Das Konvergenzproblem -: Wirtschaftspolitik im Europa von Maastricht. Beiträge und Diskussionsberichte zu einer Tagung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Arbeitskreises Europäische Integration e. V. in Berlin vom 3. bis 5. Juni 1993 [1 ed.] 9783428480180, 9783428080182


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German Pages 325 Year 1994

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Das Konvergenzproblem -: Wirtschaftspolitik im Europa von Maastricht. Beiträge und Diskussionsberichte zu einer Tagung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Arbeitskreises Europäische Integration e. V. in Berlin vom 3. bis 5. Juni 1993 [1 ed.]
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DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

SONDERHEFT 151 · 1994

Fritz Franzmeyer (Hrsg.)

Das Konvergenzproblem Wirtschaftspolitik im Europa von Maastricht Beiträge und Diskussionsberichte zu einer Tagung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Arbeitskreises Europäische Integration e.V. in Berlin vom 3. bis 5. Juni 1993

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~nigln-Luise-Str. 5, D-14195 Berlln Teleion (0 30) 82 99 10- Telela• (0 30) 82 99 12 00 Verlag Duncker & Humblol GmbH, Cari-Heinrich Backer-Weg 9, 0-12165 Berlin. Alle RechleiiOrbehalten Druck: 1993 bei ZIPPEL-Druck. Oranienburger Sir. 170, 0 ·13437 Berlln Prlnled ln Germany ISBN 3·428·08018·1

Inhalt

Seite

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Editor's foreword . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Niets Thygesen The theoretical and empirical relationship between economic policy and exchange rates: The key problern in EC monetary integration since Den Haag . . . . . . . . . . I 7 Diskussion zum Referat von Niels Thygesen (Berichterstatter: Joachim Volz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Andreas Kees Die Konvergenzkriterien als wirtschaftspolitische Imperative des Maastricht-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . 52 Rolf H. Hasse Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages: Können sie Glaubwürdigkeit erzeugen? (Korreferat zu Andreas Kees) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Diskussion zu den Referaten von Andreas Kees und Rolf H. Hasse (Berichterstatter: Joachim Volz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Bernhard Seidel Italien: Konsolidierung der öffentlichen Finanzen nur unter EG-Zwang? ........ .... ... .. . .. ..... 96 Diskussion zum Referat von Bemhard Seidel (Berichterstatter: Uwe Dürkop) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 David G Mayes Does the United Kingdom have special problems in achieving convergence? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Diskussion zum Referat von David G Mayes (Berichterstatter: Uwe Dürkop) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3

Seite Clans Köhler Ankerwährung als Übergang zu einer einheitlichen Europäischen Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Reinhard Pohl Ankerwährungsprobleme auch in einer Europäischen Währungsunion (Korreferat zu Claus Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Diskussion zu den Referaten von Claus Köhler und Reinhard Pohl (Berichterstatter: Stefan Bach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Fritz Franzmeyer Zum Zusammenhang von Konvergenz und Kohäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Diskussion zum Referat von Fritz Franzmeyer (Berichterstatter: Stefan Bach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Hans-Eckart Scharrer Eine Europäische Währungsunion nach dem Modell des Europa der zwei Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . 23 7 Diskussion zum Referat von Hans-Eckart Scharrer (Berichterstatter: Christian Weise) . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Kurt W. Rothschild Konvergenz im Kontext fortschreitender EG-Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Diskussion zum Referat von Kurt W. Rothschild (Berichterstatter: Christian Weise) . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Seite Außerhalb des Tagungsprogramms:

A French perspective on EMU . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Zusammenfassung der Referate . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Summary of the papers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Die ReferentenNerfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I 7 Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Verzeichnis der Tagungsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . 322

Vorwort des Herausgebers Gewisse Fremdwörter bleiben so lange unbekannt oder für die meisten Menschen begrifflich unscharf, bis sie plötzlich flir einen spezifischen, aktuellen Inhalt vereinnahmt werden und dann eine inflationäre Verwendung erfahren. Dies triffi auch auf den Begriff "Konvergenz" zu, der vielen allenfalls aus der Schulmathematik, einigen Spezialisten auch von der "Konvergenztheorie", also der- historisch nun widerlegten -These her bekannt war, die Systeme in Ost und West würden sich zwangsläufig aufeinander zubewegen. Seine Stunde schlug dem Begriff Konvergenz im europapolitischen Kontext. Hier tauchte er wohl zuerst in der Debatte um den WemerPlan zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion auf, und zwar damals schon im heute gebräuchlichen Sinne. Konkretes Ergebnis dieser Debatte und eines der wenigen Überbleibsel des Wemer-Planes war die "Konvergenzrichtlinie" von 1974, die erst 1990 aktualisiert wurde. Bald differenzierte sich der europapolitische Konvergenzbegriff. Auf der einen Seite wurde nach den Wirkungen des Integrationsprozesses auf Struktur und Entwicklungsniveau der beteiligten Volkswirtschaften gefragt: Wirken Binnenmarkt und Währungsunion in Richtung auf Konvergenz oder Divergenz der Strukturen und Niveaus? Hinter dieser Frage steht die These, daß nur Länder mit einem relativ hohen Maß an Homogenität geeignet sind, gemeinsam eine Währungsunion zu errichten. Auf der anderen Seite ging es- und geht es noch -um die prozeßpolitische Kon- oder Divergenz. Beides hängt natürlich zusammen, und zwar auf komplexe, rückgekoppelte Weise: Strukturen und gesamtwirtschaftliche Leistungskraft bestimmen den wirtschaftspolitischen HandJungsspielraum, und die Wirtschaftspolitik beeinflußt ihrerseits die volkswirtschaftliche Leistungskraft. Aber beides ist partiell auch autonom bzw. von dritten Faktoren abhängig. Damit kann auch beides unabhängig voneinander zur Fehlentwicklung tendieren. So erscheint es konsequent, daß der Vertrag von Maastricht sowohl Instrumente anbie7

tet, die aufStrukturverbesserung, Strukturangleichung und gesamtwirtschaftliches Wachstum zielen -das sind die Technologie-, die Industrie- und die Kohäsionspolitik sowie die Krönung des Binnenmarktes durch die Währungsunion -, als auch solche, die unabhängig davon prozeßpolitische Disziplin und Konvergenz einfordern - das sind vor allem die Koordinierungsregeln, die Konvergenzindikatoren und die Ansätze zu Sanktionen im Falle mangelnder Konvergenzbereitschaft Ob die angebotenen Lösungen überzeugen, wie sie in den Mitgliedstaaten wirken oder gesehen werden und welche landesspezifischen Faktoren jeweils die Konvergenz erleichtern oder erschweren, war Gegenstand der Vorträge und Diskussionen dieser gemeinsamen Tagung des DIW und des Arbeitskreises Europäische Integration. Sie hatte sozusagen eine axiomatische Grundlage: Das Ziel der Währungsunion wurde im wesentlichen als gegeben angenommen. Dies implizierte die nach dem zweiten Dänen-Referendum und der britischen UnterhausDebatte nicht mehr allzu kühne Annahme, daß das Ratifizierungsverfahren in allen zwölf Mitgliedstaaten abgeschlossen werden würde. Auf dieser Grundlage wurde dann im Einführungsreferat empirisch, also aus historischer ebenso wie aus theoretischer Perspektive, ausgeleuchtet, welche Anforderungen sich daraus für die Konvergenzleistungen der Mitgliedstaaten ergeben. Für dieses übergreifende Referat konnte mit Niets Thygesen ein profunder Kenner der Materie gewonnen werden. Das anschließende Referat behandelte die politische Praxis der konkreten Ausformulierung der Konvergenzanforderungen. Andreas Kees hat als Generalsekretär des Währungsausschusses an den zahlreichen Diskussionen zwischen den Vertretern der Mitgliedstaaten und der zuständigen EG-Dienststellen teilgenommen. Wir haben es für sinnvoll erachtet, an dieser Stelle den konventionellen Programmaufbau durch Einschub eines Korreferates zu unterbrechen, um das Ergebnis des politischen Prozesses und dessen Rechtfertigung auf den Prüfstand der Theorie zu heben: Sind die Konvergenzimperative von Maastricht 8

sachgerecht, reichen sie vielleicht nicht aus oder sind sie, wie manche meinen, vielleicht sogar redundant formuliert? RolfH. Hasse, der diese Fragen aufgriff, ist zum Thema vielfach ausgewiesen. Es folgte im Programmablauf ein Block von eher länderbezogenen Referaten, von denen jedes freilich auch seine eigenen funktionalen Akzente setzt. Dies ist im Falle Italiens die Haushaltsproblematik, beim Thema Kohäsion sind Griechenland, Spanien, Portugal und Irland im Blickfeld, im Falle Großbritanniens durfte vermutet werden, daß David G. Mayes erläutern würde, wie sich britische Besonderheiten, etwa in der Sozialpolitik und der Frage nationaler Souveränitätsvorbehalte, auf die künftigen Währungsbeziehungen des Landes zur übrigen EG auswirken könnten. Im Falle Deutschlands erschien es wiederum angebracht, dem Referat ein Korreferat gegenüberzustellen. Denn einmal ist den Deutschen ihre so erfolgreiche D-Mark besonders ans Herz gewachsen, zum anderen kam mit Claus Köhler ein ehemaliger Repräsentant der Deutschen Bundesbank zum Vortrag, deren politische Handschrift große Teile des Währungskapitels im Maastrichter Vertrag tragen. Den Part des widerborstigen Korreferenten übernahm Reinhard Pohl vom DIW, Unterzeichner des "Aufrufs der 60 Professoren" und intimer Kenner ebenso wie engagierter Kommentator der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank. Im Länderblock konnten nicht alle Mitgliedstaaten mit ihren spezifischen Problemen berücksichtigt werden. So fehlt z.B. Frankreich. Dies mag damit gerechtfertigt werden, daß Frankreich seit Jahren keine sonderlichen Konvergenzprobleme hat. Es sollte freilich nicht dazu verleiten anzunehmen, daß es für die Perspektive einer Europäischen Währungsunion zweitrangig wäre, was gerade in der französischen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik geschieht. Es trug folglich sehr zur Abrundung der Tagung bei, daß mit Jean Pisani-Ferry ein Kenner der Probleme aus der Sicht seines Landes und Verfasser oder Mitverfasser einschlägiger Studien (u.a.: Ein Markt- eine Währung) anwesend war. 9

Er war insbesondere Vorsitzender einer Arbeitsgruppe des Commissariat General du Plan, die im Februar 1993 mit dem Positionspapier "A French Perspective on EMU" an die Öffentlichkeit getreten ist. Eine Kurzfassung dieses Berichts ist - mit freundlicher Genehmigung des CEPII - in diesen Band mit aufgenommen worden. Der letzte Teil des Programms war schließlich zwei konkreten Perspektiven gewidmet: Einmal zeichnet sich - vom Maastrichter Vertrag sanktioniert - ab, daß nicht alle Länder der Zwölfergemeinschaft zugleich in die dritte Stufe der Währungsunion werden eintreten können. Hans-Eckart Scharrer gab seine Einschätzung darüber, was dies einmal fiir den internen Zusammenhalt der EG, zum anderen fiir die Dynamik des Prozesses bedeuten wird. Auch gab dieses Referat Aufschlüsse darüber, ob der Maastrichter Vertrag den angemessenen institutionellen Rahmen fiir ein Konzept der abgestuften Integration bildet. Kurt W. Rothschild lotete abschließend die Probleme aus, die im Zusammenhang mit der wichtigen Frage auftreten, ob die Welt des Jahres sagen wir 1997 und vollends die des Jahres sagen wir 2005 noch die Welt von Maastricht sein kann: 1997 werden wohl Österreich, Schweden, Finnland und Norwegen Vollmitglieder der EG sein. Einige Jahre später könnte - trotz ablehnender Haltung zum Europäischen Wirtschaftsraum - auch die Schweiz dazugehören. Im Jahre 2005 könnte sich die Gemeinschaft um Länder aus Ostmitteleuropa und vielleicht auch um die Türkei erweitert haben. Vielleicht aber auch wird es sich bis dahin als unausweichlich erwiesen haben, daß ganz andere Formen der europäischen Zusammenarbeit als die Mitgliedschaft in einer "durchintegrierten Rechtsgemeinschaft" gefunden werden müssen, um der konkreten Probleme Herr zu werden und Europa zusammenzuhalten - was in einer offenen und demokratischen Gesellschaft nur möglich ist, wenn es vom Bürger getragen wird. Die Tagung fand zu einem Zeitpunkt statt, als zwar die aus fiinf realignmentfreien Jahren gespeiste Illusion, man habe im EWS bereits den Zustand einer Defacto-Währungsunion erreicht, längst in den Devisenmarktturbulenzen vom September 1992 untergegangen war. Aber es war noch nicht zur 10

Erweiterung der Bandbreiten im EWS von ± 2,25% auf± 15% gekommen, von der nur das Verhältnis zwischen D-Mark und niederländischem Gulden unberührt blieb. In diesem von den Märkten Anfang August 1993 erzwungenen Schritt ultimae rationis sehen die einen den überfälligen Befreiungsschlag, mit dem das EWS gerettet wurde, die anderen das endgültige Erwachen aus dem Traum von einer Europäischen Währungsunion. Kaum einer der Referenten hatte noch die Chance, bei den Nacharbeiten zu seinem Beitrag auf diese Ereignisse einzugehen. Es muß einer künftigen Tagung vorbehalten bleiben, darüber zu befinden, ob sie Maastricht grundsätzlich oder nur in bezug auf den Zeitplan fiir die dritte Stufe der Währungsunion oder gar nicht infrage stellen. Mit Bezug auf den Schlüsselbegriff dieses Tagungsbandes kann aber eines schonjetzt festgehalten werden: Die Konvergenz der Wirtschaftspolitik fällt nicht als reife Frucht vom Baum der bloßen Konvergenz fundamentaler Wirtschaftsdaten. Denn obwohl die französische Wirtschaftspolitik seit Jahren im Vergleich zur deutschen die größeren Stabilitätserfolge aufweist, hat gerade auch die Schwächetendenz des Franc zur De-facto-Suspendierung des EWS beigetragen. In dieser Lage wäre die fiir eine Aufrechterhaltung stabiler Wechselkurse nötige Konvergenz der Wirtschaftspolitik - hier speziell der Geldpolitik - nur unter Abstrichen von den wirtschaftspolitischen Zielvorgaben mindestens eines der EWS-Partner möglich gewesen: in Deutschland vom Ziel der Preisstabilisierung nach dem Verständnis der Bundesbank, in Frankreich vom Ziel der Konjunkturanregung durch Zinssenkung. Klar ist, daß dieser Konflikt auch unter den Bedingungen einer Währungsunion hätte ausgetragen werden müssen. Klar ist aber auch, daß er weniger scharf verlaufen wäre, weil das "Elefantengedächtnis" der Devisenmärkte (Tietmeyer) der französischen Kreditwirtschaft nicht einen Zinsmalus hätte anheften können. So gesehen ist es denkbar, daß mit dem scheinbaren Ende des EWS sogar die Weichen für eine "Währungsunion des harten Kerns" gestellt wurden. Fritz Franzmeyer 11

Editor's Foreword Many a word or at least its meaning remains unknown to most people until it is seized for a specific present-day issue and then undergoes a rapidly increasing usage. "Convergence" is such a word. The ordinary man just remembers it from his days of school mathematics, the specialist in addition from the "theory of convergence", i.e. of the unavoidable process of systemic concurrence of East and West - an hypothesis since disproved by history. It was in the context of European politics that the term "convergence" bad its hour. Here it first appeared in the debate over the Wemer Plan for the creation of an economic and currency union, and it was used in the samesense then as it is today. The main outcome of this debate and one ofthe few remnants ofthe Wemer Plan was the "Convergence Directive" of 1974, which was only modemized in 1990. The concept of convergence in European politics soon took on two different meanings. On the one hand the effects of the integration process on the structure and Ievel of deve/opment of the economies concemed became a subject of concem: is the effect of a single market and a currency union convergence or divergence of structures and Ievels? Behind this question is the theory that only countries with a relatively high degree of homogeneity are capable of establishing a currency union. On the other hand, there was - and still is - the process political con- or divergence. Both are of course connected in a complex, interrelated way: structures and macroeconomic strength determine economic policy room for manoeuvre, and economic policy intluences macroeconomic performance. But both are partly autonomous and/or dependent on third factors and can therefore tend towards negative developments independently of each other. Consequently, it seems that the Maastricht Treaty offers not only instruments which aim at structural improvements, structural convergence and macroeconomic growth - i.e. technology, industrial and cohesion policies - but also those which independently require process political discipline and 12

convergence - especially the coordination rules, the convergence indicators and the resort to sanctions in the case of a Iack of willingness to converge. Whether the solutions affered are convincing, their effects and how they are viewed in member states and which factors specific to certain countries make convergence easier or more difficult was the subject of the lectures and discussions at this joint conference of the DIW and the Warking Party on European Integration (Arbeitskreis Europäische Integration, AEI). lt had so to speak an axiomatic basis: the aim of currency unionwas basically taken as given. After the second Danish referendum and the debate in the British House of Commons this implied the no Ionger all too bald assumption that the process of ratification would be completed in all twelve member countries. On this basis it was then shown empirically in the introductory paper, both from a historical as weil as a theoretical perspective, what was required of member states in terms of convergence action . For this comprehensive paper we had Niels Thygesen, who has a profound knowledge of the subject. The following paper deals with the political practice ofthe formulation of the convergence requirements. Andreas Kees, as former Secretary of the Currency Committee, took part in the numerous discussions between representatives of the member states and the relevant EC departments. We thought it a good idea to break with the conventional programme structure here by including a supplementary lecture to put the result of the political process and its justification to the test: are the convergence requirements for Maastricht appropriate, are they perhaps insufficient or are they, as some think, perhaps even redundant? Ralf H. Hasse, who played the rote of the critic here, has been associated with the subject many times. The next part of the programme contains a group of papers dealing more with specific countries, each admittedly setting its own functional 13

ernphasis. In the case ofltaly this is the budgetprob lern, on the subject of cohesion Greece, Spain, Portugal and Ireland corne under the spotlight, and in the case of the United Kingdorn it could be assurned that David G Mayes would explain what kind of effects British peculiarities, such as in social policy and on the question of the retention of national sovereignty, could have on the future currency relations ofhis country with the rest of the EC. In the case of Germany it again seerned appropriate to have a second speaker countering the paper. Firstly, the German people have grown particularly fond of the successful deutschrnark, and secondly the paper was presented by Claus Köhler, a form er representative of the German Bundesbank, the political handwriting of which supports large parts of the currency chapter in the Maastricht Treaty. The roJe of the discussant with the different opinion was played by Reinhard Pohl, a signatory of the "60 professors' appeal" who has an intirnate knowledge and is a critical observer of the rnonetary policy of the Bundesbank. Not all rnernber states and their specific problerns could be dealt with within this section. France, for exarnple, is excluded. This rnay be justified by the fact that France has had no particular convergence problerns for years, but this should not Iead us to believe that current events in the French econorny and econornic policy are only of secondary irnportance for the prospects of a European currency union. The attendance at the conference was therefore cornpleted with the presence of Jean Pisani-Ferry, who knows the problerns frorn his country's point of view and has written or co-written relevant studies (including One rnarket, one rnoney). He was in particular the chairman of a working group of the Cornrnissariat generat du Plan, which was in the public eye in February 1993 with its position paper "A French Perspective on EMU" . With the kind permission of the CEPII a surnrnary of this paper is included in this book.

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The final part of the programme was devoted to two major prospects. Firstly, according to the Maastricht Treaty, it has become apparent that not all Community countrieswill be immediately able to enter the third stage of currency union. Hans-Eckart Scharrer gave his assessment of the significance of this for the dynamics of the process. This paper also discussed whether the Maastricht Treaty sets up the appropriate institutional framework for a concept of integration in stages. Finally, Kurt W. Rothschild got to the bottom of the problems which are linked with the important questions of whether the world in, say, 1997, and especially in, say, 2005, can still be the world of Maastricht. In 1997 Austria, Sweden, Finland and Norway will probably be full members of the EC . Some years later even Switzerland, despite rejecting the European Economic Area, could join. By the year 2005 the Community may have been extended to include countries in eastern Central Europe and perhaps also Turkey. lt might, however, prove inevitable by then that completely different forms of European cooperation than that of an integrated legal community will have to be found in order to get the major problems under control and keep Europe together - which in an open and democratic society is only possible if it is supported by its citizens. The conference took place at a time when the illusion that five realignment-free years meant that a de facto currency union had already been achieved in the EMS had long since disappeared with the turbulence on the foreign exchanges of September 1992. However, the currency bands had not yet been increased from ± 2.25% to ± 15%, whereby only the relationship between the deutschmark and the Dutch guilder remained unchanged. This last resort measure, which was forced by the markets at the beginning of August 1993, is seen by some as the overdue move to freedom which saved the EMS, whereas others see it as the final awakening from the dream of a European currency union. Hardly any ofthe speakers have yet had the opportunity to bring their contributions up to date by including these events. It will have to be left to another conference to decide whether they bring 15

the whole of Maastricht or just the timescale for the third stage of currency union into question, or whether they do not bring it into question at all. With respect to the key term of this conference book one thing is, however, already certain: convergence of economic policy does not come about through mere convergence of basic economic data. Although in France economic policy has shown greater success at stability than in Germany for years, the weakening of the franc contributed to the de facto suspension of the EMS. In this situation the convergence of economic policy - here especially monetary policy necessary to maintain stable exchange rates would only have been possible if the economic policy objectives of at least one of the EMS partners had been reduced: in Germany the aim of price stability as understood by the Bundesbank and in France the aim of stimulating the economy through reducing interest rates. lt is clear that this conflict would have had to be dealt with under the conditions of a currency union as weil. However, it is also clear that it would have been less serious, because the foreign exchange markets' "elephant-like memory" (Tietmeyer) would not have imposed an additional interest charge on debtors of loans denominated in French francs. Seen in this way it is conceivable that with the apparent end of the EMS the stage is even set for a "hard-core currency union". Fritz Franzmeyer

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The theoretical and empirical relationship between economic policy and exchange rates: The key problern in EC monetary integration since Den Haag By Niels Thygesen *

I.

4.

Introduction Main events in monetary integration since I969 EMU in the Maastricht Treaty and the convergence requirements Concluding comments

1.

Introduction

2. 3.

The somewhat elaborate title given to me by the organizers correctly focuses on the key problern in monetary integration in the European Community. What is the appropriate balance between economic policy coordination and the exchangerate regime? More specifically, what are the minimum requirements of domestic economic policy to sustain whatever type of exchangerate arrangements the European Community (EC) has moved through since the end of the 1960s? This question can be said to have preoccupied EC policy makers since the late 1960s, when a currency crisis between the Deutsche Mark (DM) and the French franc of 1968-69 first came to the surface. This debate has been revived recently by the considerable loosening of the European Monetary System (EMS) which occurred at the end of July 1993.

* This paper draws heavily on joint work with Daniel Gros at CEPS, notably our own book European Monetary Integration: From the EMS to EMU, Longman, 1992. 17

The present paper is largely historical. lt traces in the second section some of the main events and strategies in European monetary integration since the meeting of heads of state and govemment in Den Haag in December 1969. The third section of the paper Iooks at the recent discussion surrounding the Maastricht Treaty on Economic and Monetary Union (EMU) with special emphasis on the so-called convergence requirements for countries that wish to join the final stage of EMU. The final section contains some tentative conclusions.

2.

Main events in monetary integration since 1969

At the end of the 1960s the Community had completed a customs union ahead of schedule and had established a Common Agricultural Policy. It seemed time for a move ahead. The events in Francein May 1968 had led to a wage explosion in France forcing the French authorities to devalue in 1969 and to reinforce capital controls. Continuing German extemal surpluses had led to a revaluation of the DM. There were- for the firsttime in the 1960s- indications that the economies of the EC were starting to diverge. However, in most respects the macroeconomic performance of each of the economies of the six original Member States was still rather similar. When the Summit in December 1969 in Den Haag re-affirmed the wish to move forward to EMU while opening the Community to new members - the early example of deepening and widening at the same time - the goal of EMU must still have seemed quite feasible. The initiative came primarily from then German Chancellor Willy Brandt. He suggested that over an initial phase EC Member States should jointly formulate medium-term objectives for the participants and aim to harmonize short-term policies. In a second phase a monetary union of permanently fixed exchange rates could then be achieved. In this phase Germany would be prepared to transfer part of its international foreign exchange reserves to a common European institution. In contrast, the proposals of France at Den Haag stressed 18

early creation of a system of balance of payments support for EC Member States and the formation of a uniform policy with respect to third currencies (notably the dollar). Despite the different starting points sufficient agreementwas achieved to commission a major study by a group of high-ranking national and EC officials. In October 1970 this group, working under the chailmanship of Pierre Wemer, then Prime Minister of Luxembourg, produced a report outlining how EMU could be reached in two stages by 1980 1• The Wemer Report was remarkably specific with respect to the final objective of EMU to be reached within a decade of the setting of this ambitious objective. Monetary union was to imply "the total and irreversible convertibility of currencies, the elimination of tluctuations in exchange rates, the irrevocable fixing of parity rates, and the complete liberalization of movements of capital". This could be accompanied by the maintenance of national monetary symbols or by the establishment of a sole Community currency, though the report did voice some preference for the latter. There was only a brief reference to the necessary institutional framework in the Wemer Report. An EC system for the centrat banks, based on the analogy of the US Federal Reserve System, would be established to conduct jointly the principal elements of internal monetary policy and exchange rate policy, vis-a-vis the dollar. The report, in contrast to present efforts to define an institutional structure of EMU and, particularly, of the European System of Centrat Banks, was rather vague as to how the centrat monetary authority wou ld be constituted and what its relationship to the political authorities would be. The Wemer Report was more prescriptive on the other hand with respect to joint monetary policies outside the monetary area. lt foresaw

1

Wemer, 1970. 19

the need for "a center of decision for economic policy", politically accountable to the European Parliament, to exercise a decisive influence over EC economic policy, including national budgetary policies. Quoting from page 12 of the Wemer Report: "The essential features of the whole of the public budgets, and in particular variations in their volume, the size of balances and the methods of financing them or utilizing them, will be decided at the Community Ievel; regional structural policies will no Ionger be exclusively within the jurisdiction of the Member countries; the systematic and continuous consultation between the social partners will be ensured at the Community Ievel." Comparing this formulation with recent discussions of EMU one may note above all that the Wemer report did not admit the principle of subsidiarity according to which decisions should be left as much as possible to national political authorities. At the same time the report adopted a favourable attitude to incomes policy as an instrument to underpin EMU. There was obviously little confidence that purely decentralized wage negotiations, even when disciplined by the framework of a monetary union, would develop in parallel. Although the Wemer Report in other respects put considerable emphasis on market-related policies - the free movement of goods, services, people and capital - it also stressed that a high degree of mobility would have to be supplemented by public financial transfers to avoid regional and structural disequilibria. Read in the perspective of today's discussion of EMU two important differences of emphasis stand out, in addition to the relative neglect of institutional features 20

and procedures. The Wemer Report paid less attention to the achievement of convergence and low inflation, probably because initial divergence in these respects among the prospective participants was far less visible than in the early l990s, though such divergence was in retrospect eminent when the report appeared. The Wemer Report was in cantrast concemed about the Iongerrun risk of divergence in economic performance and policies; hence it made more radically constraining proposals to put into place an EC authority over budgetary policies and it even foresaw, as already noted, some scope for a joint income policy. These differences in emphasis and ambition closely reflect the very different view of how econom ies work and interact with each other which prevailed 20 years ago. The price Ievel was seen as moving only sluggishly with wage negotiations and cost push playing central roles in its evolution. Extemal imbalances were attributed primarily to differences in the stance of national demand management policies, in particular public budgets; hence the need to centralize authority over them. In the early I 970s restrictions on capital movements were still in place in all countries and policy makers realized only gradually and much later that capital flows might provoke large currency adjustments even when the fundamentals did not seem to warrant any exchange rate adjustment. Some further camparisans with recent approaches to EMU and to the transition towards full monetary union will be made below. Radical as it was in its prescriptions of full EMU, the Wemer Report was nevertheless and somewhat surprisingly endorsed at the political Ievel and the ECOFIN Council embarked, with an important resolution on the attainment of EMU by stages in March I 97 I, on the first of the stages designed to be completed by the end of I 973, i.e. over a threeyear period. The objective of EMU in its demanding version was also endorsed by the heads of states and govemments of the original six members and the three new entrants (Oenmark, Ireland and the United Kingdom) in Paris in October 1972. The ease with which these commitments were entered into may have been due to two inter-related 21

features of the whole approach which were quickly perceived in the public debate. The first was a softness of the constraints in the first two stages towards EMU which relied entirely on procedures for prior consultation on, and voluntary coordination of national economic policies. National decisions were increasingly to be taken in the light of EC guidelines and to be monitored by EC bodies, but there were no sanctions envisaged for non-compliance. Transfer of authority was not only postponed to the final stage; there were no mechanisms or market related incentives to give momentum to the process. The second main feature was the apparently successful reconciliation achieved by the Wemer Report of the so-called "economist" and "monetarist" approaches to European integration which bad already been evident in the conflicting German and French proposals in Den Haag of 1969. The former position was represented primarily by Germany and the Netherlands. lt argued that irrevocable fixing of exchange rates and centralization of monetary authorities could only come at the end of a long period of voluntary coordination and convergent performance and that it had to be underpinned by important transfers of budgetary authorities towards the centre. Much later this approach was also Iabeiied the coronation approach to monetary unification. The monetarist view was advanced primarily by France, Belgium and Italy. It underlined the potential driving roJe of advanced monetary integration. Full EMU would enforce coordination of other policies so that no special prior commitments bad to be taken. By adopting an intermediate position between these two extremes and by stressing the need for parallel progress in the monetary and nonmonetary areas the Wemer Report achieved a compromise which seemed superficially acceptable to both sides of this debate, to be resumed in the Delors Report 19 years later. In the Wemer Report and in the follow-up to it attention was focused more on what might constitute a balanced package of policies in the final stages than on parallelism over the whole process leading towards EMU. In this 22

process monetary integration and ever tighter exchange rate management received the prime attention. These vaguenesses and the insufficient attention to the process of integration have been more thoroughly analysed in Bear and PadoaSchioppa (1989) and by Mortensen (1990). These vaguenesses were not at the centre of the early discussion of the Werner Report, and the efforts of implementing the proposals for the first stage suffered accordingly. The Werner Report was never implemented, although the objective of EMU was unanimously endorsed by ECOFIN in March 1971 and on subsequent occasions. Basically the Council did not accept the need to create new institutions outside the existing framework and therefore implicitly did not see the need for a modification of the Treaty of Rome. The outright rejection of the notion of a "centre of decision of economic policy" was not really surprising since, at least from today' s point of view, EMU does not require the degree of centralization of fiscal policy which was outlined in the Werner Report. The emphasis has shifted remarkab1y today, when efforts have been concentrated on the Containment of divergence in national budgetary policies. The failure to see the need for a common monetary institution was not mere1y compatible with the stated aim of going towards monetary union but at the time exchange rates were still thought to be in the domain of the International Monetary Fund. The Bretton Woods System had after alt allowed the Community to attain almost fully fixed exchange rates between 1958 and 1969 among the original six EC Member States without any common monetary institution. The main reason for the failure of the Werner Report may therefore have been the implicit reliance on the Bretton Woods System which was collapsing just as the first stage in the Werner Report was supposed to have been implemented in 1973. Moreover, the exchange rate stability of the earlier days had been achieved in an environment which did not imply that important domestic policy targets had to be 23

sacrificed. Inflation and unemployment were both low so that neither fiscal nor monetary policy had to be used aggressively to correct major disequilibria. Moreover, in the 1960s capital mobility was still low, which gave domestic monetary policy some leeway at least in the short to the medium run. As a blueprint for achieving EMU the Wemer Report failed. Nevertheless, some of the mechanisms it had proposed for the participants were set up shortly after publication of the Report. The joint currency arrangement for the Member States started in April 1972, the so-called "snake", which was a joint policy of the EC Member States vis-a-vis the US dollar. The EC also apparently put in place some fairly firm decision-making power at the centrallevel over non-monetary policies. However, both these steps must be regarded in retrospect as partial failures. The Wemer Report had outlined in considerable detail the desirability and mechanics of narrowing the bilateral fluctuation margins between the EC currencies. The core of the Bretton Woods System was the parities declared to the IMF for currencies in terms of the (gold value of) the US dollar and the associated margins of fluctuation within which national policies undertook to maintain their currencies. The system implied that the bilateral (or cross) rates between any two European currencies could move by twice the declared fluctuation margin vis-a-vis the dollar, namely if the two currencies switched position relative to the dollar. This may not have mattered greatly when the margin was as low as 0.75%, though even that degree of flexibility preoccupied the authors ofthe Wemer Report. They saw the greater predictability of the dollar than of intra-European exchange rates as creating an inherent bias in favour of use of the dollar as a contracting unit and a store of value to European-based firms and national institutions. Hence the Report proposed that the bilateral fluctuation margins between the EC currencies be narrowed and subsequently gradually eliminated. Since this was one of the few specific suggestions for progressing by stages towards EMU, it was 24

generally welcomed as an indication of progress in monetary integration. Incidentally there is a close analogy to the reasoning in the Wemer Report in the recent debate. The Delors Report on EMU and some govemments proposed a narrowing of the margins of fluctuation in the EMS in the transition to EMU. However, this idea did not win favour in the Intergovemmental Conference preparing the Maastricht Treaty. The Wemer Committee constituted a special exchange rate subgroup presided over by the Govemor of the Bank of Belgium; in the report of this group a more radical option of eliminating completely the margins of fluctuation was discussed. However, the subgroup recommended against it because "suppression of the margins can only be contemplated at an advanced stage of the process of the economic and monetary unification". The first steps to narrow the margins were to have been implemented in 1971 but had to be given up when the Dutch and German authorities allowed their currencies to float temporarily only six weeks after the adoption of the ECOFIN resolution on EMU. The two govemments had originally preferred a joint float of the European currencies against the dollar. But, according to the account of Emminger ( 1976), France and Italy were reluctant to accept this initiative in view of the perceived underlying strength of the DM. Whether a narrowing of margins of fluctuation inside the EC would in fact have been implemented without further changes in the global system remains unclear, but the so-called Smithsonian Agreement of December 1971 which tripled the margins of fluctuation vis-a-vis the dollar to 2.25%, increased the urgency of creating a tighter intra-EC mechanism. Otherwise any two EC currencies could move by up to I 0% against each other. Such a degree of flexibility was perceived to be incompatible with the functioning of the Common Market and the Common Agricultural Policy in particular. In order to put the EC currencies on a par with the dollar the six Member States soon agreed 25

to halve the margins of fluctuation to 4.5% (± 2.25%) and they put this agreement into operation only four months after the Smithsonian Agreement. Three of the prospective members which had then signed up to join the EC on the 1st of January 1973 - Denmark and the United Kingdom, with Ireland as part of the UK currency area - also joined and the fourth, Norway, followed within one month. There was, given the experience of 1969-71, compelling logic in the degree of flexibility required by the global system, but also in the need for the EC Member States to lean backwards rather than accept passively the implications of this increased global flexibility. The German revaluation of 1969 and the continued speculative inflows into the DM had made it clear that narrow fluctuation margins might induce destabilizing behaviour as capital mobility increased. With the narrow margins ofthe Bretton Woods System, speculators expecting a further DM revaluation were faced with two comfortable prospects: either a validation of their expectation of a gain from a jump in the exchange rates, or a small risk of loss due to the downward movement within the margins. Many observers, e.g. Williamson (1977), have attributed the breakdown of the Bretton Wood System primarily to the presence of such one-sided bets for speculators. Widening the fluctuation margins was a first line of defence by creating more exchange rate risk. But floating became the responsenot much later when it appeared that the realignment ofthe Smithsonian Agreement had been too timid to save the global system of fixed rates. For the Member States of the EC in which capital mobility was lower and the ambition was to constrain rather than to encourage the use of the exchange rate as a policy instrument relative to the preceding period, the case for more regional differentiation towards a tighter regime seemed obvious in 1971-72. Even the German govemment implicitly accepted that view when it introduced in July 1972 some controls on capital inflows in some conflict with its generally liberal ideology. In fact, then Finance Minister Karl Schiller resigned over this issue. 26

But the cohesion did not materialize, as the snake's history of 6~ years shows. Within six weeks of the launehing of the snake sterling had to be set free to float (still with the Irish punt tied to it) after a short foreign exchange crisis which pushed sterling rapidly to the lower intervention point and left opinion in the United Kingdom with serious permanent doubts about the viability of fixed but adjustable rates systems. The Italian Iira left the snake in February 1973 . Bothof these defections occurred before the floating of the dollar in March 1973 at which time the snake became a generally joint float for the participants. After two early revaluations of the DM in the snake the system remained very stable for the next three years. However, the French authorities feit obliged to withdraw the French franc from the snake in March 1974, but France retumed to the arrangement in .July 1975 at the previous central rate. The relative exchange rate stability in the mid-1970s was surprising in view of the Iarge differentials in intlation and the generat rise in the average European intlation rate. But by 1976 the intlation in several European countries, though particularly in those that did not participate in the snake, caused massive shifts in currency relationships. The Italian Iira and the pound sterling which had both become subject to intlation rates of about 20% annually as against the 10-12% observed in most intlationary countries in the snake, plunged further in the exchange market than even their worsening relative inflation would have justified. The danger of a vicious circle ofprices and exchange rates became very visible. Capital tlows out of the weaker currencies became substantial in FebruaryMarch 1976, despite the tight restrictions maintained outside tlows at the time. The French authorities, having themselves embarked on more expansionary fiscal policies in the autumn of 1976 as recession deepened - the "relance Chirac" - found the pressure unsustainable in March and the franc was once again set free to tloat. Smaller nonGerman snake participants also experienced !arge outtlows in the spring and again from August Bundesbank interventions in their favour

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rose sharply. There was mounting political criticism in Germany of importing inflation in the German election campaign of October 1976. Between October 1976 and the end of the snake arrangement in late 1978 a number of realignments took place. The Scandinavian currencies, two of them only associated members of the snake, were particularly active in seeking realignments since they bad experienced the sharpest real appreciation in the 1973-76 period of relative nominal exchangerate stability. The three Scandinavian currencies devalued by nearly 20% over the period of 1976-78, and the Swedish krona left the snake to peg - over a period of 14 years - to a basket of all of its trading partners' currencies. In terms of competitiveness indicators the effects of the devaluations were small since inflation persisted at a higher rate than in Germany. In these terms a devaluation of the Danish krone was only slightly more than was required to keep overall competitiveness stable. Norway and Sweden did achieve 10-12% improvements in competitiveness on most measures. By contrast, the Benelux countries in this period continued to pursue their hard currency policy; all experienced modest real appreciation. It may be argued that the snake developed from excessive rigidity of

exchange rates in the earlier part of its existence, notably 1973-76, to a fairly permissive attitude over its final years. During this latter period the arrangement operated as a liberal version of the Bretton Woods System in its final years. Unilateral requests for realignments of individual currencies remained unchallenged in 1976-78. Nevertheless, the final years of the snake did succeed in putting moderate use of exchange rate changes as an instrument of macroeconomic adjustment back on the policy agenda, hence avoiding the two extremes of either regarding exchange rates as untouchable, because their stability was part of a fixed rate orthodoxy, or as market-determined. On the whole the period of the snake marked a low point in European monetary integration. Writing in 1975, a committee of independent experts, including several members of the Wemer Group and chaired 28

by fonner EC Commission Vice President Robert Marjolin, was asked to review the prospects for achieving EMU by 1980 as had been proposed in the Werner Report. The Marjolin Group put their conclusion very bluntly2: "Europe is no nearer to EMU than in 1969. In fact, if there has been any movement it has been backward. The Europe of the 1960s represented a relatively harmonious economic and monetary entity which was undone in the course of recent years; national economic and monetary policies have never in 25 years been more discordant, more divergent, than they are today." The Marjolin Group attributed this "failure" - a word which appears frequently in their report - to three principal factors: unfavourable events in the global economy, the Iack of political will to face difficult circumstances together and insufficient analysis at the Ievel of national governments to appreciate what would be required in tenns of pooling authority to achieve EMU. The report saw the events of the first half of the 1970s as a clear refutation of the optimistic view that European unity in the economic and monetary area could come about almost imperceptibly in a series of small steps and it wondered "ifwhat may be tequired in order to create the conditions for EMU is not, perhaps on the contrary, a radical and almost instantaneous transfonnation, coming about certainly after long discussions, forgetting rise at the precise point of time to the European political institutions".

