittelt uns die Kenntnis eines einst leidlich berühmt gewesenen Pestbildes, das den hl. Nikolaus von Tolentino als tröstenden Helfer einer von der Pest heimgesuchten Menge darstellt, den in den Wolken die himmlische Dreieinig keit und die Madonna assistieren. Nach einem, jetzt in der alten Pinakothek befindlichen Gemälde der Rubens-Schule, dessen Be kanntschaft ihm wohl ein Stich übermittelte, malte Loth um 1650 das schöne „Pfingstbild“ der Münchener Heiliggeistkirche. Be deutender noch ist eine weitere, oben schon kurz erwähnte Kopie nach dem bekannten, vielleicht eigenhändig unter Anteilnahme van Dycks ausgeführten Abendmahlsbilde, das den tieferen sym bolischen Sinn und Inhalt der Austeilung der ersten Kommunion besonders kraftvoll und tief innerlich dramatisch ausdeutet. Mit einigem Vorbehalt möchten wir auch zwei Supraporten der sog. Kurfürsten-Zimmer der Münchener Residenz, „Cimon und Pera“ und den „Barmherzigen Samariter“ für Arbeiten unseres Loth halten. Allerdings ist das Kolorit schwerer und dunkler, zugleich auch weniger stumpf als in den Altargemälden. Es hat eine gewisse Ähnlichkeit, z. B. im Inkarnat und im RotBraun, mit Riberas Farbgebung. Ebenso macht sich in der schär feren Herausarbeitung der Falten und Runzeln, der einzelnen Haare, der Adern und Gelenke ein Naturalismus geltend, den auch Ribera kennt. Aber es ist an Ribera nicht zu denken, der weit dramatischer und spiritueller erscheint. In kleineren Galerien dürften noch manche, dem Ribera mit einem Fragezeichen zu geteilte Bilder näher zu prüfen sein und dürfte sich noch man cher Lothfund ergeben, den vorläufig die Kürze der Zeit nicht
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Joh. Ulrich Loth, Johann v. Werth vor der Madonna Lindkirchen.
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erlaubte. Nun enthält der große Hauptsaal des Schlosses Euras burg Decken- und Wandmalereien, von denen die der unteren Reihe, die die Geschichte Simsons behandeln, mit Sicherheit von Johann Ulrich Loth gemalt sind. Auch vor ihnen möchte man beim ersten oberflächlich-flüchtigen Anblick an Ribera denken. Aber auch sie sind nach Zeichnung und Färbung von einem in Italien geschulten Deutschen und zwar von Loth, wofür bei näherer Stil Vergleichung alle stilistischen Merkmale überzeugend sprechen. Vielleicht ergibt noch eine Durchforschung des im Landshuter Archiv vermutungsweise aufbewahrten, auf die Ge schichte der Erbauung des Eurasburger Schlosses bezüglichen Materials Positiveres. Jetzt schon möchten wir den Bau selbst für eine Arbeit Elias Holls und die Prunköfen für Arbeiten Augs burger Hafner, vielleicht der gleichen, die die Oefen für das Augsburger Rathaus erstellten, halten. Die Fresken an der Decke aber sind Arbeiten Carlottis und, wie erwähnt, seines Vaters. Johann Ulrich Loth betont die Umrisse und auch die plastische Modellierung weit energischer als sein im Vergleich mit ihm weit geschmeidiger, aber auch glatter und weichlicher arbeiten der Sohn. Im allgemeinen begnügt sich Johann Ulrich Loth mit ruhigen Existenzbildern oder visionären Andachtsbildern mit wenigen Figuren und verhältnismäßig zahlreichem Beiwerk, wäh rend sein Sohn gerne eine große Figurenmenge in den Bildern einführt. Johann Ulrich Loth hält seine frühen Gemälde im Auf bau fast reliefmäßig, um erst in den späten eine größere Räum lichkeit und Tiefenbewegung zu erzielen. Werden auch seine anfänglich recht stumpfen und kühlen Farben im Verlauf seines Wirkens wärmer, ja bisweilen sogar leuchtend und kontrast reicher in der Licht- und Schattenbehandlung, so erreicht er doch niemals jenen oft speckigen Glanz und jene meist spiegelnde Glätte, die für Carlotti eigentümlich sind. Niemals findet sich bei Johann Ulrich jenes sonnige, venezianisch goldbraune Kolorit* das den Sohn Karl den Venezianern zur Seite stellt und schließ lich fast gänzlich zum Venezianer werden läßt. Ebenso vermeidet Carlotti in den meisten Bildern jene Diagonalbewegung und Raum tiefe, die den späten Bildern des Vaters eigen ist. Fast möchte man Carlotti einen Klassizisten nennen trotz seiner unverkenn baren Barockeigenschaften: so flächig sind meist seine Bilder, so wohl abgewogen und nahezu symmetrisch ist die Kompo-
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sition, so zurückhaltend ist er im Ausdruck und so schwärmerisch zart und lyrisch in der Empfindung. Niemals findet sich bei dem kernigen Johann Ulrich Loth jene lächelnde Hingebung, jene etwas kokette Pose, jene Freude an elegant polierten Nägeln und effektvoll und affektvoll hingesetzten Gesten, deren Wirkung aber rasch verpufft: alles Stileigentümlichkeiten seines zwar be stechenderen, aber doch virtuosen Sohnes. Zusammenfassend darf man Johann Ulrich Loth nachrühmen, daß er seine deutsche Form niemals der fremden italienischen Form völlig geopfert hat, während der Sohn in der Tat zum Italiener geworden ist. Man betrachte daraufhin nur einmal das gewiß gute Münchener Bild des hl. Dominikus und der 1671 heilig gesprochenen Rosa von Lima von Carlotti und vergleiche es mit Johann Ulrichs Johann von Werth-Madonna. Um zum Schluß noch eine Probe des hohen Rufes zu geben, dessen sich Johann Ulrich Loth schon frühzeitig in der Literatur erfreute, sei die Beschreibung Rittershausens im Auszug mitge teilt, die dieser Geschichtsschreiber von dem Dreikönigsbild der Frauenkirche gibt. Es heißt da unter anderem: „Diese Gegen würfe des Reichtums und der Dürftigkeit, der Zierden und der Einfalt gaben dieser Tafel eine sonderbare Anmut. Doch Har monie und Farbenschmelz übertreffen alles. Süß wie Herbst abendschimmer erstrahlen die Farben, von unzähligen Wider scheinen durchwebt. Jede Farbe ist in die andere eingeschmolzen und nehmen das Aug in seinen Schoß. Nicht von einem einzigen Ton aufgeschreckt, ruhet es sanft.“ Von den Heiligen und Evan gelisten, die Loth mit „markischtem“ Pinsel darunter gemalt habe, heißt es; „Man vergißt auf einige Augenblicke Coreggio und Tizian. Natürliche Wahrheit verbindet sich hier mit einer seltenen Schönheit. Zeichnung und der reinste Farbenschmelz streiten um die Wette. Der Ausdruck aber des Geistes . . . steigert sich hier bis zum Wunderbaren.“
Carl Maria von Weber und Augsburg. Ein biographischer Beitrag von Dr. Max Herre-Augsburg. Obwohl über Carl Maria von Weber eine überaus reiche Literatur vorhanden ist und das Jahr der hundertsten Wieder kehr seines Todestages (5. Juni 1826) diese um ein beträcht liches vermehrt hat, stößt man doch noch auf Lücken in der Darstellung seines Lebens und Wirkens, die für eine abschlie ßende Biographie empfindlich spürbar sind. Sie werden sich nicht in allen Fällen schließen lassen. Trotzdem bleibt der Einzelforschung die Aufgabe Vorbehalten, an die Untersuchung heranzutreten und auf lokal beschränktem Gebiete Bausteine herbeizuschaffen, die dem kommenden Biographen notwendigsind. Dabei kommt erst in zweiter Linie die Frage, ob die Forschung positive oder negative Ergebnisse zeitigt, wenn sie nur Ergeb nisse bringt, wenn sie nur bisher nicht untersuchte Fragen nach Maßgabe des vorhandenen urkundlichen Materials löst oder ihre Unlösbarkeit einwandfrei feststellt. Carl Maria von Weber hat mit Augsburg in lebhaften und verhältnismäßig lang andauernden Beziehungen gestanden. Doch fehlt darüber noch eine zusammenfassende Arbeit. Bisher sind wir immer noch allein auf den Bericht angewiesen, den Max von Weber in der Biographie seines Vaters gibt.1) Was Max von Weber hierüber zu berichten weiß, sind nur spärliche Notizen. Man kann sich des Gefühles nicht erwehren, daß er die Augs burger Episode rasch streift, ohne ihr ausführlichere Beschrei bung zu widmen, vielleicht deshalb, weil die Oper Peter Schmoll nicht den erwarteten Theatererfolg brachte, vielleicht aber auch, weil das ihm vorliegende Material nicht genügend Auskunft bot. Da die Weber-Arbeiten ausnahmslos dem mit anteilvoller Liebe und weitgehender Gewissenhaftigkeit geschriebenen Lebensbilde Max von Webers folgen, so hat noch Niemand ernsthaft ver*) Max von Weber: C. M. v. Weber, ein Lebensbild, Leipzig 1864, Bd. I, S. 73 f. und S. 487.
218 sucht, den Spuren Carl Marias in Augsburg nachzugehen, denn sonst hätten Widersprüche und offensichtliche Fehler Korrektur finden müssen. Carl Maria von Weber ist mit seinem Vater Franz Anton nach Augsburg in der ausgesprochenen Absicht gereist, dort die Oper „Peter Schmoll und seine Nachbarn“ zur Uraufführung zu bringen. Die Oper war bereits 1801 in Salzburg vollendet worden, nach des Komponisten ausdrücklicher Angabe.1) Max von Weber erklärt dagegen, daß die Oper April 1802 ihre Vollendung er fuhr. Es besteht kein Grund, Carl Marias Angabe in Zweifel zu ziehen, da das Datum 1802 in der Partitur I sich auf die Fertig stellung der Abschrift bezieht.2) Partitur I ist eine Reinschrift, deren Noten von Anfang bis Ende Weber selbst geschrieben hat. Aus seiner Feder stammt auch die Niederschrift des Textes zu Nr. 18 und 20, während der übrige Text von anderer Hand geschrieben ist.3) Eine Reinschrift setzt Skizzen und deren Aus führung voraus, von denen sie abgenommen ist. Trägt Partitur I das Datum 1802, so kann die Komposition unter diesen Um ständen sehr wohl 1801 vollendet worden sein, und diese An nahme erhält doch gewichtige Bestätigung durch Webers eigene Feststellung im Werkverzeichnisse, das er sehr sorgfältig geführt hat. Außer dieser Partitur ist eine zweite vorhanden, welche eine schnell hergestellte Abschrift der ersten ist, bei der Webers Vater Akt I und Carl Maria Akt II (Text und Musik) geschrieben hat.4) Bei dem Versuche einer Klärung der Beziehungen Webers zu Augsburg erstehen sofort Schwierigkeiten bei der Frage, was Weber veranlaßt haben mag, Augsburg zum Orte der Ur aufführung auszuwählen. Max von Weber vermutet, daß Edmund, *) C. M. v. Weber, hinterlassene Schriften, Bd. I, pg. IX und WerkVerz. ebenda S. 158. Jäh ns Dr. Wilh., C. M. v. Weber in seinen Werken, Berlin 1871, S. 43. Lorenz Alfred, C. M. v. Weber, Musikal. Werke, erste krit. Ges.Ausg., Reihe 2, Bd. I, Augsburg und Köln 1926, S. XI u. ebenda. Anm. 1 kon statiert einfach den Widerspruch zwischen C. M. v. Weber und M. v. Weber in Bezug auf das Kompositionsdatum der Oper. 2) Nach Jahns, a. a. O. 8) Lorenz, a. a. O. 4) Über diese Partituren und noch vorhandene Kopien vgl. L orenz, a. a. O. S. XI.
219 der ältere Bruder des Komponisten, als Musikdirektor in Diensten des Fürstbischofs Clemens Wenzeslaus gestanden habe oder gar selbst am hiesigen Stadttheater tätig gewesen sei.1) Doch läßt sich weder für das eine noch für das andere eine urkundliche Bestätigung auffinden. Alle Nachforschungen, die ich wiederholt anstellte, sind bisher ergebnislos verlaufen. Bekanntlich hatte der kunst- und prachtliebende Clemens Wenzeslaus nach der Ver treibung durch die Franzosen aus Trier und Coblenz seinen Wohn sitz, wie einst, im bischöflichen Schlosse zu Augsburg genommen, wo er seinen Neigungen als freigebiger und hochsinniger Kunstmäcen ungehindert leben konnte. Wenn nun Edmund von Weber bei ihm angestellt war, so dürfte zweifellos angenommen werden, daß der geistliche Fürst auch dem Bruder seines Musikdirektors wohlwollende Unterstützung in dessen Angelegenheiten hätte angedeihen lassen. Doch entbehrt die Tatsache, daß Carl Maria zu den musikalischen Abendunterhaltungen des kunstliebenden Fürsten zugezogen wurde, der Beweiskraft für die Anwesenheit Edmunds. Denn der Zutritt zur bischöflichen Residenz wäre Carl Maria von Weber ohne Weiteres durch die Empfehlungs briefe von Michael Haydn2)3 und von dem kurfürstlichen Kon zertmeister Joseph Otter gestattet worden, die sich beide sehr günstig über „Peter Schmoll“ äußerten.8) Es ist nicht ausge schlossen, daß diese Briefe auch den leitenden Persönlichkeiten am Theater und im Magistrate Vorgelegen haben. Daß Edmund von Weber Kapellmeister am Theater war, bleibt ungewiß nach der positiven wie nach der negativen Seite. Von 1800—1801 war ein gewisser Lüders, von 1803 bis 1805 Cavallo Musikdirektor. In der für unsere Frage entscheidenden Zeit fehlen jegliche An gaben in den Personalverzeichnissen.4)* Demnach bleibt mit dem Nachweise von Edmunds Augsburger Tätigkeit auch die Mög lichkeit, daß er seinen Bruder nach Augsburg gewiesen habe, völlig im Ungewissen. Man wird nach weiteren Personen Um schau halten, die für Weber und Augsburg in Betracht kommen x) M. v. Weber, a. a. O. Bd. I, S. 68. 2) Salzburg, den 2. Juni 1802. 3) Die Briefe druckt M. v. Weber Bd. I, S. 66 ab. Vgl. auch Jahns, a. a. O. S. 44. 4) Vgl. auch F. A. Witz, Versuch einer Geschichte der theatralischen Vorstellungen in Augsburg. Selbstverlag (1876), S. 149 f.
220 können. Seltsamerweise läßt M. v. Weber den Ritter Karl von Steinsberg unberücksichtigt, der Weber ebenfalls das Augsburger Stadttheater hätte empfehlen können. Steinsberg ist der Verfasser des Textbuches „Das stumme Waldmädchen“, das Weber August bis Oktober 1800 kompo niert hatte.1) Die Uraufführung fand bereits am 24. November 1800 zu Freiberg in Sachsen statt2) und veranlaßte die uner quickliche Pressefehde, welche die beiden Webers zur Abreise aus der Silberbergstadt zwang.3) Dieser Ritter von Steinsberg ist in Augsburg vom 12. September 1799 bis zum 29. März 1800 Theaterdirektor gewesen.4) Franz Anton von Weber hat Steins berg in Karlsbad Herbst 1799 kennen gelernt, auf einer Durch reise, vermutlich vor seinem Eintreffen in Augsburg. 1800 stellte Steinsberg in Karlsbad eine gute Truppe zusammen, die „K. K. privilegierte deutsche Schauspielergesellschaft“, mit der er am 24. August nach Freiberg übersiedelte,5) wo er mit Webers neuerlich zusammentraf.6) Steinsberg wird von M. v. Weber ge schildert als einer „jener blinden und leidenschaftlichen Enthu siasten, deren die dramatische Kunst mehr als jede andere heran zieht und die Geld, Gut und Stellung ihrer manieförmigen Nei gung opfern“.7) In dieser Charakteranlage paßte er vorzüglich zu Franz Antön. Steinsberg versprach sich von der Vertonung seines Operntextes durch ein „Wunderkind“ viel Erfolg und Franz Anton kannte keinen größeren Wunsch, als in seinem Sohne Carl Maria ein Wunderkind gleich Wolfgang Amadeus Mozart zu sehen. Wann die beiden sich über ihre Opernpläne einigten, läßt sich nicht feststellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach erhielt Carl Maria den Text erst in Freiberg,8) entgegen der An sicht Max von Webers,9) der die Arbeit an der Komposition be*) Lorenz, a. a. O. S. VII. 2) Mit dieser Feststellung durch Lorenz sei zugleich ein Fehler ausgemerzt, der ln meinem Aufsatze zum Gedächtnisse von Webers Tode, Augsb. Rund schau, Jhrg. 5, Heft 10, S. 102, Spalte 1 versehentlich stehen blieb. 3) Hierüber bei M. v. Weber und bei Lorenz, a. a. O. S, VII f. 4) Nach Witz, a. a. O. S. 61 und 149. 6) Lorenz, a. a. O. S. VII. 6) M. v. Weber, Bd. I, S. 53. 7) Bd. I, S. 54. 8) Lorenz, a. a. O. S. VU. 9) a. a. O. Bd. I, S. 53.
221 reits während der Reisen vor dem Freiberger Aufenthalte beginnen läßt. Für unsere Zwecke ist es nicht ausgeschlossen, daß Steins berg noch in der Zeit seiner Augsburger Prinzipalschaft mit Webers in Verbindung stand, sicherlich aber kurz nachher, und die Möglichkeit, daß er um Rat gefragt wurde, ob sich das Augs burger Stadttheater für eine Uraufführung eigne, erscheint um so glaubhafter, als der Vater Weber nicht leicht eine brauchbare Be ziehung unausgenutzt ließ. Daß der Freiberger Mißerfolg der Oper, die nebenbei gesagt in Chemnitz ein volles Haus erzielte, in Wien, in Prag und in Petersburg gegeben wurde, Webers und Steinsberg getrennt hätte, darf ausgeschaltet werden, weil die Chemnitzer Aufführung nach der in Freiberg stattfand, nämlich am 5. Dezember. Von dieser Aufführung ist ein Theaterzettel vorhanden,1) dessen Darstellerverzeichnis für unsere Zwecke über aus interessant ist. Aus ihm geht hervor, daß folgende Künstler und Künstlerinnen außer dem Ritter von Steinsberg bereits in Augsburg bei der Truppe waren und bis Chemnitz geblieben sind: Herr von Harrer, Herr Loeser, Herr Seidel (Seidl), Madame Saifert, Madame Spania und Madame Loeser.2) In Webers „stum men Waldmädcben“ spielten sie: Mathilde, die Tochter des Fürsten Arbander .... Mad. Saifert (in Augsburg: erste Sängerin).
Ritter Wensky...............................................................Herr Loeser (in Augsburg: erster Tenor).
Rechter, ein Waldmann...............................................Hr. v. Harrer (in Augsburg: dritte Rollen im Schauspiel).
Silvana, das Waldmädchen......................................... Mad. Spania (in Augsburg: Soubrette).
Kunigunde, Mathildens Kammerfrau........................Mad. Loeser (in Augsburg: Mutterrollen im Schauspiel.)
Krieps, Prinz Siegmunds Jagdknappe
................... Herr Seidel
(in Augsburg: komische Rollen im Schauspiel).
