Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993: Dokumentation des Verfahrens mit Einführung [1 ed.] 9783428481163, 9783428081165


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Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993: Dokumentation des Verfahrens mit Einführung [1 ed.]
 9783428481163, 9783428081165

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 25

Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993 Dokumentation des Verfahrens mit Einführung Herausgegeben von

Dr. Ingo Winkelmann

Duncker & Humblot · Berlin

INGO WINKELMANN

Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen

Band 25

Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993 Dokumentation des Verfahrens mit Einführung

Herausgegeben von

Dr. logo Winkelmann

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Deutschland / Bundesverfassungsgericht: Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: vom 12. Oktober 1993 ; Dokumentation des Verfahrens mit Einführung / hrsg. von Ingo Winkelmann. - Beflin : Duncker und Humblot, 1994 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 25) ISBN 3-428-08116-1 NE: Winkelmann, Ingo [Hrsg.]; HST; GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Wemer Hildebrand, Beflin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-08116-1

Vorbemerkung Nachfolgender Band dokumentiert das Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die deutsche Mitwirkung an der Gründung der Europäischen Union. Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht waren das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 19921 und das Gesetz vom 28. Dezember 19922 zum (Maastrichter) Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (im folgenden Unions-Vertrag Rechtsakte in Deutschland anzuwenden. Dementsprechend prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen"176. Das vom Gericht konstatierte Fehlen einer Bindungswirkung in Fällen faktischer Vertragserweiterungen ist dogmatisch stringent. Es zieht die Konsequenz aus dem den nicht vorhandenen Rechtsanwendungsbefehl des dieses "überschießende" Recht gerade nicht umfassenden - Zustimmungsgesetzes. Sieht man diese Folge, so wie sie im Leitsatz und im Anschlußsatz in den Urteilsgründen beschrieben ist, isoliert, so könnte sie allerdings zu dem Schluß verleiten, Behörden und Gerichte stehe ein eigenes Verwerfungsrecht gegenüber Gemeinschaftsakten zu, deren Kompetenzgrundlage bezweifelt wird. Wie gefährlich eine derartige Folgerung ist, bedarf keiner ausführlichen Begründung. Die Anwendung von Gemeinschaftsrecht hinge bis zur gerichtlichen Prüfung von dem jeweils in der Sache befaßten Staatsorgan ab. Da Auslegungsgrenzen auch durch das Subsidiaritäsprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gezogen werden, gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, was das Ergebnis wäre. Nach den Worten von Zuleeg wären der "Zusammenhalt der Gemeinschaft, rechtsstaatliche Grundsätze wie die Rechtssicherheit und die Gleichheit vor dem Gesetz" unmittelbar gefährdet177• • Entscheidende Voraussetzung der Nichtanwendbarkeit von Gemeinschaftsakten muß daher bleiben, daß ihre Nichtverbindlichkeit vorher letztverbindlich festgestellt wird. In den Urteilsgründen kommt dies durch den unmittelbaren Anschlußsatz "... Dementsprechend prüft das BVerfG ... " zum Ausdruck. Hier wie auch in Leitsatz 6 wären entsprechende Erläuterungen des Gerichts hilfreich gewesen, gerade auch vor dem Hintergrund der möglichen Tragweite der dort vorgenommenen Aussagen. Ob EuGH oder BVerfG das letzte Wort bei der erforderlichen Verbindlichkeitsfeststellung 176 Urteilsgründe C. I. 3. 177 M. Zuleeg

(Pn. 161), S. 1; ebenso T. Jamrath (Pn. 102), S. 87.

111. Zum Urteil

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zukommt, bemißt sich nach dem - wie gesehen heftig umstrittenen "Kooperationsverhältnis" beider Organe. In der Praxis bedeutet dies: Auch wenn Verwaltungsbehörden Rechtsakte für unverbindlich halten, weil eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Kompetenzgrundlage nicht ersichtlich ist oder gegen die vom BVerfG vorgegebenen Auslegungsgrundsätze verstoßen worden zu sein scheint, sind sie verpflichtet, den Rechtsakt anzuwenden. Dabei gilt - nicht anders als bei jedem anderen innerstaatlichen Rechtsakt -, daß die vollziehende Gewalt an bestehendes Recht und Gesetz gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Recht und Gesetz sind auch Rechtsakte der Gemeinschaft, ohne daß sie vorher auf ihre formelle und materielle Rechtmäßigkeit zu überprüfen wären. Ein Verwerfungsrecht oder gar eine Verwerfungspflicht kommt Behörden nicht ZUl78. Bei fortdauernden Zweifeln über die Verbindlichkeit des Rechtsaktes kommt für die Verwaltung nur eine Nichtigkeitsklage beim EuGH gem. Art. 173 EGV in Betracht. Klagebefugt nach Art. 173 EGV sind die Mitgliedstaaten, d.h. in Deutschland die Bundesregierung; für Landesregierungen macht die Bundesregierung auf Verlangen des Bundesrats von den Rechten nach Art. 173 EGV Gebrauch (§ 7 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union)119. Ob der EuGH in einer Entscheidung nach Art. 173 EGV den Auslegungsmaximen des BVerfG Rechnung getragen hat, könnte danach allenfalls mit Hilfe einer abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG vom BVerfG überprüft werden.

178 Sog. Prinzip der Funktionenverteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG): dazu T. Jamrath (Fn. 102), S. 41 ff m.w.Nachw.; Jamrath bejaht allerdings ein (theoretisches) behördliches Verwerfungsrecht bei entgegenstehendem nationalen Vorbehaltsrecht unter Hinweis auf fehlende behördliche Vorlagemöglichkeiten an den EuGH (S. 126/127). Zur Verpflichtung der Verwaltung, widersprechendes innerstaatliches Recht außer Acht zu lassen, s. I. Pemice, Gemeinschaftsverfassung und Grundrechtsschutz, NJW 1990, S. 2094 ff. (2412); zur Gegenmeinung: R. Streinz, Der Einfluß des Europäischen Verwaltungsrechts auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten - dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: M Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 241 ff. (284); ders., Der Vollzug des Europiiischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, HStR VII, § 182 Rdnr. 66. 119 Zur Forderung einer direkten Klagemöglichkeit der Exekutivspitzen nach Art. 177 EGV s. G. Wmter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBI. 1991, S. 657 ff. (666); dagegen T. Jamrath (Fn. 102), S. 83 ff.; A. Bleckmann/S. Pieper (Fn. 89), S. 977, erwägen in diesem Zusammenhang offenbar auch die Möglichkeit eines Bund-Länder-Streits gern. Art 93 Abs. 1 Satz 3 GG (analog?); ähnlich wohl a. H.H. Rupp, Maastricht und Karlsruhe, in: M Brunner (Hrsg.), Kartenhaus Europa?, 1994, S. 101 ff. (114).

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A. Zur Einführung

Haben Gerichte Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzgrundlage eines Rechtsakts, so können sie sich ebenfalls nicht in eigener Zuständigkeit über den Rechtsakt hinwegsetzen. Nach Art. 177 EGV ist die Frage vielmehr dem EuGH vorzulegen. Die daraufhin ergehende Vorabentscheidung des EuGH bindet das vorlegende Gericht. Kommt ein Gericht zu der Auffassung, daß der EuGH seiner Vorabentscheidung eine Auslegung zugrundegelegt hat, die nicht vom Zustimmungsgesetz zum EUV gedeckt sei, so ist vor Anrufung des BVerfG auch eine erneute Vorlage an den EuGH in Betracht zu zieheniBO. Erst dann wäre an eine konkrete Normenkontrollklage gem. Art. 100 Abs. 1 GG zu denken. Das Urteil schweigt zu den aufgeworfenen Verfahrensfragen. Das Problem, ob und von wem Entscheidungen des EuGH kontrolliert werden können, scheint unlösbar zu sein. Das BVerfG als das für die Auslegung des innerstaatlichen Zustimmungsgesetzes alleinverantwortliche Organ muß geradezu zwangsläufig in eine Rolle geraten, in der es zum Richter über Auslegung und Reichweite von Gemeinschaftsrecht wird, wenn es seiner Aufgabe gerecht werden will, die Reichweite des Zustimmungsgesetzes und damit etwaiges "überschießendes Gemeinschaftsrecht" zu defInieren. Diese Rolle ist aber die, welche die Verträge mit gutem Grund dem EuGH zuweisen181 • Hilfsweise wären wohl auch die Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" legitimiert, Feststellungen darüber zu treffen, was sie mit einzelnen Vertragsbestimmungen beabsichtigt hatten. Ihnen stünde hierfür jedenfalls das Instrument der klarstellenden Vertragsänderung zur Verfügungl82 • Für die Zwischenzeit bliebe es bei der Zuständigkeit des EuGH I83 • Wege, die aus dem Dilemma herausführen, werden mühsam erarbeitet werden müssen. Sie können weder ausschließlich gemeinschafts- noch ausschließlich verfassungsrechtIicher Natur sein, sondern müssen sich um

IBO vgl. P. Kirchhof, Verfassungsrechtlicher Schutz und internationaler Schutz der Menschenrechte: Konkurrenz oder Ergänzung?, EuGRZ 1994, S. 16 ff. (20) (dort eiWähnt im Zusammenhang mit Art. 177 Abs. 3 EGY). T. lamrath (Fn. 102), S. 83 ff., will VorabentscheidunMen des EuGH in bestimmten Fällen nur "gutachterliche" Bedeutung zumessen. I 1 Zum "Rechtsprechungsmonopol" des EuGH s. etwa l. Boulouis, Le droit des Communautes europeennes dans ses rapports avec le droit international general, RdC 1992 (IV). S. 43 m.w.Nachw. 182 Art. N EUV. 183 Soweit ersichtlich ist noch nirgendwo versucht worden, an dieser Nahtstelle zwischen nationalen Verfassungsrechten und einheitlichem Gemeinschaftsrecht den Obersten Gerichtshöfen der Mitgliedstaaten eine (gemeinsame 1) Rolle zuzudenken. Hier ist stärkere Verfassungsvergleichung in Europa gefordert. In diese Richtung a. l. Schwarze (Fn. 96), S. 593 f.; P. Häber/e, Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, 1992, darin: Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, S. 71 ff.

111. Zum Urteil

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praktische Konkordanz bemühenl84 . Das institutionelle Gefüge der Bundesrepublik Deutschland sieht weder Verfahren noch Organe dafür vor l&5. Es zwingt daher zu pragmatischen Lösungenl86. Daß auch die mitgliedstaatlichen Gerichte künftig noch stärker als bisher in die Verantwortung für die Einwirkung und die Wirksamkeit von Gemeinschaftsrecht einbezogen werden können, ist von kompetenter Seite erst jüngst betont worden l87. Dabei sollte sichergestellt bleiben, daß dem mit der Auslegung von Gemeinschaftsrecht betrauten Organ EuGH nur in Ausnahmefällen das BVerfG im Rahmen seiner Reservezuständigkeit an die Seite gestellt werden muß. g) Sonstige Aussagen Hinweise auf sonstige Aussagen desU:rteiis beschränken sich auf fünf Fragenkreise. Der erste Fragenkreis betrifft die eigentliche Neuerung des EUV, die stufenweise Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Das Urteil geht darauf im Anfangsteil des letzten Leitsatzes ein. Den vom Vertrag vorgezeichneten Weg bezeichnet das Gericht als vom Parlament "überschaubar" und "steuerbar" und daher dem Prinzip parlamentarischer Verantwortbarkeit genügend. Die in Art. 109 j EGV vorgesehenen Zeitpunkte seien eher als Zielvorgaben denn als rechtlich durchsetzbare Daten zu verstehen. Die weitere Entwicklung bleibe auch insofern in der Hand der Mitgliedstaaten, als die Gemeinschaftsorgane zu "loyaler Zusammenarbeit" gemäß Art. 5 EGV verpflichtet seien. Dem Bundestag verbleibe das Recht, sich gegen eine Aufweichung der Konvergenzkriterien zu wehren l88. Die vorbereitenden Arbeiten zu deren Festlegung stünden unter "Parlamentsvorbehalt"l89 . Der zweite Fragenkreis betrifft Aspekte der Herauslösung eines Mitgliedstaats aus der Gemeinschaft. Die entsprechenden Aussagen der Gerichts haben keinen Eingang in die Leitsätze gefunden und sind in der Öffentlich184 vgl. dens. (Fn. 104 ), S. 591; (Fn. 83), S. 5 ("schonender Ausgleich"). 1&5

Vgl. P. Kirchhof(Fn. 172), S. 25.

186 Ebenso C. Tomuschat (Fn. 83), S. 494. 187 M. Zu/eeg (Fn. 171), S. 7; zu einfachrechtlichen

Kollisionsvermeidungsregeln S. dens. in NVwZ 1994, S. 152 f. (Leitsätze zum zweiten Beratungsgegenstand der VVdStRL-Jahrestagung 1993); S. ergo T. JamraJh (Fn. 102), S. 129, der eine Ergänzung der vor dem EuGH eingeräumten Klagemöglichkeiten vorschlägt. 188 Zu den weiteren Implikationen S. A. Weber, Die Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Maastricht-Urteil des BVerfG, JZ 1994, S. 53 ff. (57). 189 Urteilsgründe C. 11. 2-4; zust. J. Frowein (Fn. 115), S. 14.

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A. Zur Einführung

keit vielfach mißverstanden worden. Mit Blick auf die WWU stellt das Gericht lapidar fest, daß der EUV bei einem Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft einer Lösung aus der Gemeinschaft als ultima ratio nicht entgegensteht. Ultima ratio bedeutet, daß alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten, über welche die Gemeinschaft verfügt, vorher ausgeschöpft sein müssen190. Ganz allgemein und vor dem Hintergrund der derzeitigen Rechtsnatur der Gemeinschaft stellt das Gericht an anderer Stelle fest, die Mitgliedstaaten könnten als "Herren der Verträge" ihre Zugehörigkeit zu dem auf unbegrenzte Zeit geschlossenen Unions-Vertrag "letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben,,191. Diese Formulierung bleibt - will sie mehr als eine Selbstverständlichkeit ausdrücken - dunkel und kontrastiert mit der klaren Aussage des Gerichts zu einer möglichen Lösung aus der WWU. Da sie auf "die Mitgliedstaaten" im Plural weist, muß jedenfalls bezweifelt werden, daß sie zur Rechtfertigung einseitiger, nichteinvernehmlicher Lösungen aus der Gemeinschaft herangezogen werden könnte192. Der dritte Fragenbereich spiegelt sich in Leitsatz 9a des Urteils. Art. F Abs. 3 EUV ermächtigt danach die Union nicht, sich aus eigener Macht die Finanzmittel oder sonstige Handlungsmittel zu verschaffen, die sie für die Erfüllung ihrer Zwecke für erforderlich erachtet. Seiner Auslegung legt das Gericht Wortfassung, systematische Erwägungen und den Willen der Vertragspartner zugrunde193. Seitens der beteiligten Bundesorgane, der Mitgliedstaaten und der Kommission der Gemeinschaft stand diese Auslegung von Art. F Abs. 3 EUV nie in Zweifel. Die Bundesregierung hatte dies im mündlichen Verfahren nochmals schriftlich ausführlich dargelegt194. Der vierte Fragenkreis betrifft die in den Art. J und K EUV geregelte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz als Gegenstände europäischer Zusammenarbeit im Rahmen der Union. Hier war es dem Gericht vor allem darum zu tun, das Entstehen von Rechtsschutzlücken ZU verhindern195, da Art. L EUV einen 190 Skept. zur Zulässigkeit eines "opting-out" aus der Währungsgemeinschaft A. Weber (Fn. 188), S. 58, der die Gewährleistung der Konvergenzkriterien zugleich eine "durchaus o[ fene Frage" nennt; J. Boulouis (Fn. 181), S. 46, weist auf die gemeinschaftsrechtliche Nichtanwendbarkeit der exeptio non adimpleti contractus hin. 191 Urteilsgrunde C. 11. la); vgl. hierzu und zum Ganzen auch die erschöpfend Darstellung in der Stellungnahme des Bundestags (Dok. B. I. 5.), Zifr. B. II. 2. 192 Ebenso C.O. Lenz, Der Vertrag von Maastricht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1993, S. 3038 f.; D. König (Fn. 98), S. 35; anders wohl J. Frowein (Fn. 115). S.l1. 193 Vgl. Urteilsgrunde C. 11 2 b). 194 s. u. Dok. B. IV. 4. 195 Ls. 9 b).