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Marjolin et al., 1975. 29

Regarding such a radical approach · as unlikely for the foreseeable future, the Marjolin Report turned to discussing a number of more specific steps to deal with the macroeconomic imbalances in the monetary disarray. A decade later the main author ofthe report prided hirnself that the report, though not having attracted much attention at the time, "had its effect. There was no more talk of the EMU" 3 • This assessment may in retrospect appear too negative. Some useful habits and moves were created in the snake which proved to be extendable to other EC countries in the EMS and hence serve as a first step in the resumption of progress towards EMU in the late 1980s. The other area apart from exchange rate coordination to which considerable attention was devoted in the early years after the completion ofthe Werner Report was policy coordination. The starting pointwas two decisions taken by the ECOFIN Council on March 22, 1971 . As regards monetary policy the Committee of Centrat Bank Governors was asked to establish generat guidelines, to be followed by each Member State, for the trend of bank liquidity, the terms of supply of credit, and the Ievel of interest rates. This, however, provides little evidence that policy coordination extended beyond the day-to-day consultations in the foreign exchange market. The Committee of Governors did establish a committee of alternates and expert groups to monitor exchange market developments and trends in national money supplies and their main determinants. lt also set up jointly with the EC Monetary Committee a working group on harmonization of monetary policy instruments to follow up the demanding decision of March 1971 . No published record of this work is available, except for the series of meticulous surveys done by individual centrat banks in the early 1970s on monetary policy instruments and on the circumstances

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Marjolin, 1989.

in which they had typically been used. Money supply projections continued to be prepared nationally, and although there was a gradual and impressive increase in the exchange of information about domestic aspects of monetary policy, the delegation of analytical work to national authorities made it difficult to challenge the interpretation by each of its own policies. By allowing discussion to proceed predominantly on the information volunteered- for current issues often only orally - by each interested centrat bank, the EC monetary coordination procedures fostered an attitude of defensiveness among national policy makers. The Commission, through its two members of the Monetary Committee and its observers in the Committee of Govemors, was not in a position to challenge national representatives because its roJe as an initiator and as an arbiter was less developed in the monetary area than in other fields. The staff of the two main committees themselves was deliberately kept to the minimum required for preparing the more formal aspect of meetings and careful minutes. It was inadequate for underpinning the initiatives that active chairmanship ofthe committees could have produced. lt is in reality only with the analytical capacity now available in the Secretariat of the Committee of Govemors since the start of stage I of the recent moves towards EMU that this special handicap has been addressed. A couple of examples may suffice to illustrate the general point that coordination efforts of monetary policy were weak in the 1970s. The consultation reports to the IMF and the OECD Economic Surveys of individual countries contained more detailed analyses of policies in the EC countries than documents prepared for the EC's own institutional machinery. When the Monetary Committee had to review Italian monetary policy in 1976/77 in order to assess possible use of the EC medium-term credit facilities, the best available source of information was the findings of the IMF mission, which had prepared for Italy's Letter of Intent to the IMF, rather than any analysis prepared by the Commission or the secretariats of the two main committees or by the EC 31

national authorities. And when the Monetary Cornrnittee, alrnost a year and a half after the introduction of the central bank rnoney targets in Germany, finally discussed this developrnent of the greatest irnportance for rnonetary coordination efforts in the EC, the basiswas information, largely oral, supplied by the German authorities. Superficially the arnbitions for coordination looked better in the budgetary area. Detailed procedures for the exarnination of the econornic situation in the EC and the adoption of guidelines for public budgets by the ECOFIN Council (on three occasions during the year) bad been agreed in March 1971. The heavy ernphasis on rnandatory coordination ofbudgetary policies reflected the arnbition ofthe Wemer Report to rnove far in the direction of centralizing authority in the final stage of EMU and the prevailing view at the time that flexible use of budgetary policy was the essential and reliable tool of stabilization policy. As noted by Mortensen (1990) this ernphasis and confidence was inspired by the recornrnendation of a rnajor OECD study on the role of budgetary policy in dernand rnanagernent4 • This line of parentage cornes through even more clearly in the Comrnission's view of April 1973 on progress made in the first stage of the Wemer approach to EMU and in the decision adopted by the ECOFIN in February 1974 "on the attainrnent of a high degree of convergence of the economic policies of the Mernber States". The adoption of this decision, together with a directive on stability, growth, and full employment and a major simplification of the committee structure for monitoring monetary convergence and coordination indicates that both the Council and the Commission bad retained their belief in the need for exercising joint and discretionary authority over the stabilization function of national budgetary policy. But this affirmation carne in the aftermath of the first oil price shock

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Heller et al., I 968.

when disagreements over the effect of policy and the prescriptions to follow were widening rapidly. The elaborate procedures for coordination and consultation were not implemented among the snake participants any more than in the EC as a whole. The machinery survived, but not any substantive content. Hence it was obvious by 1990 that the 1974 decision was a prime candidate for revision of the EC machinery as part of preparing for the first stage in the recent move towards EMU. To summarize the experience of the years prior to 1979 neither exchange rate coordination nor convergence of policies or performances was working. The snake suffered from a sharp reduction in its membership; although the DM was clearly completely dominant in the remaining system the cohesion of the currencies could not be maintained in the face of violent swings in currencies outside the EC - or inside but floating individually. Budgetary coordination turned out to be even more of a failure. Policies were wildly divergent at times in the 1970s and no substantial effort was developed to live up to the possible courses of action which had been opened up by the directive of 1971 and again in 1974. No coherent view as to how to manage a system where countries had different exchange rate n!gimes was developed. The authority to guide budgetary policy from the centrat Ievel was in principle there, but it was conceived in a faulty way and never reached the stage of political implementation because of the potentially strong infringement of national sovereignty which would have been implied. lt is therefore not surprising that as currencies nevertheless did stabilize and as economies appeared to be converging again rather than diverging no serious effort was made to construct a more solid monetary integration process than had existed with the snake. There were several cautious precursors to the EMS effort. Offleials were working in a perceptive way with the problern of reintegrating the floating currencies in the snake as early as 1976. Thoughts had 33

been developed as early as 1974 as to how European exchange rate cooperation could be made more symmetrical than in fact was the case in a bilateral grid. In the latter system, although intervention obligations may be symmetrical for currencies at the top or at the floor of the margins, in reality the reserve constraint will impinge much more heavily on the country experiencing an outflow than an inflow will restrain the behaviour of a surplus country. Finally the then Commission President, Roy Jenkins, had proposed already in 1977 a relaunch of the EMU project, but combined with a system of fiscal transfers within the Community to make EMU more robust in the face of differential developments. The proposals of Roy Jenkins in this respect were in turn based on the so-called McDougall Report (1977) which did not attract much attention at the time, but recently has become subject to intensive reinterpretation and updating in the light of the present plan for EMU. Jenkins never obtained support for the second part of his plan - the fiscal transfers - but he no doubt helped to prepare the ground for the initiative taken the by the two EMS founders, President Giscard d'Estaing of France and Chancellor Helmut Schmidt of Germany in the narrower monetary area. lt is still a subject of some controversy what exactly inspired the EMS, in addition to the obvious intention to stop EC Member States from diverging in the way which had been experienced in the mid 1970s. An essential motive was no doubt the wish to become more independent of the United States. This constraint was imposed in particular on Germany as the main economy in Europe and rapid depreciation of the dollar between 1976 and I 978 created a fear in the heart of many Germans- and certainly in the Chancellor's- that the DM would rise to uncompetitive Ievels and tend tobring about recession in Germany. There were no doubt also purely political motives, such as offering Italy a firm anchoring into European cooperative mechanisms in a period of political instability. The EMS was negotiated in the course of 1978 and put into operation in March 1979. All Member States at the time joined the EMS with 34

the exception of the United Kingdom. The UK's scepticism was born out of primarily two factors: (1) EMS was seen as dominated by Gennany, and Iinking the pound sterling to the DM would according to the then prevailing views have implied a considerable appreciation of sterling. A second argument made against joining the EMS was that sterling's particular status as a so-called petro-currency would make stabilization of its exchange rate very difficult. Neither of these arguments Iooks particularly persuasive in today's context although they may have had some legitimacy in the late 1970s. The EMS got off to an uncertain start. During the first four years of its existence- from March 1979 to March 1983- seven realignments took place. The systemwas subject to a number ofviolent shocks from the outside world, notably in the form ofthe second oil price shock of 1979-80 and the remarkable volatility of the dollar in 1979/80 and its subsequent sharp appreciation in the period from early 1981 . But also within the EC policies were far from parallel. The election in France of President Mitterand in 1981 brought a substantial change in policy in the direction of more expansionary budgetary policies and labour market refonns which accelerated the rate of wage inflation . In any case the EMS, loose as it was, did not impose particular obvious constraints on domestic policies. The most remarkable aspect in this early turbulent phase of the EMS was the judicious use of realignments. On average it may appear in retrospect that countries got approximate accommodation for the excess inflation they had relative to the lowest inflation country (Germany). In fact only France came out with this particular result; the highest intlation countries (Ireland and ltaly) did not get full accommodation of their inflation, while Belgium and Denmark which both had particular difficult structural problems of external deficits did achieve more than full accommodation and improved their competitiveness significantly. lt was also remarkable that realignments did tend to become genuinely joint decisions. This became particular visible with the Danish and Belgian devaluations of February 1982 and in the final 35

large realignment of the French franc in this period. The ECOFIN Council also made a valiant effort to combine realignments with the guidelines for major policy changes at home. In retrospect some measure of budgetary coordination was achieved towards the end of this first phase. Belgium and Denmark embarked on remarkable budgetary corrections, and France established the presumption that the public sector deficit should not be allowed to rise beyond 3% of GDP, a norm subsequently incorporated in the Maastricht Treaty. The cost of the relatively lax exchange rate regime in this early period was, however, that inflation rates did not converge. By common understanding the EMS only tumed itself into a mechanism for putting more emphasis on achieving low inflation from March 1983. Over the next four years up to January 1987 there were only four realignments, and only two of them generat ones. Inflation convergence did improve significantly, although the low-inflation countriesalso improved their performance; the German inflation rate measured by consumer prices feil to zero in the course of 1986 when energy prices helperl to squeeze out inflation in a number of countries. At the same time budgetary corrections continued not only in France, Denmark, Ireland and Belgium, but also in Germany. Relatively slow growth in most of the EC countries made this budgetary correction painful. Nevertheless, this period of the mid-1980s may have given an optimistic bias to the views contained in the Maastricht Treaty that budgetary convergence could be pursued at all times at modest costs. The international economy was showing signs of increasing health as the 1980s progressed; a US upswing began early in 1983, helping to pull the European economies along. The sharp decline in the price of imported energy in 1986 gave further room to the European economies to expand in a non-inflationary environment. Towards the end of this rather successful second period of disinflation and discipline the EC did experience a foretaste of more recent events. 36

In late 1986 the continued fall of the dollar triggered tensions inside the EMS. As so often before when the dollarwas weak, the DM was strong inside the EMS . Tensions mounted in December 1986 as a result of a temporary political crisis and nationwide strikes in France and the franc became difficult to sustain inside the EMS tluctuation margins. In January 1987 it was agreed to have a modest realignment of 3%, with the DM and Dutch guilder in the strong group and the others in the weak group. However, the impression remained that this final realignment in the second period had been supertluous, since it was not warranted in terms of underlying economic fundamentals. The need to realign could be attributed solely to the pressure from capital tlows into the EMS countries resulting from the weakness of the dollar. Hence this experience triggered preparations for a revision of EMS which could make realignments not only rare, but supertluous. Without having planned for it explicitly, the EMS entered a period of no realignments which stretched from January 1987 to September 1992. This period was in many respects the most successful in the EMS experience. Above alt capital tlows were liberalized following a decision in the ECOFIN Council in June 1988. The full removal of capital controls had long been regarded as a condition by Gennany and the Netherlands for considering moves towards a full monetary union. With the June 1988 decision Germany and the Netherlands could no Ionger object to this issue being put firmly on the agenda. At the same time steps had been taken in September 1987 to make the EMS more robust in the face of speculative attacks of the type experienced in January 1987. The so-called Baste-Nyborg Agreement of September 1987 foresaw that three types of short-term defensive mechanism should be sufficient to defend existing parities: tluctuations inside the margins (which should be used more fully), interventions (with increasing reliance on intra-marginal interventions), and coordinated changes in short-term interest rates. Only in cases where these three short-term defensive mechanisms appeared tobe unsatisfactory should a realignment be resorted to. It was an implicit premise in 37

the Baste-Nyborg Agreement that in such cases realignments should be small, at most corresponding to the width of fluctuation margins, since such a policy makes it possible to preserve continuity in exchange rates around realignments. The Basle-Nyborg Agreement was soon put to the test; shortly after the crash in the US and other stock markets in October 1987 the dollar fell, giving rise to new tensions in the EMS. These were successfully encounteced by a mixture of the three differential steps outlined. Particularly impressive was the ability of the German and French authorities to change their interest rates in opposite directions at the same time in early November 1987. The EMS indeed appeared to have become more robust in the face of external shocks, including large capital movements. The stage was set for further steps in monetary integration.

3.

EMU in the Maastricht Treaty and the convergence requirements

Soon after the decision in ECOFIN to remove all remaining capital controls according to a fixed timetable the issue of monetary union was put on the agenda in the European Council meeting in Hanover in the same month. That meeting gave a committee, consisting largely of centrat bank governors and chaired by the President of the EC Commission, a mandate to study how economic and monetary union could be prepared in stages. The so-called Delors Committee reported in April 19895, and gave an outline of full EMU somewhat similar to the perception in the Werner Report of 1970. Some differences in approach have already been outlined above. Most important for the purposes of the present paper is the difference in the prescriptions for convergence and budgetary policy.

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See Committee for the Study of EMU, 1989.

Whereas the Wemer Report had focused on the need to coordinate budgetary policies tightly among the Member States by centralized decisions, the Delors Report made no similar plea. Instead it focused on the need to contain significant divergence in national budgetary policies. A binding upper Iimit for public sector deficits was to be the main element as regards budgetary policies. No particular figure was suggested and the strong statement on a mandatory rule was softened by the proviso that individual circumstances of Member States could be taken into account. One may summarize the position of the Delors Report by saying that it foresaw no willingness to centralize budgetary policy either by giving the Council of Ministers authority to set firm guidelines for national actions or by enlarging the EC budget in any major way. In the circumstances the overall budgetary stance in the Community would still be determined by the aggregate effect of national budgetary policies. However, starting at very different Ievels of deficits (and debts) there was a need to reduce "excessive deficits" to a more moderate Ievel before leaving fuller budgetary autonomy to the individual Member State. Once such freedom of manoeuvre had been achieved at a national Ievel, budgetary autonomy could be restored. lt was seen as desirable for countries to maintain some freedom in this area in view of the elimination of monetary and exchange rate policies as an instrument of stabilization. The recommendations in the Delors Report on convergence and budgetary policies were tightened in the course of the subsequent official negotiations. Many economists asked with some amazement whether explicit rules on budgetary policies were at all necessary, sincc the permanent locking of exchange rates and the introduction of a single currency would remove the risk of irresponsible policies in the form of excessive debt issues. But at the official Ievel the opposite view that a monetary union would, at least in the short term, have the effect of easing financial constraints on govemment borrowing won the day. As a participant in a full monetary union a country would find it easier to borrow in international financial markets at roughly unchanged interest rates than it had in the looser framework of the 39

EMS, where doubts as to its exchange rates would arise from time to time and Iead to corrective movements in its domestic interest rate. Financial markets were also seen as unlikely to sanction countries which borrowed excessively, because markets might assumethat other Member States in the EC would in the end bail out the country in difficulties. Given the absence of these constraints which had Operated in the past the drafters of the Maastricht Treaty insisted on imposing tight entry requirements to full monetary union. The Maastricht Treaty contains a number of convergence requirements. Two of them are in the budgetary area: the public sector deficit should be contained to 3% of GDP, and the Ievel of public debt relative to GDP to 60%. These somewhat arbitrary figures were designed to reduce the risk that debt accumulation would get out of hand. Taken literally they would exclude full monetary union for a very long time. lt is important therefore that both of these requirements contain significant qualifications. A country may still be judged not to have an excessive deficit if its deficit is close to 3%, departing from this reference value only temporarily and generally declining. The debt ratio of 60%, which happens to correspond approximately to the average Ievel of public debt in the Community at the time of drafting the Treaty is guarded by even more elaborate qualifications. Here the main emphasis is on the ability of countries to approach the reference value continuously and at a satisfactory pace. lt can be argued - as indeed has often been the case since the Treaty was formulated - that the debt criterion is both superfluous and excessively tough. lt is superfluous in the sensethat a deficit of around 3% will stabilize the public debt ratio in the long term and hence in itself assure that there will be no explosion of debt. lt is excessively tough if taken literally, since three countries started their convergence process with debts which exceeded their respective GDPs; Belgium currently tops the Iist with a public debt of 128% of GDP, while the ltalian public debt is approaching this Ievel.

40

lt is surprising that the drafters of the Treaty did not take into account the distinction common in much economic analysis of budgetary policies between structural and cyclical deficits. This may be explained by the fact that the Maastricht Treaty was drafted at a time when the economic outlook for the Member States was still fairly optimistic. Furthermore, the drafters of the Treaty wanted to avoid reliance on criteria which required elaborate economic interpretation; if necessary, any interpretation should be made at the political Ievel, while firmly based in the reference values. But the fact that the Community entered a deep recession while the Treaty was being drafted has given an air ofunreality to the budgetary consolidation requirements. All Community countries have experienced a major widening of their public sector deficits, as their GDPs stagnated or fell in the years following 1991. lt would have required superhuman efforts to maintain budget deficits at a Ievel of 3% or even to keep them constant, and in fact the EC has reluctantly tolerated a widening of the average deficit, currently to about 6%. There remains a curious Iack of attention in the EC to the composition of the deficit as between structural and cyclical elements up to the present time. More attention should be focused on the structural components which have not shown any clear tendency towards widening in recent years. The three other requirements for convergence in the Treaty alt relate to nominal variables. To qualify for the final stage of EMU a country should have an intlation rate (expressed in terms of consumer prices) of no more than I Y2 percentage points above the average of the three best performers. A prospective candidate should furthermore have a long-term bond rate of no more than 2 percentage points above the same Iew-inflation group. Finally, to be ready to merge a currency into the future single currency that currency should have been managed within the normal bands of the EMS over a period of at least two years without tensions prior to the start of the final stage. These criteria appear in principle unobjectionable, but the precise numerical values chosen are arbitrary. lt is necessary to insist on 41

considerable convergence of inflation, because otherwise low-inflation countries entering the union would be obliged to conduct tougher policies than their national circumstances warrant after the union has started. The requirement that long-term bond rates must have similarly converged is also reasonable, because these rates are not subject to monetary management in the short-term and reflect more than anything Ionger-term inflationary expectations and hence the credibility of a country's participation in EMU. Finally, it may be assumed that a country which has successfully managed its currency in the EMS for a while will be better qualified than others to enter the final stage of monetary union. Some doubts remain, however, with respect to this final criterion. If a country has gradually built up a misaligned price Ievel with a stable nominal exchange rate successful management of the latter cannot assure that the rate can be maintained for ever. The two-year Iimit may also have contributed to uncertainty in the exchange market, since a country which foresaw the need to realign prior to entering the final stage would go for such a realignment earlier rather than later; hence the existence of this provision may have triggered more expectations of devaluations in the course of 1992-94, given the fact that the Treaty established late 1996 as the earliest date for an effort to start the final stage. The combination of fairly tough convergence requirements with a firm timetable for EMU are the two original elements in the Maastricht Treaty. One may argue indefinitely whether the precise numerical values chosen in the convergence requirements are appropriate or not, but the basic philosophy seems sound. National budgetary positions cannot be too far apart if tensions in the union are to be avoided and if each Member State is to preserve some freedom in offsetting shocks that hit its economy differently from the economies of partner countries. But there is a defect in the Maastricht Treaty to the extent that it underplays the need for more coordination of budgetary policies apart from the containment of strongly divergent behaviour. 42

The Community in itself appears to have come around to this view over the past year under pressure from the current deep recession. The ECOFIN Council, the European Council and the EC Commission have all been struggling with the concept of concerted action to soften the impact of recession. A so-called growth package was proposed at the Edinburgh Economic Council in December 1992, giving some emphasis to the acceleration of public investment projects in the Member States. Such an acceleration would not necessarily undennine the long-term budgetary stability of Member States, but would only redistribute investment over time. lt became obvious, however, when concrete proposals had to be made that countries were presenting projects that had already been adopted nationally. The presentation of a growth package in these circumstances became largely cosmetic. A major study has subsequently been undertaken by the EC Commission to analyse the sources of the presently high unemployment and the Iack of competitiveness in the European economies; the report will be presented at the European Council in Brussels in December 1993. No doubt this report will admit more openly than in the past that the budgetary convergence requirements have limited relevance because of their crudeness in the present recessionary situation. The German budgetary deficit and the significant imbalance in German macroeconomic policy which followed the unification ofGermany has been a particularly difficult problern for the participants in the EMS and for the convergence process towards Maastricht. The long inflationary aftermath of the unification made it desirable and understandable for the Bundesbank to maintain a relatively tight monetary stance, although this has not prevented the German long-term interest rate from falling, presently to a historically low Ievei of only 2% in real terms. However, more determined action to finance thc increase in budgetary expenditures due to massive transfers to the former German Democratic Republic would have been desirable; the aggregate German deficit has now risen to some 6-7% of total German GDP. The need for Germany to maintain higher interest rates than other countries where inflationary problems have presently subsided 43

gave a new interpretation to German leadership in the EMS. In the "best" years of the EMS in the mid and late 1980s Germany was accepted as a Ieader in the EMS because other countries tried to copy her excellent non-inflationary performance. In the present more symmetrical EMS leadership falls to the country that has the need to conduct the tightest monetary policy, provided there is no doubt about the strength of that currency relative to others in the system. High German interest rates have attracted substantial flows from other countries in the system, at times depleting their foreign exchange reserves and boosting the German money supply in contrast to the Bundesbank's efforts to maintain the growth rate of the money stock within a fairly narrow range. Both Germany and the countries experiencing outflows tried to protect their domestic financial markets against the effects of these extemal flows. However, the more successful Countries are at sterilizing their interventions in foreign exchange markets, the more the need for such intervention is perpetuated. It may have been a source of pride to the Bundesbank that they were able to sterilize about 90% of the large intervention they undertook in the currency crisis of September 1992, but this success was not a source of congratulations in the EMS. In fact, it made the system unsustainable. The currency crisis in the EMS in September 1992 obviously had other sources than the tension between diverging monetary policies. According to the best empirical sturlies yet available6 , some EMS countries had also developed overvalued currencies, notably the Italian Iira, but possibly also the Spanish peseta and sterling. Some other European currencies which had pegged unilaterally to the ECU also experienced cumulative overvaluation in the early 1990s (Finland and Sweden).

6

44

See Eichengreen and Wyplosz, 1993.

When the currency crises hit large adjustments took place, certainly in excess of what most economists and market observers had estimated as the degrees of overvaluation. The Iira, sterling and the peseta fell by 15-20% relative to the DM. This imposed a severe burden on those countries that remained in the system, even though their internal competitive relationships were not obviously out of line. There are two types of mistake one can make in an exchange rate system . The first is to try to defend rates that are becoming clearly out of line. This mistake was arguably made in 1992 since support was only withdrawn in the final stages, resulting in subsequent very !arge adjustments. The second type of mistake is to fail to defend exchange rate relationships which are perfectly defendable in terms of economic fundamentals. lt is noteworthy that both a Group of Ten Deputies' study of the crisis of 1992 and Eichengreen and Wyplosz ( 1993) found little imbalance among the currencies that remained in the EMS . But policy makers became so scared of their mistake on the first point in 1992 that they have insufficient will to avoid the second m istake in 1993. The EMS has always been a system which aimed at emphasizing the fundamental determinants of exchange rates and then tried to defend those rates that were defendable. From this perspective the break-up of the EMS in the summer of 1993 was a very significant failure. Instead of trying the defensive mechanisms out fully, as had been done for example in the crisis of November 1987 with interest rates moving in opposite directions in Germany and other EMS countries, the political authorities gave in to exchange market pressures. In the present EMS with bands of ± 15% it is not obvious that all of the basic convergence provisions can be maintained . If the system had functioned weil a natural response to the !arge movements in currencies would have been as follows: countries that have devalued substantially will be asked to bring about budgetary consolidation more rapidly than foreseen in the convergence requirements, because these currencies now benefit from the boost of demand from an improvement of their competitiveness. Conversely, countries 45

that have appreciated in real terms should be given to understand that they can allow their significant deficit to increase without meeting any criticism from their EC partners. There are few signs that any such attitudes are coming to the fore among the EMS countries, although Denmark and France have since used whatever room for budgetary expansion they had left. But the United Kingdom which depreciated her currency massively has also increased her budgetary deficit. In the present highly uneven circumstances of Member States one loss of the exchange rate crises has been any logical cohesion between the exchange rate regime and domestic policy adjustment. The only small consolation one may find in the dramatic widening of margins is that this provision removes the potential instability inherent in the two-year rule for managing a currency inside the "normal" margins before joining EMU. The normal margins are now those of ±I 5% and it is hard to imagine that anything looser than that will be required. Even if these wide bands are maintained nothing will prevent countries participating in the band from going to the final stage of EMU. Buttheimpediments for such a step coming from the budgetary requirements have indeed become more serious.

4.

Concluding comments

Very different solutions to the central problern posed in the title ofthis paper have been proposed at different tim es of the history of European economic and monetary integration. Policy makers have struggled since the end of the 1960s with the problern of determining what is required of domestic policies to underpin whatever exchange rate systemwas desired among the Member States. The Wemer Report of 1970 saw fuii centralization of authority over budgetary policies as a necessary companion to the permanent locking of exchange rates, but its proposals were not implemented. Indeed, the decisions of I 974 to institute stronger authority in the ECOFIN Council were never used, because they were over-ambitious and reflected an excessively optimistic view of the use of fiscal policy. With the outline of EMU 46

in the Delors Report 19 years later the need to centralize budgetary authority was not put in the front line, because it was regarded as politically unrealistic but also because it was seen as economically unnecessary. Instead the Maastricht Treaty focused on rules to contain excessive budgetary deficits, i.e. strongly divergent behaviour by individual Member States. If such rules were observed Member States could indeed be left with substantial budgetary autonomy to offset their loss of other policy instruments in the monetary and exchange rate field. It is arguably an important defect of the Maastricht Treaty that this concern with the containment of divergent behaviour led to an underestimation of the positive contribution that budgetary policy coordination can make to harmonious developments in the overall performance of the EC. The Maastricht Treaty itself was a careful compromise between the original economist and monetarist viewpoints. The economists aimed at strong convergence requirements while the monetarists won their point that a firm timetable was essential for offering incentives to Member States to get ready for taking the final stage and guidance for expectations in financial markets. On the surface of things, and as pointed out in the German debate, the principles of firm entry requirements and a fixed timetable may seem contradictory, because one cannot be sure that Member States will be ready at a pre-set date to meet all requirements. lf so, the Maastricht Treaty foresees that a limited number of countries, i.e. not necessarily a majority, could go ahead to the final stage of EMU. That, however, can be met with the objection that it is an uncertain commitment since one does not know in advance who will be ready on I January 1999. The happiest solution would clearly be for a substantial majority ofthe EC Membcr States to enter the final stage at the same time. At present - because of the break-up of the EMS and the impact of the recession on budget deficits - this remains a doubtful proposition.

47

References Baer, G. and Padoa-Schioppa, T. (1989), "The Wemer Report Revisited", in: Collection ofPapers annexed to Report on Economic and Monetary Union (the Delors Report). Committee for the Study of Economic and Monetary Union (1989), Report on Economic and Monetary Union in the European Community (the Delors Report), Office of Publications of the European Community, Luxembourg. Eichengreen, B. and Wyplosz, C. (1993), The Unstable EMS, CEPR Discussion Paper No. 817, Centre for Economic Policy Research, London. Emminger, 0 . (1976), "Deutsche Geld- und Währungspolitik im Spannungsfeld zwischen innerem und äußerem Gleichgewicht (1948-75)", in: Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft in Deutschland 1975-6, Frankfurt am Main. Gros, D. and Thygesen, N. (1992), European Monetary Integration: From the EMS to EMU, Longman, London. Heller, W., Goedhart, C., Guindey, G., Haller, H., van Houtte, J., Lindbeck, A., Sayers, R. and Steve, S. (1968), Fiscal Policy for a Balanced Economy: Experience, Problems and prospects, OECD, Paris. Marjolin, R. et al. (1975), Report of the Study Group Economic and Monetary Union 1980, (the Marjolin Report), Commission of the European Communities, Brussels. (The Marjolin group was composed, like the EC Commission, of seventeen members. They were: Louis Camu (Belgium), Isi Foighel and Niels Thygesen (Denmark), Herbert Giersch and Heinz Markmann (Germany), Bemard Clappier and Robert Marjolin (France), Patrick Lynch (Ireland), Franeo Bobba and Francesco Forte (ltaly), Georg Brouwers (Netherlands), Donald McDougall and Andrew Shonfield (United Kingdom). 48

Marjolin, R. (1989), Architect of European Unity, Memoirs 1911-86, Weidenfeld and Nicholson, London (translated from Le travail d'une vie, Editions Robert Laffont, Paris, 1986, by William Hall). Mortensen, J. (1990), "Federalism vs. co-ordination: macroeconomic policy in the European Community", Centre for European Policy Studies, CEPS Paper, 47, Brussels. Williamson, J. (1977), The Failure of World Monetary Reform, Nelson, London.

49

Diskussion

zum Referat von Niels Thygesen Berichterstatter: Joachim Volz Im Mittelpunkt der Diskussion standen Fragen zur Wirkungsweise des Europäischen Währungssystems, insbesondere zu den Problemen, die sich während und nach der Krise des Systems im Herbst 1992 ergaben. So wurde etwa die These vertreten, diese Krise sei vor allem deswegen so scharf ausgefallen, weil es keine Restriktionen für Kapitalbewegungen mehr gebe (Giaß). Dieser Meinung widersprach Thygesen entschieden: Im Gegenteil, sowohl Spanien als auch Irland hätten sich der Schutzklausel (Art.73 EWG-Vertrag) bedient, um die Wechselkursentwicklung im Griff zu behalten. Wichtig sei es, die Spekulation als solche von den "fundamentals" zu unterscheiden, um das richtige Gefühl für Interventionsmöglichkeiten zu entwickeln. Die Frage, wie diese Unterscheidung zu treffen sei (Roth), müsse aber letztlich der Markt entscheiden. Spekulation basiere vor allem auf Zukunftserwartungen. Von Franzmeyer kam der Hinweis, daß das EWS bis zum Herbst 1992 relativ lange de facto annähernd eine Währungsunion gewesen sei, dies allerdings in einer Zeit, die in Europa noch durch eine verhältnismäßig gute Wirtschaftsentwicklung geprägt war. Ist somit das EWS nur ein Schönwettersystem, das zudem in starkem Maße von der deutschen Zinspolitik abhängt (Scharrer)? Dies sei, so der Referent, zwar richtig. Es habe aber einerseits einen - auch von ihm selber freilich nicht in seiner vollen Brisanz erkannten - aufgestauten Anpassungsbedarf gegeben, andererseits seien Sonderfaktoren, wie vor allem die deutsche Vereinigung mit ihren äußerst gravierenden ökonomischen Folgen, nicht voraussehbar gewesen. Ein anderer Fragenkreis beschäftigte sich mit den speziellen Problemen einiger Länder hinsichtlich der Wirtschafts- und Währungsunion. Wieweit seien etwa die Sonderkonditionen für Dänemark ein Problem oder 50

auch ein Präzedenzfall fiir die zukünftige Entwicklung und Erweiterung der Gemeinschaft (Rothschild)? Reichen die Abwertungen seit dem Herbst aus, oder glaubt man, jetzt wieder eine "beggar my neighbour"-Politik führen zu können? Auch die Einschätzung der letzten Währungskrise habe sich in manchen Ländern gewandelt. Der bitteren damaligen Klage Großbritanniens über die "unfaire" Bundesbank, die das Pfund nicht - wie den französischen Franc - nachhaltig genug gestützt habe, steht heute aus denselben Regierungskreisen die Interpretation gegenüber, daß das - bewußte - Ausscheren des britischen Pfundes aus dem Währungssystem und damit die Ermöglichung einer lockereren Geldpolitik den wirtschaftlichen Aufschwung erst ermöglicht habe (Volz). Abschließend gab es einige Fragen zum Zusammenhang von Wechselkursstabilität, Währungsrisiko und Erreichbarkeit der Konvergenzziele. Pisani-Ferry stellte die Forderung auf, Wechselkursstabi Iität müsse zum "public good" werden, entscheidend sei, welche Botschaft an den Markt ginge. Dieser Forderung wurde von Glaß widersprochen : Man solle das Währungsrisiko aus Effizienzgründen dem Markt überlassen. Die Frage, ob es vielleicht zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion auch ohne Deutschland kommen könne, wenn nämlich Deutschland die Konvergenzkriterien nicht erfüllt (Weise), wurde vom Referenten mit dem Hinweis beantwortet, entscheidend sei die Entwicklung in den Jahren 1995/96. Vieles spreche dafiir, daß bis dahin manche Probleme entschärft sein könnten. Allerdings - so das abschließende Votum Thygesens- sei eine neuerliche Kumulation von Problemen mit entsprechendem Anpassungsbedarf im EWS nicht auszuschließen. Hinsichtlich der Konvergenzkriterien werde es wohl zumindest erforderlich sein, das Kriterium "Verschuldungsquote" zu entschärfen. Ebenso könne es hilfreich sein, zum rechtzeitigen Erkennen möglicher Störungen im Währungssystem Frühwarnindikatoren zu entwickeln.

51

Die Konvergenzkriterien als wirtschaftspolitische Imperative des Maastricht-Vertrages Von Andreas Kees 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11 . 12.

1.

Konvergenz - Kernaufgabe der Wirtschaftsunion Umfassende Koordinierung durch Überwachung Konvergenzprogramme legen die Wirtschaftspolitik auf die Erfordernisse des Maastricht-Vertrages fest Konvergenzkriterien - ein über die Koordinierung hinausfUhrender Weg zur Einhaltung wirtschaftspolitischer Ziele Relativer Bezug des Preiskriteriums -aber eingebunden in die Grundziele des Vertrags Imperative mit gleicher Zielsetzung - aber deutliche Unterschiede Konvergenzkriterien verbinden Quantität und Qualität im spezifizierenden Maß. Das Beurteilungsverfahren ist Teil ihrer normativen Gestaltung Haushaltspolitische Kriterien ohne deflationären Drall Die nachgeordnete Gesetzgebung darf nicht zur Schwächung der Kriterien fUhren Kriterien und institutioneller Wettbewerb begünstigen eine Koordinierung mit höherem Gemeinschaftsgehalt Das Gewicht der Konvergenzkriterien in der Logik des Maastricht-Ansatzes Appell zur stabilitätsgerechten Anwendung der Konvergenzkriterien

Konvergenz - Kernaufgabe der Wirtschaftsunion

Die Zuständigkeit fiir die Wirtschaftspolitik bleibt in der Wirtschaftsunion weitgehend in den Händen der Mitgliedstaaten. Wirtschaftspolitischer Kompaß des Maastricht-Vertrags sind Koordinierung und die Konvergenzkriterien. Eine dauerhafte Konvergenz und das Vermeiden von schwerwiegenden Fehlern werden auf drei Wegen angestrebt: 52

über die regelmäßige Überwachung der Wirtschaftspolitik im Rat der Finanz- und Wirtschaftsminister; über nationale Konvergenzprogramme, die auf Gemeinschaftsebene bewertet werden; über das Wirken der Konvergenzkriterien des Artikel I 09j. Die beiden ersten Wege fiihren traditionelle Koordinierungsansätze fort. Regelmäßig werden gemeinsame Vorausschätzungen erstellt und ein Meinungsaustausch über die wirtschaftspolitischen Absichten und Notwendigkeiten gefiihrt. Koordinierung soll zur gegenseitigen Annäherung der Auffassungen und zu gleichgerichteten Aktionen führen. Dennoch leidet sie manchmal daran, daß gute Absichten nicht erfüllt und harte wirtschaftspolitische Entscheidungen zu spät getroffen werden. Integrationspolitisch fiihren die Konvergenzkriterien einen Schritt weiter als die Koordinierung. Sie sind wirtschaftspolitische Imperative des Vertrags. Für die Haushaltsdisziplin begründen sie eine begrenzte Übertragung von Souveränität auf die Gemeinschaft. Bei Nichtbeachtung oder Fehlverhalten lösen sie ein Beurteilungsverfahren der Gemeinschaft aus, durch das das betreffende Land in die Pflicht der Gemeinschaft genommen wird. Zur Korrektur des Fehlverhaltens ist eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die im Extremfall auch Sanktionen der Gemeinschaft einschließen können. Im übrigen sollte allein die Existenzder Kriterien frühzeitig ein korrigierendes Verhalten der Märkte veranlassen. In den Währungsunruhen seit dem zweiten Halbjahr 1992 hat das bereits die Wirtschaftspolitik in Frage gestellt. Die Koordinierung erhielt ihren Niederschlag vor allem im Artikel I 03 des Vertrags. Er ist die logische Weiterentwicklung dessen, was in der ersten Konvergenzentscheidung des Rats aus dem Jahre 1974 angelegt worden war. Diese ging ihrerseits aus den Bemühungen des WemerPians Anfang der siebziger Jahre hervor. Im Jahre 1990, kurz vor Beginn der ersten Stufe der WWU, wurde sie durch eine neue Konvergenzentscheidung des Rats abgelöst. Bis zum In krafttreten des Vertrags von Maastricht war diese Konvergenzentscheidung die einzige Rechtsgrundlage der WWU. Auch danach bleibt sie richtungweisend. 53

2.

Umfassende Koordinierung durch Überwachung

Einer der Hauptwege zur Erzielung dauerhafter Konvergenz der Wirtschaftsleistungen ist das Verfahren zur Überwachung der Wirtschaftspolitik. Gegenwärtig findet zweimal pro Jahr im Rat eine allgemeine Überwachung statt. Jeweils im Juli und im Januar werden die Kernprobleme der Gemeinschaft von den Ministern im Rat in offener Weise behandelt. Als wirtschaftspolitische Problemeinfiihrung dienen zwei miteinander konkurrierende Berichte: der eine vorgetragen vom zuständigen Mitglied der Kommission, der andere vom Vorsitzenden des Währungsausschusses. Beide Berichte spiegeln die vorbereitenden Arbeiten im Währungsausschuß wider. Mit der Überwachung wird angestrebt, die gemeinsamen wirtschaftspolitischen Ziele zu verwirklichen, was in der Regel unterschiedliche Maßnahmen erfordert. Unvereinbarkeiten in der Orientierung der Wirtschaftspolitik sollen in ihr möglichst früh erkannt werden. Wie in allen Fällen der Koordinierung bleibt die Verantwortung fiir die Wirtschaftspolitik in den Händen der Mitgliedstaaten. Die Überwachung kann und sollte alJe maßgebenden Felder der Wirtschaftspolitik einbeziehen. Fragen der Strukturpolitik können ebenso Vorrang erlangen wie institutionelle Hemmnisse, die das wirtschaftspolitische Entscheidungsverfahren beeinträchtigen: beispielsweise eine stabilitätsgefahrdende Ausgabenautomatik von Haushaltsverfahren wie im FalJe Italiens. Das Überwachungsverfahren stößt in einer Gemeinschaft von 12 Mitgliedstaaten gelegentlich an Grenzen. Vor alJem muß der Versuchung entgegengewirkt werden, die einfachere, länderweise Betrachtung zu fUhren. Niemals dürfen länderübergreifende Probleme vernachlässigt werden. Der Erfolg liegt in der Offenheit der Debatte, insbesondere in dem Mut der Gemeinschaftsgremien, potentielle Probleme aufzuzeigen und überzeugende Lösungen anzubieten.

54

3.

Konvergenzprogramme legen die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten auf die Erfordernisse des Maastricht-Vertrages fest

Artikel 109e Absatz 2 sieht die Vorlage von Konvergenzprogrammen vor. Die Idee wurde im Währungsausschuß entwickelt. Schon seit längerer Zeit ließ der Ausschuß fiir "Problemländer" gesonderte Pro· gramme anfertigen. Das Kommunique des Europäischen Rats vom Oktober 1990 1 verlangte, fiir den Übergang zur Stufe zwei eine Konvergenzsicherung einzubauen. Dies erwies sich als äußerst schwierig. Als Ersatz wurde die Idee der Konvergenzprogramme aufgegriffen. Schon in einem Bericht des Währungsausschusses vom Juli 1990 zur Wirtschafts- und Währungsunion nach Vollendun·g der ersten Stufe2 war diese Lösung angeklungen. Unter Ziffer 52 wurde festgestellt, daß "nach Auffassung einiger Mitglieder der Übergang zur Stufe 2 fiir ein Mitgliedsland, das gewisse Konvergenzkriterien nicht erfüllt, auch dann in Erwägung gezogen werden kann, wenn es ein stringentes Anpassungsprogramm durchgeführt und in der Ausführung hat. Das Programm müßte die berechtigte Aussicht eröffnen, die Erfordernisse der folgenden Stufe voll zu erfüllen." Entstehungsgeschichtlich wurzeln die Konvergenzprogramme deshalb in der Stufe eins und fanden ihren Platz im Vertrag im Kapitel der Übergangsbestimmungen. Konvergenzprogramme sind aber auch für die späteren Stufen notwendig. Bisher haben fast alle Länder Programme vorgelegt. Sie erstrecken sich, wie die Überwachung, auf den gesamten Bereich der Wirtschaftspolitik und über einen mehrjährigen Zeitraum. Erwünscht sind eingebaute Alternativszenarien, in denen eventuell notwendig werdende, zusätzliche Maßnahmen aufgezeigt werden. Kernziel ist es,

1

Europäischer Rat, 1990.

2

Währungsausschuß der EG, 1990, S. 26.

55

Eckwerte der Wirtschaftspolitik fiir überschaubare und kontrollierbare Planungszeiträume nach den Erfordernissen des Maastricht-Vertrages festzulegen. Auf diese Weise sollen der Wirtschaftspolitik und den Märkten richtungweisende Vorgaben vermittelt werden. Da die Programme regelmäßig überprüft werden können, eröffiten sie der Gemeinschaft die wiederholte Einflußnahme auf das Verhalten der Träger von Wirtschaftspolitik. Noch ist es zu früh, diesen Ansatz zu bewerten. Noch sind einige der Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. In der Aufstellung, vor allem aber in der Wiedervorlage und in den Folgearbeiten sind Verbesserungen notwendig. Auch ist noch ungeklärt, wie ihre vertrauliche Innenwirkung mit der nicht weniger wichtigen Außenwirkung verknüpft werden kann. Konvergenzprogramme sollten auf alle Fälle auch zur Beeinflussung der Öffentlichkeit genutzt werden. Bislang geschah das nur in einigen Ländern oder in der Zusammenarbeit mit einigen Parlamenten. Ihre Behandlung im Europäischen Parlament steht vorerst noch in den Anfängen.

4.

Konvergenzkriterien - ein über die Koordinierung hinausrührender Weg zur Einhaltung wirtschaftspolitischer Ziele

Die Verfasser des Vertrags von Maastricht hätten sich an sich darauf beschränken können, in den Vertrag lediglich die wirtschaftspolitischen Ziele und Ordnungsprinzipien einzubauen. Das war naheliegender, denn die Aufnahme von konkreten Kriterien wurde von vielen als problematisch betrachtet. Einige sahen in ihnen Indikatoren, die allenfalls ex post analytische Berechtigung haben. Andere wiederum forderten nominale Konvergenzkriterien nur im Zusammenwirken mit realen Kriterien. Noch heute wird den Konvergenzkriterien des Vertrags eine normative Wirkung deshalb abgesprochen, weil sie nur über ein Beurteilungsverfahren wirksam werden. Das fiihre zur politischen Relativierung und mache Kriterien überflüssig. Natürlich sind Konvergenzkriterien ohne Ex-post-Werte nicht erstellbar. Sie müssen auf ihnen fußen. Ihre Konstruktion besteht darin, daß sie diese Werte 56

normativ verwandeln und damit das künftige Verhalten beeinflussen. Reale Konvergenzkriterien würden einer anderen Zielsetzung folgen , doch ist ftir sie nominale Konvergenz Voraussetzung. Im übrigen hätten zuvor noch andere normative Kriterien Vorrang gehabt: beispielsweise die Beeinflussung der Lohnentwicklung, die fl.ir die Stabilität der zu schaffenden Währung nicht minder wichtig ist als die finanzpolitische Konvergenz. Die Tatsache, daß die Lohnpolitik in mehreren Ländern nicht direkt von der Regierung beeinflußt wird, verschloß diesen Weg. Die Konvergenzkriterien sind eine der interessantesten Neuerungen des Vertrags von Maastricht. Zahlenmäßig definierte Kriterien erhalten erstmalig Verfassungscharakter und fuhren zur wirtschaftspolitischen Mindestverpflichtung der Mitgliedstaaten fl.ir den Eintritt in die Stufe drei und ftir ein konvergenzgerechtes Verhalten vor und nach dem Eintritt. Für einige der Kriterien erhält die Gemeinschaft ihrerseits die Möglichkeit, im Falle schwerwiegender Fehler im Zuge eines Beurteilungsverfahrens korrigierend einzuwirken. Im Bereich der öffentlichen Finanzen, in dem die Souveränität generell bei den Nationalstaaten verbleibt, waren diese verständlicherweise nur bereit, der Union zur Sicherung der monetären Stabilität sehr eng umgrenzte Kompetenzen zu übertragen. Subsidiarität muß aber in beiden Richtungen wirken können. Sie verlangt, daß die Gemeinschaft bei ökonomischer Regelverletzung korrigierend handeln kann.

5.

Relativer Bezug des Preiskriteriums - aber eingebunden in die Grundziele des Vertrags

Alle Kriterien beziehen sich auf die nominale Konvergenz. Sie drängen auf eine schrittweise Annäherung an die Gruppe der Mitgliedstaaten mit den günstigsten Ergebnissen. Der relative Bezug des Preiskriteriums könnte den Anschein erwecken, als sei er nicht hinreichend definiert. Das Kriterium zur Preisstabilität ist nicht - wie an sich erwünscht - an eine Rate von 1-2% geknüpft, sondern an die Best57

Ieistung von höchstens drei Mitgliedstaaten. Kein Gremium der Gemeinschaft konnte bislang in offizieller Weise eine absolute Definition für die Preisstabilität geben. Auch die Jahresberichte des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten schweigen sich in dieser Frage aus. Der relative Bezug dieses Kriteriums könnte den Anschein erwecken, als sei Konvergenz bei einer Bestleistung von 4% erfüllungsgerecht Die Kriterien dürfen aber nicht von den Grundsätzen des Unionsvertrages gelöst werden . Artikel 2 der Grundsätze des Vertrags bestimmt als "Aufgabe der Gemeinschaft ... ein nichtinflationäres ... Wachstum ... ". Eine Preissteigerung von 4% kann keineswegs als nichtinflationär bezeichnet werden. Sie erfordert vor Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion entsprechende Anstrengungen und Erfolge in der Stabi Iisierung.

6.