Über die Qualität ihrer Leistungen ist nichts bekannt. Witz 3) spricht von obskuren Mitgliedern, über die er nirgends hätte etwas finden können; dem steht für die genannten Darsteller die zu sammenfassende Anerkennung einer „guten Truppe“ in Karlsbad entgegen. *) Bei Lorenz, a. a. O., S. VII abgedruckt. 2) Vgl. Witz, a. a. O., S. 148 f. 3) a. a. O. S. 61.
222
Nach dieser Abschweifung zurück zur ersten Kernfrage: Wer veranlaßte Weber, Peter Schmoll in Augsburg uraufzuführen. Daß er damals schon den Dr. von Ahorner oder gar den Buchhändler Braun gekannt hätte, mit denen er nachher ver kehrte, ist mehr als zweifelhaft. Doch scheint Weber bereits die Bekanntschaft mit Dr. Joseph Munding gemacht zu haben, einem Augsburger Arzte. In einem Berichte vom Jahre 1802 erzählte er: „Unglücklicher Weise stieß ein Dr. medicinae alle meine schönen Lehrgebäude mit den oft wiederkehrenden Fragen: Warum U8w. über den Haufen und stürzte mich in ein Meer von Zweifeln, aus dem mich nur nach und nach das Schaffen eines ... eigenen Systems rettete.“ M. von Weber vertritt die Ansicht, daß dieser Doktor der in Augsburg hochangesehene Arzt Joseph Munding gewesen sei,1) nach welchem die Stadt eine ihrer Straßen be nannt hat. Über Joseph von Munding wrar vorläufig nicht viel zu erfahren. Polizeiakten und Familienbogen sind laut Auskunft nicht mehr vorhanden. Die Adreßkalender führen ihn bis 1833 an. In den Grundbuchakten, deren Auszüge im Augsburger Stadtarchiv auf bewahrt werden, ist Maria Antonia Munding vom 10. Januar 1820 bis zum 18. Oktober 1827 Besitzerin des Grundstückes A 65 in der Dominikanergasse. Am 18. Oktober 1827 geht das Grund stück in den Besitz von Joseph Munding, „weiland Churfürstl. Trier’scher Geheimer Rath und Leibarzt“ über. Ab 10. Juli 1833 ist neuerdings Maria Antonia als Besitzerin verzeichnet. Dr. Mun ding war inzwischen, am 10. Februar 1833, im Alter von 58l/2 Jahren an „zurückgetretener Gicht“ gestorben. Das gleiche Augs burger Intelligenzblatt teilt noch mit, daß der Verstorbene auch „Landrath, und Vorstand der Gemeindebevollmächtigten“ war. Die Altersangabe stammt aus der Pfarrei St. Moritz. Munding war also demnach 1774 geboren und zwar in Augsburg, als Sohn eines „Brandweiners“ katholischer Konfession, wie aus den Pro tokollen des Collegii medici augustani im 3. Bande (1780—1806) hervorgeht.2) Als Dekan dieses Kollegiums fungierte seit 22. Dezember 1800 Dr. von Ahorner, der in dieser Eigenschaft aus führliche Protokolle angelegt und geführt hat. Nach diesen wurde Munding, anfänglichen Schwierigkeiten zum Trotz, — sie scheinen x) Bd. 1, S. 69 f. 2) Stadtarchiv Augsburg.
223 nach den Protokollen auf Schikanen beruht zu haben — am 21. Februar 1801 in das Kolleg aufgenommen. Es wird ausdrück lich hervorgehoben, daß Munding bereits in Spitälern Wiens und Innsbrucks praktisch gearbeitet habe. Wo Weber den Dr. Munding kennen gelernt haben kann, bleibt nach wie vor fraglich, da der oben zitierte Bericht Carl Marias von einer Reise nach Leipzig, Hamburg, Holstein usw. spricht, auf der dieser Dr. medicinae den jungen Künstler in ein Meer von Zweifeln stürzte. Vielleicht aber reicht die Bekanntschaft bis in Webers Salzburger Zeit zurück. Die Beziehungen Mundings zum Kurfürsten Clemens Wenzeslaus sind offensichtlich, da er dessen Leibarzt war. Auch ist es nach allem nicht ausgeschlossen, daß er bei Weber für seine Vater stadt Augsburg eintrat. Die Geschichte des Augsburger Stadttheaters bietet hinsicht lich der Oper nicht allzuviel Interessantes, soweit das vorhandene Material Einblick gewährt.1) Es spiegelt Zeitgeschmack und ge schichtliche Strömungen wider wie andere Bühnen kleinerer Städte, ohne führend in den Vordergrund zu treten. Die Verhältnisse blieben, was Künstler, Direktoren und Aufführungen betrifft, großen Schwankungen unterworfen. Glanzvollere Episoden wechselten mit solchen künstlerischen Tiefstandes. In der fraglichen Zeit, um 1802/03, lagen in Augsburg die Theaterverhältnisse übrigens günstig. Das 1776 am Lauterlech in der Jakobervorstadt errichtete Stadttheater2) war trotz aller Klagen über Raumbeschränkung damals noch ein ganz stattliches Gebäucle und die Direktoren, die mit ihren Truppen darin gespielt hatten, besaßen meist einen guten und bekannten Namen.3) „Das Theater und Orchester war seit dem Oktober (1802) so ziemlich reif geworden,“ schreibt M. v. Weber. Somit waren die Vorbedingungen für eine Uraufführung durchaus nicht ungünstig, namentlich für einen noch unbekannten Komponisten, dem die großen, führenden Bühnen naturgemäß nicht offen standen. Erhebliche Schwierigkeiten stellen sich bei der Datierung 1) Vgl. meinen Aufsatz: Aus der Geschichte der Oper in Augsburg, in der Theaterjubiläumsfestschrift, Augsburg 1927, S. 99 f. 2) Vgl. Dr. Steiger, Theaterstätten in Augsburg, Theaterjubiläumsschrift, Augsburg 1927. 3) Vgl. Ha über, Theaterdirektoren in Augsburg, Theaterjubiläumsschrift, Augsburg 1927 und Witz, a. a. O., S. 61 f.
224 der Uraufführung von Peter Schmoll heraus, die sich allen Be mühungen zum Trotz nicht auf den Tag festlegen läßt. Doch werden bei sorgsamer Erwägung aller bisher bekannten Um stände wenigstens einige Widersprüche in der Literatur behoben. Entscheidende Dokumente fehlen ebenso, wie der Theaterzettel jener nachträglich so denkwürdig gewordenen Aufführung nicht aufzufinden ist. M. v. Weber setzt die Uraufführung in den März 1803. Jähns schließt sich ihm an, faßt seine Entscheidung aber unbestimmter und vorsichtiger, indem er sagt, die Aufführung würde in die erste Hälfte des Jahres 1803 fallen, „wenn die Vor aussetzung richtig, daß Weber und dessen Vater bei ihrer Gegen wart in Augsburg von Dezember 1802 bis etwa Ende Juli 1803 die Ausführung betrieben haben dürften“.1) Carl Maria v. Webers kurze Selbstbiographie gibt keinen Anhaltspunkt hinsichtlich der Zeit der Uraufführung.2) Der entsprechende Absatz der kritischen Gesamtausgabe von Webers Werken bescheidet sich mit der Jähnsschen Feststellung.3) Hat M. v. Weber recht, so fand die Aufführung unter der Direktion Büchner (auch Bichler, Pichler geschrieben ?) statt, der vom 31. Oktober 1801 bis zum 1. Mai 1802 und sodann vom 17. Oktober 1802 bis ins Frühjahr 1803 Direktor in Augsburg war und in seiner letzten Spielzeit 28 Mitglieder hatte, gegen über 39 der voraufgehenden.4)5 Auch über diesen Büchner fehlen jedwede Akten. Webe^r nennt ihn Büchner und gibt an, daß er von Ulm kam und im Oktober 1802 gespielt habe. „Bis dahin war also an Aufführung der Oper . .. nicht zu denken.“ 6) Dem nach hat die Direktion Büchner das Verdienst der Uraufführung. Witz jedoch behauptet, daß die Aufführung von Peter Schmoll unter der Direktion von Vanini vor sich gegangen sei, einem sehr fähigen und tüchtigen Direktor, der vom 21. Oktober 1803 bis zum 28. Dezember 1806 allwinterlich spielte.6) Diese Be hauptung ist nicht aufrecht zu halten. Im Dezember 1802 ist Carl Maria v. Weber mit seinem Vater in Augsburg eingetroffen. 2) 3) 4) 5) 6)
a. a. O. S. 43. Hintcrl. Schriften Bd. I, S. IX. Lorenz, a. a. O. S. XI. Witz, a. a. O. S. 62 f. M. v. Weber, a. a. O. Bd. I, S. 69. a. a. O. S. 63.
225 Beide kamen von Hamburg, Leider geben über ihre Ankunft die Fremdenlisten keine Auskunft. Die Abreise von Augsburg erfolgte nach fünf Monaten, also im Mai.1) Da in den ersten Monaten des Jahres 1803 mit den Proben begonnen wurde, kann die Aufführung nur im März frühestens oder im April spätestens stattgefunden haben, mithin nicht unter Vanini, es sei denn, daß dieser schon 1802—1803 in Augsburg gewesen sei, dem aber sowohl Witz widerspricht als auch M. von Weber, der ja aus drücklich Büchner als Direktor nennt. Die Quelle, auf die sich Witz beruft, ist das Tagebuch des Rollen-Kopisten und GalerieBilleteurs Fischer. Witz rühmt des öfteren dessen Zuverlässigkeit; aber daß ihm nicht auch Fehler bei dem mannigfachen Wechsel der Direktoren untergelaufen sein sollen, wird niemand in Ab rede stellen können. Sicher ist, daß die Angabe von Witz über die Uraufführung von Peter Schmoll, mag sie nun von Fischer herrühren oder nicht, der Berichtigung bedarf. Schließlich aber muß auch an der Zuverlässigkeit von dem sonst so überaus ver dienstvollen Witz gezweifelt werden, der wörtlich schreibt: „Unter dieser Direktion (gemeint ist Vanini) wurde hier des 17 jährigen Carl Maria von Webers zweiter Opern versuch Peter Schmoll aufgeführt, soll aber nicht gefallen haben, wie sein Biograph (nämlich M. von Weber!) sagt.®2)* Witz hat also die Biogra phie von M. v. Weber gekannt und übersieht trotzdem, daß Weber die Uraufführung in den März 1803 verlegt,8) er (Witz) selbst aber eine Zeile vorher die Direktion Vaninis erst mit dem 21. Oktober 1803 beginnen läßt. Bei dieser Gelegenheit sei gestattet, auch auf einen Widerspruch bei M. von Weber hinzuweisen. Er schreibt, daß die Webers im Juni 1803 in Wien angelangt seien.4) In der Anmerkung zu S. 84 behauptet er jedoch, daß Weber erst im Oktober 1803 nach Wien kam. Nach ihrer Ankunft in Augsburg nahmen die Webers in Oberhausen Wohnung; wo, war leider nicht festzustellen. Sie haben aber nur im Dezember 1802 in Oberhausen gewohnt und siedelten im Januar 1803 nach dem sog. Schlößchen in der Ja kobervorstadt über, um in der Nähe des Theaters zu sein, wo *) M. v. Weber, a. a. O. Bd. I, S. 74. 2) a. a. O. S. 63. 8) a. a. O. Bd. I, S. 73. 4) a. a. O. Bd. I, S. 74. 15
226 inzwischen die Proben begonnen haben. Die Mehrzahl der Proben fand übrigens im kleinen Saale des Schlößchens statt. Über die Besetzung der Rollen, sowie über die Proben und ihren Fort gang erfahren wir nichts. Eine Rekonstruktion der Besetzung ist nach dem Büchnerschen Personal Verzeichnisse in der Spiel zeit 1802—1803 unmöglich. Die Opernfächer sind sehr mangel haft besetzt. So fehlt für das Sopranfach — in der Oper Webers ist es Minette — jedwede Angabe, während für die drei Baß partien — Schmoll, Bast, Greis — nur zwei vorhanden: Zitt und Kindler, und kämen für die Tenöre — Oberbereiter, Niclas— vier in Frage: Hofmann, Reger (?), Meyer d. ä. und Meyer d. j. (?). Daraus folgt, daß Büchner seine Schauspieler und Schauspiele rinnen gleichzeitig für Singspiel mitverpflichtete, wie es damals durchaus Brauch gewesen ist. Hat Weber die Oper persönlich ein studiert? Wir wissen es nicht. Wer war Musikdirektor bei Büch ner? Wir wissen es gleichfalls nicht. Daß beide Weber, Vater wie Sohn, die Proben überwachten, darf als gewiß angenommen werden, denn sonst hätte keine Veranlassung Vorgelegen, die Oberhausener Wohnung mit der im Schlößchen zu vertauschen. Das Ergebnis der Erörterungen über das Datum der Urauf führung von Peter Schmoll begrenzt seine Fixierung in die Zeit von mindestens 1. März 1803, da der Aufführung Proben in den ersten Monaten des Jahres 1803 vorausgingen, damit also wenig stens zwei Monate gemeint sein müssen, bis zum Mai 1803, weil Büchner bis ins Frühjahr 1803 in Augsburg spielte und Weber im Juni bereits in Wien eingetroffen ist. Die Proben werden im Januar eingesetzt haben. Als Beweis kann der Umzug Webers gelten. Selbst wenn die Proben verhältnismäßig lässig betrieben wurden, da vielleicht die freie Zeit neben der sonstigen Spiel planbewältigung knapp war, so müßten zwei Monate vollauf ge nügen, um die Oper. einzustudieren. Wenn man ferner erwägt, daß ein Theaterdirektor aus geschäftlichen Gründen eine mög licherweise erfolgreiche Uraufführung nicht an das Ende seiner Spielzeit setzen wird, um an Wiederholungen verdienen zu können, so bleibt tatsächlich eigentlich nur der März als Uraufführungs monat übrig. Man kann auch noch daran denken, daß der Fe bruar ausscheidet wegen der Faschingsvergnügen, die damals die Augsburger Gesellschaft vom Theaterbesuche abhielten wie heute, wofür Zeugnisse vorliegen.
227 Peter Schmoll hat in Augsburg keinen Erfolg gehabt. M. von Weber beruft sich bei der Feststellung des Mißerfolges auf Augenzeugen, die der Aufführung beigewohnt hatten, sich aber eines Erfolges nicht erinnern konnten. Carl Maria berichtet trocken: „Sie (die Oper Peter Schmoll) wurde in Augsburg auf geführt, ohne sonderlichen Erfolg, wie natürlich.® x) In den Augsburger Intelligenzblättern, die damals überhaupt nicht über Kon zerte oder Theateraufführungen melden, findet sich hierüber eben falls kein Bericht. Auch die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung schweigt. Warum die Oper nicht einschlug, ist nicht recht ersichtlich. Ob die Schuld an der Aufführung lag, läßt sich wohl behaupten, aber nicht beweisen. Gewiß liegt eine Jugendarbeit mit all den ihr anhaftenden Schwächen vor, aber so wertlos ist die Oper nicht, daß sie das tödliche Schicksal auf den ersten Anhieb ver dient hätte. Heute, wo sie durch die kritische Gesamtausgabe leicht zugänglich ist, dürfte sogar eine Aufführung ernsthaft er wogen werden, vorausgesetzt, daß der fehlende Dialog neu ge schrieben würde. Von Aufführungen des „Peter Schmoll“ andern orts ist nichts bekannt. Der Augsburger Mißerfolg war die Ur sache der bald darauf erfolgten Abreise Carl Marias. M. v. Weber hält es nicht für ausgeschlossen, daß Franz Anton wieder nach Augsburg zurückkehrte oder sich in Salzburg aufgehalten habö, während der Sohn in Wien bei Vogler studierte.*2) Während des Augsburger Aufenthaltes waren Carl Maria und Franz Anton von Weber gern gesehene Gäste beim Fürst bischof Clemens Wenzeslaus, wo häufig musiziert wurde. Max von Weber erzählt, daß in diesen musikalischen Abendunter haltungen Edmund die Geige, der Bischof selbst und der Sohn des Leibarztes von Ahorner Viola oder Flöte, Franz Anton Cello oder Kontrabaß und Carl Maria 'Piano gespielt oder ge sungen habe. Der hierbei erwähnte Leibarzt Dr. med. Johann Ahorner von Ahornrain, der Vater des Bratschisten, war am 1. April 1764 geboren und starb am 31. Dezember 1839. Er war „wirkliches Mitglied der medizinischen Fakultät in Wien, kurfürstl. Trierscher Hofarzt und hochfürstlich Oetting-Spielbergund Fugger- und Babenhaußischer wirklicher Hof- und Sanitäts*) Hinterl. Schriften, Bd. I, S. IX. 2) a. a. O. Bd. I, S. 85. 15*
228 rat, Augsburg rec. 1793; Ritter der k. franz. Ehrenlegion und dekoriert mit der k. k. österr. goldenen Verdienstmedaille, Mit glied des k. k. Ferdinandeums in Innsbruck und der mineral. Societät in Jena“.1) Seit 1787 besaß er das Haus B 212 am Zeugplatz, das jetzt das städtische Arbeitsamt beherbergt. Sein Sohn ist der spätere Regierungsrat Joseph Karl von Ahorner gewesen, geboren am 8. Dezember 1791 und in Augsburg ver storben am 10. Juni 1875. Er war mit Laura Aloysia von Willi vermählt, die am 2. August 1873 gestorben war. Das ist alles, was ich über ihn feststellen konnte.2) Damit sind die Beziehungen Webers zu Augsburg noch nicht erschöpft. Weber hat in der Augsburger Zeit Lieder komponiert, von denen das erste freilich nicht sicher zu datieren ist, obwohl alle Wahrscheinlichkeiten dafür sprechen, daß es im Januar 1803 entstand.3) Es ist ein dreistimmiges Lied ohne Begleitung und umfaßt eine Strophe, deren Verfasser nicht zu ermitteln ist. »Ein Gärtchen und ein Häuschen drin,“ lautet der Textanfang. Über das Lied hat Weber von Wien aus an seinen Freund Ign. Susann einen bemerkenswerten Brief nach Salzburg gerichtet, wo es heißt: „Du hast recht; in der strengen Schreibart darf keine Stimme die andere überschreiten, weil jede Stimme für sich ein Ganzes aus machen muß, aber in der freien Schreibart, wie hier, wo alle drei Stimmen, besonders auch dem Text nach, ein Ganzes ausmachen, scheint es mir sehr erlaubt. Es ist sehr schlimm, daß wir in unserer Kunst keine andere Norm haben, als die Erfahrungen oder viel mehr die zu Regeln gewordenen Gewohnheiten unserer ersten Tonsetzer; der große Haufe hilft mit dem, daß er bei einer solchen Frage das Verfahren großer Meister zur Regel und zum Beweise macht. Weh dem, der in solchen Fällen kein richtiges Kunst gefühl hat, und hat er es, es nicht entscheiden läßt. Durch Voglers System fällt nun freilich das Herumtappen in Finsternis fort, aber wie Wenige kennen es, wie lange wird es brauchen, die verjährten Vorurteile auszurotten und es durchgängig einzuführen?“4) Der *) Nach versch. Adreßkalendern jener Jahre. 2) An dieser Stelle sei mir gestattet, dem Stadtarchive, der Stadtbiblio thek, dem Theaterarchive Augsburgs sowie Herrn Verwaltungsinspektor Furth müller aufrichtigen Dank für die bereitwillige und liebenswürdige Unterstützung zu sagen. 8) Nach der Bemerkung zum Autograph, vgl. Jahns, a. a. O. S. 53. 4) Abgedruckt bei Jahns.