111. Zum Urteil

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Rechtsschutz durch den EuGH in diesem Bereich weitgehend ausschließt. Das Gericht erreicht dies dadurch, daß es auf die Nichteingliederung beider Zusammenarbeiten in die supranationale Zuständigkeitsordnung der Gemeinschaft hinweist. Dies stehe einem Rückgriff auf die herkömmlichen Handlungsformen der Gemeinschaft entgegenl96 • Anderes könne nur über eine - vereinfachte - Vertragsänderung gern. Art. K.9 EUV ermöglicht werden. Durchgriffswirkungen von Rechtsakten seien ausgeschlossen. Die innerstaatliche Durchführung von Rechtsakten im Bereich der Art. J und K EUV aber unterliege der vollen Überprüfung durch die deutsche Gerichtsbarkeit, wenn hierdurch Grundrechte verletzt WÜfden197• Schließlich würdigt das Gericht die in Art. 8 EGV verankerte Unionsbürgerschaft, die es als "ein auf Dauer angelegtes Band" bezeichnet, "das zwar nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeit jedoch einen verbindlichen Ausdruck verleiht,,198. Ausdrücklich wird auf das aktive und passive Kommunalwahlrecht nach Art. 8 b EGV verwiesen. Die Beschwerde, dieses über Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG neu in der Verfassung verankerte Recht verstoße gegen die Gewährleistungen von Art. 38 GG (kommunalwahlrechtliche "Konkurrentenklage"), hat das Gericht als unzulässig verworfen l99 • 4. Reaktionen auf das Urteil

Einheitliche Reaktionen herrschten nach Verkündung des Urteils auf Seiten der unmittelbar am Verfahren Beteiligten vor: Fast alle fühlten sich als Sieger2OO • Die Beschwerdeführer bezogen sich auf die Schaffung von mehr Demokratie und Transparenz und äußerten sich "vollauf zufrieden,,201. In Presseerklärungen des Bundeskanzlers ("Nun ist der Weg frei") und der Bundesminister des Auswärtigen ("Keine direkten Auflagen") und der Finanzen ("Kein Automatismus in der WWU") sahen sich die Vertreter der Bundesregierung in ihrer Europapolitik bestätigt202. Das Medienecho blieb in der Beurteilung der aus Art. 38 GG hergeleiteten Vorgaben uneinheitUrteilsgründe B. 2. c2). Urteilsgründe B. 2. c2), eS). 198 Urteilsgründe C. I. 2 bl). 199 Zur Unionsbürgerschaft s. H.G. Fischer, Die Unionsbürgerschaft, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut der Universität des Saarlandes (Nr. 269), 1992; M. Degen, Die Unionsbürgerschaft nach dem Vertrag über die europäische Union unter besonderer BerücksiChtigung des Wahlrechts, DÖV 1993, S. 749 ff. 200 B.-O. Bryde (Fn. 88), S. 1. 201 W. Telkämper in TAZ und GAZ v. 13. Oktober 1993; M. Brunner in FR v. 13. Oktober 1993. 202 BullBReg. Nr. 87 v. 16. Oktober 1993, S. 990 L; s.a. Dok. C. I. 1. 196 197

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A. Zur Einführung

Iich: "Warntafeln" (Leipziger Volkszeitung), "Straffes Korsett" (Bonner Rundschau), "Auflagen" (DIE WEL1), "Grenzen für Maastricht" (Berliner Morgenpost), "Europa unter Karlsruher Kontrolle" (Süddeutsche Zeitung), "Grenzsteine" (Frankfurter Allgemeine Zeitung), "Stoppsignale" (Frankfurter Runtischau)]J)3. Seitens der Gemeinschaft wurde der Präsident der EG-Kommission, Delors, mit Worten der Erleichterung ("Neuer Elan für Europa") zitiert204 • Die Regierungen von Belgien, Frankreich und der Niederlande werden mit ähnlichen Äußerungen wiedergegeben20S • Die Neue Zürcher Zeitung stellt "Anforderungen für die künftige demokratische Entwicklung in Europa" heraus206• Eher kritische Kommentare fmden Wall Street Journal und Financial Times 7JJ7 • Im Mittelpunkt der ersten Reaktionen auf das Urteil aus dem politischen Umfeld stand die Tatsache, daß damit der Weg für die RatifIkation des Vertrags freigemacht worden war. Auch war Erleichterung zu verspüren, daß sich zahlreiche Spekulationen als haltlos erwiesen hatten, die im Vorfeld des Urteils von möglichen Auflagen des Gerichts an die Bundesregierung vor oder bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde wissen wollten. Anfang November 1993 traten europapolitische Unstimmigkeiten zwischen der bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung zu Tage, die zwar nicht in einem konkreten, so doch zeitlichen Zusammenhang mit dem Urteil vom 12. Oktober 1993 gesehen werden konnten208• Im Dezember 1993 setzte eine das Urteil betreffende schriftliche Anfrage der GRÜNEN eigene Akzente209 • Das rechtswissenschaftliche Schrifttum bewertete das Urteil in ersten Analysen uneinheitlich. Dabei überwogen allerdings die positiven Stimmen ("Fixpunkt", "souverän", "wohlüberlegt", "ausgewogen", "insgesamt richtig", "integrationsfreundlich", "verdienstvoll", "bedeutsam/wichtig", "begrüßenswert")210 gegenüber kritischeren Äußerungen ("gefährlich", "ahistorisch", "erschwerend" "verfassungsintrovertiert")21I. Jeweils Ausgaben vom 13. Oktober 1993. SZ, Stuttg. Zeitung v. 13. Oktober 1993 20S SZ v. 13. Oktober 1993; s.a. FR v. 15. Oktober 1993. 206 NZZ v. 13. Oktober 1993. 7JJ7 Wall Street Journal v. 14. Oktober 1993 (I. Laughland: "lbe Court Turned the EC Upside Down"); Financial Times v. 13. Oktober 1993 ("Karsruhe's sound ruling"). 208 Interview des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber in der SZ v. 2. November 1993; Das Parlament v. 26. November 1993, S. 1.; zu den Schlüssen, die M. Glos aus dem Urteil ziehen will, s. dessen Beitrag in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 15/94 v. 15. April 1994, S. 9. 209 s. Dok. C. l. 4. ]J)3

204

210 BleckmannjPieper, 211

Bryde, Götz, Oppermann, Pernice, Rupp, Schröder, Stern, Weber. Frowein, Ipsen, Schwarze, Steindorjf, Tomuschat.

111. Zum Urteil

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5. Ausblick

Die verfassungsrechtliche Situation "nach Maastricht" läßt sich wie folgt charakterisieren: Erstens. Das Urteil hat zunächst die Ratifikation und damit das Inkrafttreten des EUV ermöglicht. Die mit dem Vertrag bezweckte Vertiefung und Verdichtung der Gemeinschaft schreitet fort. Dies ist die erste, praktisch bedeutsame Folge des Urteils212• Zweitens. Das Urteil hat sich nicht von den Tendenzen zur Vereinfachung und Polemisierung anstecken lassen, die im Vorfeld des Verfahrens hier und da zu verspüren waren. Allerdings wird auch deutlich, daß die verfassungsrechtliche Billigung des EUV erst nach genauer Untersuchung der mit ihm übertragenen Hoheitsrechte und Kompetenzen erfolgt ist. Zum Teil bleiben die Wendungen des Gerichts bewußt offen und interpretierbar, zum Teil wird aber auch ein eher rigider213, an nationalen Rechtsvorstellungen orientierter Maßstab angelegt, der zu entsprechenden Vorwürfen geführt hael4 • Zutreffend an dieser Einschätzung ist wohl, daß das Gericht sich inhaltlich mehr mit Grenzen und Vorgaben als mit Möglichkeiten der Integration auseinandersetzt und so dem ersten Eindruck Vorschub leistet. Diese Konstellation mag aber verfahrensbedingt und angesichts der Schwere der Rügen nicht vermeidbar gewesen sein215• Auch kann die Betonung nationaler Verfassungsaspekte als Beleg dafür gewertet werden, daß Gemeinschaftsrecht beginnt, zunehmend im Mittelpunkt der innerstaatlichen Rechtsordnung zu stehen216 und sich damit auch den Anforderungen zu stellen hat, denen innerstaatliches Recht seit jeher genügen muß. Insgesamt dürfte es richtig sein zu behaupten, daß das Urteil dem weiteren Integrationsprozeß weder Fesseln anlegt noch ihm einen Freibrief ausstellel7• Ebenso C,Q. Lenz (Fn. 192), S. 3038. Im Sinne eines zu statischen Verständnisses des Übertragungsaktes nach Art. 24 (23) GG: C. Tomuschat (Fn. 156), S. 349; krit. a. H. Steinberger, Das Grundgesetz auf dem Weg zur Europäischen Einheit, in: FS H. Heimrich, 1994, S. 427 ff. (430 f.); allg, M. Winkler, Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge anhand einzelstaatlichen Verfassunprechts, NVwZ 1994, S. 450 ff. 214 J. Schwarze (Fn. 83), S. 3. 215 Ähnlich C.O. Lenz (Fn. 192), S. 3038. 216 Vgl. dazu Klein/A. Haratsch, Neuere Entwicklungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften, Teil I (11), DÖV 1993, (1994), S. 78S ff. (133 u. ff.). 217 T. 0PPernlQItfI, Redebeitrag "Die Europäische Union und die Eigenstaatlichkeit ihrer Mitglieder" auf der Tagung des Graduiertenkollegs der Universität Heidelberg (Fn. 151); ähnlich K Met!$en, Maastricht nach Karlsruhe, NJW 1994, S. 549 ff. (554); H.H. Rupp (Fn. 179), S. 115. 212 213

e.

64

A. Zur Einführung

Drittens. Aussagen darüber, wie sich das künftige Verhältnis des BVerfG zum EuGH gestalten wird, fallen schwer. Richtig ist, daß das Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund einer umfassenden Rechtsschutzgewährleistung für sich in Anspruch nimmt, Gemeinschaftsrecht unabhängig davon zu überprüfen, ob es von deutschen oder Gemeinschaftsorganen angewandt wird. Richtig ist auch, daß es den Umfang seiner Überprüfungskompetenz umfassend, bis hin zur Art und Weise der Rechtsauslegung durch den EuGH versteht. Alle diese Elemente waren indes bereits bisher in der Rechtsprechung des Gerichts angelegt. Die prozessuale Nichtausübung seiner Kompetenzen, die "Solange 11" zugrundeliegt, hat das Gericht bestätigt und in ein Gewand der "Kooperation" gekleidet. "Solange 11" ist damit weder überflüssig noch von einem "Solange III" abgelöst geworden. Der mit "Solange 11" ausgestellte Vertrauensscheck an den EuGH wird vielmehr prolongiert. Ob die Umstände dieser Prolongation nicht vielleicht hier und da die Grenze des angeraten Erscheinenden überschritten haben, kann mit Recht gefragt werden. Folgerungen, das Gericht habe "das Ruder spürbar herumgeworfen"218, scheinen jedoch einzelne neue Nuancen überzubewerten.

Eher als ein "Grabenkrieg" mit dem EuGH ist zu erwarten, daß das Gericht mit seinen Vorstellungen doch vielleicht "offene Türen" in Luxemburg "einrennt,,219. Damit könnte der präventive Charakter der Vorgaben des Gerichts in den Vordergrund treten. Auch in der Folge der 1973 überaus kritisch aufgenommenen "Solange I"-Entscheidung wurden konkrete Fälle des Konflikts nicht bekannt. Vielmehr wird "Solange I" heute zugute gehalten, zu einer spürbaren Verbesserung des Grundrechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene beigetragen zu haben22O • Wenn "Maastricht" einen ähnlichen Effekt bewirkt, wird auch die unbeantwortbare Frage "Quis custodiet custodies europeos?" nicht mehr gestellt werden müssen, sondern sich verfahrensrechtlich in Form einer "Maastricht 11"- oder "Allerdings II"-Entscheidung des BVerfG wieder - vielleicht endgültig - auf Eis legen lassen. Auch andere Reformvorschläge könnten dazu beitragen, die Situation zu entspannen 221 .

218 So C. Tomuschat (Fn. 83), S. 490, wohl a. J. Frowein (Fn. 115), S. 5 u. 15; andere Bewertunlf etwa bei M Schröder (Fn. 110), S. 321. 9 Ebenso B.-O. Bryde (Fn. 88), S. 11 (der auch darauf hinweist, daß selbst in Folge von "Solange I" die vom Gericht behauptetet PTÜfungszuständigkeit abstrakt blieb und kein europäischer Rechtsakt auf dieser Grundlage verworfen wurde); s.a. K. Meesen (Fn. 217), S. 553. 220 M. Hilf (Fn. 55), S. 2; s. a. A. BleckmannjS. U. Pieper (Fn. 89), S. 976.

221 s. etwa die Anregungen bei J. Schwarze, Die überstaatliche Bedingtheit des Staates. EuR Beiheft 1 (1993), S. 39 ff. (45).

I.V. Literaturübersicht

65

Die komplizierten Verschränkungen zwischen Gemeinschafts- und Verfassungsrecht liegen offen zu Tage. "Maastricht" hat es einmal mehr deutlich gemacht. Verwunderlich ist dies angesichts der fundamentalen Aufgabe, die ein Vereinigtes Europa darstellt, nicht. Einfache Pfade existieren auf dem Niveau, das die Integration erreicht hat, nicht mehr. Die 1981 von Wemer von Simson geprägte Metapher, wonach die Gemeinschaft einem Wanderer gleicht, der in eine Berghöhe aufgestiegen ist, in der weder ein Zurück möglich noch der genaue Weg des weiteren Vorwärtskommens ersichtlich ist 222, beansprucht mehr denn je Gültigkeit. Ob und wohin der vom BVerfG gewiesene Weg weiterführt, wird sich erweisen müssen. IV. Literaturübersicht 1. Literaturhinweise zum Urteil Bleckmann, Albert/Pieper, Stefan Ulrich: Maastricht, die grundgesetzliche Ordnung und die "Superrevisionsinstanz". Die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, RIW 1993, S. %9 ff. Bryde, Brun-Otto: Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Konsequenzen für die weitere Entwicklung der europäischen Union, Vorträge und Berichte aus dem Graduiertenkolleg Europäische Integration (Nr. 5), Tübingen 1993 Frowein, Jochen Abr.: Das Maastricht-Urteil und die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, ZaöRV 1994, S. 1 ff. Gersdor[, Hubertus: Das Kooperationsverhältnis zwischen deutscher Gerichtsbarkeit und EuGH, DVBI. 1994, S. 674 ff. Götz, Volkmar: Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1993, S. 1081 ff. Häde, Ulrich: Das Bundesverfassungsgericht und der Vertrag von Maastricht, BB 1993, S. 2457 ff. Herdegen, Matthias: Maastricht and the German constitutional court: constitutional restraints for an "ever doser Union", CML Rev. 1994, S. 235 ff. Ipsen, Hans Peter: Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, S. 1 ff. Klein, Hans Hugo: Maastrichter Vertrag und nationale Verfassungsgerichtssprechung, VI. Europäische Rechtskonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 1993 (Interne Studien und Berichte der Konrad-Adenauer-Stiftung Nr. 66/1993) 222 W. von Simson, Wachstumsprobleme einer europäischen Verfassung, in: FS H. Kutscher, 1981, S. 481.

5 Wink.lmann

66

A. Zur Einführung

König, Doris: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Maastricht - ein Stolperstein auf dem Weg in die europäische Integration?, ZaöRV 1994, S. 17 ff. Lenz, Carl Otto: Der Vertrag von Maastricht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts,

NJW 1993, S. 3038 f. Meesen, Karl: Maastricht nach Karlsruhe, NJW 1994, S. 549 ff. Penski, Ulrich: Bestand nationaler Staatlichkeit als Bestandteil der Änderungsgrenzen in Art. 79 III GG - Zugleich eine auf das Thema bezogene Stellungnahme zur Maastricht-Entscheidung des BVerfG, ZRP 1994, S. 192 Cf. Pemice, Ingolf: Karlsruhe locuta - Maastricht in Kraft, EuZW 1993, S. 649 (Editorial) Pieper, Stefan Ulrich/Bleckmann, Albert: s. Bleclanann/Pieper Rupp, Hans Heinrich: Maastricht und Karlsruhe, in: Brunner, Manfred (Hrsg.), Kartenhaus Europa?, 1994, S. 101 ff. Schlecht, Otto: Das Karlsruher Urteil zu Maastricht: Weg frei zu einer marktwirtschaftlichen

Stabilitätsgemeinschaft, Vortrag, gehalten auf der gemeinsamen Sitzung der Währungsund Europakommission des Wirtschaftsrates der CDU am 24. Februar 1994 in Bonn Schröder, Meinhard: Das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Staates im Prozeß der europäischen Integration, DVBI. 1994, S. 316 ff. Schwarze, Jürgen: Europapolitik unter deutschem Verfassungsrichtervorbehalt, Neue Justiz 1994, S. 1 ff. Steindorjf, Ernst: Das Maastricht-Urteil zwischen Grundgesetz und europäischer Integration, EWS 1993, S. 341 ff. Teske, Horst: Der Karlsruher Spruch zum Maastrichter Vertrag: Ja, aber..., Europa-Blätter

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richts, EuGRZ 1993, S. 489 ff. Weber, Albrecht: Die Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Maastricht-Urteil des BVerfG, JZ 1994, S. 53 ff. Wink/er, Markus: Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge anhand einzelstaatlichen Verfassungsrechts, NVwZ 1994, S. 450 ff. Zuleeg, Manfred: Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration,

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I.V. Literaturübersicht

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Blanke, Hermann Josef: Der Unionsvertrag von Maastricht - Ein Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat?, DÖV 1993, S. 412 ff.

