Das Intertemporale Recht: Band 1, Teil 1 Das Intertemporale Privatrecht, Teil 1: Geschichte des Intertemporalen Privatrechts [Reprint 2022 ed.] 9783112675861, 9783112675854


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German Pages 516 [668] Year 1902

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Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Einleitung
Erstes Buch.
Erstes Kapitel. Das römische intertemporale Privatrecht.
Erster Abschnitt. Das ältere römische Recht bis zum Ende der römischen Republik.
Zweiter Abschnitt. Die Zeit der klassischen Jurisprudenz.
Dritter Abschnitt. Das römische intertemporale Privatrecht in der nachklassischen Zeit.
Zweites Kapitel. Das intertemporale Privatrecht vom Corpus iuris civilis Justinians bis auf den Code civil Napoleons.
Erster Abschnitt. Das intertemporale Privatrecht in der Gesetzgebung.
Zweiter Abschnitt. Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung'.
Dritter Abschnitt. Das intertemporale Privatrecht in der Litteratur vom Corpus iuris civilis bis auf den Code civil.
Drittes Kapitel. Das intertemporale Privatrecht vom Code civil bis zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich.
Erster Abschnitt. Das intertemporale Privatrecht in der Gesetzgebung.
Zweiter Abschnitt. Das intertemporale Privatrecht in der Rechtsprechung.
Dritter Abschnitt. Das intertemporale Privatrecht in der Litteratur.
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Das Intertemporale Recht: Band 1, Teil 1 Das Intertemporale Privatrecht, Teil 1: Geschichte des Intertemporalen Privatrechts [Reprint 2022 ed.]
 9783112675861, 9783112675854

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DAS

INTERTEMPORALE RECHT. DAS RECHT DER ZEITLICH VERSCHIEDENEN RECHTSORDNUNGEN. VON

DE. JUR. FRIEDRICH AFFOLTER, A. O. PROFESSOR DER RECHTE AN DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG.

ERSTER

BAND.

DAS INTERTEMPORALE PRIVATRECHT. ERSTER TEIL. GESCHICHTE

DES INTERTEMPORALEN

PRIVATRECHTS.

LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1902

GESCHICHTE DES

INTERTEMPORALEN PRIVATRECHTS VON

Dß. JÜR. FRIEDRICH AFFOLTER, A. O. PROFESSOR DER RECHTE AN DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG.

LEIPZIG, VEELAG VON VEIT & COMP. 1902

Druck von M e t z g e r 7 5 ; CHABOT D E L A L L I E R

a. a. 0. I, verbo „eontractus". 2

3

a.

a.

O.

VIII,

z. B .

S.

1 9 2 u.

fg.

Im Sinne S C H O P E N H A U E R S , wonach der menschliche Wille nur eine Erscheinungsform des die ganze W e l t o r d n u n g hervorrufenden allgemeinen Willens ist.

Das römische intertemporale Privatrecht.

88

schließende Gesetze zu bezeichnen.1 Auch ist die enge Begrenzung ihres Gebietes zu verwerfen. SAVIGNY meint nämlich, daß dieselben nur aus s i t t l i c h e n Motiven erlassen werden können. Jene Gefühle aber, welche eine Empörung des Gesetzgebers gegen die bisherige Rechtsordnung zur Folge haben, können sowohl rechtlicher als sittlicher Natur sein; sie können auch auf sozialem, wirtschaftlichem und religiösem Empfinden beruhen. J a sie können nicht bloß durch den m a t e r i e l l e n Inhalt der alten Rechtsordnung verursacht sein, sondern auch durch deren mangelhafte F o r m , wie aus dem nächsten Kapitel klar hervorgehen wird. Es sind dies alles Gefühle, welche innig mit einander zusammenhängen und deren Grenzgebiete nicht fest und haarscharf abgesteckt werden können.2 Wir rechnen das Zinsgesetz Justinians zur zweiten Möglichkeit, weil es den alten Thatbestand nicht ganz verwirft, sondern nur einiger seiner Wirkungen beraubt. Das Rechtsverhältnis der Zinsen wird nicht ü b e r h a u p t beseitigt, sondern nur in seinem Umfang und seinen Beziehungen beschränkt. Hierher gehört auch die c. 21 ad Sc. Vell. 4, 29 vom Kaiser Anastasius aus dem Jahre 517, welche die Wirksamkeit des Verzichts der Frauen auf ihr beneficium in gewissen Fällen einschränkt: . . . renuntiatio . . . coartetur. Die ihr verliehene Ausschließlichkeit . . . his scilicet omnibus . . . ad

praeteritos

nihilominus

contractus

. . . locurn

kabituris

dürfte, wie bereits oben bemerkt, schwerlich gerechtfertigt sein. Jedoch sei gleich im Anschluß hieran rühmend hervorgehoben, daß Anastasius seiner bekannten lex 3 keine Ausschließlichkeit verlieh: . . . per hanc itaqve legem iubemus in posterum... Wie leicht hätte er seine sittliche Entrüstung über den bisherigen Rechtszustand vorbringen können; es enthält sogar das pr. einen leisen Ton der Mißbilligung der alten Rechtsordnung . . . hocque

modo

diversas

personas

litigiorum

vexatio

nibus

adficere

. . .

Das Gefühl, welches den Kaiser davon abhielt, seiner Neuerung rückwirkende Kraft zu gewähren, rechtfertigt auch deren Abschaffung durch die neuere Gesetzgebung [H. G. B. alte Fassung Art. 299]. Wurde Anastasius seiner lex die Ausschließlichkeit verliehen haben, so würde sie zweifellos zur zweiten Möglichkeit gehören, denn der Thatbestand der Cession wird nicht verw o r f e n , sondern bloß in seinen Wirkungen b e s c h r ä n k t . Damit wäre auch die zweite Möglichkeit, die wir bei der Betrach-

1 SAVIGNY nennt den Artikel 3 4 0 des Code civil, der die „recfurehe de la paternite" ausschließt, auch für die Thatbestände, die hinter ihm liegen, ein zwingendes Gesetz. Seine Haupteigenschaft ist aber die, daß es die Herrschaft der alten Rechtsordnung über diese Thatbestände a u s s c h l i e ß t . 2 Das E r g e b n i s meiner Untersuchungen stimmt mit der Ansicht von LASSALLE a. a. 0 . S. 2 7 4 ufg. überein; doch ist. meice B e g r ü n d u n g von der seinigen wesentlich verschieden. " S. e. 22, § 1 DE mand. 4, 35.

§ 12.

Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

89

tung der Regel von M a r c i a n für den Fall des gleichbleibenden, vollkommenen Thatbestandes vorhergesehen haben, quellenmäßig erwiesen. Eine Belegstelle für die dritte Möglichkeit ist die c. 17 de fide instr. 4, 21. 1 Der Inhalt derselben ist kurz folgender: Wenn die Parteien vor Abschließung gesetzlich formloser Rechtsgeschäfte, wie z. B. des Kaufes, vereinbaren, daß der Vertrag schriftlich oder notariell errichtet werde, dann solle derselbe nur dann Rechtsgültigkeit erlangen, wenn bei schriftlicher Form die Reinschrift von beiden Parteien unterzeichnet, bezw. bei notarieller Form vom Notar unterzeichnet und den Parteien ausgehändigt worden ist; anderenfalls können beide Parteien vom Vertrage zurücktreten. Der Rücktritt soll nur dann einen Rechtsnachteil zur Folge haben, wenn eine Arrha gegeben wurde; 2 in diesem Falle verliert der Geber die Arrha, wenn er von seinem Reurechte Gebrauch macht; tritt der Empfänger zurück, so muß er das Doppelte zurückgeben. Dieser Verordnung legte J u s t i n i a n ausschließende Kraft bei. 3 Von den früheren Thatbeständen sollten nur die durch Urteil oder Vergleich erledigten und die in einem schriftlichen Entwurf (in scheda) oder in der Reinschrift (in mundo) errichteten K ä u f e ausgenommen sein; auf diese letzteren sollte die neue Verordnung sich nicht ausdehnen, „sed prisca iura in his teuere concedimus." Die neue Rechtsordnung verweigert also durchaus nicht dem Thatbestand z. B. des Kaufes, als solchem, die Anerkennung, wie die Konstantinische Konstitution dem Thatbestand der lex commissoria oder wie die Justinianische c. 30 de pactis den Erbschaftsverträgen, oder wie die Konstitutionen von T h e o d o s II. den mehr als 30 Jahre alten Klagthatbeständen. Ebensowenig beschränkt sie Wirkungen des alten Thatbestandes bezw. den Umfang des Rechtsverhältnisses, wie die Zinsordnung J u s t i n i a n s . Ist aber eine Miete, oder eine Schenkung bis zu 500 solidi, oder ein Vergleich oder ein Tauschvertrag unter der alten Rechtsordnung vollkommen errichtet worden, so fallen diese Thatbestände trotzdem unter der neuen Rechtsordnung dahin, weil sie sich mit den bisherigen, von der alten Rechtsordnung geforderten Thatbestandsmerkmalen nicht begnügen will, sondern außer denselben n e u e , der alten Rechtsordnung bisher unbekannte Thatbestandsmerkmale verlangt. Hatten nämlich die Parteien vereinbart, daß jene Verträge schriftlich oder notariell errichtet werden sollen, so war es der alten Rechtsordnung vollständig gleichgültig, ob entweder die schriftliche Urkunde nur ein Entwurf oder eine Reinschrift war; ob sie ferner unterzeichnet oder nicht unterzeichnet wurde, und wenn unterzeichnet, ob sie nur die Unterschrift einer oder beider Parteien trug; oder schließlich, ob die notarielle Urkunde vom Notar unterzeichnet oder nicht unterzeichnet wurde und ob eine Aushändigung derselben an die Parteien erfolgt war oder nicht. Für die 1 Vgl. auch pr. J. de emotione III, 23. ' S, § 2 const. cit. 3 S. § 1 const. cit.

90

D a s römische intertemporale Privatrecht.

neue Rechtsordnung sind aber diese Thatbestandsmerkmale von höchster Bedeutung, indem sie vom Mangel der einen bez. vom Dasein der anderen die Gültigkeit bez. Ungültigkeit jener Verträge abhängig macht. Welch' schreiende Ungerechtigkeit liegt in der Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung! Ist schon der* Inhalt der Konstitution sehr bedenklich, weil ja die auf Schriftlichkeit gerichtete Vereinbarung der Parteien bloß die Herstellung eines B e w e i s m i t t e l s und nicht eine wesentliche F o r m bezwecken kann, 1 so übersteigt es die Grenzen nicht nur des intertemporalen Privatrechtes, sondern auch des allergewohnlichsten Billigkeitsgefühles, der Treue und des Glaubens, wenn einer derartigen Verordnung ausschließende Kraft vom Gesetzgeber beigelegt wird. Wo ist eine Empörung, eine Auflehnung gegen die alte Rechtsordnung zu suchen, die im Gegenteil allein den Grundsätzen des im Verkehr üblichen (quod

melius

viros)

der Treue

aequius

und

est),

des u n t e r

anständigen

Männern

(inter

dem Glauben (bona fides) entspricht?

Und

bonos

nur

eine solche Empörung des Rechtsgefühles hätte die ausschließende Natur der neuen Rechtsordnung rechtfertigen können. Es bäumt sich vielmehr die Rechtsempfindung gegen diese neue Verordnung J u s t i n i a n s auf, welche schon durch ihren Inhalt mit roher Gewalt gegen Treu und Glauben verstößt.2 Noch mehr aber lehnt sich das i n t e r t e m p o r a l e Rechtsbewußtsein gegen die brutale Vergewaltigung der einfachsten intertemporalen Rechtsregeln auf und es ist wiederum ein Beweis des Mangels eines solchen im 19. Jahrhundert, wenn einschlägige Schriften diese in die Augen springende Verletzung intertemporaler Rechtsregeln entweder mit Stillschweigen übergehen oder, mit BÖCKING, 3 nichts Anstößiges daran finden. Die Reihe derjenigen Gesetze, welche infolge ihrer ausschließenden Kraft bewirken, daß vollkommene Thatbestände der alten Rechtsordnung unter ihrer Herrschaft nach dem Schema der dritten ins Auge gefaßten Möglichkeit hinfällig werden, vermehrt die Nov. 115 von J u s t i n i a n aus d. J . 542. Der Inhalt derselben ist bekannt; ebenso die Streitfragen, die darüber herrschen. Mag nun nach der einen Ansicht das Testament, welches gegen sie verstößt, nichtig sein, nach der anderen Ansicht bloß anfechtbar, nach einer dritten bald nichtig, bald anfechtbar, immer wird ein früher vollkommener Thatbestand unvollkommen, sobald er unter die Herrschaft der Novelle gerät, die n e u e T h a t b e s t a n d s m e r k m a l e von ihm verlangt, denen er nicht genügen kann. Es liegt also in der Nov. 115 ein Gesetz vor, das zu jener Reihe von Rechtsordnungen gehört, die zwar einem Thatbestand als solchem die Anerkennung nicht versagen, wohl aber neue, der alten Rechtsordnung unbekannte Thatbestandsmerkmale 1 Die herrschende Meinung nimmt gegen den Wortlaut dieser traurigen Verordnung an, daß sie sich bloß auf den Fall beziehe, wo der Wille der P a r t e i e n (Beweismittel oder Form) zweifelhaft sei. 2 Daher auch die herrschende Meinung. 3 a. a. 0 . § 95 h. not. 9 i. fine.

§12.

Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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fordern, wodurch der Thatbestand der alten Rechtsordnung notwendig hinfällig wird. Hatte z. B. ein Testator unter der alten Rechtsordnung die Erfordernisse des alten formellen Noterbrechtes und die Voraussetzungen eines testamentum officiosum gemäß der Praxis des Centumviralgerichtes erfüllt, so konnte doch sein Testament nach der Nov. 115 hinfallig werden, selbst, wenn er vor Erlaß derselben gestorben war. Denn aus der praefatio und dem epilogus dieser geht klar und deutlich hervor, daß das alte Recht nur dann noch zur Anwendung gelangen konnte, wenn ein Testamentsprozeß bereits in der Berufungsinstanz hängig war. Starb also der Testator vor dem Erlaß der Novelle, die Parteien aber erheben die Klage erst n a c h Erlaß, so muß das neue Recht angewandt werden. Ebenso, wenn die Parteien zwar vor Erlaß geklagt haben, aber der Prozeß noch in erster Instanz schwebt.1 Daß die neue Rechtsordnung auf Testamentsstreitigkeiten, die durch rechtskräftiges Endurteil oder Vergleich oder sonstwie erledigt sind, keine Anwendung findet, ist selbstverständlich; hätte J u s t i n i a n auch das noch geleugnet, so wäre das Maß seiner Sünden gegen das intertemporale Privatrecht bis zum Überlaufen voll. Es läßt sich vielleicht künstlich eine Empörung des Rechtsbewußtseins gegen das alte Noterbrecht darthun, aber bei Lichte gesehen, war das alte formelle Noterbrecht in Verbindung mit dem materiellen nicht schlechter als das Noterbrecht der Nov. 115, abgesehen von den zwei großen Streitfragen, welche dieselbe hervorgerufen hat. M. E. hat daher J u s t i n i a n dadurch, daß er der Nov. 115 ausschließende Kraft beilegte, wiederum unnötigerweise das intertemporale Privatrecht verletzt.2 Treten wir nun der zweiten neueren Regel des intertemporalen Rechtes näher, wonach ein nach der alten Rechtsordnung u n v o l l k o m m e n e r Thatbestand unter der neuen Rechtsordnung ohne Änderung der thatsächlichen Verhältnisse zur Vollkommenheit gelangen kann. Dies ist wie oben bemerkt möglich, wenn die neue Rechtsordnung ausschliessender Natur ist und an Thatbestände derart so geringe Anforderungen stellt, daß der alte Thatbestand ihnen zu genügen imstande ist, m. a. W. in den Augen der neuen Rechtsordnung zum vollkommenen wird. Auch hier sind logisch drei Fälle denkbar: entweder die alte und negative 1 Praefatio . . . nos itaque iustum esse perspeximw seeundum leges quae obtinebant tempore datae sententiae praedietam appellationis causam examinari et terminum seeundum ipsas aeeipere . . . Epilogus: haee autern oblinere saneimus in eausis omnibus, quae nondum iudieiali sententia vel amicali Convention« sopiine sunt . . . ' Auch der nov. 118 hat J u s t i n i a n ausschließende Kraft gegeben, wodurch vollkommene Thatbestände, z. B. der Zustandsthatbestand der Agnation, welche nach früherem Rechte ein Erbrecht begründeten, hinfällig werden konnten. Hier kann man aber von einer völligen Umwandlung des Rechtsbewußtseins zu Gunsten des Erbrechtes der Cognaten sprechen; die Spuren jener begegnen uns bereits im Sc. Tertullianum und Orfitianum. Abgesehen davon ergriff die Nov. 118 nur einen geringen Teil der dem alten Rechte unterworfenen Thatbestände; s. c. VI i. fine.

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Das römische intertemporale Privatrecht.

Rechtsordnung versagt einem Thatbestand überhaupt jede rechtliche Anerkennung, während die neue positive ihn mit rechtlicher Wirksamkeit ausstattet, oder die alte Rechtsordnung erkennt zwar Thatbestände der Art an, aber mit b e s c h r ä n k t e n Wirkungen, während die neue sie erweitert oder, die alte Rechtsordnung erkennt zwar Thatbestände derart an, beschränkt auch nicht deren Wirkungen, stellt aber an dieselben schwerere Anforderungen, indem sie eine größere Summe von Thatbestandsmerkmalen verlangt, während die neue Rechtsordnung mit einer geringeren Summe von Thatbestandsmerkmalen vorlieb nimmt. Kaiserliche Konstitutionen, die Belege für die erstere Möglichkeit bilden, begegnen uns nicht selten. So die c. 7 C. Th. de legitim, hered. 5, 1. Danach erhalten gewisse Verwandte des Erblassers, nämlich der Onkel von Vaters Seite und der emanzipierte Bruder eine Art Pflichtteil, falls der Erblasser gemäß den Bestimmungen des Sc. Tertullianum von seiner Mutter allein ab intestato beerbt wird. Nach dem Rechte vor der Konstitution waren diese Personen durch die Mutter gänzlich ausgeschlossen; der Zustandsthatbestand ihrer Verwandtschaft wurde von der alten Rechtsordnung zur Erzeugung eines Pflichtteilrechtes nicht anerkannt, die neue Rechtsordnung verleiht ihm aber rechtliche Wirksamkeit, indem sie sich ausschließenden Charakter beilegt.1 — Es fragt sich nun, ob die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung auch gerechtfertigt sei; hatte sich eine Umwälzung der Rechtsanschauung vollzogen, welche die fernere Anwendung der alten Rechtsordnung nicht mehr zu dulden imstande war? Diese Frage ist u. E. zu bejahen. 2 Denn es ist zuzugeben, daß gerade beim Intestaterbrecht die Rechtsanschauungen stetigen Wandelungen unterworfen sind, so daß die ausschließende Kraft unserer Konstitution wohl gerechtfertigt werden könnte. Immerhin aber ist für den Gesetzgeber auch hier weise Mäßigung geboten. Jedenfalls hätte Theodos nicht nötig gehabt zu bestimmen, daß das neue Recht auf die bereits hängigen Erbschaftsstreitigkeiten anzuwenden sei, vielmehr hätte er dieselben dem alten Rechte überlassen sollen. Ähnliches läßt sich von der Novelle 118 sagen. Dieselbe zeigt ein Janusgesicht. Einmal läßt sie vollkommene, erbrechtliche Thatbestände, wie den Zustandsthatbestand der Agnation, unter ihrer Herrschaft hinfällig werden, gehört also zu den Gesetzen der ersten neueren Rechtsregel; andererseits aber erkennt sie erbrechtliche Thatbestände an, von welchen die alte Rechtsordnung nichts wissen wollte, nämlich die Zustandsthatbestände der ehelichen Kognation, die nur zum Teil durch frühere Senatuskonsulte schon anerkannt worden waren. So z. B. hatte der mütterliche Onkel nach der alten Rechtsordnung kein Intestaterbrecht; der Zustandsthatbestand seiner Blutsverwandtschaft war also nicht rechtlich anerkannt. 1 § 3 con. cit.: „Laxa vero decernimus sanetione, ut statuta nostra non solum futwrwrum, ambigua quaestionum, sedetiam pendentium negotiorum hoe ordine fata disemgant." 3 S. den § 4, ü. '¿Ö.

§ 12.

Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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Trat nun derselbe aus der alten Rechtsordnung in die'neue, so empfing er sofort ein Intestaterbrecht in der 4. Klasse der Intestaterben. Dasselbe war der Fall bei Vettern und deren Nachkommen. Die ausschließliche Geltung der Novelle 1 1 8 läßt sich, wie bereits gesagt, damit rechtfertigen, daß die Bewegungen des Rechtsgefühles zu Gunsten der Blutsverwandtschaft damit im römischen Rechte ihren endgültigen Abschluß erhielten. Außerdem ist die Ausschließlichkeit keine durchgreifende, indem sie nur so weit reicht, als die Spanne Zeit vom 1. Juli bis 1. August 5 4 3 beträgt. Der Thatbestand der Intestaterbschaft ist eine Thatbestandsverbindung (personaler Zustand und personales Ereignis), der seine Vollendung erst mit dem Tode des Erblassers erhält. Fällt dieser unter die Herrschaft der neuen Rechtsordnung, so ergreift diese nach römischem intertemporalem Recht den Gesamtthatbestand von Rechtswegen, ohne daß von einer Rückwirkung die Rede sein kann. Wir werden im dogmatischen Teil darauf zurückkommen. — Ferner gehört hierher die vielbesprochene c. 2 5 de donat. i. v. et. u. 5, 16. Der Inhalt derselben ist kurz folgender: Schenkungen des Ehegatten an den andern Ehegatten, sowie Schenkungen des paterfamilias an die Ehegatten und solche der Ehegatten an die in ihrer Gewalt befindlichen Personen und umgekehrt, sind an und für sich ungültig. 1 Wenn aber die Schenkungen zu Protokoll des Gerichtes gegeben worden sind (Insinuation), sofern sie die quantitas legitima, nämlich 5 0 0 solidi, übersteigen, 2 dann sollen diese unvollkommenen Thatbestände zur Vervollkommnung gelangen, wenn der Schenker vor dem Beschenkten oder gleichzeitig mit ihm stirbt, ohne widerrufen zu haben. Auch ohne Insinuation sollen derartige ungültige Willensthatbestände zu Kräften gelangen, wenn der Schenker sie in seinem letzten Willen bestätigt. Die Bestätigung soll keine rückwirkende Kraft haben, wohl aber bei Insinuation bezw. bei nicht insinuierten Schenkungen unter 5 0 0 solidi der Tod des Schenkers vor dem Beschenkten, ohne daß ein Widerruf geschah. Zum Schlüsse der Konstitution sagt nun Justinian: „sicut et alias ratihabitiones negotiorum ad illa reduci tempora oportet, in quibus contracta sunt nec in ceterum subtilem divisionem facti vel iuris introduci posse." Aus dieser Stelle meint HENNE3 den Satz ableiten zu können, daß günstigere Gesetze immer auf frühere Thatbestände anzuwenden seien. Dies wäre jedoch selbst im Sinne Justinians nur dann richtig, wenn dieser unter „ratihabitiones" auch b e g ü n s t i g e n d e G e s e t z e verstanden hätte. Und in der That scheint die Bemerkung Justinians zum Schluß unserer Stelle, man dürfe im übrigen keine allzu spitzfindige Unterscheidung zwischen Thatsache und Recht machen, auf eine derartige Ansicht hinzudeuten. Allein Justinian meint hier nicht Thatsache im

1 S. auch ec. 4 et 5 eod. 5, 16; ferner fr. 3, §§ 2—8, fr. 2fi, § 1, fr. 32, §§ 16—21; fr. 53, pr.\ fr. 60, pr. de donat. i. v. et u. 24, 1. 2 Vgl. c. 34 pr. de donat. 8, 51 und § 2 J. II, 1. 9 a. a. 0 . § 25.

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Das römische intertemporale Privatrecht.

Gegensatz zum objectiven Recht, sondern im Gegensatz von thatsächlichem Zustand und einem rechtlich anerkannten Verhältnis. Der thatsächliche Zustand der Schenkung war schon lange vorhanden, ohne vom Rechte anerkannt zu sein; die Anerkennung beginnt vielmehr erst mit der letztwilligen Bestätigung bezw. mit dem durch Tod beendigten Stillschweigen des Schenkers. I m letzten Falle jedoch sollen, trotzdem er die Wahrheit dieser Unterhandlung zugesteht, dennoch die Schenkungen nach rückwärts hin als gültig, d. h. so angesehen werden, als ob sie von der Rechtsordnung von Anfang an anerkannt worden wären. Selbst aber angenommen, Justinian hätte unter ratihabitiones wirklich begünstigende Gesetze im weitesten Sinn des Wortes verstanden, so wäre dies für das intertemporale Privatrecht, das er so oft verletzt hat, nicht maßgebend. Wir müssen vielmehr stricte an der materiellen und formellen Voraussetzung der Ausschließlichkeit festhalten. Justinian hat nicht ausdrücklich hervorgehoben, ob er diesem Gesetze ausschließende Kraft verleihen wolle. Vom Standpunkt des intertemporalen Privatrechtes aus betrachtet, hatte sie also keine rückwirkende Kraft; es fehlt die Ausschlußklause]. Wie wir jedoch bereits gesehen haben, kümmerte sich Justinian wenig um diese formelle Vorausetzung der Ausschließlichkeit. Aus dem Sinne des Gesetzes geht hervor, daß er ihm Ausschließlichkeit verleihen wollte. Siehe den folgenden §. Wenn also vor Erlaß dieser Konstitution Schenkungen unter den genannten Personen vollzogen wurden, so können dieselben unter der neuen Rechtsordnung zu Kräften gelangen, falls sie die Summe von 500 solidi nicht überschreiten, oder insinuiert worden sind und der Schenker vor dem Beschenkten oder gleichzeitig mit ihm stirbt, ohne widerrufen zu haben, oder wenn sie letztwillig bestätigt wurden. Aus ähnlichen Gründen gehören auch die c. 2 si maior factus alien. 5, 74 und c. 1 und c. 2 si maior fact. rat. 2, 45 hierher. Wenn unter der alten Rechtsordnung ohne Genehmigung der Obervormundschaftsbehörde ein Mündelgrundstück veräußert wird und das gewesene Mündel sie genehmigt', so bleibt die Veräußerung dort nichtig, unter der neuen und ausschließenden jedoch konvalesziert sie. Ebenso c. 3 si maior factus alien. 5. 74: Die nichtige Veräußerung wird zwar nicht ratihabiert, aber das gewesene Mündel stellt die rei vindicatio während fünf Jahren nicht an. Unter der alten Rechtsordnung bleibt die Nichtigkeit bestehen; unter der neuen und ausschließlichen dagegen kommt sie zu Kräften. Ferner noch c. 7 ad S. C. Mac. 4. 28, wonach ein vom Vater genehmigtes Darlehn unter der neuen und ausschließenden Rechtsordnung mit rückwirkender Kraft konvalesciert. Über die Ausschließlichkeit der letztgenannten Gesetze verweise ich auf den folgenden Paragraphen gegen Ende. Es sei nur noch hervorgehoben, daß wir sie hier im Spiegel der ersten Möglichkeit, gleichbleibender Thatbestand — wechselnde Rechtsordnung, betrachten. Schon unter der alten Rechtsordnung, nahmen wir an, ist

§ 12.

Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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die Bestätigung bezw. Genehmigung vollzogen worden, während im Spiegel der zweiten Möglichkeit diese Ergänzungsthatbestände erst unter der neuen Rechtsordnung vollzogen werden. Ein anderer Beleg für die erste Möglichkeit der zweiten neueren Rechtsregel ist die Novelle 129. In dieser ordnete Justinian das Erbrecht der christlichen Sekten, insbesondere der Sekte der Samariter, und zwar in cap. I das Testamentserbrecht, in cap. I I das Intestaterbrecht und in cap. I I I das Pflichtteilsrecht. Er gewährt den Anhängern dieser Sekte volle Dispositionsfähigkeit über ihr Vermögen unter Lebenden und von Todeswegen, verleiht aber den rechtgläubigen Ascendenten und Descendenten des Erblassers ein starkes Pflichtteilsrecht und ein bevorzugtes Intestaterbrecht. Zu cap. IV erklärte Justinian: „haec autem dicimus non in futuris solum, sed etiam in praeteritum, ut nec pro kis quae tiinc facta sunt auf noster fiscus aut alter omuium substantias perscrutetur eorum (qui enim in futuris clementiam dedimus, quomodo de praeteritis

subtilem trantatum habemits?)." Damit verleiht er dieser Erbfolgeordnung der christlichen Sekten ausschließende Geltung. Thatbestände der verschiedensten Art konnten sich infolge dieser Eigenschaft der neuen Rechtsordnung vervollkommnen ohne Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, obschon ihnen die alte Rechtsordnung die rechtlichen Wirkungen ganz oder teilweise absprach. 1 Vor allem Willensthatbestände, wie letztwillige Verfügungen, Schenkungen und sonstige Veräußerungen und Verfügungen, welche unter der alten, den Ketzern ungünstigeren Rechtsordnung der Wirksamkeit entbehrten; ferner Zustandsthatbestände der Blutsverwandtschaft, welchen die alte Rechtsordnung Wirkungen für das Intestat- und Pflichtteilsrecht versagte, gelangen unter der neuen Rechtsordnung zur rechtlichen Entfaltung. — So bietet uns die Novelle 129 einen prächtigen Beleg für die zweite der neueren Rechtsregeln in ihrer ersten Möglichkeit. Die ausschließende Kraft der neuen Rechtsordnung widerstreitet hier nicht dem intertemporalen Rechte; denn sie ist entsprungen aus einer Änderung des Rechtsgefühles gegenüber den christlichen Sekten, verbunden mit der innerlichen Ablehnung der früheren einschlägigen Rechtsordnung. I m Epilog weist auch Justinian auf die „Humanität" seiner Novelle hin. 2 Man könnte auch die c. 50 de episcop. et cleric. 1, 3 aus d. J . 531 dieser Gruppe von Gesetzen rechnen, in welcher J u s t i n i a n einschärft, daß der Verzicht eines Klerikers auf sein geistliches Privileg Gültigkeit haben solle. In § 1 fügt er hinzu: „quam generalem legem in omnibus casibus

obtinere

amicalem 1

sancimus,

qui

necdam.

conventionem sopiti sunt."

per

iudicialem

sententiam

vel

J u s t i n i a n beruft sich aber auf

Im letzten Falle ist die Novelle auch ein Beleg für die zweite Möglichkeit. Die Bedeutung dieser Novelle wird verkannt von B E R G M A N N a. a. 0. § 21 Anm. 121 a. E., welcher glaubt, es handle sich hier nur um eine vorteilhafte Norm über die aktive testamenti factio. 2

Das römische intertemporale Privatrecht.

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eine alte Rechtsregel, dass man auf dasjenige, was zu seinem Vorteil gesetzlich eingeführt worden, mit Rechtsgültigkeit verzichten könne. Es handelt sich also um eine Art authentischer Interpretation für den besonderen Fall des Verzichtes eines Geistlichen auf seine Rechtswohlthaten. Gesetzliche Auslegungen haben aber immer ausschließenden Charakter. Immerhin scheint die alte Gerichtspraxis den geistlichen Verzicht für null und nichtig erklärt zu haben; folglich gelangt ein solcher, der unter der alten Gerichtspraxis vollzogen wurde, unter der neuen gesetzlichen Auslegung zu Kräften. 1 Unter die erste Möglichkeit fällt auch die c. 5 de natur. lib. 5, 27, welche das alte Recht der Legitimation reformierte. Nach klassischem römischem Rechte konnten nur Kinder aus natürlichen Ehen, Sklavenehen, sowie aus ungültigen Ehen legitimiert werden und zwar nur durch kaiserliches Reskript. 2 Ihm war also die Legitimation von Konkubinenkindern durch nachfolgende Ehe fremd, m. a. W. es erkannte das Konkubinat, gleichgültig ob mit einer Freigeborenen oder nicht, als Vorbereitungsthatbestand der Legitimation der daraus geborenen illegitimen Kinder n i c h t an. Die neue Rechtsordnung des Kaisers Zeno dagegen erblickte darin einen vollkommenen Thatbestand zur Vorbereitung der legitimatio per subsequens matrimonium legitimum, sofern keine Gattin und keine Kinder aus einer legitimen Ehe vorhanden waren und die Konkubine freigeboren und eine persona honesta war. Zeno verlieh nun der neuen Rechtsordnung ausschließenden Charakter; infolgedessen wurden die in den Augen der alten Rechtsordnung unvollkommenen Vorbereitungsthatbestände unter der Herrschaft der neuen Rechtsordnung ohne Neuerung der thatsächlichen Verhältnisse zu vollkommenen. 3 Merkwürdigerweise bestimmte jedoch Zeno, daß die kinderlosen Konkubinate aus der Zeit vor Erlaß der Konstitution dieses beneficium nicht teilhaftig sein sollten, da dieselben sich schon vor der Geburt eines Sprößlings in legitime Ehen verwandeln könnten. 4 Die zweite Möglichkeit, wonach einem Thatbestand von der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung größere Wirkungen beigelegt werden, als von der alten, ist in den Kaisergesetzen ebenfalls vertreten. Es können insbesondere Fälle der ersten Möglichkeit in solche der zweiten übergehen, wie die oben dargelegte Nov. 129 beweist. Ein sehr geeigneter Beleg für diese zweite Möglichkeit bietet sich in 1

Auch diese Konstitution hat B E R G M A N N a. a. 0 . nicht richtig verstanden; er übersah deren Charakter als gesetzliche Auslegung. s Vgl. fr. 46 de adopt. 1, 7; fr. 57, § 1 de ritu nupt. 23, 2; fr. 68 de iure dot. 23, 3; G. I, 65—80, 92, 96; III, 5. ' „ . . . jubemus eos, qui ante haue legem ingenuarum mulierum [nuptiis minime interoedentibus\ electo contubemio cuiuslibet sexus filios prooreaverunt, quibus nulla videlicet uxor est, nulla ex iusto matrimonio legitima proles suseepta . . . " 4 S. § I const, cit.