229 Schüler Voglers spricht aus diesen Zeilen. Das Lied ist bis zur Stunde ungedruckt und stand mit anderen im sog. grünen Hefte, das Weber mit eigner Hand geschrieben hatte und von dem Jähns eine Abschrift herstellte. Leider ist das Heft neuerdings bis auf ein Bruchstück verschollen. Am 12. Februar 1803 wurde das Grab lied „Leis wandeln wir wie Geisteshauch zu deinem stillen Grabe hin“ komponiert und zwar im vierstimmigen Chorsatze. Auch dieser Chor stand im grünen Hefte. Weber fügte ihm am 19. Novbr. 1804 in Breslau eine orchestrale Begleitung hinzu und in dieser Form wurde er am folgenden Tage zur Beerdigung der Mad. Hayn1) gespielt. Max von Weber nennt das kleine Werk „einfach, schlicht, bedeutsam.“ 2) Es zeigt eine schöne Gliederung und trägt rührend feierlichen Charakter. Jähns erinnert an einen Vorklang. Der er greifende Schluß ist eine Vorahnung des »Hör uns Allmächtiger!“ aus dem viel später entstandenen Zyklus „Leyer und Schwert.“ 3) Die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung zählt es „zu den besten Kompositionen der Hinterlassenschaft Webers.“4) Die Trauermusik wurde übrigens in München 1811 zum Begräbnisse des Schauspielers Max Heigel zu anderem Texte wiederholt. Heigel war mit Weber innig befreundet gewesen. In der Originalausgabe ist die Musik „dem Andenken des hochs. Königs Friedr. Wilhelm III. von Preußen geweiht.“ Das dritte und letzte Lied aus jener Zeit „Entfliehet schnell von mir“ ist für eine Singstimme mit Klavier begleitung komponiert und trägt als Datum den 19. Februar 1803. Die drei Strophen hatte Franz E. J. Freiherr von Seida, ein Augsburger Patrizier, gedichtet. Im Druck ist es bis jetzt noch nicht erschienen. Obwohl Weber mit Peter Schmoll wenig ermunternd abge schnitten hatte, kehrte er doch nach Augsburg zurück, um das Glück als konzertierender Künstler zu versuchen. Das Konzert fand am 8. August 1815 statt. Ob er mit dem Regierungs rate Ahorner und dem Dr. Joseph Anton Munding in Briefwechsel blieb, ist nicht mehr nachzuweisen. Zu dem Konzerte hatte ihn der Augsburger Buchhändler Braun eingeladen. Braun war ein 9 Frau Hayn war die Gattin des Mitdirektors vom Breslauer Stadttheater an welchem Weber seit 1804 als Kapellmeister verpflichtet war. 2) a. a. O. Band I, 107. 3) Jähns, a. a. O. S. 53 f. 4) A. M. Z. Jhg, 42, Sp. 580.
230 Onkel des berühmten Münchener Klarinettisten Bärmann, mit dem Weber Zeit seines Lebens aufs engste befreundet war.1) Da M. v. Weber keinen Vornamen angibt, gestalteten sich die Nach forschungen nach diesem Buchhändler Braun ziemlich schwierig. Im Adreßkalender von 1815 wird ein Buchhändler Johann Georg Christoph Braun angeführt, der in D 103, am Obstmarkte, wohnte. Frühere Adreßkalender nennen ihn ebenfalls, wohl aber als Buch binder. Nach den Grundbuchakten ist Braun der Besitzer von D 103 seit dem 11. Oktober 1803. Das verleiht der Wahrschein lichkeit Spielraum, daß Braun bereits die Aufführung von Webers Peter Schmoll miterlebt hat und Weber von dieser Aufführung her wenigstens dem Namen nach kannte. Mit dem 20. April 1820 ging das Grundstück in den Besitz von dem Buchbinder Johann Christoph Braun über und blieb in den Händen der Braunschen Familie bis zum 23. November 1859. Braun, der Vater, muß Ende 1819 oder Anfang 1820 gestorben sein, denn der Familien bogen nennt ihn „selig“. Der Erbe Johann Christoph ist noch minderjährig; er war erst am 4. November 1816 geboren worden. Braun hatte an Weber geschrieben, daß er für ihn und seinen Neffen Bärmann das Konzert „so komplett arrangirt habe, daß sie sich nur zu setzen und zu spielen brauchten“.2) Am 5. Au gust ist Weber mit Bärmann von München weggefahren und in Augsburg eingetroffen. Beide werden bei Braun am Obstmarkte gewohnt haben und verlebten unter „trefflicher Pflege“ schöne Tage. Das Konzert am 8. August wurde zwar durch reichen Beifall gelohnt, aber die finanzielle Einnahme war so gering, daß sie kaum die Reisekosten deckte. Am 9. August schon ver ließen die Freunde Augsburg und kehrten nach München zurück. Damit endete der zweite nachweisbare Aufenthalt Carl Marias in Augsburg. Über weitere Aufenthalte in Augsburg ist nichts bekannt, doch kann noch eine Durchreise durch unsere Stadt belegt werden (siehe später). Soviel feststeht, ist Peter Schmoll nicht über die Augsburger Bühne hinausgedrungen. Doch hat sich das Augsburger Stadt theater den Opernerfolgen des Meisters keineswegs verschlossen. Am 30. August 1822 fand die Erstaufführung des Freischütz statt, ein Jahr nach der Berliner Premiere vom 18. Juni 1821. 9 M. v. Weber, a. a. O. Bd. 1, S. 478. 2) M. v. Weber, Bd. I, S. 487.
231 Augsburg steht unter den Erstaufführungsstädten dieser Oper rühmlich an 19. Stelle. München war nur vier Monate voraus gegangen.1)2 Der Freischütz fand auch in Augsburg so durch schlagenden Erfolg, daß er 1822 elf Mal, 1823 neun Mal wieder holt werden konnte. Für die Erstaufführung hatte sich die Direktion des Theaters außerordentlich angestrengt; das Orchester wurde durch Militärmusiker und Dilettanten verstärkt. Witz erzählt: „Ich war Zeuge, wie die alten Musiker — Reste der Kapelle des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus — auf der ersten Probe bei der Ouvertüre die Violinen ablegten und erklärten: Das könne man nicht spielen! Auch gab es damals keinen eigentlichen Chor. Er wurde von den Schauspielern und Schauspielerinnen gestellt, wobei selbst die ersten Mitglieder des Schauspiels zur Mitwir kung verpflichtet waren. Zur Verstärkung wurden Schuladstanten und Hautboisten herangezogen. Waisenknaben sangen Sopran und Alt!82) Witz lobt sodann die Genügsamkeit des damaligen Publikums, das sich dankerfüllt mit den Leistungen zufrieden gab. Der gleiche Direktor Joseph Schemenauer, der Webers Frei schütz zuerst in Augsburg aufgeführt hatte, brachte 1823 auch Preziosa zur Darstellung. Auch dazu wurden neue Garderoben und Dekorationen angeschafft. Das Werk errang Erfolg und er zielte eine zehnmalige Wiederholung in der gleichen Spielzeit. Der Textdichter der Preziosa, Pius Alexander Wolff, ist bekannt lich ein Augsburger Kind. Er wurde am 3. Mai 1783 als Sohn des Buchhändlers Franz Xaver Wolff geboren und besuchte das Jesuitenkollegium zu St. Salvador in seiner Vaterstadt, da ihn die Eltern anfänglich zum Geistlichen bestimmten. Als sich jedoch durch eine gute Erbschaft die Verhältnisse im Eltemhause bes serten, wünschte ihn der Vater als Kaufmann. Pius Alexander folgte aber seiner eigenen Neigung und wurde nach mancherlei Hindernissen Schauspieler und war als dramatischer Darsteller Goethes berühmter Schüler und Freund.3) Preziosa hatte er be reits 1811 als Schauspiel nach den Novellen des Cervantes (Mad9 Vgl. Einleitung zum Freischütztextbuche, Reclam-Ausg., S. 47. Ich darf hier und zu dem Folgenden auf meinen Aufsatz in der Theaterfestschrift des Augsburger Stadttheaters 1927: „Aus der Geschichte der Oper in Augs burg“ hinweisen. 2) a. a. O. S.. 78. 3) Nach der AUgem. dtsch. Biographie.
232 rid 1613) bearbeitet. Im gleichen Jahre fand die beifallgekrönte Uraufführung in Leipzig statt. Später übertrug er die Prosa in Verse. Die von Eberwein in Weimar dazu verfaßte Schauspiel musik entsprach jedoch nicht seinen Wünschen, und als Graf Brühl das Schauspiel 1820 für Berlin erworben hatte, äußerte Wolff ihm gegenüber den Wunsch, daß Weber eine neue Musik schreiben möge. Graf Brühl vermittelte. Weber zeigte anfänglich wenig Neigung, da er gerade am Freischütz arbeitete. Schließlich, nachdem er das Textbuch gelesen hatte, erfaßt^ ihn der Stoff, wie aus dem Briefwechsel zwischen ihm und Wolff hervorgeht, und er schrieb die dazu gehörige Musik in kurzer Zeit. Pius Alexander Wolff, der schon länger leidend war, ist ziemlich jung, schon am 28. August 1828 in Weimar gestorben. Bis zu Webers Tode, am 5. Juni 1826, sind keine weiteren Erstaufführungen seiner Opern am hiesigen Stadttheater zu ver zeichnen. Oberon erschien erst am 24. August 1828 und Euryanthe gar erst 1854/55 unter Friedrich Engelken. Von seinen Jugendopem wurde „Silvana“ am 29. November 1886 in Augs burg erstmalig aufgeführt. Die Beziehungen Carl Maria von Webers zu Augsburg wären nicht vollständig behandelt, würde man der geschäftlichen Bindungen vergessen, die ihn mit dem weltberühmten Augs burger Verlage Gombart und Co. verknüpften. Nach Jähns the matischen Werkverzeichnisse verlegte Weber bei Gombart elf Kompositionen. Die Reihe eröffnen die Six petites Pieces faciles pour le Piano-Forte ä quatre mains, die auf der Reise NümbergAugsburg-München-Salzburg 1801 komponiert worden sind. Damit wäre eine Durchreise durch Augsburg nachgewiesen. Auf dieser Reise lernte Weber den Pianisten und Komponisten Paul Schulthesius kennen, dem er die Komposition widmete. Schulthesius verlegte seine Schöpfungen bei Gombart in Augsburg und hat wahrscheinlich den jungen Weber an das renommierte Verlagshaus empfohlen. Die Erstausgabe dieser vierhändigen Stücke wurde 1803 hergestellt, in dem Jahre, in welchem die Erstaufführung von Peter Schmoll stattfand, und gehört heute zu den kostbaren Seltenheiten der Erstdrucke. Äußerst selten ist auch die Ausgabe der „Douze Allemandes pour le Piano-Forte sur TAir: Vien qua Dorina bella (das Lied selbst ist von Bianchi), dediees ä Sa Majeste la Reine de Westphalie“. Diese bekannten Variationen
233 wurden 1807 geschrieben, vielleicht in Stuttgart. Jähns bemerkt, daß das Werk „der älteste Eckstein der Berühmtheit unseres Meisters" ist. „Durch dasselbe gelang es ihm, zum ersten Male laut genannt zu werden" J). Im ältesten Gombart’schen Kataloge wird es angekündigt, also Ende 1810, vielleicht auch erst zu An fang 1811. Als bedeutsame Augsburger Reminiscenz erscheint die „Grande ouverture ä plusieurs Instruments", ebenfalls bei Gombart verlegt. Sie ist die vollständige Umarbeitung der ehemaligen Ouverture zu Peter Schmoll vom Jahre 1801. W eher führte diese Neubearbeitung 1807 in Stuttgart aus und zwar unter Aufsicht und nach Anweisung seines Freundes Franz Danzi, des dortigen Hotkapellmeisters12). Die Partiturausgabe Gombarts ist sehr selten geworden. Eine Klavierbearbeitung besitzt übrigens die städtische Musikbücherei Augsburg. Am 3. April 1811 erhält Weber von Gombart die ersten acht gestochenen Exemplare des „Momento capriccioso per il Piano forte", das er seinem Freunde Meyerbeer zueignete. Es war 1808 in Stuttgart komponiert worden. Das letzte bei Gombart verlegte Instrumental werk, die „Six Pieces pour le Pianoforte ä quatre mains“, die am 27. November 1809 in Stuttgart vollendet wurden, enthält in Nummer 3 Variationen über ein Thema jenes oben erwähnten Franz Danzi. Die in der Erstausgabe völlig vergriffene Komposition, die Weber seinen Schülerinnen, den Prinzessinnen Marie und Amelie von Württemberg, gewidmet hatte, zählt zu den populärsten Klavierwerken unseres Meisters. Sie wurde im De zember 1809 bei Gombart gestochen. Zum Schlüsse die Lieder! Im ganzen fünf Stück, zur Be gleitung der Gitarre zu singen. Das berühmteste unter ihnen und das verbreitetste ist das Wiegenlied „Schlaf Herzenssönchen", dessen vier Strophen Webers Stuttgarter Freund F. K. Hiemer verfaßt hatte. Nach der Handschrift wurde es am 13. September 1810 in Frankfurt a/M. komponiert. Mit ihm zusammen erschienen der „Liebeszauber", Text von Bürger: „Mädel, schau mir ins Ge1) a. a. O. S. 68. 2) Ich darf hier auf meine Arbeit: Franz Danzi, ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Oper, München 1924, hin weisen. Über die Grundsätze der Um arbeitung berichtete ich in einem Vortrage, den ich die Ehre hatte, in der deutschen Musikgesellschaft in München zu halten. Vgl. darüber: Zeitschrift für Musikwissenschaft, 8. Jhg., Heft 7, S. 445, April 1926.
234 sicht“, ein keckes Lied, das 1807 in Stuttgart entstand, ferner die „Schäferstunde“, auch „Dämon und Chloe“ genannt, Text von Hiemer: „Endlich hatte Dämon sie gefunden“, das am 15. April 1810 in Aschaffenburg komponiert worden war. Endlich das Lied „Die Zeit“, Gedicht von Jos. Ludw. Stoll: „Es sitzt die Zeit im weißen Kleide“, am 17. November 1810 in Mannheim geschrieben. Damit sind nach Jähns alle bei Gombart in Augsburg verlegten Weberschen Kompositionen aufgezählt. In meinem Besitze be findet sich der Erstdruck von „Sechs deutschen Gesängen für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte componiert und der Madame Amalie Beer in Berlin gewidmet von Carl Maria von Weber“, der bei A. M. Schlesinger in Berlin verlegt ist. Unter die Ausgabe ist ein gedruckter Zettel aufgeklebt: „Augs burg, bey Gombart und Comp.“. Weber erhielt von Schlesinger die ersten Druckexemplare am 2. März 1815 nach seinem Tage buche. Der Verleger kündigte das Werk bereits im Dezember 1814 an in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung1). Allem Anschein nach hat Gombart den Vertrieb Weberscher Kom positionen fernerhin übernommen, so daß sich daraus weitere Be ziehungen Webers zu Augsburg ergeben, die freilich nur noch sehr lose mit Webers Person in Zusammenhang stehen. Weber und Augsburg — ein Kapitel, das wahrlich viele Fragen in Schwebe läßt. Darf man noch auf Zufallsfunde hoffen, die feste Anhaltspunkte schaffen? Wer weiß! Jedenfalls mußte einmal das vorhandene Material nachgeprüft und zusammenge tragen werden. Bietet es doch nicht nur einen Beitrag zur Le bensbeschreibung Webers, sondern auch einen zur Musikgeschichte Augsburgs, die noch der berufenen Zusammenfassung harrt. *) Lpz. A. Mus. Ztg. XVI, Intell. Bl. 8; eine Rezension ebenda XVII, Sp. 191.
Mitteilungen aus der Literatur.
Dr. Wagner Friedrich, Die Römer in Bayern, 4. Auf!., Verlag Knorr & Hirth, München 1928. Daß das 1924 erstmals erschienene Buch in wenig Jahren seine 4. Auflage erleben konnte, darf man als erfreuliches Zeichen für das Vorhandensein eines nicht nur in die Breite, sondern auch in die Tiefe gehenden Interesses an der Geschichte Bayerns zur Römerzeit ansehen. Denn es ist das Gegenteil einer Popu larisierung wissenschaftlicher Ergebnisse, die immer mehr oder weniger von Übel ist. Gerade durch die Gedrängtheit, die nur durch vollkommene Beherrschung des durch seine Lückenhaftig keit noch besonders schwierigen Stoffes möglich ist, ist es kein leicht zu lesendes Buch und setzt einige Bekanntschaft mit der Materie voraus oder den Willen, sich in dieselbe einzuarbeiten. Wo aber das eine oder das andere der Fall ist, hat der Leser die Gewiß heit, den sachkundigsten und zuverlässigsten Führer in der Ge schichte unserer engeren Heimat zur Römerzeit an der Hand zu haben. Die Vorzüge der Erstauflage, die ebenfalls an dieser Stelle besprochen wurde, besitzt auch die Neuauflage uneingeschränkt, vor allem die wissenschaftliche Zuverlässigkeit, die auf keinem Ge biet nötiger ist als hier. Die scharfe Scheidung zwischen sicheren Ergebnissen und bloßen Hypothesen verleiht dem Buch nicht nur den Charakter der Wissenschaftlichkeit, sondern gibt zugleich in großen Zügen eine Vorstellung von den vielen Fragen, die noch der Lösung durch die Archäologie harren. Geblieben ist die Gesamtanlage des Werkes, die mit ihren Kapiteln über die geschichtliche Entwicklung, über Heer, Sied lungswesen, Verkehr, Kunst und Religion dem weitverstreuten Material den inneren Zusammenhang einer Kulturgeschichte Bayerns zur Römerzeit zu geben geeignet ist. Innerhalb der ein zelnen Abschnitte jedoch hat der Verfasser in Bild und Text
236 verschiedentlich Neues hinzugefügt. Die Zahl der Abbildungen hat sich von 43 auf 74 erhöht, darunter einige prachtvolle, sonst nicht leicht zugängliche Sachen wie ein Mosaikfußboden, Legionär dolch, Ortband, eine instruktive Umgebungskarte von Regens burg, ein Bild des erst kürzlich in den Forschungsbereich ge rückten Moosberges bei Mumau. Von neuen Ergebnissen sind in dem Buch bereits verwertet vor allem die Erweiterung unseres Wissens vom römischen Kempten und die Grabungen auf dem Moosberg. So bietet Wagners Buch ein Bild von dem gegenwärtigen Stand der Forschung unter Berücksichtigung der wichtigeren letzten Resultate, wie es sonst für Bayern zur Zeit nirgends zu finden ist. Es ist jedem zu empfehlen, der sein Wissen auf den Stand neuester Forschung bringen oder sich überhaupt mit einem wichtigen Stück bayerischer Heimatgeschichte bekannt machen will. Dr. G. Keßler, Augsburg.