Bleckmann, Albert: Chancen und Gefahren der europäischen Integration, JZ 1990, S. 301 Cf. - Der Vertrag über die Europäische Union, DVBI. 1992, S. 335 ff. Bieber, Roland: Beschwerden über die Verfassung als Verfassungsbeschwerden? Zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle des Vertrages über die Europäische Union, Neue Justiz 1993, S. 241 ff. BohJey, Peter: Europäische Einheit, föderatives Prinzip und Währungsunion: Wurde in Maastricht der richtige Weg beschritten?, Aus Politik und Zeitgeschichte, 1.1.1993, S. 34 ff. Boulouis, Jean: Le droit des Communautes europeennes dans ses rapports avec le droit international general, RdC 1992 (IV), S. 9 ff. Brenner, Michael: Der unitarische Bundesstaat in der Europäischen Union, DÖV 1992, S. 903 ff. - Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, S. 196 ff. Breuer, Rüdiger: Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994, S 417 ff. Brunner, Manfred: Das Subsidiaritätsprinzip als europäisches Prinzip, in: Merten (1993), S. 9 ff. - (Hrsg.): Kartenhaus Europa?, München 1994 Chid, Mario P.: Der Vertrag über die Europäische Union und sein Einfluß auf die italienische

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A. Zur Einführung

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Henrichs, Helmut: Der Vertrag über die Europäische Union und seine Auswirkungen auf die Verfassungen der Mitgliedstaaten, DÖV 1994, S. 368 ff. Herdegen, Matthias: Europäisches Gemeinschaftsrecht und die Bindung deutscher Verfassungsorgane an das Grundgesetz, EuGRZ 1989, S. 309 ff. - Die Belastbarkeit des Verfassungsgefüges auf dem Weg zur Europäischen Union, EuGRZ 1992, S. 589 ff.

Hilf, Meinhard, Solange 11: Wie lange noch Solange?, EuGRZ 1987, S. 1 ff. - Die Richtlinie der EG - ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 ff. - Eine Verfassung für die Europäische Union: Zum Entwurf des Institutionellen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Integration 2/1994, S. 68 ff.

Hillgruber, Christian: Grenzen der Rechtsfortbildung durch den EuGH - Hat Europarecht Methode?, in: Danwitz u.a. (1993), S. 31 ff. Hochbaum, Ingo: Kohäsion und Subsidiarität, Maastricht und die Länderkulturhoheit, DÖV 1992, S. 285 ff.

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A. Zur Einführung

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Morawitz, Rudolf/Kaiser, Wilhelm: Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, Bonn 1994 Möschel, Wemhard: Politische Union für Europa: Wunschtraum oder Alptraum?, JZ 1992, S. 877 ff. - Europäische Integration am Wendepunkt?, WiSt 1994, S. 123 ff.

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PÖhle, Klaus: Europäische Union

a

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Schachtschneider, Karl Albrecht: Die Europäische Union und die Verfassung der Deutschen, Aus Politik und Zeitgeschichte, 9.7.1993, S. 3 ff. - Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, in: Brunner (Hrsg.), 1994, S. 117 CC.

Schachtschneider, Karl A1brecht/Emmerich-Fritsche, Angelika/Beyer, Thomas C.W.: Der Vertrag über die europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, S. 751 ff.

SCharpf, Fritz: Europäisches DemokratiedefIZit und deutscher Föderalismus, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, S. 293 ff.

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Der Sonderstatus Dänemarks im Vertrag über die Europäische Union, EuZW 1993, S. 177 ff.

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in Art. 1 Abs. 2 GG, Der Staat 1992, S. 495 ff. - Die Unheilbarkeit des europäischen Demokratiedeftzits, Europa-Blätter Nr. 1/1993, S. 5 ff. Streinz, Rudolf: Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Ge-

meinschaftsrecht, Baden-Baden 1989 - Bundesverfassungsgerichtliehe Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1990 - Der Einfluß des Europäischen VeIWllltungsrechts auf das VeIWllltungsrecht der Mitgliedstaaten - dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: Schweitzer (1991), S. 241 ff. - Der Vollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, HStR VII, § 182 Tettinger, Peter: Weg frei für die Europäische Währungsunion? Maastricht und die grundge-

setzIichen Hürden, RIW Beilage 3/92, S. 321 ff. Tietmeyer, Hans: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, Eine deutsche Sicht,

Stuttgart 1992 - Probleme einer europäischen Währungsunion und Notenbank, in: Isensee (1993), S. 3S ff. Tomuschat, Christian: Nein, und abermals Nein! Zum BFH-Urteil vom 25.4.1985, EuR 1985, S. 346 ff.

- Aller guten Dinge sind III ?, EuR 1990, S. 340 ff. Verheugen, Günter: Die Arbeit des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von

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WOlf, Joachim: Die Revision des Grundgesetzes durch Maastricht, JZ 1993, S. 594 ff. Zellentin, Gerda: Die Schimäre des Europäischen Superstaats, Blätter für deutsche internationale Politik 1992, S. 698 ff. Zuleeg, Manfred: Demokratie in der Europäischen Gemeinschaft, JZ 1993, S. 1069 ff. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeits- und Sozialrecht im Streit, ArbuR 1994, S. 77 ff.

B. Dokumentation I. Die Schriftsätze 1.1. Beschwerdeschrift der GRÜNEN (vier Abgeordnete des Europäischen Parlaments) vom 17./22. Dezember 1992

HANS-CHRISTIAN STRÖBELE RECHTSANWALT

Berlin, 17.12.1992

Bundesverfassungsgericht Sch10ßbezirk 3 7500 Karlsruhe Verfassungsbeschwerde

1. des ... H. B..., 2. des ... P.-W. G ..., 3. des ... C. R. .., 4. des ... W. T ... , -BeschwerdeführerVerfahrensbevoUmächtigter: Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele, Berlin gegen

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

das Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrag, Bundestagsdrucksache 12/3334). Namens und in VoUmacht - schriftliche VoUmachten für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf mich sind der Beschwerdeschrift beigefügt - der Beschwerdeführer erhebe ich Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz vom 2. Dezember 1992 zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union. Die Beschwerdeführer machen geltend, durch das Zustimmungsgesetz zum Vertrage von Maastricht in ihrem Recht auf Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung gern. Art. 20 Abs. 4 GG sowie in ihrem Recht auf Teilhabe an der verfassungsgebenden Gewalt aus Art. 38 Abs. 2 GG i.V. mit dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) verletzt zu sein. Außerdem machen sie geltend, durch das selbe Gesetz in ihren Grundrechten auf gleiche politische Teilhabe (Art. 3 i.V. mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) sowie in ihren Rechten auf Berufsfreiheit und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit sowie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt zu sein. Begründung Am 2. Dezember 1992 hat der Deutsche Bundestag mit 543 Ja-Stimmen gegen 16 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union verabschiedet. Am 18. Dezember 1992 hat der Bundesrat dieses Gesetz ebenfalls verabschiedet. Die Beschwerdeführer sind Mitglieder des Europäischen Parlaments. Sie wurden in der Bundesrepublik Deutschland zu Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt. Sie erheben diese Verfassungsbeschwerde als Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

1.1. Beschwerdeschrift der GRÜNEN (4 MdEP)

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I. Zulässigkeit Die Beschwerdeführer machen geltend, durch das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht in den genannten Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein. Das Recht auf Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung aus Art. 20 Abs. 4 GG steht jedem Bürger zu. Dies gilt auch für das Recht auf Teilhabe an der verfassungsgebenden Gewalt aus Art. 38 Abs. 2 GG analog i.V. mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG. Diese Rechte der Beschwerdeführer werden unmittelbar durch das angefochtene Gesetz verletzt. Eines Vollzugsaktes bedarf es insoweit nicht. Das Gesetz wirkt sich auf die Rechtsstellung jedes Staatsbürgers in der Bundesrepublik aus. Die Beschwerdeführer sind somit auch selbst betroffen. Obwohl das Gesetz noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet ist, ist die Betroffenheit der Beschwerdeführer gegenwärtig, da die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen nur im Stadium vor ihrem Inkrafttreten möglich ist. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht verletzt das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und mindert die Staatlichkeit und den Verfassungsstatus des Grundgesetzes in verfassungswidriger Weise. Es verstößt gegen Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art. 20 GG. Das Grundgesetz eröffnet den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht für jeden Bürger auch bei Verletzung objektiver Verfassungsprinzipien unter besonderen Voraussetzungen. 1. ZulässiglSStit nach Art. 20 Abs. 4. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG Zu den Rechten, die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden können, gehört gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG auch das Widerstandsrecht. Art. 20 Abs. 4 GG gibt aUen Deutschen - sofern andere Abhilfe nicht möglich ist - das Recht zum Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsrechtlichen Fundamentalprinzipien zu beseitigen, die in Art. 20 Abs. 1 und 3 und in Art. 1 GG normiert und durch Art. 79 Abs. 3 GG jeder Verfassungsänderung entzogen sind. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verfassungsverstöße betreffen solche unabänderlichen Grundsätze entsprechend Art. 79 Abs. 3 GG:

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

- Das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, - das Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, - die Erhaltung der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und des Verfassungsstatus des Grundgesetzes als Verfassung eines souveränen Staates. Die Beschwerdeführer rügen nicht die Verletzung einzelner konkreter Ausgestaltungen der genannten Prinzipien, die der Verfügung des Gesetzgebers mit 2/3 Mehrheit unterliegen, sondern sie machen ausschließlich geltend, daß fundamentale Verfassungsprinzipien in einer mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht zu vereinbarenden Weise verletzt und damit die absoluten Grenzen der möglichen Verfassungsänderung überschritten werden. Es werden solch gravierende Verfassungsverstöße geltend gemacht, die - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG - das Widerstandsrecht begründen könnten. Aber nach Art 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG i.V. mit Art. 20 Abs.4 GG kann jeder Deutsche auch mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen, daß durch eine hoheitliche Maßnahme der Kern der Verfassung, der jeder Verfassungsänderung entzogen ist, verletzt sei. Prof. Dr. Murswiek hat diese Auffassung entwickelt und überzeugend begründet: "Voraussetzung des Widerstandes ist nach Art. 20 Abs. 4 G, daß jemand es unternimmt, die fundamentalen Verfassungsprinzipien "zu beseitigen". Einigkeit besteht darüber, daß das Widerstandsrecht nicht nur dann gegeben ist, wenn sich der Angriff gegen sämtliche Verfassungsfundamentalprinzipien richtet; es reicht aus, wenn eines der unabänderlichen Verfassungsprinzipien bedroht ist. Aus der Formulierung "beseitigen" hat Herzog geschlossen, daß ein Widerstandsrecht nur gegeben sei, wenn die Beseitigung eines der Fundamentalprinzipien im ganzen oder seine Verkehrung ins Gegenteil beabsichtigt sei. Dagegen könne das Widerstandsrecht noch nicht bei einzelnen Rechtsverstößen, auch nicht bei einzelnen Verfassungsverstößen mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbaren Verfassungsänderung mobilisiert werden, "solange noch die Chance besteht, daß sie durch das Bundesverfassungsgericht korrigiert und diese Korrekturen durch die zuständigen Staatsorgane akzeptiert werden", (Herzog, in Maunz/Dürig, GG, Art. 20 IV, Rdnr. 23 ff.). Dazu paßt es daß derselbe Autor davon ausgeht, das Widerstandsrecht werde immer nur in Situationen aktuell, in denen ein Bürgerkrieg entweder bereits ausgebrochen sei oder der Verfassungsbruch nur durch einen Bürgerkrieg oder durch bürgerkriegsähnliche Aktionen bekämpft werden könne, die die verfassungstreue Seite gerade unter Berufung auf Art. 20 Abs. 4 GG in die Wege leite. Widerstand im Sinne von Gewaltanwendung gegen sich über den unantastbaren Kern hinwegsetzende Staatsorgane ist nämlich nach Art. 20 Abs. 4 GG nur die ultima ratio der Verteidigung des Staates und seiner Verfassung. Dieses Recht ist nur gegeben,

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wenn "andere Abhilfe nicht möglich ist". Andere Abhilfe ist möglich, solange das Bundesverfassungsgericht funktionsfähig ist, die streitige Verfassungsfrage entscheiden kann und die betreffenden Staatsorgane nicht zu erkennen gegeben haben, daß sie die Entscheidung des Gerichts mißachten würden. Die Möglichkeit einer Gerichtsentscheidung ist also eine Frage des Tatbestandsmerkmals "andere Abhilfe" und sollte nicht mit dem Tatbestandsmerkmal "Beseitigung dieser Ordnung" vermengt werden. Daß beliebige Rechtsverletzungen, auch Verfassungsverstöße, nicht zum Widerstand berechtigen, ergibt sich aus dem Zusammenhang. in dem Art. 20 Abs. 4 GG steht, aus dem Zusammenhang mit den Prinzipien, die den unabänderlichen Verfassungskern ausmachen. Dies bedürfte keiner besonderen Betonung, wenn über den Gegenstand dessen, was mit dem Widerstandsrecht verteidigt werden darf, Klarheit besteht. Wie aber steht es mit der These, daß selbst ein Verstoß gegen Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG nicht zum Widerstand berechtigten? Herzog hat diese These von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß noch eine Chance auf Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht und auf Befolgung dieser Entscheidung besteht. Wenn dies aber, wie dargelegt, unter dem Tatbestandsmerkmal "andere Abhilfe" zum Ausschluß des Widerstandsrechts führt, kann dieser Umstand nicht zugleich negatives Tatbestandsmerkmal des Begriffes "Beseitigung" sein. Der Begriff der Beseitigung steht neben dem Begriff der anderen Abhilfe. Es handelt sich um zwei selbständige Tatbestandsmerkmale. Was unter "Beseitigung" zu verstehen ist, kann daher nicht differieren, je nachdem, ob andere Abhilfe im konkreten Fall möglich ist oder nicht. RiChtig ist sicher, daß ein Recht auf Widerstand wegen der damit verbundenen Bürgerkriegsimplikationen nur im alleräußersten Notfalle gegeben sein kann. Aber diese Begrenzung auf Ausnahmesituationen wird durch das Kriterium der "anderen Abhilfe" zuverlässig sichergestellt. Einer besonders engen Interpretation des Begriffs der Beseitigung bedarf es nicht, um dies zu erreichen. Ein enger Begriff von "Beseitigung" wäre angebracht, wenn man von einem weiten Begriff der "Ordnung" ausginge. Art. 20 Abs. 4 GG berechtigt zum Widerstand gegen die Beseitigung "dieser Ordnung". Der vorhergehende Absatz spricht von der "verfassungsmäßigen Ordnung" und meint damit das ganze Grundgesetz. Bezieht man 'diese Ordnung' in Abs. 4 wegen des sprachlichen Zusammenhangs auf die "verfassungsmäßige Ordnung" in Abs. 3, dann muß "Beseitigung" in Abs. 4 in der Tat im Sinne von Überwindung dieser Ordnung im Ganzen verstanden werden. Die bloße Verletzung einzelner Verfassungsnormen kann nicht ausreichen, ein Widerstandsrecht zu begründen. Dies stünde im Widerspruch zur systematischen Stellung des Widerstandsrechts im Zusammenhang mit den Staatsfundamentalnormen und würde nicht in das System passen, welches das Grundgesetz zum Schutze der Verfassung bereit hält. "Diese Ordnung zu beseitigen", das kann nur heißen, die Verfassung im Ganzen im Unterschied zum einzelnen Verfassungsgesetz zu beseitigen, also einen im verfassungsrechtlichen Sinne revolutionären Akt vorzunehmen im Unterschied zu einem bloß verfassungswidrigen Akt. Und das ist genau dann der Fall, wenn eines der identitätsbestimmenden Grundprinzipien der Verfassung, der jeder Verfassungsänderung entzogene Verfassungskern, beeinträchtigt wird. Das Widerstandsrecht steht zu Recht in Art. 20 GG, weil dieser in 6 Winkelmann

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B. Dokumentation (Schriftsätze) den Abs. 1 bis 3 (zusammen mit Art. 1 GG) den gern. Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlichen Verfassungskern umschreibt. Der Begriff der "Beseitigung" engt somit den Begriff der (verfassungsmäßigen) Ordnung dahingehend ein, daß nicht jeder Eingriff in das Grundgesetz, nicht jede verfassungswidrige Handlung, sondern nur ein Eingriff in den unabänderlichen Verfassungskern zum Widerstand berechtigt. Verstünde man aber entgegen dem sprachlichen Zusammenhang den Begriff der Ordnung in Art. 20 Abs. 4 GG von vornherein eng im Sinne des unabänderlichen Verfassungskernes oder im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung, dann gäbe es keinen Grund die "Beseitigung" ihrerseits eng zu verstehen und so den Tatbestand im ganzen noch enger zu fassen. Dann käme man nämlich dazu, daß nur der "Kern des Kerns" geschützt würde - ein Ergebnis, das der Entstehungsgeschichte der Vorschrift widerspricht. Denn Art. 20 Abs. 4 GG ist ein Staatsnotwehrrecht. Die Verfassung soll in ihrem unveränderlichen Kern von den Bürgern notfalls gegen die Staatsgewalt geschützt werden, die eben - mit welcher Mehrheit auch immer - nicht befugt ist, über diesen Kern zu verfügen. Es gibt auch keinerlei rechtliche Kriterien dafür, einen noch engeren Kernbereich von den unabänderlichen Grundprinzipien abzugrenzen. Es besteht auch verfassungspolitisch nicht der geringste Anlaß, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Grundprinzipien des Art. 20 GG, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit, das Demokratieprinzip und auch die Staatlichkeit der Bundesrepublik nicht in jeder einzelnen Ausprägung, die diese Prinzipien in EinzeIbestimmungen des Grundgesetzes erfahren, der Verfassungsänderung entzogen sind, sondern nur insoweit, wie diese Prinzipien als solche in Frage gestellt werden. Im Ergebnis ist Herzog also zuzustimmen, daß das Widerstandsrecht selbstverständlich nicht bei einzelnen Rechtsverstößen, auch nicht bei einzelnen Verfassungsverstößen gegeben ist. Jedoch ist es gegeben bei jeder mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbaren Verfassungsänderung oder jedem sonstigen in dem durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernbereich der Verfassung eingreifenden Akt, wenn - das ist die zweite Voraussetzung des Art. 20 Abs. 4 GG - andere Abhilfe nicht möglich ist. Diese zweite Tatbestandsvoraussetzung verhindert, daß Widerstand schon angewendet werden darf, wenn Verfassungsorgane unbeabsichtigt, also in bloß irrtümlicher Interpretation der Staatsfundamentalnormen, in den unantastbaren Kernbereich eingreifen. Denn in diesen Fällen ist "andere Abhilfe" regelmäßig ohne weiteres möglich, insbesondere durch Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. Ob das Widerstandsrecht gegeben ist, oder ob ein Recht auf Widerstand nicht besteht, weil "andere Abhilfe" möglich ist, hängt somit auch und vor allem davon ab, ob wegen des drohenden Eingriffes in den unantastbaren Verfassungskern das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann. Aus der Sicht des Bürgers, der sich fragt, ob er Widerstand ausüben darf, besteht eine Schwierigkeit darin, daß er vor hat, die Verfassungais solche zu verteidigen. Was er verteidigen will, sind objektive Verfassungsprinzipien. Beim Widerstandsrecht geht es gerade nicht darum, daß der Bürger