Imperative mit gleicher Zielsetzung - aber deutliche Unterschiede

Für die Wirkungsweise der Konvergenzkriterien sind mehrere Unterschiede von Bedeutung: erstens Unterschiede des Ursprungs, insbesondere der Anknüpfung an die jeweiligen ökonomischen Bezugsgrößen. Zweitens Unterschiede in der Funktion, die ihnen der Vertrag zuordnet. Hier geht es vor allem um die Frage, ob und wie sie ihre Rolle als Eintrittskriterium der Stufe drei erfüllen. Drittens, und eng damit zusammenhängend, Unterschiede in der Anwendungsdauer für die Mitgliedsländer im Prozeß der von Stufe zu Stufe fortschreitenden Integration. Was den Ursprung betrifft, so ist das Konvergenzkriterium zur Preisstabilität von dem führenden Endziel der Wirtschaftspolitik abgeleitet. Das gibt ihm eine herausragende Bedeutung. Die beiden haushaltspolitischen Kriterien knüpfen an Zwischenziele an. Die Teilnahme am Wechselkursmechanismus des EWS erfaßt indirekt die Zahlungsbilanz und mißt die Durchhaltekraft der auf eigene Initiative eingegangenen wirtschaftspolitischen Verpflichtungen und ihre Glaubwürdigkeit 58

gegenüber den Märkten. Das Kriterium der Zinspolitik erfaßt weitgehend noch die Einschätzung der Konvergenz durch die Märkte. Alle Kriterien tragen im Vertrag auch der Dauerhaftigkeit Rechnung. In ihrer Funktion sind alle Konvergenzkriterien nach der Logik des Vertrages so angelegt, daß sie bei de~ Beschlußfassung über den Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion maßgebend sind. Hier liegt ihre Hauptaufgabe. Artikel 109j (1) mit seinen vier Spiegelstrichen bringt das ebenso zum Ausdruck wie das diesem Artikel beigeordnete Protokoll des Vertrags. Es wäre aber verkürzt, die Konvergenzkriterien nur für die Beobachtungsperiode vor Eintritt in die dritte Stufe als relevant anzusehen. Stärker als die formale Unumkehrbarkeit und die Terminzwänge des Vertrags beeinflussen bereits heute die Konvergenzkriterien das Verhalten der Märkte und- in immer noch unzureichenden Maße - das der Träger von Wirtschaftspolitik. Sie wirken aus der Spannung des von allen anerkannten Zukunftsziels der Wirtschafts- und Währungsunion und übertragen diese Spannung in imperativer Weise in die Gegenwart. Im Vertrag selbst haben die beiden Haushaltskriterien eine doppelte Aufgabe. Sie sind wie die anderen ein Eintrittskriterium für die Stufe drei, bleiben aber nach der unwiderruflichen Festlegung der Wechselkurse weiter voll bestimmend. Die haushaltspolitischen Kriterien werden sogar bereits mit Beginn der Stufe zwei formal wirksam. Artikel 109e (4) fordert, daß sich die Mitgliedstaaten bemühen, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. Das spezielle Überwachungsverfahren des Artikel 104c kann und muß deshalb schon in der zweiten Stufe genutzt werden. Die wirtschaftspolitisch schwach ausgestattete Stufe zwei kann durch aktive Nutzung dieser Möglichkeit gestärkt werden. Noch in der Endstufe ist es Aufgabe dieser Kriterien, die Union vor einer stabilitätsgefahrdenden Finanzpolitik der Teilnehmerstaaten zu schützen. Zwei Sorgen gaben diesen Kriterien besonderes Gewicht: Einmal schien es angebracht, mit dem Fortfall des Zahlungsbilanzzwangs ersatzweise einen anderen Anpassungszwang in das System einzubauen. Zweitens ließ es auch die schwache institutionelle Ausstattung der Gemeinschaftsgremien als Folge des Subsidiaritätsprinzips ratsam erscheinen. für die 59

öffentlichen Finanzen eine "Sicherungsvorkehrung" in den Vertrag einzufiigen. All das fiihrt zu einer nach Mitgliedstaaten unterschiedlichen Anwendungsdauer der Kriterien. Für Länder, die in die Stufe drei eintreten, werden im Innenverhältnis das EWS und die politikbedingte Zinsdifferenzierung überflüssig. Nur die beiden Kriterien der Haushaltsdisziplin erhalten fiir sie ihre volle Wirkung, weil erst in der Stufe drei die Sanktionsmöglichkeiten des Artikel I 04c ( 11) ihre Ausstrahlung haben werden. Umgekehrt dienen fiir Länder mit Ausnahmeregelung die Eintrittskriterien als Gewähr dafiir, daß sie zum späteren Zeitpunkt des Eintritts nicht mit schärferen Aufnahmebedingungen diskriminiert werden. Außerdem spannen sie als Brücke die weniger fortgeschrittenen Länder in die Zieldynamik der gesamten Gemeinschaft ein.

7.

Konvergenzkriterien verbinden Quantität und Qualität im spezifiZierenden Maß. Das Beurteilungsverfahren ist Teil ihrer normativen Gestaltung

Allen Kriterien ist eigen, daß sie erst durch die Verbindung von Quantität und Qualität ihr spezifizierendes wirtschaftspolitisches Maß erhalten. Erst das erlaubt das Entstehen von Normen, erst das macht sie zu Imperativen des Maastricht-Vertrags. Die Verknüpfung von Konvergenzkriterien und Beurteilungsverfahren ist unumgänglich. Kriterien dürfen ihre Funktion nicht dadurch erfiillen, daß sie das ihnen eingegebene wirtschaftspolitische Signal automatisch auslösen. Dazu hätte es noch einer Vielzahl anderer Indikatoren bedurft. Das wiederum wäre nur auf Kosten der wirtschaftspolitischen Handhabung und Sichtbarkeit gegangen. Der Ansatz über Kriterien verspricht nämlich nur dann Erfolg, wenn er sich auf wenige, deutlich sichtbare beschränkt. Eine Verknüpfung von Kriterien und Beurteilungsverfahren war demnach aus ökonomischen und integrationspolitischen Gründen geboten. Ökonomisch mußte davon ausge60

gangen werden, daß die Gemeinschaft sich nicht dem automatischen Piloten einiger weniger Kriterien unterwerfen konnte. Die nonnative Aufladung der Kriterien schließt von der Sache her das Beurteilungsverfahren ein. Integrationspolitisch dienen die Kriterien als Schlüssel im komplizierten Verfahren flir den Eintritt in die Stufe drei. Ohne Beurteilungsverfahren würde der Schlüssel aus der Hand gegeben, würde der Eintritt in die Stufe drei automatisch erfolgen. Die wohl schwerwiegendste Entscheidung der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft könnte dann aus rein politischen Erwägungen getroffen werden - statt daß sich die politische Entscheidung darauf beschränkt, die objektiven Vorbedingungen für den Eintritt zu setzen . Das gleiche wäre für den späteren Beitritt von Ländern der Fall, die, gemessen an den Konvergenzkriterien, dafür die Voraussetzungen noch nicht erfüllen.

8.

Haushaltspolitische Kriterien ohne deflationären Drall

Die beiden Kriterien der Haushaltsdisziplin wurden auf der Grundlage langjähriger Durchschnitte der Wirtschaftsentwicklung ennittelt. Dem Defizitkriterium kommt dabei vorrangige Bedeutung zu. Angesichts der in einigen Ländern sehr hohen öffentlichen Verschuldung war es aber auch erforderlich, die Schuldenrückführung gesondert einzubeziehen. Beides ennöglicht, die Dauerhaftigkeit besser zu erfassen und den Märkten Beurteilungsmaßstäbe zu geben. In den Beratungen des Währungsausschusses wurde auch die Forderung laut, das Defizitkriterium auf der Basis zyklisch bereinigter Werte wirken zu lassen. Dieses Anliegen wurde aber verworfen. Lediglich im Beurteilungsverfahren kann darauf eingegangen werden. Gelegentlich wird behauptet, daß die Haushaltskriterien deflationär wirkten und deshalb einer Abschwächung bedürften. Jüngste Berechnungen zeigen aber, daß die Länder der Gemeinschaft zur längerfristigen Steigerung der Beschäftigung sogar eine stärkere Reduzierung der öffentlichen Defizite brauchten.

61

Nach Auffassung der Kommission wäre es erforderlich, das Wachstum der Gemeinschaft auf einen Pfad von jährlich 3,5% zu bringen, um die Arbeitslosenquote jährlich um etwa 0, 75 bis I Prozentpunkt abbauen zu können. Das würde eine Erhöhung der Investitionsquote von 20% des BIP bis auf 23-24% erfordern. Die dazu nötige Ersparniszunahme könne aber nur durch die öffentlichen Haushalte erreicht werden. Das Defizit der öffentlichen Hand müsse demnach von 5,4% des BIP im Jahr 1992 bis auf etwa 0, 7% im Jahre 2000 korrigiert werden. Das wäre wesentlich niedriger als die 3% des Konvergenzkriteriums. Diese Berechnung und die Gegenüberstellung von weniger anspruchsvollen und weiterreichenden Zielen zeigen, daß die Konvergenzkriterien Mindestziele setzen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Länder der Gemeinschaft zur Erfiillung der Mindestvoraussetzungen fiir die Schaffung einer einheitlichen Währung zu drängen. Mindestziele schließen nicht aus, anspruchsvollere Ziele anzustreben. Doch sollte das Sache einer auf Bestleistung ausgerichteten allgemeinen Koordinierung der Wirtschaftspolitik sein.

9.

Die nachgeordnete Gesetzgebung darf nicht zur Schwächung der Konvergenzkriterien führen

Nach Artikel l04c Absatz 14 kann der Rat einstimmig geeignete Bestimmungen fiir die Festlegung der Einzelheiten verabschieden. Gleiches sieht das Protokoll über die Konvergenzkriterien nach Artikel 109j in seinem Artikel 6 vor. In beiden Fällen muß sich das auf eine rein technische Ergänzung beschränken und darf die Substanz ebenso wenig wie die Ratifizierung durch die Parlamente entleeren. Das Verfahren zur Vermeidung übermäßiger Defizite erfordert nicht unbedingt die Festlegung weiterer Einzelheiten. Es wäre durchaus möglich, noch offene Fragen durch Verwaltungsvereinbarungen zu lösen. Der Artikel I 04c ist als solcher weitgehend operationeiL Auch das Protokoll zu den Konvergenzkriterien könnte ohne zusätzliche Ein62

zelheiten direkt wirksam werden. Der Vertrag sieht aber diese Möglichkeit vor, und es widerspräche der Tradition, wenn sie nicht genutzt würde. Die Gemeinschaft wird deshalb zur Stufe zwei entsprechende Durchführungsbestimmungen verabschieden, die sicherlich keine Aufweichung mit sich bringen werden. Der Vertrag schließt aber spätere Entscheidungen nicht aus. Es ist deshalb durchaus angebracht, der Frage einer extremen Auslegung dieser Ermächtigung nachzugehen. Könnte durch extensive Auslegung dieser Bestimmungen der Kern der Kriterien verändert werden, und welche Rückwirkung ergäbe sich daraus auf das Verfahren der Automatik des Übergangs zur Stufe drei? Es ist nicht auszuschließen, daß das Änderungsverfahren des Artikel 6 des Protokolls eines Tages zur begrenzten Aufweichung genutzt wird . Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird zwar verhindern, daß mit dieser Bestimmung aus schwarz weiß gemacht wird. Doch sind die Grenzen in dieser Sache fließend . Aus der Logik des Maastricht-Ansatzes heraus könnte noch eine andere Frage gestellt werden. Müßte eine Nicht-Erfüllung der Kriterien das Verfahren nach Artikel l 09j Absatz 4 anhalten? Wie verhielte sich dies zur Automatik des Übergangs zur Stufe drei, würde sie etwa gebrochen? Die Logik des Maastricht-Ansatzes spricht dafür. Wenn beispielsweise alle Mitgliedstaaten ein Haushaltsdefizit von 5% und eine inflatorische Wirtschaftsentwicklung aufwiesen, so müßte die Automatik des Übergangs ausgesetzt werden. Beide Fragen zeigen die politische Brisanz dieses Teils des MaastrichtVertrags. Bundeskanzler Kohl hat in einer Ansprache im Rahmen eines Kongresses der Konrad-Adenauer-Stiftung am 27. Mai 1993 in Bonn betont, "daß es mit der von mir geführten Bundesregierung keine Veränderung oder AufweicllUng der in Maastricht vereinbarten Kriterien geben wird."

63

Natürlich dürfte die Frage, ob die Gesetzgebung die Konvergenzkriterien schwächen darf, heute von den meisten eindeutig verneint werden. Wir wissen aber nicht, ob in Zukunft dieser Riegel hält. Weniger eindeutig ist jedenfalls die Antwort auf die Frage, ob sie sie schwächen kann. Mit der nachgeordneten Gesetzgebung können die Kriterien geschwächt werden, wenn sich alle Länder dazu hergeben. Mit der Schwächung dieses Kernelements des Vertrags würde aber der von den Parlamenten durch die Ratifizierung abgesteckte Boden verlassen. Das auch das "kann" nicht zur Schwächung fiihrt, wird deshalb zur Existenzforderung des Vertrags.

10.

Kriterien und institutioneller Wettbewerb begünstigen eine Koordinierung mit höherem Gemeinschaftsgehalt

Der Vertrag von Maastricht hat mit seinen Konvergenzkriterien im einzelnen eine minimale wirtschaftspolitische Zielsetzung festgeschrieben. Hinter die Werte der Kriterien fiihrt kein Weg zurück. Koordinierung überschreitet damit den bloßen Verfahrensansatz. Imperative geben von nun an dem Verfahren den besonderen Inhalt. Bis vor kurzem galt auch das EWS rein verfahrensmäßig als machtvolles Koordinierungsinstrument. Damit wurde aber nur eine Seite seiner Möglichkeiten gesehen. Es kann erst voll zum Zuge kommen, wenn es von einem - möglichst in Zahlen ausgedrückten - wirtschaftspolitischen Minimalkonsens getragen wird. Der Vertrag von Maastricht schafft ein solches Umfeld. In dieser Spannung steht auch eine jüngste Stellungnahme des Währungsausschusses3 • Erstmalig wurde in ihr das Prinzip der Asymmetrie im EWS festgeschrieben und der Asymmetrie-Logik der Konvergenzkriterien nähergefiihrt. Der von den Finanzministern in Kotding gutgeheißene Bericht äußert sich in Punkt 3.3 V wie folgt: "Die im EWS eingegangenen Verpflichtungen sind fiir die Mitgliedstaaten symmetrisch in dem Sinne, daß alle Länder dazu verpflichtet sind, stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik

3

64

Monetary Committee of the EC, 1993, S. 5.

zu befolgen. Das bedeutet, dal~ asymmetnsc he Aktwnen 111 den Ländern ergriffen werden müssen, in denen die Inflationsrate höher und der policy-mix unausgewogen ist4 ". Die Verbindung von Konvergenzkriterien und EWS trifft sich auch im Konzept der Hartwährungspolitik. Die jüngsten Erfahrungen zeigen, daß Hartwährungspolitik nicht ohne Stabilisierung der öffentlichen Finanzen glaubwürdig ist. Der Versuch, Hartwährungspolitik als Ersatz ftir stabilitätsorientierte Haushaltspolitik und nur über Zinspolitik zu fuhren, schlug fehl. In der Bewertung der Fortschritte auf dem Wege zur dritten Stufe werden die Märkte schon ab heute nur eine solche Politik und Leistung als Hartwährungskonzept ernst nehmen, die konsequent die Linie der Konvergenzkriterien einschlägt. Jedes Abweichen vom Konvergenzpfad wird in Zukunft auch ein Infragestellen der Hartwährungspolitik bedeuten.

In Anerkennung der doppelten Verpflichtung aus Kriterien und Verfahren müssen die Mitgliedstaaten - und vor allem die Träger von Wirtschaftspolitik - auf der Ebene der Gemeinschaft ihre Koordinierung im EWS und in den Vorstufen der Wirtschafts- und Währungsunion neu gestalten und dem höheren Anspruchsniveau annähern. Dazu reicht es nicht aus, die wirtschaftspolitischen Absichten der Mitgliedstaaten einander gegenüberzustellen und im Stile der Koordinierung der achtziger Jahre zu handeln. Oberste Aufgabe ist die schrittweise Entfaltung einer am Optimum der Gemeinschaft ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Das stößt sofort an institutionelle Schranken, die aber durch das "Sollen" entsprechend den Mindestanforderungen der Kriterien überwunden werden müssen. In der zweiten Stufe der Union wird die institutionelle Schranke besonders sichtbar, weil hier die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft noch stärker in das Spannungsverhältnis zur allein zuständigen nationalen Wirtschaftspolitik gerät. In der dritten Stufe verschwindet diese Spannung

4

Vgl. ebd., S. 5. 65

zumindest für die Geldpolitik des europäischen Systems der Zentralbanken. In der echten Anerkennung der institutionellen Schranke liegt zugleich der Ansatz für deren Überwindung. Die normativen Kriterien fUhren als Sollen der Gemeinschaft über die institutionelle Schranke hinaus und erhalten so ihre treibende Kraft. Für die Beeinflussung dieser Art von Koordinierungspolitik fällt an sich der Kommission eine herausragende Aufgabe zu, da sie als einzige Institution der Zensur des Europäischen Parlaments unterliegt. Im Mittelpunkteiner konvergenzgerechten Wirtschaftspolitik wird aber der Rat als Entscheidungsorgan der Gemeinschaft stehen. Um den steigenden Anforderungen der Wirtschafts- und Währungsunion gerecht zu werden, müssen alle Gemeinschaftsinstitutionen mit Mut und Überzeugungskraft handeln. Ein institutioneller Wettbewerb in der Vorbereitung von Wirtschaftspolitik kann dafür nur von Vorteil sein. Er ist auch die beste Sicherung dafür, daß einzelne Gremien der Gemeinschaft nicht in ein Klima der Abschwächung der Kriterien gezogen werden. Die Vielfalt in der Vorbereitung der Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft ist eine neuere Entwicklung. So hat die Konvergenzentscheidung des Rats von 1990 dem Währungsausschuß eine konkurrierende Aufgabe zugewiesen (Artikel 3), die er seitdem ausbaut. Aber auch das künftige Europäische Währungsinstitut sollte nicht nur in der Geldpolitik koordinierend tätig werden. Bei der großen monetären Bedeutung der öffentlichen Haushaltsdisziplin sollte die auf diesem Gebiet ermutigende Tätigkeit des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten fortgeführt und weiter ausgebaut werden. Artikel 2 der Satzung des EWI gibt dafür eine Grundlage. Institutioneller Wettbewerb belebt die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und fUhrt im Politikbereich die Konvergenzkriterien früher und stärker zu Einfluß.

66

11.

Das Gewicht der Konvergenzkriterien in der Logik des Maastricht-Ansatzes

Für das Verständnis des Maastricht-Vertrags ist es nützlich, kurz auf die ihm zugrunde liegende Logik zurückzugehen und zu fragen, wie der Vertrag in seiner Ausformulierung davon abweicht. Dadurch können Schwächen erkannt werden. Die Konvergenzkriterien können zum Pfeiler fur die Brücke zwischen den monetären und den ökonomischen Leitvorstellungen werden. Wie bereits im Werner-Pian, mußte die monetär- institutionelle Seite der Währungsunion um eine möglichst ebenso stark wirkende Wirtschaftsunion ergänzt werden. Auch im Maastricht-Vertrag sind beide Leitvorstellungen nicht im Gleichgewicht. Das Monetäre ist stärker ausgeprägt. Um so wichtiger ist es, die wenigen wirtschaftlichen Konstruktionselemente zu stärken. Die Konvergenzkriterien sind dazu geeignet. Sie müssen der Union den ökonomischen Halt geben. Für eine Währungsunion mit voller institutioneller Ausstattung und fUr eine Wirtschaftsunion mit subsidiaritätsbedingt schwacher Ausstattung galt es, die Koordinierungsverfahren normativ zu stärken. Die Konvergenzkriterien sind vom Standpunkt der Gemeinschaft Schutzvorkehrungen zur Sicherung des minimalen Gemeinschaftsinteresses. Nach der Logik des Maastricht-Ansatzes hätten die von den Zwischenzielen abgeleiteten Kriterien bereits voll in der Stufe zwei zur Anwendung kommen müssen. Um ihre volle Wirkung weiter zu entfalten, hätten die beiden Haushaltskriterien in der dritten Stufe nochmals verschärft werden müssen. Unter dem politischen Druck einiger Länder kam es jedoch zu einem äußerst schwachen Gradualismus: In der zweiten Stufe sind die 67

Länder lediglich angehalten, sich um die Haushaltsdisziplin zu bemühen. Diese formale Schwäche könnte durch eine entsprechend stärkere Anwendung des Verfahrens materiell etwas kompensiert werden. Das würde auch den Märkten die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen zeigen. Die Konvergenzkriterien dienen auch der Anerkennung von Differenzierungen in der integrationspolitischen Behandlung nach Ländern; sie setzen dafur objektive Maßstäbe. Darüber hinaus sind sie fur das Zusammenleben in der Gemeinschaft von Bedeutung: Die Länder mit und ohne integrationspolitische Sonderbehandlung bleiben in der lockeren Klammer gemeinsamer Ziele. Der Aufbau einer Wirtschafts- und Währungsunion fur zwölf sehr unterschiedliche Mitgliedstaaten stellte die noch heute nachwirkende Frage nach dem geeigneten Konzept: Sollte einem unitären Konzept gefolgt werden? Dieses spannt alle Länder in eine einheitliche Zielverpflichtung. Es Hingt die zu erwartenden Differenzierungen in die Form von Ausnahmeregelungen ein. Termine und Überprüfungen sollen das Ausnahmeland möglichst rasch in die Führungsgruppe bringen. Dieses klassische Gemeinschaftskonzept verspricht, die Dynamik der Integration am besten zur Wirkung zu bringen. Oder sollte, ausgehend von der rechtzeitigen Anerkennung der eher zunehmenden Differenzierungen, ein nicht-unitäres Konzept entwickelt werden? In ihm wäre von Anfang an eine Differenzierung auf Ebene der Ziele möglich und sogar angestrebt worden 5 • Die Gemeinschaft ist in Maastricht dem ersten Weg 5 Ein der Regierungskonferenz im September 1991 vorgelegter niederländischer Expertenvorschlag folgte dieser Linie. Er sah vor, daß der Rat auf der Basis der Berichte "... diskutiert, welche Mitgliedstaaten die Bedingungen fiir die Teilnahme an der Stufe drei erfiillen ... Im Lichte dieser

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gefolgt und hat damit die Spannung der sofort wirksam werdenden Differenzierung auf sich nehmen müssen (England und Dänemark). Was aufs erste als Stärkung der inneren Dynamik und der Unumkehrbarkeit eines sofort alle erfassenden Prozesses erschien, könnte sich aber mehr und mehr als Belastung erweisen. An den Konvergenzkriterien wird sich diese Spannung entzünden.

12.

Appell zur stabilitätsgerechten Anwendung der Konvergenzkriterien

Die stets vorhandenen Schwierigkeiten in der Verwirklichung von Konvergenzprogrammen und die Schwäche der Konjunktur werden den Ruf nach Abschwächung der Konvergenzkriterien nicht nur nicht verstummen, sondern immer lauter erschallen lassen. Der Vertrag war noch nicht in Kraft getreten, und schon erklang die Forderung nach Abschwächung eines seiner Kemelemente. Die Beflirworter einer Abschwächung der Kriterien übersehen indes eine von deren wichtigen Funktionen: Sie müssen ein normatives Zugelement aufweisen. Die Möglichkeit ihrer Nichterfüllung zeigt dieses Zugelement und begründet die strittige Ausstrahlung der Norm . Ohne dieses Zugelement gibt es keine vorwärtstreibende Kraft. Die Norm wird dann rein statisch und schützt lediglich vor dem Rückfall in den schlechteren Zustand. Deshalb dürfen die Kriterien des Maastricht-Vertrags nicht statisch gesehen werden. Noch als Mindestanforderungen geben sie der Wirtschaftspolitik einen dynamischen Auftrag. Sie drängen die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten über einen mehrjährigen Prozeß wirtschaftspolitischer Anstrengungen in den

Diskussion werden die Mitgliedstaaten, die die Bedingungen erfilllen, entscheiden, ob sie zum vorgesehenen Termin an der Stufe drei teilnehmen" (Internes Dokument). 69

gewünschten Ausgangszustand. Dabei spielt der Zeitdruck durchaus eine antreibende Rolle. Termine zwingen dazu, die Konvergenzkriterien nicht in einer mittelfristigen Perspektive aufzulösen. Sie fordern schon heute konkrete Anstrengungen . Die Zeit darf aber nicht zum ausschließlichen Bestimmungsfaktor werden. Noch gibt die im Vertrag gesetzte Frist Spielraum für die nötigen wirtschaftspolitischen Anstrengungen. Noch ist dafür die Uhr nicht abgelaufen. Sollte nach einigen Jahren festgestellt werden, daß die Zeit für einen stabilitätsgerechten Übergang zur einheitlichen europäischen Währung zu knapp geworden ist, dann dürfen nicht die Konvergenzkriterien zurückgesteckt werden . In einer solchen Situation muß die Frist für den Übergang verlängert werden. Aus heutiger Sicht sprechen insbesondere folgende Punkte gegen eine Schwächung der Kriterien : Eine Schwächung der Konvergenzkriterien würde dem Maastricht-Vertrag die ökonomische Sicherung entziehen. Er stünde dann nur noch auf seinem monetären Grund. Die Abschwächung der Kriterien führt daher auf den monetären Holzweg. Die Schwächung der Konvergenzkriterien böte nur vordergründig das Bild einer geringeren Differenzierung in der Gemeinschaft. Länder mit Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Voraussetzungen erlägen der gefährlichen Versuchung, früher Eingang in die einheitliche Währung zu suchen. Das Bild einer wirklichen Wirtschafts- und Währungsunion würde dadurch aber nicht entstehen. Erstens drohte der Gesamtprozeß schon in der Vorbereitungsphase inflatorisch zu ersticken. Zweitens würden dadurch die wirtschaftspolitischen Anforderungen für die Länder der Kerngruppe herabgesetzt. Maastricht als Unionskonzept der Gemeinschaft hängt zur Zeit davon ab, wie schnell Deutschland seine einigungsbedingten wirtschaftspolitischen Defizite aufarbeiten kann. 70

EWS und Konvergenzkriterien sind durch den Maastricht-Vertrag zu zwei Teilen des gleichen asymmetrischen Anpassungskonzepts geworden. Es ist zu erwarten, daß es zunächst zu einer weiteren regionalen Verkleinerung des EWS kommt. Die Gemeinschaft kann die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit nicht außer acht lassen, sich auf die innere Linie zurückzuziehen, um von da aus später wieder den Kern auszuweiten . Die Konvergenzkriterien haben in dieser Zeit die Aufgabe, den wirtschaftspolitischen Mindestanspruch festzuhalten . Alle Länder innerhalb und außerhalb des EWS müssen gerade unter den gegenwärtig sehr schwierigen Umständen eine stabilitätsgerechte Währungspolitik entwickeln und glaubwürdig nach außen vertreten. Das würde unterstützt, wenn sie sich auch unter den schwierigen Bedingungen voll zu den Kriterien bekennen und sich nicht dazu verlocken lassen, sie in Frage zu stellen. Für die Aufrechterhaltung der Hartwährungspolitik ist gute Konvergenzpolitik unverzichtbares Gebot. Die Konvergenzkriterien sind durch die parlamentarische Ratifizierung und die Referenden zu einem eigenständigen Kern des Maastricht-Vertrags geworden. Sie sind keine "technischen Einzelheiten", die unterhalb der Schwelle einer erneuten Ratifizierung angetastet werden dürfen. Die Konvergenzkriterien bilden die Nahtstelle zwischen der Wirtschafts- und Währungsunion und der auf längere Sicht ftir deren Verwirklichung unverzichtbaren politischen Union . Hier liegt ihre politische Dynamik. Maastricht steht und fallt mit ihrer vorwärtstreibenden, zielsetzenden Kraft. Wird dieser Pfeiler geschwächt, so können an dieser Stelle einseitige politische Kräfte eindringen und die Integration auf eine überwiegend monetär-institutionelle Bahn drängen.

71

Literatur Europäischer Rat (1990), Schlußfolgerungen des Vorsitzes, Rom 27. und 28 . Oktober, in: EG-Nachrichten, Berichte und InformationenDokumentation, Nr. II vom 5. November 1990. Monetary Committee ofthe EC (1993), Lessonsto be drawn from disturbances on the foreign exchange markets. Report following the mandate given by the European Council, Brussels, 13.04. Währungsausschuß der EG (1990), Zur Wirtschafts- und Währungsunion nach Vollendung der ersten Stufe-Orientierungen flir die Vorbereitungen der Regierungskonferenz, Brüssel, den 23.07.

72

Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages: Können sie Glaubwürdigkeit erzeugen? Von Rolf H. Hasse

1. 2. 3. 4.

Die Problembereiche Dauerhaftigkeit und Stabilitätsniveau als Ziele Folgen der Nichterfüllung Schlußfolgerungen als Zwischenbilanz

1.

Die Problembereiche

Das Thema umfaßt vier Problembereiche der Konvergenzkriterien: 1. 2. 3. 4.

Die Konvergenzkriterien als wirtschaftspolitische Imperative des Vertrages. Die Frage, ob die Kriterien konzeptionsgerecht sind . Welche politische Signalwirkungen die Kriterien haben. Welche Folgen entstehen, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden.

Es ist aus meiner Sicht als äußerst positiv zu bewerten, daß der Einstieg in diese Facetten durch einen Praktiker erfolgte, der die Bereiche aus der institutionellen Sicht und vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EWG bearbeitet hat. Die vielen wertvollen Detailinformationen über Norm und Realität der bisherigen Koordinierungsverfahren umschreiben den Status quo. Zusätzlich werden die Quellen und Überlegungen skizziert, die zu den Konvergenzkriterien im Maastricht-Vertrag geführt haben. Das Ergebnis ist eine ausgewogene, letztlich positive Beurteilung der Kriterien als wirtschaftspolitische Handlungsimperative, die verhaltensbestim-

73

mcnd seien für die Politiker und die Märkte, also- in der Sprache der Theorie formuliert - für den politischen und ökonomischen Markt. Es wird sicher nicht überraschen, daß ich den Schwerpunkt etwas stärker auf ökonomische Aspekte lege und die diplomatischen Anmerkungen von Herrn Kees mit kritischem Hintergrund wesentlich direkter ausdrücken werde, insbesondere wenn ich die relativierenden Passagen im Vertrag analysiere. Dies ist begründet in der Funktion der Wissenschaft, kritische Fragen zu stellen. Mit Georg Christoph Lichtenberg kann man diese Aufgabe wie folgt umschreiben: "Zweifel muß nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann es gefahrlieh sein." Ein Teil der Probleme ist m.E. in der Tatsache begründet, daß bei der Gestaltung des Vertrages von Maastricht nur wenig auf den Beitrag der Wirtschaftswissenschaften zurückgegriffen wurde. Dies beurteile ich aber anders als Herr Kees, der unterstellt, daß es kaum verwendbare Beiträge gab. Ich dagegen bin der Überzeugung, daß - zumindestens in Deutschland - die Wirtschaftswissenschaften aus dem Prozeß der Vertragsgestaltung bewußt ausgeklammert worden sind. Insofern ist es normal, daß konkrete Beiträge erst post festurn registriert werden. Das Schriftgut zu dem Thema war vor und während der politischen Prozesse beachtlich. Lassen Sie mich mit den Punkten beginnen, wo ich mit Herrn Kees übereinstimme:

74

I.

Die Kriterien konzentrieren sich ausschließlich auf die nominale Konvergenz. Inwieweit dies ein Ansatz ist, der flir eine gemeinschaftsweite Strategie angemessen ist, werde ich ebenfalls nicht aufgreifen. Dies erfolgt im Beitrag von David G. Mayes.

2.

Die Kriterien sind wirtschaftspolitische Handlungsimperative, die helfen sollen, grobe Fehlentwicklungen zu vermeiden.

3.

Das Konzept einer Währungsunion mit mehreren Geschwindigkeiten bewerte ich ebenfalls als eine gewollte Schutzklausel, um eine Stabilitätsgemeinschaft realisieren zu können.

4.

Der eigentliche Königsweg zur Konvergenz liegt in der regelmäßigen Überwachung der Wirtschaftspolitiken auf Gemeinschaftsebene und in der Vorlage und Prüfung von Konvergenzprogrammen.

Konvergenzkriterien sind diesem Königsweg gegenüber keine wirtschaftspolitischen Mittel, sondern nur Indikatoren, die wirtschaftliche Konvergenz widerspiegeln sollen. Insofern ist- in Form von Indikatoren definiert - wirtschaftliche Konvergenz eine ex post-Konzeption. Benötigt wird jedoch eine ex ante-Strategie, um diese Ergebnisse zu erzielen und zu bewahren. Anders formuliert, die EG benötigt eine wirtschaftspolitische Konvergenz, die aus zwei Elementen besteht: Konsens über die Prioritäten gesamtwirtschaftlicher Ziele und wirtschaftspolitische Koordinierungsverfahren. Hier stimme ich mit Herrn Kees wiederum überein, daß das konstitutive Element der wirtschaftspolitischen Koordinierung in den lnte75

grationskonzepten von Beginn an zu schwach ausgestaltet worden ist und erstaunlicherweise auch im Vertrag von Maastricht keine definitive Stärkung erfahren hat. Da der Grundsatz der Krönungstheorie mittlerweile akzeptiert wird, daß wirtschaftliche Konvergenz eine Voraussetzung für den Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion ist, ist die Übergangsphase so bedeutsam und gleichzeitig so problematisch. Die in der Endstufe der Währungsunion zentralisierte Geldpolitik ist in der Übergangsphase noch national, und auch der Autonomiegrad der Fiskalpolitik ist dadurch in der Übergangsphase noch größer. Das bedeutet nicht, daß die politischen Anforderungen in der Übergangsphase größer sein müssen als in der Endstufe. Sie können sogar als kleiner eingeschätzt werden, wenn mar. unterstellt, daß das Ziel der Integration und die Priorität der gesamtwirtschaftlichen Ziele auf einem breiten Konsens beruhten und der Zeitraum zur Realisierung der wirtschaftlichen Konvergenz so gewählt wäre, daß er eine sanfte Anpassung in Wirtschaft und Politik erlaubte und insofern der Widerstand geringer sei. Selbstverständlich läßt sich gegen diese These zugunsten eines wirtschaftspolitischen Gradualismus eine Gegenposition formulieren. Wenn aber - wie im europäischen lntegrationsprozeß- die Entscheidung gegen eine abrupte Währungsreform und zugunsten eines Integrationsprozesses gefallen ist, dann beruht der Erfolg auf einer klaren Bestimmung der Ziele (finales Denken) und auf einer adäquaten zeitlichen und inhaltlichen Gestaltung der Übergangsphase. Hierzu möchte ich einige Vorbehalte präsentieren. Als Einstieg bietet sich an, daß ich den Optimismus von Herrn Kees in bezug auf die materielle Interpretation des Art. 109 j Absätze 3 und 4 nicht teilen kann. Er vertritt die Auffassung, daß ein Eintritt in die Endstufe nicht stattfinden wird, wenn alle Mitgliedstaaten formelle Konvergenzniveaus aufweisen bei zum Beispiel

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Haushaltsdefiziten von 6 % oder wenn alle in Frage kommenden Länder eine "Konvergenz" der Preisentwicklung bei 4 % aufweisen. Ich werde mich auf drei Aspekte der Kriterien konzentrieren: Inwieweit sie konzeptionsgerecht sind, welche politische Signalwirkungen sie haben, welche Folgen der Nichterftillung zu erwarten sind. Überlagert werden diese Betrachtungsebenen von folgenden Fragen, die die Glaubwürdigkeit dieser wirtschaftspolitischen Handlungsimperative bestimmen: Wie streng sind die Konvergenzkriterien? Wie bedeutsam sind die Konvergenzkriterien ftir den Eintritt in die Endphase? -Gibt es materielle Bindungen im Vertrag, die formelle "Konvergenzniveaus", die lnstabilitäten ausweisen, verhindern? Meine Einschätzung kann ich in drei Thesen zusammenfassen:

These 1: Wirtschaftspolitische Kriterien -auch fiskalpolitische- halte ich durchaus ftir angebracht, den Prozeß zu einer Stabilitätsgemeinschaft zu flankieren . Die gewählten Kriterien erftillen diese Aufgabe aber nur bedingt, weil sie ökonomisch unzureichend sind und die Übergangsphase zu kurz konzipiert ist. These 2: Die politischen Signalwirkungen der Kriterien werden aus diesem Grunde nicht so positiv sein, wie man es erhoffi und benötigt. These 3: Die ökonomischen Folgen der Nichterftillung sind groß, weil man die politischen Rückwirkungen der Nichterftillung klein halten möchte. Die Gefahr einer Relativierung der Kriterien ist groß, weil die

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materiellen Bindungen des Konvergenzniveaus im Vertrag nicht streng genug sind.

2.

Dauerhaftigkeit und Stabilitätsniveau als Ziele

Die Kriterien werden als Maßstab der Prüfung herangezogen, "ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist" ( 109 j Abs. 1). Das Niveau und der Aspekt der Dauerhaftigkeit werden jedoch entweder nicht sehr präzise vorgegeben oder sie werden zwar präzise quantitativ fixiert, sind dann aber ökonomisch problematisch. Bezüglich der Preisstabilität wird ein hoher Grad als erreicht eingeschätzt, wenn das nationale Niveau "um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate jener - höchstens drei - Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben." Eine "anhaltend~ Preisstabilität" wird unterstellt, wenn dieses Ergebnis während des letzten Jahres vor der Prüfung fiir den Eintritt in die dritte Stufe ausgewiesen werden kann. Bezüglich des Wechselkurskriteriums wird die Dauerhaftigkeit als erfiillt angesehen, wenn der Mitgliedstaat die normale Bandbreite des EWS "zumindestens in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten" hat. Das Niveau wird so konditioniert, daß dieses Land innerhalb dieser zwei Jahre die eigene Währung gegenüber anderen Mitgliedswährungen nicht von sich aus abgewertet haben darf. Für die langfristigen durchschnittlichen Nominal-Zinssätze wird das Konvergenzniveau als erfiillt angesehen, wenn sie nicht höher als 2 Prozentpunkte liegen als der durchschnittliche langfristige Zinssatz der drei preisstabilsten Mitgliedsländer. Die Dauerhaftigkeit wird durch die Vorgabe "im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung" definiert.

78

Die Fiskalkriterien beschränken sich allein auf die Bestimmung quantitativer Niveaus: 3 % bei der Defizitquote, 60 % bei der Schuldenquote. Der Grund ftir eine gesonderte F estlegung der Dauerhaftigkeit ist wohl darin zu sehen, daß die Kommission gemäß Art. I 09 e und 104 c ab der zweiten Stufe die Haushaltsdisziplin überwacht. Merkwürdig mutet es dennoch an, daß in der zweiten Stufe die Absätze I, 9 und II nicht gelten (hierzu später). Zusammenfassend kann man feststellen: Die Dauerhaftigkeit wird bei dem Wechselkurs mit zwei Jahren fixiert, bei der Preisstabilität und beim langfristigen Zinssatz dagegen mit einem Jahr. Wenn man die zunehmende Angleichung der Zinssätze als Integrationswirkung unterstellt, ergibt diese Differenzierung keine ökonomische Rationalität. Unterstellt man dagegen, daß der Zinssatz zuvor zur Stabilisierung der nominalen Wechselkursrelationentrotz realer Aufwertungen eingesetzt worden ist, läßt sich eine ökonomische Ratio in dieser Unterscheidung ableiten. Man könnte annehmen, daß dann spätestens zwei Jahre vor der Prüfung der Konvergenz fiir einen Eintritt in die dritte Stufe eine Wechselkursanpassung vorgenommen wird, die von einer wirksamen Stabilitätspolitik begleitet wird. Unterstellt man - realistischerweise -, daß die Rückfiihrung der Inflationsrate in die Norm mit Bandbreite gemäß dem "Protokoll über die Konvergenzkriterien" nicht sofort gelingt, dann ist es auch realistisch, diese Sofortwirkung bei den Zinssätzen nicht zu erwarten. Finanzmärkte sind vorsichtig. Der Aufbau von Vertrauen in die Stabilitätspolitik und in die Dauerhaftigkeit der neuen Wechselkurse und damit der Abbau des Zinsmalus benötigen Zeit. Insofern ist es realistisch, ftir die Preisstabilität und fiir den Zinssatz eine Zeitspanne von nur einem Jahr zu wählen. Dennoch bleibt ein unwohles Gefiihl, daß diese Regelung materiell keine "dauerhafte Konvergenz" ausdrückt. Es wirkt vielmehr wie ein 79

stichjahrbezogenes Testat, bei dem zusätzlich nicht geklärt ist, ob das Land von höheren Inflationsraten her kommt und die vorgegebene Bandbreite gerade erreicht oder ob das Land von niedrigeren Inflationsraten aus gerade noch die Bandbreite der definierten Konvergenz-Stabilität erflillt. Egal, wie man es betrachtet, immer kommt heraus, daß eine dauerhafte Preisstabilität nicht die Norm dieses Kriteriums ist. Dadurch ist ein wesentliches Element fiir eine materielle Bindung der Preisstabilität im Maastricht-Vertrag nicht eingearbeitet worden . Diese Ableitung eines möglichen, aber sehr realitätsnahen Szenarios zeigt bereits, welche Spannungen zwischen den interdependenten Kriterien bestehen und welche Probleme eine zu knapp bemessene Übergangsphase hervorruft, deren Konsequenz u.a. Beurteilungsperioden sind, die sich als nicht konzeptionsgerecht herausstellen. Ein besonderer Aspekt der Dauerhaftigkeit und der Strenge der Kriterien besteht bei den Fiskalrestriktionen. Obwohl in der Übergangsphase die entscheidenden Anpassungen stattfinden müssen, differenziert der Vertrag von Maastricht so, als ob in der Übergangsphase ein größerer Freiheitsgrad auf diesem Sektor bestünde. In Art. I 09 e Abs. 3 über die zweite Stufe wird fixiert, daß Art. I 04 c Absätze I, 9 und 11 in dieser Stufe nicht gelten. Das bedeutet, daß die tiefgreifenden Sanktionen nicht eingesetzt werden - Absätze 9 und II. Dieser Grundsatz gilt auch ftir die Länder, die eine Ausnahmeregelung eingeräumt bekommen und insofern in der zweiten Stufe verharren, wenn ein Kern in die dritte Stufe eintritt (Art. I 09 k Abs. 3). Für die Länder mit Ausnahmeregelung gilt aber immerhin Art. I 04 c Abs. I, der ftir alle Länder in der zweiten Stufe ausgeklammert wird. Für Großbritannien ist demgegenüber in dem Fall, daß es dem Rat seine Absicht notifiziert, nicht zur dritten Stufe überzugehen, Abs. I nicht gültig (Ziffer 5 des Protokolls). Isoliert betrachtet verwirrt diese Differenzierung nur. Ihr Sinn erschließt sich erst, wenn man die Vertragstexte sorgsam liest. Art. 104, 80

Abs. I: "Die Mitgliedstaaten venneiden übennäßige öffentliche Defizite". Dieser im Indikativ fonnulierte Satz erhält erst einen Inhalt, wenn man ihm Art. I 09 e Abs. 4 über die zweite Stufe gegenüberstellt: "In der zweiten Stufe sind die Mitgliedstaaten bemüht, übermäßige öffentliche Defizite zu venneiden". Diese Fonnulierungen sind keineswegs konfonn mit den praz1sen quantitativen Vorgaben für die Fiskalpolitik. Sie sind auch nicht kompatibel mit den erforderlichen Anpassungen auf diesem Sektor, wenn man gedenkt, die finanzwirtschaftliehen Restriktionen ernst zu nehmen. Sie sind aber durchaus "konfonn" mit der merkwürdigen Formulierung über die Wechselkursanpassung. Grundsätzlich sollen Wechselkursanpassungen bzw. Abwertungen zwei Jahre vor dem Eintritt in die dritte Stufe erfolgen - allerdings nur diejenigen, die das Abwertungsland selber anregt. Diese Regel kann leicht ausgehebelt werden, indem das betroffene Land aufgefordert wird, seine Währung abzuwerten oder ein oder mehrere andere Länder ihre Währung(en) aufwerten. So etwas nennt man in der Botanik eine hohle Nuß. Die auch von Herrn Kees vorgetragene These, das Wechselkurskriterium sei seit den Währungsturbulenzen von September 1992 nicht mehr aktuell, beruhigt keineswegs. Es wäre auf der einen Seite erfreulich, wenn die brisante Politik der Quasi-Währungsunion nun aufgegeben würde; der Wechselkurs erhielte seine Funktion als ökonomisches Anpassungsinstrument zurück, und die Geldpolitik würde von ihrer einseitigen Wechselkursorientierung befreit. Alarmierend bleibt jedoch, daß hinter dieser Interpretation das offene Eingeständnis steht, daß wichtige Elemente des Maastricht-Vertrags auf einer Konzeption aufbauen, die bereits vor den und während der Regierungskonferenzen als falsch eingestuft worden sind. Insofern wird mit dieser Feststellung

81

ein Verlust an Glaubwürdigkeit eingestanden, der nicht nur die Wechselkursfrage berühre. Lassen Sie mich wechseln zur Frage des Stabilitätsniveaus und hierbei nur die beiden Kriterien zur Preisstabilität und zur Finanzpolitik betrachten. Formal ist die nominelle Preisstabilität auch erreicht, wenn das Preisniveau 4 und mehr Prozent Geldentwertung aufweist. Herr Kees hält dieser formellen Konvergenz entgegen, daß sie anderen, materiellen Bedingungen im Vertrag von Maastricht widerspreche. Er bezieht sich dabei u.a. auf die Artikel 2, 3 a, 102 a, 105, 109. Diese These wird von der Tatsache gestützt, daß der Maastricht-Vertrag das einzige internationale Dokument ist, in dem das Ziel der Preisstabilität derartig häufig und betont benannt wird. Dem stehen zwei Aspekte gegenüber. Einmal ist die quantitative Fixierung dieses Zieles formal sehr weich definiert worden. Sowohl die Höhe der Inflationsrate als auch die Zeitperiode zur Beurteilung der Konvergenz der Preisstabilität genügen nicht den Vorstellungen einer Stabilitätsgemeinschaft Darüber hinaus fehlt bisher jede verläßliche politische Richtschnur und Interpretation, wie man gedenkt, diese Onschärfen zu beseitigen. Dies schafft Unsicherheit und fördert nicht die Glaubwürdigkeit. Eine Relativierung bis zu dem genannten Niveau von 4 % ist bereits problematisch. Es ist auf jeden Fall meilenweit von der Definition der Preisstabilität durch die Bank ftir Internationalen Zahlungsausgleich entfernt. In ihrem Jahresbericht 1990 (S . 196 - 200) definierte sie Preisstabilität als Null-Inflation und warnte vor jeder Relativierung dieses Endzieles durch die Fiskal-, Geld- und Währungspolitik.