Eberl Barthol., Die bayerischen Ortsnamen als Grundlage der Siedelungsgeschichte: I. Ortsnamenbildung und sie delungsgeschichtliche Zusammenhänge. 112 Seiten. 3,50 Mk. II. Grund- und Bestimmungswörter. 161 Seiten. 4,50 Mk. München 1925 u. 26 bei Knorr & Hirth. Groß 8°. Diese ersten beiden Bände von Eberls Bayer. ON. (zwei weitere sollen noch nachfolgen) behandeln zwar nichts spezifisch' Schwäbisches; nichtsdestoweniger müssen sie auch hier besprochen werden. Einmal, weil der Verfasser als in Schwaben ansässig die schwäbischen Verhältnisse wohl vor allem kennt und darum mit Vorliebe von ihnen ausgeht; dann aber auch, weil sein Buch der erste größere Versuch ist, die Beziehungen zwischen Siedlung und Ortsnamen für das ganze Bayemland aufzudecken und dieses wohl darum für längere Zeit und für viele Benützer die Haupt quelle sein wird, aus der die mancherlei berufenen und unberu fenen Heimatforscher glauben ohne Besinnen schöpfen zu können. Sie mögen es tun. Der Verfasser sagt ja selbst, er habe das Buch zunächst gedacht als Hilfsmittel für einen kleinen Kreis von Freunden, denen er für ihre siedlungsgeschichtlichen Arbeiten die Bedeutung der Ortsnamen soweit möglich erschließen wollte,
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habe es aber dann doch ausgestaltet für „weitere Kreise nicht fachlich geschulter Interessenten“. Es hat also in erster Linie einen Lehrzweck. Seine zweite nicht minder wichtige Aufgabe ist aber die, den gegenwärtigen Stand der Forschung auf diesem Gebiet zusammenfassend darzulegen und dazu kritisch die Anschauung des Verfassers zu bieten. Diesen Doppelzweck erreicht m. E. der I. Teil vollkommen. Dabei braucht niemand auf die verba magistri zu schwören. Eberl kennt das einschlägige Schrifttum, beherrscht den Stoff und weiß seine Meinung klar auszudrücken und gut zu begründen, auch mit neuen Gesichtspunkten. Wer ihm da und dort nicht folgen will und die eigene besser begründen kann, der mag dabei bleiben. Aber es wird niemand an dem Buch vorüberkommen. Auf Ein zelheiten einzugehen, ist hier nicht der Ort, würde auch unerlaubt viel Raum kosten. Stärker einschränken muß ich meine Anerkennung beim II. Teil. Schon der Titel ist m. E. nicht glücklich gewählt: Grundund Bestimmungswörter — die meisten Beziehungen können beides sein, die Personennamen so gut wie die Sachnamen: Waldberg— Bergwald, Waldsachsen—Sachsenwald. Beides sind übrigens re lative Begriffe; das eine kann nicht ohne das andere bestehen; ein Einzelwort wie Wald oder Waldlem kann man nicht als Grundwort bezeichnen. Eine Scheidung ist ja auch weiterhin gar nirgends mehr vorgenommen. Darum wäre eine Überschrift wie Wortschatz der Ortsnamen wohl besser gewesen. An die Spitze gestellt sind Abschnitte mit kurzer Darstellung der Personen- und Familiennamenbildung, worin einige Seltsam keiten enthalten sind, besonders die „Spezifikation“ der angeblich „ursprünglich einstämmigen Vollnamen“. Im weiteren folgt eine in reicher Fülle zusammengestellte Sammlung von Wörtern, die in Ortsnamen Verwendung finden, geordnet nach einem verständig überdachten Plan — nur die Auseinanderreißung der „Wasser verhältnisse“ und des „Wassers und der Wasserbauten“ mißfällt mir — in den Einzelgruppen abc-lich gereiht; geschöpft aus Vollmann, Kübler, Miedel u. a. bis zu Bucks Oberdeutschem Flur namenbuch. Es ist also, obwohl es sicherlich gar manche in Bayern nicht vorkommende Bezeichnungen enthält, eine Art bayerischer Buck. Allerdings auch — und das liegt zumeist in der Sache — mit den Mängeln des Buck. Wo die Namen Vorkommen, wo
238 man sie für eine Erklärung gebrauchen darf, woher sie geschöpft sind, steht nicht da. Ich will ein Beispiel wählen von S. 162 ff. Hier steht Rusel w. Steilhang. Beweis? Ists die im Bair. Wald? Die bedeutet wohl anderes. Weiter: Sax, Sachs, Saß, wohl lat saxum Fels. Oder: Schädel m. Bergform; oft wohl = Schaitel = Scheitel. Oder: Schaide, Scheide w. mhd. sceide = Mes serscheide (in ON?). Ferner: scheiß-, schiß-, zerrissen, zu ahd. scizan = zerreißen (sc. ist ahd. nur cacare). Schlacht, Schlucht w. ahd. sluht, slaht (mir nicht belegbar). Schleid w. ahd. slita, mhd. slite (mit i!) = Abhang (nicht auffindbar) Spiel, Spil mhd. spil = Spitze (1!). Spitz m. Berggipfel, alt kaum je die Spitze (was dann?) ahd. spiz. (fraglich). Das ist eine Auswahl von zwei nebeneinander stehenden Seiten. Sie mag die große Unsicherheit zeigen, der der Benützer ausgesetzt ist. Ich verkenne durchaus nicht die verdienstliche Mühe, mit der gar manche verborgenen Namenstämme hervorgezogen sind, beson ders z, B. die vielen namengebenden Pflanzen S. 200 ff.; aber jedes Wort muß, wenn man ihm trauen soll, eine Stütze haben, wie eben gerade die aus dem Volksmund geschöpften Pflanzen benennungen. Die Vereinigung möglichst des ganzen Namen wortschatzes ist sehr zu begrüßen; doch gefiele es mir besser, wenn solche, die in mehrere Gruppen einschlagen, wie z. B. schön, Daas, an einer Stelle etwa nach ihrer Bedeutungsent wickelung eingereiht wären. Auch hier sehe ich von einer Her aushebung strittiger Einzelheiten ab. DasalphabetischeNachschlageverzeichnis ist ein willkommener Behelf. Das ganze erscheint als eine achtunggebietende Leistung. Julius Miedei, Memmingen.
Bibliographie zur Ortsnamenkunde der Ostalpenländer, herausgegeben von Dr. Georg Büchner. München. Alpine Verlagsanstalt H. Stock 1927. 36 S. Die vorliegende, dem Deutschen und österreichischen Alpen vereine gewidmete Arbeit will dem Forscher auf dem Gebiete der Ortsnamenkunde der Ostalpeiiländer einerseits einen „Überblick über das schon Geleistete und noch zu Leistende geben, ander seits ihm das mühsame und zeitraubende Suchen nach dem ein schlägigen Schrifttum erleichtern“. Das anspruchslose Schriftchen
239 gibt zunächst eine eingehende Bücherschau zu den sog. Grenz wissenschaften (Sprachgeographie, Ethnologie, Kulturgeschichte u. a.). Der zweite Teil bringt die eigentliche ostalpine Ortsnamen literatur in Abc-Folge in größter Vollständigkeit, die sich auch über die in zahllosen Zeitschriften und Tageszeitungen zerstreuten Einzelaufsätze, ja sogar auf wertvollere Buchbesprechungen er streckt. Ein dankenswertes Verzeichnis stellt am Schlüsse die Gegenden, dann die Orts-, Gewässer- und Flurnamen zusammen von denen die angeführte Literatur handelt. Die Schrift ist von gleichem Belang sowohl für den wissenschaftlich interessierten Ostalpenfahrer als auch für jeden ernsten Ortsnamenforscher. Eduard Wallner-Augsburg.
Das Bistum Augsburg, historisch und statistisch beschrieben von Prof. Dr. Alfred Schröder. 64. Lieferung (6. Lfg. des Bandes VIII). Augsburg (Schmid’sche Buchh.) 1926. Seit Jahren ertönt aus Forscherkreisen immer wieder die Klage über den Mangel einer historisch-statistischen Beschreibung un seres Landes Bayern. Wohl bringen die neueren Bände der „Kunstdenkmäler Bayerns4' ziemlich ausführliche historische Ein leitungen zu den einzelnen Bezirken mit reicher Literaturangabe. Aber dennoch vermissen wir schwer eine systematische Darstel lung, wie sie z. B. Württemberg in seinen Oberamtsbeschreibungen besitzt. Allerdings wir in Schwaben fühlen diesen Ausfall weniger weil wir mit Steichele-Schröder eine vorbildliche topographische Beschreibung des übrigens weit nach Oberbayem greifenden Bistumsbezirkes besitzen. Außerordentlich bedauerlich ist nur die langsame Aufeinanderfolge der einzelnen Lieferungen, so daß eine Anschaffung wenigstens für Privatpersonen nicht gerade ver lockend ist. Die vorliegende Lieferung behandelt die Orte Ober- und Untermeitingen nebst Kloster Lechfeld, Mittelstetten, Oberottmars hausen und einen Teil von Schwabmühlhausen. Die Erhebungen an Ort und Stelle wurden nach Angabe des Verfassers bereits im Jahre 1916 gepflogen. Die statistischen Angaben beziehen sich daher auf dieses Jahr. Der geschichtliche Text, der ebenfalls schon 1916 ausgearbeitet wurde, mußte größtenteils, um das
240 jüngste Schrifttum zu verwerten, kritisch neu bearbeitet werden. Über alles Lob erhaben ist die absolut zuverlässige Genauigkeit, mit der alle Quellen ausgeschöpft und kritisch verwertet werden. Zum Schlüsse möge daran erinnert werden, daß es eine un bedingte Ehrenpflicht für jedes Pfarramt, jede Schule und über haupt für jede Behörde ist, diese Bistumsbeschreibung zu besitzen und weiter zu halten. Denn gerade für diese Stellen ist der „Steichele-Schröder“, der sich nicht bloß auf eine rein statistische und historische Beschreibung beschränkt, wie der Titel vermuten läßt, sondern kultur- und kunstgeschichtlich wie auch rechtlich viele Fragen löst, zugleich ein Nachschlagebuch, das in vielen Fällen Rat und Auskunft geben kann und wird. Dr. E. Gebele, Augsburg.
Graf Hartmann von Dillingen, Bischof von Augsburg (1248-1286) von Pfarrer Dr. Ambros Weber, Eichstätt (Franz Sporer) 1927. (In Kommission der Buchh. M. Seitz in Augsburg). 8° XII, 146 S. 3.— Mk. Wir in Schwaben sind leider bis jetzt nicht so glücklich, eine vollständige historische Beschreibung unseres Diözesangebietes zu besitzen. Der Gründe dafür gibt es verschiedenartige. Einmal verursacht es natürlich unendlich viel Arbeit, eine einst in viele Hunderte von Herrschaftsgebieten zerrissene Diözese in ihrem hi storischen Entwicklungsgang darzustellen. Dann aber fehlt es uns doch vielfach an den notwendigen Vorarbeiten, welche als Grund lage für ein solches Werk unbedingt erforderlich sind. Eine emp findliche Lücke in dieser Hinsicht füllt die Arbeit Webers aus. Allerdings dürfen wir sie keine bloße Vorarbeit nennen; auch ist sie keine bloße Biographie des Bischofs Hartmann, wie vielleicht der Titel vermuten läßt. Denn, wie das Wirken Hartmanns, so greift auch diese Darstellung weit über den Rahmen der Diözese Augsburg hinaus. Man kann sie vielmehr mit gutem Recht als einen Ausschnitt aus dem großen politischen Machtkampf zwischen Kaiser und Papst nennen. Und dieser Kampf wurde nicht zuletzt auf dem Gebiete unseres Bistums ausgetragen. Auf jeder Seite des Buches stoßen wir auf den gewaltigen Streit, welcher damals die ganze christliche Welt in Atem hielt Bischof Hartmann, durch das Schicksal mitten hineingestellt in diese Geschehnisse,
241 sucht in kluger Weise den Gewissenskonflikt seiner Untergebenen zu beruhigen. Noch in einen weiteren Konflikt wird Hartmann hineingedrängt. Auch in seiner bischöflichen Residenzstadt Augs burg gärt es. Eine neue Zeit war hereingebrochen. Mächtig regt sich das Selbstgefühl des politisch erwachten Bürgertums. Keinen Oberherren will es fürderhin über sich dulden, frei will es sein Gemeinwesen in Zukunft selbst verwalten. Wir müssen es als selbstverständlich erachten, daß Hartmann hier seine alten Rechte zu wahren versuchte. Nach langem Kampfe unterlag er. Der neuen Zeit mußte er weichen und es hinnehmen, daß Augs burg 1276 zur freien Reichsstadt erhoben wurde. Über eine lange Reihe von Jahrzehnten erstreckte sich diese gewaltige Machtprobe. Schon vor dem Regierungsantritte Hart manns hatte der Kampf zwischen den beiden höchsten Gewalten der Christenheit seinen Höhepunkt erreicht. In Augsburg lebte den Staufen in Bischof Siboto ein treuer Freund, der gemeinsam mit der Bürgerschaft dem Kaiser einen festen Rückhalt in Schwa ben gewährte. Auf Befehl der Kurie mußte deshalb Siboto re signieren. Sein Nachfolger wurde der streng päpstlich gesinnte Kanonikus Hartmann. Doch wenn man in Rom einen eifrigen Parteigänger in ihm erwartet hatte, so hatte man sich getäuscht. In diplomatisch kluger Weise verstand es Hartmann, seine Neu tralität in diesem Kampfe zu wahren. Wohl unterhielt er zu allen Päpsten seiner Zeit ein aufrichtig ergebenes Verhältnis. Daneben verstand es aber der kluge Bischof, auch mit den deut schen Kaisern friedlich auszukommen, ohne seiner Würde und seiner kirchlichen Gesinnung das geringste zu vergeben. Als Landesfürst sorgte er getreulich für das Wohl seiner Untertanen; das Hochstift erhielt durch eine Schenkung im Jahre 1258 einen gewaltigen Gebietszuwachs. Dillingen war in der Folgezeit mit ihren Religionskämpfen oft der Zufluchtsort der Augsburger Bi schöfe und lange Jahre die eigentliche Landesresidenz. Streng griff Bischof Hartmann in die innere Verwaltung seiner Diözese ein. Eine Reihe von Mißständen wurde rücksichtslos aus gemerzt. Der religiöse Eifer wurde durch zahlreiche Visitationen neu belebt und gestärkt. Zur besseren Pastorisierung des Landes erfolgte eine Anzahl von Klostergründungen. Die kirchliche Wohl fahrtspflege wurde neu organisiert und erweitert. Dies letztere Gebiet lag ihm, der in grenzenloser Nächstenliebe sein ganzes 16
242 Hab und Gut verschenkte, besonders am Herzen. Eine ganze Reihe von Spitälern, Kranken- und Armenanstalten wurden von ihm gegründet und mit Stiftungsmitteln bedacht. Kein Wunder daß er dabei seinem Nachfolger das Bistum mit zerrütteten Fi nanzen hinterließ. Wer mag ihm aber darob einen Vorwurt machen, ihm, bei dem in allen Angelegenheiten immer zuerst das Herz sprach. Eifrig förderte Hartmann auch die Ausbildung seines Säku larklerus. Durch zahlreiche persönliche Visitationen hielt er sich auf dem laufenden und überzeugte sich auch von der Durch führung seiner Anordnungen. Des weiteren haben wir ihm (1264) die Einführung des Fronleichnamsfestes zu verdanken. Unter seiner anregenden Mithilfe entstanden eine Anzahl neuer Kirchen. Nach alter Tradition besorgte der Klerus damals fast ausschließlich das Unterrichtswesen. Die Augsburger Domschule besonders erfreute sich seit dem frühen Mittelalter einer glänzenden Berühmtheit. Auch Hartmann hat für Bildung und Wissenschaft viel geleistet» wenn auch urkundlich nur wenig bestätigt ist. Auf all die segensreiche Arbeit legte sich wie ein tötender Reif der lange Kampf mit der Augsburger Bürgerschaft. Es lag nicht in Hartmanns friedfertiger Natur, in blutiger Fehde seine Untertanen zu bekriegen. Nur selten kam es zu offenem Kampfe in der Feldschlacht. Ein zäher diplomatischer Krieg um alther gebrachte und verbriefte Rechte war es vielmehr, mit welchem die beiden Gegner einander befehdeten. Tief mußte es Hartmann treffen, als 1276 Rudolf von Habsburg die Freiheit der Stadt Augsburg mit Brief und Siegel bestätigte. Nach einem tatenreichen Leben schied Hartmann am 5. Juli 1286 aus der Welt. War er auch kein überragender Geist, so hat er für unsere Schwabenlande doch eine eminente Bedeutung. Mit kluger Hand hat er sein Schifflein durch die gefährlichen Klip pen seiner Zeit gesteuert und so manch unnötigen Kampf ver mieden. Gewöhnlich einfach, ohne Prunk, gab er dem armen Volke ein bemerkenswertes Beispiel eines vorbildlichen Lebens wandels. In Werken der Caritas ging sein gütiges Herz, das keine Not ungelindert sehen konnte, auf. Gar vielen seiner geistlichen Zeitgenossen hat man schlimme Dinge nachgesagt; doch an seine reine Gestalt hat sich nicht einmal sein erbittertster Feind ver leumderisch herangewagt. Wohl hat er mehrmals zu den Waffen
243 greifen müssen; er tat es blutenden Herzens, weil ihn traditio nelles Recht und eigene Pflicht dazu drängten. So gehört er unzweifelhaft zu den großen Bischöfen, welche auf St. Ulrichs Stuhl gesessen haben. In außerordentlich lebhafter Weise führt uns Dr. Weber durch die lange Regierungszeit Hartmanns. Reiches archivalisches Material und eine weitzerstreute Literatur hat er gründlich verarbeitet. Daraus entstand das hehre Bild des letzten Grafen von Dillingen aus St. Ulrichs Geschlecht, ein Bild, das in gleicher Weise Licht- und Schattenseiten unbestechlich hervortreten läßt. In streng methodische Form gefaßt, die historisch-kritische Schule der Professoren von Grauert und Schröder verratend, schenkt uns Dr. Weber damit ein Werk, das für die Zeit- und Geistesge schichte des Bistums Augsburg, ja für den ganzen Zeitraum maß gebend und einzigartig erscheint. Aufgebaut aut eine Vorarbeit des Verfassers im „Jahrbuch des Historischen Vereins von Dillingen*1, Bd. 17, ist es abschließend zugleich für die Geschichte des Hochstifts Augsburg; denn ausgeschöpft in vollem Maße sind alle Quellen. So bildet diese ausführliche Abhandlung, welche den Rahmen einer Biographie weit überschreitet, einen wertvollen Beitrag für die Geschichte der Diözese Augsburg und ein selten klares Bild der damaligen verworrenen Zeit. Und so wünschen und hoffen wir nur, daß die grundlegende Abhandlung zur Be arbeitung weiterer Themata, deren unsere Bistumsgeschichte noch eine Anzahl bietet, einen aufmunternden Anreiz geben möchte. Dr. E. Gebele, Augsburg.