§ 12. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spfitkaiaerlichen Gesetzen. 97 der Nov. 18 dar. Kap. I derselben bezieht sich auf den Pflichtteil der Deszendenten. Nach der Praxis des Centumviralgerichtes betrug er ein Viertel des Intestaterbteiles. J u s t i n i a n erhöht ihn bei über vier Deszendenten auf die Hälfte, anderenfalls auf ein Drittel. Hier haben wir also ein Beispiel, wo die alte Rechtsordnung zwar den Thatbestand anerkennt und ihm Wirkungen beilegt, die neue und ausschließliche aber bedeutendere Rechtsfolgen daran knüpft. Der Thatbestand ist Blutsverwandtschaft in absteigender Linie, also ein personaler Zustandsthatbestand, der unter der neuen Rechtsordnung grössere Wirkungen erhält, m. a. W. der Umfang des Rechtsverhältnisses wird quantitativ erhöht. Merkwürdig ist die Fassung der Ausschlußklausel, wie sie hier J u s t i n i a n beliebt: Hoc servando in omnibus personis, in quibus ab initio antiquae quartae ratio de inofficioso lege decreta est. Gegen die Ausschließlichkeit läßt sich nicht viel einwenden, denn erbrechtliche Anschauungen über die Größe des Pflichtteiles sind mehr Wandlungen unterworfen, als andersartige. Wenden wir uns nun der dritten Möglichkeit zu. Der Thatbestand als solcher ist der alten Rechtsordnung nicht unbekannt; auch erkennt sie alle Wirkungen desselben an wie die neue Rechtsordnung, nur stellt sie höhere Anforderungen an ihn als die neue. Infolge dessen kann ein nach der alten Rechtsordnung unvollkommener Thatbestand unter der neuen und ausschließlichen convalescieren. — Für diese Möglichkeit spricht die c. 22 § 1 de sacrosanc. eccl. 1, 2 von J u s t i n i a n aus dem Jahre 529. Diese gewährt Schenkungen unter Lebenden und von Todeswegen und letztwilligen Verfügungen von Seiten der Angehörigen des kaiserlichen Hofes 1 zu Gunsten der Kirche und religiösen Anstalten die Freiheit von der inscriptio. J u s t i n i a n legt ihr in § 1 ausschließliche Geltung bei und zwar sogar hinsichtlich bereits schwebender Rechtsstreitigkeiten. Nach der alten Rechtsordnung wären jene unentgeltlichen Zuwendungen wegen mangelnder Inscription nichtig gewesen; mit Eintritt der neuen Rechtsordnung gelangen sie plötzlich zu Kräften. Ist diese Ausschließlichkeit dem intertemporalen Rechtsbewußtsein gegenüber gerechtfertigt? Schwerlich. Sie verdankt ihren Ursprung dem Bestreben J u s t i n i a n s , die Kirchen und religiösen Anstalten mit möglichst vielen Privilegien auszustatten, unbekümmert um die gesellschaftliche Gerechtigkeit. Von einer Empörung des Rechtsgefühles gegen die Bestimmung der alten Rechtsordnung, daß jene unentgeltlichen Zuwendungen auch der Inscription bedürfen, kann ja keine Rede sein. Daher hätte die Konstitution nur für die unter i h r e r Herrschaft eintretenden Zuwendungen Rechtskraft erhalten sollen. Ein weiter hierher gehöriges Gesetz ist die c. 23 de nuptiis 5, 4. Nach der constitutio des Kaisers Z e n o v. J. 477 konnte nämlich nur unter der Voraussetzung eine legitimatio per subsequens matrimonium der 1

„Ex qualieunque curiali

APFOLTER , Intert. Privatrecht.

liberiate.11

7

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Das römische intertemporale Privatrecht.

Konkubinenkinder stattfinden, daß die Konkubine freigeboren war und eine legitime Gattin und legitime Kinder nicht da waren. 1 In unserer constitutio v. J. 520 beseitigte J u s t i n u s beide Thatbestandsmerkmale. Es kann also jetzt eine legitimatio stattfinden, auch wenn die Konkubine nicht freigeboren und selbst wenn eheliche Kinder oder eine legitime Gattin da waren. 2 Auch dann sollte die legitimatio gestattet sein, wenn die Konkubine früher eine Schauspielerin war, also zu den personae inhonestae gehört hatte, 3 vorausgesetzt, daß die eheliche Verbindung keine blutschänderische oder sonst verbotene ist. Es sollten jedoch instrumenta dotalia, d. h. schriftliche Eheverträge beim Abschluß der Ehe aufgenommen werden. J u s t i n u s verleiht dieser Konstitution insofern ausschließende Kraft, als die seit seinem Regierungsantritte abgeschlossenen Ehen mit einer nicht Freigeborenen bezw. mit einer persona inhonesta, in Bezug auf die bereits geborenen Kinder die Wirkung einer gültigen Legitimation haben sollten; außerdem sollten die nach dem Regierungsantritt geborenen Kinder ebenfalls legitim sein. 4 Diese Konstitution J u s t i n s bildet einen höchst lehrreichen Beleg der dritten Möglichkeit. Es sind hier nämlich zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder: nach dem Regierungsantritt J u s t i n s , aber vor dem Erlaß der Konstitution, verwandeln die beiden Eltern das bekinderte Konkubinat in eine wirkliche Ehe mit einem schriftlichen Ehevertrag; der Thatbestand ist nach der noch geltenden Rechtsordnung unvollkommen. Die alte Rechtsordnung kennt zwar das Konkubinat als Yorbereitungsthatbestand der Legitimation, allein sie stellt höhere Anforderungen, welche das vorliegende Konkubinat nicht erfüllt: denn die Konkubine war weder freigeboren, noch eine persona honesta, noch mangelten Kinder bezw. die Gattin aus einer gesetzlichen Ehe. Mit Eintritt der neuen ausschließlichen Rechtsordnung wird die thatsächliche Ehe nach rückwärts zu einer legitimen Ehe, und die Konkubinenkinder werden legitime Nachkommen, ohne daß eine thatsächliche Änderung eingetreten wäre. Der Thatbestand ist im Sinne der neuen Rechtsordnung ein vollkommener. Oder: es besteht zur Zeit des Regierungsantrittes ein Konkubinat, welches in den Augen der alten und augenblicklich noch geltenden, mit den drei obengenannten Mängeln oder je einem oder zweien behaftet ist. Die alte Rechtsordnung kennt zwar das Konkubinat als Yorbereitungsthatbestand der Legitimation, aber nur ein qualifiziertes. Bliebe sie in Geltung, so würde auf Grund des v o r l i e g e n d e n , vorbereitenden oder Anfangsthatbestandes niemals eine gesetzlich gültige Ehe mit legitimierender Wirkung für die bereits geborenen Kinder begründet werden können. Schon der Anfangs- oder 1 Vgl. die c. 5 de natur. lib. 5, 27; die wir oben unter der ersten Möglichkeit der zweiten Eegel behandelt haben. Vgl. auch noch e. 6 eod. von Kaiser A n a s t a s i u s aus d. J. 517. 2 S. § 2 eonst. cit. 8 § 1 const. cit. 4 Vgl. § 8 const. cit.

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen. 99 vorbereitende Thatbestand 1 ist ein gänzlich mangelhafter; denn es fehlen ihm einige der Merkmale, welche die constitutio des Kaiser Z e n o von einem solchen verlangt, für den Fall, daß eine legitimatio per subsequens matrimonium als Hauptthatbestand auf ihn gestützt werden solle.2 Jener mangelhafte Vorbereitungsthatbestand wird nun unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung, welche von jenen drei Thatbestandsmerkmalen der alten Rechtsordnung im Hinblick auf denselben Abstand nimmt, zu einem vollkommenen, ohne daß irgend welche thatsächliche Änderungen eingetreten sind. Im ersteren Falle ist sowohl der Vorbereitungsthatbestand, als auch der Hauptthatbestand bereits eingetreten und von der neuen Rechtsordnung zu vollkommenen gestempelt worden. Beide zusammen bilden den vollendeten Thatbestand. 8 Im letzteren Falle dagegen konvalesziert bloß der Vorbereitungsthatbestand. Die Frage, ob J u s t i n dem intertemporalen Privatrechte gemäß gehandelt hat, wenn er dies sein Gesetz mit ausschließender Kraft nach rückwärts bis zu seinem Regierungsantritte betraut, muß bejaht werden; denn die ganze Konstitution atmet eine Umwälzung des bestehenden Rechtsgefühles, 4 welches sich gegen die Härten der bisherigen Rechtsordnung auflehnt. J u s t i n i a n schloß sich seinem Vorgänger an, indem er durch eine Reihe von Gesetzen die Einzelheiten der neuen legitimatio per subsequens matrimonium genauer festsetzte. 6

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen bei Änderung der thatsächlichen Verhältnisse des Thatbestandes. Im vorigen Paragraphen wurde gezeigt, daß auf Grund der ersten der beiden neueren intertemporalen Rechtsregeln ein nach der alten Rechtsordnung vollkommener Thatbestand, o h n e Ä n d e r u n g d e r t h a t s ä c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e , durch den Eintritt einer ausschließenden, andere Anforderungen an derartige Thatbestände stellenden neuen Rechtsordnung entkräftet wird. Es ist nun auch möglich, daß ein vollkommener Thatbestand unter einer neuen Rechtsordnung t h a t s ä c h l i c h e Ä n d e r u n g e n e r l e b t , die ihm zwar unter der alten Rechtsordnung nichts geschadet 1 Uber den Begriff des „Anfangs- oder vorbereitenden Thatbestandes" siehe den dogmatischen Teil dieses Werkes. * Über den Hauptthatbestand vgl. Kap. 1 des dogmatischen Teiles dieses Werkes. 8 Über den Begriff des vollendeten Thatbestandes siehe Kap. 1 des dogmatischen Teiles dieses Werkes. * S. insbes. pr. const. cit. 8 S. e. 10 u. c. 11 de nat. lib. 5, 27 aus d. J. 529 u. 530; ferner Nov. 12, eap. 4 ans d. J. 535; ferner Nov. 74 pr. aus d. J. 538 und Nov. 89, cap. 8 aus d. J. 539.

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Das römische intertemporale Privatrecht.

hätten, weil er in den Augen derselben ein ausschließender war, die aber unter der Herrschaft der neuen ihn zu Falle bringen, weil sie sich ausschließenden Charakter beilegt und seine Ausschließlichkeit nicht mehr anerkennt. Umgekehrt ist es auch möglich, daß ein unvollkommener Thatbestand unter einer neuen Rechtsordnung thatsächliche Änderungen erleidet, die ihm zwar unter der alten Rechtsordnung nichts genützt hätten, weil er für sie ein e r g ä n z u n g s u n f ä h i g e r war, die ihn aber unter der Herrschaft der neuen zum vollkommenen machen, weil sie sich Ausschließkeit beilegt und seine Ergänzungsunfahigkeit leugnet. Während die kaiserlichen Gesetze für das ältere Regelpaar keinen Beleg enthalten, falls bei einer Wandelung der Rechtsordnung zugleich auch der Thatbestand sich ändert, 1 so begegnen auch für diese zweite Möglichkeit des neueren Regelpaares Quellenstellen in den kaiserlichen Gesetzen. Diese Erscheinung stimmt vollständig mit unserer Behauptung überein, daß die Marcianischen Regeln der k l a s s i s c h e n Jurisprudenz entsprungen sind, während die ersteren beiden aus der r e p u b l i k a n i s c h e n Jurisprudenz stammen. Die starren und unbeugsamen, aber folgerichtigen Rechtsregeln der kraftvollen Republik mußten in der spätkaiserlichen Zeit einem milderen, mehr von Opportunitätsrücksichten geleiteten, daher inkonsequentem Rechte weichen. Dieses klassische Recht, nicht das weiter abliegende republikanische, kommt in den Kaisergesetzen zum Ausdruck. Bevor wir auf die Untersuchung der einschlägigen Kaisergesetze eingehen, ist noch vorauszuschicken, daß logischer Weise auch bei der zweiten Möglichkeit des neueren intertemporalen Regelpaares drei Fälle denkbar sind. Hinsichtlich der ersten Regel: Die neue und ausschließliche Rechtsordnung verweigert dem vollkommenen Thatbestand der alten ihre Anerkennung und entzieht ihm alle Wirkungen. — Sie erkennt ihn zwar an, aber beschränkt seine Wirkungen. — Endlich sie erkennt ihn an, beschränkt auch seine Wirkungen nicht, wohl aber stellt sie an ihn größere Anforderungen. — Hinsichtlich der zweiten: Die a l t e , nicht ausschließliche Rechtsordnung versagt dem Thatbestand jede Anerkennung. — Sie erkennt den Thatbestand an, beschränkt aber dessen Wirkungen. — Endlich sie erkennt ihn an, beschränkt auch nicht dessen Wirkungen, verlangt aber von ihm mehr Thatbestandsmerkmale. Von diesen drei Fällen ist, wie wir sehen werden, in den Kaisergesetzen nur der erste vertreten. Für die beiden anderen mangelt es an trefflichen Belegen. Gehen wir nun auf die Suche nach zutreffenden Quellenstellen für die zweite Möglichkeit der ersten intertemporalen Rechtsregel. Unsere Aufgabe wird vielleicht erleichtert, wenn wir uns einen Thatbestand denken, der Änderungen zugänglich ist. Von allen Thatbeständen am meisten Änderungen ausgesetzt ist aber das Testament, ein Thatbestand, der auch mehr als alle anderen die Aufmerksamkeit des römischen Geistes auf sich 1

S. oben § 11, S. 78.

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar.in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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lenkte und mehr wie alle anderen sich einer sorgfältigen und eingehenden Behandlung erfreute, sowohl von Seiten der Rechtswissenschaft als auch der Gesetzgebung. Es ist daher von vornherein zu vermuten, daß sich kaiserliche Gesetze finden lassen, welche die neuere intertemporale Regel bei Änderungen der thatsächlichen Verhältnisse des Testamentes enthalten. In der That werden unsere Erwartungen nicht getäuscht. Bereits im Codex Theodosianus begegnen Konstitutionen, welche treffliche Belege unserer ersten neueren intertemporalen Rechtsregel für die zweite Möglichkeit liefern. Hierher gehört vor allem die c. 6 de testam. et codic. 4, 4, von Honorius, Kaiser des weströmischen Reiches, aus d. J. 418. Dieselbe bestimmt, daß vollkommen errichtete Testamente nach zehnjährigem Stillschweigen des Testators von selbst hinfällig werden. 1 Als Gründe der Hinfälligkeit führt Honorius dreierlei an: Einmal wäre es für den Testator ein leichtes gewesen, sein Testament zu bestätigen, wenn er es noch als seinen letzten Willen betrachtet hätte. Dann mangle es nach zehn Jahren auch an den Beweismitteln, indem sehr leicht bei diesen Zeiten der Tod alle Zeugen hinwegraffe. 2 Und endlich sei es Unrecht, ein zehn Jahre altes Testament als den l e t z t e n Willen des Testators zu betrachten. Hervorzuheben ist noch, daß Honorius stillschweigend das Datum im Testament als Bedingung seiner Gültigkeit voraussetzt (diem et consules).3 — Das klassische Recht kannte eine derartige Verjährung der Testamente nicht. Im Gegenteil erklärt ULPIAN im fr. 1 § 1 de hon. poss. s. t. 37, 11, daß dasjenige Testament den l e t z t e n Willen darstelle, auf welches kein anderes folgt, gleichgültig, ob es unmittelbar vor dem Tode des Erblassers errichtet wurde, oder ob es alt sei: „licet hae (tabulae) veteres sint." Vgl. auch noch fr. 34 § 1 rfe leg. III., wo von einem zehnjährigen Testament die Rede ist, ohne daß dasselbe als ungültig behandelt würde. Während also nach altem Recht neue thatsächliche Verhältnisse wie Zeitablauf, Wegsterben der Zeugen, 1 „Ne quis post diem mortis seriptis ante decennium testamentis praestetur assensus, nuüisque penitus viribus seriptura huiusmodi, tempore antiquata taxetur-. praesertim cum, si voluntas eontinuata perstiterit, brevis mora sit, recentibus vetustatem innovare temporibus. Vix enim fieri potest, ut per haec tempora, quae fidei amore eontraximus, omnem testium. consoientiam mors eoniurata sitrripiat, et revera nefas est, ut antiquae deliberationis ordinatio voluntas postrema dicatur." 2 Dies war wohl der Hauptgrund, welcher H o n o r i u s zum Erlaß dieser Konstitution bestimmte. Das Menschenleben hat zu unruhigen und kriegserfüllten Zeiten wenig Aussicht auf eine längere Dauer, und beim Erlaß dieser Konstitution war die sog. Völkerwanderung in's Rollen gekommen. Schon seit Ende des Jahres 466 drangen germanische Stämme in Illyrien, Italien, Gallien und Spanien ein. 8 Daß zur Zeit des Kaisers H o n o r i u s ein Testament ebenso wie andere Rechtsurkunden, z. B. schriftliche Eheverträge, Schuldscheine, Kaufverträge u. s. w., o h n e Hinzufügung des Datums als gänzlich ungültig angesehen wurden, geht hervor aus J o h a n n e s C h r y s o s t o m u s , homil. 2. de osia, eines Zeitgenossen von A r c a d i u s und H o n o r i u s .

Das römische intertemporale Privatrecht.

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Nichtbestätigung durch den Testator der Gültigkeit des Testamentes keinen Abbruch thaten, führte nun plötzlich die mit ausschließendem Charakter ausgestattete, neue Rechtsordnung des Kaisers Honorius eine Entkräftung des anfänglich vollkommenen Testamentsthatbestandes herbei, indem sie jene neu eingetretenen thatsächlichen Verhältnisse rechtlich berücksichtigte, in der Form einer Art Testamentsjährung zusammenfaßte und den alten Thatbestand, den sie seiner Ausschließlichkeit beraubte, auf Grund dieser Verjährung zum unvollkommenen stempelte. Diese Konstitution entspricht also der ersten Spielart des neueren intertemporalen Regelpaares, wonach für den Fall der Änderung der thatsächlichen Verhältnisse des Thatbestandes [für den Fall der zweiten Möglichkeit], ein vollkommener Thatbestand unvollkommen werden kann. Jener ausschließende Charakter findet seine ausdrückliche Begründung in dem letzten Satz der Konstitution: „et revera nefas

est,

ut antiquae deliberationis ordinatio voluntas postrema

dicatur."

Die alte Rechtsordnung wird also einfach als U n r e c h t bezeichnet und damit verworfen. Justinian hob diese Verordnung des Kaisers Honorius im wesentlichen auf, stellte also das klassische Recht wieder her.1 Immerhin ist es ein Zugeständnis an den Rechtsgedanken der Verordnung seines Vorgängers, wenn er bestimmt, daß ein Testament durch Ablauf von zehn Jahren und zugleich durch ausdrückliche Willenserklärung vor drei tauglichen Zeugen oder zu den Akten widerrufen werden könne,2 ohne daß es der Errichtung eines neuen Testamentes bedürfe. — Die Errichtung eines neuen und anfanglich gültigen Testamentes hob sowohl nach klassischem wie nach spätkaiserlichem Recht das alte Testament auf.3 Es ist diese Art der Entkräftung des Testamentes nicht eine Folge der neueren Rechtsregel von Marcianus und Marcellus, sondern beruht in dem schon von den republikanischen Juristen festgesetzten Wesen des Testamentes als suprema

voluntas.

Wenden wir uns nun einem Gesetze zu, welches in hervorragendem Maße im Sinne der ersten neueren Rechtsregel für den Fall der Änderung des Thatbéstandes intertemporalrechtliche Bedeutung hat, das aber auch wegen seines sonstigen Inhaltes wert ist, der gänzlichen Vergessenheit entrissen zu werden. Sagt doch von ihm der hochgelehrte und große französische Jurist Jacobus Gothofbedus: „constitutio diligentissima simul et elegantissima: Es

ist

dies

die

quaeque

c. un. C.

multa habent ad praxim

Th. si certum petatur

de chirogr.

utilissima."* 2, 27

von

Vgl. e. 27 pr. de testam. 6, 23. Vgl. § 2 const. cit. Die Glosse und eine Beihe von Juristen des 14., 15. und 16. Jahrhunderts nahmen noch eine weitere Wirkung jener 10jährigen Frist an, nämlich eine Präsumtion dafür, daß der Erblasser sein altes Testament vergessen habe, so daß er in einem neuen Testamente das frühere nicht ausdrücklich zu derogieren brauche; letzteres wäre besonders wichtig bei Soldatentestamenten, nach fr. 19 pr.-, fr. 36, § 1 de testam. milit. 26, 1. * 8. fr. 1 de iniusto rupto irrito facto testam. 28, 3 u. c. 27 cit. § 1. 4 a. a. 0. p 247. 1 2

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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Kaiser Honorius aus dem Jahre 4 2 1 . Es handelt sich hier um Schuldverhältnisse, die aus einem Gelddarlehn hervorgegangen sind und deren Dasein durch einen vorhandenen Schuldschein (chirographum) bewiesen werden soll. Versetzen wir uns in die Zeit des Erlasses unserer constitutio; der Rechtszustand solcher Schuldverhältnisse war keiner Verjährung unterworfen. Erst Kaiser Theodos II. führte in der früher (§ 1 2 ) behandelten constitutio un. de act. certo temp. fin. aus dem Jahre 4 2 4 auch für Darlehnsklagen die allgemeine 30jährige Verjährung ein. Keine Änderung der thatsächlichen Verhältnisse vermochte somit jene Schuldverhältnisse irgendwie zu beeinträchtigen. Der Thatbestand des Gelddarlehns war also in den Augen der alten Rechtsordnung ein vollkommener und ausschließender; unerschütterlich stand er da für alle Ewigkeit. In diesem Zustand der starren Ruhe greift nun die neue Rechtsordnung mit starker Hand ein, um die Rechtsmißbräuche, die daraus wie üppige Sumpfpflanzen emporwuchsen, zu beseitigen. Das Gesetz ist haarscharf systematisiert und gegliedert; an seinem klaren Aufbau könnten sich manche modernen Gesetze ein Beispiel nehmen. Es unterscheidet zunächst bestehende Geldschuldverhältnisse nach dem Tode des Schuldners und solche unter Lebenden. Danach kann man dieses Gesetz auch in zwei Kapitel scheiden. Das erste Kapitel behandelt die Rechtsverhältnisse der Darlehnsschulden nach dem T o d e des Schuldners, das zweite die Rechtsverhältnisse der Darlehnsschulden unter Lebenden. Das erste macht nun einen Unterschied, ob der Gläubiger d e n s e l b e n Wohnsitz hat wie der verstorbene Schuldner oder einen verschiedenen. Ersterenfalls wird dem Gläubiger eine Frist von zwei Jahren gewährt, um gegen die Erben vorzugehen; im letzteren Fall fünf Jahre. Bei Identität des Wohnsitzes muß ferner der Gläubiger den Schuldschein vom zuständigen Gerichte veröffentlichen lassen zu dem Zwecke, daß keine weitere Fälschung stattfinden könne. Darauf hat der Gläubiger die Ächtheit der Unterschrift des Schuldners zu beweisen, wobei der Beweis durch Schriftvergleich (collatio manus) ausgeschlossen ist. Zugelassen ist nur der Beweis, daß der Verstorbene vor Zeugen die Ächtheit des Schuldscheins anerkannt hat (Zeugenbeweis); ferner der Beweis durch Freigelassene und Sklaven, welche das Geschäft zwischen beiden Parteien vermittelt hatten; endlich der Beweis, daß er den totkranken Schuldner an seine Schuld erinnert habe. Diese Beschränkung der Beweismittel hatte offenbar den Zweck zu verhindern, daß angebliche Gläubiger plötzlich nach dem Tode des Erblassers mit gefälschtem Schuldschein hervortreten, mit welchem sie sich noch zu Lebzeiten des Erblassers nicht hervorgewagt hätten. Bestand aber das Schuldverhältnis unter Abwesenden, so genügte ein bloßer Schuldschein nicht mehr zu seinem Beweise: „maioribus adstrui poterit conventio longinquae documentis." Zugelassen wurden nur briefliche Handschriften des Verstorbenen, in welchem derselbe Zahlung versprach, also jedenfalls nach brieflicher Aufforderung von Seiten des abwesenden Gläubigers. Diese Handschrift allein genügte aber noch nicht

Das römische intertemporale Privatrecht.

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zum Beweise, sondern es mußte noch die übereinstimmende Zeugenaussage der Boten hinzutreten, welche die Schriftstücke dem Schuldner bezw. dem Gläubiger zugestellt hatten. Gehörten die Boten einem höheren Stande (idignitas) an, so mußten sie ihre Aussagen beschwören; waren sie dagegen von niedrigerem Stande, so mußten ihre Aussagen nach vorhergehender Strafandrohung erfolgt sein. Außerdem legte die constitutio dem Gläubiger auf, den Grund der Verzinsung der Schuld darzulegen und die Boten namhaft zu machen, welche die Darlehnssumme vom Gläubiger erhalten und dem Schuldner überbracht hatten, dergestalt, daß diese die wirkliche Auszahlung der Summe bezeugen konnten. Erst wenn der Gläubiger alle diese Bedingungen erfüllt hatte, konnte er von den Erben Hinterlegung der Schuldsumme verlangen. Im zweiten Kapitel unterscheidet HONORIÜS zunächst zwischen Darlehnsschulden, deren Schuldscheine v o r Erlaß dieses Gesetzes ausgefertigt wurden und solchen, deren Schuldscheine der Schuldner n a c h Erlaß desselben, also in der Zukunft ausstellen wird. — Im ersteren Fall ist zweierlei möglich: entweder der Schuldner leugnet die Echtheit des Schuldscheines oder er macht die Einrede der Nichtaushändigung der Darlehnssumme geltend. Im Falle des Leugnens kommt es darauf an, ob seit Ausstellung des Schuldscheins unter Anwesenden 20, unter Abwesenden 30 Jahre verflossen sind oder nicht. Ist die Frist verflossen, so hat der Schuldner die streitige Schuldsumme zu hinterlegen: anderenfalls muß der Gläubiger vorher die Echtheit der Urkunde beweisen. Erhebt aber der Schuldner die Einrede der Nichtaushändigung der Darlehnssumme (exceptio non numeratae pecuniae), dann hat der Richter darauf zu sehen, ob seit Ausstellung des Schuldscheins fünf Jahre verflossen sind 1 oder nicht. Sind die fünf Jahre verflossen, die zur gerichtlichen Geltendmachung der querela non numeratae pecuniae gesetzlich gewährt waren, so hat der Richter den Beklagten zu verurteilen; sind sie aber noch nicht abgelaufen, so nimmt der Prozeß seinen weiteren Fortgang. 2 — Für die z u k ü n f t i g auszufertigenden Schuldscheine bestimmt die c. in § 5, daß der Gläubiger dem Schuldner zur Erneuerung des Schuldscheines innerhalb einer Frist von zwölf Jahren anzuhalten habe. Kann

1

In der Constitutio selbst ist die Frist von 5 Jahren nicht angegeben, sondern lediglich von der rechtlich gewährten Frist zur Anstellung der querela non numeratae pecuniae die Rede: „Ut si iure delata eontestationibus tempore debitor taciturnus exegit eavillationis istius perdat obstaculum." Doch geht aus c. 14 de num. peeun. 4, 30 und aus der l. un. C. Hermog. de eauta et non num. peeun. und aus der interpretatio zu unserer constitutio hervor, daß die Frist 5 Jahre betragen hat. Wahrscheinlich haben die Kaiser D i o c l e t i a n und M a x i m i a n zuerst eine Frist für die querela eingeführt, vgl. c. 9. de non. num. pec. 4, 30. 1 In unserer constitutio selbst steht nicht, wer in diesem Falle die Beweislast habe-, doch geht aus den in der vorhergehenden Anmerkung genannten Quellenstellen hervor, daß auch hier der Gläubiger die Aushändigung der Darlehenssumme zu beweisen hat; vgl. noch c. 10 de non num. peeun. 4, 30.

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

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der Schuldner wegen Abwesenheit nicht belangt werden, so hat der Gläubiger eine öffentliche Ladung zu erwirken und sie an die Thüre der Wohnung des Schuldners anzuheften; außerdem das Gesinde des Schuldners zu benachrichtigen. Unterläßt der Gläubiger diese vorgeschriebenen Handlungen, so verliert er seine Forderung. 1 Betrachten wir nun die intertemporale Bedeutung des ersten Kapitels.2 Nach der bisherigen Rechtsordnung war der Thatbestand des Gelddarlehens ein vollkommener und ausschließender. Keine Veränderungen der thatsächlichen Verhältnisse waren imstande, ihm irgend welchen Abbruch zu thun. Dabei war es der alten Rechtsordnung einerlei, ob das Darlehen unter Anwesenden oder unter Abwesenden zustande gekommen war, während die neue Rechtsordnung auf diesen Umstand grosses Gewicht legt. Außerdem sieht dieselbe in dem Tode des Schuldners eine rechtlich bedeutende Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, welche auf die rechtliche Behandlung der Schuldverhältnisse einen tiefgreifenden Einfluß ausübt, dergestalt, daß der früher vollkommene Thatbestand bei der machtvollen Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu einem wesentlich unvollkommenen herabsinkt. Nur durch einen möglichst erschwerten Beweis, der gleichzeitig eine Reihe von Handlungen voraussetzt, die z. T. zu Lebzeiten des Schuldners vorgenommen sein müssen, gelingt es dem Gläubiger, das Dasein des Schuldverhältnisses zu retten. Noch unvollkommener gestaltet sich der Thatbestand des Darlehens durch die infolge des Todes eintretende Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, falls es unter Abwesenden aufgenommen wurde. In diesem Falle ist die Beweisführung über die Ächtheit der Schuldurkunde noch mehr erschwert; auch sie setzt eine Handlung des Gläubigers voraus, die zu Lebzeiten des Schuldners vorgenommen sein mußte, nämlich die Aufforderung an den Schuldner durch Brief oder Boten, schriftlich die Zahlung der schuldigen Summe zu versprechen. Daran schließen sich erschwerte Zeugenbeweise über den Schriftwechsel und über wirkliche tTberbringung der Geldsumme und über den Grund des Darlehens und dessen Verzinsung. Gelingt es dem Gläubiger nicht, alle diese Voraussetzungen zu erfüllen, so ist die Forderung für ihn verloren. Das zweite Kapitel überragt noch an intertemporaler Bedeutung das erste. Während nämlich dieses die Thatbestände der alten Rechtsordnung nicht ausdrücklich erwähnt, teilt jenes 3 dieselben ein in solche, die vor Erlaß der Konstitution stattgefunden haben („sed si viventis ante hanc

1 Die Bestimmung unserer Konstitution, daß Schuldscheine, falls sie nicht vor Ablauf von 12 Jahren erneuert werden, ihre Kraft verlieren und damit sogar die Schuldverhältnisse selbst hinfällig werden, ist ein Seitenstück zu der e. 6 de testam. 4. 4 desselben Kaisers, wonach Testamente, wenn sie innerhalb 10 Jahren nicht erneuert werden, ihre Kraft verlieren; siehe darüber oben. * §§ 1 und 2 eonst. cit. 8 §§ 3—6 eonst. cit.

Das römische intertemporale Privatrecht.

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legem facta cautio profanatur"). Daraus ergiebt sich von selbst die Frage, ob das erste Kapitel nur auf diejenigen Schuldverhältnisse der früheren Rechtsordnung Anwendung finden solle, bei denen der Schuldner noch am Leben, oder auch auf solche, bei denen der Schuldner bereits verstorben ist. Dem Geiste der Konstitution entspricht es, daß letztere noch nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen seien; denn bei diesen Schuldverhältnissen ist der Gläubiger der Möglichkeit beraubt, jene von der neuen Rechtsordnung vorgesehenen Schritte zu thun; erstere dagegen fallen unter die neue Rechtsordnung, weil hier der Gläubiger noch Zeit hat, die vorgeschriebenen Handlungen für den Fall des Todes des Schuldners vorzunehmen. 1 Für den Fall des Weiterlebens des Schuldners enthält die neue Rechtsordnung Bestimmungen, wonach der früher vollkommene Thatbestand durch eine Art Verjährung, also durch einen neu eintretenden Zustandsthatbestand, 2 unvollkommen wird. Hierbei unterscheidet die neue Rechtsordnung wieder zwischen Schuldverhältnissen unter, Anwesenden und unter Abwesenden. Bei ersteren findet die Unterbrechung der Verjährung durch Erneuerung des Schuldscheines vor Ablauf der zwölfjährigen Verjährungsfrist statt; in letzterem Falle geschieht sie durch eine Art Aufgebotsverfahren. Wird die Verjährung nicht unterbrochen, so wird der alte vollkommene und ausschließende Thatbestand infolge des ausschließlichen Charakters der neuen Rechtsordnung durch das Hinzutreten eines neuen Thatbestandes (Verjährung), also durch Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, hinfällig samt dem daraus geborenen Schuldverhältnis. Es ist nicht etwa der bloße Zeitablauf, wie die Neueren hier sagen würden, „der Zahn der Zeit," welcher den vollkommenen Thatbestand tötet, sondern das rein passive Verhalten beider Teile während der Verjährungsfrist, und daher kennzeichnet sich die Verjährung nicht als „Zeitablauf", sondern als ein Thatbestand eines „personalen Verhaltens" oder eines „personalen Zustandes". Die Konstitution von T h e o d o s I I . , 3 welche die allgemeine dreißigjährige Verjährung einführte, läßt sich insofern auch unter die hier zu behandelnde zweite Möglichkeit bringen, als es sich um vollkommene Thatbestände der alten Rechtsordnung handelt, die noch nicht dreißig Jahre alt sind. Denn, wie wir früher gesehen haben, gewährte T h e o d o s II. denjenigen Klagen der früheren Rechtsordnung, die das dreißigste J a h r noch nicht erreicht hatten, eine Frist von höchstens zehn Jahren, während der sie noch angestellt werden konnten. Für diese Thatbestände gilt also die erste neuere intertemporale Rechtsregel, wonach durch Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, bezw. durch Eintritt eines neuen Thatbestandes, 1

Kaiser H o n o r i u s gewährte in unserer Konstitution ein ganzes Jahr als

tempus vacationis: „et quamvis neseire promulgata non liceat, per omnem hunc annum pendere iubemus edictum." 2

Über die Verjährung als Zustandsthatbestand siehe das zweite Buch dieses Werkes, Kap. 1. 3

Vgl. c. un. § 5 C. Th. de aet. eert. temp. flu. 4, 14.