1

82

Vgl. dazu u.a. Hasse, 1993.

Faßt man die Elemente dieser Analyse zusammen, so muß man feststellen, daß das Vertrauen in eine materielle Bindung zugunsten des Kriteriums Preisstabilität aus dem Vertrag selbst nicht eindeutig abgeleitet werden kann. Diese Aufgabe muß in Form einer politischen Selbstverpflichtung noch von den Mitgliedsländern geleistet werden. Als besonders problematisch müssen die beiden Budgetkriterien eingeschätzt werden. Sie können ökonomisch wie politisch als Fehlgriffe interpretiert werden. Die ökonomische Problematik liegt in der Verbindung von Strom- und Bestandsgrößen 2, Verwendung einer Bestandsrelation wie des Schuldenstandes und ihrer Fixierung auf dem Niveau des EG-Durchschnitts, Fixierung von 3% des BIP bei der Defizitquote als Trennlinie zwischen exzessiv und nicht-exzessiv. Noch schwerwiegender sind die politischen Unzulänglichkeiten, die um die Defizitquote und die Verschuldungsquote herum errichtet worden sind. Sie erodieren nachhaltig die Glaubwürdigkeit dieser Kriterien, weil die Abweichung von der Norm bei einigen Ländern als Dauertestat eingebaut ist (Schuldenquote); die zu erwartenden politischen Prüfungen häufig erklären werden, daß die vielen Abweichungen nicht von ausschlaggebender Bedeutung seien; sie können mit Hilfe des Vertrages und seiner Protokolle durchaus als konvergenzverträglich interpretiert werden;

2

Vgl. u.a. Hasse, 1992, passim. 83

der vorgesehene Anpassungszeitraum der zweiten Stufe viel zu kurz gewählt wurde, um ernsthafte Annäherungen an ein oder beide Kriterien erwarten zu lassen. Je kürzer die Übergangsphase gewählt wird, desto kleiner ist die Gruppe der Mitgliedsländer, die in die Endstufe eintreten können, wenn man die Kriterien alle ernst nimmt. Sollte dies eine bewußte Strategie sein, muß sie nicht nur aus dem Blickwinkel einer Schutzklausel zugunsten einer Stabilitätsgemeinschaft bewertet werden. Ebenso erforderlich ist eine politische Beurteilung, ob damit nicht eine (un-) bewußte politische und wirtschaftliche Zweiteilung der EG eingeleitet wird. Denn eine zu kurze Übergangsphase kann die politischen Kosten der wirtschaftlichen Anpassung an streng interpretierte Konvergenzkriterien so hoch schrauben, daß die betroffenen Länder diese Anpassungsstrategie abbrechen werden . Sie werden dann zu einer Strategie wechseln, ihre politischen Möglichkeiten zugunsten einer Relativierung der Konvergenzkriterien einzusetzen . Da die Gruppe der Länder, die von den Konvergenzkriterien abweicht, größer ist als diejenige, die sie erfüllt und eine grundlegende Änderung dieser Konstellation nicht unbedingt zu erwarten ist, müssen die Konvergenzkriterien genauestens daraufhin überprüft werden, welche Relativierungen der Vertrag erlaubt. Ferner ist es aufgrundder Koalitionsbildung betroffener Länder durchaus realistisch, daß zum Beispiel die vorgesehenen qualifizierten Mehrheiten des Art. I 04 c dann verfehlt werden und die Abweichungsländer dominieren. Jede Ausnahme mindert die materielle Bindung der Kriterien und relativiert die Eintrittsbedingungen. In diesem Sinne strahlt die 60 %-Regel eine politische Mega-Naivität aus: I. 2.

84

Die Regel ist ökonomisch nicht begründbar, da den Ökonomen primär Veränderungen interessieren. Sie ist politisch flir viele Länder nicht realisierbar.

3.

Sie ist als Kriterium eine falsche Wahl und schafft statt Glaubwürdigkeit Zweifel an dem Sachverstand bzw. der politischen Ratio dieser Wahl.

Aber auch bei dem zweiten Fiskalindikator - der Defizitquote - läßt sich nachweisen, wie schwach die Verbindlichkeit dieses Konvergenzkriteriums ausgestaltet ist. Dies gilt bereits für das normale Prüfungsverfahren, ob ein übermäßiges Defizit besteht (Art. 104 c Abs. 6). Die Entscheidung des Ministerrates erfolgt mit qualifizierter Mehrheit; auf Empfehlung der Kommission; unter Berücksichtigung der Bemerkungen des betreffenden Mitgliedstaates; nach Prüfung der Gesamtlage. Besonders die letzte Kondition scheint sachfremd zu sein, sie erhält ihren Sinn, wenn man sie im Zusammenhang mit den weiteren "Fiexibilisierungsregeln" bzw. "Tolerierungsformeln" bewertet, die für die Defizitquote eingebaut worden sind (siehe unten). Die Sanktionen des Art. 104 c sind ein Papiertiger. In der Übergangszeit sind nur die Sanktionen gemäß Art. l 04 c Absätze 7 und 8 von Bedeutung. Diese gelten nur, wenn ein exzessives Defizit festgestellt worden ist (Absätze 5 und 6). Nur in diesem Falllegt die Kommission dem Rat eine Stellungnahme vor. Ansonsten schreibt sie bei Verletzungen der Budgetkriterien Berichte, zu denen der Währungsausschuß Stellung nimmt (Beratender Währungsausschuß, in der dritten Stufe Wirtschafts- und Finanzausschuß). Es ist anzunehmen, daß sich daran weitere Koordinierungsverfahren anschließen. Der Vertrag von Maastricht bietet aber in seiner vorgelegten Form keine Antworten, wie die Art. 103 bzw. 104 c Absätze 3 und 4 umgesetzt werden sollen. Insofern bestätigt dies erneut, daß die wirtschaftspolitische Koordinierung eine offene Flanke des ge85

samten Integrationsprozesses ist. Ein Ansatz ist in Art. I 04 Abs. 14 zu sehen, wonach mit der zweiten Stufe Verfahren eingeführt werden sollen. Positiv ist, daß die Schuldenquote in Art. I 04 c von untergeordneter Bedeutung ist. Dies ist auch semantisch in der Überschrift des entsprechenden Protokolls so fixiert worden, das sich nur auf die übermäßigen Defizite bezieht. Dennoch bleibt die Frage: Welche Bedeutung, außer Verwirrung zu stiften, hat die Schuldenquote dann? Verbleibt als analytische Aufgabe, die Strenge der quantitativen Vorgaben zu prüfen . Sind die festzustellende Flexibilität bzw. die diskretionären Spielräume der Vertragsformulierungen geeignet, die Kriterien als konzeptionsgerecht einzuschätzen und von ihnen eine positive politische Signalwirkung zu erwarten? Fünf Aspekte werden herangezogen, um diese Fragen in bezugauf die Defizitquote zu beantworten. I.

Wenn die Defizitquote gemäß Art. I 04 c Abs. 2 a nicht eingehalten wird, ist dies tolerierbar, wenn die Quote (I) erheblich und (2) laufend zurückgegangen ist sowie (3) einen Wert in der Nähe des Referenzwertes erreicht hat.

2.

Ebenfalls ohne Rückwirkungen bleibt es, wenn der Referenzwert (I) ausnahmsweise und (2) vorübergehend überschritten wird und (3) das Verhältnis in der Nähe des Referenzwertes bleibt.

3.

Bei der Prüfung der Defizitquote sollen folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden (Art. I 04 c Abs. 3): die öffentlichen Ausgaben ftir Investitionen,

86

alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaates. 4.

Im Protokoll werden zwar der Umfang der zu berücksichtigenden Haushalte (Zentralregierung; regionale, lokale Gebietskörperschaften, Sozialversicherungen) sowie die Methoden (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) bestimmt. Angesichts des Problems der Schattenhaushalte, das z.B. in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit von großer Bedeutung ist\ ist aber zu fragen, ob nicht die Abgrenzung des Defizits im Sinne der Finanzstatistik sachgerechter wäre. Ebenso problematisch ist, daß die Abgrenzung der einzelnen Haushaltssegmente international kaum vergleichbar ist und insofern Defizite nur mit groben Fehlermargen ermittelt werden 4 •

5.

Ein politischer Faktor erzeugt rechtliches Bauchgrimmen, insbesondere in einem foderalen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland. Im Art. 3 des "Protokolles über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit" wird festgelegt: "Um die Wirksamkeit des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu gewährleisten, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Verfahrens fiir die Defizite des Staatssektors ... verantwortlich. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, daß die innerstaatlichen Verfahren im Haushaltsbereich sie in die Lage versetzen, ihre sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen in diesem Bereich zu erfiillen."

Diese im Indikativ formulierten Auflagen stehen deutlich im Widerspruch zu den sonstigen Relativierungen. Diese Regel mag in Zentral-

3

Vgl. Deutsche Bundesbank, 1993, S. 34-41; dieselbe, 1993a.

4

Vgl. Blejer und Cheasty, 1991; Tanzi, Blejer und Teijeiro, 1988, S.

4-19.

87

staaten mit fehlender Finanzautonomie auf der Ebene der unteren Gebietskörperschaften rechtlich unproblematisch sein. In der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Finanzverfassung, dem Finanzverbund und der gestiegenen Zahl der Länder schießt sie eindeutig über das bestehende Recht hinaus und tangiert deutlich konstitutionelle Grenzen des Bundes. Eine Durchsetzung dieses Artikels in einfacher Form ist wohl kaum ohne Änderung des Grundgesetzes möglich, da die bestehenden Regeln zum Beispiel innerhalb des Gesetzes fur Stabilität und Wachstum (Finanzplanungsrat, Emissionsplanung, Gemeinschaftsaufgaben) nicht ausreichen, um der Bundesregierung eine Kontrolle über das Gesamtdefizit der öffentlichen Haushalte zu geben. Schließlich ist auch eine Regelung formuliert worden, wie eine Abweichung bei der Schuldenquote zu bewerten sei (Art. I 04 c Abs. 2 b). Danach ist eine Abweichung von der 60 %-Regel dann tolerierbar, wenn (I) das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und (2) sich die Quote rasch genug dem Referenzwert nähert. Zusammenfassend können diese Finanzkriterien im Lichte ihrer rechtlichen Umschreibungen wie folgt beurteilt werden: I.

Die Regeln erweisen sich bei detaillierter Analyse als sehr fragil.

2.

Die vielen Tolerierungsformen bieten einen enormen politischen Spielraum, um Abweichungen als konvergenzkonform zu interpretieren.

3.

Die quantitativen Vorgaben entpuppen sich als Fiktionen. Die Tolerierungsformen und deren Ausprägungen "erheblich", "ausnahmsweise", "vorübergehend", "hinreichend rückläufig", "in der Nähe des Referenzwertes", "dem Referenzwert nähern" sind keine verläßlichen Leitlinien. Vor allem die Formulierung "in der Nähe des Referenzwertes" ist ein unbestimmter Begriff. Bei der Schuldenquote kann sie sogar jeden ökonomischen

88

Sinn verlieren. Ein Schuldenstand ist prozeßpolitisch internalisiert, auch wenn er so hoch wie in Italien und Belgien ist. Entscheidend für die Stabilisierung sind die Kontinuität und das Ausmaß der Trendumkehr; die Nähe zum Referenzwert ist dabei prozeßpolitisch vollständig belanglos. Zum Schluß soll der Aspekt der Konzeptionsgerechtheit der Fiskalkriterien kurz beurteilt werden. Aus dem Vertrag läßt sich eine Antwort nicht direkt ableiten. Es hängt entscheidend davon ab, ob die Politiker die Tolerierungsformen zur Umgehung nutzen werden oder ob sie die strengere Einhaltung anstreben werden. In ihrer jetzigen Form sind die Konvergenzkriterien wenig glaubwürdig und nicht in der Lage, eine politisch gewollte, positive Signalwirkung zu erzeugen. Dennoch ist eine andere Wirkung nicht auszuschließen. Es kann sein, daß die Finanzmärkte diese Kriterien als Leitlinien annehmen und sie als Minimumstandards für den Anpassungsprozeß an eine Stabilitätsgemeinschaft betrachten. Abweichungen werden dann durch Tendenzen, einen Zinsmalus zu verlangen, "bestraft". In diesem Sinne würde die Formel "rules versus authority" eine ganz neue Interpretation erfahren. Die "rules" (Finanzmarkt) würden die "authority" (Fiskalpolitik) zur Anpassung zwingen.

3.

Folgen der Nichterfüllung

Welche politische Bedeutung haben die Konvergenzkriterien, insbesondere wenn sie nicht erfüllt werden? Ist dann ein Eintritt in die Endstufe zur Währungsunion nicht möglich? Gemäß Art. I 09 j wird erst ein Bericht der Kommission und des EWI erstellt, den der Ministerrat beurteilt. Der Europäische Rat entscheidet dann "unter gebührender Berücksichtigung" aller Berichte, "ob ... die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt" sind und

89

" ... ob es fur die Gemeinschaft zweckmäßig ist, in die dritte Stufe einzutreten". Der Ermessensspielraum des Europäischen Rates ist insbesondere beim ersten Prüfungstenn in, 1996, groß. Er kann sich sowohl auf die wirtschaftlichen Kriterien als auch auf die politische Opportunität, in die Endstufe einzutreten, erstrecken. Eine unmittelbare materielle Bindung, die über die formale Konvergenz hinausreicht, ist nicht ableitbar.

4.

Schlußfolgerungen als Zwischenbilanz

Solange keine politischen Leitlinien die wirtschaftlichen Kriterien härten, ist nur eine bloße Interpretation gemäß der rechtlichen Fassung möglich . Sie muß die Abweichungsmöglichkeiten herausheben: Die wirtschaftlichen Kriterien sind zwar ein wesentliches Element der Verträge, aber ihr wirtschaftspolitischer Imperativ ist schwach. Die kurze Übergangsphase stützt eher die Neigung zu Abweichungen, weil sich die politischen und wirtschaftlichen Anpassungskosten in einigen Ländern als zu hoch erweisen können. Die Gefahr einer Erosion der Konvergenzkriterien ist um so größer, je größer der Zeitdruck wird. Die wirtschaftspolitische Koordinierung in der EG ist zu schwach, so daß den Konvergenzkriterien eine gemeinschaftliche, wirtschaftspolitische Unterstützung fehlt. Schließlich können dem gesamten Konzept gegenüber Zweifel vorgetragen werden, ob die Konvergenzkriterien in ihrer jetzigen Ausprägung in bezugauf die Dimensionen Zeit, Niveau und Mittel eine angemessene Strategie darstellen. Es gibt deutliche Anzeichen, daß der Maastricht-Vertrag stark auf dem politischen und wirtschaftlichen Fundament der 80er Jahre aufbaut. Diese Phase ist angesichts der bereits

90

erfolgten und noch zu erwartenden Umbrüche in den 90er Jahren eine Schönwetterphase gewesen. Die kommenden realen Anpassungsbedarfe werden die realen Niveauunterschiede zwischen den EG-Staaten sichtbar machen und auch die Wettbewerbsfähigkeit der EG-Staaten gegenüber den neuen Industriestaaten in Ostasien sowie in Mittel- und Lateinamerika herausfordern. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen erscheint es zweifelhaft, den Zeitplan von Maastricht einzuhalten. Dies trifft wahrscheinlich auch für die Strategie der Integration mit verschiedenen Geschwindigkeiten zu, zumal diese nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Probleme aufwerfen wird 5 . Die konkreten Antworten auf die eingangs gestellten drei Fragen fallen deshalb wie folgt aus: I.

Die Konvergenzkriterien sind nicht sehr streng.

2.

Die Bedeutung für den Eintritt in die Endstufe ist umstritten.

3.

Eine materielle Bindung, die die formelle Instabilitäts-Konvergenz begrenzt, ist aufgrund der vielen "Flexibilitäts-" bzw. "Tolerierungs-Regeln" aus dem Vertragswerk selbst nicht ableitbar.

Der politische Wille wird deshalb das Stabilitätsniveau bestimmen - ein unbefriedigender Zustand. Dieser wird durch die belgischen "Anregungen" im Mai 1993, die Konvergenzkriterien in Abhängigkeit von den gesamtwirtschaftlichen Bedingungen zu interpretieren, negativ verstärkt.

5

Vgl. Hasse, 1993, S. 133 ff. 91

Es ist zutreffend, daß ohne wirtschaftliche Konvergenzkriterien der politische Ermessensspielraum als noch größer und damit die Berechenbarkeil des Integrationsprozesses sowie die Glaubwürdigkeit, daß eine Stabilitätsgemeinschaft angestrebt wird, als deutlich geringer eingeschätzt werden können. Der Rückzug auf diese extreme Gegenposition offenbart indirekt bereits die Schwächen der beschlossenen Konvergenzkriterien. Folgerichtig beurteilt Herr Kees sie auch als Vermeidungsimperative, weil ihre aktive Form als wirtschaftspolitische Imperative aufgrund zweier Defizite schwach ausgeprägt ist: Einmal sind sie durch die vielen Tolerierungsformeln zu stark "erweitert" bzw. "flexibilisiert" worden . Ferner werden sie durch kein wirtschaftspolitisches Koordinierungsverfahren auf Gemeinschaftsebene gestützt. Insofern verbleiben als Anker zur Sicherung der wirtschaftlichen Konvergenz auf hohem Stabilitätsniveau die Hoffnung auf die politische Einsicht, daß eine unzureichende wirtschaftliche Konvergenz im Sinne einer Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft enorme politische Konfliktpotentiale erzeugen kann, sowie der Druck effizienter Finanzmärkte gegenüber Ländern mit Geld- und Fiskalpolitiken, die die Preisstabilität verletzen .

92

Literatur Bank fiir Internationalen Zahlungsausgleich ( 1990), Jahresbericht, Basel. Blejer, M. J. und Cheasty, A. (1991), "The Measurement of Fiscal Deficits, Analytical and Methodological Issues", in: Journal of Economic Literature, Vol. 24, Dezember, S. 1644-1678. Deutsche Bundesbank (1993), Geschäftsbericht 1992. Deutsche Bundesbank (l993a), Monatsbericht, Nr. 5 Mai. Hasse, R. ( 1992), Budget Policies for a European Monetary Union: No laissez-faire, but what kind of rules? Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 20, Institut fiir Wirtschaftspolitik an der Universität der Bundeswehr Hamburg, Hamburg. Hasse, R. (1993), "Die Nach-Maastricht-Ära: Neuorientierungen fiir den Übergang zur Europäischen Währungsunion", in: Bofinger, P., Collignon, S., Lipp, E.-M. (Hrsg.), Währungsunion oder Währungschaos? Was kommt nach der D-Mark?, Wiesbaden, S. 123 ff. Tanzi, V., Blejer, M. J. und Teijeiro, M. 0 . (1988), The Effects on the Measurement of Fiscal Impact. Methodological Issues. IMF Occasional Paper 59, Washington, D.C., Juni.

93

Diskussion

zu den Referaten von Andreas Kees und Rolf Hasse Berichterstatter: Joachim Volz Ausgangspunktder infolge zeitlicher Restriktion kurzen, aber lebhaften Diskussion waren die unterschiedlichen Standpunkte der beiden Referenten . Im Vordergrund stehen bei Kees die- wenn auch kritischeBejahung der Konvergenzkriterien als wichtigsten Mittels auf dem Wege zur Konvergenz, die These von den Konvergenzkriterien als "Mindestbedingungen"bzw. "Vermeidungsimperativen" und als bewußten Mittels auch fiir einen Mehrgeschwindigkeitenansatz in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion - dies alles mit dem Hinweis, daß die Unumkehrbarkeit des Prozesses bei Nichterfüllung des Vertrages doch noch infrage gestellt werden könne. Hasse dagegen formuliert eine grundsätzliche Kritik an der Ausgestaltung der Kriterien, den Sanktionsmechanismen und dem Zeitplan fiir das gradualistische Vorgehen; insbesondere sei die 2. Stufe der Währungsunion zu kurz geraten. Verbunden damit ist eine große Skepsis, ob es im schlimmsten Falle noch ein "Entkommen aus dem Vertrag" geben kann. Schiemann weist allerdings darauf hin, daß in der Interpretation von Kees die vorgesehene zweite Stufe der EWWU dann nicht zu kurz sei, wenn die Konvergenzkriterien bzw. ihre unterschiedliche Erfüllung gerade dazu angelegt worden seien, zwei oder mehrere Geschwindigkeiten für die entsprechenden Gruppen von Ländern vorzusehen. Fraglich sei allerdings, ob Sanktionen nur über die Märkte ein geeignetes Mittel zur Einhaltung der notwendigen Disziplin seien. Auch für Fuest liegt in den Sanktionsmechanismen ein Hauptproblem. Wie sollen diese hinsichtlich der finanzpolitischen Erfordernisse konkret aussehen? Würde hier bei einem Versagen der nationalen Politiken nicht letztlich doch die Gemeinschaft in die Verantwortung genommen? Nach Kees dürfen allerdings die Sanktionswirkungen nicht unterschätzt werden. Die eigentliche Sanktion liege bereits in der Ankündigung eines Verfahrens, die für die Märkte ein Politikum darstelle. 94

Trotz seiner Bedenken zum zeitlichen Ablauf hält auch Hasse im Prinzip die Ermöglichung mehrerer Geschwindigkeiten auf dem Wege zur EWWU für richtig. Die politischen Implikationen einer solchen Entwicklung dürften allerdings nicht unterschätzt werden. Es sei ein va banque-Spiel, wenn bereits bei der Festlegung der Konvergenzkriterien die politische Intention ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten gewesen sei. Ein anderer Fragenkreis beschäftigt sich mit der Rolle der Konvergenzprogramme. Wie verbindlich können dieseangesichtsdes Umstandes sein, daß sie nicht einmal veröffentlicht werden (Scharrer)? Eine formale Verbindlichkeit könne allerdings von vomherein nicht beabsichtigt gewesen sein, da die Verantwortung zur Durchführung dieser Programme allein bei den Nationalstaaten liege (Kees). Die Verbindlichkeit der Konvergenzkriterien sei wesentlich größer. Die Frage, welche Regelungen und Verpflichtungen eigentlich für Länder gelten sollen, die nicht im "ersten Kreis" sind (Krägenau), wird von Hasse dahingehend beantwortet, daß im Prinzip gleiche Regeln gelten, es für Länder des zweiten Kreises aber bei einem möglichen Verstoß keine Sanktion gebe. In seinem Schlußwort hebt Kees zwei Aspekte hervor: Erstens: Die Vereinbarungen von Maastricht sind hinsichtlich der Schärfe und Realisierbarkeit einzelner Konvergenzkriterien einerseits und der vorgesehenen Termine andererseits ökonomisch nicht ganz konsistent, jedoch seien solche komplexen Verträge immer auch politisch. Zweitens: In einem künftigen Europa zweier oder mehrerer Kreise müssen Diskriminierungen von Ländern und Ländergruppen vermieden werden; im Gegenteil seien hier Brücken zu schlagen.

95

Italien: Konsolidierung der öffentlichen Finanzen nur unter EG-Zwang? Von Bernhard Seidel

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Vorbemerkung Ausgangssituation Konsolidierungsziel verfehlt Eine Modellrechnung zur Haushaltskonsolidierung Reformansätze und strukturelle Probleme Privatisierung keine Patentlösung fiir die Budgetprobleme Fazit

1.

Vorbemerkung

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnte die Analyse der italienischen Finanzpolitik eher als eine nachrangige Frage erscheinen, geht es doch in Italien um erhebliche Umwälzungen im politischen System selbst, welche die Machtstrukturen nicht nur zwischen den Parteien, sondern vor allem auch innerhalb der fuhrenden Parteien in Frage stellen. Neuwahlen stehen an, und zwar unter den Bedingungen eines neuen - noch zu entwerfenden und zu verabschiedenden - Mehrheitswahlrechts nach britischem und französischem Muster. Bis dahin haben die Parteien Zeit, ihre personelle und programmatische Erneuerung dem Wähler glaubhaft zu machen und damit der Vertrauenskrise entgegenzuwirken, die nicht zuletzt durch die Verstrickungen maßgeblicher Politiker in finanzielle oder politische Skandale begründet war. In dieser Zeit des Überganges sind grundlegende Entscheidungen auf einzelnen Politikfeldern, namentlich in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, kaum zu erwarten. Es ist sogar nicht auszuschließen, daß bereits eingeleitete, aber noch nicht in Kraft getretene Reformen ins Stocken geraten, da die erforderlichen Entscheidungen einem neuge96

wählten Parlament überlassen werden sollen. Das Problem der Haushaltskonsolidierung wird damit also eher weiter hinausgeschoben; es verschärft sich zunächst sogar noch infolge der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung in allen EG-Ländern. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob mit der politischen Erneuerung nicht auch die Aussichten fiir eine effizientere Umsetzung des politisch als erforderlich Erkannten besser werden. In der Formulierung des hier gestellten Themas schwingt freilich das Vorurteil mit, daß es angesichtsder seit vielen Jahren beständig hohen Defizite in den öffentlichen Haushalten in Italien entweder an der Einsicht in die Notwendigkeit einer Konsolidierung fehle, oder daß diese Einsicht - wenn sie denn vorhanden sei - infolge wirtschaftspolitischer Zielkonflikte bei den gegebenen Machtstrukturen nicht aus eigener Kraft umgesetzt werden könne' . Der Impuls könne in einer solchen Situation nur von außen kommen, und hier wirke die Einbindung in die Europäische Gemeinschaft als ein geeignetes Regulativ. Mit voranschreitender wirtschafts- und währungspolitischer Integration entstünde ein zunehmender EG-Zwang und wirke als ein heilsames Mittel, die inneren Widerstände zu überwinden. Ehe auf diese Frage eingegangen wird, sollen hier Stand und Entwicklung der italienischen Staatsfinanzen umrissen und in Zusammenhang mit den in den letzten Jahren verfolgten finanzpolitischen Strategien gestellt werden. Dabei dürfte auch ein Teil der strukturellen Probleme erkennbar werden. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, wie "heilsam" sich ein EG-Zwang auswirken kann und welche Restriktionen dabei zu beachten sind.

1

Vgl. auch de Haan, Sterks, de Kam, 1992, S. 36 ff. 97

2.

Ausgangssituation

Bereits seit Anfang der achtziger Jahre ist der italienische Staatshaushalt in erheblichem Ungleichgewichf. Das Finanzierungsdefizit stieg 1981 - nicht zuletzt infolge der rezessiven Tendenzen der Weltwirtschaft- von schon hohem Niveau auf gut II 1/2 vH des Inlandsproduktes und liegt seitdem bei mindestens 10 vH (1993 voraussichtlich gut 10 vH; vgl. Bild 1). Die Staatsschuld nahm dabei rasant zu; betrug sie 1980 noch knapp 60 vH des Bruttoinlandsproduktes, so wird sie 1993 bereits gut 110 vH erreichen (Bild 2). Damit sind die finanzpolitischen Kriterien von Maastricht, die fiir den Beitritt zur Währungsunion als Richtschnur dienen sollen, bei weitem überschritten. Sowohl Ausgaben als auch Einnahmen sind in den achtziger Jahren meist schneller gesteigert worden als das Sozialprodukt. Hinsichtlich der Ausgaben nimmt Italien damit unter den EG-Ländem inzwischen eine Spitzenposition ein, mit den Einnahmen liegt es indes eher noch im Mittelfeld. Bei den einzelnen Einnahmen- und Ausgabenpositionen (Bilder 3 u. 4) hat es in diesem Zeitraum allerdings erhebliche Veränderungen gegeben. So wurden der Staatsverbrauch etwas langsamer, die Ausgaben fiir Löhne und Gehälter zuletzt deutlich langsamer gesteigert als die Ausgaben insgesamt. Damit liegt der Anteil des Staatsverbrauchs am Bruttoinlandsprodukt ·noch immer unter dem vieler EG-Staaten und auch deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Dies gilt auch fiir die Löhne und Gehälter sowie fiir die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Auch die staatlichen Investitionen sind nur unterdurchschnittlich gesteigert worden. Ihr Anteil ist mit knapp 3 1/2 vH im Ländervergleich allerdings hoch, entspricht aber dem Bedarf an 2 Der Analyse wurden die von der OECD im Economic Outlook vom Dezember 1992 veröffentlichten Daten (auf Disketten einschließlich historischer Zeitreihen) zugrunde gelegt, die auch eine Prognose fiir 1993 und 1994 enthalten . .

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Bild 8

Was die Steuern betrifft, dürften eher Zweifel angebracht sein, daß Einnahmensteigerungen im Tempo der letzten Jahre ohne weiteres zu erzielen sind. Bei der hier vorgenommenen Fortschreibung würde die gesamtwirtschaftliche Steuerlast in Relation zum Bruttoinlandsprodukt bis zum Ende der neunziger Jahre auf über 28 vH, bis zum Jahr 2005 sogar auf fast 30 vH steigen (Bild 8); Italien würde damit unter den EG-Ländern eindeutig zur Spitzengruppe zählen. Ohne merkliche Steuerrechtsänderungen ließe sich eine solche Steigerung wohl kaum erreichen. Weitere Erfolge gegen Steuerhinterziehung zu erringen, dürfte immer schwieriger werden. Der Spielraum flir Steuererhöhungen ist aber begrenzt. Mit dem Mehrwertsteuersatz liegt Italien bereits über dem EG-Durchschnitt, so daß eine Erhöhung hier aus Wettbewerbsgründen, zumal wenn das Ursprungslandprinzip eingeführt werden sollte, kaum ratsam ist. Bei der Mineralölsteuer, die europaweit mittelfristig in den Steuersätzen weitgehend harmonisiert werden soll, stehen für Italien sogar Steuersenkungen an. Von den bedeutenderen Verbrauchsteuern besteht also nur bei der Tabaksteuer und der Steuer auf Branntwein die Möglichkeit zur Tarifanhebung. Schließlich könnten sich Erhöhungen bei der Steuer auf die Einkommen in einem internationalen Umfeld, in dem die Hochsteuerländer die Belastungen bereits deutlich heruntergefahren haben oder dies planen, als kontraproduktiv erweisen, da Italien nicht zu den Ländern mit niedrigen Steuertarifen zählt. Die Sozialbeiträge sind dagegen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Italien noch vergleichsweise niedrig. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß das Gesundheitssystem nicht im Rahmen der Sozialversicherung organisiert ist und zu einem großen Teil aus Steuermitteln finanziert wird. Die Sozialversicherung selbst weist kein strukturelles Ungleichgewicht auf. Soweit detaillierte Informationen nach den verschiedenen staatlichen Ebenen vorliegen, sind die Konten der italienischen Sozialversicherung weitgehend ausgeglichen oder schließen mit einem positiven Finanzierungssaldo ab. Dabei erhält die Sozialversicherung in Italien in wesentlich geringerem Maß als in anderen Län112

dem Nettotransferzahlungen vom Zentralstaat und den lokalen Gebietskörperschaften. Eine stärkere Steigerung der Sozialbeiträge sollte daher wohl vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der sozialen Leistungen gesehen werden. Zusammengenommen dürfte bei den beiden gewichtigsten Posten auf der Einnahmenseite also kaum ein höherer Pfad zu erreichen sein. Dagegen dürfte es erhebliche Risiken geben, die zurückhaltende Ausgabenpolitik durchzuhalten. Einmal droht die Gefahr, daß wieder Verteilungskämpfe aufbrechen, wenn die im öffentlichen Dienst Beschäftigten über längere Zeit am volkswirtschaftlichen Realeinkommensanstieg nur noch geringfügig beteiligt werden 5• Zum anderen bedarf es großer Anstrengungen, die Zunahme der sozialen Leistungen in angemessenen Grenzen zu halten. Viel dürfte hier davon abhängen, ob die bereits eingeleiteten Reformen greifen und inwieweit es gelingt, weitere Reformen durchzusetzen. Im Gesundheitswesen soll der Kostenanstieg gebremst und die Effizienz auch durch die Neuregelung der Zuständigkeiten verbessert werden. Die 1978 eingeführte, weitgehend kostenfreie medizinische Versorgung der Bevölkerung nach englischem Muster litt an einem höchst ineffizienten hierarchischen Verwaltungssystem, in dem die nachgeordneten Gebietskörperschaften die vom Zentralstaat in einem Plan festgelegten Richtlinien umsetzten. Soweit die staatlich bereitgestellten Mittel - knapp die Hälfte stammte von der Sozialversicherung, mit 3 vH ein vernachlässigbar kleiner Teil aus einer Kostenbeteiligung der Patienten - dafür nicht ausreichten, wurden die Defizite durch das nationale Budget abgedeckt. Aber auch die Qualität der medizinischen Versorgung wird vielfach als unzureichend kritisiert, und neben dem ineffizienten öffentlichen Gesundheitswesen ist für Besserverdienende ein expandierender Markt für private Gesundheitsdienste entstanden. Die eingeleitete Reform hat die Verlagerung der finanziellen Verant-

5

Vgl. Picchio, 1993, S. 16 ff. 113

wortung auf die regionale Ebene und die Abschaffung der Zugriffsmöglichkeit auf den Zentralstaat zum Kern. Dies soll auch der Stärkung der Kontrolle und damit der Effizienzsteigerung in der medizinischen Versorgung dienen. Auch für den Patienten soll eine größere Transparenz zwischen den in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten hergestellt werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der · Ausgabenanstieg auf diese Weise gedämpft werden kann. Ein Risiko ist hierbei die demographische Entwicklung. Denn ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland haben die sinkenden Geburtenraten und die höhere Lebenserwartung, die mit der Verbesserung der medizinischen Versorgung und dem wissenschaftlichen Fortschritt in diesem Bereich einhergeht, den Altersaufbau der Bevölkerung erheblich verändert. Der Anteil der älteren Bürger hat deutlich zugenommen, zudem steigt der Anteil derjenigen, die nicht mehr in der Familie versorgt werden, sondern Einrichtungen der Altenfürsorge in Anspruch nehmen. Die demographischen Veränderungen erhöhen auch den Ausgabendruck bei der Rentenversicherung. Kamen in Italien auf einen Bürger im Rentenalter (60 Jahre und älter) 1990 noch gut drei Erwerbspersonen, so werden es nach Bevölkerungsfortschreibungen im Jahr 2000 nur noch 2,7, im Jahr 2010 sogar nur noch reichlich zwei Erwerbspersonen sein6 • Auf diese Verschiebung in der Relation zwischen der Zahl der potentiellen Beitragszahler und jener der Rentenempfänger wird einerseits mit einer merklichen Anhebung der Beiträge reagiert werden müssen. Andererseits ist es wohl auch unumgänglich, die Reformvorschläge zügig umzusetzen, die zu Einsparungen führen. In Italien liegt das Renteneintrittsalter noch außerordentlich niedrig, für Frauen bei 55, für Männer bei 60 Jahren, auch sind die Anspruchsgrundlagen vergleichsweise großzügig geregelt: So kann die Altersrente bis zu 80 vH des beitragspflichtigen Erwerbseinkommens (2 vH

6

114

Vgl. Sartor, 1992, S. l6a.

je angerechnetes Beitragsjahr) betragen, wobei sich die Höhe der Renteam Einkommen der letzten fiinf Erwerbsjahre berniße. Zudem kann unabhängig vorn Alter die Frühverrentung gewährt werden, wenn mindestens 35 Versicherungsjahre erreicht sind. Überdies wird kritisiert, daß bei der Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit sehr freigebig verfahren wird 8 • Vorgesehen ist, das Eintrittsalter fiir die Altersrente schrittweise auf 60 bzw. 65 Jahre heraufzusetzen sowie die Rentenberechnung stärker an der fiir das gesamte Erwerbsleben maßgeblichen Einkommenssituation zu orientieren. Darüber hinaus sollen Renten nicht mehr in vollem Umfange an die Reallohnentwicklung und die Inflation angepaßt werden. Dies alles dürfte die Dynamik der Ausgabensteigerung abbremsen, so daß diese mit der Beitragsentwicklung besser in Einklang gebracht werden kann. Ob aber die Entlastungen der Haushalte der Gebietskörperschaften darüber hinausgehen können, erscheint fraglich . Vielfach dienen die staatlichen Investitionen in Konsolidierungsstrategien als die flexibelste Manövrierrnasse. Auch in Italien waren die Investitionen bereits in den achtziger Jahren gegenüber den siebzigernerheblich heruntergefahren worden. Zwar liegt ihr Gewicht immer noch über dem Durchschnitt der EG-Staaten, weitere Einschränkungen könnten aber angesichts der Defizite in den rückständigen Regionen und auch im Umweltschutzbereich dem Bemühen um eine räumlich ausgewogenere und umweltverträglichere wirtschaftliche Entwicklung entgegenwirken. Überhaupt müssen bei Konsolidierungsstrategien auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen betrachtet werden. Schon bei einer Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben im hier skizzierten Trend, also fiir den Fall einer allmählichen Konsolidierung, gäbe es Entzugseffekte durch die staatliche Finanzpolitik in Höhe von jährlich gut

7

Vgl. OECD, 1992/1993, S. 58.

8

Vgl. OECD, 1990/1991 , S. 57 f. 115

1 vH des Sozialprodukts. Mit der Erhöhung der Steuerlast wird den Privaten Kaufkraft entzogen, mit der Ausgabenzurückhaltung entfällt entweder unmittelbar staatliche Konsum- bzw. Investitionsnachfrage oder mittelbar über die Transfereinkommen private Konsumnachfrage. Zweifellos sind auch positive Impulse in Rechnung zu stellen. Einmal wird die geringere staatliche Nachfrage am Kapitalmarkt zu einem weiteren Rückgang des Zinsniveaus führen und damit von der Kostenseite her positive Signale für die private Investitionstätigkeit geben. Zum anderen dürfte, wenn die Konsolidierungserfolge sichtbar werden, das Vertrauen in die italienische Wirtschafts- und Finanzpolitik im Inland und im Ausland gestärkt werden 9 • Inwieweit diese Impulse ausreichen, die staatlichen Entzugseffekte auszugleichen, ist allerdings fraglich. Simulationsrechnungen mithilfe von ökonometrischen Modellen kommen meist zu dem Ergebnis, daß auf kürzere Sicht die Entzugseffekte überwiegen. Dies gilt zumal in einer Situation, in der die Wirtschaft noch deutlich unterausgelastete Kapazitäten ausweist, wie es gegenwärtig im Zeichen der inzwischen länger anhaltenden weltweiten Schwächeperiode der Fall ist. Bei der hier durchgeführten Modellrechnung ist angenommen worden, daß es trotz der staatlichen Entzugseffekte noch zu einem verhältnismäßig kräftigen gesamtwirtschaftliche Wachstum kommt, gestützt auch durch die wechselkursbedingt verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft auf den internationalen Märkten. Wird die wirtschaftliche Entwicklung aber im Zuge der Konsolidierung der Staatsfinanzen doch stärker gedämpft, so läßt sich zeigen, daß sich der Konsolidierungserfolg erst weitaus später einstellen wird. Denn einmal kommt es nur in geringem Maße zu den erwarteten Einnahmeverbesserungen bei den Steuern und - bei zunehmenden Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt - den Sozialbeiträgen, zum anderen steigen die Anforderungen an die Gewährung von Transfereinkommen. Wird ein Wachstumspfad von nur 1,5 vH durchschnittlich

9

116

Vgl. auch Sartori und Scandizzo, 1992, S. 580 ff.

Jahr 2000 1111~h -l .. t 'II dc-.. Bll'. dt~· \taat-..-..12huld noch 108 vll. Auch im Jahr 2005 \\ärc n11d1 cut Dcti111 ( 1.1 v11) zu verzeichnen, die Staatsschuld würde auf gut 90 \ II zurückgeftihrt. ,.tllrlt, Ii ~.·rr~· •~ht. "'' octnig.c da-.. lkli1it

6.

1111

Privatisierung keine Patentlösung für die Budgetprobleme

Im Bemühen um den Abbau der Budgetdefizite gründen sich viele Hoffuungen auch auf die Privatisierung der staatlichen Betriebe, flir die I 992 entsprechende Weichen gestellt worden sind. Neben der Neuordnung und Entflechtung der staatlichen Beteiligungen und der Umwandlung der Betriebe in Aktiengesellschaften ist die Veräußerung des Aktienkapitals an private Anleger beabsichtigt. Hier ist ein differenziertes Vorgehen geplant, das Spektrum reicht von der Abgabe des gesamten Aktienkapitals an Private bis zum Halten einer Minderheitsoder der Mehrheitsbeteiligung 10 • Im Grundsatz kann die Privatisierung in der angespannten Situation der Staatsfinanzen eine Entlastung mit sich bringen: Mit der Vermögensumschichtung ist die Verminderung der Staatsschuld und damit eine Reduktion des enormen Schuldendienstes verbunden; auch entfallt die Verpflichtung zur Verlustabdeckung, die den Staatshaushalt in den vergangeneo Jahrzehnten immer wieder erheblich belastet hatte. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, daß bei der Abgabe des Aktienkapitals geklotzt und nicht gekleckert wird und daß nicht vor der Überführung der Staatsbeteiligungen in private Unternehmen kostspielige Sanierungsmaßnahmen erforderlich werden, die den voraussichtlichen Veräußerungserlös weitgehend verschlingen. Eine Gefahr besteht auch darin, daß es zwar gelingt, die ohnehin gewinnträchtigen Unternehmen zu veräußern, nicht aber die zuschußintensiven Problembetriebe.

10

Vgl. ISCO, 1993, S. 91. 117

Nach einem im November dem Parlament vorgelegten Plan der Regierung sollen innerhalb von drei Jahren durch die Privatisierung Nettoerlöse in Höhe von 27 Billionen Lire, das sind nicht ganz 30 Mrd. DM, erzielt werden 11 • Selbst wenn die Pläne in vollem Umfange verwirklicht werden können, erscheint die Entlastung noch nicht weitgehend genug; das Defizit - nach neuesten Schätzungen 160-170 Bill. Lire oder rund 180 Mrd. DM 12 - würde gerade um gut 5 vH im Jahr, und die Staatsschuld würde insgesamt um I 1/2 vH verringert werden können. Zudem wird der Plan der Regierung vielfach fiir zu optimistisch gehalten, da Hemmnisse durch die schleppende parlamentarische Beratung und durch Kompromisse erwartet werden, die eine Realisierung erschweren 13 • Ohnehin kann die Vermögensumschichtung die anderen Konsolidierungsmaßnahmen im öffentlichen Haushalt nur ergänzen, nicht aber ersetzen; der Umfang des auf mittlere Sicht veräußerbaren Unternehmenskapitals wird auf rund 15 vH des Bruttosozialprodukts geschätzt 14 , die Staatschuld beträgt gegenwärtig aber bereits gut 110 vH des Sozialprodukts.