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seine eigenen, subjektiven Rechte verteidigt. Nicht um persönliche Interessen, sondern um die Verfassung zu schützen, ist das Widerstandsrecht gegeben. Die Verfassungsbeschwerde als das prozessuale Instrument des Bürgers, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, setzt aber voraus, daß die Verletzung eines subjektiven Rechts, nämlich eines Grundrechts oder eines Grundrechts gleichen Rechts, geltend gemacht wird. Wer geltend macht, daß eine Verletzung eines Verfassungsfundamentalprinzips gegeben ist, macht damit in der Regel die Verletzung objektiven Verfassungsrechts, nicht aber zugleich auch einer verfassungsrechtlich geschützten subjektiv-rechtlichen Position geltend. Somit scheint die Verfassungsbeschwerde auf den ersten Blick als ein Instrument "anderer Abhilfe" i.S. von Art. 20 Abs. 4 GG nicht in Betracht zu kommen. Zwar gehört auch Art. 20 Abs. 4 GG selbst, also das Widerstandsrecht, gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG zu den verfassungsbeschwerdefähigen subjektiven Rechten. Was Art. 20 Abs. 4 GG garantiert, scheint aber nur das Recht auf Widerstand zu sein. Was mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnte, wäre, wenn dies zuträfe, nichts anderes als die Verletzung des Widerstandsrechts. Dieses könnte aber nur verletzt sein, wenn zum einen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt wären, also andere Abhilfe - und insbesondere auch der Weg zum Bundesverfassungsgericht nicht möglich wäre, zum anderen der betreffende an der Ausübung des Widerstandsrechts gehindert würde. Ob andere Abhilfe möglich wäre, hinge davon ab, ob irgendein zur Einleitung eines anderen Verfahrens - beispielsweise der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle - zuständiges Staatsorgan ein solches Verfahren im konkreten Fall einleitet. Wenn nicht, müßte der Bürger auf eigenes Risiko zunächst gewaltsam Widerstand ausüben und könnte erst dann, wenn er damit keinen Erfolg hat, das Bundesverfassungsgericht wegen Verletzung seines Widerstandsrechtes anrufen. Diese Auslegung des Art. 20 Abs. 4 GG hätte für den Bürger die fatale Folge, daß er im Falle seines eigenen Irrtums über die Rechtslage rechtswidrige und strafbare Gewalt anwenden würde. Unterläge er nach erfolglos geleistetem Widerstand vor dem Bundesverfassungsgericht, müßte er mit harten Konsequenzen rechnen, obwohl er die Verfassung verteidigen wollte und rechtlich keine andere Möglichkeit dazu hatte. Für den Staat und die Rechtsordnung wären die Konsequenzen dieser Auslegung noch schlimmer: Die Verfassung würde den Bürgern ein Recht zur Gewaltanwendung gegen die Staatsorgane verleihen, über dessen Voraussetzungen sie notwendigerweise selbst entscheiden müßten, obwohl mit den Bundesverfassungsgericht eine Institution zur Verfügung stünde, die diese Entscheidung treffen könnte. Damit würde die Rechtsordnung sich selbst zu Gunsten der Gewaltanwendung zurücknehmen. Es wäre unstaatlich und antirechtsstaatlich, wollte die Verfassung den Bürger zur Gewaltanwendung zwingen, um danach erst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmässigkeit seines Widerstandes zu erreichen. Widerstand, und das heißt Gewaltanwendung seitens des Bürgers gegen die Staatsgewalt, kann im Rechtsstaat nur die ultima ratio sein, kann also erst dann in Betracht kommen, wenn ein funktionsfähiges Verfassungs-

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B. Dokumentation (Schriftsätze) gericht, das den Eingriff in den unabänderlichen Verfassungskern feststellen könnte, nicht mehr vorhanden ist (oder wenn, etwa bei einem offenen Staatsstreich, von vornherein keine Aussicht darauf besteht, daß die Machthaber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch beachten). Eine Auslegung der Art. 20 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, die zu einem solchen Ergebnis führen würde, kann nicht richtig sein. Auch kann nicht einfach ein Normwiderspruch festgestellt werden: Sei die Verfassungsbeschwerde aufgrund von Art. 20 Abs. 4 GG eröffnet, dann sei "andere Abhilfe" gegeben, wegen anderer Abhilfe aber sei der Tatbestand des Art. 20 Abs. 4 GG nicht erfüllt - die Verfassungsbeschwerde müsse daher erfolglos bleiben. Es muß eine Interpretation gesucht werden, die einen solchen Widerspruch vermeidet. Bezieht sich die Verfassungsbeschwerde auf die Verteidigung des unabänderlichen Verfassungskerns, dann ist es logisch ausgeschlossen, die Möglichkeit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch den Beschwerdeführer als "andere Abhilfe" im Sinne von Art. 20 Abs. 4 GG anzusehen, die diese Verfassungsbeschwerde unzulässig macht. Vielmehr geht es dann gar nicht um die Ausübung von Widerstand, sondern um die Verteidigung der Verfassung mit einem besonderen Rechtsbehelf.

Es ist ein allgemeiner Grundsatz der Verfassungsinterpretation, daß von mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen ist, die Wertungswiderspruche innerhalb des Grundgesetzes vermeidet. Versteht man die Erwähnung von Art. 20 Abs. 4 GG in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG nur als Normierung der Möglichkeit, das Widerstandsrecht als solches mit der Verfassungsbeschwerde durchzusetzen, dann steht diese Regelung als gewaltprovozierende Regelung im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit. Es wird versucht, dieses Ergebnis durch eine restriktive Interpretation des Widerstandsrechts zu vermeiden: Das Recht zum Widerstand soll auf offenkundige Fälle revolutionärer Unternehmen beschränkt sein. Diese restriktive Interpretation mit ihrer Beschränkung des Widerstandsrechts entspricht dem Grundgedanken, daß das Widerstandsrecht ein Ausnahmerecht ist und auf extreme Ausnahmelagen beschränkt sein soll. Sie wirkt der Gefahr entgegen, daß eine in Wirklichkeit nicht gegebene, bloß behauptete Widerstandslage zum Vorwand für einen gewaltsamen Angriff gegen die Staatsgewalt des demokratischen Rechtsstaates benutzt wird. Wird jedoch zugleich die Verfassungsbeschwerdemöglichkeit des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i.V. mit Art. 20 Abs. 4 GG darauf reduziert, den erfolglos geleisteten Widerstand einzuklagen, dann führt diese restriktive Interpretation zum einen dazu, daß Widerstandsrecht wirkungslos gegenüber der "schleichenden Revolution" zu machen, die die Verfassungsfundamente Stück für Stück ganz allmählich untergräbt und die im ausgehenden 20. Jahrhundert die gefährlichste Herausforderung für den Verfassungsstaat sein dürfte. Zum anderen wäre dann die Verfassungsbeschwerdemöglichkeit praktisch bedeutungslos, denn in den ganz eindeutigen offenkundigen Fällen eines Staatsstreiches hat entweder der gewaltsame Widerstand Erfolg oder die Kräfte des Staatsstreiches. Bliebe der Widerstand erfolglos, wäre es in solchen Fällen von vornherein illusionär, ihn mit

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der Verfassungsbeschwerde durchzusetzen. Denn würden die den Staatsstreich vollführenden Organe ein das Widerstandsrecht zubilligendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts beachten, dann würde sich nur nachträglich zeigen, daß der Staatsstreich wohl doch nicht offenkundig und eindeutig und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts deshalb falsch war, denn der Wille der Akteure zur Achtung der Verfassung würde ja durch tätiges Verhalten bestätigt. Dies läßt sich zwar nicht mit logischer Stringenz für alle denkbaren Fälle sagen, würde jedoch die praktische Bedeutung der Verfassungsbeschwerdemöglichkeit fast vollständig zunichte machen. Die genannte Interpretation kann auch aus diesem Grunde nicht richtig sein. Stattdessen muß eine Interpretation gesucht werden, die einerseits den strukturellen Besonderheiten des Widerstandsrechts Rechnung trägt, andererseits die Einräumung der Verfassungsbeschwerdemöglichkeit nicht als von vornherein unsinnig erscheinen läßt. Art. 20 Abs. 4 GG ist im Lichte des Art. 93 Abs. 1 Nr.4 a GG auszulegen und umgekehrt. Widerstand schließt die Möglichkeit gewaltsamer Aktionen gegen Staatsorgane ein, die die Widerstandslage ausgelöst haben. Gewaltanwendung aber soll möglichst unterbleiben. Deshalb kann es nicht richtig sein zu verlangen, daß zuerst erfolglos Widerstand geleistet wird, um anschließend ein Widerstandsrecht mit der Verfassungsbeschwerde einzufordern. Aus dem Zusammenhang mit Art. 20 Abs. 4 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ergibt sich daher, daß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG mit seiner Einbeziehung des Art. 20 Abs. 4 a GG den Zweck hat, eine Verfassungsbeschwerde zur Feststellung der Voraussetzungen des Widerstandsrechtes zu ermöglichen. Das Recht auf Gewaltanwendung mit der Verfassungsbeschwerde durchzusetzen, wäre freilich ein Widerspruch in sich. Die Verfassungsbeschwerde soll ja eine justizförmige Entscheidung herbeiführen und hat nur Sinn, wenn davon ausgegangen werden kann, daß sie von den Betroffenen Staatsorganen auch beachtet wird. Es wäre aber unsinnig, diese dazu zu verurteilen, sich gewaltsamen Widerstand gefallen zu lassen. Das Urteil könnte sinnvoller Weise nur dahin gehen, die Widerstandslage festzustellen. Daraus würden sich dann verschiedene verfassungsrechtliche Konsequenzen ergeben, insbesondere, daß die betroffenen Verfassungsorgane das festgestellte verfassungswidrige (den unabänderlichen Verfassungskern tangierende) Handeln einzustellen bzw. rückgängig zu machen hätten. Wenn dies geschieht, ist Widerstand nicht nötig und rechtlich nicht zulässig, weil "andere Abhilfe" erfolgt. Dies kann aber nicht bedeuten, daß die Verfassungsbeschwerde unbegründet wäre, weil die zweite Tatbestandsvoraussetzung des Widerstandsrechts nicht gegeben wäre. Vielmehr ist ein Recht auf Widerstand ja gegeben, wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von den betroffenen Staatsorganen nicht beachtet wird. Mehr als ein solches bedingtes Recht kann der Beschwerdeführer zunächst nicht geltend machen. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG hat aber praktisch nur dann Sinn, wenn der Beschwerdeführer eben dies geltend machen kann.

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B. Dokumentation (Schriftsätze) Vor diesem Hintergrund ist auch das Kriterium mangelnder "anderer Abhilfe" zu verstehen. Der Sinn der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG eingeräumten Verfassungsbeschwerdemöglichkeit in Bezug auf Art. 20 Abs. 4 GG besteht gerade darin, eine "andere Abhilfe" zu schaffen: Widerstand soll nur zulässig sein, wenn zuvor alle Rechtsmöglichkeiten erschöpft worden sind, und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG schafft eine solche Rechtsschutzmöglichkeit zur Verteidigung des unantastbaren Verfassungskerns. Voraussetzung für die Begründetheit dieser Verfassungsbeschwerde kann daher nicht sein, daß beide Tatbestandsvoraussetzungen des gewaltsamen Widerstands gegeben sind. Der Widerstand ist ja gerade deshalb unzulässig, weil die Möglichkeit dieser Verfassungsbeschwerde noch besteht. Die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a i.V. mit Art. 20 Abs. 4 GG ist vielmehr bereits dann begründet, wenn das Beschwerdevorbringen zutrifft, daß jemand es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Nur dies muß daher im Rahmen der Zulässigkeit geltend gemacht werden. Entgegen dem Eindruck, der sich aus der - rechtstechnisch ungeschickten - bloßen Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 4 GG in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ergibt, dient diese Verfassungsbeschwerdemöglickeit nicht - oder jedenfalls nicht nur - dazu, das Widerstandsrecht einzuklagen, sondern sie dient auch dazu, den Widerstand überflüssig zu machen, indem sie allen Deutschen die Möglichkeit gibt, den unabänderlichen Verfassungskern vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen. Eine andere Auslegung wäre widersinnig: Wenn Art. 20 Abs. 4 GG allen Deutschen das Recht gibt, die Verfassungsordnung mit gewaltsamen Widerstand zu verteidigen, dann wäre es völlig unverständlich, daß diese nicht das Recht haben sollten, dieses Ziel statt mit Widerstand mit der Verfassungsbeschwerde anzustreben, solange das Bundesverfassungsgericht als funktionierendes Verfassungsorgan zur Verfügung steht. Jeder Staat und insbesondere der Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland ist durch das grundsätzliche Gewaltmonopol des Staates und die Friedenspflicht der Bürger geprägt. Das Widerstandsrecht ist eine Ausnahme von dieser Friedenspflicht. Wird dem Bürger das Recht gegeben, die Verfassung mit Gewalt zu verteidigen, muß ihm erst das Recht gegeben sein, die Verfassung ohne Gewalt, durch Einleitung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen. Dies ist der Zusammenhang, in dem Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG mit Art. 20 Abs. 4 GG steht. Nur so gibt diese Verfassungsbeschwerdemöglichkeit Sinn. Zugleich wird bei diesem Verständnis der zitierten Vorschriften das Widerstandsrecht effektiv auf wirkliche Ausnahmesituationen beschränkt und die mit dem Widerstand immer verbundene Bürgerkriegsgefahr auf solche Situationen reduziert, in denen das Bundesverfassungsgericht von Putschisten oder Revolutionären bereits beseitigt oder zu unabhängigen Entscheidungen nicht mehr in der Lage ist. Auf diese Weise lassen sich die Unsicherheit und damit für die Widerstand übenden Bürger auf der einen, für den Staat auf der anderen Seite verbundenen Risiken wesentlich reduzieren. Ob der unabänderliche Verfassungskern durch staatliche Akte tangiert ist, muß nicht der Bür-

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ger in eigener Verantwortung entscheiden. Darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Verneint es die Frage, ist Widerstand unzulässig. Bejaht es die Frage, ist Widerstand überflüssig und deshalb ebenfalls unzulässig, wenn die Staatsorgane die Entscheidung befolgen und die verfassungswidrigen Akte rückgängig machen. Geschieht dies aber nicht, dann ist das Recht zum Widerstand eindeutig gegeben. Somit ergänzen sich das Widerstandsrecht und die Verfassungsbeschwerde gern. Art. 93 Abs. 1 Nr.4 a i.V. mit Art. 20 Abs. 4 GG in idealer Weise: Sowohl der Schutz der Verfassung als auch die Begrenzung des Widerstandsrechts werden optimiert. Bei systematisch richtiger Betrachtung gewährt Art. 20 Abs. 4 GG also nicht nur ein Recht auf Widerstand, sondern begründet zusätzlich i.V. mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ein subjektives Recht auf Verteidigung der objektiven Verfassung in ihrem unabänderlichen Kern mit den Mitteln der Verfassungsbeschwerde. Der Sache nach läuft dieses auf eine Popularldage hinaus. Der Beschwerdeführer muß ja nicht geltend machen, in eigenen Grundrechten verletzt zu sein. Dennoch ist diese Verfassungsbeschwerdemöglichkeit kein systemwidriger Fremdkörper im Verfassungsprozeß, sondern eine notwendige Ergänzung des Widerstandsrecht: Die Verteidigung der Verfassung, also objektivrechtlicher Prinzipien, wird jedem Bürger durch Art. 20 Abs. 4 GG als Grundrecht, als subjektives Recht, gewährt. Daher ist es konsequent, daß jeder Bürger unabhängig von sonstiger subjektiver Betroffenheit das Recht erhält, die objektiven Verfassungsfundamente auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu verteidigen. Rechtstechnisch gesehen liegt keine Popularldage vor, da die Verteidigung des objektiven Rechts den Beschwerdeführer durch das Grundrecht als Grundrechts gleiches Recht, als subjektives Recht, eingeräumt worden ist.·

Die Voraussetzung für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung der staatsfundamentalen Normen geltend. Eine solche Verletzung ist auch gegeben, wie sich aus den Ausführungen zur BegrÜDdetheit der Verfassungsbeschwerde ergibt. 2. Zulässi~eit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG. Art. 38 GG analog