§ 13. Das neuer« intertemporale Eegelpaar in den spätkaieerlichen Gesetzen.

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welcher dem alten, vollkommenen entgegentritt, dieser trotz seiner früheren Ausschließlichkeit hinfällig werden kann. Die zehnjährige Frist von Kaiser Theodos II. bedeutet nicht einen reinen Zeitablauf; nur wenn sie durch ein rein passives Verhalten der Parteien ausgefüllt sind, liegt der Thatbestand der Verjährung vor, den wir als personalen Zustandsthatbestand bezeichnen. Handelt es sich um Klagen, die bereits das dreißigste Jahr ihres Daseins überschritten haben, so versagt ihnen einfach die neue Rechtsordnung ihre Anerkennung; für sie gilt also die erste Möglichkeit der neuen intertemporalen Rechtsrege], wonach vollkommene Thatbestände der alten Rechtsordnung, o h n e daß irgend welche n e u e T h a t b e s t ä n d e unter der Herrschaft der jetzigen Rechtsordnung eintreten, entkräftet werden, falls die neue und ausschließende Rechtsordnung ihnen die Anerkennung versagt, eine Möglichkeit, die wir im vorhergehenden Paragraph bereits behandelt haben. J u s t i n i a n hat die Aufnahme jener constitutio des Kaisers H o n o r i u s (c. un. C. Th. si cert. pet. de chirogr. 2, 27) in seine Gesetzessammlung abgelehnt; an ihrer Stelle erscheint die c. ult. si cert. pet. 4, 2 aus d. J. 5 2 8 und Nov. 73 aus d. J. 538. Beide Gesetze sollen nur für die z u k ü n f t i g e n Thatbestände gelten; haben also für die neuere intertemporale Rechtsregel keine Bedeutung. 1 Die zweite Spielart der neueren intertemporalen Rechtsregel bezieht sich auf u n v o l l k o m m e n e Thatbestände der alten Rechtsordnung, welche unter einer neuen und ausschließenden Rechtsordnung zur Vollkommenheit gelangen. Auch hier sind, wie bereits bemerkt, zwei Möglichkeiten zu unterscheiden. Erstens: ein unvollkommener und ausschließlicher Thatbestand der alten Rechtsordnung gelangt o h n e irgend welche Veränderung der thatsächlichen Verhältnisse unter eine neue und ausschließliche Rechtsordnung, welche sich mit weniger Thatbestandsmerkmalen begnügt und mit den vorhandenen Merkmalen des alten Thatbestandes vorlieb nimmt, und ihn daher rundweg als vollkommenen anerkennt, mit allen daraus hervorgehenden Rechtsfolgen. Diese Möglichkeit haben wir bereits im vorhergehenden Paragraph behandelt. — Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß ein unvollkommener und ausschließender Thatbestand der alten Rechtsordnung unter der Herrschaft einer neuen Änderungen erleidet. Gestattet nun die neue Rechtsordnung unter Abstreifung seines ausschließlichen Charakters den Zuwachs neu auftretender Thatbestandsmerkmale zum alten Thatbestandstorso, so kann er auf diese Weise zur Vollkommenheit gelangen. Unter diese Möglichkeit dürfen zweifellos diejenigen Konstitutionen gerechnet werden, welche einen unvollkommenen Thatbestand durch nachträgliche Verhältnisse zur Vollkommenheit gelangen lassen. So zunächst die c. 18 de donat. i. v. e. u. 5, 16 von Diocletian und Maximian aus d. J. 239; sie enthält eigentlich nur eine nähere Ausführung der sog.

1

S. e. cit. i. f . u. Nov. 73, cap. 9; vgl. hierüber oben.

Das römische intertemporale Privatrecht.

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oratio Severi et Antonini1 und bestimmt, daß der Thatbestand einer Schenkung unter Ehegatten vollkommen werden könne, wenn nicht die Ehe durch Scheidung (divortium) aufgelöst oder der Empfänger der Schenkung vor dem anderen Ehegatten gestorben oder ein Widerruf von Seiten des Schenkenden eingetreten sei. Diese negativen Voraussetzungen kannte aber schon das klassische Recht, 2 enthalten also keine neuen Rechtssätze, sondern bringen nur das bestehende Recht bei den Gerichten in Erinnerung. Ebenso verhält es sich mit c. 12 eod. von Kaiser Gordian aus d. J . 243, welche nur bestimmt, daß in der Verpfändung eines bereits an die Ehefrau geschenkten Grundstückes von Seiten des Ehemannes ein Widerruf liege. Ferner c. 15 eod. von Diocletian, aus d. J . 291, welche auch nur einen besonderen Anwendungsfall der oratio Severi et Antonini enthält. "Über die c. 25 eod. von Justinian aus d. J . 528 s. im vorhergehenden Paragraphen. Sie kann jedoch auch als Beleg f ü r unsere zweite Möglichkeit herangezogen werden, nämlich dann, wenn die Bestätigung der Schenkung durch den letzten Willen oder die Eintragung in die Gerichtsakten unter der neuen Rechtsordnung erfolgt. Durch diese Änderung der thatsächlichen Verhältnisse wird der nach der alten Rechtsordnung unvollkommene, jeder rechtlichen Wirkung bare Thatbestand unter der neuen Rechtsordnung vollkommen und zwar im Augenblick der Bestätigung oder der Eintragung, selbst wenn der Tod des widerrufenden Schenkers viel später erfolgt. Der Tod ohne Widerruf ist also hier bloß ein unselbständiger Thatbestand mit entscheidender [deklaratorischer] Wirkung: . . . ex eo tempore vim habeat, ex quo eodem donationes confirmatae sunt . . . ad illud tempus referatur, quo donatio conscripta sit. Ebenso bilden wirkliche Belegstellen die c. 2 mal fact. alien. 5, 74 von Diocletian und Maximian aus d. J . 293 und die c. 1 und c. 2 si mai. fact. rat. 2, 45 von demselben aus d. J . 293 und 294. Nach der oratio divi Severi aus d. J . 192 3 ist die Veräußerung von Grundstücken (praedia rustica et suburbana) bevormundeter Personen von Seiten des Vormundes grundsätzlich nichtig. Ausnahmen sind jedoch zugelassen: so wenn der Vater des Mündels letztwillig die Veräußerung verfügt hatte; oder bei Mangel anderweitiger Geldmittel zur Zahlung dringender Schulden, nachdem sich die Obervormundschaftsbehörde von der Notwendigkeit der Veräußerung überzeugt und diese durch ein gehörig begründetes Dekret genehmigt hatte. Jene Konstitution stellt nur eine neue Rechtsordnung dar, welche einen nach der alten Rechtsordnung gänzlich unvollkommenen Thatbestand bei Änderung der thatsächlichen Verhältnisse, m. a. W. bei Hinzutreten eines neuen Thatbestandsmerkmales, als vollkommen anerkennt. Die Änderung besteht in der ausdrücklichen Genehmigung des volljährig

1

Vgl. fr. 32; fr. 23 de don. i. v. et ux. 24. 1; ferner fr. 8 de reb. dub. 34, 5 und fr. 26 de mort. e. don. 39, 6. 2 Vgl. die citierten Fragmente. 3 Vgl. fr. 1 de reb. eor. qui 27, 9.

§ 13. Das neuere intertemporale Regelpaar in den spStkaiserlichen Gesetzen.

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Gewordenen. Diese Genehmigung wird in den Quellen bald „conftrmatio" bald „ratificatio" oder „ratihabitio" genannt. Mach der alten Rechtsordnung wäre eine solche ohne jeden Einfluß auf den nichtigen Willensthatbestand der Veräußerung geblieben. Die Nichtigkeit hatte also nach der alten Rechtsordnung ausschließenden Charakter. Unter der neuen ausschließlichen Rechtsordnung verliert sie denselben, so daß durch Hinzutritt eines neuen Willensthatbestandes, der Bestätigung, der früher nichtige Thatbestand zum vollkommenen sich auswächst, mit der Wirkung, daß der Thatbestand als von Anfang an gültig von der neuen Rechtsordnung angesehen wird. Diese Bestätigung kennzeichnet sich daher als einen unselbständigen Thatbestand von lediglich e n t s c h e i d e n d e r (deklaratorischer) Wirkung. 1 Das Veräußerungsverbot der oratio divi Severi bezog sich auch auf Gemeinschaftsteilungen; 2 die c. 1 bestimmt nun, daß eine solche nichtige Teilung durch nachträgliche Bestätigung des volljährig Gewordenen nach rückwärts gültig werde: ,,manere integram debere convenit." Statt der ausdrücklichen Genehmigung kann noch ein anderer unselbständiger Thatbestand durch seinen Hinzutritt eine nichtige Veräußerung von Gütern bevormundeter Personen vollkommen machen. So nach c. 3 § 1 si maior. fact. alien. 5, 74 von Justinian aus d. J . 529. Derselbe charakterisiert sich als ein fünfjähriger personaler Zustandsthatbestand. Wenn nämlich der volljährig Gewordene in den nächsten fünf Jahren die Nichtigkeit der Veräußerung oder Verpfändung nicht geltend macht, so wird die Veräußerung oder Verpfändung zu einem vollkommenen Thatbestand dergestalt, daß sie von der neuen Rechtsordnung als von Anfang an gültig behandelt wird: „quasi ab initio legitimo decreto fuisset alienata res vel supposita." Nicht der bloße Zeitablauf von fünf Jahren nach Erlangung der Volljährigkeit bewirkt die Vervollkommnung des anfänglich nichtigen Thatbestandes, sondern das rein unthätige (passive) Verhalten der volljährig gewordenen, früher bevormundeten Person während dieses Zeitraumes. Es handelt sich also hier um einen ähnlichen personalen Zustandsthatbestand, wie in der Konstitution des Kaisers Honorius 3 ; allein während der letztere einen anfänglich vollkommenen Thatbestand zur gänzlichen Entkräftung brachte, bewirkt ersterer eine rechtliche Gesundung eines anfänglich unvollkommenen und nichtigen Thatbestandes. In beiden Fällen hatte aber der Thatbestand nach der alten Rechtsordnung einen ausschließenden Charakter, indem nach dieser der vollkommene Thatbestand durch Hinzutritt jenes personalen Zustandsthatbestandes nicht hinfällig, der vollkommene aber nicht vervollkommnet werden konnte. In dem personalen Zustandsthatbestand der Konstitution des Kaisers Honorius

1

Über „unselbständige" oder „entscheidende Thatbestände" vgl. das zweite Buch, Kap. 1 dieses Werkes. S. auch KABLOWA, Rechtsgeschäft, S. 10 fg. 2 Vgl. fr. 8, § 2 de reb. eor. 27, 9. 3 o. un. C. Th. si cert. pet. de ehirogr. 2, 27.

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Das römische intertemporale Privatrecht.

liegt ein stillschweigender Verzicht auf die Forderung; Justinian aber betrachtet ihn in seiner Konstitution als einen Verzicht auf die rei vindicatio und damit als ausdrückliche Genehmigung. 1 Die Reihe derjenigen Konstitutionen, welche die zweite Möglichkeit der zweiten Spielart des neueren intertemporalen Regelpaares belegen, erweitert noch die c. 7 ad Sc. Maced. 4, 28. Es handelt sich hier um den Thatbestand eines Gelddarlehns von Seiten eines Hauskindes. Schon das vorjustinianische Recht versagt dem Haussohn die exceptio Sc. Macedoniani, wenn der pater familias, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, nachträglich die Genehmigung dazu erteilt. 2 Nur bestand darüber ein Streit, ob das Darlehn durch diese nachträgliche Genehmigung nach rückwärts Gültigkeit erlange oder ob es erst mit dem Augenblick der Genehmigung zu Kräften komme, m. a. W. ob die Genehmigung des Vaters ein unselbständiger Willensthatbestand mit bloß entscheidender (deklaratorischer) oder ein selbständiger Willensthatbestand mit bestimmender (konstitutiver) Wirkung sei. Justinian entscheidet sich für die Unselbständigkeit des nachträglich hinzutretenden Willensthatbestandes, so daß dem anfänglich unvollkommenen Thatbestand nach rückwärts Vollkommenheit erwächst. 3 Dieser Konstitutionenreihe läßt sich noch hinzufügen c. 11 de natur. Iib. 5, 27 und c. 23 § 8 de nuptiis 5, 4 von JUSTIN, die wir bereits im Spiegel der ersten Möglichkeit betrachtet haben. Unter der alten Rechtsordnung (nach dem Regierungsantritt Justins) ist jemand ein Konkubinat eingegangen, aus welchem Kinder entsprossen sind. Die neue Rechtsordnung tritt ein und unter ihrer Herrschaft wird ein schriftlicher Ehevertrag abgeschlossen. Dann verwandelt sich der unvollkommene personale Zustandsthatbestand durch den ergänzenden Willensthatbestand in eine legitime Ehe und die liberi naturales werden legitimiert. Auch

1 In der e. 3, § 2 cit. erläßt J u s t i n i a n noch eine Sonderbestimmung hinsichtlich der Schenkung eines Grundstückes von Seiten eines Minderjährigen. Da diese nicht einmal durch obervormundschaftliches Dekret errichtet werden konnte, so verlängert er die Frist jenes zu vervollkommnenden Zustandsthatbestandes, dessen Wesen in einem rein passiven Verhalten der volljährig gewordenen Person besteht, auf 10 Jahre unter Anwesenden und 20 Jahre unter Abwesenden. Der Erbe der früher bevormundeten Person kann noch die Jahre seiner eigenen Mindeijährigkeit zu dieser Frist hinzurechnen. — Die Konvalescenz der Veräußerung von Mündelgütern longo oder diuturno silentio war schon dem alten Rechte bekannt, vgl. c. 3 pr. cit. und c. 2 eod.: statuti temporis exeursu,. Es fehlte jedoch an einer genauen Begrenzung der Frist, was J u s t i n i a n für notwendig hielt: eertum tempus ad talem confirmationem praefinitum esse censemus. 2 Vgl. fr. 7, §§ 11 u. 15; fr. 12; fr. 16 de Sc. Maced. 14, 6 und c. 2 pr. ad Se. Maced. 4, 28 ( S e v e r u s et A n t o n i n u s a. 198). 8 Merkwürdig sind noch die Schlußworte des principium. Hier erklärt J u s t i n i a n mit Hinweis auf seine früher schon besprochene c. 25 de don. i. v. e. u. 5, 16, daß jede Ratihabition nach rückwärts vervollkommne, und dieser Grundsatz sei auch auf Privatpersonen anzuwenden. Siehe weiter unten.

§13.

Das neuere intertemporale Kegelpaar in den spätkaiserlichen Gesetzen.

111

hier hat also der ergänzende Willensthatbestand rückwirkende Kraft, gehört somit auch zu den e n t s c h e i d e n d e n Thatbeständen. Während die bisherigen Konstitutionen alle die Vervollkommnung des unvollkommenen Thatbestandes durch einen Willensthatbestand bewirken lassen, hat die c. 5 de nat. lib. 5, 27 von Zeno den Fall im Auge, daß die Vervollkommnung durch einen i n v o l u n t a r e n Thatbestand geschieht. Wir haben diese constitutio bereits im vorigen Paragraphen unter dem Gesichtswinkel der e r s t e n Möglichkeit betrachtet. Kaiser Zeno gestattet die Eingehung einer legitimen Ehe mit der Konkubine und die Legitimation der bereits von ihr geborenen Kinder unter der Voraussetzung, daß die Konkubine frei geboren und eine persona honesta ist, daß keine legitime Gattin und keine legitimen Kinder vorhanden sind. Nehmen wir nun an, daß vor dem Erlaß der Konstitution jemand eine frei geborene Konkubine und Kinder von derselben hatte, aber es leben noch die legitime Gattin und legitime Kinder. N a c h Erlaß jedoch sterben diese Personen, dann verwandelt sich der unvollkommene Vorbereitungsthatbestand zur Eingehung einer legitimen Ehe bezw. zur Legitimation in einen vollkommenen. Bewirkt aber wird diese Vervollkommnung durch den Tod jener Personen, also durch einen involuntaren Thatbestand, nämlich durch ein p e r s o n a l e s E r e i g n i s . 1 Ist nun die Ausschließlichkeit bei allen für die zweite neuere Regel angeführten kaiserlichen Gesetzen ausdrücklich angeordnet? Man muß hier unterscheiden: hinsichtlich derjenigen Thatbestände, welche nach der neuen Rechtsordnung noch einer Bestätigung oder Genehmigung bedürfen, fehlt die gewöhnliche Ausschlußklausel. Nun kann zunächst c. 7 ad Sc. Mac. 4. 28 als authentische Interpretation angesehen werden „veterum ambiguitatem decidentes sancimus . . ." Wie wir im folgenden § sehen werden, tragen die gesetzlichen Auslegungen die Ausschließlichkeit immer in sich. Die übrigen Gesetze c. 25 de dort. i. v. e. u. 5, 16; c. 2 si maior factus alten. 5. 74 und c. 1 und 2 si maior factus rat. 2, 45 und c. 3 si maior factus 5, 74 verleihen, wie wir sahen, dem Ergänzungsthatbestand rückwirkende Kraft. Befindet sich nun der ergänzungsfähige Hauptthatbestand unter der alten Rechtsordnung, so schadet dieser Umstand nichts, sodaß also diese Gesetze in den Augen der Kaiser mit Notwendigkeit ausschließenden Charakter hatten. 2 Trotzdem muß vom intertemporalen Rechtsstandpunkt aus verlangt werden, daß auch diesen konfirmatorischen Gesetzen die Ausschlußklausel beigefügt werde. — Liegt auch die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit dieser Gesetze vor? 1

S. den dogmatischen Teil, Kap. 1, Thatbestand. Diese ßechtsanschauung ist es, welche J u s t i n i a n in e. 7 ad Se. M. mit det Worten ausdrückt: Et generaliter omni* ratihabüio prorsus trahitur et confirmat ea ab initio quae subseeuta sunt. Et haee quidam de privatis horninibus sancienda sunt. Vgl. auch c. 25 de dort. i. v. e. u. cit. Eine formelle Ausschlußklaasel kann darin nicht gefunden werden. Vgl. dagegen Nov. 18, cap. 1 in fine, wo die Ausschlußklausel zwar eigenartig, aber doch deutlich genug auagedrückt ist. 8

112

Das römische intertemporale Privatrecht.

Sie stimmen alle darin überein, daß sie eine Ausdehnung der privaten Willensmacht herbeiführen. Im Zweifel aber ist das moderne Rechtsgefühl immer für eine derartige Erweiterung der individuellen Verfügungsfreiheit. Darin liegt die materielle Voraussetzung. Die c. 11 de nat. lib. 5, 27 und c. 23 § 8 de nupt. 5, 4 und c. 5 de nat. lib. 5, 27 enthalten die ausdrückliche Ausschlußklausel, welche, wie wir bereits sahen, auch materiell gerechtfertigt ist.

§ 14.

Die authentischen Interpretationen der römischen Kaiser und das intertemporale Privatrecht.

Eine eigenartige Stellung innerhalb der Rechtsordnungen nehmen die sog. authentischen Interpretationen ein. Sie tragen ihren Zweck nicht in sich selbst, sondern sind darauf gerichtet, schon bestehende Rechtsordnungen entweder im Ganzen oder in ihren einzelnen Teilen aufzuklären. Wir können daher die Rechtsordnungen einteilen in primäre und secundäre oder auch selbständige und unselbständige.1 Die authentischen Interpretationen gehören als Rechtsordnungen in die zweite Klasse. Aus dem folgenden wird sich auch ergeben, daß ein gewisser Zusammenhang besteht zwischen den unselbständigen Rechtsordnungen und den unselbständigen Thatbeständen. Denn wie die unselbständigen Thatbestände ihre Wirkung nach rückwärts bis zum Zeitpunkt der Geburt des selbständigen Thatbestandes erstrecken, so gilt auch bei den wirklich authentischen Interpretationen in der römischen Kaiserzeit die intertemporale Rechtsregel, daß sie so anzusehen seien, als ob sie von Anfang an in der selbständigen Rechtsordnung enthalten gewesen wären, oder m. a. W. sie haben jeder anderen Interpretation der selbständigen Rechtsordnung gegenüber ausschließende Kraft, indem sie ihr jede Anerkennung rundweg versagen. Dieser Grundsatz wird zunächst ausgesprochen in der Novelle 19 praef. i. f. aus dem Jahre 5 3 6 : „tertia vero constitutione non adiecimus aliquid de tempovibus, cum omnibus manifestum sit oportere ea, quae adiecta sunt, per interpretationem in Ulis valere, in quibus et interpretatis legibus fit locus. In dieser Novelle unterscheidet Justinian selbständige Rechtsordnungen und unselbständige. Die ersteren hätten nur dann einen auschließenden Charakter, wenn der Gesetzgeber ihnen ausdrücklich einen solchen verleiht, wonach sie auch auf Thatbestände der Vergangenheit, die unter der alten Rechtsordnung stattgefunden haben, anzuwenden sind; bei letzteren sei jedoch eine derartige Verfügung über die Thatbestände der Vergangenheit nicht notwendig, da eine allgemein bekannte intertemporale Rechtsregel ihnen von selbst ausschließende Kraft ein1 Über den Begriff der „selbständigen und unselbständigen Rechtsordnungen" s. das zweite Buch dieses Werkes. Kap. 3.

§ 14.

Die authentischen Interpretationen der römischen Kaiser.

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räume, mittelst der Fiktion, daß die interpretierende Rechtsordnung so anzusehen sei, als ob sie in der interpretierten von Anfang an gesteckt hätte. Daher hätte er in den ersten beiden Konstitutionen über die vor der Errichtung von Eheverträgen (instrumenta dotalia) geborenen Kinder ausdrücklich über die Thatbestände der Vergangenheit verfügt, mit Ausnahme derjenigen, welche durch Urteil oder Vergleich erledigt seien. Diese sieht er also als selbständige Rechtsordnungen an. Jene ersten zwei Konstitutionen sind: c. 10 de natural, liberis 5, 27 aus dem Jahre 529, wo er in § 3 ausdrücklich bemerkt, daß die vor dem Ehevertrag geborenen Kinder legitimiert sein sollen. Die zweite Konstitution, welche Justinian im Auge hatte, ist die c. 11 eod. aus dem Jahre 530; hier hatte er es vergessen, die ausschließende Kraft ihr ausdrücklich zu verleihen, was er hiermit in der Novelle 19 nachholt: et in hanc quoque secundam nostram constitutionem similiter adiecimus, oportere eius legislationem et ad seniora referi tempora, exceptis Ulis causis, quae aut judicialis sententia aut transactio terminavit-1 Eine dritte Konstitution, welche Justinian erwähnt, ist die Novelle 12 cap. 4, worin er lediglich einen Zweifel über die älteren Konstitutionen beseitigen will: „dubitatum üaque . . . aestimavimus rede se habere nos tamquam legis patres et adicere ei et solvere dubitationem etenim cum tali intellectu ab initio legem possimus.2 — Ebenso deutlich wie in der Novelle 119 kommt die intertemporale Rechtsanschauung Justinians über die gesetzlichen Auslegungen in der Novelle 143 cap. 1 i. f. aus dem Jahre 563 zum Ausdruck: „quam interpretationem non in futuris tantummodo casibus, verum in praeter itis etiam valere sancimus, tamquam si nostra lex ab initio cum interpretatione tali promulgata fuisset Die ausschließliche Kraft der gesetzlichen Auslegung gegenüber anderweitigen Auslegungen wird ausgesprochen in der praefatio i. f.: „superfluam igitur eorum dubitationem vel in posterum resecantes priorem legem per praesentem interpretari censuimus." Der Unterschied der Ausdrucksweise Justinians in der Novelle 19 praef. 1 Bekanntlich hat J u s t i n i a n auch seiner Zinsordnung erst ein Jahr später die Ausschlußklausel beigefügt; s. oben § 12, S. 85. ' Am Schlüsse der praefatio der Nov. 19 erklärt J u s t i n i a n , beim Erlaß einzelner Konstitutionen sei es notwendig gewesen, ausdrücklich denselben ausschließende Kraft zu verleihen; dagegen hätte sein Kodex als Ganzes dieselbe erhalten, zu dem Zwecke, unnötige Wiederholungen bei den einzelnen Konstitutionen zu vermeiden:

in partieularibus namque positis legislaiionibus neeessarium erat forte harte aeeipere in praeterito legislationis relationetm, in omni vero coacervatione legurn Codicis eognominis nostri reale abseidere talia proposuimus, quatenus multitudo superflua codieibus seriberetur." Vgl. auch § 3 der e. summa rei publ. und § 5 der e. cordi rvobis, wo J u s t i n i a n dem Kodex als Ganzem ausschließende Kraft giebt. Damit will sich J u s t i n i a n rechtfertigen, daß er bei den ersten beiden Konstitutionen die Klausel der rückwirkenden Kraft bei ihrer Aufnahme in den Kodex, d. h. die ausdrückliche Bestimmung, daß sie ausschließende Kraft haben sollen, weggelassen habe. In der That hätte bei den Justinianischen Gerichten nach d. J. 534 kein Zweifel mehr darüber aufkommen sollen, daß die einzelnen Konstitutionen J u s t i n i a n s „rückwirkende Kraft" haben. AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

G

114

Das römische intertemporale Privatrecht.

und der 27 Jahre später erlassenen Novelle 143 bestellt aber darin, daß er in der ersteren auf einen allgemein bekannten intertemporalen Rechtssatz Bezug nimmt, während er in der letzteren die Rüekziehung der gesetzlichen Auslegung als etwas von ihm besonders gewolltes hinzustellen beliebt. Es will daher fast scheinen, als ob der noch jugendliche Justinian dem mtertemporalen Privatrecht noch ein reges und warmes Rechtsbewußtsein entgegenbrachte, das zu offenbaren er im späten Greisenalter für überflüssig hielt. Die Rüekziehung der gesetzlichen Auslegungen geht nach beiden genannten Novellen so weit, daß auch die bereits schwebenden Prozesse einschließlich derjenigen der Berufungsinstanz nach der neuen Auslegung entschieden werden müssen; nur die durch rechtskräftiges Endurteil und durch Vergleich erledigten Rechtsstreitigkeiten bleiben davon unberührt.1 Diese intertemporale Rechtsregel über die ausschließende Kraft gesetzlicher Interpretationen, wie sie uns in diesen Novellen entgegentritt, hat ihren gesunden und berechtigten Kern und dürfte wohl, wie sich aus der Novelle 19 ergiebt, längst vor Justinian, vielleicht schon in der klassischen Zeit, in den römischen Rechtsschulen gelehrt worden sein. In der Hand eines Gesetzgebers aber, der nicht mehr das Wohl des Volkes, sondern sein eigenes Interesse als Leitstern seiner Handlungen aufstellt, könnte jedoch dieselbe eine gefährliche Waffe werden.2 Unter dem Deckmantel einer gesetzlichen Auslegung, also einer unselbständigen Rechtsordnung, könnte ein derartiger Gesetzgeber die willkürlichsten, dem Gemeinwohl unmittelbar zuwiderlaufenden Rechtsvorschriften mit ausschließlicher Kraft erlassen. Daher ist es Sache der mtertemporalen Privatrechtswissenschaft, feste und unverrückbare Voraussetzungen zu ergründen, m. a. W. Schranken aufzustellen, innerhalb welcher sich die gesetzliche Auslegung bewegen darf. Es ist jedoch nicht hierorts unsere Aufgabe, diese Schranken zu erörtern, wir verweisen hierfür vielmehr auf den dogmatischen Teil dieses Werkes. 1

Vgl. auch nov. 113 c. 1 i. f. Zeitgenossen J u s t i n i a n s erzählen uns, daß dieser Kaiser sich durch Bestechung zum Erlaß von Gesetzen habe bewegen lassen. So P r o c o p i u s in seinen anectot. cap. 28 und cap. 13 u. 14, wonach J u s t i n i a n die c. 23 de sacrosanct. eeel. 1, 2, die auch wir oben in § 12 so scharf getadelt haben, nach vorhergehender Bestechung erlassen habe. Allerdings hat J u s t i n i a n seine schwere Versündigung gegen das intertemporale Recht durch spätere Gesetze wieder gut gemacht, wie oben dargestellt wurde. — In dem oben cit. cap. 28 von P r o c o p i u s heißt es: EG Hv'QavTLov aquxo/ievoi xal xQrjfiaza fieyaXa TCÜ ßaaü.et zovzä ngoe/ievoi, edeovzo arpiai TOP T&V nohiwv oledoov ovdev (öfpeXrjxorar £vvxazeYA£Eaet ic and mine witan to minra yldrena domum geyhton, eallum leodscype to Jearfe." Vgl. noch Wilhelms Gesetze III, 13: „Hoc quoque praecipimus, ut omnes kabeant et teneant leges Edwardi Regis in omnibus rebus, adauctis his quas con^tituimus ad utilitatem Anglorum." ä fr. 22 de leg. 1, 3. * „Murdra etiam retro ab illo die quo in Regem coronntus fui omnia eondono, et ea quae a modo facta fuerint iuste emendentur seeundum Lagam Regis Edwardi."-

152

Das kanonische intertemporale Privatrecht.

Ausdruck fand, und nur allmählich sich die neuere intertemporale Rechtsregel Bahn brach, wonach bei Wandlung des sittlichen und rechtlichen Volksbewußtseins, welches sich in der Mißbilligung der bisherigen Rechtsordnung äußert, die neue Rechtsordnung einen ausschließlichen Charakter annehmen darf, so war der Grundton der germanischen intertemporalen Rechtsanschauung infolge ihrer eigentümlichen Auffassung des Gesetzes als eines Vertrages die regelmäßige Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung; nur ausnahmsweise, zum Teil infolge römischrechtlichen Einflusses gewährte der germanische Gesetzgeber der alten Rechtsordnung eine fernere Herrschaft über ihre Thatbestände. Das kanonische Recht dagegen stand ganz unter dem Einflüsse römischer Rechtsanschauungen. Es ist daher von vornherein zu erwarten, daß sich in ihm in erster Linie die alte republikanische Rechtsregel finden wird, welche der neuen Rechtsordnung die ausschließende Kraft versagt. Daß aber auch die neuere römische Rechtsregel in ihm Aufnahme gefunden hat, werden die nachfolgenden Untersuchungen beweisen.1 Schon die spätrömischen Kaiser mußten sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie es mit den Regeln des intertemporalen Rechtes nicht mehr so genau nahmen, daß insbesondere der ältere republikanische Grundsatz von ihnen stark beschnitten, ja auf ein Scheindasein beschränkt wurde. Auch den Päpsten ging im allgemeinen der Sinn für die sorgsame Pflege des intertemporaleu Rechtes ab, besonders den selbstbewußten großen Päpsten, wie einem Bonifaz VIII. und Innozenz III. Unter ihnen erlangt die Ausschließlichkeit der Gesetze eine Tiefe und Ausdehnung, vor welcher auch der radikalste römische Kaiser, wie Zeno und J u s t i n i a n , zurückgeschreckt wäre. Zum Teil wird diese Erscheinung verursacht durch das Auftreten des dem römischen Rechte unbekannten Gegensatzes von ius divinum und ius humanum. Ersteres wird intertemporal ganz anders behandelt, indem ihm grundsätzlich eine angeborene Ausschließlichkeit zuerkannt wird. Dieser Gegensatz führt auch zur Aufstellung eigentümlicher intertemporaler Regeln für auslegende Gesetze. Der schroffe Geist, der die Päpste öfters einer alten Rechtsordnung gegenüber beseelt, wird nicht dadurch gemildert, daß sie hin und wieder, wie sie ausdrücklich bemerken, aus Gnade und Barmherzigkeit — misericorditer — den Thatbeständen der alten Rechtsordnung auch künftighin Geltung einräumen; im Gegenteil, gerade dieser Ausspruch beweist mehr 1 Die bisherigen Abhandlungen, soweit sie sich auf das intertemporale Recht beziehen, leiden alle an dem Mangel, daß sie nur die römische intertemporale Rechtsregel berücksichtigen, welche aus der Zeit der römischen Republik stammt, die neuere jedoch, aus der Zeit eines M a r c e l l u s und Marcianus vollständig fibersehen und höchstens als Ausnahme der ersten Regel berühren. Auch haben sie das corpus iuris canonici auf seinen intertemporalen Rechtsgehalt kaum geprüft, so daß der Verfasser auch hier ohne Vorarbeiten aus der neueren Zeit durch selbständige, zeitraubende Untersuchungen das nötige Quellenmaterial sich aneignen mußte. S . z. B. GÖPPEKT, a. a. 0. S. 27, der nur zwei Stellen anfuhrt.

§ 23.

Die republikanische Rechtsregel im Corpus iuris canonici.

153

als alles andere, daß ihnen das Gefühl für das intertemporale Privatr e c h t in noch höherem Maße als den spätrömischen Kaisern abhanden gekommen war. 1 § 23.