7.

Fazit

An einer Rückfiihrung der staatlichen Budgetdefizite im Wege der Ausgabenzurückhaltung und weiteren progressiven Einnahmengestaltung, unterstützt durch Erlöse aus der in Gang kommenden Privatisierung, fuhrt in Italien kein Weg vorbei. Berücksichtigt man einmal die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Folgewirkungen einer Konsolidierung, zum anderen die Anforderungen an die Finanzpolitik aufgrund der erkennbaren mittelfristigen Tendenzen, so zeigt

11

Vgl. Pesole, I992, S. I06.

12

Vgl. Pesole, I993a, S. 25.

13

Vgl. Pesole, I 992, S. I06 f.

14 Vgl. Commissione per il riassetto del patrimonio mobiliare pubblico e per Je privatizzazioni, Rapporto al Ministero del Tesoro, Roma 1990, zitiert nach: OECD, 1990/199I, S. 56.

118

sich, daß eine solche Konsolidierung der staatlichen Haushalte nur allmählich und nicht schockartig erfolgen kann. Die Kriterien von Maastricht sind damit von Italien innerhalb des bislang in Frage stehenden Zeitraumes nicht zu erfüllen. Würden sie sehr strikt angewendet, dann müßte Italien zunächst der Währungsunion fernbleiben. Nun sieht der Vertrag von Maastricht vor, daß auch deutliche Verbesserungen honoriert werden können, auch wenn die Referenzwerte (Defizit: 3 vH des Bruttoinlandsprodukt; Schuldenstand: 60 vH) noch überschritten sind. Würde davon nun im Falle Italiens Gebrauch gemacht, so bedeutete dies jedoch eine erhebliche Aufweichung der Bedingungen für den Zugang zur EWU; sie dürfte von den stabilitätsbewußten Mitgliedstaaten nicht ohne Not toleriert werden. Es bleibt zu klären, ob in dieser Situation von der Gemeinschaft ein Zwang ausgeht, der den finanzpolitischen Kurs Italiens bestimmt. Dafür spricht, daß die Bemühungen um Konsolidierung in der Vergangenheit mit zunehmender Einbindung in das europäische Währungssystem stärker geworden sind bzw. konsequenter verfolgt wurden. Zu berücksichtigen ist aber, daß dabei offensichtlich wirtschaftspolitische Freiheitsgrade verloren gegangen sind: Das Bemühen um mehr wirtschafts- und währungspolitische Disziplin war begleitet von einem schleichenden Verlust der Wettbewerbsfahigkeit, von Zahlungsbilanzproblemen und von einer Verringerung der Dynamik der italienischen Wirtschaft, die vorher unter den EG-Staaten immer zu den wachstumsstarken zählte. Dies gibt zu der Frage Anlaß, ob der EG-Zwang nicht zu stark war und damit gerade sein Ziel verfehlte. So konnten die restriktiven geldpolitischen Maßnahmen nicht verhindern, daß sich infolge verzögerter Anpassungsreaktionen die Preissteigerungsraten in Italien nur allmählich zurückbildeten. Damit entstanden im EWS Divergenzen, die durch die Beweglichkeit der Wechselkurse innerhalb des Systems nicht ausgeglichen werden konnten. Um dennoch Wechselkursanpassungen zu vermeiden, mußte Italien ein hohes Zinsgefalle aufrecht erhalten. Erst die Spekulation hat die überfallige Anpassung der 119

Wechselkursrelationen erzwungen. Italien scherte daraufhin - vorübergehend - aus dem EWS aus und verletzte ein weiteres MaastrichtKriterium, die währungspolitische Stabilität im EWS, hat aber nun in der Verfolgung der wirtschaftspolitischen Ziele einen Freiheitsgrad mehr. Nicht zuletzt deshalb sind die wirtschaftlichen Erwartungen in Italien trotz der restriktiven Finanzpolitik derzeit weitaus optimistischer als in anderen Ländern der Gemeinschaft 15 • Freilich droht dieser Freiheitsgrad verloren zu gehen, wenn abwertungsbedingte Preissteigerungen- wie schon mehrmals in der Vergangenheit- eine Preis-LohnPreis-Spirale in Gang setzen. Die Erfahrung zeigt, daß Zwänge ihre Wirkung verlieren, wenn sie mit Anforderungen verknüpft sind, die nicht zu erfüllen sind. Die eigenen Anstrengungen können nur dann von außen wirksam gestützt werden, wenn die geforderten Bedingungen erreichbar erscheinen. Die italienische Wirtschafts- und Finanzpolitik ist zwar gut beraten, ihren Konsolidierungskurs konsequent weiterzuverfolgen, kaim sich dabei aber von den inländischen Erfordernissen leiten lassen, da realistische Perspektiven im EG-Verband fehlen 16 • Es sei denn, die Gemeinschaft entschließt sich dazu, den ohnehin zunehmend illusorisch erscheinenden Zeithorizont zu strecken. Für die italienische Finanzpolitik ist Augenmaß angebracht. Denn es geht nicht darum, sich dem unmäßigen Leviathan entgegen zu stemmen. Gemessen an den Verhältnissen in anderen EG-Staaten hat der Staat im engeren Sinne in Italien kein Übergewicht. Es muß aber die Balance wiedergefunden werden, die während der Phase einer diskontinuierlichen Entwicklung zwischen Ausgaben und Einnahmen verloren gegangen ist. Darüber hinaus muß vor allem für mehr Effizienz bei der staatlichen Aufgabenerfüllung gesorgt werden. Der gegenwärtig zu beobachtende Mangel an Akzeptanz gegenüber der staatli-

120

15

Vgl. Le Monde, 1993, S. 28; Baldassarri, 1993, S. 19.

16

Vgl. auch Buiter, Corsetti und Roubini, 1993, S. 89 f.

chen Verwaltung ist nicht zuletzt darauf zurückzutuhren, dab d1e Qualität der staatlichen Leistungen als unzureichend angesehen wird und daß der Staat vielfach an den Interessen der Bürger vorbei seinen Aufgaben nachgeht 17 • Die Alternative dazu kann aber nicht sein, gleiches oder weniger zu leisten und dafiir die Ausgaben einzuschränken, sondern die gegebenen Mittel wirksamer einzusetzen. Refonnen, die in diese Richtung gehen, schaffen auch wieder das nötige Vertrauen in den Staat und das politische System.

Literatur Baldassarri, M. (1993), "Siamo solo ai primi passi", in: Mondo Economico vom 13 .01. Buiter, W., Corsetti, G., und Roubini, N. (1993), "Excessive deficits: sense and nonsense in the Treaty of Maastricht", in : Economic Policy, 16, S. 58-90. Oe Haan, J., Sterks, C.G.M., und de Kam, C.A. (1992), "Towards budget discipline: an economic assessment of the possibilities for reducing national deficits in the run-up to EMU", in: Commission of the European Communities, Directorate-General for Economic and Financial Affairs (Ed.), Economic Paper, No. 99, Brussels. ISCO, Rapporto semestrale (1993), Febbraio. Le Monde vom 21./22.03.1993, "Italie: tounnente salutaire". Mondo Economico vom 22.5.1993, "II j'aceuse di Cassese". OECD, Economic Survey ltaly, diverse Jahrgänge, Paris.

17

Vgl. Mondo Economico, 1993, S. 29. 121

Pesole, D. (1992), "In arrivo; siluri del Parlamento", in: Mondo Economico vom 28.11. Pesole, D. (1993), "Edietro l'emergienza spunta la'manorra bis", in: Mondo Economico vom 16.01. Pesole, D. (1993a), "Conti pubblici in picchiata aspettando il Governissimo", in: Mondo Economico vom 10.04. Picchio, N. (1993), "Pubblico impiego: Una battaglia all'ultima Lira", in: Mondo Economico vom 29.05. Sartor, N. (1992), L'intervento pubblico in economia: Francia, Germania e Italia, Roma (als Manuskript vervielfältigt). Sartori, F., und Scandizzo, P.L. (1992), "Sentiere di rientro del debito pubblico in Italia. Ottimalita e gradualita", in: Rassegna Economica. 3, S. 565-589.

122

Diskussion zum Referat von Bernhard Seidel Berichterstatter: Uwe Dürkop Der skeptischen Beurteilung der Möglichkeit, die finanzielle Konsolidierung durch Privatisierung zu erleichtern, wurde entgegengehalten, daß negative Spätfolgen dieser Strategie als vermeidbar gelten müßten. Ineffiziente öffentliche Unternehmen, fiir die keine Perspektive bestehe, müßten- vom Standpunkt der ökonomischen Vernunft aus- geschlossen werden und würden die öffentlichen Haushalte entlasten. Der Verzicht auf Subventionierung nicht überlebensfähiger privater Unternehmen eröffue zusätzlichen Einsparungsspielraum. Im Binnenmarkt, der den staatlichen Subventionen sehr enge Grenzen aufzeige, sei eine solche Politik auch leichter durchsetzbar. In diesem Sinne fordere die EG-Integration also die fiskalische Konsolidierung (Giaß). Andere Diskussionsteilnehmer schätzten die Chancen ftir einen beschleunigten Subventionsabbau zurückhaltender ein: Zwar könne man bis zu einer erfolgreichen Sanierung erwartete Verluste der betroffenen Unternehmen kapitalisieren, um die sofortige Veräußerung zu ermöglichen (Hasse). Diese Methode belaste aber gleichfalls den Staatshaushalt und sei, wie die Erfahrungen mit der Treuhandanstalt lehrten, nicht in jedem Fall anwendbar (Seidel). Was ökonomisch richtig sei, sei außerdem noch lange nicht politisch durchsetzbar: Betriebsstillegungen im großen Maßstab wären so lange schwer zu begründen, wie den Betroffenen keine Perspektive aufgezeigt werden könne. Beim Subventionsabbau behindere darüber hinaus eine gegenseitige Blockade der Partner auf Gemeinschaftsebene weitere Fortschritte. Umstritten war, wie groß die Konsolidierungsspielräume der italienischen Regierung und der Banca d'ltalia seien. Das vom Referenten vorgestellte Szenario entwerfe noch ein relativ optimistisches Bild. Das CEII halte etwa nach eigenen Berechnungen die sich auf die öffentlichen Haushalte beziehenden Konvergenzkriterien fiir Italien in absehbarer Zeit für in keinem Fall erreichbar (Pisani-Ferry). Einerseits wurde darauf hingewiesen, daß aufgrund der Dominanz kürzerer 123

Fristen unter den Schuldtiteln des italienischen Staates Zinssenkungen angesichts der hohen Zinsreagibilität des staatlichen Schuldendienstes zügig auf den Haushalt durchschlagen und somit die Konsolidierung beschleunigen würden (Hasse). Das Revolvieren der Altschulden werde zukünftig jedoch kaum große Entlastung bringen, da das Zinsniveau schon jetzt stark gesunken sei und weitere Zinssenkungen somit immer unwahrscheinlicher würden. Dies komme auch darin zum Ausdruck, daß in jüngster Vergangenheit der Schuldendienst in Relation zum Nettoschuldenstand nahezu konstant geblieben sei. Außerdem müsse berücksichtigt werden, daß mit einem - nicht zuletzt durch die Haushaltslage induzierten - schlechteren Rating italienischer Bonds der Zinsendienst tendenziell steige (Roth). In einer pessimistischeren Betrachtung der Finanzlage wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob eine Währungsreform fiir Italien mittlerweile nicht unumgänglich geworden sei, wenn - wie beschrieben - der Zinsendienst schon die laufende Neuverschuldung übertreffe (Harbrecht). Außerdem müsse in dem entworfenen Szenario berücksichtigt werden, daß mit dem der Sparpolitik nachfolgenden Rückgang wirtschaftlicher Aktivität auch zusätzliche Ausgaben insbesondere im Sozialbereich sowie Steuermindereinnahmen verbunden seien (Schiemann). Jedoch dürfe die psychologische Wirkung eines Währungsschnitts nicht unterschätzt werden. Für eine Währungsreform bestehe in Italien solange kein Anlaß, wie vom Schuldenstand selbst keine unmittelbare Gefahr fiir die Stabilität ausgehe. Eher sei noch das Mittel einer Schuldenkappung in Betracht zu ziehen, wobei unter konjunkturellen Gesichtspunkten beachtet werden müsse, daß die Entwertung von Forderungen an den Staat auch Kaufkraft vernichte (Seidel). Anschließend wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern die Einbindung Italiens in die Gemeinschaft die Bemühungen um Konsolidierung seines öffentlichen Haushalts fordern könne. Dies geschehe vor allem auf zwei Wegen: Zum einen werde dieser Prozeß seit Herbst 1991 durch die Verhandlung eines Konvergenzprogramms begleitet. Im Herbst des vergangenen Jahres wurde diese wirtschaftspolitische Abstimmung noch intensiviert (Kees). Zum zweiten gewährleisten die Verein124

barungen von Maastricht zukünftig, daß der unkontrollierten Aufnahme von öffentlichen Schulden Grenzen gesetzt seien. Schon heute sei die Zentralbank nicht mehr verpflichtet, auf dem Markt unverkäufliche Bonds aufzukaufen (Seidel, Harbrecht, Schiemann). Auf der anderen Seite enge die Gemeinschaft allerdings mit der Harmonisierung der indirekten Steuern den Handlungsspielraum fiir die Konsolidierung ein. Zwar sei numerisch fiir die Mehrwertsteuer nur eine Untergrenze festgelegt worden, doch intensiviere sich mit dem sich abzeichnenden Übergang zur Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip der Steuerwettbewerb über das heutige Maß hinaus, welches ohnehin zu erheblichen fiskalischen Wettbewerbsverzerrungen gefiihrt habe (Seidel). Der Handlungsspielraum der italienischen Regierung werde schließlich noch dadurch eingeschränkt, daß sie wichtige öffentliche Güter in besserer Qualität bereitstellen müsse, um die Abwanderung insbesondere von Nutzern mit höheren Einkommen zu privaten Anbietern in Grenzen zu halten (Senti). Insbesondere im Gesundheitswesen müsse der sich abzeichnenden Gefahr einer "Zwei-Klassen-Medizin" begegnet werden. Der Notwendigkeit, das Leistungsangebot auszuweiten, ständen jedoch erzielbare Effizienzgewinne in beträchtlichem Umfang gegenüber, so daß es per Überschlagsrechnung in dem vorgestellten Szenario gerechtfertigt erschienen sei, die sich in diesem Zusammenhang abzeichnende dynamische Kostenentwicklung auf der Ausgabenseite des öffentlichen Sektors zu vernachlässigen (Seidel). Ähnlich schwer wie das Einsparungspotential bei den sozialen Dienstleistungen sei schließlich auch die Dimension zu beurteilen, die die Schattenhaushalte in Italien mittlerweile angenommen hätten. Hier bleibe nur die Vermutung, daß ihre Bedeutung im Zuge der Privatisierung abnehmen werde.

125

Does the United Kingdom have special problems in achieving convergence? By David G Mayes

·t.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. I 0.

The Process of Integration The Process of convergence Methods of approach Nominal disparities Structural disparities Policy disparities Institutional disparities Behavioural disparities Real disparities Concluding remark

Acknowledgement: This paper draws on three strands of research at NIESR. The first is the Economic and Social Research Council's Single European Market Research Programme (SEM), entitled ' The Evolution of Rules for a Single European Market', which I co-ordinate. This programme involves a large network of researchers, not just in the UK but throughout the EC 1• The second is a joint study with the ifo Institut fiir Wirtschaftsforschung in Munich comparing the stimulus to change provided by the 1992 programme in Britain and Germany, financed by the Anglo-German Foundation. My colleagues Peter Hart and Duncan Matthews have been particularly active in this work. Finally, the world and domestic economy teams at NIESR have been active in exploring convergence among the European economies, particularly in the field of labour markets. This research is financed primarily by the ESRC's Macroeconomic ModeHing Consortium and also by the Leverhulme Foundation. Bob Anderton, Ray Barrell, Jan Willern In't Velt, Nigel Pain, Soterios Soteri and Garry Young were

1 Participation in this research programms is welcomed. For information please contact the author with NIESR.

126

those principally involved. This paper reflects just my own views and I gratefully acknowledge the support of the ESRC in its production. The United Kingdom negotiated two main areas of special treatment in the Maastricht Treaty. The first was a decision not to participate in the 'Social Chapter, which therefore had tobe appended as aseparate protocol by the other eleven member states and the second was the right to decide whether or not to participate in Stage 3 of economic and monetary union when the time comes even if the UK has at that stage met the criteria for entry. Since then the process has been further complicated as Denmark has had to negotiate some special provisions, some of which apply across the whole EC, in order to gain a favourable majority in the second referendum in May 1993, following rejection in the first referendum in the previous June. One of the major extra items emphasised at the Edinburgh summit last December was the principle of 'subsidiarity', which, inter a/ia, acknowledges that member states have sufficiently different characteristics that many aspects of Community legislation are most efficiently and effectively implemented by responsibility at the member state rather than the EC Ievel even though the objective is to achieve an equitable impact across the whole Community. This paper explores whether the UK ts m some sense sufficiently different from its partners in the Community that it merits special treatment under the Maastricht Treaty. But it treats this as part of the wider question of whether differences across the whole of the Community mean that as we move to 'ever closer union' in fact implementation will have to become morevariable in order to achieve adequate progress. This raises the fundamental question of whether in fact integration on this basis is indeed the step forward that it appears. Subsidiarity, for example, can offer both a means to more flexible adjustment to a common goal and a means of avoiding adjustment to that goal. Similarly, the opt outs for the UK in the Maastricht Treaty may offer a means of more flexible adjustment to the goal of econ-

127

omic and monetary union or they could be used as a means of avoiding participation in EMU. This difference is fundamental as the European Community has hitherto proceeded on the basis of movement towards a common Ievel of integration (in a political sense- clearly it is an empirical matter how much the individual economies become integrated given the same opportunities). What has been permitted is a series of derogations to permit slower adjustment for member states with specific difficulties. The goal has never been in doubt, merely the length of time required to get there. The Maastricht provisions are fundamentally different as they do not set slower but specific timetables for those in difficulty. They provide the scope for the permanent division of the Community in more than one dimension. Indeed the convergence conditions are such that separation is ensured for the foreseeable future 2 unless the conditions are changed or liberally interpreted countries such as Belgium or Italy, with high debt ratios cannot expect to be admitted to Stage 3 until weil into the next century. The concept of a 'two-speed' or multispeed Europe is therefore a misnomer as it implies that a common goal will be reached by the member states at different rates. A far better description is the German idea of a 'variable geometry' Europe where member states reach different Ievels of integration in various dimensions, be they social, monetary or political. This may indeed offer a more plausible way forward to expand the Community to include the countries of central, eastem and southem Europe that would like to become full members during the next decade or so. The disparities in the Community, especially an enlarged one, are so great that it is not possible to argue plausibly that a single geometry could be achieved in the next few dec~des Iet alone within the timetable of the Maastricht Treaty.

2 See Britton and Mayes, 1992, where we argue that it not possible, for example, to put a date on the likely timing for Greek participation in EMU.

128

This paper therefore goes on to follow two lines of argument. The first is to explore how far the UK is indeed different from its partners and hence perhaps in need of special treatment under the treaty. The second, however, is to explore how generalisable these arguments are and whether other member states are also 'different' and in need of special treatment. The conclusion is that while some aspects of the UK's position are unique to it (and, in most instances, the Irish Republic) other member states also have facets which require special treatment. It was partly that the UK recognised, or at least wished to recognise, these differences at an earlier stage than some of its partners. However, it is argued that the source of some of the differences for the UK and the Irish Republic are far more deep-seated than for most of the other members states. 1.

The Process of Integration

The early stages of integration among countries, involving the removal of barriers to trade in goods, produce advantages for all parties that stem in part from the fact that they are different. The standard theory of comparative advantage indicates that considerable gains from efficiency and economies of scale can be reaped because each country tends to specialise increasingly in the products in which it has a relative advantage. In the case of integration within the EC, even at that stage, the considerable similarities among the member states meant that the gains came to a large extent from specialisation in the same industries, with both exports and imports rising rapidly- a Straightforward case of intra-industry trade and specialisation. In these circumstances the form of competition that takes place within each industry becomes important and it is no Ionger possible just to focus on tariff and quota restrictions. lt therefore becomes necessary to extend the scope of integration if trade is to be viewed as fair as weil as freer, as is recognised in the current GATT negotiations in the Uruguay Round. The EC has gone down this road rather faster and recognised many of these issues from the beginning. 129

The single market programme has focused discussion of these issues but not originated them. lndeed in its earliest attempts to organise 'fair' markets across the Community in coal, steel and agricultural products the EC took a highly administrative view of the way in which this should be achieved, using price fixing, quotas and other methods of regulatory control. In those cases it was possible to help European industry as a whole develop, while trying to avoid confering disproportionate benefits upon particular firms or member states. This involved a very considerable Ievel of co-operation, which in itself is part of the process of integration, as weil as closer convergence in these particular product markets. Although this particular approach is rather different from that applied in most markets the EC has always had a difficulty balancing the 'positive' and 'negative' aspects of integration (negative integration being where countries stop discriminating against each other, such as with the removal of domestic preference in public purchasing, and positive integration where countries agree to implement new common measures, such as health and safety directives). Harmonising measures clearly seeks to achieve a single approach and hence establish a form faimess in the operation of the market. There are, however, two clear difficulties. The first isthat all member states are not equidistant from the new standards and hence have different adjustment costs. This is obvious in the case of the Maastricht convergence conditions. A country like Austria, which already meets all of the conditions probably has merely to maintain current management policies in order keep within the Iimits. Others which are much more inflationary or heavily indebted need to embark upon substantial programmes of economic change if convergence is to be achieved. The second difficulty is that if responses vary then setting equal targets does not necessarily imply that the same means should be applied to achieve them . This is clearly the basis of the principle of subsidiarity. The incidence of taxes varies hence harmonising tax rates may not necessarily result 130

in applying equal incentives to the firms or purchasers in the market. Thus an oil producer like the UK will be affected rather differently by a carbon/energy tax than would ltaly or Spain or other countries with limited natural resources. However, the single market programme has espoused a much lighter requirement that had been ernerging over the previous few years, namely, that harmonisation only had to concem itself with a relatively limited range of issues relating to health, safety and the environment. Beyond that it was up to the market to deliver as much convergence as it appeared tothink fit through what has been described as 'competition among rules'. Consumers do not necessarily have similar tastes and hence meeting their needs may require different goods and services in the various parts of the Community. Similarly firms develop different approaches to production which give them a distinct market edge. These differences do not have to be eliminated for a market to function efficiently and equitably. However, other aspects of the rule system may have a major impact on the operation of the market. For example, state owned firms are not subject to the same threat of take-over or requirements for a rate of retum as publicly quoted companies. Hence the former may be able to exert a competitive edge either because they can think Ionger term or because they do not have the same obligation for profitability. (The UK has privatised many areas of public sector activity where there has been little change on the continent.) In these circumstances competition among rules is not necessarily a fair approach to competition within a system whose parts come from very different traditions. Where one member state sees that another gains an advantage over another because of the form of its rule system one might expect the other state to respond by emulating the more successful system. However, that is more easily said than done. The second country comes in at the bottom of the leaming curve. lt cannot acquire centuries of tradition ovemight. lt is often argued, for example, that there is a much greater sense of tribalism in French and 131

Gennan industry. When a fellow established company is in trouble then there is a greater tendency to help it out, when a commercial opportunity arises the tendency is to offer it to another domestic finn rather than to a price competitive foreign company. This is not usually overt discrimination but an inbuilt incentive towards mutual help. Such national characteristics can have a major impact on the process of development in Europe. In particular, if one party feels agrieved by the process it can become obstructive. This is mirrored by the SII discussions between the US and Japan where the US argued that it was aspects of the Japanese economic system which made it impossible for the US to compete effectively, however competitive its products were on price, quality or innovation. Their argument was that the persistence of the deficit despite a rising yen was a prima facie case for the existence of other barriers, aided by the long Iist of more anecdotal evidence on difficulties of market entry from US suppliers. However, although the case of the UK in the face of contineotat competition is a much milder concern it nevertheless reflects the fact that for a wide range of Community wide measures the UK is importantly different from its contineotat colleagues and the simple application of unifonn requirements based on contineotat nonns (there being substantial variation among the rest of the member states as weil) results in greater adjustment costs and disquiet. lronically the Maastricht convergence conditions impose a much a less differential burden. The UK itselfhas a strong preference for inflation at least as low as the continental nonn. lt does not believe in monetising deficits, it has a low national debt and a generat aversion to substantial deficits. The problems of last September represent the combination of entering the ERM at an unsustainably high rate3 of poor domestic monetary management which resulted in a major credit

3 NIESR was surprised how long the rate was sustained, not that it ultimately fell.

132

expansion on the back of rapidly rising house prices and of an asymmetric shock to the ERM system from the unification of Germany and the financial pressures this imposed on the Bonn government. The generic problems for the UK were largely limited to the particularly large rote that owner-occupied housing plays in asset formation in the economy, because of favourable tax rules, and the Iack of credibility of UK monetary management in international markets as the result of previous poor performance. A major reason for going into the ERM in the first place was to build up credibility. The UK actually wished to associate itselfwith the best example of EC monetary management and step away from the mistakes of the past. It is an unfortunate irony that the problems have been repeated. This paper therefore starts from the presumption that UK policy is try to enter the third stage of EMU from the very first opportunity, 1st January 1997, or whatever other date turns out to be more plausible in the light of experience. It explores whether the differences in the UK economy from its partners merit the use of different methods to achieve that objective and whether the Maastricht treaty ought to be revised as a result. The convergence requirements of the Maastricht treaty are wellknown and widely discussed4 so I do not repeat them here. lt is also possible to question the sensibleness of the criteria in generat terms without any attention to how they might impact differentially on the member states5 but other than the odd remark in passing we take th~se convergence conditions as given.

4

See Britton and Mayes, 1992, for example.

5

See Buiter et al, 1993, for example. 133

2.

The process of convergence

The terms of the Maastricht Treaty have focused attention on the nominal aspects of the process of convergence and integration among the member states. Although necessary for the achievement of a Iasting EMU this focus has taken attention away from the other aspects of convergence which are also important if the process is to be successful. I have summarised these elsewhere6 to be structural convergence policy convergence behavioural convergence institutional convergence and real convergence. It is these or rather the Iack of them which explain whether or not a country should receive special treatment with regard to its problems of nominal convergence and a focus on nominal convergence alone can be seriously misleading. I shall deal with each of these aspects of convergence in turn, however, a brief digression on the method of doing so is in order.

3.

Methods of approach

There are two simple forms of analysis which are commonly applied to examine the degree of convergence and differences in behaviour. One is Straightforward econometric modelling. The other is a comparative study of the institutional, legal and policy-making frameworks, an approach much more familiar to political scientists. In the current context both are required. The former because it shows the extent to which revealed behaviour actually appears tobe different and

6

134

Mayes, 1993.

is seen to be converging and the second because it shows the extent to which the basis from which actions stem differs and hence the potential for conflicting outcomes. The various aspects of convergence tend to get mixed up in practice and it is in fact their joint impact which is of interest. Insofar as differences in one dimension offset differences in another then the individual differences will tend tobe of less importance. For example, a common test of convergence is to explore the response of different member states to a common shock 7 • In current circumstances the response to the change in exchange rates last September might be an interesting example. Anderton et al, writing shortly before it happened, explored the possibility of a 10% orderly realignment of the other currencies against the DM, with no impact on the value of the ECU (i.e. with appropriate reweighting). In practice this is incorrect with respect to size of adjustment as the Iira and sterling fell further and, of course the French franc, inter alia, was not realigned. Nevertheless chart 1 shows that such a realignment does have a slightly differential effect on the UK compared with France, Germany and Italy. In the first place the effect on output is noticeably greater in the short run. The adjustment is fastest in Germany, despite the difficulties of unification. The shape of the adjustment path in France is similar to that in the UK while that in Italy shows a slower convergence without any tendency to overshoot. The effects on prices and wages are also more volatile in the UK (charts 2 and 3). This helps explain some of the UK's sensitivity as any misalignment within the ERM would tend to have a rather higher effect on GDP and unemployment. In part this is simply because the UK is less integrated with the economies of the other member states, simply in the sense of having less trade with them . It does mean that beingable to use the exchangerate somewhat more in the run up to monetary union could be an advantage. How-

7

See Anderton et al, 1992, for a recent illustration. 135

Chart 1

An ERM realignment: the effect on output (Percentage dlfference from base) 1.$

1

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.... UK ... .

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source: Anderton et al !1992).

136

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Chart 2

An ERM realignment: the effect on Inflation lDifference from base proportionate rate of change, multiply by 100 for percentage quarterlv rate of change) 0.006 0.00~

0.004 0.003 0.002

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11

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11

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Source: Anderton et al 11992).

137

Chart 3

An ERM realignment: the effect on wage growth (Oifference from base proportlonate rate of change, multlply by 100 for percentage quarterly rate of change) 0.006

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0.002 0.001

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0

-0.001

source: Anderton et al

Avg.l971-80

Table 7

Wehave argued elsewhere29 how these problems of real convergence might be addressed within the Community by thorough reforms ofthe budget, structural funds and the introduction of a 'social dimension' in the UK sense of the word. Franzmeyer et al (1991) have shown that the existing balance of EC policies does not work heavily in favour of improving real convergence and indicates how just reforming the Common Agricultural Policy could have a substantial effect even without increasing total EC spending.

10.

Concluding remark

lt is therefore clear from the foregoing analysis that the UK does not require any special treatment to achieve nominal convergence under the terms of the Maastricht treaty. Although this process would itself have been eased if the ERM had been more flexible and realignments within it had been possible rather than enforced exit for sterling and the Iira. As a result the system has had its credibility substantially reduced and there must now be a substantial question mark over the achievability of EMU this century irrelevant ofthe specific difficulties of the UK. Serious problems of nominal convergence do exist for other member states, particularly Greece, ltaly, Spain and Portugal (if the issue of the size of the debt GDP ratio is ignored, otherwise the problern is much more widespread). However, focusing on nominal convergence ignores many much more important sources of disparity which have to be addressed if a successful EMU is to be achieved. Structural, policy, institutional, behavioural and, above all, real convergence must be added to the Iist. Although there is widespread discontent in the UK with the issues of real convergence in terms of both unemployment and the growth of real incomes other member states have considerably greater difficulties. The problems for the UK stem from difficulties under other

29

158

NIESR, 1991.

aspects of convergence, particularly institutional, policy and behavioural disparities. Their importance has been highlighted by the progress towards completing the intemal market in the Community and have not been seriously addressed by the Maastricht treaty, except insofar as the deletion of the 'social chapter' and the agreement of a separate social protocol among the other eleven member states acknowledged their existence. lt has been the problems over ratification of the treaty in Denmark which has made the issues clearer. The development of the principle of subsidiarity may offer a way forward to allowing increasing integration hand in band with the recognition of the need to maintain diversity. However, this is yet to be demonstrated. The Maastricht treaty may in fact become a tuming point leading to less rather than more unity in the Community since it opens up the prospect of a variable geometry EC, with different Ievels of integration in the monetary, social and security spheres. The Sehengen agreement is also a precedent as an inter-govemmental agreement advancing integration among only some member states30 • Up till the Maastricht treaty the EC had been characterised by the intention of a common Ievel of integration with allowance for slower adjustment paths for those member states with difficulties and only limited exceptions for issues of fundamental importance. lt may very weil be that now the barriers which divided Europe as a result of the cold war have gone that a more flexible approach should be adopted so that the Community can be expanded more rapidly. However, it would be better to have this as an explicit decision not the result of last minute compromises in the effort to achieve agreement at Maastricht. The UK is not alone in having problems of convergence. These go weil beyond the issues of the nominal convergence conditions in the Maastricht treaty which will themselves have tobe adjusted or liberal-

30

O'Keeffe, 1992. 159

ly interpreted if EMU is to be achieved. Hence even if the Maastricht treaty is finally ratified convergence will have to be addressed again in the intergovernmental conference scheduled for 1996. By that stage it may very weil be that issues of widening appear more important and that the ambitious programme for EMU has to be modified in the light of experience. Nevertheless it is clear that the ease of convergence is procyclical and when the EC recovers from its current economic difficulties a way forward may be easier both to agree and achieve.

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161

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162

Diskussion

zum Referat von David G Mayes Berichterstatter: Uwe Dürkop Zunächst wurde das britische Verständnis von Subsidiarität hinterfragt, welches zu leichtfertig dazu benutzt werde, europafeindliche, gegen jede Form von Supranationalität gewandte Haltungen zu unterstützen und somit letztendlich dazu beitrage, Konvergenz zu blockieren. Dem müsse aus deutscher Sicht gegenübergestellt werden, daß Subsidiarität eine Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Ebenen staatlicher Machtausübung meine, die - auf die europäische Frage übertragen Supranationalität explizit mit einschlösse (van Scherpenberg). Der Vortragende entgegnete, daß mit dem Referat nicht beabsichtigt wurde, einen Standpunkt gegen die Gemeinschaft an sich zu formulieren, wohl aber das (gemessen an der Aussagekraft der Konvergenzkriterien zu ehrgeizige) Ziel der Europa-Union zu kritisieren, sowie eine Diversifizierung bzw. einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Arten der Regulierung in Europa einzuklagen. Zumindest müßten Länder mit unterschiedlichen Ausgangspositionen, um Konvergenz erreichen zu können, abweichende Strategien zur Zielerreichung einschlagen können. Ausgehend von der Feststellung des Referenten, Konvergenz müsse in einem breiteren Sinne formuliert werden, als sie in den Konvergenzkriterien zum Ausdruck komme, wurde die Frage gestellt, welche Kriterien dieser Aufgabe gerecht würden (Kees). Mayes ergänzte, daß ein weiter gefaßter Konvergenzbegriff nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ definiert werden müsse. Zunächst solle man sich in der Gemeinschaft auf Bereiche verständigen, in denen man überhaupt eine Annäherung der Verhältnisse anstrebe. Ein Erreichen der fiskalischen Konvergenz sei beispielsweise daran gebunden, daß die Steuer- und Einnahmenbasis der Mitgliedstaaten genauso einer Überprüfung unterzogen würde, wie die traditionell von ihnen übernommenen Aufgaben. Darüber hinaus erfordere eine reale soziale Dimension des Binnenmarktes (also eine Angleichung der Lebensverhältnisse) ein wesentlich 163

umfangreicheres System von Transferleistungen auf EG-Ebene. Während etwa die USA im Vergleich zur EG nur geringe ökonomische Divergenzen aufweise, läge die Transferrate dort mit 20 vH des Bruttoinlandsprodukts um ein Vielfaches über der europäischen. Fraglich sei aber dennoch, aus welchem Grunde die beschriebenen Disparitäten fiir den Prozeß der europäischen Integration von Belang seien. Außerdem müsse man sich fragen, welche institutionellen Konsequenzen ein weiter gefaßter Konvergenzbegriff mit sich bringe (Pisani-Ferry). Insbesondere seien die Forderungen nach mehr Transferzahlungen innerhalb der Gemeinschaft auf der einen Seite und die Präferierung einer im Vergleich zum Wortlaut des Maastricht-Vertrages lockereren politischen Harmonisierung auf der anderen Seite politisch schwer miteinander zu vereinbaren. Vielmehr könne die Währungsunion doch nur auf Grundlage der Politischen Union verwirklicht werden (Hasse). Hierauf bezugnehmend wies der Referent darauf hin, daß das zugrunde liegende Problem darin bestünde, unfaire Wettbewerbsvor- und -nachteile einzelner Länder zu vermeiden, die dadurch hervorgerufen würden, daß es keine wirkliche Angleichung der Lebensverhältnissse in der Gemeinschaft gebe. Letzteres sei überdies weniger ein Problem Großbritanniens, als primär der südlichen und peripheren Mitgliedsländer. Dem wurde von Rothschild widersprochen, der darauf hinwies, daß Großbritannien bei der Arbeitslosenquote signifikant über dem Durchschnitt läge, wenn man die Ausreißer Spanien und Irland einmal außer acht lasse. Mayes hob ergänzend hervor, daß eine abgestufte Integration nach dem Modell einer variablen Geometrie zwar keine befriedigende Lösung sei, die weitergehende Vorstellung einer Europäischen Union vor dem Hintergrund der mit ihr verbundenen dramatischen institutionellen Probleme jedoch explizit beschlossen werden müsse. Demgegenüber sollten Transfers die engere Verzahnung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absichern. Deren wirtschaftliche Verflechtung- etWa die Tatsache, daß Irland und Großbritannien schon heute einen nahezu gemeinsamen Arbeitsmarkt aufweisen - rechtfertige allerdings auch fiir 164

die Zeit vor einer Politischen Union einen Bedeutungszuwachs für innergemeinschaftliche Ausgleichszahlungen. Schließlich wurde eingewendet, daß bei der Kritik der Konvergenzkriterien berücksichtigt werden müsse, daß diese instrumentelle und nicht richtige Ziele seien, die deshalb der Öffentlichkeit auch kaum vermittelbar seien (Rothschild). Nach Meinung des Referenten sind diese Kriterien allerdings nicht dazu geeignet, die Stabilität einer europäischen Währungsunion auch nach ihrer Gründung zu gewährleisten.

165

Ankerwährung als Übergang zu einer einheitlichen Europäischen Währung Von Claus Köhler I. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. I 0. 11.

Die Suche nach einer internationalen Transaktionswährung Die Antwort Leitwährung Die Antwort ECU Die Entwicklung einer Ankerwährung Probleme fiir die Zentralbank der Ankerwährung Probleme fiir die Zentralbank der Partnerländer Das Infragestellen des Ankersystems durch Partnerländer Die Zuspitzung Anfang der neunziger Jahre Anforderungen an die Kooperationsbereitschaft Die Notwendigkeit einer Europäischen Zentralbank Die Bedingungen zur Ablösung der Ankerwährung durch eine Europäische Zentralbank

1.

Die Suche nach einer internationalen Transaktionswährung

Die produzierende Wirtschaft, die ihre Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend absetzt und sich einem Wettbewerb von Unternehmen verschiedener Länder mit unterschiedlichen Währungen gegenübersieht, möchte zwei Voraussetzungen erfiillt sehen: eine einheitliche internationale Transaktionswährung und einen festen Wechselkurs zwischen dieser Transaktionswährung und den nationalen Währungen. Der Wunsch nach einer internationalen Transaktionswährung resultiert aus dem Bestreben, durch Kalkulation in dieser internationalen Transaktionswährung die eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber internationalen Konkurrenten laufend zu überwachen. Diese Transaktionswährung wird dann auch als Zahlungsmittel im internationalen Wirtschaftsverkehr verwendet, und man ist bestrebt, die zur Finanzierung erfor166

derliehen Guthaben und Kredite in dieser Währung zu unterhalten bzw. aufzunehmen. Eine internationale Transaktionswährung erfüllt damit weitgehend die Funktionen, die das Geld wahrzunehmen hat. Der Wunsch nach festen Wechselkursen zwischen der internationalen Transaktionswährung und den nationalen Währungen resultiert aus dem Bestreben der Unternehmen, im internationalen Wirtschaftsverkehr allein die Leistung über die internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheiden zu lassen. Ein Unternehmen wird sich an den internationalen Waren- und Dienstleistungsmärkten durchsetzen, dessen Produktivität hoch und dessen Stückkosten damit niedrig sind. Ein im internationalen Wettbewerb stehendes Unternehmen muß in der Lage sein, seine Wettbewerbsfähigkeit durch eigene Anstrengungen zu verbessern . Unternehmen fürchten, daß ihre eigenen Anstrengungen und ihr Wettbewerbspreis konterkariert werden durch Änderungen eines zweiten Preises, des Wechselkurses ihrer Währung gegenüber der Transaktionswährung. Wertet die eigene Währung gegenüber der internationalen Transaktionswährung auf, dann steigen die Kosten der Unternehmen in der nationalen Volkswirtschaft um den Aufwertungssatz. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen sinkt. Für sie ist es schmerzlich, daß sie darauf keinen Einfluß haben. Besonders ausgeprägt ist dieses Problem bei frei schwankenden Wechselkursen. Bei einem Dollarkurs von 3,4670 DM (26.02.1985) ist auch das schlechteste deutsche Unternehmen international konkurrenzfähig, während bei einem Dollarkurs von I ,3870 DM (02.09. 1992) auch die stärksten deutschen Unternehmen hohe Verluste im internationalen Geschäft hinzunehmen haben . Dann hilft auch keine Fakturierung in nationaler Währung. Wegen zu hoher Preise in Leitwährung gehen die Bestellungen des Auslandes zurück.

167

2.

Die Antwort Leitwährung

Dem Wunsch nach einer internationalen Transaktionswährung und festen Wechselkursen wurde in der Vergangenheit durch die Schaffung von Leitwährungssystemen entsprochen. Leitwährung war jeweils die Währung, die im internationalen Wirtschaftsverkehr ohnehin dominierte. Das war in den zwanziger Jahren das Pfund Sterling und nach dem zweiten Weltkrieg der US-Dollar. Die nationalen Währungen wurden mit festen Wechselkursen an die Leitwährung gebunden. Die Kurse konnten nur in geringem Maße um die Parität schwanken. Gelegentliche Paritätskorrekturen waren bei differenzierten Preissteigerungsraten möglich. Die Zentralbanken sorgten durch Interventionen an den Devisenmärkten dafur, ·daß die Regeln des Systems eingehalten wurden. Interventionswährung war stets die Leitwährung. Notwendig war, daß die Leitwährung voll konvertibel war. Die übrigen nationalen Währungen waren das meist nicht. Damit gab es praktisch auch keine internationalen monetären Märkte. Unter sOlchen Bedingungen konnte ein Land nur in den Besitz der Leitwährung gelangen, wenn es einen Überschuß in seiner Leistungsbilanz erzielte. Das bedeutete, das Leitwährungsland mußte ein Defizit in seiner Leistungsbilanz aufweisen. Eine umgekehrte Situation, ein Leistungsbilanzüberschuß des Leitwährungslandes, fuhrte mangels ausreichender Versorgung der Weltwirtschaft mit Leitwährung zu Störungen. Es entstand eine Dollarlücke. Die Notwendigkeit, daß das Leitwährungsland ein Defizit in seiner Leistungsbilanz aufweisen mußte, fuhrte geradewegs in eine Vertrauenskrise. Ein anhaltendes Leistungsbilanzdefizit signalisiert, daß dieses Land über seine Verhältnisse lebt. Das Vertrauen in diese Währung, die Leitwährung, schwindet. Im Falle des englischen Pfundes begann man, die Pfunde bei der Bank von England in Gold umzutauschen. Die sinkenden Goldbestände beschleunigten den Zusammenbruch dieses Leitwährungssystems. Zwar haben die meisten Länder im Falle des US-Dollar von einem Goldumtausch abgesehen, jedoch konnten da168

durch der Vertrauensverlust, die Spekulation gegen die Leitwährung und der Zusammenbruch dieses Leitwährungssystems nicht verhindert werden. Dieses Leitwährungsdilemma hält davon ab, einen erneuten Versuch eines Leitwährungssystems zu starten. Da der Wunsch der produzierenden Unternehmen nach einer internationalen Transaktionswährung und festen Wechselkursen nach wie vor besteht, entwickeln sich nunmehr regionale Währungssysteme in Amerika, in Europa und im Pazifik.

3.

Die Antwort ECU

Die Europäische Gemeinschaft war nach dem Zusammenbruch des USDollar-Leitwährungssystems entschlossen, ein Festkurssystem in Europa zu errichten 1• Es wurde vereinbart, daß dieses Europäische Währungssystem EWS "zu einer engeren währungspolitischen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Zone der Stabilität in Europa fuhren soll'' 2 • Die Väter des Europäischen Währungssystems waren sich des Leitwährungsdilemmas wohl bewußt. Sie bestimmten daher nicht eine nationale Währung als Transaktionswährung in diesem Festkurssystem, sondern eine künstliche Einheit ECU. Einige sagen "der ECU", wenn sie die Abkürzung des englischen Ausdrucks European Currency Unit meinen. Andere sprechen von "die ECU". Sie haberi dann die Münze ecu (Schild) vor Augen, die vom 13. bis zum 16. Jahrhundert im heutigen Ostfrankreich und im westlichen Deutschland umlief. Das Abkommen über das EWS sieht vor, "daß eine Europäische Währungseinheit (ECU) das zentrale Element des Europäischen Währungs-

1

Europäischer Rat, 1978, Punkt A, l , 1.1, S. 13.