§

90 Absl BVerfGG i.V. mit

Die Verfassungsbeschwerde ist auch gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG i.V. mit Art. 38 Abs. 2 und Abs. 1 S. 1 GG analog zulässig. Die Beschwerdeführer machen geltend, daß das Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrag nicht durch den Bundestag - auch nicht mit 2/3 Mehrheit - und insbesondere nicht ohne Legitimation durch den Verfassungsgeber, also durch das Volk als Subjekt der verfassungsgebenden Gewalt, verabschiedet werden durfte. Dieses Gesetz und der neue Art. 23 GG greifen in den Verfassungskern des Grundgesetzes ein. Die Grundsätze des Verfassungskerns sind nach Art. 79 Abs. 3 GG der Verfügung durch den Gesetz-

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geber aber entzogen. Nur der Souverän selbst, das Volk, ist befugt, eine so weitgehende Entscheidung zu treffen. Ein Volksentscheid über den Maastrichter Vertrag und die neue Vorschrift des Art. 23 GG ist geboten. Die Beschwerdeführer machen geltend, daß mit der Unterlassung einer Volksabstimmung die Rechte des Volkes als Subjekt der verfassungsgebenden Gewalt und damit auch ihrer eigenen Rechte verletzt werden. Zwar regelt das Grundgesetz nur das Wahlrecht für die Bundestagswahl in Art. 38 Abs. 2 GG, aber dieses Mitwirkungsrecht am demokratischen Willensbildungsprozeß ist auch auf Volksabstimmungen anzuwenden, die auf der Basis des Grundgesetzes oder dort stattfinden, wo sie in zulässiger Ausübung der verfassungsgebenden Gewalt stattfmden. Ebenso wie bei Wahlen kann auch bei Sachentscheidungen des Volkes von einer Entscheidung des "Volkes" nur dann die Rede sein, wenn alle stimmberechtigten Bürger Anspruch auf Teilnahme an der Entscheidung haben. Aus Art. 38 GG folgt aber nicht nur der Anspruch auf Teilnahme an der demokratischen Entscheidung, der auch nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, sondern aus Art. 38 GG ist auch das Grundrecht auf Durchführung einer verfassungsrechtlich gebotenen Entscheidung des Volkes zu entnehmen. Ebenso wie es ein subjektives Recht jedes wahlberechtigten Bürgers darauf gibt, daß eine Bundestagswahl überhaupt stattfmdet, muß dieses Recht des Bürgers auf Durchführung einer Volksabstimmung analog Art. 38 GG in den Fällen angenommen werden, in denen ein Volksentscheid von Rechts- oder Verfassungswegen oder auf Grund höherrangigen Rechts geboten ist. Ebenso wie für eine verfassungswidrig nicht durchgeführte Bundestagswahl das subjektive Recht auf Durchführung gilt, muß dies für eine verfassungswidrig nicht durchgeführte Volksabstimmung gelten. Daß für die Zustimmung zum Maastrichter Vertrag eine Volksabstimmung grundsätzlich geboten war und in verfassungswidriger Weise nicht durchgeführt wurde, wird von den Beschwerdeführern geltend gemacht. Sie rügen die Verletzung ihres Aktivrechts aus Art. 38 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 GG analog. Die Verletzung dieses Rechts wird unten unter den Ausführungen zur BegrÜDdetheit der Verfassungsbeschwerde dargelegt. Die Beschwerdeführer sind durch das Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrag auch selbst und unmittelbar beschwert. Das Recht zur Verteidigung des unantastbaren Verfassungskern steht jedem Bürger direkt zu. Durch das Zustimmungsgesetz wird in den Verfassungskern unmittelbar eingegriffen. Dasselbe gilt auch bezüglich des Rechtes auf Durchführung und Durchsetzung der Volksabstimmung aus Art. 38 GG analog. Ebenso wie bei einem

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gleichheitswidrigen Wahlgesetz jeder Bürger selbst in seinem Grundrecht auf Wahlrechtsgleichheit betroffen ist, ist die unterbliebene Durchführung einer verfassungsrechtlich gebotenen Volksabstimmung eine Verletzung des Grundrechtes jedes einzelnen stimmberechtigten Bürgers. Die Verfassungsbeschwerde kann auch bereits gegen das Gesetz und nicht erst gegen den RatifIkationsakt gerichtet werden. Die Ratifikation führt zwar erst die völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik Deutschland an den Maastrichter Vertrag herbei. Könnte aber erst die Ratiftkation der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, dann würde ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde den verfassungsmäßigen Zustand aus völkerrechtlichen Gründen nicht wiederherstellen. Die Unmittelbarkeit des Eingriffes in die Rechte der Beschwerdeführer liegt also bereits mit der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes vor. Die Ratiftzierung braucht nicht abgewartet zu werden. Der Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer ist auch gegenwärtig. Nach Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes muß unverzüglich mit der Ratifikation gerechnet werden. Mit der Ratiftkation ist die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich gebunden. Die Verfassungsbeschwerde ist also vor Ausfertigung und Verkündung im Bundesgesetzblatt zulässig. Ein Rechtsweg gegen die angegriffenen Hoheitsakte ist ansonsten nicht gegeben. Ausführung zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auch wegen der Verletzung des Rechts auf gleiche politische Teilhabe, auf Berufsfreiheit, der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und des informationeUen Selbstbestimmungsrechts der Beschwerdeführer werden nachgereicht. 11. Die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde 1. Verletzung des Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzips Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrag und der neue Art. 23 GG verstoßen gegen Fundamentalprinzipien des Grundgesetzes, die nach Art. 79 Abs. 3 GG jeder Verfassungsänderung durch den Gesetzgeber entzogen sind. Durch diesen Verstoß wird die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland in Teilen beseitigt. Ein so weitgehender Eingriff in diese Ordnung wäre nur aufgrund einer besonderen Legitimation durch den Souverän in einer Volksabstimmung zulässig.

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Das Zustimmungsgesetz zu dem Maastrichter Vertrag verstößt gegen Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art. 20 GG, weil es die Bundesrepublik Regelungen des Maastrichter Vertrages unterwirft, die mit dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren sind. Die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 GG oder nach Art. 23 n. F. GG ist vor allem Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen. Die Verlagerung von Rechtsetzungskompetenzen auf die EG schmälert in Deutschland die Kompetenz des Gesetzgebers, also des Bundestages und des Bundesrates. Dies war mit dem Demokratieprinzip nur solange vereinbar, solange die Stellung des Bundestages als Gesetzgeber im Ganzen gesehen nicht wesentlich beeinträchtigt wurde, also der Schwerpunkt der Rechtset zung in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf "wesentliche" Entscheidungen noch ganz eindeutig beim Bundestag lag. Inzwischen sind jedoch weite Bereiche der Gesetzgebung und die Regelung fundamentaler Sachfragen durch Übertragung von Hoheitsrechten dem Parlament entzogen und auf die Exekutive verlagert worden. Das DemokratiedeflZit der Europäischen Gemeinschaft ist evident. Es ist häufig und ausführlich beschrieben worden (z. B. Manfred Zuleeg, Der Verfassungsgrundsatz der Demokratie und die EG, der Staat, 1978, S. 26 bis 47). Die Rechtsetzung der Gemeinschaft ist Sache der "Regierung", der "Exekutive", nämlich des Rates und der Kommission. Während die "Gesetze" der Gemeinschaft, die Richtlinien und Verordnungen, vom Rat erlassen werden, nur in Ausnahmefällen von der Kommission, hat die Kommission eine starke Stellung bei der Vorbereitung der Beschlüsse des Rates. Dieser kann in der Regel nur auf Vorschlag der Kommission tätig werden. Demgegenüber hat das Parlament bei der Europäischen Gesetzgebung nur untergeordnete Mitwirkungsbefugnisse, keine eigenen Entscheidungsbefugnisse. Alle EG-Normen können vom Rat auch gegen den Willen des Parlaments erlassen werden. Das ist Gesetzgebung durch die Exekutive statt durch das Parlament. Der Gesetzgeber besitzt keine demokratische Legitimation auf Gemeinschaftsebene, sondern muß diese mittelbar aus der mittelbaren demokratischen Legitimation ableiten, die die Ratsmitglieder in den Mitgliedsstaaten besitzen. Noch mittelbarer ist die demokratische Legitimation der Kommission. Das einzige unmittelbare - und zwar auf Gemeinschaftsebene - demokratisch legitimierte Organ der Gemeinschaft dagegen, das Parlament, besitzt keine Gesetzgebungskompetenz.

1.1. Beschwerdeschrift der GRDNEN (4 MdEP)

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Die "Regierung" der Gemeinschaft, Rat und Kommission, ist auf Gemeinschaftsebene nicht demokratisch legitimiert. Sie ist weder vom Parlament bestellt, noch vom Volk gewählt und ist nicht auf das Vertrauen des Parlaments angewiesen. Nur die Kommission, nicht aber der Rat, kann durch ein Mißtrauensvotum des Parlaments gestürzt werden. Der demokratische Grundsatz der Öffentlichkeit wird bei der Gesetzgebung nicht gewahrt. Die Rechtsnormen werden in Kommission und Rat hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet und beraten (weitere Punkte siehe Peter M. Huber, Die Rolle des Demokratieprinzips im Europäischen Integrationsprozeß, Staatswissenschaft und Praxis 1992, S. 356). Mit dem DemokratiedefIzit eng verknüpft ist das DefIzit an Gewaltenteilung: Regierung und die Legislative sind in einem Organ vereint. Zugleich führt das Anwachsen der Rechtsetzung durch den Rat dazu, daß die Macht der Regierungen der Mitgliedsstaaten auf Kosten der mitgliedstaatlichen Parlamente wächst. Die Rolle der nationalen Parlamente reduziert sich zunehmend darauf, Durchführungsbestimmungen zu Gesetzen (Richtlinien) zu erlassen, die von der europäischen unter Beteiligung der nationalen Exekutive erlassen worden sind. Damit wird die Funktionszuordnung der parlamentarischen Demokratie auf den Kopf gestellt. Dieses eklatante DemokratiedefIzit ließ sich in der Anfangsphase der europäischen Integration noch unter zwei Aspekten rechtfertigen: Zum einen unter dem Aspekt der insgesamt noch geringen tatsächlich von der Gemeinschaft wahrgenommenen Kompetenzen, zum anderen unter dem Aspekt, daß die demokratische Legitimation durch die Regierungsvertreter im Rat vermittelt wurde, die sich ihrerseits auf die demokratische Wahl des Parlaments und ihre eigene Verantwortlichkeit vor dem Parlament stützen konnten. Beide Rechtfertigungsmöglichkeiten sind durch die Entwicklung der EG verlorengegangen: Der Umfang der tatsächlich wahrgenommenen Kompetenzen ist schnell so sehr angewachsen, daß das DemokratiedefIzit nicht mehr als zu vernachlässigende Größe erscheinen konnte:

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Die mittelbare demokratische Legitimation durch die Staatsvertreter war nur so lange tragfähig, wie der Rat nach dem Einstimmungsprinzip entschied. Spätestens seit der Rückkehr zu Mehrheitsentscheidungen und der Erweiterung ihrer Anwendungsmöglichkeiten durch die Einheitliche Europäische Akte (1986) ist diese Legitimationsmöglichkeit entfallen. Deshalb wäre eine demokratische Legitimation auf europäischer Ebene notwendig geworden. Eine solche gibt es bislang jedoch nicht. Der Vertrag von Maastricht, dessen Regelungen für die Bundesrepublik aufgrund des Zustimmungsgesetzes verbindlich werden sollen, stärkt die Rechte des Europäischen Parlaments, vor allem durch die Einführung eines neuen Mitentscheidungsverfahrens (Art. 189 bEGV). Dadurch erhält das Parlament im Bereich der Rechtsetzung erstmals ein echtes Mitentscheidungsrecht in bezug auf eine Reihe wichtiger Materien. Ohne Zustimmung des Parlaments kann hier der Rat keine Regelung erlassen. Es handelt sich um eine negative Gesetzgebungskompetenz. Daneben bringt der Vertrag weitere Erweiterungen der Rechte des Parlaments. So ist die Ernennung der Kommissionsmitglieder künftig von der Zustimmung des Parlaments abhängig (Art. 158 EGV). Diese Regelungen wurden ganz offensichtlich wegen der erheblich erweiterten Kompetenz auf europäischer Ebene getroffen. Sie führen jedoch nicht zu einer Verwirklichung parlamentarischer Demokratie. Insgesamt bleiben die Zuständigkeiten des Parlaments marginal. Die Gesetzgebung wird weiterhin ganz eindeutig vom Rat dominiert, der seinerseits vom Vertrauen des Parlaments nicht abhängig ist. Das schon vorhandene DemokratiedefIZit wird durch die Erweiterung der parlamentarischen Zuständigkeiten nicht wesentlich abgebaut. Auf der anderen Seite werden die Zuständigkeiten des Rates und der Kommission wesentlich erweitert. Der Gesamtumfang der Zuständigkeiten der Gemeinschaft ist so sehr erhöht, daß die institutionelle Integration sich soweit verdichtet, daß dies als "neue Stufe der Integration" (Präambel und Art. A EUV), als "qualitativer Sprung" bezeichnet werden muß. Mit diesem Ausmaß der Fortentwicklung der Integration ist die Fortentwicklung der Demokratie im Maastrichter Vertrag nicht mitgewachsen. So erlassen nach Art. 189 EGV das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab. Dies kann aber auch der Rat gemeinsam mit der Kommission tun. Der Rat kann sogar Rechtsetzung gegen die mit Mehrheit des Europäischen Parlaments gefällte Entscheidung beschließen (Art. 189 c EGV).

1.1. Beschwerdeschrift der GRONEN (4 MdEP)

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Der leidenschaftliche Europäer, Ralf Dahrendorf, faßt dies zusammen: "Die Verträge von Maastricht sich auch undemokratisch. Solange die EG nur von marginaler Bedeutung im Gesamtkontext der Demokratie war, konnte man ihr DemokratiedefIZit als irritierend, aber nicht ernsthaft problematisch abtun. Mit der fortschreitenden Integration aber, oder selbst mit der Aussicht darauf, gilt das nicht mehr. Es ist für freie Länder inakzeptabel, wichtige Entscheidungen in Hinblick auf die Währungsunion oder die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ohne demokratische Kontrolle zu treffen. Maastricht sieht solche Kontrollen nicht vor. Die Verträge belassen ein machtloses Europaparlament - eine Beleidigung für alle wahren Demokraten - fast so ohnmächtig wie zuvor. Sie zeigen keine Ansätze zur Öffnung der einzigen Legislative der Gemeinschaft, nämlich des Ministerrates. In ihren institutionellen Aspekten wirken die Maastricht-Verträge eher wie eine bürokratische Verschwörung als wie die gemeinsame Ausübung von Souveränität durch demokratische Länder."

Das Grundgesetz läßt es zwar zu, daß die Bundesrepublik in zwischenstaatlichen Einrichtungen mitwirkt, deren Organe nach dem Mehrheitsprinzip entscheiden und in denen die Vertreter der Bundesrepublik überstimmt werden können. Dies setzt aber voraus, daß entweder die Kompetenzen dieser Organisationen so gering sind, daß das Demokratiedeftzit nicht ins Gewicht fällt, oder aber die zwischenstaatliche Organisation ihrerseits demokratisch organisiert und legitimiert sein muß. Innerstaatlich hat die Entwicklung der europäischen Integration zu einem Demokratie- und Gewaltenteilungsdeftzit geführt. Dem Bundestag sin im Laufe der Zeit immer mehr Kompetenzen durch Verlagerung nach Brüssel entzogen worden. Dort entscheidet der Rat, in dem die Bundesrepublik durch ein Mitglied der Bundesregierung vertreten wird. Die Verlagerung von Entscheidungszuständigkeiten auf die europäische Ebene hat also zugleich zu einer massiven Verlagerung von Entscheidungskompetenzen vom Parlament auf die Regierung geführt. Im Ganzen haben diese Deftzite an demokratischer Legitimation und Gewaltenteilung ein solches Gewicht, daß sie mit den Mindestanforderungen des Art. 20 GG nicht mehr zu vereinbaren sind. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht verstößt somit gegen das Demokratieprinzip und gegen das Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 Abs. 1,2,3 GG. 2. Verletzung der Staatlichkeit und des Verfassungsstatus Die Existenz der Bundesrepublik als unabhängiger, souveräner Staat ist Bestandteil der Grundentscheidung des Art. 20 Abs. 1 GG, die gem. Art. 79

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Abs.3 GG der Verfassungsänderung, jedenfalls der grundlegenden Veränderung durch den Gesetzgeber, entzogen ist. Ein Beitritt der Bundesrepublik zu einem europäischen Bundesstaat wäre nach dem Grundgesetz nicht zulässig. Auch der verfassungsändernde Gesetzgeber wäre zu einer solchen Entscheidung nicht legitimiert. Voraussetzung für einen Beitritt der Bundesrepublik zu einem europäischen Bundesstaat wäre eine Entscheidung der verfassungsgebenden Gewalt, des Souveräns selbst. Die Staatlichkeit der Bundesrepublik und der Verfassungsstatus des Grundgesetzes werden aber nicht erst dann verletzt, wenn die Bundesrepublik in einen europäischen Bundesstaat eingegliedert wird und damit ihre souveräne Eigenstaatlichkeit vollständig verliert. Vielmehr ist die auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber gesetzte absolute Grenze der Integrationsgewalt bereits dann überschritten, wenn ein neuer Integrationsschritt vorgenommen wird, der die Richtung auf Herstellung eines europäischen Bundesstaates unwiderruflich festgelegt. Damit würde die allein dem Souverän in seiner Funktion als Subjekt der verfassungsgebenden Gewalt zustehende Entscheidung präjudiziert. Auch Art. 24 Abs. 1 GG erlaubt nur die limitierte Übertragung einzelner Hoheitsrechte an zwischenstaatliche Organisationen, nicht aber die Übertragung ganzer Politikbereiche. Aus der Präambel des Grundgesetzes geht hervor, daß der Grundsatz der Integrationsbereitschaft den Übergang zum europäischen Bundesstaat nicht abdeckt. Die souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik müßte dabei aufgegeben werden. Art. 24 Abs 1 GG erlaubt ebensowenig den allmählichen Übergang der Europäischen Gemeinschaft in einen Verband, der die Kompetenz-Kompetenz innehat. Dazu wäre nur die verfassungsgebende Gewalt im Stande (so Zuleeg, Kommentar zum Grundgesetz 1984, S. 187). Dieser "Souveränitätspanzer" darf auch nicht durch Verfassungsänderung erweitert werden, denn erstellt eine Konkretisierung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips dar, das gern. Art. 79 Abs. 3 LV. mit Art. 20 Abs. 1 GG der Verfassungsänderung entzogen ist. Wäre der neue Art. 23 Abs. 1 GG als Erweiterung der Kompetenz zur Übertragung von Hoheitsrechten zu verstehen, wäre er wegen Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Darum kann der neue Europaartikel, soweit er zur Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union ermächtigt, nur als eine Spezialvorschrift verstanden werden, die die Europäische Union wegen des diesbezüglichen Integrationszieles besonders hervorhebt, aber im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 GG keine zusätzliche Integrationskompetenz vermittelt.