Die republikanische Rechtsregel des intertemporalen Privatrechtes im Corpus iuris canonici.

Das römische und insbesondere das Justinianische Recht übte einen derartigen Einfluß auf die kirchlichen Gesetzgeber aus, daß sie zunächst ganz unter dem Banne der römischen intertemporalen Rechtsanschauung zu stehen scheinen. Da nun gerade die römischen Kaiser es waren, welche der republikanischen intertemporalen Rechtsregel einen formvollendeten Ausdruck zu geben verstanden, 2 so ist leicht begreiflich, daß die Päpste, die beinahe noch Zeitgenossen dieser Kaiser waren, ausdrücklich jene Regel als ihre intertemporale Rechtsüberzeugung aussprechen. So G r e g o r d. Gr. i. J . 598: ,,Rem, quae culpa caret, in damnum vocari non convenit. Quoties vero novum quid statuitur, ita solet futuris formarn imponere, ut dispendiis praeterita non commendet: ne detrimentum ante prohibitionem possint ignorantes incurrere, quod eos postmodum dignum est vetitos sustinere.3 Die Veranlassung dieses Ausspruches bildete ein

Gesetz G r e g o r s des Großen, worin er bestimmte, daß Juden, welche mancipia von Christen kauften, verpflichtet seien, sie innerhalb einer Frist von 40 Tagen zu verkaufen. Wenn aber v o r Erlaß seines Gesetzes die Juden christliche mancipia gekauft hatten, so soll ihnen deswegen kein Verlust erwachsen, sondern sie könnten dieselben nach Belieben verkaufen. 4 Es ist kaum ein Zweifel, daß G r e g o r dem Großen bei diesem seinem Ausspruch die Worte der c. 7 de leg. et const. 1, 14 vor Augen schwebten. 6 Der zweite Ausspruch ist von G r e g o r IX. selbst, vom J .

12306:

1 Wir werden unten im III. Abschnitt bei der Darstellung der Litteratur den Kanonisten F e i l i n u s zum Worte kommen lassen, dessen intertemporale Rechtsanschauung sich zum großen Teil auf das eorpus iuris canonici stützt, so daß er eine Ergänzung zu nachfolgenden Ausführungen liefert. 1 So insbesondere T h e o d o s i u s , A r c a d i u s und Valentinian in der berühmten c. 3 G. Th. de eonst. 1, 1; ferner T h e o d o s II. und Valentinian III. in e. 1 de leg. 1, 14; ferner A n a s t a s i u s c. 65 de decurión. 10, 31 und J u s t i n i a n z. B. in nov. 22, cap. 1; nov. 66, cap. 1, § 4 i. f.; nov. 73, aap. 9. S. oben § 10, S. 70. 8 Gregor IX. nahm diesen Ausspruch in seine Dekretalensammlung auf; vgl. e. 2 X de constitut. 1, 2. 4 Vgl. corpus iuris canonici v. F B E I E S L E B E N h. 1 . ; not. a. 6 „Leges et constitutiones futuris eertum est dare formarn negotiis, non ad facta praeterita revocari . . ." Von Belang ist noch Gregors Begründung und Rechtfertigung der intertemporalen Rechtsregel: Niemand soll wegen seiner Unwissenheit künftiger Gesetze Schaden erleiden. 8 e. 13 h. t. 1, 2: Qregorius IX Archipresbyiero S. Mariae Majoris de urbe {an. 1230. Roma in Oalliam).

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Das kanonische intertemporale Privatrecht.

„Quoniam constitutio Apostolicae sedis omnes adstringit et nihil debet obscurum vel ambiguum continere: Declaramus, constitutionem, quam nuper super praeferendis in perceptione portionis Majoribus, et consuetis ser vitiis a Minoribus exhibendis, edidimus non ad praeterita sed ad futura tantum extendi. Cum leges et constitutionis futuris certum sit dare formam negotiis, non ad praeterita facta trahi: nisi nominatim in eis de praeter itis caveatur." Was G r e g o r IX. veranlaßte, seine Übereinstimmung mit der älteren römischen intertemporalen Rechtsregel zu erklären, war ein Dekretale, welches er i. J. 1228, also zwei Jahre früher, erlassen hatte. 1 Dasselbe bezog sich auf die persönliche Stellung, auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Kollegialstiftes. Es handelte sich also hier nicht um Thatbestände des Privatrechtes; trotzdem wollte G r e g o r IX. jene privatrechtliche, intertemporale Rechtsregel, wenigstens dem Sinne nach, auch auf organisatorische Rechtsordnungen der Kirche angewandt wissen. Daher führt er fast wörtlich die c. 7 cit. an, obschon er sich sagen mußte, daß deren Ausdrucksweise auf den besonderen Fall, auf welchen sie angewandt werden sollte, nicht paßte. Darin liegt eine unbewußte Anerkennung von Seiten G r e g o r s IX., daß dieser zunächst privatrechtliche intertemporale Eechtssatz auch analog für das öffentliche Recht (Recht der Gemeinwesen) angewandt werden müsse. 2 Von Belang ist, daß Gregor der Große die alte intertemporale Rechtsregel in ihrer vollen Reinheit ohne Einschränkung aufstellt. Er schließt sich also dem Sinne nach an die Formulierung Y a l e n t i n i a n s , A r c a d i u s und H o n o r i u s 3 an, während Gregor IX. die Regel in ihrer entkräfteten Ausgestaltung von Theodos II. wiedergiebt: — nisi nominatim in eis de praeteritis caveatur. — Steht nun das kanonische Recht nur unter dem Einflüsse des römischen intertemporalen Privatrechtes oder zeigen sich in ihm auch Spuren, welche auf eine Einwirkung der Rechtswissenschaft hindeuten, wie sie von den Glossatoren schon vor der Entstehung der Dekretalensammlungen in Bologna zur neuen Blüte gebracht wurde? In der That findet sich eine derartige Spur: Für die beginnende Lehre vom ius acquisitum, vom 1 „Idem (Gregor IX) Arehipresbytero Sanctae Marine maioris de urbe (anno 1228 Bomaé)-. Staiuimus, ut Presbyteri primum loeum, Diaconi seeundum, Subdiaconi tertium et sie de reliquis obtineant ordinatim, etiamsi posterius admittantur. Et qui maior est ordine, etiamn postea sit reeeptus, in portione pereipienda potiorcm esse voiumus, ae minores faeere servicia consulta." 2 Eine Anerkennung hat der Satz auch für einen anderen Zweig des öffentlichen Rechtes, für das Strafrecht im corpus iuris canonici gefunden. So in c. 3 C. 32 qu. 4: ,, . . . non ergo in legem commisit Abraham, sed legem praevenit." — Das corpus iuris canonici enthält überhaupt sehr wenige Quellenstellen, welche r e i n e s Privatrecht enthalten; so ist es auch erklärlich, daß die Kanonisten ihre Darstellung des intertemporalen Privatrechtes sehr oft an Thatbestände des öffentlichen Rechtes knüpfen. S. unten III. Abschnitt, § 45, Feilinus. 8 Omnia constituta non praeterita ealumniam faciunt, sed futuris regularn ponunt. c. 3 C. Th. de constai. 1, 1.

§ 23.

Die republikanische Rechtsregel im Corpus iuris acmonici.

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wohlerworbenen Rechte, welche bis in die Gegenwart hinein ein Grundpfeiler des intertemporalen Rechtes bildet, spricht c. 8 in fine VI de conce. praeb. 3, 7: locum habet constitutio supradicta, ut omnes huius modi gratiae (iquarum ratione tunc non erat ad collationem processum, et sie per consequens ius in re non fuerat ipsis impetrantibus acquisitum), intelligantur penitus revocatae. Die alte intertemporale Rechtsregel wird also hier so gerechtfertigt, daß die neue Rechtsordnung vor einem wohlerworbenen subjektivem Rechte Halt macht. Wir haben oben 1 nachgewiesen, daß die Ausschließlichkeit einer neuen Rechtsordnung sowohl einer materiellen als formellen Voraussetzung bedarf. Bereits in den Konstitutionen der römischen Kaiser ist uns aber ein Gesetz begegnet, wo zwar der Gesetzgeber sein Mißfallen über die alte Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, trotzdem aber es nicht wagt, der neuen Rechtsordnung Ausschließlichkeit zu gewähren. Es war dies die lex Anastasiana.2 In weit stärkerem Maße findet sich diese Erscheinung in den päpstlichen Dekretalen, wonach zwar die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung genannt wird, jedoch die Folgen daraus zum Teil misericorditer nicht gezogen werden. Hierher gehört c. 9 X de consecr. eccl. 3, 4 0 : non obstante consuetudine . . . . quae dicenda est potius corruptela Quod autem . . . . factum est . . . misericorditer tolerämus. Ähnlich c. 5 de sponsa duorum 4, 4, welche familienrechtlichen Inhaltes ist. Vom Papst I n n o z e n z III. wurde ein bestehendes Gewohnheitsrecht im Bistum Modena im Jahre 1200 aufgehoben, weil es unvereinbar mit der Rechtsanschauung des apostolischen Stuhles sei. Nach diesem Gewohnheitsrechte wurde eine Ehe, die jedoch ohne copula carnalis abgeschlossen war, durch eine darauffolgende Ehe mit einer anderen Person, zu welcher auch die fleischliche Verbindung hinzutrat, aufgehoben. I n n o c e n z entschied, daß die erste Ehe allein Geltung haben solle, quod prius de iure factum fuerat, non poterit irritari.3 Dies nur für die k ü n f t i g e n Heiraten: matrimoniis de caetero contrahendis; die nach dem bisherigen Gewohnheitsrechte giltigen Ehen bleiben also bestehen und zwar ohne daß der Papst hinzufügt: misericorditer tolerämus. Vgl. ferner c. 1, V I de consuetudine 1, IV, wo das Gewohnheitsrecht auch als corruptela bezeichnet wird: corruptelam merito reputandes, auetoritate Apostolica reprobamus, wo trotzdem die neue Rechtsordnung nur für die Zukunft gilt: statuentes ut nulli liceat de caetero. Ebenso c. 1 Cl. de elect. 1, 3. Hier wird das bestehende Recht als irrationell bezeichnet; cum rationi non congruat. . . . Diese Stellen beweisen einerseits, daß auch die Päpste sich der materiellen Voraussetzung für die Ausschließlichkeit wohl bewußt waren;

1

S. Kap. 1, § 4, S. 29 und § 7, S. 61. • S. Kap. 1, § 12, S. 88. 3 Es ist dies eine andere Fassung der Regel Kaiser Alexanders; vgl. Kap. 1. § 5, S. 48 und s. auch noch fr. 2 de itinere a. 43, 19.

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Das kanonische intertemporale Privatrecht.

andererseits aber, daß ihr Billigkeitsgefühl doch eine Rückziehung nicht zuließ, sei es, daß der Abscheu vor der alten Rechtsordnung doch nicht so tief war oder die Thatbestände der alten Rechtsordnung ihrer Eigenart wegen eine besondere Rücksichtnahme verlangten. Sei dem aber, wie ihm wolle, vom Standpunkte des intertemporalen Privatrechtes aus betrachtet, ist der Ausdruck misericorditer toleramus auf das Entschiedenste zurückzuweisen! Wenn der Gesetzgeber es nicht über sich bringen kann, der neuen Rechtsordnung die Ausschlußklausel beizufügen, so tritt die alte Rechtsordnung in ihr gutes Recht, auch fernerhin für ihre Geschöpfe: Thatbestände und Rechtsverhältnisse, in Geltung zu bleiben. Yon einer G n a d e n e r w e i s u n g ihr gegenüber kann keine Rede sein! Verwandt mit den obigen Dekretalen ist auch das c. 2, X de conc. praeb. 3, 7. Es enthält ein Beispiel eines Prohibitivgesetzes ohne ausschließlichen Charakter. „ . . . . promissiones easdem . . . de caetero faciendas . . . penitus reprobamus. . . . Ganz richtig bemerkt hierzu J o h a n n von I m o l a , daß die bereits abgegebenen, aber noch nicht vollzogenen Versprechen nicht unter die neue Rechtsordnung fallen. Auch hier fällt es auf, daß B o n i f a z VIII. diesem Gesetze die Ausschließlichkeit versagt hat, obwohl er selbst mit nicht mißzuverstehenden Worten seinen Abscheu vor der alten Rechtsordnung ausspricht. 1 Zum Schlüsse unserer Betrachtung der alten republikanischen Regel im corpus iuris canonici noch ein Blick auf ein charakteristisches Dekretale des großen Papstes B o n i f a z VIII. aus dem J . 1301: „Licet Bomanus Pontifex (qui iura omnia in scrinio pectoris sui censetur habere) constitutionem condendo posteriorem, priorem, quamvis de ipsa faciat, revocare noscatur: Quia tarnen locorum specialium et personarum singularium consuetudines et statuta (cum sint facti et in facto consistant), potest probabiliter ignorare: ipsis, tum tarnen sint ratihabilia, per constitutionem a se noviter editam (nisi expresse caveatur in ipsa) non 1 Das corpus iuris canonici enthält noch eine Reihe von Quellenstellen, welche für die intertemporale Rechtsregel herangezogen werden könnten, jedoch sind sie entweder nicht privatrechtlichen Charakters, oder sie lassen im Zweifel, ob sie intertemporalen Inhalt besitzen, c. 3 X. de decimis 3, 30; es ist intertemporal, falls man unter Privilegium, ein ius singulare zu verstehen hat, was aber hier bezweifelt werden kann. Der Sinn der Stelle ist, daß ein Privileg eine vorhergehende Vereinbarung nicht aufhebt. Unter einer ähnlichen Voraussetzung läßt sich auch e. 9 X. de filiis presp. 1, 17 hierherbeziehen: super quibus Clericis dispensasti, dispensationem tuam posteriorem, literarum intuitu nolumus irritari . . . Sind diese lilerae a b s t r a k t e Verordnungen, dann ist das caput intertemporal. Unter diese Gruppe gehört ferner c. 1 Cl. de usuris 5, 5, welche mit Exkommunikation die staatlichen Behörden bedroht, die den Zinsforderungen Schutz gewähren; es fällt also in's intertemporale Strafrecht; vgl. ferner noch c. 4 C. 3 qu. 5: atque futuris temporibus excludimus . . . . Dieser cunon enthält öffentliches Recht. Ferner c. 7 Gl. de elect. 1, 3 . . . tel iure alio speciali nolumus praesentem constitutionem, extendi. Dieses caput hat zum Teil privatrechtlichen Charakter. Ferner c. un VI post prael. 1, 5 und c. 1 VI de eonsuetudine 1, 4; die Anerkennung der alten Rechtsordnung liegt im Worte de caetero.

§ 24.

Die neuere intertemporale Rechtsregel im Corpus iuris canonici.

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intellegitur in aliquo derogare.1 Gehört nun dieses Gesetz zum intertemporalen Privatrecht? Wie verführerisch ist es, die Frage zu bejahen! denn das Dekretale klingt ähnlich, wie c. 7 de legibus 1, 14 von T h e o d o s I I . 2 Trotzdem muß bei tieferer Prüfung gesagt werden, daß es gar keinen intertemporalen Charakter besitzt. Es verhält sich vielmehr damit ähnlich wie mit fr. 4 de const. 1, 4 und der mit ihm verwandten Fragmente. 3 Diese bedeutsame Äußerung des allmächtigen Papstes, welcher alles Recht und alle Rechtsordnungen in seiner Brust birgt, qui iura omnia in scrinio pectoris sui censetur haberi* schweigt sich aus Über die

Frage, wie die Herrschaftsbezirke zweier zeitlich aufeinander folgender Rechtsordnungen über Thatbestände und Rechtsverhältnisse abzugrenzen seien. Statt dessen enthält sie nichts anderes als einen Rechtssatz über die B e e n d i g u n g einer Rechtsordnung, insbesondere eines örtlichen Gewohnheitsrechtes oder Statuts, indem B o n i f a z sich diesen gegenüber zu der Einräumung versteht, daß sie durch ein päpstliches Gesetz nur aufgehoben werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, obschon an und für sich auch ohne diese Erwähnung ihr Untergang bewirkt wäre. Dieses Dekretale gehört also wie fr. 4 de constit. 1, 4 und fr. 26 de leg. 1, 3 dem öffentlichen Rechte an. 6

§ 24.

Die neuere intertemporale Rechtsregel im Corpus iuris canonici.

Während die republikanische Rechtsrege], welche die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung verbietet, von den Päpsten zwar anerkannt wird, jedoch innerhalb des Privatrechtes eine spärliche Anwendung findet, so erringt die neuere Rechtsregel in den Gesetzen der Kirche, gerade in Bezug auf das Privatrecht, ein ansehnliches Herrschaftsgebiet. Beginnen wir zunächst mit einer Anwendung auf eine civilprozessuale Materie, die aber mit dem Privatrecht in inniger Berührung steht. Es ist die Einführung des sogenannten summarischen Prozesses (sine sirepitu iudicii et fiqura), welcher den Zweck hatte, die Nachteile einer Prozeßverschleppung durch die Willkür des Gegners zu unterdrücken. So sagt dann C l e m e n s Y. bei diesem Anlaß in c. 2 i. f . de iudicüs 2, 1: „ . . . volentes non solum ad futura negotia, sed ad praesentia, et adhuc etiam per appellationern

1

S. c. 1 VI de const 1, 2. nisi expresse caveatur in ipsa . . . nisi nommatim . . . cautum sit. 8 S. Kap. 1, §7, S. 54. 4 Nachdem sich bereits J u s t i n i a n als fleischgewordenes, auf Erden wandelndes Gesetz bezeichnet hatte (s. oben § 7, S. 54), kann dieser Ausspruch eines Papstes, der sich als den hervorragendsten Repräsentanten der hierarchischen Idee erwiesen, nicht verwundern! 6 Mit den oben dargestellten c. 1 VI de const. verwandt sind c. 1 Cl. de iudiciis 2, 1 und c. 14 X de elect. 1, 6 und e. 4 Dist. 12. a

Das kanonische intertemporale Privatrecht.

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pendentia hoc extendi."1 Obschon die vorstehende Stelle civilprozessualer Natur ist, so sind hier trotzdem die Grundsätze des intertemporalen Privatrechtes, insbesondere die Erfordernisse der materiellen und formellen Voraussetzung für die Ausschließlichkeit einer neuen Rechtsordnung erfüllt. Der Widerwille des Gesetzgebers gegen die alte Rechtsordnung ist ausgedrückt in den Worten: Dispendiosum prorogationem litium (quae interdum ea subtili ordinis iudiciarii observatione causarum docet experimentia provenire) restringere in subscriptio casibus cupientes. Daraus entsteht der Trieb, die alte Rechtsordnung auszuschließen, restringere cupientes, und erst dann die Schöpfung der neuen Rechtsordnung. 2 Einen trefflichen Beleg für die Erfordernisse der neueren Rechtsregel gewährt ferner c. 2 Cl. de sepulturis 3, 7. Die Thatbestände der alten Rechtsordnung, darunter auch öffentliche Willensthatbestände, werden ausdrücklich und namentlich aufgehoben: Nos etenim . . . . universa privilegia, gratias, indulgentias, verbo seu scripto, sub quacunque forma vel expressione seu conceptione verborum, a nobis vel praedecessoribus nostris Bomanis Pontificibus cuicunque ordinum praedictorum concessa, necnon consuetudines, conventiones, statuta et pacta, in quantum sunt praemissis, vel alicui praemissorum contraria, ea penitus revocamus, vacuamus, cassamus et irritamus: quinimo cassa, vacua et irrita nunciamus, et decernimus nullius prorsus existere prmitatis . . . Der Widerwille gegen die alte Rechtsordnung geht wie ein roter Faden durch das langatmige caput und damit ist auch die materielle Voraussetzung erfüllt. Unter die neuere intertemporale Rechtsregel fällt auch c. 7 X. de constit. 1, 2. Sie ist eine negative Rechtsordnung privatrechtlichen Inhaltes mit ausschließender Kraft: . . . et conditiones feudorum Ecclesiasticorum factas sine legitimo Ecclesiasticarum personarum assensu, vires decernimus non habere.8 Ähnlich c. 47 VI de electione 1, 6: „Nos volentes huic morbo et fraudibus obviare, praesenti constitutione sancimus, confirmationes tales viribus omnino carere, ipsaque decernimus irritas et inanes. In dem letzten Kapitel ist die materielle Voraussetzung kurz als Einleitung und Begründung der formellen angegeben. Der alte Rechts1

Negotia bedeuten hier Rechtsstreitigkeiten. Gerade diese an das Privatrecht erinnernde Bezeichnung beweist, daß Clemens V. sich der Tragweite seiner Bestimmung wohl bewußt war, nämlich, daß er damit der von Gregor d. Großen an Gregor IX. ausgesprochenen Rechtsregel direkt widerspreche. Die „negotia" werden übrigens in demselben Kapitel auch causae genannt: „Statuimus ut in eausis super electionibus, postulationibus, vel provisionibus, aut super dignitatibw, personatibus, officiis, eanonicatibus, vel praebendis, seu quibusvis benefidis Ecelesiasticis, aut super deeimis, ad quarum etiarn praestationem possunt, qui tenentur ad eas, praemoniti censura Ecclesiastica coereeri, necnon super matrimoniis vel usuris, et eas quoquo modo tangentibus, ventilandis, procedi valeat de caetero simpliciter et de piano, ac sine strepitu iudicii et figivra." 2 Vgl. oben § 4, S. 29 und § 7, S. 61. 3 Vgl. L. F. II, 55 und unten § 26.

§ 24. Die neuere intertemporale Rechtsregel im Corpus iuris canonici.

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zustand sei ein krankhafter und fraudulöser und daher werden dessen Thatbestände für ungültig erklärt. Für die neuere Kechtsregel vgl. noch cap. 4, § 1 VI de officio leg. 1, 15: Talentes non solum ad futura, sed. etiam ad praeterita et adhuc pendentia negotia hoc extendi. Sein Inhalt ist jedoch nicht privatrechtlich. Unter der neueren intertemporalen Rechtsregel steht ferner c. 3 de immunitate eccl. 3, 23 von Bonifaz VIII., welches sich als eine negative Rechtsordnung mit Ausschließlichkeit entpuppt. Sein Inhalt ist nicht rein privatrechtlich quodque praetextu cuiuscunque obligationis, promissionis, et confessionis factarum hactenus vel faciendarum in antea, priusquam huiusmodi constitutio, prohibitio, seu praeceptum ad notitiam ipsorum pervenerit, nihil solvant nec supradicti saeculares quoque modo recipiant. Et si solverint, vel praedicti receperint, in excommunicattonis sententiam ineidant ipso facto . . -1 Der Abscheu und Widerwille des Gesetzgebers gegen die bisherige Rechtsordnung 2 tritt überall zu Tage. Merkwürdiger Weise ist dieses Gesetz des Papstes B o n i f a z VIII. selbst wiederum mit samt seinen nachträglichen Auslegungen durch eine negative Rechtsordnung mit ausschließender Natur durch C l e m e n s V. aufgehoben worden 8 : Nos . . . constitutionem et declarationem . . . et quidquid ex eis secutum est vel ob eas, penitus revocamus et eas haberi volumus pro infectis . . . Der Widerwille gegen die alte Rechtsordnung wird kurz ausgedrückt: nonnulla scandala, magna pericula et incommoda gravia sunt secuta et ampliora sequi . . . Für die neuere Rechtsregel vgl. noch c. 2 in fine Extr. Joh. XXII de elect. 1, 1. Unter dem Banner der neueren intertemporalen Rechtsregel ist auf eine Erscheinung des intertemporalen Privatrechtes hinzuweisen, der wir bis jetzt noch nicht begegnet sind, die vielmehr dem kanonischen Rechte eigentümlich ist. Nach ihm hat das ius divinum, d. h. das auf göttlicher Offenbarung beruhende Recht eine angeborene ausschließende Kraft 4 Wenn nun der kirchliche Gesetzgeber erkennt, daß das bestehende Recht dem göttlichen nicht entspricht, was vielleicht bis jetzt der unzulänglichen menschlichen Erkenntnis verborgen war, so gilt diese in einem Gesetze verkörperte Einsicht als authentische Interpretation des ius divinum und bricht schroff und unerbitterlich alle entgegenstehenden Thatbestände und Rechtsverhältnisse der alten Rechtsordnung mit einer derartigen Gründlichkeit, daß auch bereits erledigte Rechtsverhältnisse von ihr ergriffen werden. Wir können diesen im kanonischen Rechte zum ersten Male auftretenden Grundsatz die k a n o n i s c h e i n t e r t e m p o r a l e R e c h t s r e g e l nennen. Ein interessantes Beispiel eines dem Privatrechte angehörenden Ge1

§ 2 hebt auch sämtliche entgegenstehende Privilegien auf. Es handelt sich um die Besteuerung der Kirche durch die weltliche Macht; s. insbesondere das prineipium. 3 S. cap. un. Gl. de immunitate eccl. 3, 17. 4 S. darüber Fellinus unten III. Abschn., § 45. 8

Das kanonische intertemporale Privatrecht.

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setzes, das nach Ansicht der Kanonisten eine Auslegung des ius divinum enthält und daher von Rechtswegen Ausschließlichkeit besitzt, ist c. 20 X de praesc. 2, 26: Quoniam omne, quod non est ex fl.de, peccatum est: Synodali iudicio difflnimus, ut nulla valeat absque bona fl.de praescriptio, tarn canonica, quam civilis. Cum generaliter sit omni constitutioni atque consuetudini derogandum, quae absque mortali peccato non potest observari. Unde oportet, ut, qui praescribit, in nulla temporis parte rei habeat conscientiam alienae. Wenn nun auch die privatrechtliche Tragweite dieses Gesetzes bestritten ist, und es richtiger Ansiqjit nach nur die Verjährung derjenigen Klagen betrifft, welche auf Herausgabe einer res specialis gehen, so ist doch die rückwirkende Kraft von einschneidender Härte. Es erwachen längst erstorbene Klagen zu neuem Leben, „alte vernarbte Wunden" werden aufs neue aufgerissen. Hier haben wir ein Beispiel, wo hinfällig gewordene positive Rechtsverhältnisse der alten Rechtsordnung unter einer neuen und ausschließenden Rechtsordnung wieder gültig werden, ohne daß sich die thatsächlichen Verhältnisse geändert haben.1 Oder von der Kehrseite betrachtet: negative Rechtsverhältnisse, die unter der alten Rechtsordnung vollkommen gültig entstanden waren, fallen unter einer neuen und ausschließlichen Rechtsordnung dahin.2 Es kommt also hier das neuere intertemporale Regelpaar zur Anwendung. Die Rückwirkung dieses Gesetzes steht in ihrer Härte und Schroffheit mit der des Gesetzes J u s t i n i a n s auf einer Stufe, welches den Kirchen das Privileg der 100jährigen Klagen Verjährung gab.3 Daraus geht aber hervor, daß die kanonische intertemporale Rechtsregel des ius divinum eine gefährliche Waffe in der Hand des Gesetzgebers ist, und sie kann daher auch nicht in die Rüstkammer des intertemporalen Privatrechtes aufgenommen werden. Soweit ich sehe, hat sich kein staatlicher Gesetzgeber bei Verleihung der Ausschließlichkeit an ein Gesetz auf sie berufen. Noch deutlicher als bei der Regelung der Klagenverjährung zeigt sich die maßlose Härte der kanonischen intertemporalen Rechtsregel bei der kirchlichen Zinsgesetzgebung, die sich durch eine restitutive oder radikale Ausschließlichkeit4 auszeichnet. Nicht nur, daß die Thatbestände der alten Rechtsordnung, deren Wirkungen in die neue reichen, von derselben erfaßt werden, auch bereits sogar durch Zahlung erledigte Thatbestände der Vergangenheit werden für ungültig erklärt und eine W i e d e r e i n s e t z u n g in den v o r i g e n S t a n d angeordnet. Ein Beispiel für viele ist c. 5 X de usuris 5, 19: „ P o s s e s s i o n e s vero, quae de usuris comparatae sunt, 'debent vendi et ipsarum pretia his, a quibus usurae sunt extortae, restitui. — Zu den auslegenden Ge1

S. oben Kap. 1, § Über positive und 3 S. oben Kap. 1, § 4 Über den Begriff II. Buch, 3. Kap. 2

12, S. 92. negative Rechtsverhältnisse vgl. II. Buch, 2. Kap. 9, S. 68 und § 12, S. 82 fg. der restitutiven oder radikalen Ausschließlichkeit vgl.

§ 25.

Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Libri Feudorum.

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setzen des göttlichen Rechtes gehört auch das c. un. VI. de biyamis 1, 12, welches sich selbst als deklarativ bezeichnet. 1 I m übrigen geht das kanonische Recht in der intertemporalen Behandlung der authentischen Interpretationen vielfach auf Abwegen. So ist nach c. 8 X. de sententia et re iudicata 2, 27 eine authentische Interpretation auch noch in der Berufungsinstanz anzuwenden, selbst bei entgegenstehendem Gewohnheitsrecht: IVos autem considerantes, quod, licet usus vel consuetudinis non minima sit auctoritas, numquam tarnen veritati aut legi praeiudicat . . ? In der That liegt aber in diesem Falle keine authentische Interpretation vor, sondern im Hinblick auf das dem interpretierten Rechte entgegenstehende Gewohnheitsrecht eine neue und ausschließliche Rechtsordnung, die infolgedessen nicht in der Berufungsinstanz anzuwenden wäre. In einen ähnlichen intertemporalen Fehler verfallen einige Kanonisten, 3 wenn sie auch das c. 2 Cl. de rebus eccl. non. al. 3, 4 für eine Art Interpretation der alten Rechtsordnung ansehen: „contraria quavis consuetudine non obstante." Richtiger Ansicht nach sind jedoch die Thatbestände, die auf Grund der alten Gewohnheit vorgenommen wurden, aufrecht zu erhalten, denn von einer authentischen Interpretation eines Gesetzes kann bei bestehendem Gewohnheitsrecht keine Rede sein; vgl. auch c. 7 Cl. de electione 1, 3: . . . de consuetudine . . . nolumus praesentem constitutionem extendi. Hier steht der kirchliche Gesetzgeber auf wahrhaft intertemporalem Rechtsboden.

III. § 25.

Das intertemporale Privatrecht in den Libri Feudorum. Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Libri Feudorum.

Die Libri Feudorum stehen ganz unter dem Einfluß des kanonischen, bezw. römischen intertemporalen Privatrechtes. Die ältere Regel desselben findet sich z. B. in lib. I, tit. 6 pr.\ „Item si episcopus, vel abbas, vel abatissa, vel dominus plebis feudum dederit de rebus ecclesiarum, quae eis subiectae sunt, et tituli vocantur, nullum habet vigorem secundum hoc, quod constitutum est a Papa Urbano in sancto synodo, hoc est illud, quod post eins decretum fuerit datum\ quod autem ante datum fuerit, 1 Als eonstitutio deelaratoria iuris divini wurden von den Kanonisten noch angesehen c. 7, § 2 in fine X. de eleot. 1, 6: hoc sane non sulum de promovendis, sed etiam de his qui iatn promoti sunt, si Ganones non obsistant, praeeipimus observari. Die Stelle enthält jedoch nicht, wie die vorhergehende, Privatrecht, sondern öffentliches Eecht. Ebenso besitzt nach Ansicht der Kanonisten jedes Gesetz, welches die Freiheit der Kirche gegen Eingriffe der Laien schützt, ipso iure Ausschließlichkeit, so nach o. 1, § 1 in fine Dist. 96. 2 Vgl. auch c. 4, Dist. 8: nemo consuetudinem rationi et veritati praeponat, quia consuetudinem ratio et veritas Semper exeludit. 8 S. unten Feilinus im III. Abschnitt § 45.

AFFÜI.TKK , Intert. Privatrecht.

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Das intertemporale Privatrecht in den Libri Feudorwm.

firmiter permane re debet." Die an Sachen der Kirche vor dem Erlasse der neuen Rechtsordnung durch den Papst U r b a n , 1 welche die Errichtung von Lehen an res ecclesiasticae verbietet, begründeten Lehen werden nach der alten Rechtsordnung beurteilt, welche dieselbe für zulässig erklärte und bleiben infolgedessen in voller Wirksamkeit bestehen.8

§ 26.

Die neuere intertemporale Rechtsregel in den Libri Feudorum.