2

Zentralbanken der EWG-Mitgliedstaaten, 1979, Einleitung, S. 25. 169

systems darstellt" 3 • So ist auch in diesem Abkommen vorgesehen, daß die Paritäten (Leitkurse) in ECU festzulegen sind. Es hat sich aber sehr schnell gezeigt, daß man das zentrale Element eines Festkurssystems nicht einfach dekretieren kann. Eine solche künstliche Währungseinheiterftillt mit ihrer Schaffung noch keinesfalls alle Geldfunktionen. Als erftillbar erschien die Funktion als Recheneinheit (numeraire) bei der Fixierung der Leitkurse. Aber selbst das war nicht zu verwirklichen. Bei Leitkursänderungen hat man vielmehr zuerst die bilateralen Leitkurse zwischen den Mitgliedswährungen bestimmt und diese dann in ECU-Kurse umgerechnet. Die Wirtschaft rechnete nicht in ECU. Sie konnte ihre Zahlungen und sonstigen monetären Transaktionen auch nicht in ECU durchfuhren. Damit erübrigte es sich auch, ECU-Konten ftir den Zahlungsverkehr zu unterhalten. Der ECU ist auch keine Interventionswährung. Das Abkommen über das EWS sieht vielmehr Interventionen grundsätzlich in den Währungen der teilnehmenden Zentralbanken vor. Eine ad hocgeschaffene künstliche Währungseinheit kann Geldfunktionen erst allmählich ausüben. Das verlangt einen langen Zeitraum. Mittlerweile werden Anleihen in ECU denominiert und gehandelt. Es gibt einen bescheidenen internationalen Geldmarkt in ECU, und es werden ECU-Konten unterhalten. Das geschiehtallerdings weniger, um Zahlungen abzuwickeln, als vielmehr, um sich in inflatorischen Ländern gegen Abwertungsverluste zu schützen. Der ECU nimmt bis zum heutigen Tage nicht die Funktion einer Leitwährung in der Europäischen Gemeinschaft wahr.

3

170

Ebenda, S. 26.

4.

Die Entwicklung einer Ankerwährung

Die produzierende Wirtschaft hat nun einmal den Wunsch, ihre Transaktionen möglichst in einer Währung zu festen Wechselkursen abzuwickeln. Wenn ein solcher Wunsch besteht, findet der Markt auch Mittel und Wege, ihn sich zu erfiillen. Er wählte aus den Währungen des Europäischen Währungssystems eine Ankerwährung aus, nämlich die D-Mark. Die D-Mark ist in Europa eine dominierende Währung, und sie ist voll konvertibel. Aber das gleiche gilt auch flir das englische Pfund. Dominanz und Konvertibilität, die flir eine Leitwährung bestimmend waren, sind flir eine Ankerwährung nicht die wesentlichen Kriterien. Ankerwährung kann nur eine Währung werden und bleiben, deren Wirtschaft als stark und stabil angesehen wird.

Die Märkte registrierten, daß die deutsche Wirtschaft produktivitätsstark ist und damit ein relativ hohes Wirtschaftswachstum und verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit aufweist. Die Märkte nahmen zur Kenntnis, daß die Geld- und Kreditpolitik auf Preisniveaustabilität ausgerichtet ist und dieses Ziel, trotz Rückschlägen, immer wieder erreicht wird. Ankerwährung zu werden, kann man nicht bestimmen, man bekommt diese Funktion von den Märkten übertragen. Die Deutsche Bundesbank hat sich lange gegen die Rolle der D-Mark als Ankerwährung gesträubt. Sie wollte nicht, daß die europäischen, aber auch andere Länder, D-Mark-Reserven halten und damit D-Mark außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, auch flir Kreditschöpfungsprozesse, verwendet wird. Vor Augen stand die Bürde einer Leitwährung, die selbst eine so große Volkswirtschaft wie die USA nicht tragen konnte. Aber die Deutsche Bundesbank konnte sich dauerhaft nicht gegen die Marktkräfte stemmen und mußte die Funktion der D-Mark als Ankerwährung akzeptieren.

171

Es ist eine neue Erfahrung, daß - entgegen der Leitwährung - die Ankerwährung nicht ein Defizit ihrer Leistungsbilanz ausweisen muß, um andere Länder mit der Ankerwährung zu versorgen. In den achtziger Jahren hatte sich, gegenüber den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, etwas Entscheidendes geändert. Alle europäischen Währungen waren konvertibel geworden, und der Geld- und Kapitalverkehr wurde liberalisiert. Damit waren die nationalen Geld- und Kapitalmärkte aneinandergerückt, und es hatten sich internationale Geldmärkte gebildet. Um in den Besitz von D-Mark zu kommen, muß ein Land keinen Ausfuhrüberschuß gegenüber Deutschland aufweisen. Es kann sich die D-Mark im Geld- und Kapitalverkehr beschaffen und D-MarkKonten im eigenen Land errichten. Die internationalen Geldmärkte sorgen dafiir, daß sich Angebot und Nachfrage stets ausgleichen. Die Märkte erwarten vielmehr von einer Ankerwährung einen Leistungsbilanzüberschuß. Er ist ein Zeichen der wirtschaftlichen Stärke des Ankerlandes. Wenn einerseits die Leistungsbilanz Überschüsse aufweist und wenn andererseits über den Geld- und Kapitalverkehr D-Mark nachfragt wird, um internationale Zahlungen durchzufiihren und Reserven zu bilden, dann tendiert die Ankerwährung zur Aufwertung. Dies aber ist ein weiterer Grund, D-Mark-Anlagen zu bevorzugen.

5.

Probleme für die Zentralbank der Ankerwährung

Die Zentralbank einer Ankerwährung sieht sich mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Einerseits muß sie dafiir sorgen, daß die eigene Volkswirtschaft stabil und stark bleibt. Sie muß im eigenen Lande um Preisniveaustabilität und möglichst um einen Überschuß in der Leistungsbilanz bemüht sein. Sie muß darauf achten, daß auch andere Fehlentwicklungen bei den wirtschaftspolitischen Zielen- Wachstumsverluste und Arbeitslosigkeit - begrenzt bleiben. Andererseits bedeutet die Freizügigkeit im Geld- und Kapitalverkehr in Europa, daß es immer schwieriger wird, eine dem Stabilitätsziel angemessene Geldund Kreditpolitik durchzufiihren. 172

Ein Problem ist die Geld- und Kreditschöpfung in der Ankerwährung außerhalb des Ankerlandes. Problematisch ist vor allem, daß eine solche Kreditschöpfung ohne Zentralbankgeld der Ankerzentralbank möglich ist. Sie vollzieht sich auf der Basis von Nostroguthaben, die von den Kreditinstituten selbst geschaffen werden und für die notwendige Liquiditätssicherung der entsprechenden Einlagen sorgen. Solche Nostroguthaben können von den Banken unbegrenzt geschaffen werden. Tatsächlich ist eine gewisse Begrenzung dadurch gegeben, daß alle Geberbanken an den nationalen und internationalen Geldmärkten ihre Ausleihungen an einzelne Banken limitieren. Mit der Geld- und Kreditschöpfung in Ankerwährung außerhalb des Ankerlandes werden auch im Ankerland wirtschaftliche Aktivitäten finanziert. Nehmen aber die wirtschaftlichen Aktivitäten im Ankerland zu, ohne daß dort die Kredite und die Geldmenge entsprechend wachsen, dann steigt im Ankerland die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Die Zentralbank des Ankerlandes wird daraufhin versuchen, ihre Geldpolitik zu straffen. Ein wirksames liquiditätspolitisches Instrument, um die geldpolitischen Zügel anzuziehen, ist die Mindestreserve. Aber sie läßt sich nicht verstärkt einsetzen, weil Partnerzentralbanken oft geringere Mindestreservesätze anwenden. Wenn zudem in der Europäischen Gemeinschaft ein Off-shore-Zentrum besteht - Luxemburg -, das über keine Zentralbank und damit auch über keine Mindestreserve verfugt, dann kann das Instrument nicht zielstrebig eingesetzt werden. Im Gegenteil, um den Abfluß von Geldern aus dem Ankerland in dritte Länder und damit die monetären Aktivitäten in Ankerwährung in diesen Ländern zu begrenzen, muß die Zentralbank der Ankerwährung, wie von der Deutschen Bundesbank durchgeftihrt, durch Änderung der Mindestreservesatzstruktur und durch Mindestreservesatzsenkungen das Mindestreservesatzgefälle zu den Partnerzentralbanken einebnen. Auch ein verstärkter Einsatz der Offenmarktpolitik kann den Kreditschöpfungsprozeß nicht automatisch bremsen, wie es die Mindestreserve tut;

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sie ist daher nur ein eingeschränkter Ersatz für die Herabsetzung der Mindestreserve. Die Zentralbank der Ankerwährung wird daher versuchen, das zinspolitische Instrumentarium stärker einzusetzen. Um Preisniveaustabilität zu erreichen und zu wahren, wird sie ein relativ hohes Zinsniveau anstreben. Damit übt sie auch einen Einfluß auf die Kreditnachfrage nach Ankerwährung an fremden nationalen und an den internationalen monetären Märkten aus, denn solche Zinsveränderungen sind auch dort sofort spürbar. Aber ein hohes Zinsniveau und Zinssteigerungen werden von den Partnerländern häufig als störend empfunden, wenn sie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gefährden. Für das monetäre Zielaggregat der Ankerzentralbank - in Deutschland M3 - besteht die Gefahr, daß es verfälscht wird. Da die Ankerwährung aufwertungs- und die Partnerwährungen abwertungsverdächtig sind, fließen bei Erwartung eines Realignments Gelder in das Ankerwährungsland. Durch hohe Anzahlungen bei Aufträgen z.B. schlagen sich diese Gelder auf Inländerkonten nieder und erhöhen das Geldmengenaggregat. Eine Währung, die die Funktion einer Ankerwährung in Europa ausübt, ist auch außerhalb Europas begehrt. So wird das Bargeld der Ankerwährung verstärkt in dritten Ländern verwendet. Hinzu kommen Bargeldhorte z.B. in Afrika und Asien sowie die Verwendung der D-Mark als Zahlungsmittel in Mittel- und Osteuropa. Verfälschungen der Geldmengenaggregate des Ankerlandes sind nicht ungefährlich, weil sie in eine falsche Richtung weisen können und Gefahren signalisieren, die nicht vorhanden sind.

6.

Probleme für die Zentralbank der Partnerländer

Wird eine Währung als Ankerwährung betrachtet, dann bedeutet das, daß es dritte Länder gibt, die den wirtschaftspolitischen Ergebnissen des Ankerlandes nacheifern. Diese Länder- in der Regel mit höheren Fehlentwicklungen als das Ankerland-sind bereit, einen entsprechenden, meist schmerzhaften, Anpassungsprozeß auf sich zu nehmen. 174

Die Partnerländer stehen unter Druck, dieselbe - niedrigere - Preissteigerungsrate zu erreichen wie das Ankerland. Gelingt ihnen das nicht, dann laufen sie Gefahr, daß der Devisenmarkt auf eine Wechselkursänderung, d.h. auf eine Abwertung ihrer Währung, drängt. Das aber müssen sie fürchten, da jede Abwertung die Preissteigerungen in ihren Ländern beschleunigt. Das verlangte dann noch stärkere Anstrengungen, um die Preissteigerungsrate auf die Rate des Ankerlandes herabzudrücken. Wird der Abstand der Preissteigerungsraten zum Ankerland groß, dann kann das Partnerland in den Teufelskreis von Abwertungen und beschleunigtem Preisauftrieb geraten. Die Bemühungen eines Landes, dem Ankerland nachzueifern, haben Konsequenzen für seine Zinspolitik. Da im allgemeinen die Preissteigerungsrate im Partnerland höher ist als im Ankerland und da die Partnerwährung grundsätzlich abwertungsverdächtig ist, wird das Partnerland ein höheres Zinsniveau festlegen müssen als das Ankerland. Die Partnerzentralbanken müssen sich in ihrer Zinspolitik mithin nach dem Zinsniveau des Ankerlandes richten. Zinssteigerungen der Ankerzentralbank müssen sie im allgemeinen mitvollziehen. Weil ihre Währungen grundsätzlich abwertungsverdächtig sind, muß ihr Zinsniveau in angemessenem Abstand über dem der Ankerzentralbank liegen. Eine Verringerung dieser Differenz würde zu spekulativen Kapitalbewegungen gegen diese Partnerwährung führen und damit die Wechselkursstabilität im Europäischen Währungssystem gefährden. Für ein Partnerland entstehen Probleme, wenn eine solche Zinspolitik zu Fehlentwicklungen bei Wirtschaftswachstum und Beschäftigung führt. Diese Zusammenhänge unterstreichen die Verantwortung, die die Zentralbank des Ankerlandes für die Geld- und Kreditpolitik der Zentralhanken der Partnerländer hat. Eine nationale Geld- und Kreditpolitik des Ankerlandes, die sich ausschließlich auf die heimischen Probleme ausrichtet, ist kaum noch durchsetzbar.

175

Hat man diese Probleme vor Augen, dann ist es eine erhebliche Leistung, die die Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft in den zurückliegenden Jahren bei ihren Bemühungen um Preisniveaustabilität erbracht haben. Gegenwärtig haben acht der zwölf Mitgliedsländer eine Preissteigerungsrate unter 3 vH, die niedriger ist als in der Bundesrepublik Deutschland.

7.

Das Infragestellen des Ankersystems durch Partnerländer

Ein Ankersystem erfordert von den Partnerländem, sich freiwillig einem Anpassungsdruck zu unterwerfen, dessen Stärke weitgehend vom Ankerwährungsland bestimmt wird. Nicht jedes Partnerland ist bereit und vielleicht auch nicht in der Lage, sich diesem Druck auszusetzen. Von Zinsdiktat der Ankerzentralbank und von Souveränitätsverlust ist die Rede. Symptomatisch fur das Spannungsverhältnis zwischen Nacheifern des Ankerlandes und Verweigerung des daraus folgenden Anpassungsdrucks waren Ausruhrungen des Präsidenten der Bank von England. Am 8. Oktober 1990 akzeptierte Großbritannien die Regeln des Interventionsmechanismus des Europäischen Währungssystems. Wenige Tage zuvor äußerte sich der Präsident der Bank von England: "The EMS provides a clear framework within which our counterinflationary policies can be pursued. 4 " Schon zwanzig Tage später warvon ihm zu hören: "The anchor currency bank's policy is inappropriate for the Community as a whole" .5 Gescheitert ist der Versuch, daß Ankerproblem dadurch zu lösen, daß man Bedingungen schafft, die im Ankerland die Preise stärker steigen lassen. Um das zu erreichen, sollten die Regeln des Interventions-

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4

Leigh-Pemberton, 1990, S. 2.

5

Leigh-Pemberton, 1990a, S. 3.

mechanismus im EWS geändert werden. Es wurde vorgeschlagen, die bei Interventionen von der Deutschen Bundesbank gekauften Mitgliedswährungen nicht mehr entsprechend dem geltenden Abkommen an die entsprechenden Mitgliedszentralbanken zurückzugeben. Die Deutsche Bundesbank sollte ferner verpflichtet werden, die Zentralbankgeldschaffung aufgrund von Interventionen nicht mehr durch Offenmarktoperationen zu sterilisieren. Eine Möglichkeit, dem Anpassungsdruck im Ankersystem zu entgehen, ist das Ausscheren aus dem Wechselkursverbund. Dadurch aber wird wenig erreicht. Die ausscherende Währung unterliegt erst einmal einem Abwertungsdruck. Das bedeutet Beschleunigung des Preisauftriebs und kann eine neue Abwertung induzieren. Über kurz oder lang muß das Land dagegen etwas tun. Aber das fällt schwer, wenn die Differenz zwischen der Preissteigerungsrate des ausgescherten Landes und dem Ankerland größer geworden ist. Bisher haben es solche Länder ohne den Druck des Festkurssystems nicht vermocht, aus eigener Kraft zu mehr Preisniveaustabilität zu gelangen. Schließlich wird gelegentlich vorgeschlagen, generell zu frei schwankenden Wechselkursen überzugehen. Zwar würde das das Ankerproblem "lösen", jedoch würde dies dem Wunsch der Wirtschaft in einem Wirtschaftstraum mit freiem Austausch an Waren, Dienstleistungen, Personen, Geld und Kapital, eine einheitliche Transaktionswährung zu haben, die mit anderen Währungen durch feste Wechselkurse verbunden ist, zuwiderlaufen. Solche Vorschläge sind wohl auch eher von dem Bemühen getragen, den Weg zu einer Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion zu verbauen.

8.

Die Zuspitzung Anfang der neunziger Jahre

Ankerwährung, so wurde festgestellt, kann nur eine Währung werden und bleiben, deren Wirtschaft als stark und stabil angesehen wird. Als stabil wird eine Währung angesehen, die dauerhaft im Währungsraum die niedrigste Preissteigerungsrate aufweist. Als stark wird eme 177

Volkswirtschaft angesehen, die hohe Produktivität und damit auch einen Überschuß in ihrer Leistungsbilanz besitzt. Diese Maßstäbe treffen auf die D-Mark grundsätzlich zu. "Die Ankerrolle der D-Mark ist das Ergebnis eines in mehreren Jahrzehnten erworbenen Vertrauens in die deutsche Geldpolitik."6 Vorübergehende negative Einflüsse ändern daran nichts. ·Gegenwärtig jedoch ist zu konstatieren, daß die D-Mark weder stabil noch stark ist. Acht der zwölf EG-Länder haben eine niedrigere Preissteigerungsrate als das Ankerland. Außerdem weist Deutschland ein Defizit in seiner Leistungsbilanz auf. Die Probleme, die in einem Ankerwährungsraum entstehen, spitzen sich unter diesen Bedingungen zu. Die erhöhten Preissteigerungsraten verlangen in Deutschland hohe Zinsen. In vielen Partnerländern sind hohe Zinsen nicht erforderlich, weil die Preissteigerungsraten niedriger sind. Da die D-Mark als Ankerwährung fungiert, sind die Partnerwährungen nach wie vor grundsätzlich abwertungsverdächtig. Das macht es diesen Ländern nicht möglich, ihre Zinsen deutlich unter das Niveau der Zinsen des Ankerlandes zu fiihren. In einer weltweiten Rezession sind fiir viele Partnerländer so hohe Zinsen eine sehr starke Belastung. Ausweg kann aber nur sein, daß Deutschland seine Bemühungen fortsetzt, seine Fehlentwicklungen zu minimieren. Dabei kommt dem Bemühen um Preisniveaustabilität entgegen, daß im kommenden Jahr der Einfluß der Mehrwertsteuererhöhung (Basiseffekt) fortfallt. Nachdem die Nachfrage der ostdeutschen Bevölkerung nach ausländischen Gütern, hauptsächlich Kraftwagen und hochwertigen Konsumgütern, weitgehend befriedigt ist, wird auch die Leistungsbilanz entlastet werden.

6

178

Deutsche Bundesbank, 1993, S. 86.

9.

Anforderungen an die Kooperationsbereitschaft

In einem Ankerwährungssystem gibt es keine einheitliche Geld- und Kreditpolitik. Jede nationale Zentralbank entscheidet grundsätzlich autonom über ihren geld- und kreditpolitischen Kurs. Man erwartet jedoch, daß die Ankerzentralbank in ihrer Volkswirtschaft die Fehlentwicklungen minimiert und die Partnerzentralbanken bereit sind, einen Anpassungsprozeß durchzufiihren. Dies alles geschieht freiwillig. Der Erfolg setzt wirtschaftspolitische Kooperation voraus. Bei dieser Kooperation geht es einmal darum, bei allen Mitgliedsländern Verständnis flir die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Probleme des Ankerwährungslandes und der Partnerländer zu finden. Alle Beteiligten müssen darauf achten, daß die verstärkte Verwendung der Ankerwährung in den Partnerländern nicht dazu fUhrt, daß die Aufrechterhaltung der Preisniveaustabilität im Ankerland gefährdet wird. Umgekehrt muß vermieden werden, daß ein zu hohes Zinsniveau im Ankerland in den Partnerländern zusätzliche Fehlentwicklungen beim Wirtschaftswachstum und der Beschäftigung auslöst. Da die Zinspolitik flir alle Beteiligten von erheblicher Bedeutung ist, kommt zum anderen der Kooperation auf diesem Gebiet Bedeutung zu. Sie findet im Rat der Zentralbankpräsidenten statt. Sie erfolgreich zu gestalten, ist schwierig, da in der Zinspolitik auf autonome Entscheidungen der nationalen Zentralbanken besonderer Wert gelegt wird. Schließlich müssen die europäischen Zentralbanken kooperieren bei den Interventionen, die sie an den Devisenmärkten der EG-Währungen vornehmen. Einmal geht es darum, die festen Wechselkurse im EWS dazu zu benutzen, den Anpassungsprozeß von Partnerländern zu beschleunigen, die höhere Preissteigerungsraten aufweisen, die aber gewillt sind, Preisniveaustabilität zu erreichen. Diesen Ländern soll Zeit gewährt werden. Abwertungen müssen dabei vermieden werden, wenn die Anstrengungen dieser Länder nicht vergeblich sein sollen . Das verlangt ein gemeinsames Vorgehen bei den Interventionen im Europäischen Währungssystem. Das Ankerwährungsland muß bereit 179

sein, eventuell erhebliche Beträge an Partnerwährungen zu kaufen und die daraus resultierenden Liquiditätseffekte zu neutralisieren. Dieser Weg wurde gelegentlich in der EG eingeschlagen, denn Preisniveaustabilität in der Europäischen Gemeinschaft zu erreichen, ist wichtiger, als der Spekulation Gewinnmöglichkeiten zu eröffnen. Ein anderes Problem, das Kooperation verlangt, sind Interventionen am Devisenmarkt, um die Währung eines Partnerlandes, in dem Preisdifferenzen zum Ankerland nicht bestehen, gegen spekulative Transaktionen zu verteidigen. Ein Beispiel ist die in jüngerer Zeit immer wieder einsetzende Spekulation gegen den Französischen Franken. Wie die Schaubilder auf der folgenden Seite zeigen, befindet sich der Französische Franken weitgehend in Übereinstimmung mit der Kaufkraftparität. Eine Abwertung ist nicht gerechtfertigt. In einer solchen Lage muß die Parität von den Mitgliedszentralbanken gemeinsam verteidigt werden . Ein Mangel in einem Ankerwährungssystem besteht darin, daß eine Kooperation zwischen der Ankerzentralbank und den zwölf nationalen Finanzpolitiken schon aus Gründen der großen Zahl der Mitgliedsländer nicht möglich ist. Das Finanzgebaren eines Staates, in der Europäischen Gemeinschaft der zwölf Staaten, kann das geld- und kreditpolitische Bemühen der Ankerzentralbank und der Zentralbanken der Partnerländer unterlaufen. Hohe Ausgabenzuwächse und hohe Defizite können zu starken Nachfragesteigerungen und damit zu Preissteigerungen beitragen. Ein Ankerwährungssystem hat hier eine offene Flanke.

10.

Die Notwendigkeit einer Europäischen Zentralbank

Das Ankerwährungssystem hat in Europa zu beachtlichen Erfolgen in der Stabilitätspolitik geführt. Viele Länder der Europäischen Gemeinschaft haben sich dem Anpassungsdruck unterworfen, um so preisstabil und stark zu sein wie das Ankerwährungsland. Die meisten von ihnen 180

waren erfolgreich. Aber es gibt wohl kaum ein beteiligtes Land, das nicht Unbehagen empfindet. Das Ankerwährungsland soll preisstabil und stark sein. Es spürt aber, daß es immer schwerer wird, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die weltweite Verwendung einer Ankerwährung, insbesondere die Geldund Kreditschöpfungsprozesse außerhalb des Ankerlandes, sowie das Gefälle zwischen den geld- und kreditpolitischen Instrumenten der einzelnen Länder schwächen die geld- und kreditpolitische Durchsetzungskraft. Hinzu kommen Interventionen innerhalb des Europäischen Währungssystems, die zu Liquiditätszuflüssen im Ankerland führen. Schließlich ist Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Probleme der Partnerländer angesagt. Die Geld- und Kreditpolitik der Partnerzentralbanken ist - ebenso wie die der Ankerwährung - eine nationale Politik. Aber ebenso wie dort, ist die Geld- und Kreditpolitik nicht frei. Sie muß dem Kurs der Ankerzentralbank folgen. Ein solcher Kurs kann aber mit anderen binnenwirtschaftlichen Zielen - angemessenem Wirtschaftswachstum und hohem Beschäftigungsgrad - kollidieren. Wirtschaftspolitische Kooperation ist ein wichtiges Instrument, um die Steuerungsprobleme, die sich bei der gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Struktur ergeben, zu bewältigen. Aber sie schafft die Interventionsproblerne im EWS nicht ab. Die Kooperation kommt trotz guten Willens nicht zu einer Zinspolitik, die in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft zu einem inflationsfreien Wirtschaftswachstum führt. Kooperation kann eine einheitliche Geld- und Kreditpolitik einer Zentralbank nicht ersetzen, und eine nationale Währung, die Ankerwährung, kann nicht Ersatz für eine einheitliche europäische Währung sein. Daher kann das Ankerwährungssystem auch nur eine vorübergehende Erscheinung sein. Mit der Freizügigkeit im Waren-, Dienstleistungs-, Personen-, Geldund Kapitalverkehr in Europa ist ein einheitlicher Wirtschaftstraum 181

entstanden. Zur monetären Steuerung in einem solchen Raum bedarf es einer Europäischen Zentralbank, und sie hat nicht zwölf Währungen zu steuern, sondern eine. Sie muß in der Lage sein, eine einheitliche und unabhängige monetäre Politik durchzufuhren und in der Europäischen Gemeinschaft für Preisniveaustabilität zu sorgen.

11.

Die Bedingungen zur Ablösung der Ankerwährung durch eine Europäische Zentralbank

Für eine wirksame Geld- und Kreditpolitik einer Europäischen Zentralbank sorgt der Vertrag von Maastricht, zusammen mit dem dort enthaltenen Statut dieser Institution. Festgeschrieben ist dort, daß es das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank ist, für Preisstabilität zu sorgen. Die Mitglieder des Direktoriums und des Zentralbankrates sind unabhängig. Sie dürfen keine Weisungen der Gemeinschaft, der Regierungen oder anderer Stellen einholen oder entgegennehmen. Das gilt auch für die Gouverneue der nationalen Zentralbanken, die ja Mitglieder des Europäischen Zentralbankrates sind. Wichtig für die Unabhängigkeit der Handelnden ist auch, daß sie nicht wiedergewählt werden dürfen. Mit einem derartigen Statut im Rücken werden die Mitglieder des Europäischen Zentralbanksystems - das zeigt die Erfahrung in der Deutschen Bundesbank - ihre Aufgabe unabhängig wahrzunehmen. Das gegenwärtige Ankerwährungssystem ist vor allem mit vier Problemkomplexen belastet: (I) der Verwendung der Ankerwährung außerhalb des Ankerlandes mit weitgehend unkontrollierbarer Geldund Kreditschöpfung vor allem in Luxemburg; (2) dem kreditpolitischen Instrumentengefälle in Europa; (3) den Interventionen im Rahmen des Europäischen Währungssystems und (4) den unkoordinierten und daher die Geld- und Kreditpolitik des Ankerlandes gefährdenden nationalen Finanzpolitiken.

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Mit der Schaffung einer einheitlichen Währung in der Europäischen Gemeinschaft entfallen in Europa geldpolitisch unkoutrollierte Geldund Kreditschöpfungsprozesse. Das Entstehen von Krediten und von Buchgeld verlangt dann Zentralbankgeld, das nur die Europäische Zentralbank bereitstellen kann. Eine Europäische Zentralbank besitzt ein in allen Mitgliedsländern einheitlich anzuwendendes geld-und kreditpolitisches Instrumentarium. Spielraum für dezentrale Regelungen- darauf hat die Deutsche Bundesbank hingewiesen 7 - dürften nur bei einigen technischen Aspekten der Zentralbankgeldbereitstellung (Definition von Pfandern und Sicherheiten für den Notenbankkredit) vorhanden sein. Mit dieser einheitlichen Geld- und Kreditpolitik entfallen alle Probleme, die sich gegenwärtig aus dem Instrumentengefalle, insbesondere den unterschiedlichen Mindestreservesätzen, ergeben. Der Wegfall nationaler Währungen in der Europäischen Gemeinschaft beseitigt alle Probleme, die sich durch Interventionen an den Devisenmärkten im Rahmen des EWS ergaben. Die daraus resultierenden umfangreichen Liquiditätszuflüsse im Ankerland und die entsprechenden Liquiditätsabflüsse in den Partnerländern können dann die wirtschaftliche Entwicklung in Europa nicht mehr stören. Auch die offene Flanke der Geld- und Kreditpolitik gegenüber den nationalen Finanzpolitiken wird durch das Abkommen von Maastricht geschlossen. Bedeutsam ist hier vor allem die sogenannte 3-ProzentRegel. Da die nationalen öffentlichen Haushalte kein höheres Haushaltsdefizit als 3 vH, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, aufweisen dürfen, ist sichergestellt, daß die Geld- und Kreditpolitik der Europäischen Zentralbank nicht durch übermäßige öffentliche Ansprüche an das Sozialprodukt gestört werden kann. Um öffentliche Ansprüche

7

Deutsche Bundesbank, 1993, S. 91. 183

zurückzuhalten, wurde auch vereinbart, daß es der Europäischen Zentralbank verboten ist, Kredite an öffentliche Haushalte zu gewähren. Die Europäische Zentralbank ist aber nicht nur abgesichert gegenüber den Störungen, mit denen das Ankerwährungssystem konfrontiert ist, sie ist Bestandteil einer Wirtschafts- und Währungsunion. Neben der Europäischen Zentralbank gibt es noch fiinf andere wesentliche Bestandteile. Erstens gehört zur Wirtschafts- und Währungsunion der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr, den man den "Raum ohne Binnengrenzen" nennt. Zweitens gehört zur WWU die Europäische Wettbewerbspolitik mit Kartellverbot, Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer den Markt beherrschenden Stellung und einer Fusionskontrolle. Drittens gibt es eine Europäische Sozialpolitik. Sie umfaßt die Zusammenarbeit in sozialen Fragen und Mindestvorschriften zur Verbesserung der Arbeitsumwelt. Viertens die Europäische Strukturund Regionalpolitik. Sie übernimmt mit den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds, assistiert von der Europäischen Investitionsbank, weitgehend Aufgaben, die in nationalen Volkswirtschaften vom Finanzausgleich wahrgenommen werden. Fünftens, last not least, der freie Geld- und Kapitalverkehr. Sein Kernsatz (Art.73b EG-Vertrag) lautet: Alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen Mitgliedsländern und zwischen Mitgliedsländern und Drittländern sind verboten. Ein sechster Punkt soll noch genannt werden: die Ansätze zu einer Politischen Union. Dazu gehören das Untersuchungs- und Petitionsrecht sowie die Kontrollrechte gegenüber der Kommission, die man dem Europäischen Parlament gegeben hat. Bestandteile der Politischen Union sind auch die EG-Bürgerschaft, die Bildungs-, Jugend- und Gesundheitspolitik, der Verbraucherschutz, die Verkehrs- und Umweltpolitik sowi~ die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, GASP. Die Gemeinsamkeiten, die bis heute geschaffen wurden, entstanden in 36 Jahren. Maastricht bildet den i-Punkt dieser Entwicklung, den - in 184

drei Schritten - zu setzen dringend notwendig ist, wenn Europa wirtschaftlich mit den wirtschaftlichen Großräumen in Amerika und im Pazifik Schritt halten will. Möglicherweise sind dazu nicht alle zwölf Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft entschlossen und in der Lage. Das wäre kein Schade, im Gegenteil. Weitergehen sollten die Länder, die den Willen dazu haben. Die Ankerwährung jedenfalls hat ihre Schuldigkeit redlich getan. Aber bevor die Bürde im Ankerland und in den Partnerländern zu groß wird, sollte die europäische Währung, der ECU, die wirtschaftliche Einheit in Europa zu einem Abschluß bringen.

Literatur Deutsche Bundesbank (1993), Geschäftsbericht 1992. Europäischer Rat (1978), Entschließung vom 5. Dezember über die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) und damit zusammenhängende Fragen. In : Ausschuß der Präsidenten der Zentralhanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Textsammlung zum Europäischen Währungssystem, 1985. Leigh-Pemberton, R. (1990), Wiedergabe wörtlicher Zitate in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 79 vom 05 .10. Leigh-Pemberton, R. (1990a), Wiedergabe wörtlicher Zitate in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 83 vom 25.10. Zentralbanken der EWG-Mitgliedstaaten (1979), Abkommen vom 13 . März über die Funktionsweise des Europäischen Währungssystems. In: Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft- Textsammlung zum Europäischen Währungssystem, 1985.

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Ankerwährungsprobleme auch in einer Europäischen Währungsunion Von Reinhard Pohl Unvollkommenes EWS im Vergleich zu idealer Währungsonton Wie könnte ein ideales EWS aussehen? Überschätzung der Geldschöpfung in Luxemburg Exkurs: Sind Mindestreserven, Offenmarktpolitik und Zinspolitik echte Substitute? Auch Europäische Zentralbank mit offener Flanke Probleme der "Übernachtung" einer Europäischen Währungsomon Auch eine Europäische Zentralbank wird ein "Zinsdiktat" ausüben Einhaltung des Zeitplans fur die Währungsunion unwahrscheinlich

1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Unvollkommenes EWS im Vergleich zu idealer Währungsunion

1.

Vor 145 Jahren veröffentlichte John Stuart Mill seine "Grundsätze der politischen Ökonomie" 1• In diesem berühmten Buch gibt es auch einige wissenschaftstheoretische Grundsätze. Sie richten sich gegen einäugige Kritiker des Kapitalismus. Diese Kritiker - monierte Mill - vergleichen den höchst unvollkommenen real existierenden Kapitalismus mit einem idealen Sozialismus oder gar Kommunismus. Das sei unfair und unrealistisch. Bei seiner Analyse gesellschaftlicher Systeme ließ sich Mill deshalb von folgenden Grundsätzen leiten.

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Mill, 1864.

Der erste - logische - Grundsatz lautet: "Wir müssen den bestausgedachten Kommunismus vergleichen mit der Herrschaft des Privateigentums so, wie sie sein könnte, nicht wie sie wirklich ist" 2 • Der zweite - praktische - Grundsatz lautet sinngemäß: "Wir müssen die Menschen so unvollkommen, so egoistisch und so altruistisch nehmen, wie sie nun einmal sind und vorerst bleiben". Daraus folgt: Nur wenn wir von diesen restriktiven Bedingungen ausgehen, können wir einen realistischen Vergleich der verschiedenen gesellschaftlichen Systeme vornehmen. Mill legte eine gesunde Skepsis an den Tag, als er sagte: Die Menschen werden auf absehbare Zeit nicht zum Sozialismus oder gar Kommunismus passen. Deshalb "werden sich die Volkswirte noch für eine geraume Zukunft hauptsächlich mit den Bedingungen des Bestandes und Fortschrittes einer auf Privateigentum und individueller Konkurrenz beruhenden Gesellschaft zu beschäftigen haben", und man müßte sich deshalb bemühen, diese Gesellschaft zum Wohle aller ihrer Mitglieder zu verbessern 3 • Diese Grundsätze sollten auch beim Vergleich von Währungssystemen beherzigt werden. Doch um der guten europäischen Sache willen neigen manche Beflirworter einer Europäischen Währungsunion dazu, gegen diese Grundsätze zu verstoßen. Ihr Bild von der heutigen Realität des Europäischen Währungssystems (EWS) wirkt bedrückend und ist nicht restaurierbar. Ihr Bild von einer künftigen Europäischen Währungsunion ist dagegen so makellos wie das Bildnis der Madame Recamier von Jacques Louis David. Auch Professor Köhler, ein profunder Kenner und Freund schöner Künste, ist von seinem Bild einer Europäischen Währungsunion fasziniert. Dieses Idealgemälde ist von all den Mängeln frei, die er in Bildern von der heutigen Realität des EWS entdeckt:

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Mill, 1864, Buch II, Kapitel I, § 3.

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Mill, 1864. 187

Erstens: Heute können Unternehmen, die sich um Kostensenkungen und anderweitige Verbesserungen ihrer Wettbewerbsposition bemüht haben, durch Abwertungen der Währungen ihrer Handelspartner um die Früchte ihrer Anstrengungen gebracht werden. Ferner können heute Länder, die sich um Inflationsabbau bemüht haben, durch preistreibende Abwertungen ihrer eigenen Währung um die Früchte ihrer Stabilitätspolitik gebracht werden. Künftig, in einer Währungsunion, wird beides nicht mehr vorkommen. Zweitens: Heute sind viele Notenbanken weder zur Geldwertsicherung verpflichtet noch unabhängig. Die künftige Europäische Zentralbank wird beides sein: stabilitätsorientiert qua Gesetz und dabei unabhängig. Drittens: Heute ist die Notenbank mit der Ankerwährung, die Deutsche Bundesbank, durch mancherlei behindert: durch die unkontrollierte D-Mark-Geldschöpfung, vor allem im Finanzfreihafen Luxemburg, sowie durch spekulative, ökonomisch unbegründete Devisenzuflüsse, welche die inländische Geldmenge aufblähen. Diese Vorgänge wiederum verfälschen den geldpolitischen Kompaß, die Geldmenge M3. Künftig, innerhalb einer Europäischen Währungsunion, wird es diese Handikaps nicht mehr geben. Viertens: Heute kann eine preistreibende Finanzpolitik die Stabilitätspolitik der Notenbanken untergraben. Künftig müssen sich öffentliche Haushalte bei ihren Defiziten an die 3-Prozent-Regel halten, deren Einhaltung Bedingung fiir die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion ist. Fünftens: Heute kann sich die Bundesbank zur Dämpfung der monetären Expansion nicht mehr effizient genug des automatischen Stabilisators Mindestreserve bedienen; denn sie mußte angesichts der Konkurrenz durch den Finanzfreihafen Luxemburg die Mindestreservesätze fiir Termin- und Spargelder stark senken. Heute muß sie deshalb die monetäfe Dämpfung mit relativ hohen Zinssätzen erkaufen. Doch die

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künftige Europäische Zentralbank wird das Mindestreserve-Instrument wieder aktivieren können. Sechstens: Das Diktat der relativ hohen deutschen Zinssätze wird von unseren Partnerländern dann als störend empfunden, wenn es Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gefahrdet. Doch - wenn ich Professor Köhler richtig verstehe - dem Diktat einer stabilitätsorientierten Europäischen Zentralbank werden sich die Länder mit geringerem Unbehagen unterwerfen, zumal bei einer monetären Dämpfungspolitik die Zinsen nicht "relativ hoch" sein würden.

2.

Wie könnte ein ideales EWS aussehen?

Halten wir fest: Die Realität des EWS schneidet schlecht ab beim Vergleich mit der idealen Europäischen Währungsunion. Doch bei Anwendung des ersten Mill'schen Grundsatzes könnte die Jury zu einem andem Urteil gelangen - dann nämlich, wenn wir ein Idealbild vom EWS präsentieren. Wenn alle Länder- wie in Maastricht vorgesehen - sich den harten Zwängen einer Stabilitätspolitik aus voller Überzeugung unterwerfen wollen, könnte das Idealbild etwa so aussehen: Erstens: Alle Notenbanken erhalten umgehend den Status einer unabhängigen und primär zur Stabilisierung des inneren Geldwertes verpflichteten Notenbank. Zweitens : Alle Notenbanken verfolgen eine am mittelfristigen Wachstum des Produktionspotentials ausgerichtete Geldmengenpolitik. Ein solcher Konsens ist die optimale Form der Kooperation zwischen Notenbanken. Drittens: Kein Land erhält Transfers, mit denen die Folgen eines finanz- und lohnpolitischen Fehlverhaltens gemildert werden sollen.

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Struktur- und regionalpolitische Transfers gibt es nur bei stabilitätspolitischen Fortschritten und sonstigen Konvergenzerfolgen 4 • Viertens: Nur die Notenbanken, nicht die Regierung~n, sind ftir den Außenwert der eigenen Währung zuständig. Keine Notenbank ist verpflichtet, zur Stützung fremder Währungen automatisch diese zu kaufen oder anderen Notenbanken Beistandskredite zu gewähren. Fünftens: Die an sich erwünschte Stabilität der Wechselkurse innerhalb des EWS läßt sich nicht immer einhalten. Trotz stabilitätspolitischer Anstrengungen werden einige Länder relativ starke Kosten- und Preissteigerungen nicht verhindern. Sie büßen ihre Wettbewerbsfähigkeit ein und exportieren Inflation in ihre Partnerländer. Da diese Partnerländer keinen Inflationsimport akzeptieren und die Inflationsländer keine vermehrte Arbeitslosigkeit zulassen wollen, werden die Wechselkurse möglichst rasch verändert. Rechtzeitige Wechselkursänderungen werden natürlich auch gegenüber Drittländern zugelassen. Sechstens: Da die Konjunkturschwankungen in allen Ländern des EWS ähnlich sein werden, wird es auch kein Zinsdiktat einer Ankerwährungs-Notenbank mehr geben. Denn die deutsche Währungsunion war ein historisch einmaliges Ereignis, ebenso der defizitfinanzierte Boom, der die Bundesbank zu einer Politik hoher Zinsen herausforderte. Dieses - oder ein ähnliches - Idealmodell wird von vielen Wissenschaftlern - auch von mir - als eine nützliche Orientierungshilfe auf dem Wege zu einer Verbesserung des EWS betrachtet. Doch die meisten Praktiker in Politik und Wirtschaft meinen, dieses Projekt sei entweder falsch oder zwar gut gemeint, aber unter den heutigen Verhältnissen nicht realisierbar. Deshalb halte ich mich an den zweiten Mill'scben (irundsatz. Von den Verhaltensweisen der heutigen Men-

4

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Vorgeschlagen von Fritz Franzmeyer, 1993.

sehen und ihrer politischen Repräsentanten ausgehend, will ich fragen: Welche Probleme des EWS werden möglicherweise auch in einer Europäischen Währungsunion auftauchen oder dort durch andere Probleme ersetzt werden? Doch zuvor will ich fragen: Hat Köhler nicht einige EWS-Probleme unnötig dramatisiert und manchmal dort Probleme gesehen, wo es keine gibt?

3.

Überschätzung der Geldschöpfung in Luxemburg

Unnötig dramatisiert wird das Problem der Geldschöpfung auf dem mindestreservefreien Finanzfreihafen Luxemburg. Sicherlich: Von 1985 bis heute ist der Anteil der D-Mark-Euroeinlagen an der um diese Einlagen erweiterten Geldmenge M3 von weniger als einem Prozent auf über zehn Prozent gestiegen. Doch in dieser Zeit sind die deutschen Mindestreserven mehrmals gesenkt worden, sie haben also als Einflußfaktor an Gewicht verloren. Um so wichtiger waren andere Gründe, vor allem die Flucht deutscher Sparer zunächst vor der Zins-Quellensteuer und später vor der Zinsabschlagsteuer. Bei dieser Geldmengenexpansionhandelt es sich in erster Linie um eine Verlagerung von Einlagen aus Deutschland nach Luxemburg, der weitgehend eine Verlagerung der Kreditaufnahme deutscher Unternehmen von deutschen zu Iuxemburgischen Banken entspricht. Von einerunkontrollierten Geldund Kreditschöpfung aufgrund dieser Euro-Einlagen kann kaum die Rede sein. Denn es sind deutsche Banken, die flir die Einlagen bei ihren ausländischen Filialen und Töchtern de jure oder de facto geradestehen müssen; sie verhindem deshalb dort eine ungebremste Kreditexpansion - und zwar trotz der scharfen Konkurrenz auf den Euromärkten.

4.

Exkurs: Sind Mindestreserven, Offenmarktpolitik und Zinspolitik echte Substitute?