Dr. Stark Theodor, Die christliche Wohltätigkeit im Mit telalter und in der Reformationszeit in den ostschwä bischen Reichsstädten. Einzelarbeiten aus der Kirchengesch. Bayerns. Bd. IV mit 12 Bildnissen. Selbstverlag des Ver. f. bayer. Kirchengesch. 1926. XII und 124 S. Als Begründung der Wahl und als Ziel der Arbeit wird im ersten Satz der Vorrede angegeben, daß „in der Frage der Ab grenzung zwischen Mittelalter und Neuzeit und der Bewertung der beiderseitigen Epochen u. a. seit einiger Zeit die Beurteilung der beiderseitigen Armenpflege und Liebestätigkeit eine Rolle 16*
244 spiele“. Deshalb seien in den Deutsch. Geschbl. Bd. 17 S. 317ff. über diese Fragen lokale Sonderuntersuchungen als notwendig gefordert und damit sei die Erforschung der einschlägigen Ver hältnisse in den bayer.-schwäbischen Reichsstädten gerechtfertigt. Was die Wohlfahrtspflege des 15./16. Jahrh. mit der Abgrenzung von Mittelalter und Neuzeit zu tun haben soll, vermag ich frei lich nicht zu erkennen. Jener Satz ist m. E. überhaupt nicht glück lich gefaßt und das zweimalige „beiderseitig“ macht ihn erst recht unklar. Gemeint ist wohl hier von St. wie von dem Verfasser des angezogenen Aufsatzes das Maß der Beeinflussung der städt ischen Armenpflege durch die reformatorische Bewegung. Wenn gleich schon im 14. Jahrh., als Umfang und Bedeutung der Städte sich vergrößerten, der Verkehr wuchs und Krankheiten und Not sich bei der Dichtigkeit der Stadtbewohner mehrten, die Stadt räte aus Zwang der Verhältnisse und sozialem Empfinden darauf geführt wurden, Einrichtungen zur Steuer von Armut und Siech tum zu treffen, so zeigen doch gerade die Armenordnungen des 3. Jahrzehnts des 16. Jrh. eine auffallende Umstellung in der Auf fassung der Hilfspflicht. Allein, ob auch die Begründung des Anstoßes zur Untersuchung der Zustände in den schwäbischen Reichsstädten vielleicht nicht ganz geglückt ist: die Arbeit recht fertigt sich selbst. Sie untersucht mit Hilfe einer großen Zahl gedruckter und archivalischer Quellen die Wohltätigkeitseinrichtungen von Augs burg, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen und Ulm. In diesen Städten waren bis Ende des Mittelalters nicht weniger denn 31 Männerklöster von 11 Orden und 19 Frauenklöster von 6 Orden entstanden, die 30 Hospitäler besaßen. Sie werden alle in ihrem Wirken mehr oder minder eingehend besprochen. Ob freilich die Betrachtung der damit ver bundenen Kirchen und Kapellen samt den Stiftungen für Messen, Abendläuten, Glockenbeschaffung, Kirchenschmuck u. dgl. nicht besser hätte gekürzt und dafür die eigentliche Wohltätigkeit mehr hervorgehoben werden sollen, mag Ansichtsache sein. Jeden falls soll dadurch die vielseitige Opferwilligkeit der Zeit betont werden, die als Ausfluß erscheint des Glaubens an die Verdienst lichkeit guter Werke. Dabei dürfte dem Satz S. 72: „Man gab nicht aus Liebe, sondern um ein gutes Werk getan zu haben“, der auf S. 43 widersprechen: „Es wurde in reichstem Maße der
245 Armen und Kranken gedacht“. Doch wird anerkannt und auf S. 44 gut ausgeführt, wie schon vor der Reformation die Städte durch die Verhältnisse gezwungen wurden, selbst die Fürsorge für Arme und Kranke in die Hand zu nehmen, was nicht selten eine Trennung der Pflegeanstalten von den Klöstern, in gewissem Sinne eine „Verstadtlichung“ zur Folge hatte. „Der Stadtrat zog im 15. Jahrh. das gesamte Wohltätigkeitswesen in den Bereich seiner Verwaltung“ (S. 102). Aber „eine geordnete gemeindliche Armenfürsorge brachte erst das Reformationsjahrhundert“. Diese Worte bilden die Überlei tung zürn Hauptthema: Die Umgestaltung durch die Reformation. Hier ist man von der Beweisführung enttäuscht; denn Sätze wie „Die Not drängte überall zu Versuchen, der Armut zu steuern“ oder „man sieht das gleiche Bemühen in katholischen wie in den der Reformation anhängenden Städten“ vermögen doch nicht für ein Übergewicht der letzteren zu zeugen. Der Nachweis der „Um gestaltung“ darf sich nicht beschränken zu zeigen, was aus den Klöstern und ihren Insassen, aus den Kirchen und Stiftungen ge worden ist. Neu sind eigentlich nur die Bettel Ordnungen der 20er Jahre des 16. Jrh. Und selbst von denen fallen nur zwei aus dem behandelten Gebiet in diesen Zeitraum; die übrigen sind zum Teil wesentlich jünger. Wenn der evangelische Charakter der straß burgischen Ordnung von 1523 dadurch zu erhärten gesucht wird, daß sie als von einem evangel. Pfarrer entworfen bezeichnet wird, dann muß dies auch für die von Augsburg von 1522 gelten, die den anderen Städten als Muster gedient haben soll. Da diese aber Peutinger zugeschrieben wird, der sich allerdings mit den sozialen Verhältnissen Augsburgs viel beschäftigte und sogar die Schrift des Ökolampadius über die Austeilung des Almosens über setzte, so wäre doch zu erwägen, daß gerade er als ein höchst zweifel hafter Freund der Reformation und als verdächtig und unzuver lässig galt. Jedenfalls darf er nicht als ein Kronzeuge für die Sache der Reformation benützt werden — trotz seines guten per sönlichen Verhältnisses zu Luther. Dagegen sind natürlich andrer seits die Behauptungen, die Reformation habe den Lebensnerv der Opferwilligkeit durchschnitten, nicht schwer als völlig verkehrt zu erweisen. Wirklich besser wurden freilich die sozialen Zustände erst, als man daran ging durch Arbeitsbeschaffung gegen Not und Bettel anzukämpfen.
246 Auch gar manche Einzelheiten sind, soweit ich sie nachzu prüfen vermag, in dem Buch unzuverlässig. So soll Memmingen „unter Anführung des Adels und der altbürgerlichen Geschlechter eines Tages seine Reichsfreiheit proklamiert haben“; die Memminger Kirchenschiffdecken sollen noch die alten Decken auf weisen; der Martinsturm soll nicht ausgebaut sein u. a. Die Hin weise auf Quellen sind nicht selten mangelhaft; auf S. 86 z. B. stimmen gleich bei den Angaben (1. 3. 4.) die Seitenzahlen nicht. Gleichwohl, wenn auch mancherlei auszustellen ist, mit dem Schlußwort kann man so ziemlich durchweg einverstanden sein. Julius Miedel, Memmingen.
Augsburg von Ulrich Christoffel. Mit 114 Abbildungen. 1927. E. A. Seemann, Leipzig. Die Aufgabe, ein zusammenfassendes und erschöpfendes, zu gleich aber nicht allzu breit angelegtes Buch über eine an be deutender Vergangenheit und an Kunstwerken so reiche Stadt, wie Augsburg, zu schreiben, ist keine ganz einfache. Schon allein hinsichtlich der Disposition, der Ordnung und Gruppierung des gewaltigen Stoffes begegnen erhebliche Schwierigkeiten. Auch ist eine eingehende Kenntnis dieses Stoffes und aller einschlägigen Literatur Bedingung. Solches vorausbemerkt, darf man der fleissigen Arbeitsleistung des bekannten Verfassers die durchaus zu stimmende Anerkennung nicht versagen. Besonders mit den präch tigen Abschnitten über das Mittelalter und die Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts hat Christoffel der Nachbarstadt Münchens die älter als München, ihre Gründung von den Römern im Jahre 15 v. Chr. herleiten kann, und den vielen begeisterten Freunden einen wertvollen und zuverlässigen Führer in die Hand gegeben. Anschaulich darf man den einzelnen Bauepochen des alten Domes nachgehen, dessen Portalfiguren in klarer Analyse und in treffen der kunsthistorischer Einordnung gewürdigt werden, dessen herr liche Bischofsgräber im Chorumgang und dessen Epitaphien im Kreuzgang eingehende Beachtung finden. Zu fast monumentaler Größe wachsen die Persönlichkeiten der bedeutendsten Bischöfe Roth und Randegg empor. Von Interesse ist ein Hinweis auf schon 1362 erwähnte Freskomalereien. Durchaus mit Recht be-
247 tont Christoffel die Bedeutung des Augsburger Holzschnittes und seines malerischen Charakters. Das gleiche gilt von der beson deren Bestimmung der St. Ulrichs- und Afrakirche als einer Grabund Gedächtniskirche. Auch die großartige Fuggerkapelle mit Dauchers Werken, die „Raumansicht“ der Dominikanerkirche, die berühmten Brunnen und die überragende Gestalt eines Elias Holl haben berechtigterweise breitere Darstellung gefunden. Der Übergang zu den Tafelgemälden, auch der Sammlungen, denen in Zukunft auch die der Dominikanerkirche hinzuzurechnen wären, ist ein wenig willkürlich, erlebt dann aber eine leidlich ausführ liche Besprechung, die wohl in einigen Beispielen aus der neueren Forschung überholt sein dürfte. Am knappsten kommen die doch immerhin nicht bedeutungslosen Manieristen weg. Namentlich Kager, von dem die ganze Ausschmückung des goldenen Saales, der Entwurf des Pommerschen Kunstschrankes herrührt, auch Reichel hätte, unter Heranziehung der reichen Spezialliteratur, eingehender berücksichtigt werden können. Für eine Neuauflage wären die einleuchtenden Lösungen der Bronzetürfragen, die wichtigen Plastiken Mennelers, Murrmanns und Petels u. a. noch zu berücksichtigen und eine Nachprüfung mancher strittiger Daten. Diese kleinen Wünsche sollen in keiner Weise des Ver fassers Verdienste schmälern. Die Abbildungen sind gut und richtig gewählt. Dr. H. Nasse, München.
Geschichte der Stadt Vils in Tirol. Mit Unterstützung von A. Wieland, Pfarrer, und A. Lutz, Oberlehrer in Vils, bearbeitet von Dr. Otto Stolz, Staatsarchivar und Univer sitätsprofessor in Innsbruck. Mit Zeichnungen von A. Burger-Gsies. Vils 1927. Im Selbstverlag der Stadt. Beim Eintritt in die Nordtiroler Alpenwelt bei Füssen blin ken von Westen her die sauberen Häuser von Vils, der kleinsten Stadt des deutschen Sprachgebiets, seit alters den Geologen wegen der dem benachbarten Jurakalk angehörenden Versteinerungen wohlbekannt. Eingebettet zwischen dem Höhenkamm der Tannheimer Berge im Süden und dem burggekrönten Falkenstein im Norden im grünen Auenland der Vils bietet schon der erste An blick zugleich ein gutes Stück anziehender Ortsgeschichte: Auf einem vorspringenden Felskegel des Salobers der wehrhafte Berg-
248 fried der zerfallenen Burg Vilsegg, der einstige Herrensitz für Vils mit „Hochgericht“ und „Galgenberg“, zu seinen Füßen die ehemalige Burgkirche St. Anna mit ihrem romanischen Turm und der benachbarten alten Waffenschmiede, die pfarrliche Ba rockkirche mit der Familiengruft des heimischen Edelgeschlechts, der Herren von Hohenegg auf Vilsegg, vor der Kirche die alte Dingstatt mit der Dorflinde, unter der noch jetzt die Gemeinde angelegenheiten „verlautbart“ werden, und dem Steinkreuz, dem uralten Wahrzeichen des Vilser Freiungs- oder Asylrechtes, das die niedrigen Häuser beherrschende Schlößl, das „Alte Amtshaus“ des herrschaftlichen Pflegers und das ganze Stadtbild durchzogen von der mittelalterlichen Zollstraße, die einst im Tausch gegen Wollen- und Leinentuche, Pelze und Leder hauptsächlich Spezereiund Kolonialwaren, Südfrüchte, Wein und feine Tuche aus Ita lien nach Augsburg und Nürnberg ffachtete. Vor 600 Jahren, anno 1327, hat Kaiser Ludwig den Ort mit dem Rechte von Kautbeuren zur Stadt erhoben, freilich nicht, wie sich der Heimatstolz so lange rühmte, zu einer freien Stadt des Reichs, sondern zu einer den Herren von Vilsegg im Eigen tum verbleibenden, mithin hörigen Stadt mit zu Frondiensten verpflichteten Bürgern. Gleichwohl entschloß sich die Stadt gemeinde in berechtigtem vaterstädtischem Hochgefühl die vor liegende prächtige Geschichte der Stadt zur Feier ihres sechs hundertjährigen Bestandes herauszugeben. Sie hat dabei das Glück gehabt, in Dr. Otto Stolz einen Fachgelehrten ersten Ranges zu gewinnen, der, die gewohnten Geleise an Personen und einzelnen Ereignissen klebender Ortsgeschichtsforschung verlas send, die örtlichen Besonderheiten in Siedlungs-, VerfassungsSozial- und Wirtschaftsgeschichte in wissenschaftliche Begriffe erklärender, gemeinverständlicher Sprache auf Grund tiefgehender archivalischer Qellenschürfung zur Darstellung bringt und zwar in außerordentlich kraft- und lebensvollen Bildern: Die Anfänge der Siedlung, Verfassung und Recht, Geschichte des Verkehrs, des Zoll- und Geleitwesens, des Stadtwappens und der Farben, von Gewerbe und Handwerk, Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei, Flurmann, Bauten und Volk, Krieg und Frieden, Kirche und Schule. Den Abschnitt der Geschichte der Pfarre verfaßte der Ortspfarrer. Der Leser bleibt gefesselt bis zum Schluß, bis zu dem erhebenden Tag der Volksabstimmung von
249 1921, an dem sich das treue Volk von Vils mit 97 vom Hundert der Gesamtheit für den Anschluß ans Reich entschied. Das ausgezeichnete Werk eines Fachmanns in vorzüglicher zeichnerischer Ausstattung, das auch allen Bergfahrern bestens empfohlen sei. Eduard Wallner, Augsburg.
Dr. Strieder Jakob, Jacob Fugger der Reiche, xn und 170 Seiten, Verlag Quelle & Meyer, Leipzig. Werke über Jacob Fugger den Reichen, die unter Verwer tung der Resultate der Einzelforschung den Mann und sein Werk in ihrer Gesamtheit darstellen und lebendig machen, sind nicht allzu zahlreich. Nachdem das Jahr 1925 den Blick weiterer Kreise auf den 1525 gestorbenen „führenden europäischen Frühkapitalisten'4 gelenkt hat, ist das Erscheinen der Fuggerbiographie aus der Feder eines Fachmanns der Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit besonders zu begrüßen. Die innere Anteilnahme am Leben und Wirken des „Helden“, die schon in der sprachlichen Darstellung zum Ausdruck kommt, führt den Verfasser nirgends dazu, sich bei der Erörterung der geschichtlichen Ereignisse von der Sympathie leiten zu lassen, eine Gefahr, gegen die der Geschichtsschreiber gerade überragen der Persönlichkeiten zu kämpfen hat. Wissenschaftliches Resultat und bloße Vermutung sind streng geschieden. Und doch ist das Buch sicher nicht nur für den fachlich Interessierten bestimmt. Ich kann mir denken, daß auch einer ohne ausgeprägtes ge schichtliches oder wirtschaftgeschichtliches Interesse das Buch nicht ohne Gewinn und Befriedigung aus der Hand legt. Um es gleich vorweg zu nehmen, neben der Zusammenfassung der wis senschaftlichen Ergebnisse der Einzelforschung erscheint mir als besonders Neues, Wertvolles die Auffassung Jacob Fugger^ als überragender Persönlichkeit. Durch die Darstellung des ganzen Buches zieht sich dieses Bild, gesehen vom allgemeinsten geistigen Gesichtspunkt aus; ihm ist besonders der mit „die Um welt“ überschriebene erste Teil des Buches gewidmet, in dem der Verfasser das Erbe Italiens, der Heimatstadt und der Familie untersucht. Man lese S. 15 ff., wo das Verständnis für die Per sönlichkeit Jacob Fuggers auf die letzte Wurzel zurückgeführt
250 ist, wo der große Kaufmann mit Recht aufgefaßt ist als der wirtschaftliche Exponent einer ganz bestimmten Zeitseele, der Renaissance, als der Vertreter des nun auch im Norden erwachten Individualismus gegenüber dem mittelalterlichen Kollektivismus. Jacob Fugger gehört auf seinem Gebiet an die Seite Dürers und Luthers. Zu dem allgemein Geistigen gehört auch die Betonung des Schicksalhaften in Fugger, dem kommerzielle Tätigkeit nichts andres war als innere Lebensnotwendigkeit. Vielleicht ist der Ausdruck „Erbe“ manchmal etwas irreführend; aber Strieder ist sich doch darüber klar, daß trotz der Ausbildung kommerzieller Technik durch die Italiener, trotz des Vorbildes der Tätigkeit Augsburger Familien in der Montanindustrie und trotz der Leistung des Vaters und der beiden älteren Brüder, Jacob Fugger, der später der Reiche hieß, nirgends Erbe im gewöhnlichen Sinne war — das waren eher seine Nachfolger —, sondern überall überragender Vollender und Herrscher. Das zweite Buch, in dem sich bei der Anlage des ganzen Werkes gelegentliche Wiederholungen ergeben, behandelt Ent wicklung und Werk des Mannes in ausführlicherer Darstellung. Eingehender ist die innere Entwicklung der Fuggerschen Han delsgesellschaft behandelt. Trotzdem positive Beweise fehlen, muß man wohl bei der überragenden Bedeutung Jacob Fuggers in der späteren Zeit mit dem Verfasser annehmen, daß der Aus bau der Handelsgesellschaft vor 1502 das Werk des jüng sten Bruders war. Schon hier ist das Unmittelalterliche, Moderne gezeigt, daneben aber auch das Imperatorenhafte, mit dem Jacob Fugger die innere Festigung seines Hauses erstrebte —; man sehe sich nur auf diesen Zug hin Fuggers von Dürer gemaltes Bild an, das mit 12 anderen dem Buch beigegeben ist —, bis er schließlich 1512 dessen unumschränkter Beherrscher ist. Durchaus modernes Format besitzen die internationalen Handelsgeschäfte Fuggers, vor allem aber die Bergwerkindustrie, die er zu seiner eigensten Domäne gemacht hat. Die Bezeichnung „moderner Industriekapitän“ ist hier nicht zu hoch gegriffen. Ziemlich aus führlich ist die Geschichte des Fuggerschen Kupfer- und Silber bergbaues und Erzhandels in Tirol und Ungarn geschildert. Schon hier drängt sich dem Leser der Grundzug von Fuggers geistiger Physiognomie auf, auf den das Buch am Schluß gesondert zu sprechen kommt, der Zug des nüchternen, jeder Romantik ffem-
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den Realpolitikers, des Gegenstücks zu Maximilian. Selbstver ständlich ist die politische Bedeutung des großen Finanzmannes, der durch seine Kreditgewährung die geschichtlichen Ereignisse mehr als einmal entscheidend beeinflußt hat, verschiedentlich berührt; am Schluß ist den finanziellen Beziehungen zu Kurie, Fürsten und besonders zu den deutschen Kaisern ein zusammen fassendes Kapitel gewidmet. Wie sehr Jacob Fugger an der Schwelle zwischen Altem und Neuem stand, zeigen die Ausfüh rungen über das Urteil der Zeitgenossen, die Fuggers moderne Wirtschaftsorganisation, den Kapitalismus, das Monopolwesen, das Filialsystem als Durchbrechung der mittelalterlichen Wirtschafts moral abgelehnt und bekämpft haben. Dr. G. Keßler, Augsburg. Dr. Weidenbacher Josef, Die Fuggerei in Augsburg, 1926. 126 Seiten mit 26 Abbildungen. Im Selbstverlag des Verfassers.