Die Regel, wonach die neue Rechtsordnung unter gewissen Voraussetzungen Ausschließlichkeit erlangt, ist in einer Quellenstelle des langobardischen Lehenrechtes in so eigenartiger Weise enthalten, daß wir sie ausführlich zur Darstellung bringen. Es ist dies II. F. 55 pr.: Imperialem decet solerüam ita rei publicae curam gerere, et subiectorum commoda investigare, ut regni utilitas incorrupta persistat, et singulorum status iugiter servetur illaesus quapropter dum . . . . accepimus querelai, quod beneficiati eorum feuda, quae ab eis tenebant sine dominorum licentia pignori obligaverunt, et quadam collusione nomine libelli vendiderunt, unde debita servitia amittebantur, et honor imperii et nostrae felicis expeditionis complementum minuebatur . . . . sandmus ut nulli liceat feudum totum nel partem aliquam vendere, vel pignorare, vel quocunque modo distrahere seu alienare, vel pro anima indicare 'sine permissione illius domini, ad quem feudum spedare dignoscitur, unde Imperator Lotharius, tantum in futurum cavens ne fieret, legem promulgavit. Nos autem ad pleniorem regni utilitatem providentes, non solum in posterum, sed etiam huius modi alienationes illicitas hactenus perpetratas hac praesente sanctione cassamus et in irritum deducimus, nullius temporis praescriptione espediente (quia quod ab initio de iure non valuit, tractu temporis convalescere non debet) emtori bonae fidei ex emto, actione de pretio contra venditorem competente. Diese constitutio feudalis ist nach mehr als einer Richtung wissenschaftlich von Wichtigkeit. Zunächst beweist sie, daß F r i e d r i c h I. die 1 Urban II. (1088—1099) auf der Synode von Piacenza (1095); vgl. auch c. 19 X. de deeimis 3, 30 und c. 2 VI. de decimis 3, 13. 2 Daß es sich hier um einen Grundsatz des intertemporalen Rechtes handelt, haben die älteren Schriftsteller, mit Ausnahme etwa von Cui a ci us, nicht gemerkt. Dieser sagt (de Fendts libri quinque, lib. I, tit. I): „quod tarnen in futurum tantum valet, non in praeterito. nee enim eius in praeterita constitutum, intellegitur, nisi id nomi/natim exprimatur." Damit deutet er die c. 1 de legibus 1, 14 von T h e o d o s II. und Valentinian III. an, ohne jedoch weiter darauf einzugehen. Die übrigen Schriftsteller, wie B i t s c h i u s , Cotnm. in cons. feud. lib. I, tit. 6; ferner Gaill, Obsers. lib. II, observ. 1 6 1 , nu. 3 und 4 ; S C H R Ä D E R , Tract. feud., pars IV, eap. II und R O S E N T H A L , Tract. et Synop., cap. IV, eoncl. 21 et seqq. begründen diesen Grundsatz des Papstes Urban damit, daß eine Wiederbelehnung einer kirchlichen Sache, an der bereits ein Lehen bestand, keine Veräußerung derselben bedeute, sondern nur eine Folge der alten Veräußerung. S. auch unten C H . H . M Ö H L P F O R T ( L Y N C K E R ) , III. Abschn., § 4 7 , Th. XVIII.

§ 26. Das neuere intertemporale Privatrecht in den Libri Feudorum. 163 Voraussetzungen der Ausschließlichkeit einer Rechtsordnung kennt. Gleich am Anfange des Gesetzes erklärt er, daß er die Aufgabe habe, das Wohl des Reiches gegen jede Beeinträchtigung, wie auch den Rechtsstand eines jeden Einzelnen gegen jede Rechtsverletzung zu schützen. Der Gedankengang F r i e d r i c h s geht nun weiter dahin, daß die bestehende Rechtsordnung beide, das Wohl des Reiches wie den Rechtsstand des Einzelnen gefährde, also müsse er sie beseitigen und daher der neuen negativen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit erteilen. Von diesem Syllogismus fehlt der Untersatz (conclusio minor), dagegen sind Obersatz und Schluß vorhanden; der Untersatz ist also stillschweigend vorausgesetzt Aus unserer Stelle geht ferner hervor, daß F r i e d r i c h I. der Unterschied zwischen einer ausschließlichen und nichtausschließlichen Rechtsordnung geläufig war. Er erzählt ja selbst, Kaiser L o t h a r (III.) hätte bereits ein verbietendes Gesetz erlassen, das aber nur für die Zukunft Vorsorge getroffen habe: tantum in futuris cavens. Dieses nichtausschließliche Gesetz erscheint ihm aber nicht genügend, um das Wohl des Reiches und der Einzelnen zu wahren und daher versieht er sein Gesetz mit der Ausschlußklausel: non solum in posterum etc. Von Belang ist es ferner, daß jener Zusammenhang zwischen den privatrechtlichen Regeln eines C a t o , eines Kaisers A l e x a n d e r , eines M a r c i a n und M a r c e l l u s , 1 die sich bloß auf Änderungen der Thatbestände beziehen, und dem intertemporalen Privatrecht, das die Änderungen der Rechtsordnungen regelt, sowohl vom Papst I n n o z e n z III. als auch von F r i e d r i c h I. wenn nicht erkannt, doch geahnt worden ist. I n n o z e n z sagt: 2 quod prius de iure factum fuerat non poterit irritari; er ist also der Urheber einer anderen Fassung der Regel Kaiser A l e x a n d e r s : id quidem, quod iure gestum est, revocari non potest. Er wendet vielleicht unbewußt diese Regel auf seine Rechtsordnung an, indem er ihr keine Rückwirkung zugesteht. F r i e d r i c h I. dagegen führt, so widerspruchsvoll es klingt, die alte Oatonische Rechtsregel: quod ab initio de iure non valuit, tractu temporis convalescere non debet, die er also auch etwas variiert, zur Begründung der A u s s c h l i e ß l i c h k e i t seines Gesetzes an. Von seinem subjektiven Standpunkte aus konnte er dies thun, denn er betrachtete alle früheren Veräußerungen und Verpfändungen des Lehens ohne Zustimmung des Lehensherrn für ungültig; aber vom objektiven und allein berechtigten Standpunkte aus gesehen verhält es sich umgekehrt. Für jene Veräußerungen u. s. w. gilt der Satz M a r c i a n s : quae rite constiterunt, resolvuntur quum in eum casum inciderunt a quo non potuissent incipere. Unter der alten positiven Rechtsordnung waren sie noch gültig, wenigstens vor dem Gesetze L o t h a r s III. Unter der neuen und ausschließlichen negativen Rechtsordnung fallen sie dahin.

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S. oben Kap. 1, § 5, insb. S. 48.

S. c. 5 X. de sponsa duo. 4, 4 und oben § 23, S. 155. 11*

Das intertemporale Privatrecht in den Reichsgesetzen.

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IV.

Das intertemporale Privatrecht in den Reichsgesetzen des alten Deutschen Reiches. § 27.

Allgemeine Übersicht.

Die deutschen Könige hielten sich gemäß der Fiktion der translatio imperii Romani für die Nachfolger der römischen Imperatoren. Die "Überzeugung, daß das mittelalterliche Kaisertum lediglich eine Fortsetzung des römischen sei, reicht bis auf die Zeit O t t o s III. zurück. Selbst diejenigen deutschen Könige, welche die Kaiserwürde nicht erworben hatten, wie z. B. R u d o l f I., hielten an dieser zu einem festen Dogma gewordenen Fiktion fest; sie beriefen sich daher ir. ihren italienischen Streitigkeiten und hofgerichtlichen Urteilen auf römisches Recht. Unter „Kaiserrecht" oder „der Kaiser geschriebenes Recht" verstand der deutsche Gesetzgeber im Mittelalter nicht bloß die deutschen Reichsgesetze, sondern auch das corpus iuris J u s t i n i a n s . — F r i e d r i c h I. ließ zwei seiner Gesetze durch die Universität Bologna als leges authenticae in den Codex aufnehmen. 1 Auch der Reichsabschied (Reichslandfrieden) 2 vom 3. Januar 1187 zu Nürnberg enthält in § 14 die Verfügung Kaiser F r i e d r i c h s I., daß diese Rechtsordnung (ordinatio) der höheren und dauernden Rechtskraft wegen unter die Gesetze seiner kaiserlichen und königlichen Vorfahren aufgenommen werden solle.3 F r i e d r i c h II. veranlaßte die Aufnahme seines römischen Gesetzes aus d. J . 1220 in den Codex* H e i n r i c h V. ordnete die Aufnahme seines Ketzergesetzes von 1312 ausdrücklich an, aber, wie es scheint, ohne Erfolg. 6 — Bekanntlich bestehen die Libri heudorum (lib. II, 27; 52—57) aus Gesetzen F r i e d r i c h s I., L o t h a r s III. und H e i n r i c h s VI. Daher kam es, daß dieselben als ein Nachtrag zu den Justinianischen Novellen (decima collatio novellarum) behandelt wurden; denn die Gesetze dieser deutschen Könige wurden als Gesetze dei Nachfolger der römischen Imperatoren von den Glossatoren anerkannt. 6 Am 1 Vgl. Mon. Germ. Leg. II, p. 114: „Eanc attieni legem inter imperiales constitvtiones sub titulo. „Ne filius pro patre" inseri iussimus. Datum apud Jtoncalias an. I)om. MCLVI1I, mens, novemb. S. auch Krüger, Codex Justin.,

p. 511 (4, 13, 5). 2

Es betrifft hauptsächlich das Verbrechen der Brandstiftung. „Ut autem haec tarn utilis ordinatio omni lempore rata permaneat, et eo quo dieta est tenore ineonvulsa consistat, earn legibus prnedeeessorum nostrorum Imperatorum atque Regum iussimus interseri et perpetuo iure servari." Dieser Verfügung scheint aber keine Folge von Seiten der Glossatoren geleistet worden zu sein. S. auch Schröder, a. a. 0., S. 732, Anm. 2. 4 Mon. Germ. Leg. II, p. 243 und Krüger, a. a. 0 , S. 510 (1, 2, 12). 6 „Et hanc, itaque nostre serenitatis eonstitutionem in corpore iuris sub debita rubrica volumus inseri et mandamus.u Mon. Germ. Leg. II, p. 535. * A c c u r s i u s betrachtet das Lehenrechtsbuch als einen wesentlichen Bestandteil des Corpus iuris Justin., und infolgedessen auch die Glosse zu den libri feu3

§ 28.

Die ältere Rechtsregel in der Reichsgesetzgebung.

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ausgeprägtesten trat die Idee der translaiio imperii bei K a r l IV. hervor. I n der „Goldenen Bulle" übertrug er das crimen laesae maiestatis der lex Julia auf die gegen das Leben eines Kurfürsten gerichtete Unternehmung (G.B. Kap. 24: „de crimine laesae maiestatis principum electorum"). Der von ihm herrührende Entwurf eines böhmischen Landrechtes [maiestas Carolina) wimmelt von römisch-rechtlichen Ausdrücken und Redewendungen. Und wegen seiner lebhaften Neigung für das römische Recht gründete er i. J . 1347 die (älteste deutsche) Universität Prag. 1 Aus diesen historisch bezeugten Thatsachen geht hervor, daß die deutschen Könige in römisch-rechtlichen Anschauungen mit Vorliebe sich bewegten, und es ist daher zu erwarten, daß wir auch den Grundsätzen des römischen intertemporalen Privatrechtes innerhalb der Gesetzgebung des alten deutschen Reiches begegnen werden.

§ 28.

Die intertemporale Rechtsregel des älteren römischen Rechtes in der Gesetzgebung des alten deutschen Reiches.

Die ältere Rechtsregel erscheint im R.A. zu Augsburg v. J . 1500, Titel XXII, welcher für die Wiederkäufe in Bezug auf Form, Maß und Inhalt Beschränkungen einführt. Am Schlüsse heißt es: „Wir setzen, ordnen und wollen auch, ob h i n f ü r , nachdem und die vorangezeigte Form und Maass verordnet, gesetzt und verkundt sein wird, einig Widerkäuff gemacht, die an der Substantz und Form abgemeldt, gebrechlich erfunden würden, daß dieselbe alle krafftloss, unwürdig und untüchtig sein sollen.'' 2 — Ein weiteres Beispiel für die ältere Rechtsregel bietet der R.A. zu Augsburg Y. 1551, § 79. Es handelt sich hier um das bekannte Verbot der Cession einer Forderung, die ein Jude gegen einen Christen erworben hatte, an einen anderen Christen, „bei Verlust derselben Forderung." Obschon in § 78 der Gesetzgeber seine Mißbilligung und seinen Abscheu gegen eine derartige Cession kundgiebt, 3 so kann er sich doch darum, von Jacobus Columbi als einen wesentlichen Bestandteil der Glosse des Corpus iuris Justin, überhaupt; daher brachte er auch die glossa ordinaria des Jacobus Columbi wie die übrige glossa ordinaria zum Abschluß. Vgl. L A S F E T R B S , Entstehung der libri fendorum, p. 326 u. fg., 329 u. fg. uud 396 u. fg. 1 Auch die übrigen deutschen Könige zeigten lebhaftes Interesse für die Universitäten. Die Aufgabe der früheren Hofkapelle, eine Schule für den Dienst in der Kanzlei und Diplomatie zu sein, ging seit der Gründung Bolognas auf die italienischen, seit dem 14. Jahrhundert mehr und mehr auf die deutschen Universitäten über. Vgl. Acta nationis Qermanicae universitatis Bononiensis, hrsg. von F B I E D L Ä N D E R und M A L A G O L A , 1887; ferner B R U N N E R in der Ztschr. f. R . G . I X , § 250 u. fg. 2 Der Titel X X X I I . handelt von den „wucherlichen Contracteu"; die Wiederkäufe, die einer Neuordnung unterliegen sollen, sind eins mit unserem heutigen verschleierten Wucher oder eontraetus mohatrae. * „Neben dem so erfindt sich, daß auch die Judeu solche ihre unbilliche Schulden und Anforderungen, die sie auf den armen Christen mit höchsten Be-

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Das intertemporale Privatrecht in den Reichsgesetzen.

nicht entschließen, diesem Gesetze die Ausschließlichkeit zu gewähren, sondern er bleibt der älteren Rechtsregel des römischen intertemporalen Privatrechtes getreu. Der ständig wiederkehrende Ausdruck in den Reichsgesetzen zur Bestimmung, daß die ältere Rechtsregel Platz greife, ist das Wort „hinfürter" oder auch „hinfüro". 1 Die Vorschrift dieses R.A. ist in der R.P.O. v. 1577 zu Frankfurt wiederholt worden.2 Ein ferneres Beispiel für die Anwendung der älteren Rechtsregel gewährt die R.P.O. v. 1577. Nachdem schon die R.P.Ordnungen v. 1500, 1530 und 1548 zu Augsburg die wucherlichen Kontrakte verboten, fügt sie noch eine Strafbestimmung hinzu, wonach der Wucherer den vierten Teil der Hauptsumme verlieren solle und zwar zur Hälfte an die Obrigkeit, zur anderen Hälfte an den Bewucherten („den armen Mann"). Diese Strafe soll aber nur denjenigen treffen, der „solche wucherliche Contract und Partiten h i n f ü r o künfftiglich, nach Publicirung dieser unser Ordnung üben würde." 3 Bemerkenswert ist hier der Pleonasmus, mit welchem die ältere intertemporale Rechtsregel hervorgehoben wird. Die Bezeichnung „hinfüro", die sonst regelmäßig allein gebraucht wird, genügt nicht, sondern es kommen noch hinzu die Ausdrücke „künfftiglich" und „nach Publicirung". — In § 12 desselben Titels verbietet die R.P.O., daß in künftigen Schuld- oder Gültverschreibungen die Leistung einverleibt werde und bestimmt, daß jede Schuldverschreibung mit einer derartigen Klausel null und nichtig sei.4 Ist nun schon in diesem Paraschwerden und unziemlichen Vorteil erlangt, anderen Christen verkauffen, und die Verschreibungen auf die Kauffer stellen lassen, welche in die armen übervorteilten Schuldner zu dem heftigsten dringen, und sie etwan gar von Hauss und Hoff vertreiben." 1 „Es soll auch kein Christ h i n f ü r t e r einem Juden sein Action und Forderung gegen einen anderen Christen abkauften, oder ein Jud als Schuldgläubiger einem anderen Christen solche Aotionen und Förderungen in einigem Weg cediren, oder einigs Contracts-Weiss zustellen, bei Verlust derselben Forderung.'1 * S. RP.O. XX. Titul. § 4. 8 Auch die säumige Obrigkeit bedroht die R.P.O. mit Strafe von zwei, drei oder vier Mark „lötigs Golds", welche der kaiserliche Fiskal „beklagen und annehmen" soll. Die Strafe des Wucherers ist halb öffentlicher, halb privater Natur; sie ist Privatstrafe, soweit sie an den „armen Mann" fällt; die Strafe der Obrigkeit ist eine rein öffentliche. 4 Schon die E.P.O. v. 1548 beschäftigt sich in Tit. XVII, § 9 mit den Gültverschreibungen mit der Klausel „auf Bürgen in Leistung zu mahnen", indem sie verbietet, daß eine solche Verschreibung „auss dein Heiligen Reich Teutscher Nation veräußert werde, noch der Verkauffer oder die Bürgen, so dem Reiche unterworffen, darauß eingemahnt werden sollen " Den Übertreter soll eine Geldstrafe treffen. Es handelt sich also hier um einen Rentenkauf, wobei dem Käufer das Kündigungsrecht („Mahnung") eingeräumt wird, und zwar sowohl gegen den Hauptschuldner, als gegen die Bürgen. Es ist möglich, daß die R.P.O. das deutschrechtliche Verstärkungsmittel der Schuldverschreibungen, nämlich das E i n l a g e r , im Auge hatte, wie aus § 10 der R.P.O. v. 1577 hervorzugehen scheint, wo es am Schlüsse heißt: „Da auch einige Verschreibung gleichwol hinfürters darauf gestellt würde, soll dieselbige Leistung als nunmehr iure publica verbotten, an ihr

§ 29.

Die neuere Rechtsregel in der ReichsgeBetzgebung.

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graphen die ältere intertemporale Rechtsregel herangezogen, da das Verbot ausdrücklich nur „künftige" Schuld- oder Gültverschreibungen treffen will, so ist es für überflüssig zu erachten, wenn der § 11 desselben Titels sich ausführlich mit den Gültverschreibungen der Vergangenheit beschäftigt. Es; ist ja klar und selbstverständlich, daß diese nach der alten Rechtsordnung, also nach § 9, Tit. XVII der R.P.O. von 1538 zu beurteilen sind. Der Reichsgesetzgeber von 1577 hält es jedoch für notwendig, die Bestimmung dieses Paragraphen Wort für Wort zu wiederholen. 1 Man bann aus diesem Verhalten des Gesetzgebers den Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber jener Zeit vom intertemporalen Rechtsbewußtsein der Gerichte nicht viel hielt und, um falschen Urteilen von vornherein den W e g zu verlegen, lieber das nach intertemporalem Privatrecht Selbstverständliche ausdrücklich wiederholte. Wir sind auch der Ansicht, daß eine solche an und für sich überflüssige Bestimmung des Gesetzgebers bei schwankendem intertemporalem Rechtsbewußtsein der Gerichte nützlich, ja sogar notwendig ist. Selbst ein J u s t i n i a n fand es für angemessen, solche überflüssige, intertemporale Bestimmungen weitschweifig auseinanderzusetzen; denn auch er war des richtigen intertemporalen Rechtsgefühles und Verständnisses seiner Gerichte keineswegs sicher. 3

§ 29.

Die neuere Rechtsregel des intertemporalen Privatrechtes in der Gesetzgebung des alten deutschen Reiches.

Als ein Beispiel dafür, daß ein Reichsgesetz sich der alten Rechtsordnung gegenüber die Ausschließlichkeit beilegt, muß der R.A. zu Freiburg v. J. 1498 angesehen werden, welcher in § 37 trotz widerstrebendem Gewohnheitsrechte ein neues Intestaterbrecht der Töchter und Enkel einführte. Selbst wenn sich die Thatbestandsverbindungen, 3 welche das Intestaterbrecht erzeugen, v o r Erlaß des R.A. vollendet haben, nämlich die Geburt der Intestaterben u n d der Tod des Intestaterblassers, so soll doch der Richter nicht mehr nach dem alten Gewohnheitsrecht, sondern nach der neuen Rechtsordnung des R.A. dieselben beurteilen. 4 Bemerkenswert selbst nichtig und demnach kein Bürg noch Schuldner zu leisten, noch auch den W i r t h e n , da auf ihne mit der That g e l e i s t e t wurde, etwas zu bezahlen verbunden sein." 1 „Was aber vergangene Gült-Verschreibungen anlangen thut, dieselben lassen wir bei voriger Disposition bleiben, als nemliih . . ." (folgt der Wortlaut des § 9 der E.P O. v. 1548, mit einer Änderung, auf die wir im nachfolgenden Paragraphen zurückkommen werden). a S. oben § 9, S. 64 fg. und § 11, S. 73. 3 Über Thatbestandsverbindungen s. Buch II, 1. Kap. 4 R.A. § 37: „. . . Der Gewohnheit, so an etlichen Orten dawider sein möcht, unangesehen, wann Wir auch dieselben Gewohnheit, als der M i l t i g k e i t , Rechten und Billicheit w i d e r w e r t i g und ungerneß hiemit, aus Vollkommenheit Unser Macht und rechter Wissen, abthun und vernichtigen; allen und jeden Richtern und Gerichten ernstlich gebietendt, hinfür nit mehr nach sollicher Gewohnheit,

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Das intertemporale Privatrecht in den Reichsgesetzen.

bei diesem Gesetze des alten deutschen Reiches ist, daß dasselbe die Voraussetzungen, welche die neuere intertemporale Rechtsregel erfordert, nnd die unsere römischen Untersuchungen 1 zu Tage gefördert haben, vollauf bestätigt. Die materielle Voraussetzung ist die Empörung des Rechtsgefühles gegen die alte Rechtsordnung, die auch den Willen erzeugt, deren Herrschaft für die Zukunft gänzlich auszuschließen ist. Dieser Auflehnung des modernen Rechtsgefühles gegen die Bestimmungen des Gewohnheitsrechtes verleiht der Gesetzgeber bereits in diesem R.A. klaren und deutlichen Ausdruck, indem er die bisherige Gewohnheit als der „Miltigkeit, Rechten und Billichkeit widerwärtig und ungemeß" bezeichnet und es daher „abthun oder vernichtigen will." 2 — Auch die formelle Voraussetzung der neueren intertemporalen Rechtsregel, nämlich die ausdrückliche Aufnahme der Ausschlußklausel, wird durch das Reichsgesetz erfüllt. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß dasselbe die der römischen Ausschlußklausel geläufigen Ausnahmen, nämlich die durch rechtskräftiges Urteil und endgültigen Vergleich erledigten Rechtsverhältnisse, stillschweigend übergeht. Ein weiteres Beispiel für die neuere Rechtsregel gewährt der R.A. v. 1521 zu Worms, in § 19, welcher bestimmt, daß die Kinder vorverstorbener Brüder oder Schwestern des Erblassers, falls sie mit überlebenden Brüdern oder Schwestern des Erblassers zusammen erben, nach Stammteilen erben sollen. Die Ausschlußklausel lautet hier folgendermaßen: „So wollen Wir, daß bemeldte Unser Stadthalter und Regiment, bei jeden Obrigkeiten im Reich verfügen, solches ihren Unterthanen zu verkünden, mit gleicher Derogation vernichten, und Abthuung der Gebrauch und Gewohnheiten an jeden Orten zu verschaffen." Der materiellen Voraussetzung wird nicht ausdrücklich Erwähnung gethan. 3 Hierher gesondern nach des heiligen Reichs geschrieben Rechten in sollichen Fällen zu urteilen und zu richten." 1 S. oben f? 4, S. 24 fg., insb. S. 28 und § 12, S. 86 fg. s Die Bestimmung dieses R.A. in § 37 wurde nicht als endgültig angesehen, indem in Abs. 2 desselben die endgültige Rechtskraft auf den Tag zu Worms verschoben wird. In der That wird dann im R.A. zu Augsburg i. J. 1500 in Tit. XIX, § 37 der R.A. v. 1498 wiederholt, der Abs. 2 jedoch weggelassen. Ebenso im R.A. zu Worms v. 27. Nov. 1521, § 19, jedoch in etwas anderen Worten. Endlich noch einmal im Edikt des Reichsregimentes zu Nürnberg i. J. 1521; dieses letztere gedenkt der Empörung des jetzigen Rechtsgefühles in etwas kräftigeren Worten: „ . . . der Gewohnheit, so an etlichen Orten darwider sein möchte, unangesehen, welche Gewohnheit, als der Müdigkeit des Rechten, Billigkeit, W i d e r w ä r t i g k e i t , zuwider und ungemäß abgethan, vernicht, auch allen Richtern und Gerichten, von derselben Zeit an, ferner auf solcher Satzung w i d e r w ä r t i g e r Gewohnheit zu urtheilen, und zu richten verbotten." 3 Der § 19 spricht allerdings von „Unwissenheit und Mißbrauch", welche die Anwendung des Gemeinen Rechtes bisher verhindert haben. Ahnlich drückt sich das Edikt des Reichsregimentes zu Nürnberg v. 27. Nov. 1521 aus, welches den Inhalt des § 19 aufnimmt. Damit dürfte die materielle Voraussetzung auch hier angedeutet sein.

§ 29.

Die neuere Rechtsregel in der Reichsgesetzgebung.

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hört ferner noch der E.A. zu Speier v. 1529, § 31. Schon der R.A. zu Worms von 1521 bestimmte in § 20, daß die Streitfrage der Rechtsgelehrten, 1 ob die Kinder vorverstorbener Brüder oder Schwestern des Intestaterblassers nach Stämmen oder nach Häuptern erben sollen, durch «ine spätere „Konstitution" entschieden werden solle. Diese erfolgte durch den R.A. von Speier v. J. 1529, § 31 und zwar zu Gunsten der Meinung von Azzo, wonach die Kinder vorverstorbener Geschwister „in die Häupter und nicht in die Stämme erben." Der R.A. fährt dann weiter fort: „Und damit auch weiter Irrung und gerichtlicher Zanck, so viel müglich, abgeschnitten, und im Heiligen Reich, und bei desselben Gliedern und Unterthanen, hierin alleuthalben Gleichheit gehalten werde, haben Ihr Kayserliche Majestät damit alle und jede Statuten, sondere Satzung, Gewonheit, Gebrauch, alt Herkommen und Freyheiten, wo die an einigem Ort, obberührter ihrer Kayserlichen Satzung zuwider erfunden, allein in obangezeigtem Fall cassirt, abgethan und aufgehoben." Darin liegt die Ausschlußklausel in unverblümten Worten. Auch diejenigen Thatbestandsverbindungen, welche vor dem R.A. ein Intestaterbrecht begründeten, sollen nach der neuen Rechtsordnung abgeurteilt werden, ohne dabei anscheinend die dem römischen Rechte bekannten Ausnahmen beizufügen, nämlich die durch rechtskräftiges Urteil und rechtsgültigen Vergleich erledigten Thatbestände und Rechtsverhältnisse. Als Gründe zur Rechtfertigung der Ausschließlichkeit wird nicht wie im R.A. zu Freiburg v. J. 1498 die „Widerwärtigkeit" der bisherigen Rechtsordnung angegeben, sondern der Zweck, einheitliches und gleiches Recht zu schaffen und Irrungen und gerichtlichen Zank abzuschneiden. Der R.A. fügt aber zur „Mäßigung" der Ausschließlichkeit in § 31 noch folgende Bestimmungen hinzu, 2 welche die in der römischen Ausschlußklausel typischen Ausnahmen ersetzen. Wenn nämlich unter einer Rechtsordnung, die die successio in stirpes ordnet, eine Erbschaft „jetzt", (d. h. also am 23. April 1529), „zu Fall gekommen wäre, oder hiezwischen und dem ersten Tag des Monats Augusti schierst kommend" (also zwischen dem 23. April und dem 1. Aug.) „durch Jemands tödlichen Abgang zu Fall kommen würde, soll die Erbschafft nach Ausweisung derselben sondern Statuten, Ordnung oder Gewohnheit allein in solchem Fall und zwischen dem jetztbenannten I. Tag Augusti, unverhindert dieser Unser Ordnung, getheilt werden. So aber ein Erbfall an Orten und Enden, da über obgemeldtem Fall keine besondere Statut, Freyheit, Ordnung oder Gewonheit, jetzt zu Fall kommen, darüber in erster, zweyter oder dritter Instantzen noch nicht geurtheilt, oder die Theilung noch nicht beschehen, oder hiezwischen und benannten I. Tag Augusti zu Fall kommen wäre, oder darnach verfallen würde, soll

1 Es handelt sich um die bekannte Streitfrage zwischen den beiden Glossatoren Azzo und Accursius. * Der ganze § 31 samt der genannten Bestimmung ist in einer besonderen kaiserlichen „Konstitution" v. 23. April 1529 verkündet worden.

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Das intertemporale Privatrecht in den Reichsgesetzen.

es mit Vertheilung und Entscheidung desselbigen Falls, Inhalt dieser Unser Kayserl. Satzung gehalten werden." Der letzte Satz entspricht also der römischen Ausnahmeklausel, wonach ein durch rechtskräftiges Urteil oder rechtsgültigen Vergleich erledigtes Rechtsverhältnis nicht unter die neue Rechtsordnung fallen solle, wenn auch in negativer Ausdrucksweise.1 Das Ergebnis unserer Untersuchung dieses § 31 des R.A. v. 1529 besteht also darin, daß derselbe eine Ausschlußklausel enthält mit typischen Ausnahmen, wie sie uns aus dem römischen intertemporalen Privatrecht genugsam bekannt sind. 2 Zum Schluß sei noch als Beispiel der neueren Rechtsregel der § 9 des Tit. XVII der R.P.O. v. 1548 zu Augsburg angeführt. 3 Derselbe bestimmt: „So auch ein Gültverschreibung / auf Bürgen in Leistung zu mahnen / gestellt wäre oder w ü r d e / w o l l e n wir hiemit geordnet haben/ daß dieselbige Verschreibung nicht aus dem Heiligen Reich Teutscher Nation veräusert / noch der Verkäufer / oder die Bürgen / so dem Reiche unterworffen / daraus eingemahnt werden sollen." Merkwürdig ist hier, daß die Ausschlußklausel durch ein einziges Wort ausgedrückt wird, nämlich durch das Hilfszeitwort „wäre" in Verbindung mit „würde." * Dadurch erlangt § 9 eine Herrschaft nicht bloß über derartige Gültverschreibungen der Zukunft, sondern auch über die Gültverschreibungen dieser Art, welche vor Erlaß der R.P.O. errichtet wurden. Er bestimmt zwar nicht die Nichtigkeit dieser Thatbestände, wohl aber beraubt er sie gewisser rechtlicher Wirkungen. 5 Der Gültenkäufer soll nämlich derartige 1 Der 1. August spielt deswegen in der Ausschlußklausel eine so große Rolle, weil die kaiserliche „Konstitution" sämtlichen Obrigkeiten innerhalb des deutschen Reiches befiehlt, bis zu diesem Termine „diese unsere Kayserl. Satzung allen ihren Unterthanen, Angehörigen, Landsassen und Hindersassen öffentlich zu verkünden." Selbst bei Säumnis einer Obrigkeit sollte eine Art Fiktion der Publikation auf den 1. August eintreten. 2 Befremdend ist es daher, wenn, trotz dieser klaren Ausschlußklausel, die sich in § 31 cit. vorfindet, GÖPPERT, a. a. 0., S. 30 Anm. 1 die kaiserliche „Konstitution 1 ' v. 1529, die den § 31 mit samt der Ausschlußklausel aufgenommen hat, als Beweis dafür anführt, daß das Prinzip „neue Gesetze haben keine rückwirkende K r a f t " von der alten deutschen Reichsgesetzgebung als maßgebend anerkannt wurde. GÖPPERT verfällt hier in denselben Irrtum wie BESELER, welcher das Kap. 388 der Leges R o t h a r i s (s. oben § 20) als einen Beweis f ü r die Anerkennung jenes Prinzipes in den germanischen Rechtsquellen anfuhrt. Beide Gelehrten haben die neuere intertemporale Rechtsregel und die typische Ausschlußklausel des römischen Rechtes übersehen, bezw. den klaffenden Unterschied zwischen der alten und der neuen intertemporalen Rechtsregel nicht erkannt. 8 Auf den wir bereits oben § 28 Bezug genommen haben. 4 Gerade dieses Wort ist es, welches die R.P.O. v. 1577 zu Frankfurt, welche in § 11 den § 9 der R.P.O. v. 1548 sonst wörtlich in Bezug auf „vorgangene Gültverschreibungen" aufgenommen hat, mit Absicht ausläßt; denn da zukünftige Gültverschreibungen „auf Bürgen in Leistung zu mahnen gestellt' 1 nach § 10 der R.P.O. v. 1577 null und nichtig sind, so kommen diese überhaupt nicht mehr in Betracht. 5 S. oben § 12, insb. S. 88. Er fällt somit unter die zweite Möglichkeit der neueren Rechtsregel.

§ 30.

Im Allgemeinen.

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Gültverschreibungen nicht „auss dem Heiligen R e i c h Teutscher Nation" veräußern, noch den Verkäufer und die Bürgen, „so dem Reich unterworffen", daraus einmahnen, daß, widrigenfalls die Bürgen von der Verpflichtung „inzuhalten" und der Verkäufer von der Verpflichtung sie auszulösen, befreit sind, „auch der Uebertreter den halben Theil der Haupt-Summa, in der Gültverschreibung benannt, verwirkt haben, von welcher ein Viertheil dem Verkauffer, und das ander Viertheil der Obrigkeit, darunter der Verkauffer gesessen, oder gehörig ist, verfallen sein, oder gegeben werden. solle." Der Grund für die Ausschließlichkeit dieser Rechtsvorschrift wird in § 9 selbst nicht angegeben. Allein er läßt sich sehr wohl aus der Überschrift des Tit. XVII ergänzen; diese lautet: „Von w u c h e r l i c h e n Contracten." Damit ist alles gesagt: die Auflehnung des jetzigen Reohtsgefühles gegen die alte Rechtsordnung, welche Gültverschreibungen „auff Bürgen in Leisten zu mahnen" mit obengenannten Rechtswirkungen ausstattete.

V.

Das intertemporale Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung. § 30.

Im Allgemeinen.