Seine These, der weitgehende Verzicht auf die Mindestreservepolitik drohe zu einem "relativ hohen Zinsniveau" zu fuhren, das unter Um191

ständen von den Partnerländern als "störend" empfunden werde, begründet Köhler mit folgender Argumentation: 1)

2) 3)

ad 1:

"Auch ein verstärkter Einsatz der Offenmarktpolitik kann den Kreditschöpfungsprozeß nicht automatisch bremsen, wie es die Mindestreserve tut, sie ist daher nur ein eingeschränkter Ersatz fiir die Herabsetzung der Mindestreserve". "Die Zentralbank der Ankerwährung wird daher versuchen, das zinspolitische Instrumentarium stärker einzusetzen". "Um Preisniveaustabilität zu erreichen und zu wahren, wird sie ein relativ hohes Zinsniveau anstreben".

Richtig am ersten Argument ist die dem Theorem vom Geld- und Kreditschöpfungsmultiplikator zugrunde liegende Überlegung: Je höher im Durchschnitt die gesetzlichen Mindestreserven fiir Bankeinlagen sind, desto weniger kann ceteris paribus (bei konstanter Relation zwischen Bargeldhaltung und Bankeinlagen) das Bankensystem eine gegebene Menge an zusätzlichem Zentralbankgeld zu einer monetären Expansion (Geld- und Kreditausweitung) nutzen. Doch woher stammt das Zentralbankgeld? Es entsteht nur durch (Netto-) Aktivgeschäfte der Notenbank, und diese werden insoweit Offenmarktgeschäfte sein, wie andere Quellen (z.B. unausgenutzte Refinanzierungslinien oder Netto-Devisenkäufe und Lombardkredite der Notenbank) nicht verfiigbar sind. Offenmarktgeschäfte sind kein Ersatz fiir die Mindestreservepolitik, sondern deren notwendige Ergänzung. Denn ohne Offenmarktgeschäfte (und andere Aktivgeschäfte der Notenbank) gibt es kein Zentralbankgeld fiir die Bildung von Mindestreserven und die Deckung des Sargeidbedarfs der Nichtbanken, und ohne die Zunahme der Mindestreserven und des Bargeldumlaufs gibt es keine monetäre Expansion. Bei einer Ermäßigung der Mindestreserven muß die Notenbank die Offenmarktpolitik (oder andere Instrumente) nicht verstärkt einsetzen, sondern lediglich auf einem niedrigeren Niveau anwenden, um dieselbe monetäre Expansion wie bisher anzustreben. Sie muß, um zinssenkend und expansiv wirkende Überschußreserven zu verhindern, den Bestand 192

an Offenmarktpapieren und damit an Zentralbankgeld um den Betrag der freigesetzten Reserven senken, und anschließend von dem niedrigeren Niveau aus ihre Aktivgeschäfte mit derselben Rate wie zuvor ausweiten.

ad 2:

Nicht haltbar ist die These, die Bundesbank werde die Zinspolitik verstärkt einsetzen, da die Offenmarktpolitik nur ein eingeschränkter Ersatz ftir die Mindestreservepolitik sei. Tatsächlich ist die Offenmarktpolitik (Wertpapierpensionsgeschäfte, Abgabe von Liquiditätspapieren der Bundesbank) längst zum zentralen geldpolitischen Instrument der Bundesbank geworden, da sie weitaus flexibler ist als die übrigen zins- und mengenpolitischen Instrumente (z.B. Diskont- und Lombardsatz, Änderung der Reservesätze). Im übrigen enthält selbst die Offenmarktpolitik Elemente der Zinspolitik; denn von Zeit zu Zeit bedient sich die Bundesbank des Mengentenders: Sie fixiert den Zinssatz (Pensionssatz) und überläßt die Entscheidung über die Menge des Offenmarktgeschäfts dem Markt, wobei sie allerdings unter Umständen das Marktergebnis durch Repartierungen korrigiert.

ad 3:

Zwischen den verschiedenen geldpolitischen Instrumenten gibt es Unterschiede, die den Grad der Flexibilität betreffen. Doch entscheidend ist: Alle, auch die mengenpolitischen Maßnahmen werden auf dem Markt flir Zentralbankgeld in Zinssätze, primär Tagesgeldsätze, transformiert und beeinflussen über diesen Kanal die Entscheidung der Banken und der Nichtbanken über die monetäre Expansion. Wenn z.B . die monetäre Expansion unerwünscht stark zu werden droht, wird die Bundesbank eine Erhöhung der Tagesgeldzinsen und damit auch anderer Zinsen anstreben, um die Geldmenge auf den Stabilitätspfad zu drücken. Das Ausmaß dieser Zinserhöhung richtet sich nicht danach, ob die Mindestreserven hoch oder niedrig sind und inwieweit sich die Bundesbank der Offenmarktpolitik oder der "Zinspolitik" bedient. Die Zinserhöhung muß nicht- wie Köhler behauptet- bei niedrigen Mindestreservesätzen stärker sein als bei hohen Sätzen. Die Zinserhöhung 193

richtet sich ausschließlich nach der vermuteten Zinselastizität der Nachfrage nach Geld und Kredit, also danach, wie stark nach Einschätzung der Bundesbank die Nichtbanken und die Banken auf eine Zinserhöhung mit einer Dämpfung der monetären Expansion reagieren werden.

5.

Auch Europäische Zentralbank mit offener Flanke

Nach diesem Exkurs bin ich bei meinem Fragenkatalog: Welche EWSProbleme werden auch in einer Europäischen Währungsunion nicht ausgeräumt sein oder durch andere Probleme ersetzt werden? Ich beginne da, wo ich soeben aufgehört habe: bei der Mindestreserve. Dieses Instrument wird auch von einer europäischen Zentralbank genutzt werden. Ich warne aber vor der Illusion, das Köhler'sche Problem der konkurrierenden Geldschöpfung werde es dann nicht mehr geben. Luxemburg kann überall sein- wenn nicht in Westeuropa, dann in Osteuropa und an andern Orten dieser Welt. Warum sollte dort zu verhindern sein, was man innerhalb der EG trotz mancher Pressionen nicht verhindert hat: eine Oase ftir alle, die vor dem Fiskus oder der Mindestreserve fliehen wollen. Neben diesen Finanzfreihäfen wird es aber auch andere undichte Stellen geben. Die offene Flanke der Geldpolitik einer Europäischen Zentralbank wird unter folgenden Bedingungen groß sein: Erstens: Der Kreis der stabilitätspolitisch schon erfolgreichen Teilnehmer an einer Währungsunion ist klein. Zweitens: Der Kreis jener westeuropäischen und osteuropäischen Länder ist groß, die zwar nicht fiir die Währungsunion reif sind, aber an einem erweiterten und, vielleicht, modifizierten EWS teilnehmen. Unter diesen Bedingungen wird die Europäische Zentralbank mit denselben von Köhler beklagten Vorgängen konfrontiert werden wie heute die Deutsche Bundesbank: In den weniger stabilen Ländern des erweiterten EWS, aber auch anderswo, wird zunehmend die relativ stabile europäische Einheitswährung- sagen wir ECU- verwendet; der ECU-Bargeldumlauf außer194

halb der Währungsunion nimmt zu. Aus weniger stabilen und abwertungsverdächtigen Ländern fließt, vor allem wenn Abwertungen verschleppt werden, Geld dieser Länder in die Länder der Europäischen Währungsunion und zu deren Zentralbank. Beide Vorgänge, d.h. die vermehrte ECU- Bargeldhaltung außerhalb der Währungsunion und die Devisenzuflüsse, blähen die statistischerfaßbare Geldmenge der Währungsunion auf; denn der Bargeldumlauf außerhalb der Währungsunion kann statistisch nicht vom Bargeldumlauf innerhalb der Union getrennt werden. Der Indikator Geldmenge verliert an Aussagekraft - genauso wie heute die deutsche Geldmenge M3. Umgekehrt gilt: Die offene Flanke in der Geldpolitik einer Europäischen Zentralbank wird um so kleiner sein, je größer der Kreis der Mitglieder einer Währungsunion ist. Wenn diese Erweiterung aber forciert wird, können an die Stelle der genannten Probleme viel gravierendere andere Probleme treten.

6.

Probleme der "Überfrachtung" einer Europäischen Währungsunion

Eine Währungsunion soll Stabilitäts-, wachstums- und - gemäß EGVertrag - auch regionalpolitisch erfolgreich sein. Sie kann dies nur sein, wenn einige der Bedingungen erfüllt sind, die ich bei der Skizzierung eines Idealbildes vom EWS genannt habe. Professor Köhler schiebt die inflatorische Wirkung der Verletzung der 3-Prozent-Regel für die Finanzpolitik in den Vordergrund. Er überschätztjedoch diesen Effekt im Rahmen einer straffen Geldpolitik, wie das Beispiel Belgiens zeigt: Belgien weist zwar eine ungewöhnlich hohe Staatsverschuldung auf, es gehört aber zu den Ländern mit der geringsten Inflationsrate. Doch viel wichtiger ist eine andere Bedingung, die Köhler überhaupt nicht nennt, zumindest nicht explizit erörtert, nämlich die Bedingung einer produktivitätsgerechten Lohnpolitik. Diese Bedingung für den Eintritt eines Landes in eine Währungsunion lautet: Über den Wechselkurs kurz vor der Währungsumstellung gerechnet dürfen die durch195

schnittliehen Lohnstückkosten der Länder nicht allzusehr voneinander abweichen, und nach der Währungsumstellung müssen die durchschnittlichen Löhne je Stunde ungefahr im Ausmaß der durchschnittlichen Produktivität, also der Produktion je Stunde, zunehmen. Die durchschnittlichen Lohnstückkosten in den einzelnen Ländern müssen also einigermaßen konstant bleiben. Dann werden auch die durchschnittlichen Lohnstückkosten in der Union einigermaßen konstant bleiben. Die einzelnen Unternehmen und Regionen können und müssen allerdings vom Durchschnitt abweichen. Damit können sie - wie es Köhler vorschwebt - die Früchte ihrer individuellen Bemühungen um eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition ernten. Diese Bedingungen dürften von Deutschland, den Beneluxländern, Österreich, Frankreich und auch vom noch widerwilligen Dänemark erfiillt werden. Andere skandinavische Länder könnten dazukommen. Anders sieht es mit anderen Ländern der EG aus, zum Beispiel Italien, einem Land mit einem jedenfalls im Durchschnitt recht hohen Bruttoin Iandsprodukt je Einwohner. Im Sommer 1992 waren die durchschnittlichen Lohnstückkosten und Preise vergleichsweise hoch. Wäre Mitte 1992 Italien zum damaligen Wechselkurs in eine Währungsunion aufgenommen worden, hätte es erhebliche Probleme bekommen: Italiens Absatzpreise und Importpreise wären auf das niedrige Niveau der Absatzpreise in den Partnerländern gedrückt worden. Dann hätte Italien entweder seine nominalen Löhne absolut senken müssen, um seine kostenmäßige Wettbewerbsfahigkeit wieder herzustellen. Oder es hätte drastische Produktionseinbußen, Betriebsstillegungen und noch mehr Arbeitslosigkeit als bisher hinnehmen müssen. Mit dem Rückgang von Einkommen und Nachfrage wäre auch die Nachfrage nach Importen gesunken. Deutsche Exporteure wären um die Früchte ihrer Bemühungen um niedrige Kosten gebracht worden- ähnlich wie es im Falle der Abwertung der italienischen Lira geschah. Der von Professor Köhler nachempfundene Wunsch der Wirtschaft, mit festen Wechselkursen eine feste Kalkulationsbasis zu haben, wäre in jedem Fall ein frommer Wunsch gewesen. Aber auch Länder mit abnorm niedrigem Produktivitäts- und Wohlstandsniveau, wie Spanien, Portugal, Grie196

ehenland - übrigens Länder mit relativ hoher Inflation - werden auf absehbare Zeit nicht reif sein für den Eintritt in eine Währungsunion. Empirische Untersuchungen, zum Beispiel die von Heinz-Michael Stahl über die Regionen in Westdeutschland und in Italien, haben ergeben, daß in einer Währungsunion die Löhne in den unterentwikkelten Regionen dazu tendieren, sich den höheren Löhnen in den reicheren Regionen anzupassen 5 • Sie steigen schneller als die Produktivität. In Westdeutschland, wo das Produktivitätsgefalle zwischen den Regionen relativ schwach war, hat dies wachstums-und regionalpolitisch segensreich gewirkt. In Ländern mit einem relativ außerordentlich niedrigen Produktivitätsniveau aber wirkt die Lohnangleichung verheerend. Ostdeutschland ist das aktuellste Beispiel dafür. Die Lohnstückkosten werden in die Höhe getrieben, und in die Höhe getrieben wird auch die Arbeitslosigkeit. Vermehrte Transfers aus den reicheren Volkswirtschaften werden unvermeidlich sein, mögen sie nun Fonds "Deutsche Einheit", "Treuhandanstalt", Kohäsionsfonds", "Strukturfonds", "Regionalfonds" oder schlicht "Finanzausgleich" heißen . Mancher wird dagegen einwenden, zwischen den Staaten Europas sei wegen sprachlicher und kultureller Barrieren die Mobilität der Arbeitskräfte viel geringer als innerhalb Deutschlands oder Italiens. Diese Tatsache istjedoch kein Gegenargument Selbst die relativ hohe Mobilität der ostdeutschen Arbeitskräfte würde nicht ausreichen, von sich aus eine Angleichung des niedrigen ostdeutschen Lohnniveaus an das hohe westdeutsche Niveau herbeizuführen. Entscheidend dafür, daß es dazu kommt, sind nicht Marktkräfte. Entscheidend sind vielmehr die Einführung der deutsch-deutschen Sozialunion und das Kartell der Tarifparteien. Dies könnte sich tendenziell in einer Europäischen Währungsunion wiederholen, und zwar dann, wenn die von Köhler begrüßte Sozialunion eingeführt würde und wenn - womit zu rechnen wäre- ein länderübergreifendes Kartell der Tarifparteien entstünde. Für eine Angleichung der Sozialsysteme und der Löhne werden sozialpoli-

5

Stahl, 1974, S. 129 ff. 197

tische Gründe ins Feld geführt. Als Motiv kommt aber auch die Furcht der Tarifparteien in den reichen Volkswirtschaften vor der Niedriglohnkonkurrenz in den armen Volkswirtschaften in Betracht. Doch was auch immer die Motive sein mögen- die Wirkungen (Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, Zunahme der Arbeitslosigkeit) würden von niemandem begrüßt werden. Diese unerwünschten Wirkungen schlagen sich auch in der Kapitalbilanz der betroffenen Volkswirtschaft oder Region nieder. Sicherlich wird es in einer Europäischen Währungsunion ex definitione keine spekulativen Devisenbewegungen mehr geben. Doch ebenso sicher ist: Wenn eine Volkswirtschaft oder eine Region ein schlechter Standort für Investitionen ist, wird diese Volkswirtschaft oder Region von nationalen oder internationalen Geldanlegern gemieden werden. Diese Kapitalbewegungen von Volkswirtschaft (Region) zu Volkswirtschaft (Region) fallen zwar nicht mehr unter die Kategorie "spekulative Devisenbewegungen", und sie tangieren nicht mehr die gemeinsame Zentralbank. Aber für die betroffene Volkswirtschaft oder Region, zum Beispiel die ehemalige DDR, sind sie nichtsdestoweniger eine einschneidende Sanktion.

7.

Auch eine Europäische Zentralbank wird ein "Zinsdiktat" ausüben

Wer diese Gefahren ernst nimmt, wird Köhlers Optimismus nicht teilen, einer Europäischen Zentralbank würde jener Vorwurf des "Zinsdiktats" erspart bleiben, dem die Deutsche Bundesbank schon bald nach der deutschen Vereinigung und nicht erst 1992/93 ausgesetzt war. Schon während des vereinigungsbedingten Booms forderten auch solche EG-Länder, die mit ihren Exporten von diesem Boom profitierten, die Bundesbank auf, ihre "überhöhten" Zinsen zu senken, obwohl die Erfüllung dieser Forderung nicht nur der deutschen Volkswirtschaft, sondern mittelbar auch deren Partnerländern ein Mehr an Inflation eingebracht hätte. Mit Sicherheit würde auch eine Europä-

198

ische Zentralbank mit solchen Forderungen konfrontiert werden. Immer wieder würde es Situationen geben, in denen Mitglieder eines - um skandinavische und osteuropäische Länder erweiterten - EWS, aber auch Mitglieder einer Europäischen Währungsunion dieser Ankerwährungs-Notenbank vorwerfen würden, sie betreibe eine zu rigorose Stabilitätspolitik, da sie sich nur an den Inflationsproblemen einiger Länder, aber zu wenig an den konjunkturellen und strukturellen Problemen der anderen Länder ausrichte. Dies könnte die Preisstabilität in der Europäischen Währungsunion gefahrden. Denn angesichts dieser Vorwürfe könnten einige Mitglieder des Europäischen Zentralbankrats fiir eine Aufweichung der Stabilitätspolitik plädieren. Mancher von ihnen will, da er nach acht Jahren ausscheiden muß, wieder in die Politik seines Landes zurückkehren und sich dafiir mit beschäftigungspolitischem Wohlverhalten qualifizieren6 •

8.

Einhaltung des Zeitplans für die Währungsunion unwahrscheinlich

Professor Köhler hätte nichts dagegen, wenn man mit einer kleinen Währungsunion begönne. Er sagt, dies wäre kein Schade. Ich gehe weiter, wenn ich sage, es wäre ein Schade, wenn eine Währungsunion auch solche Länder umfaßte, die hierfiir nicht geeignet sind. Aber ich sehe die Gefahr, daß es dazu kommen könnte: Deutschland wird einige der Konvergenzkriterien, zum Beispiel die finanzpolitischen Kriterien, zu den vorgesehenen Terminen wahrscheinlich nicht erfiillen. Aber eine Währungsunion ohne die Einbindung des Ankerwährungs-Landes wird es nicht geben. Deshalb könnte in der EG der politische Druck zunehmen, die Kriterien aufzuweichen. Damit würde man jedoch auch jenen Ländern das Tor zur Währungsunion öffnen, die zwar viel weniger als Deutschland hierzu geeignet sind, aber einEuropader ZweiKlassen-Gesellschaft strikt als entwürdigend und demotivierend ablehnen. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung dürfe man diese

6

Klein/Neumann, 1993, S. 201 ff. 199

Länder nicht verstoßen. Um diesem Dilemma auszuweichen, wird man sich möglicherweise darauf einigen, den Zeitplan fiir die Währungsunion entweder zu strecken oder überhaupt aufzugeben. Zurück zu John Stuart Mill. Wäre er heute, wie noch vor 125 Jahren, Mitglied des britischen Unterhauses, hätte er viel Sympathie fiir den Vertrag von Maastricht bekundet. Denn er beklagte, "bei den meisten zivilisierten Nationen sei ... noch so viel Barbarei zurückgeblieben, daß fast alle unabhängigen Länder ihre Nationalität auch dadurch an den Tag legen wollen, daß sie zu ihrer eigenen und ihrer Nachbarn Unbequemlichkeit ein eigenes besonderes Geldwesen behalten" 7 . Mill war aber auch Realist. Auch er hätte das Dilemma zwischen einer Überfrachtung einer Europäischen Währungsunion einerseits und einem Europa der mindestens zwei Geschwindigkeiten andererseits gesehen. Wahrscheinlich würde er heute fiir ein Maastricht ohne Zeitplan plädieren. Wahrscheinlich würde er sich dafiir einsetzen, das Europäische Währungssystem zu reformieren und noch eine ganze Weile mit diesem renovierten System zu leben.

7

200

Mill, 1864, Buch III, Kapitel XX, § 2.

Literatur Franzmeyer, F. (1993), "Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: Ausbau der gemeinschaftlichen Kohäsionspolitik". In: integration, Heft 2/93, S. 100. Klein, M. und Neumann, M. J.M. (1993), "FiskalpolitischeRegeln und Beitrittsbedingungen fiir die Europäische Währungsunion: Eine Analyse der Beschlüsse von Maastricht". In: Duwendag, D. und Siebke, J. (Hrsg.): Buropa vor dem Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion, Berlin. Mill, J.S. (1864), Grundsätze der politischen Ökonomie, zweite deutsche Ausgabe, Berlin. Stahl, H.-M. (1974), "Regionalpolitische Implikationen einer EWGWährungsunion". In: Giersch, H. (Hrsg.): Kieler Studien des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Nr. 125, Tübing~n.

201

Diskussion

zu den Referaten von Claus Köhler und Reinhard Pohl Berichterstatter: Stefan Bach Schwerpunkte der Diskussion waren der Begriff und die Funktion einer Ankerwährung und die Bedeutung der D-Mark als Ankerwährung im EWS. Daneben standen allgemeine Probleme der Geldpolitik und des geldpolitischen Instrumentariums, im Zusammenhang der europäischen Integration und speziell vor dem Hintergrund der Europäischen Währungsunion, im Mittelpunkt des Interesses. Verschiedene Diskussionsbeiträge thematisierten die Bedeutung der DMark als Ankerwährung im gegenwärtigen EWS. Aufgrund ihrer langjährigen Wertstabilität, ihrer Bedeutung fiir die internationalen Güterund Kapitalströme und angesichts der Stärke der westdeutschen Wirtschaft, so betonte Köhler, habe sich die D-Mark auf den internationalen Kapitalmärkten in den letzten 40 Jahren großes Ansehen und Vertrauen erworben und sei aufgrund dieses Vertrauensvorschusses im EWS tendenziell aufwertungsverdächtig, auch wenn - wie gegenwärtig- kurz- bis mittelfristig die makroökonomischen und monetären Daten eher die entgegengesetzte Entwicklung angezeigt sein lassen . Andere wiesen auf die (noch) mangelnde Glaubwürdigkeit der traditionell abwertungsverdächtigen Mitgliedswährungen hin, die erst seit kürzerer Zeit Stabilitätserfolge erzielen konnten, etwa der französischen Franc. Dabei wurden auch grundsätzliche Fragen zu Begriff und Bedeutung einer Ankerwährung im Vergleich zu einer Leitwährung abgehandelt. Hier stand vor allem das historische Beispiel des Bretton-WoodsSystems mit dem US-Dollar als Leitwährung im Hintergrund. Infrage gestellt wurde der Begriff der internationalen Transaktionswährung. Diskussionsteilnehmer betonten, in einem System grundsätzlich fester Wechselkurse komme es auf das Vertrauen in deren Stabilität an, weniger auf die eigentliche Transaktionsfunktion der Leitwährung. So etwa seien auch im Bretton-Woods-System die internationalen Trans202

aktionen zu einem wesentlichen Teil nicht in US-Dollar, sondern in den Währungen anderer großer Industrieländer abgewickelt worden. Wichtig für die Wünsche der Wirtschaftssubjekte nach Planungssicherheit sei die glaubhafte Festschreibung der Paritäten der einzelnen Währungen zur Leitwährung und damit auch der übrigen Währungen untereinander. Diskutiert wurde ferner die Frage, ob ein Leitwährungssystem - insbesondere das System von Bretton-Woods - notwendigerweise Leistungsbilanzdefizite des Leitwährungstandes zur Sicherung der internationalen Liquidität voraussetze bzw. vorausgesetzt habe. Dies hatte sich in den sechziger Jahren zunehmend als Problem herausgestellt, als nach dem Ende der "Dollar-Lücke" die für die Ausweitung der internationalen Transaktionen notwendige Steigerung der internationalen Reserven (neben Gold also vor allem US-Dollar) eine Passivierung der amerikanischen Leistungsbilanz zur Folge hatte, was wiederum langfristig das Vertrauen in die Leitwährung US-Dollar untergrub ("Triffin-Dilemma"). Dagegen wurde in der Diskussion betont, daß es zur Sicherung der internationalen Liquidität allein auf hinreichend hohe Kapitalexporte des Leitwährungstandes und einen funktionierenden internationalen Kapitalmarkt ankomme. Ferner wurden bezüglich der Interventionsverpflichtungen der beteiligten Zentralbanken und des Verfahrens bei der Neufestsetzung der Paritäten Unterschiede zwischen dem EWS und dem Bretton-WoodsSystem herausgestellt. Das Bretton-Woods-System mit der Leitwährung US-Dollar war dadurch gekennzeichnet, daß die US-Zentralbank nicht intervenierte und die Paritäten der übrigen Währungen bei Realignments jeweils einzeln zum US-Dollar neu festgelegt wurden. Bei Realignments im EWS wird hingegen die Ankerwährung D-Mark wie jede andere Mitgliedswährung behandelt. Da jedoch bei einer Abwertung der Währung eines bedeutenden und einflußreichen Mitgliedslands- etwa des französischen Francs - meist aus politischen Gründen eine einseitige Abwertung im vollen Umfang unterbleibt, 203

vielmehr die D-Mark gleichzeitig aufgewertet wird, wertet sich die DMark automatisch auch gegenüber den übrigen Partnerwährungen auf. Daneben wurden aktuelle Probleme des EWS und einzelne Aspekte des Übergangs zur Europäischen Währungsunion behandelt. Die zunehmende wirtschaftliche Integration und die Liberalisierung der internationalen Kapitalmärkte machen eine nationale Geldpolitik immer schwieriger. Insbesondere die Berücksichtigung der europäischen Dimension steht mehr und mehr im Mittelpunkt der Geldpolitik der EWS-Mitgliedsländer. Auch ergeben sich Konsequenzen für den Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums. So sah sich die Bundesbank im Verlaufe der achtziger Jahre bis in die jüngste Zeit genötigt, die Mindestreserven aufTermineinlagen mehrfach zu senken. Damit sollte der zunehmenden Verlagerung des D-Mark-Geld- und Kapitalmarktes auf ausländische Finanzplätze - namentlich nach Luxemburg - entgegengewirkt werden, um die Möglichkeiten zur Kontrolle von Kreditexpansion und Geldmengenaggregaten nicht zu verlieren. Im Falle einer Europäischen Währungsunion mit einer einheitlichen Regulierung der Geld- und Kapitalmärkte dürfte das Instrument der Mindestreservepolitik wieder eine größere Bedeutung erlangen, sofern nicht außerhalb der Mitgliedsländer leistungsfähige ECU-Fremdwährungsmärkte entstehen. Hingewiesen wurde auch auf die in den letzten Jahren erheblichen Einnahmen aus der Geldschöpfung ("Seigniorage"), die dem deutschen Fiskus in Form des Bundesbankgewinns zugeflossen sind. Nicht zuletzt beruhten diese Einnahmen auf der Verwendung von D-Mark-Bargeld im Ausland, insbesondere in Osteuropa. Im Falle einer Europäischen Währungsunion müßte der deutsche Fiskus diese Einnahmen mit den Partnerländern teilen. Nicht zuletzt wurde einmal mehr die Frage erörtert, ob es nun 'der' oder 'die' ECU heiße, je nachdem, ob man abstellt auf den französischen ecu d'or - eine historische Goldmünze - oder auf die englische Abkürzung ECU für die "Europäische Währungseinheit", 204

wie es im Vertragstext von Maastricht der Fall ist (der Referent hatte den Genus umgekehrt verwendet). In seinem Schlußwort wies Köhler noch einmal nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer europäischen Währungsunion mit einer einheitlichen Währung hin. Die rasante Verbesserung der Informations-, Kommunikations- und Verkehrstechnologie habe eine wirtschaftliche Integration herbeigefiihrt, die regionale oder nationale Grenzen überwinde und sinnlos mache.

205

Zum Zusammenhang von Konvergenz und Kohäsion Von Fritz Franzmeyer

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Politische Begründung der Kohäsionspolitik Wirkung auf die volkswirtschaftliche Leistungskraft Differenziertes Bild in den Kohäsionsländern Wirkung auf die Konvergenzleistung Vorläufige Lehren aus dem empirischen Befund Eigenverantwortung stärken

1.

Politische Begründung der Kohäsionspolitik

Im Vertrag von Maastricht wird ein doppelter Zusammenhang zwischen Konvergenz und Kohäsion hergestellt. Dabei wird unter Konvergenz die Fähigkeit verstanden, eine gleichgerichtet stabilitätsorientierte makroökonomische Wirtschaftspolitik zu betreiben, so daß es nicht zu Spannungen im Wechselkursgefüge der beteiligten Länder kommt. Unter Kohäsion wird eine raumwirtschaftliche Angleichung der Lebensverhältnisse in der Gemeinschaft verstanden, die bereits in der Präambel des EWG-Vertrages in nuce als Gemeinschaftsziel verankert, mit der Einheitlichen Akte von 1986 aufgewertet und 1988 mit der Reform der EG-Strukturfonds verstärkt in konkrete Maßnahmen umgesetzt wurde. Kohäsionspolitik zielt folglich primär auf die Beeinflussung regionaler Tatbestände. In den drei EG-Ländem mit dem größten Rückstand im Pro-Kopf-Einkommen- Portugal, Griechenland und Irland - bekommt sie aber durchaus eine makroökonomische Dimension, weil jeweils das ganze Land als homogenes Rückstandsgebiet behandelt wird, das Anspruch auf höchste Förderung durch die strukturpolitischen Instrumente der Gemeinschaft hat. Zusammen mit Spanien werden diese drei Länder auch in der Fortschreibung der

206

mittelfristigen Finanzplanung der EG bis 1999 (Delors-11-Paket) 1 insofern besonders behandelt, als sich die ihnen zustehenden Strukturhilfen von 1993 bis 1999 noch einmal real verdoppeln sollen, nachdem sie von 1987 bis 1992 fiir Portugal, Griechenland und Irland sowie die wichtigsten spanischen (und italienischen) Fördergebiete bereits einmal verdoppelt worden waren. Dazu dient neben den drei bisherigen Strukturfonds ein mit Art. 130d (2) eingefiihrter "Kohäsionsfonds", der nur diesen Ländern zusteht, nach den Beschlüssen von Edinburgh mit zunächst 3, später 5 Mrd. DM pro Jahr ausgestattet ist und zur Finanzierung von Umweltprojekten sowie Projekten grenzüberschreitender Verkehrsinfrastruktur verwendet werden soll. Die vier aus diesem Fonds begünstigten Länder sind daher im folgenden gemeint, wenn von den "Kohäsionsländern" die Rede ist. Der Doppelcharakter des Zusammenhangs zwischen Konvergenz und Kohäsion im Maastrichter Vertrag ist in seiner einen Hälfte ökonomisch, in seiner anderen politisch. Er ergibt sich daraus, daß in der Kohäsion zwar eine notwendige, aber selbstverständlich keine hinreichende Voraussetzung fiir Konvergenz gesehen wird. Deshalb bedarf es einmal eines Regelwerkes, das zunächst die fiir ökonomisch notwendig erachteten Schritte zur Kohäsion garantiert; dies geschieht - in Weiterentwicklung der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 mit Titel XIV des neuen EG-Vertrages unter der Bezeichnung "Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt". Zum anderen werden aber Mechanismen benötigt, die die übrigen Voraussetzungen fiir Konvergenz sicherstellen, damit die aufwendige Kohäsionspolitik nicht umsonst betrieben wird. Diese übrigen Voraussetzungen werden implicite in der Qualität nationaler Rahmenbedingungen fiir effizientes Wirtschaften ebenso wie in der Qualität,

1 Kommission der EG, 1992a. Die dort unterbreiteten Vorschläge wurden in Edinburgh - nach Kürzung und Streckung - verabschiedet; vgl. Europäischer Rat, 1992, S. 1291 ff.

207

Solidität unJ Stl:tigkeit nationaler "1rt-..~hafhpolit1s.:hl:r Pnllcl.lsteuerung. vor allem auf dem (jebiet Jer iifkntli.:hen Finanzen, gesehen . Da die Schaffung dieser übrigen Voraussetzungen also in der Verantwortung der Mitgliedstaaten selber liegt, konditioniert der Vertrag von Maastricht erstmals einen Teil der gemeinschaftlichen Kohäsionshilfe, indem er Zuschüsse aus dem Kohäsionsfonds daran knüpft, daß das jeweils begünstigte Land ein Programm zur Erlangung von Konvergenz auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzen (Art. 104c EG V) vorlegt2 • Die theoretische Begründung fiir regionale Transfers von reicheren zu ärmeren Regionen als notwendige Voraussetzung fiir Konvergenz liegt in dem Unvermögen des Marktes, fiir eine räumlich ausgewogene Einkommensverteilung zu sorgen 3 • Vielmehr ist allokative Effizienz sowohl in sektoraler als auch in regionaler Hinsicht offenbar an dynamische Ungleichgewichte gekoppelt. Rigiditäten an den Faktormärkten und externe Effekte (z.B. die nicht hinreichende Internalisierung von Ballungskosten) sorgen dafiir, daß sich die regionalen Unterschiede verfestigen. Am Ende sind auch die Bestandsgrößen (Sach- und Humankapital) ungleich verteilt. Sind aber solche Ungleichverteilungen schon an sich charakteristisch fiir notwendigerweise räumlich organisierte nationale Märkte, so werden sie um so gravierender, je mehr bisher voneinander getrennte Märkte durch zwischenstaatliche Liberalisierung zusammenwachsen. Dies trifft gegenwärtig auf die Vollendung des europäischen Binnenmarktes zu.

2 Vgl. das Protokoll über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zum Vertrag von Maastricht, in: Läufer, 1992, S. 244.

In den I 0 reichsten EG-Regionen wird pro Kopf mehr als dreimal so viel verdient wie in den I 0 ärmsten. 3

208

Dieser Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse und Produktionsgrundlagen soll durch Redistribution begegnet werden4 • Bindung der Transfers an überwiegend investive Verwendungen - fiir Infrastruktur oder in Unternehmen - soll bewirken, daß sich der Effekt nicht in einer einmali~en Verbrauchserhöhung erschöpft. Es sollen die endogenen Einkommensquellen so erschlossen werden, daß sich die Transfers auf längere Sicht selbst erübrigen. Dabei wird ein zweifacher Mechanismus wirksam. Einmal entsteht Einkommen in der geforderten Region (z.B. in der Sauwirtschaft) bei der Erstellung der Anlagen. Zum anderen, wichtigeren Teil wird die privatwirtschaftliche Produktivität bzw. Rentabilität verbessert, indem über Infrastrukturnutzung Produktionszeiten verkürzt bzw. Transaktionskosten gesenkt und auch über Humankapitalbildung oder Förderung von Unternehmensinvestitionen Effekte der Rationalisierung und Qualitätsverbesserung erzielt werden. Es ist jedoch leicht ersichtlich, daß diese Mechanismen nur greifen, wenn folgende Voraussetzungen erfiillt sind: Die Mittel müssen das Investitionsniveau in der betreffenden Region tatsächlich erhöhen; es muß sich um sinnvolle Investitionen handeln. Die Additionalität der Investitionen ist z.B. gefährdet, wenn der Empfängerstaat eigenfinanzierte nur ersetzt (Mitnahmeeffekt) und den gewonnenen Haushaltsspielraum in eine Erhöhung der öffentlichen Gehälter oder die Aufstockung der Sozialleistungen umsetzt. Die Sinnhaftigkeit von Investitionen ist daran festzumachen, ob der von den Entwicklungsdefiziten her zu bestimmende Bedarf beachtet wird (ob z.B. nicht lediglich veraltete Strukturen konserviert oder ausgebaut

4 Zum gemeinschaftlichen Konzept regionaler Strukturpolitik vgl. Kommission der EG, 1989.

209

werden) und ob das Umweltschutzgebot so weit wie möglich zum Tragen kommt. Sind alle Voraussetzungen erfiillt, so ist durchaus anzunehmen, daß die Kohäsionspolitik einen Prozeß in Richtung auf" dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten" (Art. 103(3) EGV) unterstützt, der letztlich auch eine Konvergenz der Wirtschaftspolitik erlaubt: Die transferinduzierten Investitionen schaffen Beschäftigung und entlasten damit die Arbeitsmarktpolitik; sie fördern den überregionalen Absatz und entlasten so die Leistungsbilanz; sie erhöhen die Produktivität und mindern den lohnkosteninduzierten Inflationsdruck

2.

Wirkung auf die volkswirtschaftliche Leistungskraft

So weit das Ideal bild. Die Schwierigkeit liegt in der empirischen Überprüfung der Effizienzvoraussetzungen. Einmal grundsätzlich, weil der Einfluß der Kohäsionspolitik schlecht von den übrigen Einflußgrößen getrennt werden kann: Zwar läßt sich statistisch feststellen, daß in den Jahren 1989 bis 1993 der Mittelzufluß aus den drei Strukturfonds, jeweils bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, in Griechenland 2,9, in Irland 2,3 und in Portugal sogar 3,5 vH betragen wird 5 - eine stattliche Größenordnung. Unbekannt ist aber, um wieviel das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern höher ist, als es ohne die Transfers wäre. Zwar beziffert die EG-Kommission auch dies- fur Portugal mit 0,7, Griechenland 0,5 und Irland 0,3 Prozentpunkten6-, doch handelt es sich hier natürlich um reine Modellrechnungen. Zum anderen ist die Anlaufzeit der Kohäsionspolitik noch zu kurz, als daß schon gesicherte Aussagen getroffen werden könnten. Die Strukturfonds wurden 1988 reformiert. 1989 waren die Transfers in die Kohäsionsländer erstmals deutlich höher als zuvor. Der Anstieg setzte sich

210

5

Kommission der EG, 1992, Anhänge, S. 19.

6

Kommission der EG, 1991, S. 27.

bis 1993 in gleichem Tempo fort. Andererseits haben Investitionen, zumal solche in die Infrastruktur, lange Ausreifungszeiten, ehe sie kapazitäts- oder kostenwirksam werden. Wiederum läßt sich nur sagen, daß die "Transferquote" heute um das 1,5 bis I ,8fache über ihrem Wert von 1988 liegt, nicht aber, wieviel Wachstum damit induziert worden ist. Dennoch sollte es möglich sein, empirische Tendenzaussagen darüber abzuleiten, ob die seit 1988 intensivierte Kohäsionspolitik der EG in den vier Hauptempfängerländern die strukturelle und - in ihrem Gefolge - die wirtschaftspolitische Konvergenz befordert hat. Befassen wir uns zunächst mit der Frage nach der strukturellen Konvergenz. Dazu wurden hier fur einige wichtige, die volkswirtschaftliche Dynamik, Leistungs- und Wettbewerbskraft kennzeichnende Indikatoren (BIP, Anlageinvestitionen, Produktivität, Löhne und Lohnstückkosten) Graphiken zusammengestellt, in denen, jeweils fur die vier Länder, die Werte fur die Vierjahresperiode vor und nach der Reform verglichen werden, um Brüche oder graduelle Veränderungen auf der Zeitachse aufzuspüren, am EG-Durchschnitt relativiert werden, um allgemeine konjunkturelle Einflußgrößen zu eliminieren. Nach dem Vorverständnis der Wirkungsmechanismen sollten die Bruttoanlageinvestitionen (Bild 1) die eindeutigste Reaktion zeigen. Sie sind die unmittelbare Zielgröße der Transfers, als Inputgröße ohne Verzögerung meßbar und als Teilaggregat weniger reaktionsträge als das Inlandsprodukt (Bild 2) insgesamt. Dessen beschleunigter Anstieg ist aber letztlich das Ziel der Kohäsionspolitik. Das reale BIP je Erwerbstätigen (Arbeitsproduktivität, Bild 3) zeigt, ob das Wachstum auch von der technologischen Seite her stimuliert 211

Bild 1

Differenz des realen Investitionswachstums gegenüber dem EG-Durchschnitt 1988184 • 1992188, in vH-Punkten

Griechenld.

1

§

Spanien

1988/84

Quelle: Kommission der EG.

212

Irland

Portugal

IIIIIlliiD 1992/88 DIW

Bild 2

Differenz des realen BIP-Wachstums gegenüber dem EG-Durchschnitt 1988/84 • 1992/88, ln vH-Punkten

Griechenld.

1

§

Spanien

1988/84

Quelle: Kommission der EG.

Irland

Portugal

lßßlllll1992/88 DIW

213

Bild 3

Differenz des Produktivitätsanstiegs gegenüber dem EG-Durchschnitt 1988/84 • 1992/88, ln vH-Punkten

Griechenld.

1

Spanien

~ 1988/84

Quelle: Kommission der EG.

214

Irland

Portugal

IIIIIIIIIl1992/88 DIW

Bild 4

Differenz der Lohnentwicklung gegenüber dem EG-Durchschnitt 1988/84 • 1992/88, in vH-Punkttm

80 72 64 56 48 40 32 24 16 8 0 -8

Griechenld.

1

§

Spanien

1988/84

Quelle: Kommission der EG.

Irland

Portugal

Ullllllll1992/88 DIW

215

Bilds

Differenz des Lohnstückkostenanstiegs gegenüber dem EG-Durchschnitt 1988184 • 1992188, in vH-Punkten

Griechenld.



Spanien

1988/84

Quelle: Kommission der EG.

216

Irland

Portugal

IIIIIIIIIII1992/88

otw

bzw. ob das Absorptionspotential für preisneutrale Lohnkostensteigerungen (Bild 4) erhöht werden konnte. Das Resultat ist die Veränderung der Lohnstückkosten (Bild 5), bei denen ein langsamer Anstieg freilich auch auf zurückhaltenden Lohnforderungen bei geringem Produktivitätsfortschritt statt auf kräftigem Produktivitätsfortschritt bei starker Lohnsteigerung beruhen kann. Ein ergänzender Blick auf die Entwicklung des öffentlichen Verbrauchs läßt vielleicht erkennen, ob ein Teil der Transfers indirekt - d.h. über budgetäre Substitutionsprozesse - in zweckfeindliche Verwendungen umgelenkt worden ist. Relevant sein könnten hier insbesondere die zahlenmäßige Aufstockung und die Besoldung der öffentlich Bediensteten, auf die, den Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen eingerechnet, je nach Land 60 bis 80 vH des öffentlichen Verbrauchs entfallen. Hierüber liefern die internationalen Quellen (EG und OECD) leider nicht für alle Kohäsionsländer zuverlässige Informationen. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigungsstatistik, die zur Ermittlung der Durchschnittseinkommen im öffentlichen Dienst und deren Entwicklung benötigt wird. Diese Informationen müssen daher mit Vorsicht interpretiert werden. Die Zuverlässigkeit der länderspezifischen Ergebnisse sollte eigentlich mit dem relativen Gewicht der Transfers steigen. Dies hieße, daß Erfolge oder Mißerfolge für Portugal am deutlichsten, für Spanien - es besteht nur zum Teil aus Regionen mit hoher Förderintensität - am schwächsten zu erkennen sein sollten. Dem steht allerdings entgegen, daß Spanien und Portugal erst 1986 der EG beigetreten sind, so daß in den Jahren danach die Liberalisierung alle anderen Einflüsse überlagert haben kann. Dieser Effekt dürfte bei dem schon fünf Jahre früher beigetretenen Griechenland nicht mehr so stark, beim 1973 beigetretenen Irland überhaupt nicht mehr zum Tragen kommen.

217

3.