1.1. Beschwerdeschrift der GRONEN (4 MdEP)

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Das Zustimmungsgesetz überschreitet die absolute Grenze der Integrationskompetenz. Zwar kann die Europäische Union, die durch diesen Vertrag gegründet wird, noch nicht als Staat qualifiziert werden. Sie weist aber bereits staatsähnliche Züge auf und besitzt derart umfassend Aufgaben, daß es nahezu keinen Sachbereich mehr gibt, für den sie nicht auch zuständig ist. Mit der Wirtschaft- und Währungsunion hat sie einen bisherigen Kernbereich staatlicher Souveränität übernommen. Das wirtschaftliche Schicksal der einzelnen Staaten ist von der Währung abhängig. Die Übertragung der Währungshoheit ist mehr als Übertragung beliebiger, begrenzter Zuständigkeiten auf dem wirtschaftlichen Sektor. Damit wird eine - wenn auch nur begrenzte - Unabhängigkeit definitiv aufgegeben. Zugleich wird damit auch die Richtung auf Entwicklung eines europäischen Bundesstaates festgelegt. Eine Währungsunion ohne eine politische und soziale Union ist auf die Dauer nicht lebensfähig. Die ständige Fortentwicklung der Integration ist durch den Vertrag auch explizit gewoUt. Dies wurde von der Bundesregierung besonders hervorgehoben. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht ist somit wegen Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Über den Beitritt zur Europäischen Union kann nur der Souverän entscheiden. Eine Volksabstimmung wäre erforderlich. Dies könnte sich auf den Vertrag von Maastricht beziehen. Es wäre aber auch möglich, eine Volksabstimmung über eine allgemeine Ermächtigung zu einer Integrationsentscheidung durchzuführen. Der Volksentscheid könnte ohne Änderung des Grundgesetzes durchgeführt werden. Durch einfaches Gesetz könnte die verfassungsrechtliche Voraussetzung geschaffen werden. Die Verstöße des Zustimmungsgesetzes gegen verfassungsrechtliche Fundamentalprinzipien verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung gem. Art. 20 Abs. 4 GG. Der Gesetzgeber maßt sich Befugnisse an, die nur dem Volk als Subjekt der verfassungsgebenden Gewalt zustehen. Die Beschwerdeführer sind zugleich in ihrem Recht auf Teilhabe an der verfassungsgebenden Gewalt verletzt (Art. 38 Abs. 2 GG analog i.V. mit Art. 20 Abs. 1,2 GG). Er~änzende Rechtsausführungen zu Ziffer 11. 2: 1

Das Gesetz Z\lm Maastrichter-Vertrag verletzt die Verfassung in ihrem Wesensgehalt uqd ist weder durch Art. 24 GG noch durch Art. 23 n.F. GG gedeckt. 1

Nachgereicht mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1992 (Anm. d. Hrsg.).

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Das Parlament, Bundestag und Bundesrat, darf keine Entscheidungen treffen, die in die Zuständigkeit der verfassungsgebenden Gewalt eingreifen. Die Kompetenz zur Entscheidung über die staatliche Verfaßtheit der Bundesrepublik Deutschland ist dem Parlament durch das Grundgesetz nicht gegeben. Es ist daher nicht legitimiert, den Staat und die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Staat, etwa einen Europäischen Bundesstaat, zu überführen. Da insoweit der Souverän, das Volk, Befugnisse nicht delegiert hat, ist die Verfügung über die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland allein weiter dem Souverän vorbehalten. Art. 24 Abs. 1 GG durchbricht diesen Grundsatz nur in sehr eingeschränktem Maße. Er formuliert eine starke begrenzte Abweichung von dem Fundamentalprinzip der Staatlichkeit des Art. 20 Abs. 1 GG und damit gleichzeitig vom Prinzip der Volkssouveränität nach Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG und deren Unverletzlichkeit gern. Art. 79 Abs. 3 GG. Der Verfassungsgeber selbst hat insoweit Befugnisse auf die Verfassungsorgane mit der Verabschiedung des Grundgesetzes übertragen. Nur aus diesem Grunde ist Art. 24 Abs. 1 GG mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Hätte der Verfassungsgeber die Regelung nicht getroffen, dann hätte später der Gesetzgeber eine solche Regelung nicht ins Grundgesetz einfügen dürfen, auch nicht mit 2/3 - also verfassungsändernder - Mehrheit. Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG hätten entgegengestanden. Mit dem Umfang der nach Art. 24 Abs. 1 GG zulässigen Übertragung von Hoheitsrechten ist damit zugleich auch der Umfang der zulässigen Durchbrechung der Prinzipien des Art. 20 GG bezeichnet. Eine über diesen Umfang hinausgehende Durchbrechung dieser Prinzipien wäre mit Art. 20 GG unvereinbar und gern. Art. 79 Abs. 3 GG nicht zulässig. Eine Ausdehnung der durch Art. 24 Abs. 1 GG verliehenen Befugnisse zur Übertragung von Hoheitsrechten durch den verfassungsändernden Gesetzgeber wäre vefassungswidrig. Dies gilt auch für Art. 23 n.F. GG. Wollte man aus dieser gleichzeitig mit dem Gesetz zum Maastrichter-Vertrag verabschiedeten neuen Regelung des Grundgesetzes Befugnisse ableiten, die über die des Art. 24 GG hinausgehen, so wäre dieser neue Artikel des Grundgesetzes verfassungswidrig. Er wäre mit der beschränkten Regelungskompetenz des Parlaments aus Art. 79 Abs.3 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG nicht zu vereinbaren. Das dem Souverän vorbehaltene Recht zur Setzung einer neuen Verfassung und einer neuen Staatlichkeit für die Bundesrepublik Deutschland wäre verletzt. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG ist verfassungskonform auszulegen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes soll diese neue Vorschrift "klarstellen", daß auch auf die Europäisch Union Hoheitsrechte übertragen werden können und daß es also nicht darauf ankommen soll, ob die Europäische Union

1.1. Beschwerdeschrift der GRONEN (4 MdEP)

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eine "zwischenstaatliche Einrichtung" ist oder nicht, wie Art. 24 GG sie benennt. Wenn "klarstellen" bedeuten sollte, daß an die Europäische Union Hoheitsrechte auch dann übertragen werden können, wenn diese nicht als "zwischenstaatliche Einrichtung" anzusehen ist, dann wäre dies eine Ausdehnung der Befugnis der Übertragung von Hoheitsrechten gegenüber der Vorschrift des Art. 24 GG und damit wegen Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Art. 23 GG wurde wiederum nach der Begründung des Regierungsentwurfes auch deshalb ins Grundgesetz übernommen, um die Europäische Integration zu einem Staatsziel hervorzuheben und so nach innen wie nach außen gegenüber dem Ausland zum Ausdruck zu bringen, welche Stellung Deutschland in Europa einnehmen will (Bundestagsdrucksache 12/3338, S. 4). Art. 23 Abs. 1 S. 1 n.F. GG schreibt den Subsidiaritätsgrundsatz fest und hat im übrigen überwiegend deklaratorischen Charakter. Diese Voraussetzung der Übertragung von Hoheitsrechten ergeben sich bereits aus Art. 79 Abs. 3 GG. Die Absätze 2 bis 6 des Art. 23 n.F. GG bringen normative Neuerungen, die vor allem die Stellung der Länder im Rahmen der Europäischen Integration verbessern sollen. Die Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten des Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG verdeutlicht lediglich, was sich sonst aus Art. 24 Abs. 1 ergibt, daß nämlich die Mitwirkung an der Schaffung der Europäischen Union die Übertragung von Hoheitsrechten voraussetzt. Diese Ermächtigung, Hoheitsrechte an die Europäische Union zu übertragen, muß verfassungskonform dahingehend beschränkt werden, daß der Umfang dieser Ermächtigung über den des Art. 24 Abs. 1 GG nicht hinausgeht. Es muß sich bei der Europäischen Union also um eine zwischenstaatliche Einrichtung i.S. von Art. 24 Abs. 1 GG handeln und Hoheitsrechte dürfen in keinem größeren Umfang übertragen werden, als dies nach Art. 24 Abs. 1 GG zulässig wäre. Nach diesem bisherigen Integrationsartikel des Grundgesetzes ist nur die Übertragung einzelner Hoheitsrechte, nicht ganzer Kompetenzbereiche zulässig. Der politische Status der Verfassung im Ganzen darf nicht tangiert und die souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zwar geschmälert werden, aber muß doch im wesentlichen erhalten bleiben. Aus Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG ergeben sich die Grenzen der Befugnis zur Übertragung von Hoheitsrechten sowohl nach Art. 24 GG als auch bei verfassungskonformer Interpretation aus Art. 23 Abs. 1 GG: (1) Die Eingliederung der Bundesrepublik in einen Europäischen Bundesstaat ist aufgrund der Art. 24 und 23 GG nicht zulässig.

7 Winkelmann

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

(2) Die Integration darf den Weg in Richtung auf die Eingliederung der Bundesrepublik in einen Europäischen Bundesstaat nicht unwiderruflich festlegen. Es dürfen also nicht völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen werden, die die Fortentwicklung der Europäischen Integrationsgemeinschaft zu einem Bundesstaat bereits vorsehen oder die die Bundesrepublik völkerrechtlich verpflichten, auf das Ziel der Bildung eines Europäischen Bundesstaates hinzuwirken und an seiner Bildung mitzuwirken. Durch völkerrechtlich verbindliche Integrationsschritte dürfen nicht Fakten geschaffen werden, die einen Zwang zur Weiterentwicklung der Europäischen Integration in Richtung auf die Bildung eines Europäischen Bundesstaates erzeugen. Denn nicht nur wenn die Umwandlung der Bundesrepublik in einen Gliedstaat eines Europäischen Bundesstaates durch einen Akt verwirklicht werden sollte, wäre Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art 20 GG verletzt und ein solcher Akt nur aufgrund der Entscheidung des Souveräns, der verfassungsgebenden Instanz zulässig, sondern auch wenn die Souveränität schrittweise auf die Europäische Union übertragen werden soll, wenn es sich also um eine prozeßartige Veränderung handelt, gelten diese Grundsätze. Eine verfassungsgebende Entscheidung ist auch nicht etwa erst dann erforderlich, wenn der letzte Teilakt der Übertragung der Souveränität auf die Europäische Gemeinschaft vollzogen werden soll. Die verfassungsgebende Entscheidung hätte ansonsten ihren Gegenstand verloren, bevor sie getroffen würde. Der Volksentscheid wäre nur noch Formsache. Um die Funktion der verfassungsgebenden Gewalt auch in bezug auf allmähliche Veränderungsprozesse zu wahren, ist es notwendig, die Entscheidungsvoraussetzungen der Prozeßhaftigkeit des Geschehens anzupassen. Immer dann, wenn die Entwicklung dieses Prozesses die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des Souveräns in Bezug auf seinen politischen Status präjudizieren würde, also eine freie Entscheidung des Verfassungsgebers danach unmöglich würde, ist ein Integrationsschritt erreicht, in dem nur der Souverän selbst legitimieren kann. Wenn ganze Politikbereiche auf irreversible Weise aus der staatlichen Zuständigkeit ausgegliedert werden, ist der politische Status der Bundesrepublik und ihrer Verfassung grundlegend berührt, unabhängig davon, ob dies in einem oder mehreren Schritten geschieht. Eine verfassungsgebende Entscheidung des Volkes ist dann geboten. Das gleiche gilt, wenn der Staat sich völkerrechtlich verpflichtet, auf das Ziel des Bundesstaates hinzuwirken bzw. an einer Entwicklung mitzuarbeiten, die zu diesem Ziel objektiv führen muß und soll, wenn ein Integrations-

1.1. Beschwerdeschrift der GRONEN (4 MdEP)

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schritt vorgenommen wird, der faktisch unumkehrbar die Entwicklung hin zum Europäischen Bundesstaat bedeutet. Nach diesen Kriterien verletzt das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht die Übertragungsermächtigung des Art. 24, 23 n.F. GG und zugleich die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG. Mit dem Vertrag von Maastricht wird die Europäische Union gegründet. Sie ist ein staatsähnliches Gebilde. Eine Europäische Unionsbürgerschaft wird eingeführt (Art. 8 ff. EGV), verbunden mit diplomatischem und konsularischem Schutz (Art. 8 c EGV). Damit wird zumindest auf der Ebene der politischen Symbolik ein staatliches Gebaren der Union deutlich. Die Gemeinschaftsaufgabe der Europäischen Gemeinschaft werden über den wirtschaftlichen Bereich und den bisherigen Bereich der politischen Zusammenarbeit hinaus auf große Felder der Politik unter Einbeziehung der Justiz, der Innenpolitik und vor allem der Kulturpolitik erweitert. Im Titel VI des Maastrichter Vertrages wird eine ausgedehnte Gemeinschaftszuständigkeit für die Justiz- und Innenpolitik begründet. Die Art. K 3 bis K 6, K 8 und K 9 EUV begründen auch Zuständigkeiten der Gemeinschaftsorgane. Rechtsakte können in diesen Bereichen von der Gemeinschaft erlassen werden. Die Europäisehe Union erhält neue Kompetenzen in den Bereichen Bildung und Kultur (Art. 126, 128 EGV), auch in der Entwicklungszusammenarbeit wird eine Gemeinschaftskompetenz begründet (Titel XVIII, Art. 130 EGV). Gemeinschaftskompetenzen werden im Bereich der Forschung und Technologie vertieft (Titel XV, Art. 130 ff. EGV). Vor allem wird die Währungshoheit von den Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft übertragen. Eine Europäische Zentralbank wird eingerichtet. Aus der Gesamtheit dieser Kompetenzausweitung ergibt sich, daß für die Europäische Union unbegrenzte Aufgabenfelder erschlossen wurden, Von einer Beschränkung auf einzelne, begrenzte Sachbereiche kann keine Rede mehr sein. Aber nicht nur die Kompetenzen der Europäischen Union werden durch den Vertrag von Maastricht erweitert. Auch die Dichte der Integration wird intensiviert. Der Rat kann Beschlüsse mit Mehrheit· fassen. Dazu gehören Teilbereiche der Umweltpolitik, der Währungspolitik, der allgemeinen Politik, des Gesundheitswesens, des Verbraucherschutzes und der Entwicklungspolitik. Damit wird die Efftzienz des Rates gesteigert. Zugleich wird die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten entscheidend geschwächt.