Im Folgendem soll nur die Territorialgesetzgebung 1 auf ihren intertemporalen Rechtsgehalt geprüft werden. Den Stadtrechten ist der folgende Unterabschnitt gewidmet. Die Territorialgesetzgebung war ein Ergebnis der allmählich sich entwickelnden Landeshoheit und nahm, wie die Gesetzgebung des alten deutschen Reiches, ihren Ausgang von der Landfriedensgesetzgebung. Sie stand jedenfalls seit dem 13. Jahrh. unter dem Einflüsse des römischen Rechtes, welches in der Glossatorenschule zu neuer Blüte gelangte. 2 Daher dürfen wir erwarten, daß auch die ältere intertemporale 1 Die Territorialgesetzgebung trat an die Stelle der Provinzialgesetzgebung, welche während des 10. Jahrh. noch eine gewisse Regsamkeit zeigte. Hierher gehört ein fränkisches Sendrecht (s. SCHRÖDER, a. a. 0. § 55). ' Aus dem 12. Jahrh. sind Landesgesetze die zu Upstallsbom errichteten Landfriedenseinungen der ost- und mittelfriesischen Landschaften. Diese und die Uberküren (noeae constitutiones) in friesischer Sprache aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts) dürften wohl vom Hauch des römischen Rechtes noch nicht getroffen sein. Als eine schwache Andeutung des intertemporalen Rechtes ist der Prolog der leges Upstalsbomicae v. 1323 zu betrachten, wenn er sagt: „ . . . constitutarum ordinavimus diversitates literarum mb hae forma singulis articulis reformatis et conscriptis nunc et perpetuo valituris." (S. RICHTHOFEN, Untersuchungen I, S. 250. Auch das Oroninger Statut v. 1361 enthält keinen intertemporalen Satz, obschon sieben neue Artikel aufgestellt werden. S. RICHTHOFEN, a. a. 0 . S. 291. Der Prolog endigt: „ . . . et approbamus in hiis seriptis cum addicione paueorum articulorum ad sex annos, a data presentium continue et immediate sequentes, fwmiter observandos."

Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

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Kegel des römischen Privatrechtes in den Landesgesetzen anerkannt wird. Die bisherigen Schriftsteller über unseren Gegenstand betonen nur diese Erscheinung, da sie die neuere Rechtsregel nicht kennen. 1 Es wird aber unsere Aufgabe sein, zu zeigen, daß letztere, wie in der Gesetzgebung des alten deutschen Reiches, auch in der Landesgesetzgebung Aufnahme gefunden hat. Es ist klar, daß seit der Rezeption des römischen Rechtes, welche im 16. Jahrh. zur Vollendung gelangte, der Einflus des römischen Privatrechtes und damit auch dessen intertemporale Grundsätze auf die Landesgesetzgebung einen noch stärkeren Einflus ausüben mußte. Trotzdem wollen wir zum Zweck unserer Untersuchung keine Scheidung der Landesgesetze vornehmen, in solche die vor der Rezeption und in solche, die nach derselben erlassen worden, da sich ja der Einfluss des römischen Rechtes bei beiden Arten von Gesetzen zeigt und nur dem Grade nach verschieden ist. — Diejenigen Landrechte oder Landrechtsbücher, welche sich auf die bloße Aufzeichnung des bestehenden Gewohnheitsrechtes beschränken,2 sind keine Erscheinungsformen wirklicher Gesetzgebung und bedurften daher auch nicht der landständischen Genehmigung. Wie die germanischen Yolksgesetze, unterliegen sie stillschweigend der neueren intertemporalen Rechtsregel; eine thatsächliche Änderung der Rechtsordnung hat hier gar nicht stattgefunden. — Ganz außerhalb des intertemporalen Rechtes stehen aber die Rechtsbücher, welche nur Arbeiten von Privatpersonen darstellen, somit gar keine Ausflüsse der Gesetzgebung sind. Dagegen sollen Gesetzesentwürfe, denen entweder die landesherrliche oder landständische Genehmigung vorenthalten wurde, in den Kreis unserer Untersuchung gezogen werden.3 Einige Landrechte schließen sich eng an ein bestehendes Rechtsbuch an, z. B. an den Sachsenspiegel, enthalten jedoch zum

1

2

S . GÜPPEHT, a

a. 0 . S. 2 9 u n d STOBBE, 3. A u f l . I , S. 2 0 3 .

Hierher gehören z. B. das Landrecht der Grafschaft Saarbrücken, angeblich von 1221 (s. dessen Vorrede; vgl. KREMER, Geneal. Gesch. d. alten ardenn. Geschl. 1785, S. 551—552); ferner das Steyrisehe Landrecht aus der zweiten Hälfte d. 14. oder ersten Hälfte des 15. Jahrh. (s. F. BISCHOFF, Steyermärk. Landr. des Mittelalters, Einl. IV); schon der Titel desselben weist darauf hin: „Das ist der Lanndluuf von Steyr der geuondlichen recht, die man täglichen wanndelt." Ferner das Trenther Landrecht v. 1412, verfaßt auf Anlaß des Bischofs von Utrecht, FRIEDR. v. BLANCKENHEIM: dies geht hervor aus dem Prolog und Epilog; außerdem beginnt beinahe jeder Paragraph mit: „Item soe ist landtreeht" (s. die Ausgabe von RICHTHOFEN, Friesische Rechtsquellen, S. 522 u. fg.). 3 Zu diesen letzteren gehört das österr. Landrecht, welches 1298 dem König Albrecht von seinen Dienstmannen vorgelegt, aber weder von ihm noch von seinen Nachfolgern bestätigt wurde. Obschon dasselbe Verfügungen der Gesetzgebung enthält und nicht lediglich Aufzeichnungen des bestehenden Gewohnheitsrechtes, so weisen die Überschriften immer darauf hin, daß sie bereits bestehendes Recht enthalten. S. HASENÖHRL, Österr. Landesrecht, 1867, § 2. Infolge dieser Fiktion enthält das Gesetzbuch keine intertemporale Rechtsregel.

§ 30.

Im Allgemeinen

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Schlüsse einige selbständige Zusätze, denen aber keine intertemporale Rechtsregel beigegeben wird.1 Es ist hier der Ort, auf eine Erscheinung des intertemporalen Privatrechtes hinzuweisen, deren Spuren sich bereits im römischen Rechte vorfinden, nämlich auf die positive intertemporale Klausel oder, wie ich sie auch nenne, auf die Gewährungsklausel. Nach dem Sinn und Geiste der c. 7 de legibus 1, 14 wäre nur die negative intertemporale Klausel, die Ausschlußklausel, notwendig; die positive ist hiernach überflüssig, ja irreführend. Doch hatte schon die republikanische Zeit eine typische positive Klausel 2 und J u s t i n i a n wandte sie, wohl zum Zwecke, sein intertemporales Billigkeitsgefühl herauszustreichen, mit Vorliebe an. 3 — Diese positive intertemporale Klausel, welche der alten Rechtsordnung noch eine fernere Herrschaft über die unter ihr gebornen Thatbestände und Rechtsverhältnisse gewährt, bürgerte sich in der Gesetzgebung immer mehr ein, so auch in den langobardischen Edikten L i u t p ^ a n d s 4 und sie wird auch ein fester Bestandteil der Abschiede des alten Deutschen Reiches. In den Vorreden der Landrechte wie auch der Stadtrechte faßt sie immer festeren Fuß. Schon L i u t p r a n d begnügte sich nicht mehr mit der kurzen republikanischen Klausel, und in den Vorreden der Land- und Stadtrechte 6 wächst sie z. B. zu einer ausführlichen Auseinandersetzung darüber an, daß die alte Rechtsordnung auch unter der neuen ihre Thatbestände und Rechtsverhältnisse beherrsche. Die Gewährungsklausel erfährt nun eine verschiedenartige Ausgestaltung. Unter dem Einflüsse der Lehre von den wohlerworbenen Rechte nimmt sie eine subjektive Färbung an; ich nenne sie daher die subjekt i v e Gewährungsklausel im Gegensatz zu der der römischen Ausdrucksweise angepaßten o b j e k t i v e n , welche nicht von subjektiven Rechten, sondern von Thatbeständen und Rechtsverhältnissen der Vergangenheit spricht. Daß die subjektive Fassung eine verfehlte und daher für die Rechtssprechung gefährliche ist, wird im Verlaufe der Darstellung gezeigt werden. Aber noch in anderer Richtung zeigen sich verschiedenartige Fassungen der Gewährungsklausel. Sie kann entweder der alten Rechtsordnung bez. ihrer Thatbestände und Rechtsverhältnisse ausdrücklich gedenken oder sie, bezw. ihre Geschöpfe, garnicht erwähnen, sondern sich 1

Hierher gehört das auf Anlaß des Königs Johann von Böhmen verfaßte Schlesisehe Landreeht von 1356, welches nach 351 Kapiteln, die mit dem sächsischen Landrecht übereinstimmen, den Zwischensatz enthält: „Hie hebin sich an XIII. Capitel von den sechs mannen gesacxt." Darauf folgen Kap. 352 — 364, welche von den „sechs Männern'- herrühren; Kap. 365 dagegen scheint von einem späteren Abschreiber beigefügt worden zu sein (s. G-AUPP, Das sehlesische Landrecht, 1828, S. 55). 1 S. oben § 2, S. 21: . . . post hane legem• rogatarn. 3 S. oben § 11, S. 73. 4 S. oben § 20, S. 145 fg. 5 S. die Vorrede zum Freiburger Stadtrecht und den Schluß des Stadtrechtes von Schmollen.

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Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

einfach damit begnügen, die Herrschaft der n e u e n Rechtsordnung auf die unter ihr eintretenden Thatbestände und Rechtsverhältnisse zu beschränken; daraus geht aber von selbst hervor, daß der Gesetzgeber der alten Rechtsordnung ihre Herrschaft über ihre Geschöpfe belassen will. 1 Im ersteren Falle liegt die a u s d r ü c k l i c h e Gewährungsklausel vor, im letzteren die s t i l l s c h w e i g e n d e . — In der Landesgesetzgebung des 18. Jahrhunderts taucht eine Reihe neuer intertemporaler Erscheinungen auf, so vor allem ein gemischtes intertemporales System, wonach zwar der neueren Rechtsregel grundsätzlich stattgegeben wird, jedoch mit einer Reihe von Vorbehalten zu gunsten der alten Rechtsordnung; die einschlägige Klausel kann zutreffend als die b e s c h r ä n k t e Gewährungsklausel bezeichnet werden. — In der preußischen Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts enwickelt sich ein intertemporales Meistbegünstigungsrecht und ein intertemporales Optionsrecht. — All* das beweist, daß auch das Recht der Rechtsordnung, wie alles Recht, im stetigen Flusse begriffen ist. Es ist das Verdienst der historischen Schule, das fortdauernde Wachstum des Rechtes im allgemeinen festgestellt zu haben. Die organische Entwicklung des Rechtes läßt sich aber nirgends so greifbar nachweisen, als bei der äußersten Rechtsschicht, beim ius supra iura. Der Grund davon liegt darin, daß diese erhabene Rechtsordnung aus verhältnismäßig wenigen Normen besteht, die darum um so greifbarer und plastischer hervortreten.

§ 31.

Die ältere Rechtsregel des römischen intertemporalen Privatrechtes in den Landesgesetzen.

Als eines der hervorragendsten gesetzgeberischen Werke muß das Oberbairische Landrecht von König Ludwig dem Baiern bezeichnet werden.1 Es hat zwar einen doppelten Charakter: es ist zum Teil Rechtsbuch, zum Teil Gesetzbuch. Als Rechtsbuch lehnt es sich an das bestehende Gewohnheitsrecht an, als Gesetzbuch dagegen ist es schöpferisch und neugestaltend. Als Gesetzbuch steht es, wenn auch nur in geringem Maße, unter dem Einfluß des römischen Rechtes; der Hauptbeweis für diese Behauptung liegt darin, daß es die ältere römische Rechtsregel des Privatrechtes enthält.2 Es findet sich in der That dieser Grundsatz in zwei Artikeln von Ludwigs Landrecht. Der eine Artikel, 249, spricht ganz allgemein diesen Grundsatz aus.3 Er bestimmt nämlich für den Fall, daß das Gesetzbuch die frühere Rechtsordnung „geminnert oder gemert" 1

S. das Stadtrecht von Basel, unten § 35. ' S. v. D. PFORDTEN, Studien zu Kaiser Ludwigs Stadt- und Landrecht, 1 8 7 5 , besonders dritte und achte Studie. ® S. v. D. PFOBDTEN, S. 166 und 302. Andere Beweise der Einwirkung des römischen Rechtes befinden sich im Pfandrecht und in der rechtlichen Regelung des Spieles.

§ 31.

Die ältere Rechtsregel in den Landesgesetzen.

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oder neue Rechtsvorschriften „erfunden" hat, diese Änderung der alten Rechtsordnung den nach den Vorschriften der alten Rechtsordnung erlangten Rechten Jemandes „dhainen schaden bringen süllen."1 Auffallend ist die durchaus selbständige Fassung der älteren römischen intertemporalen Rechtsregel, die uns hier in einem Gesetze zum ersten Male begegnet. Während die Römer die Regel in o b j e k t i v e r Weise dahin formulierten, daß die neue Rechtsordnung nur zukünftige Thatbestände beherrschen solle, auf die T h a t b e s t ä n d e der Vergangenheit jedoch keine Macht ausüben dürfe, so tritt im Gesetze Kaiser Ludwigs eine neue Auffassung hervor, die ich als eine s u b j e k t i v e bezeichnen möchte. In der römischen Fassung ist vom Rechtssubjekt und dessen subjektiven Rechten keine Rede, sondern es wird nur auf die Thatbestände und damit von selbst auf die daraus entstehenden Rechtsverhältnisse der älteren bezw. neueren Rechtsordnung verwiesen. Dagegen läßt Kaiser Ludwig in seiner Fassung des älteren intertemporalen Grundsatzes sowohl das Rechtssubjekt („nieman") als auch dessen subjektive Rechte („an seinem rechten"), die es auf Grund der alten Rechtsordnung erlangt hat, auftreten. Dieser Gegensatz ist so in die Augen springend, daß er verdient, auf seine Ursachen hin näher untersucht zu werden. M. E. liegt der Hauptgrund der neuen Fassung des älteren Grundsatzes durch den baierischen Gesetzgeber darin, daß zur Zeit der Entstehung des Gesetzbuches die Theorie der sogenannten erworbenen Rechte bereits in Blüte stand, eine Theorie, welche dem römischen Rechte selbst in der Justinianischen Zeit vollständig fremd war. 2 Diese subjektive Fassung der Gewährungsklausel birgt aber eine große Gefahr in sich. Wenn sie nämlich logisch korrekt ausgelegt wird, so verwandelt sie sich in d i e A u s s c h l u ß k l a u s e l mit dem Vorbehalt zu Gunsten der causae finitae, m. a. W. zu Gunsten der aus Judikat, Transakt, Konsens und Verjährung hervorgegangenen subjektiven Rechte. Ich werde auf diesen Punkt noch zurückkommen. 1

Art. 249: „Umb artikel geminnert oder gemert: Wir haben auch erfunden' und sprechen mit unsern triwen, swelich artickel geminnert oder gemert sint, oder new erfunden sint, dax die nieman an seinem rechten dhainen schaden bringen süllem, dax er mit dem rechten erlangt hat nach den pünten ah vor geschrieben stet all meins herren puoeh sagt, oder mit dem rechten erlangt hat, e dax puoch gemacht ist." ' Dieser Gegensatz ist in der einschlägigen Litteratur nicht bemerkt oder wenigstens nicht erörtert worden, schon aus dem Grunde,.».weil man bis in die neueste Zeit dem Thatbestand und dem Rechtsverhältnis im objektiven Sinne kein Verständnis entgegenbrachte. Die Theorie des subjektiven Rechtes mit allen ihren Folgerungen beherrscht so sehr noch Litteratur und Gesetzgebung, daß von einer richtigen Würdigung des objektiven Rechtsverhältnisses noch keine Rede sein kann. Dieser Subjektivismus ist als solcher unrömisch und hat vielmehr seine Hauptwurzel in der Theorie von den wohlerworbenen Rechten, welche von italienischen Schriftstellern im 13. Jahrh. zuerst aufgestellt wurde und im Großen und Ganzen für die Lehre vom intertemporalen Privatrecht die herrschende blieb. Es ist kein Zweifel, daß auch der baierische Gesetzgeber unter ihrem Einflüsse stand. Im übrigen verweise ich auf das III. Kap., 3. Abschn.

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Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

Der zweite Artikel, der unseren intertemporalen Grundsatz enthält, spricht ihn nicht allgemein aus, sondern wendet ihn auf gerichtliche Verhandlungen an; es ist dies Art. 17. 1 Daß er sich bloß auf gerichtliche Verhandlungen bezieht, geht aus der Überschrift des 1. Tit. hervor: „Tit. primus de iudiciis et quibusdam annexis." Vor dem Art. 17 sind außer der gerichtlichen Materie keine anderen behandelt. Das Dithmarsche Zandrei ht v. 1447 2 enthält in § 13, wie mir scheint, die alte mtertemporale Rechtsregel. Meine Ansicht erhält dadurch eine Bestätigung, daß ein Zusatz, der von späterer Hand geschrieben wurde,® zu Gunsten der neueren intertemporalen Kechtsregel eine Ausnahme macht. § 13 lautet: „Fortmer Scholen alle breve vnde privilegia de van vnd vnde vorvaren vorseghelt seyn, bliuen vnde wesen vullenkomener macht alzo se alder hoghest vorseghelt syn." Wie das oberbairische Landrecht, so gestaltet auch das Recht der Dithmarschen die alte intertemporale Rechtsregel in subjektivem Sinne aus. Wenn es von Briefen [breve) spricht, so meint es die darin gewährleisteten Rechte, was zum Überflüsse durch den zur Seite gestellten zweiten Begriff „privilegia" erhärtet wird. 4 Das älteste Landbuch der schweizerischen Demokratien, das von A F F E N Z E L L , V. J . 1409, enthält zwar wenig intertemporales Privatrecht. In den späteren Zusätzen jedoch erscheint hin und wieder die alte Rechtsregel. So in Art. 96® aus d. J . 1531, in welchem däs Kreditieren „farnder Hab" auf länger als ein J a h r verboten wird. Die Klausel, welche diesem Gesetz die Ausschließlichkeit benimmt, es vielmehr unter die alte Rechtsregel stellt, lautet ähnlich wie in den Reichsgesetzeri „für hin."6 1 Art. 17: „E des Herren puoch gemacht sey: Wax am man oder ain frawe mit dem rechten behabt hat, e (lex, herren puoch gemacht sey, dem selben soll das puoch und die gesecxt, die herre gesecxt hat, unsehedlieh seyn." 2 Ausgabe v. A. L. J. MICHELSEN, 1842. Die Entstehung dieses Landrechtes dürfte, wie die der meisten leges barbarorum, auf eine Einigung, also auf einen Gesamtakt zurückzuführen sein, wie aus dem Prolog desselben hervorzugehen scheint: , , . . . . rfo wart dat Lant to Dithmerschen eynirachtliken eyns desses nasereuenen rechtes ewichliken to holdende vnde to bliuende . . . " Als eine Merkwürdigkeit dieser deutschen Kechtsquelle verdient hervorgehoben zu werden, daß in Bezug auf die Frage, ob Kauf Miete bricht, das dithmarsche Landrecht den deutschrechtlichen Standpunkt nicht vertritt, sondern in § 149 bestimmt: „Eigentumskauf mag Erbheuer brechen: ein jeder sehe %u, was er heure und kaufe." So ganz ausnahmslos galt also der behauptete Grundsatz: „Heuer geht vor Kauf" auch in den reindeutschen Rechtsgebieten nicht. Bei den Ditmarschen brach der Kauf sogar die Erbpacht; soweit war nicht einmal das römische Recht gegangen. 3

S . MICHELSEX, a . a . 0 .

S . 6, N r . 8 .

4

Auf die von späterer Hand gemachte Ausnahme zu Gunsten der neueren intertemporalen Rechtsregel werden wir im nachfolgenden Paragraph zurückkommen. 5

6

S. die A u s g a b e v. J . B. RDSCH, 1869.

Art. 96: „Ittem an den ersttenn sonntag nach dem mayenn tag Im 1531 Jar hatt ain vollkumne LanUgemaind vff vnd angnomen, das non für hin kainer

§31.

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Die ältere Rechteregel in den Landesgesetzen.

Auch das Solmser landrecht von 1571 enthält die ältere intertemporale Rechtsregel; 1 das Publikationspatent weist mit folgenden Worten auf sie hin 2 : „Doch soll diese Fnsere Ordenung avff die fäll, so sich allbereyd zugetragen haben, zum theyl auch jetzt nach rechthengig sein möchten, nit gezogen, sonder allein auff solche Fälle vnd Sachen so hinfuran, nach Publicirung vnd verkéndung dieser vnser Ordnung, sich künfftiglich zutragen verstanden werden . . . " Bemerkenswert ist, daß das Publikationspatent die objektive römische Klausel gewählt hat, nicht die von Kaiser Ludwig zuerst gesetzlich gehandhabte subjektive Klausel der älteren intertemporalen ßechtsregel. Von „wohlerlangten" Rechten ist hier nicht die Rede, sondern vom „Fäll, so sich allbereyd zugetragen haben." Dabei mochte der Verfasser an die causae praeteritae oder negotia der römischen Ausdrucksweise gedacht haben. FICHARD that wohl daran, nicht die subjektive Fassung zu wählen, weil dieselbe genau genommen auf die Ausschlußklausel mit Vorbehalt der durch rechtskräftiges Urteil, gültigen Vergleich, Konsens und Stillschweigen erworbenen Rechte hinausläuft 3 (Ausnahmeklausel). Es ist auffallend, daß FICHARD dem Solmser Landrecht keine Ausschließlichkeit verlieh, während er als Verfasser der Frankfurter Reformation auf dem Boden der neueren intertemporalen Rechtsregel steht. Gerade deswegen aber könnten Zweifel entstehen, ob wirklich das Publikationspatent des Solmer Landrechtes die Gewährungsklausel enthält, umsomehr, als darin ausdrücklich der rechtshängigen Sachen und Fälle gedacht wird. Liegt nicht damit die Ausnahmeklausel vor, welche außer den causae pnitae die causae pendentes erwähnt? Bei genauerer Prüfung schwinden diese Zweifel. Es heißt: ,,zum theyl auch jetzt nach rechtshengig sein möchtenAlso unterscheidet FICHARD zwei Gruppen von Rechtsverhältnissen, die unter der alten me kain farnde hab lennger dinngs sol gebenn dann ain Jar vnnd welcher dax tber Sieht vnnd Sin hab lenngers dinngs gaib dann ain Jar, der sol vnnd mag lugenn, wo er dax hin nemen wolle, Dann ain Aman vnnd Badt, wil nütt darm.it xu sehaffin han, als icenig als mitt spil gellt.11 1 Der genaue Titel lautet: „Deren Oraueschafften Solms und Herrschafft Mintxenberg Gerichts-Ordnung und Land-Hecht." Die Grafen zu Solms und Herren zu Mintzenberg beauftragten den Frankfurter Syndikus Dr. JOH. F I C H A B D , ihren Rechtskonsulenten, i. J. 1570, eine Gerichts- und Landesordnung für ihr Territorium auszuarbeiten. FICHARD vollendete die Ordnung noch i. J. 1570; sie erschien „wörtlich und buchstäblich abgedruckt" i. J. 1571 zu Frankfurt a. M. bei Joh. Wolff. Deutsche Rechtsquellen I", S . 379 u. fg. FICHARD besaß jedenfalls bedeutende Kenntnisse des römischen Rechtes, die ihn instandsetzten, auch die republikanische Rechtsregel im Publikationspatent klar und scharf zu formulieren. Daß FICHABD das röm. Recht nicht ganz beherrschte, sondern hin und wieder dasselbe mißversteht, beweist sein Ausspruch in Tit. 10, § 2 d. Ger.-O.: „es belange die Forderung bewegliche und unbewegliche Güter (im Latein actiones personales vel reales genannt)". S . auch STOBBE, a. a. 0 . , S . 384, Anm. 57. 3 S. § 36 die Frankfurter Reformation. AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

12

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

Rechtsordnung entstanden: solche, welche bereits rechtshängig sind und solche, welche es nicht sind, die also erst unter der neuen Rechtsordnung rechtshängig werden. Auf beide findet die a l t e Rechtsordnung Anwendung; die neue wird auf sie „nit gezogen." Jene noch nicht rechtshängigen Sachen brauchen durchaus nicht etwa durch Judikat, Transakt, Konsens und Verjährung erledigt zu sein. Davon steht kein Wort in der intertemporalen Klausel. Noch klarer wird die Richtigkeit unserer Ausführungen aus der Betrachtung des folgenden Landrechtes hervorgehen. Eine löbliche Ausnahme von den Reformationen des 16. Jahrhunderts, welche größtenteils der neueren intertemporalen Rechtsregel anhängen, bildet auch das Landrecht von Wildenburg v. J. 1592. 1 In der Vorrede desselben kommt die republikanische Rechtsregel zum Ausdruck. 2 Der einschlägige intertemporale Satz der Vorrede lautet: „Es sollen auch diese Ordnungen sofern und da sie der alten Leuten Brauch oder Gewohnheiten zuwider auf diejenige halten so sich künftig zutragen möchte, und nicht auf diejenige so sich zuvor zugetragen, sie seyen rechthängig gemacht oder nicht, gezogen werden . . . "3 1

Der Titel lautet: „Gerichtsordnung und Landrecht, auch Polizei, Holx, Hütten und Bergordnimg deren gnädigen Herrn Freiherrn Georg, Heinrich, Hermann, Wilhelm und Sebastian v. Hatzfeld, Herrn zu Wildenburg etc. etc., aufgerichtet im Jahr 1592." Der zweite Teil dieses Gesetzbuches enthält Privatrecht und schließt sich an die Frankfurter Reformation v. 1578 an, ist aber mehr vom römischen Rechte durchsetzt als diese, ja sogar als die meisten anderen Gesetzbücher. So z. B. erwähnt Kap. 5, § 4 das commodatum ad pomparn et ostentationem: ,.Es seye dann, dass man deren allein zum Pracht und Ostentation ohne dieselbe %u brauchen entlehnen wollte." 2 Der Zweck der neue« Rechtsordüung geht hervor aus folgenden Stellen der Vorrede: „dass gute löbliche Ordnungen und Polizei vorgenommen und aufgerichtet, alle Verwirrungen, Unordnungen, und was gemeinen Nutzen auch der heilsame Justitz zuwider oder hinterlich abgeschafft und verbessert werde." ' D e r Gesetzgeber bestimmt dann noch, daß diejenigen künftigen Fälle, welche n i c h t von seiner Ordnung erfaßt sind, „nach den allgemeinen beschriebenm Rechten und aus des heiligen\ Römischen Reichs Constitution sollen geurteilt, diktirt und gesehlich tet werden— Der eigentliche Urheber des Wildenburger Landrechtes ist wohl J O H A N N F I C H A R D , der Verfasser des Solmser Landrechtes, der auch dem letzteren zu einem klaren intertemporalen Rechte verholfen hatte. Für die Verfasserschaft F I C H A R D S spricht die Ubereinztimmung der Vorreden in den genannten Gesetzen. Auch bei diesem Landrecht muß eine tiefere Prüfung zum Ergebnis gelangen, daß die positive intertemporale Klausel vorliegt, nicht etwa die verdeutschte römische A u s n a h m e k l a u s e l . Mithin werden alle Thatbestände der Vergangenheit, auch wenn sie noch keine E r l e d i g u n g gefunden haben, sei es durch rechtskräftiges Urteil oder ein Surrogat desselben von der alten Rechtsordnung ergriffen. Die bereits schwebenden Sachen fallen ebenfalls unter die alte Rechtsordnung. Was ,,sich zuvor zugetragen" sind Thatbestände, nicht etwa Erledigungen von Rechtsverhältnissen. Daß dem so ist, läßt sich aus der Vorrede des Wildenburger Landrechtes noch eindringlicher nachweisen, als aus denjenigen des Solmser Landrechtes. Einmal sind die beiden Gruppen der unter der alten Rechtsordnung geborenen Thatbestände klarer unterschieden: „sie seyen rechtshängig gemacht oder nicht." Dann aber wird der Zweifel, ob nicht die erledigten That-

§ 31.

Die ältere Rechtsregel in den Landesgesetzen.

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Von großer Wichtigkeit für das intertemporale Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung sind die intertemporalen Rechtskämpfe, die sich nach Einführung des ersten Landrechtes durch Herzog Christoff i. J . 1555 in Württemberg abspielten. 1 Besonders war es das eheliche Güterrecht und das Erbrecht der neuen Rechtsordnung, welche vom württembergischen Volke schon ihres Inhaltes wegen nicht günstig aufgenommen wurden. Welche intertemporalen Rechtsregeln aber sollten entscheiden über das Verhältnis der neuen Rechtsordnung zur alten? Der württembergische Gesetzgeber hat es nicht gewagt, der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit zu verleihen, da ihr römisch-rechtlicher Inhalt einen völligen Bruch mit den überwiegenden Gewohnheiten des württembergischen Landes bedeutete. Das Landrecht selbst enthielt einige Bestimmungen zu Gunsten der alten intertemporalen Rechtsregel, die sich aber als völlig unzureichend erwiesen. 3 — I. L. R. S. 273 sagte bloß: „Die neue Intestaterbfolge solle, wenn weder Erbverträge noch gültige Testamente vorliegen, in künftigen Fällen eintreten, was aber „hievor zu Fällen kommen" soll nach dem früheren Rechte entschieden werden. Damit man nun wisse, was hiernach nach dem alten Rechte oder nach früheren Gedingen zu entscheiden sey, sollen alle Personen, „derenhalb sich Fälle gefügten, die nicht unter die Decision des Landrechts gehören solche Fälle, sofern nicht schon glaubwürdige Urkunden darüber gefertigt seyen, innerhalb zwei Monaten und nach Verkündung des Landrechtes vor Gericht anzeigen, und - dann das Nähere darüber zum Zwecke des Beweises in ein besonderes Buch eingetragen werden." 3 Eine andere Bebestände unter der zweiten Gruppe zu verstehen seien, ein für allemal beseitigt durch die Anordnung, daß diese nach den allgemeinen beschriebenen Rechten . . . sollen geurteilt, dictirt und geschlichtet werden. Wären sie causae iudicatae, transactae etc., so wäre eine nochmalige Beurteilung und Schlichtung unmöglich. 1 Vgl. zum Folgenden die eingehende und gründliche Darstellung dieser Rechtskämpfe: v. W Ä C H T E R in s. „Hdb. des im'Königreich Württemberg geltenden Privatrechtes". Bd. I, § 37. 2 Der Verfasser des Württembergischen Landrechtes war der Tübinger Professor J O H . SICHARD. J . PICHARD und J . SICHARD waren miteinander befreundet und beide Schüler von U. ZASIUS, mit welchem jener in Briefwechsel stand. Vgl. bes. UDALRICI ZASJI, JSpistolae quas edidit, Jos. A N T . RIEGGERÜS, p. 5 0 7 . Diese, drei bilden das hervorragendste Triumvirat der intertemporalen Gesetzgebung im 16. Jahrhundert; s. auch unten § 35. * Dies sind die Worte W Ä C H T E R S , a. a. O . , S. 2 5 2 . I . L . R . , S. 2 7 3 selbst lautet wie folgt: „ . . . Demselbigen als dann vor allen dingen, allenthalben vnnd nachgesetzt, Vnnd alterst im fall, da gar kein solch Ordung noch letster Will vor banden, oder da gleich ein solches vor banden, jedoch auss rechtmessigen vrsachen vnbrefftig wer, die Sachen volgender Vnser Erbordnung nach, vnd dasselbig allein in k&nfftigen Fällen verhandlet werden sollen . . . Vhd dieweil diss Vnser Landtrecht allein auf kunfftige Fäll gesleli, vnnd was hieuor xu Fällen kommen, dasselbig bey den gewessnen vnd auffgehabnen Rechten vnd Oebreuchen, auch den hieuor gethonen vnnd auffgerichten Abreden, Oedingen vnnd Oemechten bleiben sollen, darunder sich sollich Fäll xtigetragen. Damit man darm gewiss seie, was für Fäll nach disem Vnserm new geordneten Landtreckten decidiert vnnd erörtert, was auch 12*

180

Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

Stimmung des intertemporalen Privatrechtes enthält I. L. R. S. 293 für den Fall, daß der Verstorbene Kinder aus früheren Ehen und mit dem überlebenden Ehegatten gemeinschaftliche Kinder hinterläßt, jedoch Abfindungen zu seinen Lebzeiten getroffen waren ; 1 welche Bestimmung indes an großer Ungenauigkeit leidet.2 Es zeigte sich jedoch bald, daß das Landrecht in Bezug auf intertemporale Rechtsfragen durchaus ungenügend war, so daß schon nach wenigen Monaten nach dem Erlaß desselben an den neuen großen Ausschuß die Regelung desselben übertragen wurde. 3 Dieser schlug vor, daß die fürstlichen Räte und die Juristenfakultät eine Deklaration über die intertemporalen Rechtsfragen ausarbeiten sollten. Nach heftigen Kämpfen zuerst mit dem Herzog Christoff, dann mit dem Hofgericht, kam endlich eine rechtsgültige Deklaration zustande (1564). Trotzdem waren die Zweifel in Bezug auf das intertemporale Erbrecht durch die Deklaration keineswegs gehoben. Das Hofgericht fand bei neuen Prozessen neue Ausstände und es wurde daher eine zweite Deklaration i. J. 1565 entworfen, die jedoch nicht Rechtskraft erhielt, da bald eine umfassendere Durchsicht d«s Landrechtes in Anregung gebracht wurde. 4 Die Deklaration betraf drei Punkte: 1. die Frage, wenn eine Ehe vor dem Landrecht durch den Tod des einen Gatten getrennt wurde und später der überlebende Gatte nach Erlaß des Landrechtes wieder heiratete, ob dann die Erbteilung nach den alten Gebräuchen oder nach für Ffill durch die gewessnen vnnd auffgehabnen Recht mnd Lcmdtsgebreuch, auch die hieuor abgeredte Pact, Verträg vnd Oeding cntschiden werden sollen, vnd also aller handi Zweiffei, Missuerstandt vnnd Rechtfertigung, so derhalben sich begeben mögen, verhütet vnnd fürkommen werden, So willen, setxen vnnd ordnen wir, das alle und jede Vnsere Vnderthonm, Manns vnnd Weibsperson, deren halb sich Fäll gefügten, die nit vnder die Decision diss Vnsers Landtrechtens gehören, solliche Fäll, souer darüber nit glaubwürdig Sehrtfjten vnd Vrkund gefertigt innerhalb zweien Monaten nach gmeiner Eröffnung vnd Publicierung dieses vnsers Landtrechten vor Amptman vnnd Gerichten, darunder sie gesessen, zuerkennen geben, vnnd vnderschidlichen, wie es selbiger F&ll halben geschaffen, anzeigen. Das sollen auch Vnsere Amptman vnnd Gericht in ein besonder darxu verordnet Buch ordmlich verzeichnen, vnd bey dem Gericht verwaren lassen, damit %ur Probation, Erweisung vnd Vnderschidung angeregter Fäll, all vnd jede Vnrichtigkeit, soüil menschlich vnd möglich, abgeschaffet, verbleiben, vnnd vberflüssiger Kosten, Vmtrib vnd Versäumnuss Vnser Vnderthonen verhütet werden." 1 I. L. R., S. 293: „Es wer dann, das sieh der Fall mit den vorgehenden Kindern, noch bei altem Verfangenschafft, Theil, oder anderm bissanher gebreuchigen Rechten zugetragen oder sonst durch Paction, Geding vnd Abreden änderst fürsehen wer, Also das die ersten Kinder mit jrern angefalnen oder vermachten theil ein mal gar abgefertigt vnd hindan gewisen, dabei es alsdann bleiben soll, wie hieoben auch vermeldt worden." S. „Sammlung d. württemb. Gesetze", herausgeg. von A. L. REYSCHER, B d . I V , S . 3 8 8 , A n m . 6 0 3 . a Auch W Ä C H T E R , a. a. O., S. 252. 3

Herzog Christoff gründete i. J. 1554 die Rechtseinrichtung dauernder landständischer Ausschüsse, welche in einen kleinen und einen großen Ausschuß zerfielen. S. W Ä C H T E R , a. a. 0., S. 145 u. fg. (§ 31). 4 S. über diese Kämpfe, in welche auch die Landes-Universität verwickelt war,

WÄCHTER,

a. a. 0 . ,

§

37.