Differenziertes Bild in den Kohäsionsländern

Die EG durchlief in der 2. Hälfte der 80er Jahre eine Phase langanhaltenden Wirtschaftswachstums, das 1988 seinen Höhepunkt erreichte und - von Deutschland abgesehen - 1990 ausklang. Bei den Investitionen ist dieser Verlauf noch ausgeprägter als beim Bruttoinlandsprodukt. Im Zeitraum 1989-92 war also das Konjunkturklima kühler als im Zeitraum 1985-88. Von dieser Durchschnittsentwicklung wich der Konjunkturverlauf in den Kohäsionsländern deutlich ab, bei aufschlußreichen Unterschieden von Land zu Land. Starke Ähnlichkeiten zeigen beim Bruttoinlandsprodukt nur Spanien und Portugal. Beide Länder unterlagen zwar auch dem Konjunkturtrend in Westeuropa insgesamt, ihr BIP-Wachstum wich aber in beiden Perioden - und zwar nicht nur annähernd gleichbleibend, sondern auch untereinander ähnlich - stark nach oben ab. Diese Dynamik ist zweifellos beitrittsbedingt Verglichen mit diesem Effekt kann sich die Kohäsionspolitik nur marginal ausgewirkt haben, da anderenfalls unter dem Eindruck stark steigender Transfers die positive Abweichung vom Durchschnittstrend im Zeitraum 1989-92 hätte höher ausfallen müssen als in den vier Jahren davor. Vielmehr zeigt ein Blick auf den lnvestitionsverlauf, daß sich die unmittelbare Zielgröße der Transferströme, ausgehend von einer extrem überdurchschnittlichen Anfangsdynamik, in ihrem Expansionstempo stark abgeschwächt hat. Allerdings wird der Durchschnittsverlauf der EG ( 12) - mehr also noch der Verlaufbei den übrigen Zehn- weiterhin deutlich überschritten. Der Einbruch beim Investitionswachstum ergibt sich einmal aus der "Konjunkturmechanik" mit ihren im Vergleich zum BIP heftigeren lnvestitionsschwankungen. Er kann in Spanien aber auch mit einer Abnahme der Ertragserwartungen als Folge einer wenig vorteilhaften Investitionsstruktur zu tun haben: Das reichliche Arbeitskräfteangebot

218

- in keinem anderen der vier Länder ist die strukturelle Arbeitslosigkeit so hoch wie in Spanien- begünstigte nämlich Investitionen in arbeitsintensive Produkte und Verfahren. In der Tat nahm die Arbeitslosigkeit in der zweiten Periode stark ab. Doch im Unterschied zu Portugal stieg die Arbeitsproduktivität wenig. Allerdings waren auch die Lohnsteigerungen und damit der Lohnstückkostenanstieg nicht sonderlich über EG-Durchschnitt - dies ganz im Gegensatz zu Portugal. Das könnte sich jedoch auch in Spanien ändern. Weniger, weil nach Überwindung der Konjunkturschwäche mit einem weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit gerechnet werden müßte und damit die Verhandlungsstärke der Gewerkschaften stiege - die hohe Arbeitslosigkeit wird auch im Aufschwung vorerst anhalten. Vielmehr durch die Entwicklungen im öffentlichen Sektor selbst. Denn zum Abbau der Arbeitslosigkeit trug auch die Einstellungspolitik des Staates bei; Jahr für Jahr stieg in Spanien nach dem Beitritt zur EG die Zahl der öffentlich Bediensteten um 4 bis 6 vH 7 • Darin kann zwar auch ein gewisser Nachholbedarf an qualifizierter öffentlicher Verwaltung zum Ausdruck kommen. Aber es stiegen auch die Gehälter im öffentlichen Dienst nach 1988 beschleunigt an. Es könnte sein, daß die Dynamik des Steueraufkommens und die Zuflüsse aus der EG dieses hohe Expansionstempo der staatlichen Personalausgaben begünstigt haben. Der Anteil der Löhne und Gehälter am öffentlichen Verbrauch, der von 1984 bis 1987 deutlich gesunken war, erfuhr 1988/89 wieder einen auffälligen Sprung - um 2 vH Punkte- und trug dazu bei, daß der öffentliche Verbrauch auf seinen längerfristig überdurchschnittlichen Expansionspfad zurückkehrte. Für Portugal weisen die Quellen ebenfalls eine unterschiedliche Entwicklung der Zahl öffentlich Bediensteter aus. Eindeutig ist aber die Quellenlage hinsichtlich der entsprechenden Lohnsumme. Auch hier

7 Nach OECD (l993a) entwickelte sich die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten sprunghafter; vgl. Tab. I.

219

~

1\)

Spnnien

Quelle: OECIJ, Economic Outlook, Dez. 1992.

7U

--

Anlcil des nrrcnllichcn Verhrnuch!ii ftm ßrulloinlnndc;fHOdukt. ----

l:mfcmlcn l'rci!'Cn. ---

0,9

2,7 70,7

69,3

72,9

IS,S

18,6

IS.9

1992

2,9

4,3

6R,R

70,5

72.2

IS,6

19,6

IS,7

1991

2,S S,2

67,4

70,7

76,7

72,1

IS,1

21,1

16,7

15,2

70,2

70,3

76,2

1990

-2,4 ·3,0

1,4 4,3

4,6 7,4

1,9 7,9

70,4

67,9

74,4

70,3

IS,2

20,5

16,1

IS,2

1989

70,8

16,3

20,0

16,0

14,8

1988

3,1 0,0

0,8

-1,0 1,3

-1,0

8,4

8,0

8,7

6,1

9,9

13,8

16,0

16,7 15,6

0,5 1,1 0,4

-2,9

69,4

68,6

74,9

14,4 1,0

6R,8

17,7

19,6

15,2

U,l

19R7

26,7 1,6

11,5

0,5 1,4

6,4

67,8

17,6

1,3

6,0

-1,1

4,0 0,6

6R,O

18,8 23,8

8,0

6R,4

1986

Portugal

I

1,0

68,8

14,9

-0,5

74,2

70,5

19,4

15,4

14,7

1,8

3,8

12,5 12,2

75,7

71,7

IR,6 18,8

20,4

15,5

14,7

1985

Spanien

2,6

3,2

3,6

7R,I

72,0

IR,7

19,5

u.o

14,5

1984

2,0 3,3

3,2

2,9

67,6

6R,7

77,9

72,1

19,3

18,8

15,1

14,6

1983

Irland

68,8

23,7

2,0

67,1

69,3

78,3

71,9

19,8

18,3

14,9

14,1

1982

II

I

8,2

11,6

2S,6

18,6

20,2

13,8

11,1

21,1

24,6

17,4

27,4

24,4

8,2

1,6

7,1

6,9

3,2

3,5

5,1

6,2

1,0

9,2

14,9

20,7

Griechen- 'Irland land

I

BezUge je Arheitnchmer im Staatsdienst

Vcrlndcrunagcgcnober Vorjahr in vif

Griechenland

I

68,0

-1,9

4,4

66,8

67,3 2,9

Sponien ll'ortugal

78,8

Irland

73,4

--

I

Z:1hl der Arbeitnehmer im Staatsdienst

19,9

Griechenland

I

Rm S.lnnfs·

18,0

rortugol

I vcrhrauch

Arhcilnchmcrhc7.U~e

U,O

in vll

Griechen- llrlnnd land

I

Anteil der

13,9

Sponien ll'ortugnl

Slaal~vtrbrnuch5quolcu

int öffentlichen Sektor der vier "Koh!i5ionsländer"

lndikntorrn zur Dynamik von ßc5chiifligung und Einkommen

1981

Tabelle 1

sprang deren Anteil am öffentlichen Verbrauch 1989/90 um zwei vHPunkte nach oben. Einen anderen Verlauf nahm die Entwicklung in Griechenland. Griechenlands Bruttoinlandsprodukt expandierte während beider untersuchter Perioden schwächer als das der EG (12) zusammengenommen. Bei den Anlageinvestitionen war die Abweichung in der ersten Periode sehr stark. Offenbar waren die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen so schlecht, daß nicht einmal der Beitritt anregende Wirkungen entfaltete. Dann aber besserte sich dem Anschein nach die Lage: Im Zeitraum 1989-92 übertraf auch in Griechenland das Investitionswachstum den EG-Durchschnitt und zog den Pfad des Inlandsprodukts näher an den der Gemeinschaft insgesamt heran. Die Investitionen hatten indes kaum einen positiven Produktivitätseffekt und milderten den starken Lohnkostendruck nur wenig. Auch in Griechenland könnte eine gewisse Euphorie über den Segen aus Brüsseler Kassen die staatlichen Gehälter in die Höhe getrieben und damit die allgemeine Lohnentwicklung stimuliert haben. Jedenfalls erhöhte sich auch in Griechenland der Lohnanteil am öffentlichen Verbrauch 1989 um zweieinhalb Punkte und erreichte 1990 das höchste Niveau des gesamten Beobachtungszeitraums, 1981 - 1992. Danach freilich trat offenbar so etwas wie ein "Besinnungsschock" ein: Der Lohnanstieg im öffentlichen Dienst wurde mehr als halbiert, was bei hohen Preissteigerungen einer deutlichen Realeinkommenssenkung gleichkam, und auch die Einstellungspolitik des Staates blieb zurückhaltend. Es wird sich zeigen müssen, wie nachhaltig diese Entwicklung ist, ob also der Regierungswechsel von 1993 nicht die Rückkehr zu einer laxeren Budgetpolitik bedeutet. Den markantesten Qualitätssprung unter den Kohäsionsländern verzeichnete die Wirtschaft Irlands. Ein Beitrittseffekt entfällt zur Erklärung dieses Phänomens vollständig. Lag das reale Wachstum der Anlageinvestitionen im Zeitraum 1985-88 um mehr als 30 vH-Punkte unter dem EG-Durchschnitt, so 1989-92 um 6 Punkte darüber. Dem 221

zu + 13 vH. Außerordentlich hohe und gegenüber 1985-88 noch beschleunigte Produktivitätsfortschritte zeugen von einer raschen Modernisierung der irischen Volkswirtschaft. Sie ermöglicht einen hohen, im EG-Vergleich überproportionalen Reallohnanstieg und dennoch eine Verbesserung der an den Stückkosten gemessenen internationalen Wettbewerbsfahigkeit8 • Der irische Staat hat sich während der ersten Jahre nach der Reform der Kohäsionspolitik in seinem Konsumverhalten sogar zurückgenommen: Die Zahl der öffentlich Bediensteten sank, und ihr Einkommen stieg langsamer als das Bruttoinlandsprodukt Damit gingen von der "Einkommenspolitik intra mures" des Staates keine Impulse auf die allgemeine Lohnentwicklung aus.

4.

Wirkung auf die Konvergenzleistung

Zu prüfen ist nun, ob die Kohäsionspolitik der EG über ihren Effekt auf die volkswirtschaftliche Leistungskraft auch die Konvergenz der Wirtschaftspolitik, gemessen an den Indikatoren Preise, staatlicher Finanzierungssaldo, langfristige Zinsen und Wechselkurse (Tabelle 2), in den vier Kohäsionsländern beeinflußt hat. Für Spanien und Portugal kann ein signifikanter Einfluß von vornherein nicht vermutet werden, da ja schon der Einfluß auf die Leistungskraft im dynamischen Gewicht anderer Faktoren untergeht. So hatte der Preisanstieg in Spanien schon vor der Aufstockung der Strukturfonds seinen Höhepunkt überschritten. Danach ist es aber nicht gelungen, ihn nachhaltig zu dämpfen. Ähnlich verlief die Preisentwicklung in Portugal, wenngleich auf steilerem Pfad und mit einer Neigung zu deutlicher Besserung in jüngster Zeit. Eine Wirkung der Strukturfonds ist in beiden Fällen nicht zu erkennen. Auch beim Finanzierungsdefizit des Staates war in beiden Ländern die entscheidende Verbesserung ein bis zwei Jahre vor der Reform der Kohäsionspolitik zu beobachten.

8

222

Vgl. auch OECD, 1993, S. 60.

Tabelle 2 Konvergenzrelevante Indikatoren der "Kohäsionsländer"

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1)

Preisdeflator des privaten Verbrauchs, Veränderung geg. Vorjahr in vH E G (12) Griechenland Spanien Irland Portugal

5,9

3,9

3,6

3,9

5,1

4,5

5,4

4,5

4,1

18,3 8,2 5,0 19,4

22,1 9,4 4,6 13,8

15,7 5,7 2,9 10,0

14,3 5,0 2,5 10,0

15,2 6,6 3,7 12,1

19,7 6,4 1,7 12,6

18,4 6,2 3,2 11,9

14,9 6,2 2,6 9,7

13,8 5,0 3,5 6,8

f i nanz i erungsdef i z i t des Gesamtstaates in vH des BIP

E G (12)

2>

Gr i echenl end Spanien Irland Portugal

·5, 1

·4,5

·4,0

·3,4

·2,7

·4,0

·4,7

·5, 1

·6,3

·9,8 ·5,4 ·9,8 ·12,0

·12,0 ·6,0 ·11,1 ·7,2

·11,6 ·3, 1 ·8,9 ·6,8

· 13,8 ·3,3 ·4,8 ·5,4

·17, 7 ·2,8 ·1,8 ·3,4

·18,6 ·3,9 ·2,5 ·5,5

·16,3 ·5,0 ·2,3 ·6,4

·13,8 ·4,5 ·2,4 ·5,4

·13, 1 ·4,7 ·3,4 ·5, 7

Langfristige Zinssätze in % 3) Spanien Irland Portugal zum Vergleich: Deutschland

13,37 12,64 20,75

11,36 11,07 15,54

12,81 11,27 15,02

11,74 9,49 13,87

13,70 8,95 14,74

14,68 10,08 15,17

12,43 9,17 14,26

12,17 9,11 14,59

11,03 7,88

6,87

5,92

5,84

6,10

7,09

8,88

8,63

7,96

6,57

Kurzfristige Zinssätze in % 4) Griechenland Spanien Irland Portugal

15,50 10,90 11,78 20,90

15,50 8,63 11,85 15,56

15,33 8,03 10,70 13,89

17,33 10,79 7,81 12,97

17,14 13,57 9,70 14,80

19,52 14,17 10,90 13,52

20,67 12,45 10,12 14,19

19,92 12,44 10,50 13,15

18,30 11,03

zum Vergleich: Deutschland

5,40

4,60

4,00

4,20

7,12

8,49

9,25

9,52

6,55

. .

Veränderung der 1/echselkurse gegenüber der ECU in vH Griechenland Spanien Irland Portugal

·16,5 ·2,0 1,5 ·11,2

·23, 1 ·6,0 ·2,5 ·11,4

·12,0 ·3,3 ·5,4 ·9,5

·6,8 3,3 ·0,0 ·4,4

·6,3 5,5 ·0, 1 ·1,9

·11,2 0,8 1,2 ·4,2

·10,6 0, 7 ·0,0 1,4

1 > Geschätzt . . 2> Aggregation unter Verwendung von Kaufkraftstandards. der öffentlichen Anleihen. • 4) Rendite von Oreimonats·Schatzwechseln.

·8,8 ·3, 1 0,9 2,2

·6, 7 ·9, 1 ·4,3 ·5,0

3) Rendite der

Quellen: Kommission der EG, Europäische llirtschaft, Beiheft A, Konjunkturtendenzen, Juni/Juli 1993; IMF, International Financial Statistics, October 1993 und Yearbook 1993.

223

Bei den langfristigen Zinssätzen zeichnete sich dagegen in den Jahren nach der Strukturfondsreform eine positive Konvergenzleistung ab: In beiden Ländern verringerte sich der Abstand zu den Sätzen am deutschen Kapitalmarkt merklich. Bei Lichte besehen hat aber auch dies seine speziellen Ursachen, die mit Kohäsionspolitik nichts zu tun haben . Die Teilnahme am Wechselkursmechanismus (Spanien ab Juni 1989, Portugal ab April 1992), bei gleichzeitiger, einigungsbedingter, drastischer Verschlechterung der deutschen Leistungsbilanz, war zunächst von den Devisenmärkten mit einer Kräftigung von Peseta und Escudo honoriert worden; eine Aufwertung der Peseta im EWS konnte sogar nur durch ausgeprägte relative Zinssenkung gegenüber der D-Mark verhindert werden - ein angesichts unverändert hoher Inflationsrate bei noch relativ kräftigem Wachstum konjunkturpolitisch unerwünschter Vorgang. 1992 geriet aber die spanische, bald darauf auch die portugiesische Währung erneut unter starken Druck, denn die kumulierte Inflationsdifferenz war weiter gestiegen, so daß sich ein Anpassungsstau bildete. Da nun die Konjunktur in beiden Ländern schwach war und die Geldpolitik deshalb eher auf eine weitere Zinssenkung als auf einen Wiederanstieg des Zinsniveaus bedacht war, der zur Kompensation nötig gewesen wäre, kam es von September 1992 bis Mai 1993 zu einer starken Abwertung beider Währungen. Die Entspannung am Kapitalmarkt hatte ihren Preis. In Griechenland verläuft der Preisanstieg - bei z.T. erheblichen Schwankungen von Jahr zu Jahr - im gesamten Beobachtungszeitraum auf steilem Pfad. Gerade in der ersten Zeit (1990) nach der Strukturfondsreform erfuhr die Inflationsrate einen kräftigen Schub. Dies hatte sowohl lohn- als im Zweifel auch geldpolitische Gründe. Bei leicht sinkender Produktivität stiegen die Löhne um nicht weniger als 20 vH. Zugleich war die Geldpolitik so locker, daß gemessen am aktuellen Preisanstieg und den kurzfristigen Zinsen (für das "lange Ende" liegen keine aussagekräftigen Informationen vor) ein wenn auch nur leicht negatives Realzinsniveau herrschte - bei deutlich positivem Wert im EGDurchschnitt. Folglich konnten die Unternehmen ihren extremen Lohnstückkostenanstieg in vollem Umfang auf die Preise abwälzen, die 224

zudem aus beschleunigter Abwertung der Drachme Auftrieb erhielten. Schon 1988 - 90 hatte es den starken Expansionsschub beim öffentlichen Verbrauch gegeben. Das Finanzierungsdefizit des Staates erreichte, gemessen am BIP, 1990 den höchsten Wert des gesamten Untersuchungszeitraumes. Es drängt sich der Verdacht auf, daß die umfangreicheren Kohäsionsmittel der EG, die Griechenland zuflossen, über die von ihnen ausgehenden Signale in dieser Zeit nicht die Konvergenz, sondern eher die Divergenz der Wirtschaftspolitik befördert haben. Die Desillusionierungfolgte freilich umgehend. Einezweckgerichtetere Verwendung der Mittel war denn auch in den Folgejahren von Anstrengungen zu höherer Lohndisziplin, strafferer Haushaltsftihrung und strikterer Geldpolitik begleitet. Der Lohnstückkostenanstieg sank auf weniger als die halbe Rate, und die Inflation wurde gedämpft. Noch werden allerdings die Konvergenzkriterien in Griechenland stärker als in allen anderen Kohäsionsländern verfehlt, und die Wellenbewegung im Inflationsverlauf früherer Jahre macht skeptisch, daß die Produktivitätserfolge aus jüngerer Zeit auch weiterhin zur Verstärkung der Konvergenzanstrengungen genutzt werden. Als einziges Land hat Irland den Mittelzufluß seit 1989 offenbar konsequent dazu verwendet, das Volumen der öffentlichen Investitionen zu erhöhen und zugleich das Staatsdefizit zurückzuftihren. Das Preisniveau blieb stabiler als im EG-Durchschnitt, und das Land hatte keine Wechselkursprobleme. So konnte Irland seit 1989 auch stets einen Zinsbonus gegenüber der übrigen EG verbuchen. Wenn dennoch- entgegen der Stoßrichtung der Kohäsionspolitik - das gesamte Investitionsvolumen nach anfanglichem Wachstumsschub in den Folgejahren sank und auch die Produktivitätsfortschritte seitdem zu wünschen übrig lassen, so ist dies vor allem eine Folge der starken Abhängigkeit Irlands von der britischen Wirtschaft, die 1991 und 1992 unter allen EG-Ländern die schlechteste Konstitution hatte. Hier dürfte der wachsende Mittelstrom aus dem EG-Haushalt nicht nur positive Struktureffekte gehabt, sondern auch konjunkturstabilisierend gewirkt haben. 225

5.

Vorläufige Lehren aus dem empirischen Befund

Aus dem empirischen Befund in den vier untersuchten Ländern lassen sich über den Zusammenhang zwischen Kohäsionspolitik und Konvergenz die folgenden vorläufigen Lehren ziehen: Im bisherigen Verlauf der EG-Integration war Kohäsionspolitik offenbar keine notwendige Bedingung flir wirtschaftliche Aufholerfolge in Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen und/oder ausgeprägter wirtschaftspolitischer Konfliktlage. Es gibt sowohl Beispiele für volkswirtschaftliche Wachstumsdynamik ohne starke Förderung (Spanien und Portugal; Griechenland lange vor dem Beitritt) als auch flir mangelnde Konvergenzleistung bei starker Förderung (Griechenland seit 1990; Spanien und Portugal 1992/93). Dies schließt freilich nicht aus, daß unter den Zwängen einer Währungsunion Kohäsionspolitik zur Sicherung oder Verbesserung der relativen Position eines Landes mit Entwicklungsrückstand zur Entlastung anderer Politikbereiche (öffentliche Finanzen, Lohnpolitik) wichtiger wird. Unter den erfolgbegünstigenden Faktoren scheint die EG-Mitgliedschaft - vermutlich wegen der durch sie beschleunigten Einbindung in die internationale Arbeitsteilung - eine herausragende Rolle zu spielen, dies aber nur dann, wenn auch die übrigen Rahmenbedingungen investitionsfreundlich sind (Unterschied zwischen Irland, Spanien und Portugal einerseits, Griechenland andererseits, jeweils nach dem Beitritt). Wenn die Effekte aus Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung abgeklungen sind, können externe Finanzhilfen unter günstigen Rahmenbedingungen erhebliche zusätzliche Investitionen mobilisieren (Irland 1989/90).

226

Selbst massive Finanzhilfen können das Investitionswachstum insgesamt nicht beschleunigen helfen, wenn sie öffentliche Investitionen ganz oder teilweise nur ersetzen und nicht ergänzen (Griechenland 1988/90). Diese Bremswirkung wird noch verstärkt, wenn eine konsumtive Fehlverwendung der Mittel allgemeine Lohnrunden auslöst, die den Produktivitätsfortschritt hinter sich lassen. Zur Verbesserung der Konvergenzbedingungen sollten bei der Weiterentwicklung der Gemeinschaft die entwicklungsfördernden Instrumente in den Kohäsionsländern gestärkt und die entwicklungshemmenden geschwächt werden. Dazu sind die drei wichtigsten Entwürfe der letzten Zeit im Zusammenhang zu sehen: Die Vollendung des Binnenmarktes bedeutet die Optimierung der internationalen Arbeitsteilung im Rahmen der EG. Das in Edinburgh verabschiedete Delors-Paket-11 bringt den Ausbau der Finanzhilfen insbesondere für die vier Kohäsionsländer. Der erste Pfeiler von Maastricht, die EWWU, bietet den Hebel für die Erhöhung nationaler Eigenanstrengung im Konvergenzprozeß. Was den Binnenmarkt betrifft, so wird zwar befürchtet, daß die aus ihm erwachsenden Wohlfahrts- und Wachstumswirkungen den Zentren stärker zugute kommen als der Peripherie9 • Kaum umstritten ist aber, daß er auch der Peripherie nutzt. Es ist nur vor dem Hintergrund des ehrgeizigen Maastrichter Zieles einer Währungsunion der Zwölf verständlich, daß die absolute Verbesserung in den Kohäsionsländern geringer bewertet wird als die relative Verschlechterung.

9

Vgl. etwa O'Donnell and Van den Bempt, 1991, S. 21 - 25.

227

Dabei ist diese relative Verschlechterung auf längere Sicht nicht einmal ausgemacht. Empirische Evidenz wie theoretische Erwägungen im Zusammenhang mit neuesten Entwicklungen im Bereich der Unternehmensorganisation sprechen dafiir, daß auch das Gegenteil der Fall sein kann. Zur Evidenz zählen die Wachstumsschübe in Spanien, Portugal und Irland nach dem jeweiligen Beitritt, zur Plausibilität die abnehmende Bedeutung von Skalenverträgen bei modernen Technologieprodukten und die Tendenz zur verstärkten räumlichen Dekonzentration der Unternehmen (global sourcing), die vom Streben nach Kostenminimierung getragen und von der- raumüberwindenden - Informations- und Verkehrstechnologie ermöglicht wird. Dieser Prozeß ist allerdings noch zu neu, als daß seine großräumlichen Wirkungen abschließend beurteilt werden könnten. Was die Kohäsionspolitik betrifft, so wird sie im Prinzip von kaum jemandem in Frage gestellt. Regionalpolitik und/oder Finanzausgleich zwischen nachgelagerten Gebietskörperschaften gibt es in fast allen entwickelten Ländern. Da es sich um die Aufbringung und Reallokation knapper öffentlicher Mittel handelt, muß diese Politik aber in den Aufbringerländern akzeptiert werden und in den Empfangerländern effizient sein. In Edinburgh wurde eine Aufstockung der Strukturhilfen von 1993 bis 1999 um real 41 vH auf umgerechnet 60 Mrd. DM pro Jahr zu Preisen von 1992 beschlossen. Für die vier Kohäsionsländer werden sich die Mittel (einschließlich des nur ihnen zustehenden Kohäsionsfonds) im seihen Zeitraum verdoppeln (1990, im jüngsten Jahr mit genauen Informationen, hatten sie knapp 12 Mrd. DM erhalten). Diese Größenordnung wurde von den Aufbringerländern gerade noch akzeptiert, in Deutschland wohl nur deshalb, weil zur gleichen Zeit ein höherer Rückfluß zur Finanzierung des Aufbaus in den neuen Bundesländern in Aussicht stand 10 • Es fragt sich jedoch, ob eine 10 Im Juli 1993 beschlossen die EG-Außenminister, daß die Neuen Länder und Ost-Berlin im Zeitraum 1994-99 Strukturmittel in Höhe von jahresdurchschnittlich 4,6 Mrd. DM (Preise von 1992) erhalten sollen - nach 2 Mrd. DM im Durchschnitt der Jahre 1991-93 .

228

solche "Umwegfinanzierung" dem vielbemühten Subsidiaritätsprinzip entspricht. Auch ist erkennbar, daß mit dem starken Akzent, den die Gemeinschaft mittlerweile auf die Kohäsionspolitik legt, eine Tendenz zu einem "politischen Finanzbargaining" entstanden ist: Für ihre Zustimmung zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft, die angeblich zu ihren Lasten geht, verlangen einzelne Mitgliedstaaten zum Ausgleich neue KohäsionsmitteL Die Tendenz kam aber auch in der Weigerung Spaniens zum Ausdruck, dem um die Schweiz verkleinerten EWR zuzustimmen, wenn nicht die übrigen Länder den vereinbarten Schweizer Anteil an Kohäsionsmitteln übernehmen würden.

6.

Eigenverantwortung stärken

Es fragt sich aber auch, ob die Ausgestaltung der Kohäsionspolitik es überhaupt gewährleistet, daß die umfangreichen Mitteltransfers in allen Kohäsionsländern effizient eingesetzt werden. Der Finanzierungsanteil der Gemeinschaft beträgt bei Infrastrukturprogrammen bisher 75 vH. Bei Finanzierungen aus dem neuen Kohäsionsfonds wird er sogar 85 vH betragen. Bei diesen Relationen ist die Eigenverantwortung nur noch gering. Ein schlechter Staatsdiener wäre, wem nicht immer noch ein Projekt einfiele, fiir das so viel Geld ins Land geholt werden kann. So gibt es z.B . aus Griechenland eindrucksvolle Beispiele fiir EG-finanzierte Großprojekte von fraglichem wirtschaftlichen Nutzen, aber erheblicher ökologischer Bedenklichkeie 1• Überhaupt ist die ökologische Dimension der Europäischen Kohäsionspolitik extrem unterentwickete2. Auch in Portugal werden die Mittel aus den EG-Strukturfonds offenbar großenteils regionalpolitisch ineffizient eingesetzt: Viel Geld versickert als Folge mangelhafter Regionalplanung und eines "re-

11

Vgl. Greenpeace, 1993.

12

Vgl. Fehrand van der Stelt-Scheele, 1992.

229

gionalen wie zentralen Klientelismus" 13 • Auch wird, z.T. mit umstrittenen Großprojekten, über die Köpfe der betroffenen Menschen im Hinterland hinwegentschieden, und das allgemeine Desinteresse der zentralen Bürokratie an der Entwicklung dieses Hinterlandes wie der dortige Mangel an kompetenten Institutionen haben dazu gefuhrt, daß ein großer Teil der bewilligten Fördermittel nicht abgerufen wird 14 • Eher geschwächt als gestärkt wird die Eigenverantwortlichkeit künftig auch dadurch, daß der Maastrichter Vertrag die Bewilligung von Kohäsionsmitteln an leicht zu erfullende Voraussetzungen knüpft. Indem die Gemeinschaft die Kohäsionspolitik ausdrücklich dafur instrumentalisiert, daß auch die Kohäsionsländer die hochgesteckten Konvergenzziele erreichen, macht sie es sich einerseits selbst schwer, sich angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe neuen finanziellen Forderungen zu verschließen. Diese könnten künftig um so höher ausfallen, je mehr das Zwangskorsett der EWU-Piäne zu einer Pervertierung rationalen Verhaltens in den Kohäsionsländern fuhrt. Die sichere Erwartung letztendlichen Beistands der Gemeinschaft kann durchaus von vornherein ein bestimmtes Fehlverhalten, etwa eine starke Steigerung des öffentlichen Verbrauchs, als ungefährlich erscheinen lassen . Andererseits knüpft die Gemeinschaft lediglich die Auszahlung oder Neubewilligung von Mitteln aus dem Kohäsionsfonds 15 - nicht aber auch die von Mitteln aus den übrigen drei Strukturfonds - an Eigenanstrengungen zur - budgetpolitischen - Konvergenz. Überdies müssen diese Eigenanstrengungen lediglich in der Vorlage von Konvergen:zprogrammen, nicht aber im Nachweis von Konvergenzerfolgen, bestehen 16 •

13

Sänger, 1993, S. 36.

14

Ebenda, S. 32 f.

Vgl. die Ausruhrungen des Europäischen Rates von Edinburgh zum Kohäsionsfonds (Teil C Anlage 3), mit denen Vorgaben fiir die neue Kohäsionsfonds-Verordnung formuliert werden (Europäischer Rat, 1992, S. 1297). 15

16

230

Vgl. dazu Franzmeyer, 1993.

Die Ablösung der Programm- durch die Erfolgsabhängigkeit von Transfers - so schwer sie zu operationalisieren sein wird - und die Ausdehnung dieses Prinzips auf die gesamte Kohäsionspolitik wäre folglich ein wichtiger Schritt zu deren Effizienzsteigerung. Diejenigen Politiker in den Empfängerländem, die es versäumen, die Mittel in volkswirtschaftlich sinnvolle und rentable Investitionen zu schleusen, haben dann auch das Versiegen dieser Finanzquelle zu verantworten und müssen vor dem Wähler daflir gerade stehen. Dies entspricht dem Prinzip einer klaren Zuordnung von Verantwortung und Kompetenzen, das im derzeitigen System verletzt ist. Eine solche striktere Vorgehensweise setzt einmal die Abkehr von der indikativen Aufteilung eines großen Teiles der Strukturfondsmittel auf die Mitgliedstaaten voraus: Es muß ein Wettbewerb um die Mittel in Gang kommen, und erfolgreichere Länder wie Irland müssen durch höhere Fondsanteile belohnt werden können. Dies läge im wohlverstandenen Interesse auch der scheinbar benachteiligten Länder. Die striktere Vorgehensweise setzt zweitens die Abkehr von der Philosophie des "Möglichst alle Zwölf zugleich" voraus. Nur wenn einem Kohäsionsland mit mangels Eigenanstrengung ausbleibendem Konvergenzerfolg bedeutet wird, daß auf seine Mitgliedschaft in der Währungsunion notfalls auf Dauer verzichtet wird, wird sich die Gemeinschaft dem politischen Druck entziehen können, als Ersatz flir mangelnde Eigenerfolge die Hilfe auf lange Frist weiter aufzustocken. Dieser Druck dürfte gerade um die Jahre 1997-99 virulent werden, wenn einerseits die Währungsunion entstehen soll und andererseits das Delors-11-Paket ausläuft. Allerdings: Die politischen und rechtlichen Weichen sind gestellt, seit der Vertrag von Maastricht in allen Mitgliedstaaten ratifiziert ist. Allenfalls die anstehende zweite Reform der Strukturfondsverordnun-

231

gen 17 könnte (bei den Kofinanzierungsquoten) gewisse Verbesserungen bringen. Insofern bieten die hier präsentierten Überlegungen, sollten sie die Zusammenhänge zutreffend dargestellt haben, weniger ein Rezept zur Vorbeugung gegen Fehlsteuerungen als eine eher pessimistische Perspektive fiir Kohäsion und Konvergenz in einer Währungsunion der Zwölf.

Literatur Europäischer Rat (1992) in Edinburgh, Tagung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft am 11. und 12. Dezember 1992. Schlußfolgerungen des Vorsitzes. In: Bulletin der Bundesregierung Nr. 140, S. 1277 - 1302. Fehr, H. and Stelt-Scheele, Ir. D.D. (1992), "The EC Environmental Policy in Relation to the EC Structural Funds: A Critical Analysis of its Application", in: European Environmental Law Review, Vol. I, No. 4, S. 121-125. Franzmeyer, F. (1993), "Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: Ausbau der gemeinschaftlichen Kohäsionspolitik". In: integration, Nr. 2, S. 95-102. Franzmeyer, F., Seidel, B., Weise, C. (1993), Die Reform der EGStrukturfonds von 1988 - Konzeption, Umsetzung, Weiterentwicklung aus deutscher Sicht. DIW-Beiträge zur Strukturforschung, Heft 141. Greenpeace (1993), "Umweltkiller EG - Ein griechischer Fluß geht baden" . In: Greenpeace Magazin fiir Umwelt und Politik, Nr. I, S. 48-54.

17

232

Vgl. Franzmeyer/Seidel/Weise, 1993, S. 89 ff.

Kommission der EG (1989), Leitfaden zur Reform der Strukturfonds der Gemeinschaft, Luxemburg. Kommission der EG (1991), Jahresbericht über die Durchftihrung der Strukturfondsreform 1990. KOM (91) 400 endg., Brüssel, den 4. Dezember. Kommission der EG ( 1992), Die gemeinschaftlichen Strukturpolitiken - Bilanz und Perspektiven. KOM (92) 84 endg., Brüssel, den 20. März. Kommission der EG (1992a), Von der Einheitlichen Akte zu der Zeit nach Maastricht: Ausreichende Mittel ftir unsere ehrgeizigen Ziele. Mitteilung der Kommission (KOM (92) 2000). In: Bulletin der EG, Beilage I. Läufer, T. (Bearb.) (1992), Europäische Gemeinschaft- Europäische Union . Die Vertragstexte von Maastricht, Bonn. O'Donnell, R. and Van den Bempt, P. (Coord.) (1991), Methods for Achieving Greater Economic and Social Cohesion in the European Community, T.E.P.S.A. (Trans European Policy Sturlies Association), Study for the Directorate General "Coordination ofStructural Policies" (D.G. XXII), Brussels. OECD (1993), Economic Surveys 1992- 1993: lreland, Paris. OECD (1993a), Economic Outlook, Diskette, Paris. Sänger, R. (1993), "Die Auswirkungen der Europäischen Strukturfonds auf die regionale Entwicklung in Portugal". In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 20-21 vom 14. Mai, S. 30-36.

233

Diskussion

zum Referat von Fritz Franzmeyer Berichterstatter: Stefan Bach Entsprechend den Themenschwerpunkten des Referats beschäftigte sich die anschließende Diskussion vor allem mit den ökonomischen und raumordnungspolitischen Zusammenhängen sowie den politischökonomischen Wechselwirkungen von Konvergenz und Kohäsion im Prozeß der Europäischen Vereinigung und des Übergangs zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wie im Referat, so wurde auch in der Diskussion betont, daß - einmal ganz abgesehen von den methodischen Problemen der Messung schon ein positiver Zusammenhang zwischen Strukturhilfen und den volkswirtschaftlichen Anlageinvestitionen nicht eindeutig nachzuweisen ist, geschweige denn der Effekt auf die makroökonomischen Größen wie Wirtschaftswachstum, Preissteigerungsrate und öffentliche Defizite. Vor allem wurde argumentiert, daß es vornehmlich auf die staatliche Wirtschaftspolitik und die Einkommenspolitik ankomme, um über ein investitionsfreundliches Klima die geeigneten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen fur Wirtschaftswachstum zu schaffen. Die dadurch erzielten größeren Spielräume bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der Inflationsbekämpfung garantieren dann gleichzeitig die Erfullung der geld- und finanzpolitischen Konvergenzkriterien. Verwiesen wurde noch einmal vor allem auf das Beispiel Spaniens und Portugals in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, wo nach dem Beitritt zur EG bei günstiger gesamtwirtschaftlicher Entwicklung erhebliche Stabilisierungserfolge erzielt werden konnten, trotzdamals nur geringer Förderung aus den EG-Strukturfonds. Darüber hinaus wurde die allokationspolitische Notwendigkeit und Berechtigung von regionaler Strukturpolitik generell in Zweifel gezogen. So gebe es keine nennenswerten Extemalitäten von Ballungsräumen bzw. wirtschaftsstarken Regionen. Dies wurde von an-

234

deren in Zweifel gezogen, ohne daß dieser Punkt abschließend geklärt werden konnte. Ferner, so führten Diskussionsteilnehmer aus, drohten der EG-Strukturpolitik Mitnahmeeffekte und fragwürdige Verwendungen der bereitgestellten Fördermittel, etwa flir konsumtive Zwecke oder zur Konservierung veralteter Wirtschaftstrukturen. Zudem könnten unter Umständen problematische Anreize entstehen, etwa im Vertrauen auf einen "bail-out" durch die EG, in den forderungswürdigen Regionen eine expansive Einkommenspolitik zu betreiben. Dies schade dann letztlich auch dem Konvergenzziel, da eine nachhaltige Behebung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte unterbleibe. Demgegenüber wurden die Verteilungswirkungen und die politökonomische Notwendigkeit der Kohäsionspolitik betont. Die Struktur- und Kohäsionspolitik erflille- wenn auch nur unvollkommen und mit fragwürdigem Instrumentarium - eine Art Finanzausgleichsfunktion innerhalb der EG. Zudem sei die mehrfache Aufstockung der Strukturfonds vor allem das Ergebnis eines politischen "Deals", mit dem die Wirtschaftsschwaehen EG-Mitgliedsländer sich ihre Zustimmung zu den von den wirtschaftsstarken Mitgliedsländern angeschobenen integrationspolitischen Maßnahmen abkaufen ließen, nach der Devise: "Binnenmarkt gegen Delors I" und "Wirtschafts- und Währungsunion gegen Delors II". Allein eine Aufgabe des Prinzips "alle Zwölf zugleich" bei den großen integrationspolitischen Schritten, namentlich beim Übergang zur Wirtschafts- und Währungsunion, also der Übergang zu einer zurückhaltenderen, abgestuften Integration, wirke diesen Pressionen und Tendenzen entgegen; vielmehr werde so der Anreiz gestärkt, über nationale Eigenanstrengungen in die Spitzengruppe aufzurücken. Immerhin bestehe die Möglichkeit, mittels der Strukturpolitik auf die nationale Wirtschaftspolitik der Empfangerländer stärker einzuwirken, auch wenn der im Maastrichter Vertrag implizierte Zusammenhang zwischen dezidierter Kohäsionspolitik und makroökonomischer Kon235

vergenzpolitik als Voraussetzung ftir den Eintritt in die Wirtschaftsund Währungsunion eher nachgeschoben wirkt. Insbesondere wurde in der Diskussion eine stärkere Konditionierung der gesamten Strukturfonds empfohlen. Ferner müsse bei andauernder Verletzung der Konvergenzziele auch weiterhin auf das Instrument der Wechselkursanpassung im EWS zurückgegriffen werden. Freilich entsteht damit gleichzeitig das Problem einer patemalistischen Fremdbestimmung der Empfangerländer durch die EG-Kommission ("goldener Zügel") sowie einer Ausweitung der Einwirkungsmöglichkeiten der EG-Kommission und des Europäischen Parlaments - eine Entwicklung, die der Stärkung des Subsidiaritätsgedankens als eines Grundprinzips des Europäischen Vereinigungsprozesses tendenziell zuwiderläuft. Auch dieser Aspekt wurde in der Diskussion problematisiert. Ebenso wurde darauf hingewiesen, daß in der europapolitischen Praxis in vielen Fällen "second best"-Lösungen angestrebt werden müssen, da sich eine ursachengerechte Problemlösung aus politischen Gründen verbietet. Beklagt wurde daneben die Tendenz der EG zu einem geschlossenen Club. Die beitrittswilligen Länder Osteuropas- die allerdings ebenfalls an Mitteln aus den Strukturfonds intere..,siert sind- bleiben trotzeines immensen Investitionsbedarfs gerade auch im Bereich der öffentlichen und umweltschutzrelevanten Infrastruktur auf lange Sicht aus den Europäischen Institutionen ausgeschlossen. Dies unterbindet nicht, daß auch ihnen im gewissen Umfang finanzielle Hilfe der EG zuteil wird.

236

Eine Europäische Währungsunion nach dem Modell des Europa der zwei Geschwindigkeiten* Von Hans-Eckart Scharrer

1. 2. 3.

4.

1.

Die Ausgangslage fiir die Wirtschafts- und Währungsunion nach den Währungsturbulenzen 1992/93 Die Begründung fiir ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion Währungsunion mehrerer Geschwindigkeiten und MaastrichtAbkommen a) Vorgeschichte b) Das Zwischenergebnis der Regierungskonferenz tm Herbst 1991 c) Das Abkommen von Maastricht Ausblick

Die Ausgangslage für die Wirtschafts- und Währungsunion nach den Währungsturbulenzen 1992/93

Die heftigen Turbulenzen an den europäischen Devisenmärkten seit dem Herbst 1992, die erzwungenen Abwertungen der Peseta, des Escudo und des irischen pfundes und das Ausscheiden von Lira und Pfund Sterling aus dem Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) haben die Fragilität des ökonomischen und wirtschaftspolitischen Fundaments sichtbar gemacht, auf dem die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) begründet werden soll. Die Initiative fiir eine europäische Einheitswährung beruhte - explizit oder implizit - auf der Annahme, daß die wirt-

* Leicht gekürzte und veränderte Fassung eines Beitrags fiir: RolfCaesar und Hans-Eckart Scharrer (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion? Bonn (in Vorbereitung). 237

schaftliehe Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten der EG schon so weit fortgeschritten sei, daß Leitkursanpassungen auch künftig wie schon in den funfeinhalb Jahren zwischen dem letzten Realignment im Januar 1987 und dem Einsetzen der Abwertungsspekulation im Sommer 1992 - ausgeschlossen und nahezu alle Länder (mit der möglichen Ausnahme Griechenlands, vielleicht auch Portugals) spätestens am 1. Januar 1999 fiir den Eintritt in die Endstufe der Währungsunion ökonomisch gerüstet seien. Diesen politischen Träumen von einer baldigen europäischen Einheitswährung im großen Teilnehmerkreis haben die Märkte jetzt die harte Realität gegenübergestellt: Eine ganze Reihe von Ländern sind auf eine Währungsunion 1, die das Ziel der Geldwertstabilität verfolgt, ökonomisch noch nicht vorbereitet, und es ist unwahrscheinlich, daß sie in den verbleibenden vier bis sechs Jahren dafiir reif werden. Preise und Lohnstückkosten sind am südlichen EU-Rand und in Großbritannien - ungeachtet unbestreitbarer Stabilisierungserfolge - seit vielen Jahren erheblich rascher gestiegen als in den Kernländern (s. Tabelle). Zugleich hat die Arbeitslosigkeit dort, allerdings auch in einigen Ländern des Zentrums, z.T. dramatisch zugenommen, und die Finanzierungsdefizite des Staates sind gewachsen. Unter diesen Umständen werden viele Länder auch in den kommenden Jahren auf Leitkursänderungen angewiesen sein - ein schlechtes Vorzeichen, um den (unumkehrbaren) Schritt in die Währungsunion zu wagen. Die Frage eines Europas mehrerer Geschwindigkeiten 2 bei der Verwirklichung

1 Im folgenden ist mit der Währungsunion immer die Endstufe der Währungsunion (unwiderruflich feste Wechselkurse bzw. Einheitswährung mit zentraler monetärer Steuerung durch eine Europäische Zentralbank) gemeint.

2 Das Konzept geht zurück auf Vorschläge von Willy Brandt, 1974, Leo Tindemans, 1975, und anderen. Eine systematische Diskussion gibt Grabitz, 1984, eine Übersicht über die einzelnen Modelle Scharrer, 1984a.

238

~

1\)

100

1992

106,1

0,8

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.,Stabilitätskern" JRL L NL

I GR E

Anstieg der Verbraucherpreise 1987-92 (in vll) 15,1 16, 1 15,7 16,8 12,4 2,8 3,0 3,2 2,4 3,0 16,6

115,1

106,0

-0,3

1, 1

+2,4 -1 ,4 -2,3

47,4

76,7

2,0

Durchschnittliche Zuwachsrote der Beschäftigung (in vH p.a.) 1,1 3,4 0,5 0,6 2,3 0.6 BIP pro Kopf (Kaufl