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Außer dieser weitgehenden Integration versteht eich die Europäische Union aber auch nicht als Endzustand des Integrationsprozesses, sondern dahingehend, daß "der Prozeß der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas" weitergeführt werden soll und daß weitere Schritte "getan werden müssen". Die Union ist auf Fortentwicklung der Integration angelegt. Mit dem Vertrag von Maastricht soll die Bundesrepublik Deutschland nicht nur verpflichtet werden, an der Fortentwicklung der "immer engeren Union" mitzuwirken, sondern sie soll sich auch in eine Gemeinschaft einbinden, die aufgrund ihrer Integrationsdynamik sich in noch größere Integrationsdichte und Integrationsintensität hineinentwickelt. Die europäische Staatlichkeit der Europäischen Union ist gewollt. Mit der Schaffung der Währungsunion werden auch Sachzwänge geschaffen, die den Weg in den Europäischen Bundesstaat unausweichlich machen. Eine Entwicklung hinein in die Europäische Union ist nach in Kraft treten der Maastrichter Verträge faktisch unumkehrbar. Die Europäische Union ist keine zwischenstaatliche Einrichtung. Dies ergibt sich aus dem immensen Umfang ihrer Kompetenzen, der sich nicht mehr auf einzelne Sachbereiche beschränkt, sondern beinahe alle Politikbereiche abdeckt. Dies ergibt sich aber auch aus dem staatsähnIichen Charakter, den die Europäische Union bereits angenommen hat. Auf die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 1 GG und Art. 23 Abs. 1 n.F. GG kann das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht deshalb nicht gestützt werden. Mit der Zustimmung zu dem Vertrag von Maastricht begibt sich die Bundesrepublik in einen Integrationsprozeß, der schon jetzt einen Stand erreicht hat, welcher mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht mehr zu vereinbaren ist. Auch. der sog. Parlamentsvorbehalt hinsichtlich der dritten Stufe der Währungsunion, den Bundestag und Bundesrat eingefordert haben, ändert nichts daran, daß die Integration auch durch Aufgabe der Währungshoheit bereits mit Hinterlegung des Maastrichter Vertrages in vollem Umfange wirksam wird. Mit der Ratifikation des Maastrichter Vertrages werden bereits jetzt alle Verpflichtungen in Bezug auf die einheitliche europäische Währung verbindlich übernommen. Alle Mitgliedstaaten außer Großbritannien und Dänemark sind verpflichtet, sich an der dritten Stufe der Währungsunion zu beteiligen, soweit sie die Kriterien erfüllen. Diese Voraussetzung aber ist lediglich objektiv zu prüfen, und wird vom Rat - nicht etwa von den einzelnen Mitgliedern selbst - entschieden und mit qualifIzierter Mehrheit. Was der Bundestag und Bundesrat sich vorbehalten haben, war lediglich eine Empfehlung an die Bundesregierung bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens im

1.1. Beschwerdeschrift der GRONEN (4 MdEP)

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Rat. Der Rat entscheidet aber mit Mehrheit, also auch gegen die Stimme der Bundesrepublik und zwar nur darüber, ob die Währungsunion schon vor 1999 in Kraft tritt, nicht aber ob sie überhaupt oder später realisiert wird (Art. 109 j ff. EGV). Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht verstößt daher auch unter dem Aspekt der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und des Verfassungsstatus des Grundgesetzes gegen Art. 79 Abs. 3 i.V. mit Art. 20 GG. Nur eine verfassungsgebende Entscheidung des Souveräns kann rechtlich unbedenklich die Zustimmung zu dem Maastrichter Vertrag herbeiführen, der die Bundesrepublik Deutschland in eine Europäische Union eingliedert und diese unwiderruflich auf den Weg bringt, zum Bundesstaat einer Europäischen Union zu werden. Das Zitat in der Begründung der Verfassungsbeschwerde von Professor Murswiek ist einem bisher nicht veröffentlichten Gutachten2 des Rechtslehrers entnommen. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde beruht auch im übrigen im wesentlichen auf Teilen dieses Gutachtens. Die schriftliche Vollmacht des Beschwerdeführers zu 2. ist als Anlage beigefügt. Die schriftliche Vollmacht der Beschwerdeführerin zu 1. lag vor. Das Vorliegen wird anwaltlich versichert. Die schriftliche Vollmacht ist bei der Übermittlung per Telefax im Gerät zerstört worden. Eine neue schriftliche Vollmacht ist von der Beschwerdeführerin angefordert und wird nachgereicht werden. Beigefügt der Text des Entwurfes des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes mit den Beschlüssen des Sonderausschusses Europäische Union (Vertrag von Maastricht). (Drucksache 12/3338).

Ströbele, Rechtsanwalt

2 D. Murswiek, Maastricht und der Pouvoir Constituant: Zur Bedeutung der verfassungsgebenden Gewalt im Prozeß der europäischen Integration, Der Staat 1993, S. 161 ce.

(Anm. d. Hrsg.).

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

1.2. Beschwerdeschrift B. vom 18. Dezember 1992 UNIVERSITÄT ERLANGEN-NÜRNBERG LEHRSTUHL FÜR ÖFFENTLICHES RECHT PROF. DR. IUR. K. A. SCHACHTSCHNEIDER An das Bundesverfassungsgericht Postfach 17 71

7500 Karlsruhe

18. Dezember 1992

Verfassungsbeschwerde, Antrag auf andere Abhilfe, Anträge auf einstweilige Anordnungen

desM. B ..., Verfahrensbevollmächtigter: Universitätsprofessor Dr. K. A. Schachtschneider, Nürnberg

1.2. Beschwerdeschrift B.

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I. Verfassungsbeschwerde

Es wird beantragt, festzustellen, daß das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, welches der Deutsche Bundestag am 2. Dezember 1992 in dritter Lesung und der Bundesrat am 18. Dezember 1992 beschlossen haben, das Grundgesetz verletzt, dadurch den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt und nichtig ist.

11.

Antrag auf andere Abhilfe Es wird beantragt, andere Abhilfe im Sinne des Art. 20 Abs. 4 GG durch Feststellung der Grundgesetzwidrigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 zu schaffen, um Widerstand gegen die staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere den Bundeskanzler und die Gesetzgebungsorgane des Bundes, die es unternommen haben, die Ordnung, die Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG verfaßt, zu beseitigen, zu erübrigen. III.

Antrag auf einstweilige Anordnung 1 Es wird beantragt, durch einstweilige Anordnung dem Bundespräsidenten zu untersagen, das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union auszufertigen und zu verkünden, sowie den Vertrag über die Europäische Union durch Hinterlegung der Ratiftkationsurkunde bei der Regierung der Italienischen Republik zu ratifIZieren, bis über die Verfassungsbeschwerde zu I entschieden ist. IV. Antrag auf einstweilige Anordnung 2 Es wird beantragt, durch einstweilige Anordnung dem Bundespräsidenten zu untersagen, das verfassungsändernde Gesetz, das der Deutsche Bundestag am 2. Dezember 1992 und der Bundesrat am 18. Dezember 1992 beschlossen haben und durch welches die Artikel 23, 24 Abs. 1 a, 28 Abs. 1, S 4, 45, 52 Abs. 3 a, 88 S. 2, 115 e Abs. 2 S. 2 in das Grundgesetz eingefügt und Art. 50 GG geändert wurde, auszufertigen und zu verkünden, bis über die Verfassungsbeschwerde zu I entschieden ist.

104

B. Dokumentation (Schriftsätze)

1. Teil: Begründung des Antrages I A.

Der Beschwerdeführer ist durch das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union in den folgenden Grundrechten verletzt: I. 11. III. IV. V. VI. VII.

Art. 1 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG Art. 38 Abs. 1 GG Art. 5 Abs. 1 GG Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1, S. 2 GG Art. 12 Abs. 1 GG Art. 14 Abs. 1 GG I.

Das Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG verfassungsbeschwerdefähig 1. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die S. 1 des Art. 1 GG schützt, ist untrennbar verbunden mit der vom Grundgesetz verfaßten staatlichen Gewalt, die nach S. 2 dieses Grundrechts die Würde des Menschen zu achten und zu schützen hae. Die staatliche Gewalt nach dem Grundgesetz ist die deutsche Staatsgewalt, die Staatsgewalt des Deutschen Volkes (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 4 GG, Art. 1 Abs. 2 GG, der Präambel des Grundgesetzes und Art. 146 GGf. 1. Der Beschwerdeführer, wie jeder Mensch, insbesondere jeder Deutsche, hat Anspruch auf den Schutz seiner Menschenwürde durch eine deutsche Staatsgewalt, welche vor allem demokratisch durch die Deutschen legitimiert ist. Die Aufgabe oder die wesentliche Beeinträchtigung der deutschen und/oder der demokratischen Staatsgewalt ist eine Verletzung des Grundrechts auf Schutz der Menschenwürde des Beschwerdeführers. Deutschland hat durch das Grundgesetz den Schutz der Menschenwürde einer Staatsgewalt der Deutschen anvertraut, vor allem, weil jeder Deutsche selbst an der Ausübung der Staatsgewalt teilhat; denn alle Staatsgewalt geht vom Deut-

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BVerfGE 1, 332 (343); 15,249 (255); 51, 97 (105); 61, 126 (137). BVerfGE I, 98 (104). BVerfGE 83,37 (50 ff.); 83, 60 (71 ff.).

1.2. Beschwerdeschrift B.

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schen Volke aus4 • Das demokratische Prinzip der deutschen Staatlichkeit ist selbst ein wesentliches Element des Menschenwürdeschutzess. "In der freiheitlichen Demokratie ist die Würde des Menschen der oberste Wert. Sie ist unantastbar, vom Staate zu achten und zu schützen. Der Mensch ist danach eine mit der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte 'Persönlichkeit'. Sein Verhalten und sein Denken können daher durch seine K1assenlage nicht eindeutig determiniert sein. Er wird vielmehr als fähig angesehen, und es wird ihm demgemäß abgefordert, seine Interessen und Ideen mit denen der anderen auszugleichen. Um seiner Würde willen muß ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert werden. Für den politisch-sozialen Bereich bedeutet das, daß es nicht genügt, wenn eine Obrigkeit sich bemüht, noch so gut für das Wohl von "Untertanen" zu sorgen; der einzelne soll vielmehr in möglichst weitem Umfange verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesamtheit mitwirken."6

Der Schutz der Menschenwürde verändert sich wesentlich durch eine andere Verfassung der Staatlichkeit, also auch dadurch, daß eine andere Bürgerschaft, also ein Volk mit anderen Staatsangehörigen, oder auch dasselbe Volk mit einer anderen Verfassung die Staatsgewalt ausübt, weil die Organe der Staatsgewalt andersartig sind, wenn sie von einem anderen Volk oder von dem Volk in einer wesentlich anderen Verfassung bestellt werden. Wenn das Volk der Europäischen Gemeinschaft, die Unionsbürger im Sinne Art. 8 ff. EGV, die Staatsgewalt ausübt, mag das die Menschenwürde nicht schlechter schützen, als wenn das Deutsche Volk diesen Schutz verantwortet, aber der Menschenwürdeschutz ist notwendig ein anderer. Voraussetzung für die Legalität des Menschenwürdeschutzes durch die Unionsbürger wäre, daß die staatliche Gewalt der Europäischen Gemeinschaft von der Verfassung der Deutschen eingerichtet ist, solange es noch einen deutschen Staat gibt. Die Aufhebung der deutschen Staatlichkeit setzt jedoch eine neue Verfassung voraus. Eine gesetzgeberische Verfassungsänderung genügt dafür nicht. Die verfaßte Staatlichkeit und das Fundamentalprinzip der Unantastbarkeit der Menschenwürde sind eine untrennbare Einheit. Darum schützt Art. 1 Abs. 1 GG wegen seines Satzes 2 die Fundamentalprinzipien der Staatsverfassung, also vor allem die Prinzipien des Art. 20 GG, grundrechtlich7 • Das folgt auch daraus, daß Art. 79 Abs. 3 GG die Vorschriften des Art. 1 GG und des Art. 20 GG (abgesehen von bestimmten Prinzipien des Bundesstaates) für durch gesetzliche BVerfGE 83,37 (50 ff.); 83,60 (71 ff.). BVerfGE 5, 85 (204 f.); Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, § 20, Rdn. 66 ff. 6 BVerfGE 5,85 (204 f.). 7 Häberle, HStR, Bd. I, § 20, Rdn. 60 ff. 4

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Verfassungsänderungen unabänderlich erklärt. Beide fundamentalen Vorschriften sind integral. Es gibt keinen verfassungsgemäßen Menschenwürdeschutz ohne verfassungsgemäße Staatlichkeit, also nicht ohne deutsche und nicht ohne demokratische, rechtsstaatliche, soziale, aber auch nicht ohne bundesstaatliche Staatsgewalt. In dem Anspruch auf derartige Staatlichkeit ist der Beschwerdeführer beeinträchtigt und auch verletzt. Die Verletzung ist unmittelbar und gegenwärtig, weil das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union der letzte mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Akt "öffentlicher Gewalt" (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG) nicht gemeinschaftlicher deutscher Staatlichkeit ist, der den Unionsvertrag in deutsches Recht transformiert oder nach der neueren Vollzugslehre dessen unmittelbare Geltung in Deutschland anordnet. Nach diesem Rechtsakt ist die Verfassungslage in Deutschland grundlegend verändert, insbesondere wird die deutsche und die demokratische, aber auch die rechtsstaatliche und soziale Verfassungslage wesentlich beendet, so daß der Menschenwürdeschutz des Beschwerdeführers grundgesetzwidrig wegen der Verletzung des Art. 20 GG (dazu unter B.) verändert wird. 2. Der Beschwerdeführer, wie jeder andere Deutsche, kann aber auch deswegen die Verletzung aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG rügen, weil seine politische Freiheit durch das Menschenwürdeprinzip geschützt wird. Das wichtigste Grundrecht einer demokratischen Republik ist das (angeborene) Recht auf die Autonomie des Willens, also das Recht, an der politischen und damit staatlichen Willensbildung teilzuhaben, also der grundrechtliche Schutz der politischen Freiheit. Dieses Recht ist in Art. 2 Abs. 1 GG materialisiert, folgt aber selbst aus dem Prinzip der Unantastbarkeit der Menschenwürde8 • "Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt"

Die Menschenwürde ist verletzt, wenn die Menschen zu Objekten staatlicher Herrschaft, zu Untertanen einer Obrigkeit also, degradiert werden. Von der Subjekthaftigkeit jedes Bürgers geht das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung auslO • Der Bürger wird aber zum Objekt der Zwecke anderer, wenn er nicht selbst verfassungsgemäß an der politischen Willensbildung teilhat, wenn er nicht selbst der Gesetzgeber einer repräsentativ-konsensualen Staatswiliensbildung ist. Der Beschwerdeführer ist 8 BVerfGE 5, 85 (204 f.); dazu Schachtschneider, Res publica res populi, Entwurf einer republikanischen Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, der 1993 erscheint, 1. Teil 1. u. 3. Kapitel; 5. Teil und 6. Teil, mit Belegen. 9 BVerfGE65, 1 (41). 10 BVerfGE 5,85 (204); 7, 198 (205); 27, 1 (6); 45, 187 (228); 50, 166 (175); 50, 205 (215); 63, 332 (337).

1.2. Beschwerdeschrift B.

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durch das demokratische Deflzit der Unionsverfassung in seiner Bürgerlichkeit und damit in seiner Menschenwürde persönlich verletzt. Die Verletzung wird unter BIldargelegt werden. Die Subjekthaftigkeit des Menschen verwirklicht sich in seiner politischen Freiheit, die darum den Grundrechtsschutz des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG genießt. Die allgemeine politische Freiheit, welche aus dem Menschenwürdeprinzip als Grundrecht folgt, ist die genannte Autonomie des Willens im staatlichen Bereich, aber auch die freiheitliche Privatheit11 • Weil es keine wirkliche Freiheit ohne allgemeine Gesetzgebung des Volkes gibt, ist die Menschenwürde des Bürgers angetastet, wenn die Fundamentalprinzipien der Verfassung verletzt sind, welche die politische und damit zugleich die staatliche Willensbildung regeln. Freiheitlichkeit und (praktisch vernünftige) Gesetzlichkeit sind identisch. Die Fundamentalprinzipien des Art. 20 GG fmden darum Grundrechtsschutz in Art. 1 Abs. 1 GG.

11. 1. Die allgemeine Handlungsfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sieht12, wird verletzt, wenn verfassungswidrige Gesetze diese einschränken13• Sie ist "das Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind"l•. Wenn die Staatlichkeit und damit die Gesetzgebung nicht praktiziert wird, wie das Grundgesetz es vorschreibt, sind alle Gesetze nicht nur verfassungswidrig, sondern verletzen die allgemeine Handlungsfreiheit, auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers, der ein Grundrecht auf verfassungsgemäße Gesetzlichkeit hat. Eine Gesetzgebung, die nicht mehr (hinreichend) deutsche Staatsgewalt ist und darüber hinaus nicht mehr demokratisch, also nach dem Grundgesetz nicht mehr wesentlich vom deutschen Volk legitimiert ist, ist nicht mehr die vom Grundgesetz verfaßte Staatlichkeit und kann darum die allgemeine Handlungsfreiheit nicht verfassungsgemäß einschränken. Die Verfassungsprinzipien der deutschen und der demokratischen Staatlichkeit sind durch gesetzgeberische Verfassungsänderungen nicht abänderbar (Art. 79 Abs. 3 GG). Die mannigfachen Handlungsfreiheiten, die Art. 2 Abs. 1 GG unbenannt schütztl5, insbesondere auch die Handlungsfreiheit des Wählers l6, werden verletzt, wenn die a. a. 0., 5. Teil, 5. Kapitel. BVerfGE 6,32 (36 f.); 8, 274 (328); 12,341 (347); 25, 371 (407); 60, 329 (339); 62,397 (3~); 63, 73 (75); 63, 88 (108); 65, 196 (210). BVerfGE 6,32 (37 f.); 19,253 (257); 63, 88 (108 f.); SO, 137 (153). 14 BVerfGE 29, 402 (408). 15 BVerfGE 6, 32 (37); 12, 341 (347); 30, 173 (189); 50, 290 (366); 65,1 (41 ff.). 16 BVerfGE 62, 397 (399); 63, 73 (75). 11 Schachtschneider,

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

Staatsgewalt insgesamt oder in wesentlichen Teilen verfassungswidrig gestaltet ist. Alle Gesetze oder bestimmte Gesetze, etwa die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, von denen jeder Mensch vielfältig betroffen ist oder sein kann, widersprechen der Verfassung, wenn die Ordnung des Grundgesetzes, welche durch die fundamentalen Prinzipien des Art. 20 GG bestimmt ist, aufgehoben oder auch nur wesentlich verzerrt ist. Die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert auch und vor allem das Recht auf eine verfassungsgemäße Gesetzgebung. 2. Die politische Freiheit ist das wichtigste "Recht" der "freien Entfaltung der Persönlichkeit"; denn der Bürger ist eine Persönlichkeit des freiheitlichen Gemeinwesens, der Republik. Als solcher entfaltet er sich vor allem in seiner Teilhabe an der politischen und damit staatlichen Willensbildung, wie es die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsäußerungs-, aber auch zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit klärt17• Sonst wäre die freiheitliche Entfaltung der Persönlichkeit auf den nichtstaatlichen, den gesellschaftlichen Bereich beschränkt. Eine solche Unterscheidung von Staat und Gesellschaft verfaßt das Grundgesetz nicht, wenn die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft überhaupt der Konzeption der grundgesetzlichen Republik, einem Gemeinwesen von Bürgern als freier Persönlichkeiten, gerecht wird l8• Eine solche Unterscheidung aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit herzuleitenl9 , verkennt die Bürgerlichkeit des Bürgers, die sich wesentlich im Politischen entfaltet, wenn auch gleich wesentlich im Privaten. So richtig es ist, aus Art. 2 Abs. 1 auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG subjektive Rechte der Privatheit (Rechte zur Willkür) als allgemeine Handlungsfreiheiten abzuleiten, so zwingend ist es, auf dieses Grundrecht, das wesentlich das Prinzip der Menschenwürde materialisiert (konkretisiert), das Recht auf Teilhabe an der Staatlichkeit zu stützen, die politische Freiheit also. Sonst wäre das wichtigste Recht des Bürgers, nämlich sein Recht auf Teilhabe an der politischen und damit staatlichen Willensbildung, nicht grundrechtlich geschützt. Die vom Bundesverfassungsgericht20 so bezeichnete "von Art. 2 I GG geschützte Handlungsfreiheit des Wählers" kann sinnvoll nur als politische Freiheit verstanden werden. Die Verweigerung eines grundrechtlichen Schutzes der politischen Freiheit wäre die Trennung der politischen Klasse von den 17 Zu Art. 5 I GG BVerfGE 7, 198 (208); 12, 113 (125); 20, 56 (97 ff.); zu Art. 8 I GG BVerfGE 69, 315 (344); zu Art. 9 Abs. 1 GG BVerfGE 50,290 (353 f.). 18 Dazu Schachtschneider, a. a. 0., 3. Teil. 19 I. d. S. E.-W, Böcken!örde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedeutung der individuellen Freiheit, 1973, S. 32 f.; ders., Staat und Gesellschaft im Sozialstaat; ders., in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 395 ff., 407 ff.; dazu Schachtschneider, a. a. 0., 3. Teil, 2. Kapitel. 20 BVerfGE 62, 397 (399); 63, 73 (75).