§ 31. Die ältere Rechtsregel in den Landesgesetzen.

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dem neuen Landrecht gemacht werden soll, namentlich in dem Falle, wenn bei der ersten Ehe jenes Gatten Teilrecht galt, nach welchem er hei Eingebung der zweiten Ehe abteilen mußte. Die Antwort der Deklaration auf diese Frage ist dunkel und ungenau, sie lautet: „JViewol nhnn da t/emellte ziceyuel vnd Dubia mit vleiss erwegen, Dessgleichen vnnsser Lanndtrecht gegen einannder gehallten, Vnd wSlcher massen ein fal vf vnnd aus dem andern eruolge, In guter aclitung gehabt, Solchen Dubys wol zuhelffen, Indem das bey dem ersten Puncten mehrmals In vnnserm Lanndtrechten vermeldet vnnd versehen, Das allwegen der Thodt den Falh mitpringe, Allso was vor Publicirung Vnnssers Lanndtrechtens zufallen khommen, Es bey selbigen althen breuchen pleiben." Die Antwort ist kaum anders zu verstehen als dahin, daß, wenn der parens binubus unter der Herrschaft des neuen Landrechtes stirbt, die neue Rechtsordnung zur Anwendung kommen solle, eine Antwort, die für diese Frage keinen intertemporalen Wert hat. 1 2. Die Frage, wenn zur Zeit des alten Rechtes die Eltern ein Kind nach dem alten Recht abfertigten, und das Kind stirbt nach Erlaß des Landrechtes in ledigem Stand oder ohne Leibeserben, ob und wie dann die überlebenden Eltern samt den Geschwistern des Vorverstorbenen oder deren Kinder den Yorverstorbenen beerben sollen. Die Antwort darauf lautet: Vnnd dann bey dem anndern Puncten, der sich allein vf die Fäll, so sich In werennden Lantrechten zutragen, Vnnd die Kinder vnnder denselbigen mit thodt abganngen, leichtlich abzunehmen, dieweil es ein Newer Falh, das es auch dem Aewen vnnserm Lanndrechten nach gehallten, Vnnd das abgestorben Kind nach vssweysung desselben geerbt werden." Auch diese Antwort hat keinen intertemporalen Wert. Sowohl die erste als die zweite Entscheidung verraten eine gänzliche Unkenntnis der Lehre vom Thatbestande. • In beiden Fällen haben wir es nämlich mit T h a t b e s t a n d s V e r b i n d u n g e n zu thun, bei welchen ein Teil der verbundenen Thatbestände bereits unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung stattgefunden hat und nur das letzte Glied der Thatbestandskette unter die neue Rechtsordnung fällt. Daher mußte auf beide Fragen nach den Regeln des intertemporalen Privatrechtes die Antwort erfolgen, daß nach der alten Rechtsordnung zu entscheiden ist. Der Deklaration liegt eine a t o m i s t i s c h e Auffassung des Thatbestandes zu Grunde, statt der allein richtigen o r g a n i s c h e n . Daher sieht sie in dem Versterben des Erblassers einen selbständigen, von allen vorhergehenden Thatbeständen losgelösten, „neuen Fall".2 — 3. Die Frage, wie nach dem neuen Landrechte der überlebende Gatte mit den Verwandten des Verstorbenen die Errungenschaft zu teilen habe, wie also Landrechtssatz fol. 247 u. 277 auszulegen sei.3 Diese Frage hat keinen intertemporalen Charakter, sondern 1

S. auch W Ä C H T E R a. a. 0. S. 254, Anm. 13. Über die atomistische und organische Auffassung des Thatbestandes s. II. Buch I. Kap. 3 Die Deklaration findet sich bei REYSCHER, a. a. 0. S. 157. Vj

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kennzeichnet sich lediglich als eine Auslegungsfrage zweier dunkler Rechtsvorschriften des neuen Landrechtes. Wir können also die Antwort darauf ruhig übergehen. Intertemporale Privatrechtsfragen waren es wieder, welche bei den Gründen zum Erlaß eines neuen Landrechtes den Ausschlag gaben, insbesondere über die Punkte, die schon den Gegenstand der ersten Deklaration und des Entwurfes der zweiten bildete. 1 Das neue Landrecht kann nach mancherlei Kämpfen zwischen Herzog Christoff und den Ausschüssen und der juristischen Fakultät zustande und erschien i. J. 1567 unter dem Titel „ D a s Fürstenthumbs Wurtemberg gemein Landrecht, in vier Teil verfasst" und ist am Schlüsse v. 1. Juli 1567 datiert. 2 Der Hauptzweck des neuen Landrechtes war der, das Verhältnis der neuen Rechtsordnung zur alten genauer zu bestimmen. 3 Infolgedessen treffen die wichtigsten Änderungen und Zusätze den vierten Teil des Landrechtes. Großenteils sind sie intemporalen Rechtsgehaltes. So wurde insbesondere I. L. R. S. 2 9 3 — 2 9 4 geändert und mit Zusätzen versehen. Die Zusätze enthalten die Antworten des Gesetzgebers auf die oben angeführten Anträge des kleinen Ausschusses. 4 Die zweite hauptsächlichste Änderung betrifft I. L. R. S. 273. Das neue Landrecht, S. 3 1 8 — 3 1 9 , hebt hier beim Erbrechte von Gatte und Kinder bestimmter hervor, daß nicht nach dem Rechte, welches zur Zeit der Eingehung der Ehe galt, zu entscheiden sei, sondern nach dem Rechte, welches zur Zeit des Todes der Erblassers gelte. 6 Auch 1 Intertemporal war aber auch der Antrag des kleinen Ausschußes, daß im Titel von der Enterbung der Kinder bestimmt werde: die Kinder, welche nach den alten Gebräuchen bereits für väterliche und mütterliche Erbschaft abgefunden worden seien, sollen durchaus keinen Anspruch auf einen Pflichtteil mehr haben; dagegen sollen den bloß für väterliche oder bloß für mütterliche Erbschaft abgefundenen und nach den alten Gebräuchen ihre Ansprüche an die Erbschaft des andern parens bleiben. a Über die Kämpfe S. WÄCHTER a. a. 0 . § 38. 3 Nebenzwecke waren, die Sprache des alten Landrechtes zu verdeutlichen und den Sinn in einzelnen Punkten genauer zu erklären. S. W Ä C H T E R , a. a. 0 . S. 276. 4 Der Gesetzgeber gab dem ersten Teil des Antrages nach, sodaß II. L. R S. 349—350 bestimmt, daß die Kinder, welche nach den alten Gebräuchen, bereits für väterliche und mütterliche Erbschaft abgefunden worden seien, durchaus keinen Anspruch mehr auf einen Pflichtteil haben. In Bezug auf den andern Teil des Antrages bestimmte dasselbe, es solle der bloß für die väterliche oder bloß für mütterliche Erbschaft Abgefundene vom Stiefparens wenigstens den landrechtlichen Pflichtteil ansprechen können, verneinte also, daß der Abgefundene seine Ansprüche nach den alten Gebräuchen an die Erbschaft des andern parens behalte. 6 Das neue Landrecht bestimmt also wörtlich wie das alte Landrecht, daß die neue lntestaterbordnung allein in künftigen Fällen gelten solle und fährt dann fort: „ . . . da die Person, von dessen Erbsehafft gefragt wi'irdt, na eh angangenem Vnserm Landtreehten ohne Testament, Pact, Geschäfft, leisten Willen, oder Ordnung, von Todts wegen, etc. als erst oben gesetxt, verstorben were, also das der Todtfall vnnd nit die eheliche Verpflichtung angesehen, vnd den Erbfall bringen wi'irdt " — Die intertemporale Entscheidung des Landrechtes,

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wurde die Frist von zwei Monaten, welche von der Publikation des alten Landrechtes an gerechnet werden sollte, aufgehoben; innerhalb derselben sollten diejenigen Fälle, die nach altem Recht oder nach früheren Gedingen zu entscheiden seien, vor Gericht angezeigt und zum Zweck des Beweises in ein besonderes Buch eingetragen werden. Die Anzeige und die Eintragung sollte nach neuem Recht ,,jeder zeit" verstattet sein. 1 Mit dem Datum v. 1. Juni 1610 wurde in Württemberg unter dem Titel „J)as Herzogthurnbs Württemberg Ernewert Gemein Landtrechtr' das III. L. R, veröffentlicht. 2 Es schließt sich im allgemeinen an das II. L. R. an, jedoch mit bedeutenden Zusätzen und Änderungen. Eine der bedeutendsten Änderungen bezog sich auf denjenigen Gegenstand, der von der ersten Beratung über das I. L. R. an zu den meisten Streitigkeiten, Zweifeln und Klagen Veranlassung gab, nämlich das gesetzliche Erbrecht der Ehegatten und das damit zusammenhängende eheliche Güterverhältnis. Es galt nun, intertemporale Rechtsregeln über das Verhältnis der Neuerungen zur alten Rechtsordnung aufzustellen. Man griff auch hier wieder zur republikanischen Rechtsregel, konnte sich aber von der atomistischen Auffassung der Deklaration von 1558 und des II. L. R. nicht frei machen. Daß die alte intertemporale Rechtsregel zu Grunde gelegt werden sollte, geht hervor aus III. L. R. (IV. 1. §§ 3 u. 4); 3 daß aber das intertemporale Rechtsbewußtsein des württembergischen Gesetzgebers sich nicht über den Stand der Deklaration und des II. L. R. erheben konnte, erhellt aus folgendem Satze, der merkwürdiger Weise als Schlußfolgerung der alten intertemporalen Rechtsregel angefügt wurde: „ . . . . , also dass der Todfall vnd nicht die eheliche Verpflichtung anzusehen, vnd den Erbfall bringen soll." Wie sehr diese atomistische Auffassung des Thatbestandes den richtig verstandenen Grundsätzen der alten intertemporalen Rechtsdaß das Erbrecht der Ehegatten und der Kinder sich nach der Ordnung zu richten habe, welche z. Z. des Todes des Erblassers gelte, entspringt wiederum der oben bereits gerügten a t o m i s t i s c h e n Auffassung der Tliatbestände. Richtiger Anschauung nach liegt hier wiederum eine Thatbestandsverbindung vor, wobei das eine Glied, die Eingehung der Ehe, die „eheliche Verpflichtung", bereits unter der alten Rechtsordnung sich vollendete, das andere Glied dagegen unter die neue Rechtsordnung fiel. Daher diese Thatbestandsverbindnng als einheitlich Ganzes betrachtet werden muß, so ist grundsätzlich die alte Rechtsordnung, unter deren Herrschaft das erste Glied der Thatbestandskette sich bildete, für das Ganze maßgebend. S. u. II. Buch. 1 W Ä C H T E R S Behauptung a. a. 0 . S. 277, daß die Verpflichtung zur Anzeige und zur Eintragung aufgehoben worden sei, ist daher ungenau; nur die Frist, in welcher die Anzeige und die Eintragung erfolgen sollte, wurde beseitigt. 2 Das Gesetzbuch sollte mit dem 10. Aug. in gesetzliche Kraft treten. Es kam unter der Regierung des Herzogs Johann Friedrich (regierte v. 1608—1628) zustande. 8 „Ferner soll auch diss Vnser new Erbrecht, allein in kunfftigen Fällen, da diejhenige Person, welche zu erben ist, nach angegangnem diesem Vnserm Landrecht, ohne Pact, Geschäft, oder letzten Willen (als erst gemeldet) verstorben, Statt haben . . . ."

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regel, damit auch der Gerechtigkeit und Billigkeit zuwiderlief, mußte das württembergische Volk gerade nach Erlaß dieses III. L. R. am meisten empfinden. Die Härten dieses durch Mißverstand erzeugten württembergischen Grundsatzes, daß der Todesfall und nicht die Eingehung der Ehe maßgebend sei, für die Frage, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommen sollte, zeigten sich besonders dann, wenn eine Ehe vor Veröffentlichung des III. L. R. durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst wurde und die Kinder nach den Grundsätzen des II. L. R. erbten, der überlebende Ehegatte dagegen später zur zweiten Ehe schritt, welche ebenfalls mit Kindern gesegnet wurde. Starb nämlich in diesem Falle der Ehegatte nach Veröffentlichung des III. L. R., so kam das neue Erbrecht zur Anwendung, wodurch die Kinder des zweiten Ehebettes im Verhältnis zu den Kindern des ersten oder umgekehrt benachteiligt wurden. Der württembergische Gesetzgeber sah dies auch ein, hielt aber trotzdem an seinem auf Mißverständnis beruhenden intertemporalen Grundsatz fest, machte jedoch die Untertanen auf diesen Übelstand aufmerksam und ermahnte sie etwaige Ungleichheiten durch Testamente oder Erbverträge zu heben. 1 Weit über das Württembergische Landrecht hinaus geht die Tiroler Landesordnung von 1573 in der Wahrung der alten Rechtsordnung. Im XXXI. Tit. des IX. Buches erklärt Maximilian, Erzherzog zu Österreich: „Und darzu Unsers gemainen Landts Freyheiten, Rechten, guten alten Bräuchen, Gewohnheiten vnd Herkommen, in allen andern Funden vnd Articheln, darinn Wir durch dise newe Ordnung vnd Satzung hain Minderung, Aenderung oder Erläuterung, gethan haben, in alluoeeg vnverletzlich, vnd ohn allen Schaden seyn."2 1 III. L. R. (IV. 1. § 4): als wollen Wir hiem.it alle Vnsere Vnderthonen vnd Angehörigen, Mann- und Weibspersonen, so vnder wehrendem, vorigem Vnsers Bertxoglhums Landtreehten in Wittwenstand gerahten, vnd auss voriger Ehe Kinder bekommen, sieh aber albereit wieder verheurat hetten, oder noch verheiraten wurden, erinnert haben, durch Pacta, Testamenten, vnd andere rechtmässige Verordnung, die Sach dahin xu richten, dass nach ihrem Abieiben ihren Voroder Nachkindern welchen die vnder vorigem, Unsers Hertxogthumbs Landrechten getroffene Abtheilung xu Nachthei.l gereicht, von ihrer Verlastenschafft ein xiemlichs xum vorauss geuolgt, vnd also billichmässige Gleichheit xwisehen ihren beider Ehe Kinder gehalten, vnd dar durch vnder denselben guter Frid vnd Einigkeit gepflanxt uerde." 8 Der genaue Titel lautet: „New reformirte Landtsordnung der Fürstlichen Grafschafft Tyrol." 3 Damit gewährte der Landesherr der Landesordnung nur subsidiäre Geltung; er hatte sie auf Andringen der Stände mit Zuziehung der Räte und Verordneten, der Landschaft auf Grundlage einer Landesordnung von 1532 übersehen und reformiert. Dem römischen Recht wird dagegen ausdrücklich k e i n e Subsidiarität erteilt, im Gegensatz zum Wildenburgischen Landrecht. Dies hat seinen besonderen Grund; denn auf dem Landtage zu Innsbruck i. J. 1567 erklärte das Volk, daß die gemeinen Rechte in Tirol durchaus nicht angenommen wären, sondern man in Sachen, über welche die Landesordnung keine Bestimmung enthalte, auf die Gewohnheit zu sehen und wo auch diese keinen Bescheid gebe, an Schiedsrichter

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Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erscheint noch ein bürgerliches •Gesetzbuch, welches wie das Pr. Allg. Landrecht intertemporal unter dem Einflüsse der Lehre von den wohlerworbenen Rechten steht. Es ist dies das Westgalizische Gesetzbuch von 1797, welches insofern auch von Wichtigkeit ist, als es intertemporal die Grundlage des österreichischen A. B. G. B. von 1811 bildet. 1 § 17 des I. Theiles lautet: Gesetze wirken nicht zurück: sie verbinden nur in Ansehung derjenigen Handlungen und Begebenheiten, welche nach ihrer Kundmachung vorgefallen sind; auf vorher geschehene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte haben sie keinen Emfluss, aufser im Falle, dafs ein vorher Jemanden von dem Gesetze zugedachtes, aber noch nicht erworbenes Recht durch ein Gesetz als erloschen erklärt würde; denn in diesem Falle hört die Fähigkeit zu einem solchen Rechte sogleich auf." — Diese Fassung ist nach mehr als einer Seite von intertemporaler Wichtigkeit. Einmal enthält sie die a u s d r ü c k l i c h e Gewährungsklausel, indem sie der neuen Rechtsordnung die Thatbestände der Vergangenheit ausdrücklich entzieht und damit von selbst der alten Rechtsordnung zuweist. Ferner ist sie gemischter Natur, d. h. sie ist zum Teil objektiv im römischen Sinne, [„Handlungen und Begebenheiten'^], zum Te$ subjektiv im Sinne der Lehre von den wohlerworbenen Rechten [„vorher erworbene Rechte".'] Diese gemischt subjektive Fassung wird im 19. Jahrhundert für viele bürgerliche Gesetzbücher typisch. S. § 53. Zeigt schon diese gemischte Ausdrucksweise, daß' der intertemporale Gesetzgeber mit dem Grundsatz der wohlerworbenen Rechte allein für die Beantwortung aller intertemporaler Fragen nicht glaubt auskommen zu können, so wirft der Schluß der Klausel auf die Schwäche der Lehre ein grelles Schlaglicht. Sie mußte bei objektiven Rechtsverhältnissen, wie beim Testamente vor dem Tode des Testators, von Hoffnungsrechten sprechen, um zu erklären, daß die neue Rechtsordnung keine rückwirkende Kraft besitze. Wenn man aber bei dem t e s t a m e n t a r i s c h e n Erbrecht Hoffnungsrechte annimmt, so müssen infolge dessen auch beim I n t e s t a t e r b r e c h t solche vorhanden sein. Nun aber ergreift schon nach römischem intertemporalen Recht die neue Rechtsordnung das Intestaterbverhältnis, wenn der Erblasser unter ihrer Herrschaft stirbt; daher bedurfte die auf deren subjektivem Standpunkt ruhende Klausel noch eines längeren Zusatzes: „ausser im Falle " Dieser wird nun merkwürdiger Weise damit begründet, daß das Hoffnungsrecht [„ein vom Gesetze zugedachtes Recht"] noch kein „erworbenes" sei; damit macht sich der Zusatz sofort überflüssig, denn dann ist ja keine Ausnahme [„ausser"] vom vorangestellten Grundsatz vorhanden. Wenn aber das Intestaterbverhältnis kein erworbenes Recht sich zu wenden haben; s. Kapp, Beiträge z. Gesch. Tirols V. (1829) S. 97. Immerhin gewährt die Klausel „ g u t e n alten Bräuchen, Gewohnheiten und Herkommen" den Gerichten eine Handhabe, das Landrecht selbst anzuwenden statt eines bestehenden Gewohnheitsrechtes, welches sie nicht für gut, sondern für unbillig erklären können. 1 S. unter § 53.

Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

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begründet, so kann auch aus dem Testaterbverhältnis keines hervorgehen. Dann aber darf die neue Eechtsordnung auf Testamente, welche unter der alten Eechtsordnung errichtet wurden, zurückwirken, was der intertemporale Gesetzgeber des westg. G. B. wiederum nicht wollte. Man sieht, in welche unentwirrbare Widersprüche er mit sich selbst geraten ist, weil er sich auf die Lehre von den wohlerworbenen Rechten eingelassen hat. 1 Diese inteitemporale Klausel des westgalizischen G. B. bestätigt somit, wie gefährlich die subjektive Fassung der Gewährungsklausel ist, indem sie den Richter nicht auf die festgefügten Fundamente der älteren römischen Regel, sondern auf einen schwankenden, unsicheren Boden stellt, der sich mehr der neueren Regel zuneigt, ja folgerichtiger Weise in die Ausschließlichkeit mit Vorbehalt der erledigten Rechtsverhältnisse übergehen muß. Statt des erhofften Schutzes ihrer Rechte erlangen die Bürger n u r unsichere, ihre objektiven Rechtsverhältnisse gefährdende Entscheidungen. Selbst derartige langatmige Zusätze vermögen darin keine Besserung herbeizuführen. § 32.

Die neuere Rechtsregel des römischen intertemporalen Privatrechtes in der Landesgesetzgebung.

Während die alte intertemporale Rechtsregel nicht in besonders hervorragendem Maaße in der Landesgesetzgebung zum Ausdruck gelangt, findet sich die neuere, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, in überraschend vielen Landesgesetzen. Dieser Umstand läßt sich zunächst daraus erklären, daß die Landesgesetzgebung in vielen Fällen nichts anderes als eine Aufzeichnung des bestehenden Gewohnheitsrechtes war. 2 Allein die 1 P F A F F U . HOPMANN a. a. 0 . S. 107 haben die oben festgestellte Perplexität dieser Klausel nicht erkannt. — Ob sich der westgalizische Gesetzgeber die Tragweite der objektiven und subjektiven Fassung und deren abgrundtiefe Verschiedenheit bewußt war, muß nach der obigen Probe seiner intertemporalen ßechtserkenntnis rundweg verneint werden. A . M. P F A F F U. HOFMANN a. a. 0 . 2 Hierher gehört die „Verordnung des Hadelerschen Land-Gerichts und Rechtens xu Fortsetzung und Erhaltung der ordentlichen Justixien und gleichförmiges Rechtens verfasset und publiczref v. 1583. Die Ausschließlichkeitsklausel lautet hier folgendermaßen: „Demnach wollen Wir aus Ftirstl. Obrigkeit mehrgedachtes Land-Recht Krafft dieses per expressum confirmiren, auch Schuh und Schupfen und menniglich dieses Unsers Erblandes Hadeln Unterthanm ernstlich auferleget und befohlen haben, daß sie alle Sachen und Felle, so ein- und außerhalb Gerichts fi'trfallen mögen, nach demselben decidiren, und durchaus solchem Landrecht sich gemess erzeigen und verhalten sollen.'1 In der That enthält dies Gesetzbuch Gewohnheitsrecht mit wenigen Ausnahmen (s. auch STOBBE, a. a. 0 . S . 3 3 9 ) , so daß das Versprechen des Erzbischofs Heinrich zu Bremen „und derowegen Unsere Unterthanen dabey billig xu lassen und .mit Enderung oder andern neuen unbekannten Rechte nicht xu beschweren", im Großen und Ganzen durch das Gesetzbuch erfüllt wird. Ahnlich verhält es sich mit dem „Kedinger Landrecht' vom J. ?. Es enthält eine Aufzeichnung des Gewohnheitsrechtes, jedoch mit Abände-

§ 32.

Die neuere Rechtsregel in der Landesgesetzgebung.

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neuere Recht sregel kommt auch bei solchen Landesgesetzen vor, wo offenbar auch Änderungen, ja sogar Aufhebungen der bestehenden Rechtsordnung beabsichtigt waren. Die Ausschlußklausel erklärt sich in diesen Fällen entweder durch das Anschwellen der landesherrlichen Gewalt, oder sie beruhte materiell und formell auf Voraussetzungen, welche die Anwendung der neueren intertemporalen Rechtsregel rechtfertigen. — Abgesehen von denjenigen Landrechten, die wie die germanischen Volksgesetze nur Aufzeichnungen des bestehenden Gewohnheitsrechtes sind, lassen sich also die Landrechte intertemporalrechtlich in zwei Gruppen einteilen: in der ersten ist die Ausschließlichkeit auf die Willkür des Landesherrn zurückzuführen, in der zweiten ist sie rechtlich begründet, Es ist vorauszusehen, daß bei Einführung der Landrechte der ersten Gruppe das intertemporale Rechtsgefühl des Volkes eine Vergewaltigung der alten Grundsätze nicht immer ruhig hinnahm, sondern, wie wir bereits im vorhergehenden Paragraphen an den Vorgängen in Württemberg erkannt haben, kampfbereit dagegen Stellung nahm. Leider sind die Nachrichten über solche intertemporale Rechtskämpfe nur spärlich, allein ein klassisches Beispiel ist uns erhalten, das sich beim Erlaß des Budjadinger Landrechtes abspielte, worauf wir weiter unten ausführlich eingehen werden. 1 Zur ersten Gruppe gehört zunächst die Majestas Carolina, deren Verfasser der von der römischen Imperatorenwürde gänzlich eingenommene Karl IV. war. 2 Obschon im Prooemium 3 Karl IV. für die Fürsten das Recht in Anspruch nimmt: „ut personis consideratis et causis, inter homines futura litigia rationabiliter diffinirent," so wimmelt sein Gesetz von Rechtsvorschriften ausschließlichen Charakters. So in Tit. XXIX. de pactis illicitis § 2: „quae nos ex nunc, prout ex tiinc, omni efficacia et viribus vacuamus, atque decernimus nullius prorsus fore substantiae vel momenti." Der Ausdruck ex nunc prout ex tunc hebt die Ausschließlichkeit dieser Rechtsvorschrift besonders ausdrücklich hervor. Diese Klausel ex nunc prout ex tunc ist der Majestas eigentümtich und begegnet sonst

rungen, deren Ausschließlichkeit auf einhelliger Bewilligung der sämtlichen Eingesessenen des Landes zu Kedingen beruht. S. Tit. XVI, § 2, ferner Tit. XVI, § 1. Es handelt sich um die Einführung des römischen Intestaterbrechtes in der ersten und zweiten Klasse. 1 Gerade diese Kämpfe des Rechtegefühles gegen intertemporale Vergewaltigungen sind der beste Beweis dafür, daß das Rechtsgefühl und nicht die Rechtsüberzeugung die u r s p r ü n g l i c h e Q u e l l e d e s R e c h t e s bildet; s. oben Einleitung § 3, S. 13. 1 S. oben § 27. Obschon die Majestas Carolina die landständische Genehmigung nicht erhielt, also eigentlich nur einen Gesetzentwurf darstellt, ist sie doch vom intertemporalen Standpunkt aus so lehrreich, daß wir sie hier in unsere Betrachtung ziehen wollen, um so mehr, als sie im Laufe des 15. Jahrh. gewohnheitsrechtlich recipiert wurde. S. SCHRÖDER, a. a. 0 . S. 634, Anm. 21. Ihre Entstehungszeit fällt wahrscheinlich in d. J. 1356; s. JIRECEK, Corpus iuris Bohoemicae II, 2, p. 100 seqq.

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nirgends; sie findet sich z. B. noch im Tit. LIX. de alienand. her editat. § 6: „ . . . concessionibus et donationibus ipsis ex nunc prout ex tunc per nos penitus annullatis et invalidis factis, ipso iure fisco nostro intelligatur esse commissa." Ferner in Tit. XXXX. de tabellion. contra prohibitum conficientibus instrumenta § 2: „Acta, vero quaeque contra constitutionis hvjus Seriem per dictum notarium, notae forte sumptae, vel instrumenta confecta, ex nunc prout ex tunc, nullius valoris esse decernimus vel momenti; . . . ." Andere Rechtsvorschriften ausschließlichen Charakters finden sich in Tit. XXXII.: „ne bona fidelinm in manus mortuas transferantur" § 3. 1 Ferner Tit. LXVIII. de distractione hereditatum a filiis § 2; Tit CVIII. de dotibus viduarum § 2. 2 — Der Geist der Majestas Carolina ist mehr auf den Vorteil des Landesherrn als auf den des Volkes gerichtet. Für den landesherrlichen Fiskus wird in übermäßiger Weise gesorgt; zu Gunsten desselben ist das Intestaterbrecht außerordentlich beschränkt. 3 Es ist daher kein Wunder, daß dieses Landrecht mit seinen Verstößen gegen das intertemporale Privatrecht und seinen habgierigen Bestimmungen zu Gunsten des landesherrlichen Fiskus, die Zustimmung der Landstände nicht gefunden hat. Hierher gehört ferner das Budjadinger Landrecht von 1664. Die Ausschlußklausel desselben ist in dem Publikationspatent Anton Günthers, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst enthalten. 4 Gewissermaßen um die Ausschlußklausel zu entschuldigen, erklärt er in seinem Edikt vom 25. Sept. 1666, welches das Landrecht bestätigt, daß er nicht die Absicht gehabt habe, neue Gesetze zu geben, sondern beim Antritt seiner Regierung versprochen habe, die Untertanen „bei ihren alten Gebräuchen und gewöhnlichen Rechten, soweit es die natürliche Billigkeit leiden wollte, gnädig zu schützen und zu lassen, und da etwan eine oder andere observantz der natürlichen Liebe, Rechten und Billigheit zuwider liefe, dieselbe zur aequit&t zu reduciren, zu verbessern, und in solchen Stand zu setzen, dass sie sich mit Fug darüber nicht solten zu beschweren haben.'1 Aus dieser Entschuldigung geht hervor, daß Graf Anton Günther seinem 1 § 3: „Bona vero, quae taliter contra praesentis constitutionis Seriem seu mentem translata reperirentur, vel de quibus transferri exstiterit ordinatum, licet nondurn realiter translata fuerint, intelligantur ipso iure nostrae regiae camerae confiscuta." 2 £ 2: „Alioquins deßeiente forte sigillo proprio donatricis specialiter, vel alio baronum ipsorum, donatio vel eoncessio dotium quaeque facta nullius ipso iure sit efficaeiae vel valoris.'1 3 Das Erbrecht der Collateralen ist ganz abgeschafft; siehe Tit. LXVII. de heredit. eoUateralium; ferner noch Tit. LXLV. de heredit. propter excessus adregiam cameram devolvendis; Tit. LXIII. de heredit. ad regiam cameram pertinentibus; Tit. LXXXXVII. de heredit. Judaeorum. 4 Sie lautet hier: „Gebieten und befehlen darauf Unseren jetzigen und künftigen Drosten, Canxler, Räten, Land-Richtern, Amtschreibern, Voigten und Bedienten gnädig und ernstlich, daß sie sich in Urtlieil-Fällen, und sonsten bey, allen Begebenheiten darnach aehten, dawider nichts handeln oder vornehmen noch anderen dergleichen xu thun gestalten und zulassen sollen, ..."