In unserer Zeit der Wohnungsnot und der Anlage von großen geschlossenen Wohnhöfen verdient die Augsburger Fuggerei, dieses großartige Denkmal sozialer Fürsorge, das Jakob Fugger der Reiche (1459—1525) aus eigenen Mitteln für die Armen von Augsburg errichtet hat, erhöhtes Interesse. Das Buch Weiden bachers, das aus seiner Doktordissertation herausgewachsen ist, kommt diesem Interesse sehr gut entgegen. Auf Grund archivalischer Studien wird alles Wesentliche zur Gründungs- und Baugeschichte zusammengetragen; die wichtigsten Urkunden bringt ein Anhang. Der Stiftungsbrief stammt vom 23. August 1521; die eigentliche Gründung jedoch erfolgte am 14. Februar 1511 mit der Errichtung des Kapitals von 15000 fl. zum Bau von billigen Wohnungen für arme Leute. Als Baumeister ist Thomas Krebs ermittelt. Alte Stadtpläne zeigen den Charakter der Fuggerei als Gartenvorstadtsiedelung. Als kleine Stadt der Armen erscheint sie durch ihre Abgeschlossenheit, die Kirche und Schule, Kornspeicher und Stallung, ja sogar Krankenhäuser, mit denen sie ausgestattet war. Kulturgeschichtlich von hohem Interesse ist die Darstellung der Fuggereihäuser als Übergangs glied zwischen dem gotischen Einfamilienhaus des Bürgers und dem breiten Etagenhaus der Renaissance, sowie der hier getrof fenen, ganz modern anmutenden Verbindung von Einzelwohnung und Reihenhaus. Einen nicht minder interessanten Einblick in
252 die Geschichte der Medizin gibt die ausführliche Beschreibung des Betriebes des neben dem Krankenhaus für die Fuggerischen Diener bestehenden „Holzhauses“, wo venerische Krankheiten durch eine strapaziöse Kur mit „quajatzischem Holz“ und Rauchund Lehmkuren behandelt wurden. Den Kunsthistoriker interes siert am meisten die Geschichte des ursprünglich in der Annakirche, dann in der Markuskirche der Fuggerei, dann bei St. Ulrich und neuerdings wieder bei St. Anna aufgestellten Altars mit der Beweinung Christi von Loy Hering1); das S. 76 im Text stehende „der gegenwärtige Altar vom Fuggergrab bei St. Ulrich“ hätte berichtigt werden sollen, während Abbildung 26 richtig den Ort des Altars mit St. Anna angibt. Die volkswirtschaftlich inter essanten Details über Arbeitslöhne, Materialpreise des 16. Jahr hunderts die mit denen von 1916, leider nicht auch mit denen am Höhepunkt der Inflation und 1926 verglichen sind, ferner die Haus inventarregister seien aus der reichhaltigen und durch ihre Bild beigabe besonders wertvoll gestalteten Monographie noch heraus gehoben. Prof. J. Meyer, Augsburg.
Pfalzgraf Ottheinrich und das Buch, ein Beitrag zur Ge schichte der evangelischen Publizistik von Dr. Karl Schot tenloher. Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, hrsg. von A. Ehrhard, 50/51, vm und 204 S. Aschendorff•Münster 1927; 7,95 Mk. Nach einer Einleitung, in welcher die Bedeutung des ge druckten Worts für Verbreitung und Verfechtung der Reforma tion betont wird, wird Pfalzgraf Ottheinrichs Leben in wenigen Sätzen gezeichnet, um den Raum zur Betrachtung seiner Lieb haberei für das Sammeln von Büchern nicht zu schmälern. „Zusamb seind sie geraffelt mit stehlen, rauben, auch darzu mit leihen, ge schenkt, geschrieben, kauft und darzu funden“ aus Heidelberg und Weinheim, Speyer und Mainz, Neuburg a. D. und Lorsch. Ott heinrich fahndete auch in Cues bei Trier, Venedig, Rom, Oxford und Spanien nach gottesdienstlichen und weltlichen Werken. Ein besonderer Abschnitt ist seiner Kammerbibliothek gewidmet, in welcher Ottheinrichs Bücherbestand — darunter 86 jüngere Hand*) Nach Dr. Ph. Halm, Generalkonservator in München, ein Werk Adolf Dauchers.
253 schritten — vereinigt war. Von ihr gibt 1556 das erste Verzeichnis Kunde. Nur die Maihinger Handschrift des Kommentars des Hip polyt zur Apokalypse scheint von den alten Werken erhalten zu sein. Die Druckwerke setzten sich überwiegend aus zeitgenössischen astrologischen, heraldischen und theologischen Schriften zusammen. Habent sua fata libelli! Von der Kammerbibliothek Ottheinrichs ist bis jetzt ein Teil in München, Neuburg und Maihingen wieder entdeckt worden. Die kurfürstliche Bibliothek, welche durch ihn bereichert wurde, gedacht als Lehrmittelsammlung zugleich für die Universität, liegt seit 1623 in der Vaticana in Rom; 1815 ist ein Teil nach Heidelberg zurückgeliefert worden. Ferner werden versprengte Exemplare in Darmstadt, Neuburg und München auf gezählt. Es folgt eine Liste der uns noch erhaltenen Stücke der Kammerbibliothek (30) und eine Übersicht über die heute nicht mehr nachweisbaren Schriften aus der Reformationszeit. Das zweite Kapitel des Buches beschäftigt sich mit Ottheinrichs Verhältnis zum Schrifttum seiner Zeit überhaupt. Für Ottheinrichs Interesse am Buch war in erster Linie sein kirchenreformatorisches Ziel maßgebend, das wird an der Art des Bestands seiner Kammer bibliothek klar und an der großen Zahl ihm gewidmeter Schriften papstfeindlicher Richtung, welche Schottenloher nennt; mehrere Seiten sind dem Verhältnis des Pfalzgrafen zu Matthias Flacius Illyrius und dessen großem kirchengeschichtlichem Unternehmen zugeteilt. In seine Dienste nahm der glaubenseifrige Fürst Sleidanus, Johann Sturm und Kaspar Bruschius; gefördert hat er neben zeitgeschichtlichen Arbeiten und kirchlichen Streitschriften vor allem Astronomie und Astrologie; auch ließ er sich fremdsprachliche Schrif ten übersetzen und begründete die pfälzische Kurfürstenbibel. Das dritte Kapitel des Schottenloherschen Buches hat es mit der von Ottheinrich in Anspruch genommenen Druckerwerkstätte des Hans Kilian und deren Schicksalen und Erzeugnissen zu tun. Hier steht an der Spitze Luthers Psalter Übersetzung mit eigener Vorrede des Reformators. Das Kapitel schließt mit einer Übersicht über jene Neu burger Schriften und Verordnungen der Reformationszeit, die nicht in Neuburg erschienen sind. Hans Kilian wird als Drucker Ott heinrichs 1558 von Hans Kohl in Heidelberg abgelöst. In evan gelischen Bahnen bewegt sich bei dieser Offizin nur die amtliche Ausgabe des Augsburger Bekenntnisses; im übrigen werden kleine Gelegenheitskundgebungen hergestellt. Die zu den unbedeutend-
254 sten typographischen Leistungen der Zeit gehörigen Drucke werden aufgezählt. Ein Anhang „Das Reformationsschrifttum in der Palatina“ verfolgt die Vermehrung der kurfürstlichen Bib liothek in Heidelberg unter den Nachfolgern Ottheinrichs, ins besondere durch die Sammlung des Patriziers Ulrich Fugger (1584), worunter Luthersche Niederschriften und Predigten und Abschriftenlieferungen Aurifabers, von denen 16 Sammelbände der Vaticana genannt werden. Die Heidelberger Bibliothek war die protestantische Bibliothek Deutschlands. Auch von den be merkenswertesten Handschriften der Reformationszeit im Heidel berger Bestand der Vaticana gibt Schottenloher eine vorläufige Aufzählung, die 57 Nummern einschließt. 32 Textbeilagen aus der Zeit von 1540—1575, Korrespondenzen und Verzeichnisse und sechs Abbildungen liefern urkundliche Belege. Zu der verdienstlichen bibliographischen Monographie, der sich recht viele weitere aus dem viel verzweigten Gebiete der Handschriften- und Bücherpublizistik anschließen mögen, haben die Vaticana, Neuburg, Darmstadt, Berlin, Wien, München, Karls ruhe, Zürich, Heidelberg, Tübingen, Wiesbaden mit Stoff bei getragen. Wir schätzen an der Arbeit die knappe Form der Verwertung des mit Mühe Gesammelten, die verschiedenen Listen und die eine große Belesenheit verratenden Anmerkungen. Schot tenloher hat Ottheinrich nicht weniger und nicht mehr von seinem Anteil an der Verbreitung der geistigen, in erster Linie der reformatorischen Strömungen seiner Zeit zuerkannt, als sich mit den Mitteln einer alle greifbaren Fäden zusammenziehenden For schung über seine Beziehung zum Buch feststellen ließ. Damit hat aber der Verfasser seiner Aufgabe Genüge getan. Georg J. Meyer, Augsburg.
D. Braun Friedr., Dr. Christoph Schorer. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geisteslebens im 17. Jahrhundert. Bd. 3. der Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. Hsgg. v. Ver. f. bayer. Kirchengesch. Mit 2 Bildnissen. 1926. VIII und 345 S. 8°. Kommiss.-Verl. v. Otto Zorn, Mem mingen. 5,50 Mk. Ein Ausschnitt aus den geistigen Strebungen und Strömungen, die während und nach dem großen deutschen Glaubenskrieg im
255 deutschen Lande umgingen, so tiefschürfend, belehrend und da bei angenehm lesbar dargestellt, daß ihn jedermaun studieren sollte, der sich über jene Zeit unterrichten will. Selbst der alles aufs schwerste schädigende Krieg vermochte das geistige Leben nicht zu ertöten. Christoph Schorer, bis vor kurzem fast nur genannt als Ver fasser einer Memminger Chronik, wurde vor wenigen Jahren von Dr. O. Hartig „entdeckt“ als der Verfasser des „unartig D e u tschen Sprach verderbers“, der bis dahin meist J. M. Moscherosch zugeschrieben wurde. Nun ist F. Braun dem Schaffen dieses hochgesinnten Mannes genauestens nachgegangen und erweist ihn als einen außerordentlich vielseitigen, auf die leibliche, sittliche und geistige Hebung des Volkes zeitlebens bedachten Menschen. Vorgebildet im Memminger Lyzeum trat er 1639 an die Straß burger Hochschule über, an der er sich möglichst vielseitige Kenntnisse anzueignen strebte. In der Tannengesellschaft wurde er mit Moscherosch bekannt und angeregt, der Sprachverderbnis der Zeit zu Leibe zu rücken. Und so wurde er, getragen von tiefer Liebe zu seinem Volkstum, einer der ersten Kämpfer für Reinheit deutscher Sprache und deutschen Wesens und von seinen Verbesserungsvorschlägen sind gar manche heute noch lebendig. Auch sein Studium der Mathematik und Astronomie setzte sich in eine Einwirkung auf das Volk um, insofern als sie dem Zeit geist entsprechend in astrologischer Form dem schlichten Mann wie dem hochstehenden Gelehrten zur Erforschung des künftigen Schicksals dienen mußte; glaubten ja doch nicht bloß Wallenstein, sondern auch Melanchthon, Kepler u. a. an den Einfluß der Sterne, gleichwie heute wieder weit mehr, als man ahnt, zum mindesten überzeugt sind, daß die Sterne nicht trügen. Zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung diente dazumal, da es noch keine Tages zeitungen gab, der Kalender. Der Schorersche Kalender war jahrzehntelang so volkstümlich, daß der Name auch nach des Gründers Tod beibehalten wurde. Eine ganz fehlgeschlagene Vor hersage (des Weltuntergangs für 1643) machte Sch. recht vor sichtig, so daß er schließlich — wie heutzutage erst recht viele — nur mehr an den Einfluß der Gestirne, vor allem des Mondes, auf Wetter- und Gesundheitsverhältnisse glaubte. Eine Hofmeisterstelle bei Basel gestattete ihm Heilwissen schaft fertig zu studieren und eine solche in Mömpelgard (1647
256 bis 1653) nebenzu ärztliche Praxis auszuüben. Im folgenden Jahre promovierte er dann in Philosophie und Medizin zu Padua. Auf der Rückreise kehrte er in seine Vaterstadt zurück und ließ sich bewegen, sich daselbst als reichsstädtischer Physikus niederzulassen. Ohne seine früheren Liebhabereien zu vernachlässigen — hielt er doch sogar astronomische „Exerzitien“ mit jungen Leuten — verlegte er seine Haupttätigkeit auf volkstümliche Belehrung über gesundheitliche Fragen, besonders Vorbeugung gegen an steckende Krankheiten und Verhalten bei solchen; seine Vorschriften sind mindestens für die Geschichte der Heilkunde auch jetzt noch beachtenswert. Daneben fand er Zeit auch mit Erziehungslehre und schließlich sogar mit Geschichte sich zu beschäftigen. Seine 1660 gedruckte Me mm ing er Chronik zeigt, daß er nicht nur die ihm damals verfügbaren örtlichen Quellen fleißig ausnützte, sondern daß er auch eine stattliche Zahl größerer geschichtlicher Werke zu Rate zog. Am wertvollsten ist darin natürlich das, was er aus Eigenem schöpfte d. h. die Darstellung der Ereignisse seiner Zeit. Desgleichen ist sein „Memminger Gottesacker“ und seine — im Privatbesitz befind liche und von Braun gar nicht erwähnte — Genealogia Mem min gia na von Wichtigkeit, weil er dafür noch Quellen benützen konnte, die inzwischen verloren gegangen sind. War Schorer eigentlich schon damit in seinem Wirkungs kreis über das unmittelbar Nützliche hinausgegangen, so begab er sich 1655 durch Gründung des Collegium Musicum vollends auf das schöngeistige Gebiet. Als Musikfreund sammelt er zu nächst einen kleinen Kreis Gleichgesinnter um sich; die Methode des Musikunterrichts reizt ihn sogar zu einer Schrift über „E rlernung der Musik in kurzer Zeit“. Dann verband er eine Anzahl Liebhaber der schönen Kunst zur „Pflege der Vokalund Instrumentalmusik“. Diese seine Einrichtung hat fast bis zum Ende der Reichstadt fortgelebt. Wir sehen, ein das Normale weit überragender, seine Um welt nach vielen Richtungen beeinflussender Mann ist es, der uns in Schorer vorgeführt wird. Jedem Abschnitt des das Leben und Wirken schildernden Teils sind in zahlreichen Anmerkungen Nachweise beigefügt, die von einer außergewöhnlichen Vertraut heit mit dem einschlägigen Schrifttum Zeugnis geben. Der 2. Teil
257 bringt Proben aus Schorers Schrift en, die es ermöglichen sollen den edelgesinnten Menschenfreund aus seinen eigenen Worten kennen ZU lernen. Julius Miedel, Memmingen.
Dr. Alt Karl, Die Lateinschule der freien Reichsstadt Kauf beuren und ihr berühmtester Rektor Mag. Dr. Jakob Brücker. Kaufbeuren, bei Schön. 1926. xiv und 186 S. 2,50 Mk. Auch Alt bietet einen „Beitrag zur schwäbischen Schul- und Gelehrtengeschichte“ und damit auch zur Geistesgeschichte und zwar des 18. Jahrhunderts. Das Leben und Wirken des Philo sophen Brücker, das sich hauptsächlich in Kaufbeuren und Augs burg abgespielt hat, bildet den Mittelpunkt der Darstellung und ihm gilt in erster Linie auch Alts Forschung. Mit dieser hat sich der Verfasser entschieden ein großes Verdienst erworben; denn das Gedächtnis an den einst Weltruf genießenden Gelehrten, der in der Geschichte der Philosophie eine hervorragende Stelle ein nimmt, ja als deren Begründer bezeichnet werden darf, war eigent lich nur mehr in den engsten Fachkreisen lebendig. Brücker war geboren 1696 als Sohn eines Schneiders zu Augsburg, der zunächst Kaufmannslehrling wurde. Wer ihn von dieser Stellung weg dem Annagymnasium zuführte, ist nicht fest zustellen. Hier trat er bald dem damaligen Rektor Ph. J. Crophius näher, so zwar, daß er später dessen Schwiegersohn wurde. In Jena studierte er 1715—20 Theologie, Philosophie, Philologie, Literatur und orientalische Sprachen und kehrte dann zur Ab legung der Prüfung in die Heimat zurück. Solange er keine An stellung fand, verdiente er sich den Lebensunterhalt mit Privat stunden und schrieb in wenigen Jahren 19 gelehrte Abhandlungen und Werke über Philosophie und Geschichte, besonders Augs burger Gelehrtengeschichte (de scriptoribus Historiae Augustae, de vita et scriptis El. Ehingeri, de M. Velseri monumentis August., de vit. et script. Gasseri, analecta ad vit. Matth. Schenckii August, u. a.). 1724 holen sich die Kaufbeurer den ausgezeichnet empfoh lenen jungen Mann als Pfarradjunkten und Rektor an ihre Latein schule. Als solcher entwickelte er regste und allgemein anerkannte Tätigkeit. So sehr ihn dies Doppelamt aber in Anspruch nahm, 17
258 fand er dennoch Zeit zu umfangreichen wissenschaftlichen Studien. Gerade sein größtes Werk, eine neunbändige Geschichte der Philosophie von Anfang der Welt, entstand in den Jahren 1731 ff. Jeder Teil ist einer bedeutenden Persönlichkeit oder einem Stadtrat gewidmet, wie Kaufbeuren, Memmingen, Ulm, ’auffallenderweise keiner dem von Augsburg. Das Ganze umfaßt rund 10000 Druckseiten! Infolge seiner Wahl zum Diakon hatte er 1735 der Schul leitung entsagen müssen, ihr aber als Scholarch seine Anhäng lichkeit bewahrt, die sich vor allem in der Ausarbeitung einer neuen, sogar mit methodischen Vorschriften versehenen Schul ordnung äußerte, in der nun auch Geschichte, Erdkunde und Genealogie zu Pflichtfächern gemacht wurden. Auch von dem Diakon ist eine Folge von 20 Schriften zu verzeichnen, deren bedeutendste die Pinacotheca scriptorum litteris illustrium ist, die auch deutsch erschien als „Bildersaal itzt lebender und durch Gelehrtheit berühmter Schriftsteller“ (1741), und mit schönen Kupferstichen versehen ist, „um die gelehrte Welt verdiente“ Zeit genossen aus allen Wissensgebieten zu würdigen und ihre Leis tungen bekannt zu machen. Dabei sind auch Frauen nicht aus geschlossen, „weil auch unsere Zeiten das Glück haben, daß sich hin und wieder ein Frauenzimmer auf der gelehrten Schaubühne mit Ruhm zeigt“. Solchen Mann in eine hervorragendere Stellung zu bringen, bemühten sich mehrere: Augsburg bot ihm die Rektorstelle bei St. Anna an, Friedrich der Große wünschte ihn als Professor für Halle. Er selbst zog 1744 eine Augsburger Pfarrstelle erst bei Hl. Kreuz, dann bei St. Ulrich vor. Auch hier hatte er genügend Muße seine wissenschaftliche Tätigkeit fortzusetzen, wenn sie auch an Fruchtbarkeit die früheren Jahre nicht mehr erreichte. Merk würdig, daß gerade von diesen Schriften verschiedene heute nicht mehr erreichbar sind. Neben einer Geschichte der Hl. Kreuz kirche verdient Hervorhebung sein „Ehrentempel der deutschen Gelehrsamkeit“ und seine Mitarbeit an dem großen Werk der „Erklärung der hl. Schrift“, wovon er in 8 Bänden das Neue Testament allein bearbeitete, mit dessen Erstellung er die letzten Jahre seines Lebens allein ausfüllte. 1770 fiel er einem Unglücks fall zum Opfer.