1.2. Beschwerdeschrift B.

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Gewaltunterworfenen, die sich auf eine grundrechtlich geschützte Sphäre der Freiheit vom Staat berufen könnte, nicht aber auf ihren bürgerlichen Status als Teil des staatlich verfaßten Gemeinwesens, nicht auf ihre staatliche Persönlichkeit, abgesehen von speziellen politischen Rechten, wie insbesondere den Wahlprinzipien des Art. 38 Abs. 1 GG. Eine Konzeption, welche den Bürger nicht als politische Persönlichkeit akzeptiert, ist liberalistisch und setzt eine staatliche Herrschaft voraus, die sich, sei sie auch demokratisch legitimiert, in einen Gegensatz zu den Bürgern stellt. Der Dualismus von grundrechtlicher Freiheit und demokratischer Herrschaft verkennt die Republikanität des Grundgesetzes21 • Art. 2 Abs. 1 GG schützt nicht nur, aber auch und wesentlich die Bürgerlichkeit der Bürger als ihre Persönlichkeit im staatlichen Gemeinwesen. Freie Entfaltung der Persönlichkeit ist wesentlich politische Entfaltung der Persönlichkeit, diese wird verletzt, wenn die Staatlichkeit nicht so gestaltet ist, wie es das Grundgesetz vorschreibt. Die grundgesetzliche Verfassung entgegen dessen fundamentalen Prinzipien zu ändern, wirft der Beschwerdeführer dem angegriffenen Rechtsakt, dem am 2./18. Dezember 1992 verabschiedeten Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag über die Europäische Union (Unionsvertrag), vor, weil durch den Unionsvertrag vor allem die deutsche Staatlichkeit und das Prinzip der demokratischen Legitimation verletzt werden, ohne daß dies durch die Präambel des Grundgesetzes oder Art. 24 Abs. 1 GG gerechtfertigt und ohne daß dies durch den neuen, an demselben Tage verabschiedeten, Art. 23 GG geheilt wäre; denn die verletzten Prinzipien stehen nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers, wie noch näher dargestellt werden wird. Der Beschwerdeführer ist durch den Unionsvertrag auf Grund dessen unmittelbarer und vor dem nationalen Recht vorrangigen Geltung nicht nur unmittelbar und gegenwärtig, sondern als deutscher Bürger auch selbst in seiner politischen Freiheit verletzt. 3. Die Persönlichkeit eines Menschen wird auch und wesentlich durch den Staat, in dem er lebt, und das Recht, das sein Leben leitet, sein Recht, bestimmt. Freie Entfaltung der Persönlichkeit in Deutschland ist notwendig eine freie Entfaltung einer deutschen Persönlichkeit. Das Grundgesetz schützt mittels des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG die deutsche Identität der Deutschen. Es spricht viel dafür, daß in Europa eine europäische Identität der Unionsbürger entwickelt wird. Das darf aber nicht obrigkeitlich verordnet werden, sondern muß wegen der deutschen Verfassung dem Willen der Deutschen entsprechen. Weil die Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland keine Kompetenz haben, die deutsche Staatlichkeit und die deutsche Identität aufzuheben, kann das Vertragswerk 21 Schachtschneider, 3. 3.

0., 1. Teil, 3. Kapitel, 2. Teil.

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

von Maastricht nur durch eine neue Verfassung Deutschlands in Deutschland verbindlich werden; denn dieser Vertrag hat die Wirkung, die deutsche Identität zu schmälern, wenn nicht aufzuheben (vgl. nur Art. B Abs. 1 Sp.str. 2 VEU). Diese Wirkung wird durch das Subsidiaritätsprinzip (Art. B Abs. 2 VEU, Art. 3 b EGV, Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG n. F.) deutlich belegt, denn die Nationalität soll geschont werden, weil sie wesentlich relativiert wird. Jeder Deutsche und damit auch der Beschwerdeführer ist durch die Relativierung seiner deutschen Persönlichkeit selbst, unmittelbar und gegenwärtig beeinträchtigt, so daß ihm Verfassungsschutz sofort gegeben werden muß. 4. Den Schutz der politischen Freiheit kann jeder Bürger beanspruchen; denn dieses Recht ist logisch allgemein. Während der Rechtsschutz der subjektiven Rechte der Privatheit, der Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sinnvoll auf die Menschen oder Sürger beschränkt werden kann, die durch ein Gesetz in ihren besonderen Grundrechten beeinträchtigt werden, so kommt eine solche persönliche Begrenzung des Grundrechtsschutzes bei Rechten, die ihrer Eigenart nach allgemein sind, nicht in Betracht, weil jeder Bürger in seiner (politischen) Persönlichkeit betroffen ist. 5. Der Beschwerdeführer ist aber auch in seiner freien Entfaltung als wirtschaftliche Persönlichkeit über den durch Art. 12 Abs. 1 GG hinaus geschützten Bereich des Art. 2 Abs. 1 GG durch das Maastrichter Vertragswerk beeinträchtigt und verletzt. Die wirtschaftliche Entfaltung eines Menschen ist untrennbar mit der Rechtsordnung verbunden, unter der er, mit anderen Menschen verbunden, lebt. Durch den Vertrag von Maastricht lebt der Beschwerdeführer (wie jeder Bürger) in einer anderen Welt. Das verändert mit seiner Freiheitslage auch seine Wirtschaftslage mit Grundrechtsrelevanz, vor allem im beruflichen und unternehmerischen Bereich. Die Grundrechtslage läßt sich von der Verfassungslage im übrigen nicht trennen. Die Grundrechte schotten nicht lediglich als subjektive Rechte eine Privatsphäre der Willkür gegenüber dem Staat ab, so daß es gleichgültig wäre, wer der Staat und wer damit der Gesetzgeber ist; die Grundrechte formulieren vielmehr objektiv Wertentscheidungen, Prinzipien, welche das gemeinsame Leben der staatlich verbundenen Menschen wesentlich bestimmen, weil sie den Gesetzgeber leiten22 • Das Bundesverfassungsgericht hat diese objektive Dimension der Grundrechte seit dem Lüth-Urteil entfaltet und zunehmend für die Rechtsordnung fruchtbar gemacht23 • Die Verwirklichung der Grundrechte läßt sich in keiner Weise von der Ordnung des Politischen trennen, welche 22 SChachlschneider, a. a. 0., 9. Teil, insb. 1., 2., 7. und 11. Kapitel. 23

BVerfGE 7,198 (203 ff.); 50, 290 (337).

1.2. Beschwerdeschrift B.

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die Verfassung gibt. Jede Änderung der Verfassungslage ändert die Relevanz der Grundrechte, weil diese der Politik eine Orientierung geben, aber in der objektiven Dimension der Grundrechte nur eine Orientierung, die sehr unterschiedlich verwirklicht werden kann. Die Grundrechte sind dadurch begrifflich variabel und dynamisch2A • Deswegen ist wesentlich, wer der Gesetzgeber ist. Keine Änderungen greifen so unmittelbar, gegenwärtig und persönlich in die Grundrechte jedes Bürgers, aber auch jedes Menschen ein, wie die Änderung der Verfassung der Politik, wie die Änderung des Gemeinwesens, in dem die Menschen und Bürger staatlich verfaßt leben. Werden aber durch diese Änderungen die Fundamentalprinzipien des Gemeinwesens, die das Grundgesetz in Art. 20 GG niedergelegt hat, verletzt, ist jeder Bürger und damit der Beschwerdeführer zugleich in seinen Grundrechten verletzt. 6. Aber auch die unmittelbar durch das Maastrichter Vertragswerk in Geltung kommenden Vorschriften verändern die Lebenslage des Beschwerdeführers wie jedes Menschen und Bürgers in Deutschland unmittelbar, gegenwärtig und persönlich. a) Allein schon die verfaßte Währungsunion hat unmittelbare Auswirkungen auf alle von dieser neuen Währungsverfassung betroffenen Menschen, also auch auf den Beschwerdeführer persönlich, der schon heute, also gegenwärtig, sein Leben darauf einrichten muß, daß das eigenständige Währungsgebiet Deutschland aufgegeben werden wird. Das Land der Deutschen Mark, nicht nur ein Symbol, sondern auf Grund der spezifischen Wirtschaftskraft Deutschlands weltweit eine Garantin des Wohlstandes, wird es wegen der Währungsunion nicht mehr geben. An die Stelle dieses DM-Landes tritt ein viel größeres Land einer Europäischen Gemeinschaftswährung, ein ECULand. Wenn auch die dritte Stufe der Währungsunion erst 1999 beginnen soll, so befmden wir uns doch bereits in der ersten Stufe der Währungsunion, dem Europäischen Währungssystem. Der Prozeß der Umgestaltung der Währungsverfassung ist bereits voll im Gange und muß betrieben werden, wenn er nach den Plänen und Vorschriften des Maastrichter Vertragswerkes bis 1999 in der Europäischen Gemeinschaft gemeistert werden soll. Die Stabilität der Deutschen Mark ist davon bereits jetzt beeinflußt. Die Währungsunion wirkt schon jetzt auf das grundrechtsgeschützte und grundrechtsgestaltete Leben der Menschen in Deutschland und damit auch auf das des Beschwerdeführers intensiv ein. Das betrifft die allgemeine Handlungsfreiheit, aber auch die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie. Die allgemeine Handlungsfreiheit wird auch dadurch beeinträchtigt, daß die 2A Schachtschneider,

insb. S. 71 ff.

a. a. 0., 9. Teil, 11. Kapitel; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986,

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B. Dokumentation (Schriftsätze)

wirtschaftlichen Vorteile, welche sich aus einer spezifischen Währungsverfassung ergeben, also die für die Deutschen vorteilhafte Deutsche Mark, verloren gehen. Spezifisch ist der Beschwerdeführer dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, daß die Ordnung der Währung verfassungswidrig verändert wird, nicht etwa dadurch, daß der Wert der Deutschen Mark in Gefahr gerät. Die wirtschaftliche Betätigung des Menschen, vor allem sein fmanzieUes Gebaren, hängen untrennbar mit der Wirtschafts- und Finanzverfassung, in der er lebt, zusammen. Dadurch ist die Verfassungsmäßigkeit der Währungsordnung grundrechtlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt. Es ist augenscheinlich, daß die vertraglich vereinbarte Währungsunion zu vielfältigsten fmanziellen Transaktionen der Deutschen geführt hat und weiter führen wird. Die Geldanlagenpolitik der Deutschen ist von daher bestimmt. Die Grundrechte schützen auch die freiheitlichen Gegebenheiten vor verfassungswidrigen Beeinträchtigungen. Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er mit Eintritt der dritten Stufe der Währungsunion Vergütungen nicht mehr in DM erhält und finanzielle Transaktionen nicht mehr in DM möglich sind, persönlich in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. b) Der Beschwerdeführer ist in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit unmittelbar und gegenwärtig verletzt. Mit Inkrafttreten des Unionsvertrages ist dem deutschen Gesetzgeber die Entscheidung über eine Befürwortung oder Ablehung der Währungsunion entzogen, ein deutscher Austritt aus der Währungsunion nach dessen Bestimmungen rechtlich nicht mehr möglich, sondern allenfalls politisch. Die Resolution des Bundestages vom 2. Dezember 1992, in der er sich ein Beschlußrecht über die Währungsunion vorbehält, ist völkerrechtlich/europarechtlich nicht verbindlich. Der Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion hängt von wirtschaftlichen Konvergenzkriterien ab (Art. 109 j Abs. 1 EGV), über deren Vorliegen der Rat auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit (Art. 109 j Abs. 2, 3 EGV) entscheidet. Der Rat beschließt auch mit qualifizierter Mehrheit den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe (Art. 109 j Abs. 3 Spstr. 3 EGV). "Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1. Januar 1999." (Art. 109 j Abs. 4, S. 1 EGV) Auch ein eventuell späterer Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe (Art. 109 j Abs. 3 EGV) beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, wenn Abs. 4 S. 1 dieser unklaren Vorschrift das überhaupt zuläßt. Einzelne Mitgliedstaaten haben rechtlich keine Möglichkeit, aus der Währungsunion auszutreten, ohne die Europäische Union insgesamt zu verlassen. Auch der Erlaß eventueller nationaler Schutzmaßnahmen (Art. 109 i Abs. 3 EGV) durch einen Mitgliedstaat und die Geltung von Aus-

1.2. Beschwerdeschrift B.

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nahmeregelungen (Art. 109 k EGV) innerhalb der Währungsunion bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind nur auf Empfehlung der Kommission und nach Beschluß des Rates mit qualiftzierter Mehrheit gestattet. Die Zustimmung zum Vertrag ist damit der letzte relevante Akt des deutschen Gesetzgebers für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion. Dem Beschwerdeführer kann nicht zugemutet werden, mit seiner Verfassungsbeschwerde abzuwarten, bis die Währungsunion vollendet ist, weil dann der deutschen (nationalen) Staatsgewalt die alleinige Disposition über die Währung (DM) bereits entzogen ist. Gegen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft aber läßt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde nicht zu2S • Das Stimmrecht im (Europäischen) Rat kann in diesem Sinne nicht als weiterer Akt auf dem Weg zur Währungsunion gesehen werden. Er ist für den Beschwerdeführer nicht unmittelbar angreifbar. Der Beschwerdeführer und damit das deutsche Volk kann, wenn die Währungsunion nicht kraft Vertrages eintritt (Art. 109 I. Abs. 4 EGV), bei dem vorgesehenen Beschluß mit qualiftzierter Mehrheit überstimmt werden. 7. Der Beschwerdeführer verliert durch die Erweiterung der Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften, vor allem im Bereich der Wirtschaft, der Währung und des Sozialen, aber auch den vielen anderen Bereichen, etwa denen des Gesundheits- oder des Umweltschutzes, in dem Maße, in dem die Rechtsetzungskompetenzen auf die Organe der Europäischen Union übergeleitet werden, den Grundrechtsschutz des Bundesverfassungsgerichts; denn der gesetzliche Grundrechtsrichter gegenüber sekundären Rechtsakten der Gemeinschaften ist der Europäische Gerichtshofli. Auch dadurch verändern die Grundrechte sowohl in ihrer subjektiven als auch in ihrer objektiven Dimension ihre Schutzwirkung. Wegen der Offenheit der Materialität der Grundrechte ist es wesentlich, wer der Grundrechtsrichter ist. Es ist richtig, daß Rechtsprechung mit gemeinschaftsweiter Relevanz in der Hand eines Gemeinschaftsgerichts liegt, aber diese ( notwendige) Veränderung verändert den Grundrechtsschutz des Beschwerdeführers wesentlich. Darum muß um der Grundrechte der Deutschen und damit der des Beschwerdeführers willen die Überantwortung der Staatlichkeit, ihrer/seiner Staatlichkeit also, auch der Verfassung, ihrer/seiner Verfassung also, dem Grundgesetz nämlich, genügen. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschwerdeführer kann sich auf die objektive Dimension der Grundrechte berufen, wenn er von ihrer Verletzung betroffen ist; denn das 2S 26

BVerfGE 73, 339 (387). BVerfGE 73,339 (387).

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