259 Wir mußten uns hier auf einen kurzen äußeren Ueberblick über den Lebensgang Brückers beschränken, um wenigstens eine allgemeine Vorstellung dieses mit Recht als Polyshistor seiner Zeit zu betrachtenden Mannes zu erwecken. Alt ist mit Erfolg beflissen seine Bedeutung als Gelehrter nahe zu bringen und die einzelnen Werke nach Inhalt und Wert einzuschätzen. Durch die — freilich nicht zu vermeidenden — Angaben über die vielen auf die Szene tretenden Persönlichkeiten entstehen öfters längere Abschweifungen, die den Fluß der Darstellung manchmal stören und zu sehr ablenken. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie teilweise wenigstens in die Anmerkungen zu verweisen. Julius Miede!, Memmingen.
Das Stadttheater Augsburg. Festschrift zum 50jährigen Be stehen im Auftrag der Stadt herausgeg. von Dr. Max Herre. Augsburg 1927. Selbstverlag der Stadt Augsburg. 188 Seiten. Mit zahlr. Bildern, Porträts und historischen Theaterzetteln. Zum 50jährigen Stadttheateijubiläum hat die Stadt Augs burg eine sehr repräsentative, vornehme Festschrift herausgegeben, die Oberbürgermeister Deutschenbaur mit einem Geleitwort ver sehen hat. Sie enthält außer der Vorrede des Herausgebers fünf größere Abhandlungen über die Geschichte des Theaters, sodann anhangweise einige Briefe von berühmten Schauspielern (Dreher, Claire Schulthess, Anna Meyer-Glenk u. a.), historische Theater zettel und zahlreiche vortreffliche ganzseitige Bildbeigaben (auch Inszenierungen). Die Geschichte der Theaterstätten schrieb Dr. Rudolf Steiger, über die Theaterdirektoren berichtet Richard Hauber, Georg J. Meyer bespricht das Schauspiel, der Heraus geber die Oper, und Hohenester erzählt von berühmten Künstler persönlichkeiten, die in Augsburg wirkten ; so ist alles Wesentliche zusammengetragen bis auf eine Geschichte des Orchesters, die schmerzlich vermißt wird, wenn auch der Herausgeber in seinem Aufsatz darüber manches erzählt und auch erwähnt, daß eine Orchestergeschichte von R. Hauber bereits existiert, aber noch nicht im Druck publiziert ist. Außer der Fülle lokaler Denkwürdigkeiten, die in der Denk schrift mit Fleiß und Sachkenntnis zusammengetragen sind, liegt 17*
260 der Wert der Arbeit darin, daß hinter dem Lokalen die kultu relle Entwicklung unseres Volkes auftaucht, derart, daß die Orts geschichte zu einem Spiegel der Allgemeingeschichte wird. Nicht nur die Jahrhunderte Augsburger Theatergeschichte ziehen an uns vorüber, sondern die Jahrhunderte des deutschen Theaters. Für Augsburg gliedern sie sich durch die Daten 1776 und 1877» den Gründungsjahren des alten Theaters hinter der Jakobskirche und des neuen Baues. Denn die Stätte des Spieles ist eine zentrale Frage und um sie drehte sich schon in jenen Zeiten meist der Kampf, als noch die Schulen St. Anna und St. Salvator mit ihren religiösen und pädagogischen Moralstücken, über die Meyer Näheres berichtet, im Wettstreit lagen mit den Meistersingern und sich in Schulräumen, Kirchen, Städeln und im Ballhaus hören ließen, bis der Almosen 1665 ein Komödienhaus erbaute, dem 1739 ein Schauspielhaus folgte. Daneben gabs zu allen Zeiten private Unternehmer und Gesellschaften des In- und Auslands, die mit Possen und Singspielen und ähnlichen Belustigungen auf warteten, Wandertruppen mit Wanderdirektoren, die bald hier, bald dort auftauchten— man denke an Goethes Wilhelm Meister — und in deren Repertoire Wertvolles und Schund gemischt war. Auch als am 16. Oktober 1776 das „Nationaltheater“ eröffnet worden war, blieb es bei dem Saisonaufenthalt von Wander truppen, an deren Direktor der ganze Theaterbetrieb verpachtet war und die in den seltensten Fällen sich länger zu halten ver mochten ; fast alle erlagen den finanziellen Schwierigkeiten. R. Hauber hat die Liste der Direktoren zusammengestellt; eine bunte Gesellschaft, darunter auch interessante Namen wie der Schikan eders. Das Orchester bestand ursprünglich aus den Stadtpfeifem und Dilettanten; ein festes Orchester wurde erst 1865 geschaffen. Was da gespielt und gesungen wurde, erzählen Meyer und Herre eingehend; (einige denkwürdige Daten seien genannt: 1696 erste Opernaufführung, 1793 Zauberflöte, 1803 C. M. v. Weber in Augs burg, 1854 Wagners Tannhäuser); nicht selten wurden Dinge geboten, die wir nicht im Theater, sondern im Variete suchen. Eine Besserung trat erst ein unter Direktor Engelken (1854), mit dem eine Reihe tüchtiger Direktoren beginnt (Ubrich, Krüger, Grosse, Deutschinger, Schröder, Häusler — letzterer 25 Jahre im Amte, was keinem seiner Vorgänger gelungen ist!). Ein buntes Treiben war das im alten Nationaltheater, sehr romantisch und
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oft chaotisch und es hatte bei aller Zuchtlosigkeit und Abenteuer lichkeit „die dionysische Lust am Spiel“, wie Hohenester S. 167 vortrefflich ausführt, an deren Stelle die Gefahr einer gewissen „Verbürgerlichung“ trat, als das Theater aus einer bunten Welt des Maskenspiels zur vornehmen Angelegenheit wurde. Äußer lich ist dieser Übergang markiert durch die Gründung des neuen Theaters 1877. Der alte Bau hatte 100 Jahre gedient, aber mehr schlecht als recht und nach langen Verhandlungen und manchen vorausgehenden Gründungsversuchen kam es endlich — dank einem kleinen Logenbrand — zum Beschluß des Neubaus, der am 26. XI. 1877 mit Beethovens Fidelio eröffnet wurde, wobei Possart den Prolog sprach. Dieses neue Theater hat große Tage neben #viel Not erlebt. Die Inflation zwang zur Aufhebung des eigenen Schauspiels, teilweise auch der Operette und, wenn es auch diese schweren letzten Zeiten überstehen konnte, so ist das nicht zuletzt das Verdienst seines Intendanten Häusler, der nicht nur ein tüchtiger Geschäftsmann ist, sondern in dem auch eine stattliche Anzahl von Künstlern den Lehrer und Führer zu großem Künstlertum verehren. Wurde doch Augsburgs Bühne unter ihm geradezu zur Schule für junge, aufstrebende Talente, von denen Briefe im Anhang des Buches zu finden sind, in denen sie er zählen, was sie Augsburg, seinem Theater und Häusler verdanken. Daß 1919 der alte Modus der Verpachtung aufgehoben und an seine Stelle die Regie der Stadt trat, war ein Gebot der.Zeit; desgleichen die Erneuerung der Bühneneinrichtung im Jahfe 1926. Die Stadt Augsburg hat mit dieser Festschrift zunächst einer Chronistenpflicht in vornehmster Form entsprochen. Bei ent sprechender Verbreitung wäre jedoch die Schrift geeignet, dem oft etwas mißgünstigen und kritiksüchtigen Publikum die Augen dafür zu öffnen, was für eine gewaltige Aufgabe es für eine Stadt ist, ein gutes Theater zu führen, und wieviel leichter es ist zu wünschen und zu tadeln als zu schaffen und zu verwirklichen Prof. J. Meyer, Augsburg.
V erzeiehnis der
mit dem Historischen Verein für Schwaben und Neuburg im Schriftenaustausche stehenden Vereine und Gesellschaften etc.
A a c li e n, Aachener Geschichtsverein. Aachen, Museums-Verein. Aarau, Aargauische Historische Gesellschaft. Altenburg, Geschichts- und altertumsforschende Gesellschaft des Osterlandes. Amiens, Societe des antiquaires de Picardie. Ansbach, Historischer Verein für Mittelfranken. Antwerpen, Academie Royale d’Archeologie de Belgique. Bamberg, Historischer Verein zur Förderung der Geschichte des ehe maligen Fürstlichen Hochstifts in Bamberg. Basel, Historische und antiquarische Gesellschaft. Bayreuth, Historischer Verein für Oberfranken in Bayreuth. Berlin, Bibliothek des Reichstages. Berlin, Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Berlin, Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Bonn, Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande. Brandenburg, Historischer Verein. Bregenz, Landesmuseums verein für Vorarlberg in Bregenz. Bregenz, Leo-Gesellschaft am Bodensee. Bremen, Historische Gesellschaft des Künstlervereins. Breslau, Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur. Breslau, Verein für Geschichte Schlesiens. Brno-Brünn, Moravske umslecko prfimyslove museum (Mährisches Kunstgewerbe-Museum). Budapest, Magyar Tudomänyos Akademia (Ungarische Akademie der Wissenschaften). Chemnitz, Verein für Chemnitzer Geschichte. Chur, Historisch-antiquarische Gesellschaft von Graubünden. Danzig, Westpreußischer Geschichtsverein. Darmstadt, Historischer Verein für Hessen. Dessau, Verein für Anhaitische Geschichte und Altertumskunde.
263 Detmold, Naturwissenschaftlicher Verein für das Land Lippe (Ge schichtliche Abteilung). Dillingen, Historischer Verein. Donaueschingen, Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Landesteile. Donauwörth, Historischer Verein für Donauwörth und Umgegend. Dresden, Sächsischer Altertumsverein. Düsseldorf, Düsseldorfer Geschichtsverein. Eichstätt, Historischer Verein. Einbeck, Verein für Geschichte und Altertümer der Stadt Einbeck und Umgebung. Eisenberg, Verein für Geschichts- und Altertumsforschung zu Eisen berg in Thüringen. Eisleben, Verein für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld. Elberfeld, Bergischer Geschichtsverein. Elberfeld, Verein für rheinische und westfälische Volkskunde. Ellwangen, Geschichts- und Altertumsverein. Erfurt, Preußische Akademie gemeinnütziger Wissenschaften. Erfurt, Verein für die Geschichte und Altertumskunde in Erfurt. Erlangen, Universitäts-Bibliothek. Essen, Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. Frankfurt a. M., Archäologisches Institut des deutschen Reiches, Römisch-Germanische Kommission. Frankfurt a. M., Verein für Geschichte und Altertumskunde. Frauenfeld, Thurgauischer Historischer Verein. F r e i b e r g i. S., Altertumsverein. Freiburgi. Br., Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Alter tums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den an grenzenden Landschaften. Freiburgi. Schw., Deutscher geschichtsforschender Verein des Kan tons Freiburg. Freising, Historischer Verein Freising. Friedrichshafen, Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Füssena. L, Verein Alt-Füssen. Fulda, Fuldaer Geschichtsverein. St. Gallen, Historischer Verein. Geneve, Societe d’Histoire et d’Archäologie de Geneve. Gießen, Oberhessischer Geschichtsverein. Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften. Göteborg, Göteborgs och Bohusläns Fornminnesförening (Altertums verein). Göttingen, Gesellschaft der Wissenschaften.
264 Gotha, Verein für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung e. V. Graz, Historischer Verein für Steiermark. Greifswald, Rügisch-Pommerscher Geschichtsverein. Günzburg, Historisch-Naturwissenschaftlicher Verein Günzburg. Halle a. S., Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denkmale. Hamburg, Verein für Hamburgische Geschichte. H a n a u a. M., Hanauer Geschichtsverein. Hannover, Verein für Geschichte der Stadt Hannover. Hannover, Historischer Verein für Niedersachsen. Heidelberg, Universitäts-Bibliothek. Helsinki, Finska Vetenskaps-Societeten, Suomen Tiedeseura (Finnländische Gesellschaft der Wissenschaften). Helsinki, Meteorologische Zentralanstalt des Finnischen Staates. Hof, Nordoberfränkischer Verein für Natur-, Geschichts- und Landes kunde. Hohenleuben, Vogtländischer Altertumsforschender Verein. Jena, Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. Ingolstadt, Historischer Verein in und für Ingolstadt. Innsbruck, Landesregierungs-Archiv. Innsbruck, Museum Ferdinandeum. Kahla, Altertumsforschender Verein. Karlsruhe, Badische Historische Kommission. Kassel, Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde. Kaufbeuren, Verein „Heimat“. Kempten, Historischer Verein Algäu. Kiel, Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Kiel, Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Kiel, Schleswig-Holsteinisches Museum für vaterländische Altertümer. Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten. Kobenhavn, Kongl. Nordiske Oldskriftselskab (Society royale des Antiquaires du Nord). Köln, Historischer Verein für den Niederrhein (insbesondere die alte Erzdiözese Köln). Königsberg, Altertumsgesellschaft Prussia. Landshut, Historischer Verein von und für den Kreis Niederbayern. Lauingena. D., Altertumsverein. Leiden, Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde. L e i p a, Nordböhmischer Verein für Heimatforschung und Wander pflege. Leipzig, Deutsche Bücherei des Börsenvereins der deutschen Buch händler zu Leipzig.
265 Leipzig, Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer. L e i p z i g, Fürstlich Jahlonowskische Gesellschaft der Wissenschaften. Leipzig, Städtisches „Museum für Völkerkunde“. Leipzig, Verein für die Geschichte Leipzigs. L e i s n i g, Geschichts- und Altertumsverein. Linz, Museum Francisco-Carolinum. Lübeck, Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Lüneburg, Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg. L u z e r n, Historischer Verein der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Un terwalden und Zug. Lwow, Polskie Towarzystwo Historyczne (Polnische Historische Ge sellschaft Lwow). Magdeburg, Verein für Geschichte und Altertumskunde des Herzog tums und Erzstifts Magdeburg. Mainz, Verein zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Alter tümer. Mannheim, Mannheimer Altertumsverein, e. V. Marienwerder, Historischer Verein Marienwerder. Meiningen, Hennebergischer altertumsforschender Verein. Meißen, Verein für Geschichte der Stadt Meißen. Memmingen, Altertumsverein. Milwaukee, Milwaukee Public Museum. M i t a u, Genealogische Gesellschaft Lettlands zu Mitau. Mühlhausen, Altertumsverein für Mühlhausen und Umgegend. München, Bayerische Akademie der Wissenschaften. München, Altertumsverein München. München, Bayerische numismatische Gesellschaft. München, Hauptstaatsarchiv. München, Konservatorium der anthropologisch - prähistorischen Sammlung des Staates. München, St. Michael. Verein deutscher Edelleute zur Pflege des Adels und der Familiengeschichte. München, Bayerisches Nationalmuseum. München, Historischer Verein von Oberbayern. Münster, Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst. Münster, Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Ab teilung: Münster. Neuburga.D., Historischer Verein. Neumarkt, Historischer Verein für Neumarkt i. 0. und Umgebung. Neu-Ulm, Historischer Verein Neu-Ulm. Nördlingen, Historischer Verein für Nördlingen und Umgebung. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Nürnberg, Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
266 Oettingen, Verein für Heimatkunde. Offenburg, Historischer Verein für Mittelbaden E. V. Oslo, Norsk Folkemuseum (Norwegisches Volksmuseum). Oslo, Kongelige Frederiks Universitet. Paderborn, Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung: Paderborn. Plauen, Verein für Vogtländische Geschichte und Altertumskunde. Poznan , Historische Gesellschaft für Posen. Praha, Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag. Praha, Kral. Ceskä Spoleänost Nauk (Kgl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften). Praha, Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Praha-Vrsovice, Knopfmuseum Heinrich Waldes. Regensburg, Historischer Verein von Oberpfalz und Regensburg. Riga, Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga. Romans, Societe d’Histoire Ecclesiastique et d’Archäologie reügieuse des dioceses de Valence, Gap, Grenoble et Viviers. Rosenheim, Historischer Verein Rosenheim. Rostock, Verein für Rostocks Altertümer. Salzburg, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Salzwedel, Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte. Schaffhausen, Historischer-antiquarischer Verein des Kantons Schaffhausen. Schleusingen, Hennebergischer Geschichtsverein Schleusingen. Schmalkalden, Verein für Hennebergische Geschichte und Landes kunde zu Schmalkalden. Schorndorf, Archiv Hornschuch. Schwäbisch -Hall, Historischer Verein für Württembergisch Franken. Schwerin, Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertums kunde. Selb, Historischer Verein Selb. S i b i i u, Verein für Siebenbürgische Landeskunde. Sigmaringen, Verein für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Solothurn, Schweizer Gesellschaft für Urgeschichte. Speyer, Historisches Museum der Pfalz (Historischer Verein der Pfalz). Stade, Stader Geschichte- und Heimatverein. Stendal, Altmärkischer Museums-Verein. Stettin, Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. Stockholm, Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien (Akademie der schönen Wissenschaften, Geschichte und Altertums kunde). Stockholm, Nordiska Museet.
267 Straubing, Historischer Verein für Straubing und Umgebung. Stuttgart, Württembergische Kommission für Landesgeschichte. Stuttgart, Württembergisches Statistisches Landesamt. Stuttgart, Württembergischer Anthropologischer Verein. Tartu, Opetatud Eesti Selts (Gelehrte Estnische Gesellschaft). Torun, Goppernicus-Verein für Wissenschaft und Kunst, e. V. Trier, Gesellschaft für nützliche Forschungen. Trier, Rheinisches Provinzialmuseum. T r o p p a u, Städtisches Museum. o
o
Turku, Abo Akademis Bibliotek (Bibliothek der Akademie Abo). Tuttlingen, Bezirksausschuß für Heimatschutz und Denkmalpflege. Ulm, Kunst- und Altertumsverein für Ulm und Oberschwaben. Uppsala, Kungl. Humanistiska Vetenskaps-Samfundet. Utrecht, Historisch Genootschap. Vaduz, Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein. Waidhofen, Musealverein für Waidhofen a. d. Ybbs und Umgebung. Washington, Smithsonian Institution. Weißenhorn, Heimatmuseum Weißenhorn. Wernigerode, Harzverein für Geschichte und Altertumskunde. Wien, Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission. Wien, Heraldische Gesellschaft „Adler“. Wien, Verein für Geschichte der Stadt Wien. Wi e n, Verein für Landeskunde und Heimatschutz von Nieder-Oesterreich und Wien. Wiesbaden, Verein für Nassauisehe Altertumskunde und Geschichts forschung in Wiesbaden. Winterthur, Stadtbibliothek Winterthur. Witten a. d. Ruhr, Verein für Orts- und Heimatkunde in der Graf schaft Mark. Wolfenbüttel, Braunschweigischer Geschichtsverein. Worms, Altertums-Verein. Würzburg, Historischer Verein von Unterfranken und Aschaffen burg. Zagreb, Hrvatskoga arheolo§ koga drustva u Zagrebu = Archäologisch-Histor. und Prähistorische Abteilung von: Hrvatski narodni muzej (Kroatisches Nationalmuseum). Zagreb, „Narodna Starina“. Zürich, Antiguarische Gesellschaft in Zürich (Kantonaler Verein für Geschichte und Altertumskunde). Zürich, Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz. Zürich, Schweizerisches Landesmuseum. Zwickau, Altertumsverein für Zwickau und Umgegend.
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Einnahmen
Rechmmgsbericht 1927
Ausgaben
RM RM 376.15 Barvortrag............................ 169.35 Vorträge und Projektion . . Mitgliederbeiträge .... 1,900.- Inserate................................ 282.37 Staatszuschuß p. 1927 . . . 190.90 140.— Regie..................................... 800.— Div. Scbreibgebühren . . . 115.— Kreiszuschuß p. 1927 . . . Städt. Zuschuß p. 1927 . . 1,500.— Anfertigung Zettelkatalog . 850.Bibliothek -Buchbinderarbeiten 942.— Zeitschriftenzuschuß z. Drucklegung............................ 300.— 300 — Archiv-Aktenbinden . . . Div. Ausgaben.................. Abhebungen beim Bankhause 104.23 Friedr. Würth................... 1,800. - Einlagen b. Bankhause Friedr. Würth............................ 2,700 — Barbestand............................ 1,248.70 6,609.35
6,609.35
Vermögensstand per 31: Dezember 4927. Barbestand.................................................. RM 1,248.70 Guthaben bei der Firma Friedr. Würth . . „ 3,190.— RM 4,438.70
Friedrich Würth
Schatzmeister.
Mitgliederverzeichnis des
HistorischenVereins für Schwaben u. Neuburg, A. Ehrenmitglieder: D i r r Dr. phil. Pius, Stadtarchivdirektor in München. Frank Dr. phil. h. c. Christian, Oberpfarrer in Kaufbeuren. Hager Dr. Georg, Generalkonservator in München.
B. Vorstand und Ausschuß: I. Vorsitzender: Friesenegger Josef Maria, Domdekan, Päpstl. Hausprälat. II. Vorsitzender: Wanner Max, Architekt. Schriftleiter und I. Schriftführer: Wiedenmann Dr. Hans, Stadtarchivdirektor. \r
Schatzmeister: Würth Friedrich, Bankier. II. Schriftführer: Heymann Oskar, Rentner. Beisitzer: G e b e 1 e Dr. Eduard, Stadtoberbibliothekar. Geyer Dr. Paul, Geheimer Oberstudienrat a. D. Guggemos Pius, Oberstudienrat. Holzer Otto, Stadtoberbaudirektor. Schiller Wilhelm, Kirchenrat. Schmidbauer Richard, Stadtbibliothekdirektor. W a 11 n e r Eduard, Oberlehrer. Redaktionskomitee: Die unter B. benannten Herren Geyer, Schiller, Schmid bauer, Wallner und Wiedenmann.
2
C. Mitglieder des Vereins in Augsburg: Ackermann Friedrich, 2. rechtsk. Bürgermeister. Albertshauser Edgar, Hauptlehrer. Amman Ludwig, Kunst- und Theatermaler. A n d r e a e Adolf, stellvertr. Bankdirektor. Arnold Benno, Fabrikbesitzer. Aurnhammer Dr. Albert, Kinderarzt, Sanitätsrat. B a u r Georg, Kriminaloberinspektor. Bergdolt Friedrich, Generaldirektor, Kommerzienrat. Bergmüller Dr. Ludwig, Oberstudienrat a. D. B e r z Matth., Großhändler, Kommerzienrat. B e ß 1 e r Franz, Kaufmann. Biber Wilhelm, Regierungsschulrat. B o h 1 i g Ferdinand, Bezirks-Schulrat. Buchegger Sebastian, Architekt. B ü 11 e r Dr. Joseph, Bezirksarzt, Obermedizinalrat. G a m e r e r Dr. Albert, Apothekenbesitzer. C r i g n i s Anton D e, Architekt. Dänner Rudolf, Generalleutnant a. D. Deller Joh. Evang., Prälat, Dompfarrer. Denzel Eduard, städt. Bauverwälter. D e u b e r t Therese, Apothekenbesitzers-Witwe. Doderer Karl, Großkaufmann, Kommerzienrat. Dolderer August, Katechet. Dominal Johann, Graveur. D o m m Dr. Robert, Monsignore, Domvikar. D ü r b i g Alfred, Oberlandesgerichts-Präsident. Dürr Hermann, Architekt. E b e r 1 e Hans, gepr. Dentist. Eitel Fritz, Fabrikbesitzer. Engländer Dr. Paul, Zahnarzt. Faulmüller Dr. Georg, Studienprofessor. Feist Eugen, Großhändler. Feist Richard, Großhändler. Fikentscher Ludwig, Bankvorstand a. D. F i 1 s e r Richard, Diplomingenieur. Fink Joseph, Großhändler. Fischer Georg, städt. Verwaitungs-Amtmann a. D. Förster Ernst, Gutsbesitzer. Förster Hugo von, ehern. Gutsbesitzer. F r e n z e 1 Max, Privathandelsschuldirektor. Fries Dr. Karl, prakt. Arzt, Sanitätsrat.
3 Frommei August, Fabrikbesitzer, Geheimer Kommerzienrat. Fürst Lu. Gräfl. Fugge r’sches Familienarchiv. Funk Joseph, Prälat, Domkapitular. Gebhard Dr. Friedrich, Oberstudienrat a. D. Geis Johann, Steuerinspektor. Geiß Matthias, Oberlehrer a. D. Gerum Eduard, Bankdirektor. G e ß w e i n Hans, Verwaltungs-Oberinspektor. Geyer Dr. Florian, Stabsarzt. G1 o g g e r Dr. Placidus, Abt. Gollwitzer Dr. Karl, Frauenarzt, Sanitätsrat. G r e i n e r Karl, rechtskundiger Stadtrat. Grünfeld Dr. Richard, Bezirks-Rabbiner. G w i n n e r Dr. Karl, Rentner. Hämmerle Rudolf, Justizrat. Hafner Otto, Oberlehrer. Hagen Dr. Adolf, Geheimer Sanitätsrat. H a i n d 1 Friedrich, Fabrikbesitzer, Geheimer Kommerzienrat. Hartmann Hermann, Großkaufmann, Kommerzienrat. Hasselberger Heinrich, Oberlehrer. Hatz Gottiieb, Oberstudienrat a. D. H a y d Otto, Pharmazierat. HedderichDr. Ludwig, Sanitätsrat. H e i d e r August, Buchdruckereibesitzer. Heilig Otto, Buchhändler. Henning Max, Bankier, Kommerzienrat. Herold Hans, Kaufmann. H e r r e Dr. Max, Musikschriftsteller. Heufelder Hans, Brauereidirektor a. D. H i 1 s e r Blandine, Beamtin. H i m m e r Hugo, Buchdruckereibesitzer. H i m m e r Otto, Buchhändler. Hoch Wilhelm, Direktor der Kreistaubstummenanstalt. Höchstädter Hermann, Kaufmann. Höchstetter Hermann, Oberingenieur. Hößlin August von, Nahrungsmittelchemiker. Höß 1 in Richard von, Generalleutnant a. D. Hößlin Ernst von, Oberst a. D. H ö t z 1 Joseph, Studienrat. Hoffmann Max, Senatspräsident am Oberlandesgericht a. D. Horn Karl, Direktor der gewerbl. Fachschulen. Hotter Rudolf, akadem. Maler. Huber Richard, Bankkassier. Jäger Dr. Adolf, Truppenunterrichtsleiter.
4 Käst Dr. Karl, Geheimrat, Regierungs-Direktor a. D. K a t h a n Richard, Kaufmann. Keck Anton, Rentner. K e m p f Matth., Oberpostinspektor. K e m p t e r Fritz, Bankdirektor. Kirchmayer Albert, Architekt. Kirschbaum Wilhelm, städt. Verwaltungs-Oberinspektor. Klein Jakob, Verwaltungs-Direktor. Kleindinst Dr. Josef Ferdinand, Rechtsrat. Klopfer Benno, Rentner, Kommerzienrat. Klug Otto, Bauamtmann. Knappich Jakob, Fabrikdirektor. Köberlin Dr. Karl, Oberstudienrat a. D. Kohle Hugo, Oberstudienrat. K o h n Karl, Großhändler. K r ä n z 1 e Hans, Apothekenverwalter. Kraus Hermann, Oberstaatsanwalt. Krauß Walter, Architekt. Krettenauer Raimund, Bauunternehmer. Kühling Anton, Auktionator. Kühlwein Karl, Oberbahninspektor a. D. Kuhn Dr. Friedrich Wilhelm, Kommerzienrat. Kutscher Emil, Kaufmann. L a m p a r t Dr. Ed., Oberstudienrat. Landauer Hugo, Fabrikbesitzer. Landauer Julius, Fabrikbesitzer. Landauer Otto, Fabrikbesitzer. Landauer Paul, Fabrikbesitzer. Lang Martin, Photograph. Lehmann Leo, Kaufmann. Lehmann Max, Bankier, Kommerzienrat. Lerchenthal Dr. Robert, Bankier. Lindermayr Georg, Msgr. Stadtpfarrer. Ling g Dr. Maximilian von, Bischof von Augsburg. Link Paul, Geschäftsführer. Linse Georg, Prokurist. Loher Herbert, Kaufmann. Lohmüller Karl, Stiftungsdirektor. M a i c h 1 e Max, städt. Obersekretär. Maier August, Amtsgerichtsrat. Mayr Georg, städt. Weblehrer. Meyer Georg Joh., Privatgelehrter. Mayer Max, Oberregierungsrat. Mayr Sebastian, Bäckermeister. Meyer Dr. Wolfgang, Chemiker. Meyer Wolfgang, Prokurist.
5 Meyerhofer Ernst, Major a. D. Marsch Adolf, Stadtbaurat a. D. Martini Clemens, Fabrikbesitzer, Geheimer Kommerzienrat. Maser Arnold, Bankdirektor. Mautschke Joseph, Schuhmachermeister. Meitinger Leonhard, Domkapitular. Merz Konrad, Hauptlehrer. Merz Lothar, Rittmeister a. D. Metsieder Wilh., Landgerichts-Präsident a. D. Müller Hans, Verwaltungs-Inspektor. Müller Joseph, Bezirks-Schulrat. Müller Matth., Studienprofessor. Munk Wally, Kustoswitwe. Nagler Eduard, Fabrikbesitzer. N a u Wilhelm, Oberingenieur. Neuner Max, Zahntechniker. Oblinger Joseph, Kustos. Ostler Michael, Religionslehrer. Pank Lina, Majorswitwe. Peter Heinrich, Fabrikant. P f a u d Joseph, Oberlehrer. Pflanz Ludwig, Ober Studiendirektor. P ö 11 Max, Oberinspektor am Stadtarchiv. Port Karl, Bildhauer. Premauer Lilly, Studienhauptlehrerin. P r o s c h Magdalena, Lehrerin a. D. R e b e 1 Franz, Reichsbahninspektor a. D. Rebele Kasimir, Regierungsschulrat a. D. Reinhold Franz, Justizrat. Reiser Cassian, Domkapellmeister. Reißer Karl jun., Kaufmann. Reitmair Franz Xaver, Bildhauer. R e i 11 e r Hermann, Ingenieur. R e n k e 1 Georg, Fabrikdirektor. Renner Dr. Otto, prakt. Arzt. R e u ß Joseph, Oberlandesgerichtsrat. R i t z 1 August, Stadtpfarrer. Ritzl Hermann, Fabrikdirektor. Rödel Fritz, Oberstudienrat. Rößner Hans, Bäckermeister, Gewerberat. R ö t h e 1 Ludwig, Fabrikbesitzer. Rogister Dr. Ludwig von, Oberregierungsrat. Rosenau Oskar, Kaufmann. Roßteuscher Dr. Philipp, Rechtsanwalt. Ruf Hans, städt. Verwaltungsoberinspektor.
6 Sailer Robert, Rentner. Schatz Gottlieb, Spediteur. S c h e 1 e r Theodor, Generalmajor a. D. Scherer Dr. Hermann, Rechtsanwalt. Scheuer mann Franz, Oberregierungsrat a. D. Schlicker Dr. Karl, Augenarzt. Schlosser Konrad, Waisenhausinspektor. S c h m i d Ernst, Bankier, Geheimer Kommerzienrat. S c h m i d Friedrich, Bankier, Kommerzienrat. Schmitt Karl, Kunstmaler. S c h m i d Sigmund, Bankdirektor. Schmidt Dr. Theodor, Stadtpfarrer. Schmidt-Bäumler Dr. Konrad, Frauenarzt, Sanitätsrat. Schmidmayr Heinrich, Oberpostinspektor. Schnell Hans, Architekt. Schnell Joseph, Bankdirektor. Schulschwestern arme, Institut. Schum Alfred, Domänendirektor. Schuster Georg, Oberpostinspektor. Schwaiger Felizitas, Direktorsgattin. Schweighart Julius, Architekt. S c h w u b Albert, Hauptmaiin. Seiderer Karl, rechtskundiger Stadtrat. S e i t z Joseph, Buchhändler. Silbermann Dr. Felix, Fabrikbesitzer, Kommerzienrat. Silbermann Dr. Kurt, Fabrikbesitzer. Silbermann Max, Fabrikbesitzer. S i m m e t Eugen, Justizrat. Söldner Karl, Oberlehrer a. D. Sontheimer Martin, Pfarrer a. D. Spiegel Johannes, Oberstudiendirektor. Spreti Heinrich, Graf von, Regierungspräsident. S t e g e r Xaver, Postinspektor. Steiger Dr. Otto, Oberveterinärrat. Steinbach Karl, ehern. Malzfabrikant. Steiner Andreas, Postamtmann a. D. Steinfeld Hugo, Großkaufmann, Kommerzienrat. S t i g 1 e r Gottfried, Kommerzienrat. S t ö 11 e r Viktor, Vorstand des Augsburger Eiswerkes. Striegel Dr. Joseph, Studienrat. Sturzenegger Heinrich, Architekt. Thallmayr Dr. Max, prakt. Arzt, Sanitätsrat. Tausch Hubert, Postamtsdirektor a. D. Thomas Dr. Robert, Oberstudienrat. Tröltsch Rudolf, Generalstaatsanwalt. Tümptner Arnold, Großkaufmann.
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Untermayer Eugen, Kaufmann. S t. U r s u 1 a, Volksschule. V e i t h Hugo, Großhändler. Vesper Johann, Friseur. Wagner Georg, Geistl. Rat, Stadtpfarrer. W a n n e r Rudolf, Architekt. Weber Wendelin, Domkapitular. Weigl Max, Geheimer Justizrat. W e i n k a m Hans, Notar, Geheimer Justizrat. Weiß Karl, städt. Oberforstrat. Wengenmayr Justin, Oberlehrer a. D. Wernthaler Karl, Gewerkschaftssekretär. Wiedemann Dr. Friedr., prakt. Arzt, Sanitätsrat. Willburger Dr. Eugen, prakt. Arzt. Winkle Daniel, Oberlehrer. W o 1 f r u m Dr. Ludwig, prakt. Arzt. W r e d e Heinrich, Fahrikdirektor, Kommerzienrat. Zahn Georg Vitus, städt. Verwaltungsdirektor. Z e i 1 e r Wilhelm, Konditoreibesitzer. Ziegenspeck Dr. Hugo, Apothekenbesitzer. Zieher Theodor, Prokurist. Zorn Rudolf, Regierungsdirektor a. D.
D. Auswärtige Mitglieder: Babenhausen, Marktgemeinderat. Baiersried, Gemeinderat. B a u e r Joh. Evang., Pfarrer in Oberreitnau bei Lindau. Berlin, Preußische Staatsbibliothek. Bonn, Universitätsbibliothek. Bräutigam Alfred, Bankier in München. Dillingen, Studienbibliothek. Dillmann Franz Joseph, Pfarrer in Wasserburg a. Bodensee. Eberl Barthol., Benefiziat in Obergünzburg, BA. Markt-Oberdorf. Eckhard Dr. Heinrich, prakt. Arzt in Ziemetshausen, BA. Krumbach. Eichstädt, Bischöfliches Seminar. Esterhaz y’sche fürstliche Standesherrschaft Edelstetten, BA. Krum bach. Euringer Dr. Sebastian, Lyzealprofessor in Dillingen. Fischer Kasimir, Kaufmann in Ziemetshausen, BA. Krumbach. Feuchtmayr Dr. Karl, Konservator in München, Residenzmuseum.
8 Freyberg Alfred Frhr. von, Gutsbesitzer in Haldenwang, BA. Günzburg. Frickhinger Dr. Ernst, Apothekenbesitzer und 2. Bürgermeister in Nördlingen. Fugger-Glött Karl Ernst Graf von, Durchlaucht, in Kirchheim i. Sch. G ä ß 1 e r Moritz, Major a. D., München. Günzburg, Historischer Verein. H a r t i g Dr. Michael, Prälat in München. Häßler Dr. Friedrich, Diplom-Ingenieur in Berlin-Lichterfelde-Ost. Haunstetter Weberei, Haunstetten bei Augsburg. Heim Eugen, Kunstmaler, Peterhof, Post Gablingen. H e r m a n Freiherr von, in München. Herwarth Hans Wolfgang von, Oberst a. D. in Berlin-Grunewald 7. J ä c k 1 e Dr. G, in Basel. I b s c h e r Karl, Domänendirektor in Kirchheim i. Sch. Immenstadt, Stadtrat. Kauf beuren, Altertumsverein. Kempten, Stadtrat. König Dr. Erich, Universitätsprofessor in Tübingen. Krumbach, Stadtrat. Landsperger Friedrich, Bankbeamter a. D. in Stuttgart-Degerloch. L a u f f e r, Exzellenz, in Madrid. L e y e n Erwin Fürst von der, Durchlaucht, in Waal, BA. Kaufbeuren. Lindau, Stadtbibliothek. Mannlicher Dr. Egbert, Ministerialrat in Wien. Mayer Franz, Pfarrer in Wettenhausen, Post daselbst. Memmingen, Altertumsverein. Memmingen, Stadtbibliothek. Mett en, Benediktinerstift. Mindelzell, Gemeinderat, BA. Krumbach. Müller Adolf, Pfarrer in Buchloe, BA. Kaufbeuren. Nasse Dr. Hermann, Akademieprofessor in München. Nattenhausen, Gemeinderat, BA. Krumbach. Nördlingen, Stadtbibliothek. Ottobeuren, Klosterkonvent, BA. Memmingen. P e c c o z Dr. Carlo di, in Turin. Perchtold Johann, Pfarrer in Aufkirch, BA. Kaufbeuren. Pfleiderer Dr., in Stuttgart. P r a u n Paul von, Regierungspräsident a. D. in München.
9 Regenbogen Friedrich, Förster in Kaufbeuren. Riedl Ernst, Oberregierungsrat in Krumbach. Riedmüller Leopold, Geistl. Rat in Kaufbeuren. Riehl Georg, Pfarrer in Inningen bei Augsburg. Rist Oskar, Oberinspektor in Stuttgart. Roth Dr. Friedrich, Professor a. D. in München. S c h m i e d e 111. H., Rentner in Bremen. Schmidt Fritz, Reichsbankkassier in Plauen i. S. Schwabmünchen, Altertumsverein. Singer Joseph, Pfarrer in Oberrohr bei Ursberg. Gräfl. Stauffenber g’sche Gutsherrschaft Amerdingen, BA. Nord lingen. Strieder Dr. Jakob, Universitätsprofessor in München. Thannhausen, Gemeinderat, BA. Krumbach. Ursberg, St. Josephkongregation, BA. Krumbach. V o n a y Franz Sales, Oberstudienrat in Kempten. Welser’sche von, Allgemeine Stiftung in Neunhof bei Lauf. W e m d i n g, Stadtrat. Ziemetshausen, Gemeinderat, BA. Krumbach.