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„erneuerten, verbesserten und konfirmierten Landrecht des Stadt- und Budjadinger-Ijandes" die Ausschließlichkeit verleihen wollte und daß unsere Annahme, jene oben mitgeteilte Klausel enthalte die Ausschließlichkeit, richtig ist. Zugegeben muß allerdings werden, daß die Fassung dieser Klausel nicht sonderlich klar und deutlich ist, indem sie mit keinem Worte von facta praeterita spricht. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die Advokaten und Gerichte seines Landes die Ausschlußklausel übersahen und deshalb das neue Landrecht nicht ad casus praeteritos gezogen wissen wollten, umsomehr, als in der That, trotz der gegenteiligen Beteuerung des Grafen, das neue Landrecht weniger alte Gebräuche aufgezeichnet, als vielmehr eine neue Rechtsordnung eingeführt hatte. 1 Es ist ein bemerkenswerter Zwiespalt, der sich zwischen dem intertemporalen Rechtsbewußtsein des Volkes und dem fürstlichen Gesetzgeber abspielt und es gehört daher in das Gebiet unserer Untersuchungen, denselben eingehend darzulegen. Der Graf ist über den Widerstand, den ihm das echte und unverfälschte intertemporale Rechtsbewußtsein seines Volkes leistet, sehr erzürnt. 2 Der Kampf des gräflichen Gesetzgebers gegen das 1

S. auch Stobbe, Rechtsquellen I, 2, S. 345. Seine Gegenerklärung in dem obgenannten Edikt [S. Otken, a. a. 0. III, S. 111 (Num. LXXXIX)] lautet folgendermaßen: „ Wir Anthon Gunther, Graf xu Oldenburg und Delmenhorst, Herr zu Jever und Kniephausen, etc. Fügen jederm&nniglichen, und insonderheit denen, an Unseren Unter-Land und Ober Gerichten dienenden Avocatis und Procuratoribus hiemit xu wissen, etc. vernehmen, daß Unser, Unseren geDemnach wir nicht ohne Befremdung treuen Unterthanen im Stadt- und Budjadingtr-Londe, im. Julio des längstabgewiehenen 1664. Jahres, vermittelst offenen Drucks publicirtes, und mit Unserer eigenen Hand und Siegel bekräftigtes Land-Recht, von einigen für ein gantz neu oonstituirtes Recht, vornehmlieh in Testamentund Erb- Fälle eoncernirenden Articulen wil gehalten, und dieselbe dahin verstanden werden, als ob sothane articuli ad casus praeteritos nicht gezogen, vielweniger in Kraft derselben contra Jus commune gesprochen werden kSnte, derentwegen auch die Mitteln gebraucht, dass sie vielmals, wann in rlen Sachen utrinque geschlossen, oder xu schliessen[gewesen, dieselbe ad exteros, als welche vom wahren Grunde, Anfang und Mittel abgedachten Land-Rechts gantz keine Wissenschaft tragen, xu verschicken gebeten haben. Und aber bey sothanem Zustande vermittelst dergleichen Interpretationen und Verschickungen obgeduchte Unsere Unterthanen hinter das Licht, und ohn alles ihr Verschulden, in gantz vergebliche Kosten, Nachtheil und Verlust ihres Rechten 'ijestürtzet werden, . . . " Gegen den Vorwurf, daß besonders die erbrechtlichen Artikel neu konstituiertes Recht enthalten, sucht er sich folgendermaßen zu verteidigen: „Allermassen auch bey revidir- und examining des Stadt- und Buttjadinger Landes-Rechten und Gewohnheiten geschehen, dass fast kein einziger, Testament-, Erb-, S/erb- und dergleichen Fälle angehender Artikul, in deme von Uns publieirtem Land-Rechte xu finden, der nicht auf ein gnug bescheinigtes Herkommen, oder auf der natürlichen Billigkeit gegrundet stunde, oder auch vorhin tempore publicationis schon gestanden hätte, also, dass Wir keinesueges zugeben, noch gestatten können, dass oftgemeldtes Unser Landrecht mehrgemeldlen Unseren getreuen Unterthanen, ex capite novitatis, als wenn solches ad casus praeteritos nicht gezogen werden konnte, disputirlich, wo nicht gar löcherisch und kraftlos gemachet werde." — Auf diese 3

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urwüchsige, intertemporale Rechtsbewußtsein seines Volkes wird wohl mit einem Siege der ersteren geendet haben; fällt doch dieser Kampf in eine Epoche der zur absoluten Monarchie aufstrebenden Landesherrlichkeit. Der Landesherr fühlt sich wie ein Justinian als Fleisch gewordenes Gesetz und glaubt alles besser zu wissen, selbst wenn er mit dem Rechtsgefühl des Volkes in Widerspruch gerät. 1 Graf Günther ist ein Vertreter des nach dem dreißigjährigen Kriege auch in Deutschland zum Durchbruch gelangenden „eudämonistischen" Polizeistaates. 2 Als drittes hierhergehöriges Beispiel läßt sich das Ostfriesische Landrecht anführen, angeblich aus d. J. 1515. Als Gesetzgeber erscheint hier Graf Edzard I.; seine Aufgabe war. das recipierte römische Recht (kaiserliches Recht) mit dem einheimischen Gewohnheitsrecht zu vereinigen. 3 Gründe gestützt, von deren Richtigkeit er vollkommen überzeugt zu sein scheint, die aber einer gerechten Kritik gegenüber nicht standhalten, befiehlt er noch einmal, daß die Ausschließlichkeit seines Landrechtes, insonderheit von den avocatis und procuratoribus nicht angefochten werden dürfe, unter Androhung einer „willkürlichen, unausbleiblichen Bestrafung.1' 1 Graf Anton Günther nennt allerdings hier nur die Advokaten und Prokuratoren als Vertreter der alten intertemporalen Rechtsregel; wir sind aber überzeugt, daß sie mit diesem intertemporalen Rechtsgefühl das ganze Volk hinter sich hatten. Diese intertemporalen Kämpfe erinnern an die im vorigen Paragraphen geschilderten Vorgänge in Württemberg, die sich bei der Einführung des romanistisch gehaltenen neuen Landrechtes abspielten. 2 Immerhin erscheint Graf Günther mit seinem Landrecht des Stadt- und Budjadinger-Landes sympathischer als Karl IV. mit seiner Majestas Carolina, in welcher die fiskalische Habgier neben den intertemporalen Mißgriffen widerwärtig berührt. 3 Das Publikationspatent berichtet uns darüber folgendes [s. v. W I C H T , das ostfriesische Landrecht, Vorrede S: 3 (Übersetzung)]: „Als sind Wir, mit Rath, Gonsens Und Vollwort Unserer Räthe, und Junck-Herren in Unserm Lande, dahin bedacht; diese Unserer Vorfahren Land-Rechte und Will-Kuhren, xum Nut% und Frommen Unserer Lande in bessere Ordnung und Deutlichkeit bringen und verfassen xu lassen, damit die Lande desto füglicher dadurch in Ruhe und Friede regieret werden, und ein jeder das Seinige mit Recht geruhig besitzen und in Friede gebrauchen möge. Es ist aber solches nicht dahin gemeynet, als wenn Wir die Rechte, deren sich Unsere Vor- Väter bedienet haben, und welche xu ihrer Zeit wohl gantx gut mögen verordnet gewesen seyn, so dafs Wir selbige nicht besser machen noch verfassen lassen könnten, hiedurch verschmähen, verachten, oder vernichten wollen-, Sondern es ist also xu verstehen, dafs Wir nur dasjenige, so xu dieser Umerer Zeit sich nicht gexiemet, noch dem Lande xum Aufnehmen und Nutxen dienet, aufs beste xu verändern gedencken und xu verbessern; Und was aus denen Kayserlichen Rechten diesem Unserm Lande nütxlich seyn mogie, daraus xu nehmen und hieselbst mit einschalten xu lassen, damit die meisten Händel dieser Unserer Oraffschafft darnach gerichtet und geschlichtet, die Rechte, wo sie dunckel und undeutlich sind, desto klährer hervor gebracht, und die Sachen, nachdem sie bewandt seyn und vorgebracht werden, von einem jeden, der nur will, und dessen Verstand und Befehl hat, desto besser darnach entschieden werden mögen. Welches alles Wir gethan haben naeh dem Vorbilde Justiniani, des gerechten Knysers, welcher alle alte Oesetxe der R&ner und seiner Kayserlichen Vorfahren, die sehr dunckel und undeutlich, auch unordentlich gesetzet waren(\) verbessert hat, wie solches offenbahr, und in denen Kayserlichen Rechten xu finden ist."

§ 32.

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Die Ausschlußklausel ist wie beim Budjadinger Landrecht nicht sehr klar und deutlich ausgedrückt. 1 Graf Edzard findet es nicht notwendig die Ausschließlichkeit zu rechtfertigen; immerhin liegt in seinem Hinweis auf Justinian, des "rechtvertigen Keysers," ein Wink, daß er sich ebenfalls als unfehlbarer Gesetzgeber fühlt, der sein Volk nach seiner a l l e i n i g e n Rechtsauffassung beglücken will. 2 Wenden wir uns nun zur zweiten Gruppe der Landrechte, welche ihre Ausschließlichkeit nicht auf die nackte Landesherrlichkeit, sondern auf die materielle und formelle Voraussetzung der neueren intertemporalen Regel stützen. Hierher gehört zunächst das neue Dithmarsische Landrecht v. J . 1567; der landesherrliche Gesetzgeber ist hier Friedrich der Ander. 8 In seinem Publikationspatent § 4 hebt er das alte dithmarsche Landrecht auf „was aber der Vernunft und Billigkeit im alten Landrecht entspreche sei in eine gute Ordnung gebracht, das mangelnde übrige Landrecht durch die natürliche Billigkeit, das sächsische und das gemein beschriebene Becht ersetzt." In §§ 5 und 6 befiehlt der Gesetzgeber die ausschließliche Anwendung der neuen Rechtsordnung, kraft seiner „Köninglyker und Förstlyker Macht, Oevericheit und Hochheit" — Die materielle Voraussetzung der Anwendbarkeit der neueren intertemporalen Rechtsregel ist, wie wir gesehen haben, die Mißbilligung der alten Rechtsordnung durch die neuere Rechtsanschauung, so daß eine weitere Herrschaft derselben durch das widerstrebende moderne Rechtsgefühl ausgeschlossen erscheint. Diese Auflehnung des modernen Rechtsgefühles gegen die alte Rechtsordnung wird in § 3 des Publikationspatentes klar und scharf hervorgehoben. 4 Ferner gehört hierher „der marqgräffschafft Baden / 1

Besser als in der nicht gerade klassischen Übersetzung v. W I C H T S kommt die Ausschlußklausel im Urtexte zur Geltung: „ • • • und dat uth Keiserliken Rechten, äussern Unsern Landen moege mutte syn, to vernemende, und mede taten insetten, dat man alle de meisten Saeken unser Graveschup; doirut moege richten und endigen laeten, und woir de Rechte duister und unklaer syn, claerliken vorluchten, und dat ein jedermann, den id belevet, to seen, und' des Vorstand hefft, und oek daertho voroerlavot is, doirnae de Saeken sinnen und voirgebracht werden, dorna beter to richten.11 J Am Schluß der Vorrede weist der gräfliche Gesetzgeber noch hin auf die vielfachen Rechtsänderungen, welche seit dem römischen Rechte durch Kaiser und Päbste und andere Gesetzgeber herbeigeführt wurden. Auch darin kann man eine Entschuldigung finden für sein Vorgehen, dem Lande eine zum größten Teil neue Rechtsordnung mit ausschließendem Charakter zu verleihen. Da aber jene angedeuteten Rechtsänderungen gewöhnlich nach der a j t e n intertemporalen Rechtsregel geschahen, so verflüchtigt sich dieser Entschuldigungsgrund für den Gesetzgeber Edzard in Nichts. 8 „van Oades Gnaden, Körting-tho Dennemareken, Norwegen, der Wenden und Gothen: Und van dessülven Gnaden Johanns und Adolff, Erven tho Norwegen, alle Hertogen tho Schlesswick, Hosten, Slormarn und der Dithmarschen . . . ." 4 § 3 lautet: „Dat Wy demnah oek tho gnädigster und gnädiger Folge der VertrSsting, de juw vorlangst dorch Uns geschehen, [Herxog Friedrich erinnert hier an die vorläufige Gerichtsordnung v. 1559, welche er gleieh nach der Unterwerfung des Landes zwecks einzelner Änderungen im Rechtszustande erlassen hatte.]

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Statuten uud Ordenungen in Testamenten Erbfellen und Vormündschafften" v. J. 1511. Der Verfasser dieses Gesetzbuches ist ULRICH ZASIUS.1 Das Publikationspatent verleiht dem G-esetze Ausschließlichkeit, enthält also die formelle Voraussetzung der neueren intertemporalen Rechtsregel (die Ausschlußklausel); es wird aber auch der materiellen Voraussetzung gerecht, indem es den Widerwillen und den Abscheu des modernen (romanistischen) Rechtsbewußtseins gegenüber der alten gewohnheitsrechtlichen Rechtsordnung zum scharfen und unzweideutigen Ausdruck bringt. 2 Die neuere intertemporale Rechtsregel findet sich auch in den „Verordnungen und Consitutiones Churfürst Augusti," veröffentlicht d. 21. Apr. 1572. 3 Von Belang für uns ist blos der II. und III. Teil, 4 welche privatrechtlichen Inhaltes sind. Die Ausschlußklausel befindet sich im Publikationspatent; 5 sie wird aber in demselben nicht mehr begründet. för nSdig und nüttsahm angesehen; Dewyl olde Diihmarsehe Land-Recht in Velen Artieulen der naturlyken Billicheit, und andern beschrevenen vernufftigen Rechten tho Weddern, och thom deele upgehaven, thom deele in velen Fällen darvan nichtes klarhafftiges gesettet; mangelhafftig, uth gnädigster und gnädiger Thoneginge juw mit einem, nyen gewissen beschrevenen Rechte tho begnaden" 1 Da mir kein Exemplar dieses Gesetzes zur Verfügung steht, so stütze ich mich auf die sehr genauen Angaben STOBBES a. a. 0. S. 390 u. fg. Die Heidelberger Bibliothek besitzt kein Exemplar; STOBBE benutzte das der Berliner Bibliothek. 2 Wiewol die gewonheiten und gebruch der Stette und Communen von gemeinen Rechten bestendikeit Krafft und gewaltsam inn und ufserthaU) rechtens haben sollen, So befinden wir doch uss erfahrung das die infürung der gewonheiten o f f t und dick uss Unwissenheit, der keiserlichen Satzungen und rechten und mitirung (\) erwachsen, und sieh erheben lichtlich inn sehlechter einfaltiger menschen gemüten Verwertungen, einer bestendigen geuonheit, die doch xu xyfen uss gebresten und mangel der wesentlichen stück, so die inn rechtfertigungen nit fürbracht, abherkant, So werden mich offt in geringen gexirken under einer oberkeit vylerley widerwertiger unglicher gewonheiten erfunden, und in fürvallenden geschickten und handeln, die xuxyten glichförmig aber unglich (\j gebrückt, und in reehtsprüchen widerwertiglieh herkmt, wie wir dann des von den unsern an unsern oben und undergerichten, und besunder xu rechtfertigungen und Sachen die erbung und erbfall berürn begegnet sin underricht, und sind darumb bewegt worden xu nutxe und guten unsern undertanen, und sollich kosten und Scheden darinn sie inn bewerungen und ussfürungen angexeigter gewonheiten bissher gefürt sind xuverhüten mit gutem rate und vorbetracht ein gliche erbung und erbsehaft in u/nserm fürstenthum . . . xuordnen und fürxunehmen." 3 Der genaue Titel lautet: „Churfürst Augusti Verordnungen und Constitutiones Des rechtlichen Processus, auch wasser mafsen etxliche xueiffelhaffter Fälle halben, durch die bestallten und geordneten Hof-Gerichte, Juristen-Faeultäten, Schöppen- Stühle, auch andere Gerichten, in Ihren Landen, xu Recht erkannt und gesprochen werden solle, in IV 1 heilen, den 21. April Anno 1572." 4 Der Titel des „anderen Theils": „Pars secunda de contractibus vel quasi. Der andere Theil: „ Von derer Partheyen unter ihnen selbst bewilligten und aufgerichteten Contracten und was denen anhängig, oder sonsten gleichförmig ist." Der Titel des dritten Teils: „Pars tertia de successionibus, ultimus voluntatibus et investitura feudali." Dritter Teil: „Von Ubergaben auffn Todes-Fall, Testamenten, Erb-Fällen und Lehens-Folgern." 5 „Befehlen darauf gedachten Unsern Hof-Gerichten, Juristen-Faeultäten und Schoppen-Stuhlen, auch allen unsern Gerichten, dafs sie dergestalt, wie allen t-

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Man könnte aber hier die l a n g o b a r d i s c h e i n t e r t e m p o r a l e R e c h t s r e g e l heranziehen, nach welcher die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung auch dann Platz greift, wenn die alte als ein einheitliches, festgefügtes und lückenloses Ganze betrachtet wird, wobei dann der neuen Rechtsordnung blos die Aufgabe zufällt, Zweifel und Dunkelheiten zu beseitigen. Diese Anschauung geht in der That aus dem Publikationspatent klar und deutlich hervor. 1 J a schon der Titel bringt diesen Charakter der Verordnungen des Kurfürsten August zum Ausdruck: „auch wassermafsen etzlicher zweiffelhaffter Fälle halben.11 Die Ausschließlichkeit ist also vollständig gerechtfertigt, soweit es sich wirklich nur um genauere Bestimmung des Gewohnheitsrechtes 2 oder um Entscheidung von Streitfragen 3 oder u m Einkleidung deutscher Rechtsvorschriften in die römische Form 4 handelte. Auch dann ist sie noch gerechtfertigt, wenn man in einzelnen Fällen, wo Kaiserrecht und Sachsenrecht sich widersprechen, dem ersteren den Vorzug gab, weil im Laufe der Zeit in Sachsen selbst die Rechtsanschauung von derjenigen des Sachsenspiegels mehr und mehr abgewichen war. 6 Nur greift hier nicht die LiüTPRAND'sche intertemporale Begründung der Ausschließlichkeit ein, sondern diejenige, welche wir bei der neueren Rechtsregel des römischen intertemporalen Privatrechts kennen gelernt haben, nämlich die als materielle Voraussetzung gekennzeichnete Umwandlung des volklichen Rechtsgefühles, welches sich sogar zu einer Mißbilligung der bisherigen Rechtsordnung steigert. Die halben hierinnen verzeichnet, gefasset und, begriffen, sprechen und, urtheilen, auch auf die neuen Constitutionen, von dato dieser Unserer Publication, innerhalb xweyer Monaten %u erkennen anfangen, und sieh sonsten mit Anstellung des Proxesses und allen andern, dieser Unserer Ordnung, Satzungen und Constitutionen gemäss und gehorsamlieh erxeigen sollen.'1 1 Mehrfach wird von der Aufgabe gesprochen, „etzliche xweiffelhafftige und zu Recht disputirliche Fälle xu rechter Richtigkeit bringen xu lassen, xur Erhaltung und Fortsetzung der Justitien und gleichförmiges Rechtens." Über die langobardische Kechtsregel vgl. oben § 17 S. 136 und § 20, S. 147. A

G.B. II,

16.

G.B. II, 9. und II, 1. 4 Vgl. Beispiele bei GEBBEB, Prinzip des deutschen Privatrechts, S. 184 ufg. 5 S. z. B. II, 26: „In gemeinen Käyserliehen Rechten, hat es nicht Ztveiffel, dass solches verlohnten Pfandes Schaden der Schuldener, als des Pfandes eigentümlicher Herr tragen muss. Aber nach Sächsischem, Recht ist solche Frage nicht fast richtig; dann ob wohl daselbst versehen: dass der Gläubiger, den Verlust des Pfandes nicht gelten dürffe, warm das Pfand ohne seine Schuld umb- und weg kommet; so ist dannoch darneben auch verordnet, dass er gleichwol sein Geld verlohren haben soll. Weil aber solche Ordnung nicht allein denen gemeinen beschriebenen Käyserliehen, sondern auch denen naturliehen Rechten, etwas zuwider läufft; so wollen Wir, auf unterthänige Erinnerung Unserer Verordneten, die Disposition des Sachsen Rechts, in diesem Fall hiermit aufgehoben, demselbigen derogiret, und daneben geordnet haben: dass fortan, nach gemeinen Käyserliehen Rechten, dissfalls gesprochen und erkannt werden soll." 3

AFFOLTER , Intert. Priyatrecht.

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Mißbilligung und die daraus hervorgehende Auflehnung, die sich gegen die Weiterherrschaft der alten Rechtsordnung richtet, kommt auch in dem oben angeführten Tit. XXVI. des II. Teiles zum scharfen Ausdruck. Als Ergebnis einer Durchsicht der Constitutiones erschienen im Jahre 1661 die „Decisiones electorales Saxonicae (oder Erledigung derer zweiffelhafften Rechts Fälle)". Auch diese haben aus denselben Gründen, wie die Constitutiones, den Charakter der Ausschließlichkeit erhalten. 1 Auch die NassavrCatzenelnbogische Land-Ordnung vom Jahre 1616 nimmt Zuflucht zur neueren intertemporalen Rechtsregel, wobei sie sowohl die formelle als die materielle Voraussetzung derselben erfüllt. Die erstere durch unzweideutigen Ausdruck der Ausschlußklausel 2 und zum Überflusse durch ausdrückliche Aufhebung der nicht aufgenommenen Gewohnheiten ; die letztere durch die Mitteilung, daß das Rechtsgefühl des Gesetzgebers sich gegen die alte Rechtsordnung auflehne, unter ausführlicher Aufzählung ihrer Mängel. 3 Die Mängel der alten Rechtsordnung wären den fünf gräflichen Gesetzgebern nicht in so hellem Lichte erschienen, wenn nicht die Rezeption des römischen Rechtes in Deutschland im 16. Jahrhundert zum Abschluß gekommen wäre. Daraus ergiebt sich, daß gerade die Rezeption des fremden Rechtes der neueren intertemporalen Rechtsregel außerordentlich günstig war, indem sie plötzlich und gewaltsam einen Umschwung der bisherigen Rechtsanschauung, nicht gerade 1 S. das Publikationspatent, wo wiederum als Zweck angegeben wird, wie auch der Titel sagt, zweifelhafte Rechtsfälle zu entscheiden, „dem gemeinen Wesen zum besten, auch Abwendung vieler schädlicher Inconvenientien, weil die Justitia constans et perpetua sein soll und muss." — In Betracht kommen hier aber nur die privatrechtlichen Decisionen XX-LXXIV. — Die Zahl der Decisionen beträg 91, welche außer dem Privatrecht Prozessrecht und einzelne Gegenstände des Staatsrechtes betreffen. 2 „So befehlen Wir hierauf allen und jeden Unsern Rathen, Amptleuthen und andern, so von Unsertwegen Bescheid und Urtheil zu geben haben, wie auch m&nniglich, der vor Unsern Gerichten zu ihun und %u handien hat, hiermit ernstlich, und wollen, dass sie über die hierin beschriebene Gerichts- und Land-Ordnung mit allem Fleiss hatten und daran seyen, damit sich m&nniglieh, in Führung der Prozessen, derselben gemäß erzeigen, auch sonsten, in vorfallenden Sachen, die Urtheil und Beseheid, nach Inhalt dieser Unser~mOrdnung, ertheilt,tmd auf einige andere Statuten und Lands-Geuohnheiten, so da hiebevor gemacht, und respective an einem oder anderm Orth Unserer Graff- und Herrschafften, eingeschlichen, und hierinnen nicht austrücklich bestätigt seyn würden, nicht möge gesehen, noch gegangen werden." 8 Als solche werden angeführt: „ . . . . dass Uns nun zu unterschiedenen malen berichtlich vorkommen, welcher gestalt nicht allein, mit Auffrichtung der Testamenten, Donation und Ubergifften etc. bis anhero fast ohnförmlich umbgangen . . . " Dies wäre mehr ein ä u ß e r l i c h e r Mangel der älteren Rechtsordnung; i n n e r l i c h e Mängel gehen aus folgenden Auslassungen des gräflichen Gesetzgebers hervor: „Dann Wir dieselbe Gewohnheiten, als welche mehrentheils difformes, xurn theil auch aller Vernunft und Billieheit zuwider gewesen, une auch alte vorhin gewesene, und hierin nicht bestätigte Statuta, hiermit sampt und sonders, wissentlich eassiren und aufheben, und dieser Unserer Ordnung, oder da etwas, so hierinnen nicht begriffen, vorfallen würde, den allgemeinen Kayserlichen Rechten allerdings nachgegangen haben wollen."

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der breiten Schichten des Volkes, wohl aber der Träger der Gesetzgebung herbeiführte; diese waren aber in den einzelnen Territorien die Landesfürsten. 1 Dabei muß noch ein Punkt in's Auge gefaßt werden. Die landesherrlichen Gesetzgeber befanden sich in einer Art Zwangslage, indem die Urteile ihrer Gerichte Gefahr liefen, von den obersten Reichsgerichten aufgehoben zu werden, falls sie nach den mannigfaltigen Gewohnheitsrechten ihrer Länder gefällt waren, indem seit der R. K. 0. von 1495 zunächst des Reichskammergericht und später der Reichshofrat angewiesen waren, „nach des Reychs gemainen Rechten zu richten2 Zwar bestimmt die R.K.O., daß der Richter und die. Beisitzer schwören sollen, auch nach „redlichen erbern vnd leydliehen Ordnungen, Statuten vnd Gewohnheiten der Färstenthumb, Herrschafften vnd Gericht" zu richten; allein da die Gewohnheiten der einzelnen Länder nicht immer in den Augen jener Reichsrichter als redlich, ehrbar und leidlich erschienen, sondern wohl sehr oft als unbillig und widerwärtig, so war durch diese Bestimmung der R.K.O. keine Gewähr dafür gegeben, daß ein auf Gewohnheitsrecht beruhendes, landgerichtliches Urteil nicht in der Appellationsinstanz bei einem der beiden Reichsgerichte aufgehoben wurde. 3 So erschienen denn in vielen Publikationspatenten und Vorreden der bürgerlichen Landesordnungen nach der Rezeption des römischen Rechtes Klagen, welche diesen Übelstand, der durch die geltenden Gewohnheitsrechte herbeigeführt wurde, grell beleuchteten. 4 Außerdem machen die Vorreden der Refor6 Diese Bemerkung gilt für sämtliche Landesrechte mit der materiell und formell begründeten Ausschließlichkeit, deren Erlaß in die Zeit n a c h der Reception des römischen Rechtes fällt. 8 § 3 der R.K.O. lautet: „Item, die all sollen xuvor vnnser Kunigklichen oder Keisserlichen Mayestat globen vnd xu den Heyligen schweren, vnnserm Känigklichen oder Keyser liehen Camer - Qerieht getrewlieh vnd mit Fleyss obxusein, vrmd nach des Reychs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern vnd leydlichen Ordnungen, Statuten vnd Oewonheyten der Färstenthumb, Herrschafften vnd Gericht, die f&r sy bracht werden, dem hohen vnnd dem nydern nich seinem bestten Verstentn&ss, gleich xu richten, . . . " 3 Dazu kommt noch, daß die Obergerichte der einzelnen Länder, welche etwa das Privilegium de non appellando genossen, das sie trotz der R.K.O. thatsächlich oder rechtlich erworben hatten, durch die Landgerichtsordnungen angewiesen wurden, auch nach des Reiches und gemeinen Rechten zu urteilen, einschließlich der „redlichen, erbern und leydlichen Ordnungen, Statuten vnd Oewonheyten" zu urteilen. Damit erhielten auch sie das Recht, nach ihrem Gutdünken darüber zu entscheiden, ob eine Sondergewohnheit oder ein Gebrauch „redlich, erber vnd leydlich" sei oder unbillig und widerwertig. Auch dies geht aus den meisten einschlägigen Vorreden hervor; siehe z. B. unten Vorrede zum SpANHEiu'schen Landrecht. 4 Statt vieler ein Beispiel: in der Kurkölnischen Reformation v. 1538 klagt Kurfürst Hermann, Erzbischof zu Köln, im 5. Teile derselben, über diesen Übelstand wie folgt: „Die suecession vnd Erbfolgung icirdt jn vnsern Fiirstenthümbmen nicht gleichmessiglich, vnd an vil orten den gemeynen besehriben Rechten vnd des heiligen Reicks Ordnungen, auch xü Zeiten der natürlicher redlichkeit vnd billigkeit xü widder, gebraucht, vnd gehalten, darauss vilerley gexenks, spen, vnd irrwng 13*

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mationen auch auf andere Umstände aufmerksam, welche durch Buntscheckigkeit der geltenden Gewohnheitsrechte und Gebräuche herbeigeführt wird. So vor allem darauf, daß, wenn die eine Partei sich auf ein Gewohnheitsrecht beruft, der Gegner regelmäßig die Geltung eines anderen Gewohnheitsrechtes behauptet, wobei dann durch die „Beweisung" des Gewohnheitsrechtes viel Zeitverlust, Mühe und Kosten verursacht werden. Es sind dies allerdings nur äußerliche Mängel der alten Rechtsordnung, die noch lange nicht beweisen, daß der i n n e r e K e r n der geltenden Gewohnheitsrechte schlecht sei. Die Mißbilligung der alten Rechtsordnung, welche als materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu Grunde liegen muß, sollte grundsätzlich nicht ä u ß e r l i c h e n Mängeln entfließen, sondern sich auf den i n n e r e n Gehalt der Rechtsordnung beziehen, der dem gegenwärtigen Rechtsgefühl widerspricht. Trotzdem können wir es den landesherrlichen Gesetzgebern nicht übel nehmen, wenn sie ihre Mißbilligung auf jene äußeren Mängel der alten Rechtsordnung stützen und nur diese zur Begründung der Ausschlußklausel anführen. 1 I n die gleiche Gruppe gehört das Jülisch-Bergische Landrecht vom J. 1555, 2 welches zwar gemäß seiner Vorrede und seinem Publikationspatent zum Teil auf ,,alten löblichen Gebreuchen, Herkommen und Gewohnheiten auff Recht und aller Billigkeitf gegründet ist, aber auch „allerleg Mißbreuch und Unrichtigkeit, deren etliche gemeinen beschriebenen Hechten, etliche auch der natürlichen Erbar- und Billigkeit ungemess und zuwider, ingerissen" aufhebt, also insoweit ausschließlichen Charakter hat. Die materielle und formelle Voraussetzung der neueren intertemporalen Rechtsregel werden somit durch den Gesetzgeber erfüllt. In gewissem Sinne gehört hierher auch die „Deformation

des

Erz-

xwischen vnsern vnderthanen erfolgen, xü dem, das die parthien, wan solche sacken durch Appellation an die vbergericht, da mehe nach gemeinen beschriben rechten, dan nach ongewissen gewonheiten oder vnredlichen gebrauchen gehandelt wird, erwachsen in grossen beschwerlichen schaden vnd kosten, gefürt werden; Welches alles verhüt werden mocht, so die Ordnung gemeiner beschriebner Rechten, welche in den Erbfellen ab intestato lauter vnd Mar, auch der natürlicher redlicheit vnd billicheit ganx gleich vnd gemess ist, gehalten• würde.11 1 In nachfolgenden Untersuchungen des intertemporalen Rechtsgehaltes der einzelnen Landesgesetze aus der Zeit nach der Rezeption werden wir des öfteren auf Belege zu obigen Ausführungen stoßen. Es entwickelt sich eben ein neuer intertemporaler Gedanke, daß auch derartige äußere oder formelle Mängel zur materiellen Begründung der Ausschlußklausel ausreichend sind, auf den ich bereits früher § 12, S. 88 aufmerksam gemacht habe. 2 Dasselbe wurde von Herzog Wilhelm veröffentlicht als „Ordnung und Reformation des gerichtlichen Proxess, sampt Erklärung etlicher Felle, so sich gemeinlich xutragen, wie es damit hinfürter in unseren Fürstenthumben und Landen, Oülich und Berg gehalten, auch darin geurtheilt und erkannt werden soll, im Jahr tausend fünffhundert und fünft fünffxig aussgangen." Sie wurde 1556 und 1564 revidiert.

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stiftes Köln" v. J. 1538. 1 Das Merkwürdige dieser Reformation besteht darin, daß Kurfürst Hermann „die alten Gewohnheiten und Gebreuche" nicht ausdrücklich aufzuheben wagt, jedoch seine Mißbilligung derselben unverhohlen kundgiebt, und damit den dringenden Wunsch verbindet, daß das kaiserliche Recht die alte Rechtsordnung verdrängen solle. 2 Was Kurfürst Hermann unterließ, holte Maximilian Heinrich nach; er erließ i. J. 1663 ohne Einwilligung der Stände die „ E r t z s t i f f t s Kölnische Rechtsordnung." Das Publikationspatent derselben enthält die Ausschlußklausel 3 and die Vorrede, die ausdrückliche Aufhebung aller Gewohnheiten und Gebräuche, welche nicht ausdrücklich in die Rechtsordnung aufgenommen wurden. 4 Hervorzuheben ist, daß der erzbischöfliche Gesetzgeber es nicht mehr der Mühe wert erachtet, der materiellen Voraussetzung der neueren intertemporalen Rechtsregel zu gedenken; er spricht nicht seine Mißbilligung über die inneren Mängel der bestehenden Rechtsordnung aus, sondern beklagt bloß die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Gebräuche, welche den Richter irreleite und großen Zeitverlust durch den Beweis des Gewohnheitsrechtes herbeiführe. 6 Intertemporal nahe verwandt ist das „Landrecht 1

des Ertzstiffts

Trier",

Der ausführliche Titel lautet: „ües Erxstifftes Köln Reformation, dere weltlicher Gerichts-Rechts und, Pollixei, durch den hochwürdigsten Fürsten und Herr, H. Hermann, iJrtx bischoffen xu Köln und Churfürsten, Hertxogen xu Westvalen und Engern, etc. uffgericht anno 1538, etc." 8 Am besten zeigt sich diese Mißbilligung der alten Rechtsordnung im 5. Teile dieses Rechtsbuches (ein Gesetzbuch im wahren Sinn des Wortes ist es nicht!). In der Vorrede zum 5. Teil, betitelt: „Eyn kurtxer begriff kalt aller Erbfelle uss den Keyserlichen beschriebenn Rechten, auch Keyserlieher Maiestät vnd des heyligen Reichs Constitution, allein xü berichtung des gemeynen Rechten, vnd des Reichs Ordnungen, den vnderthanen xü güte gestelt; Doch eynem jeden stände vnd ort an iren löblichen Satzungen, Ordnungen, plebisciten, vrmd wolhergebrachten gewonheiten, su durch Keyserliche Maiestät nit abgethan vnabbrüchlich", heißt es: „Die . . . Erbfolgung wird . . . xü xeiten der natürlicher redlichkeit vnd billigkeit xü widder gebraucht und gehalten, daraws vilerley gexengks, . . . erfolgen, . . . da mehe nach gemeinen beschriben rechten, dan nach ongewissen gewonheiten oder unredlichen gebrauchen gehandelt wird, . . . ; Weichs alles verhüt werden mocht, so die Ordnung gemeiner beschriebner Rechten, icelche in den Erbfeilen ab jntestato lauter und klar, auch der naturlicher redlicheit vnd billicheit ganx gleich vnd gemess ist, gehalten würde." 3 „ . . . dass bei vorfallenden Sachen in Abfass- und Ertheilung rechtlichet Urtheil und Beseheide demselben gebührend nachgelebt werde, . . . " 4 „ . . . und sollen nun diesemnach alle andere Gewohnheiten und Gebräuehe, die hierin ausdrücklich nit gesetzt, oder benamset, wie sie auch beschaffen seyn mögen, ohne einige Ausnahme, für nichtig und kraftlos erkennt und erklärt seyn, sondern ausser derselben alle andere Falle nach denen gemeinen beschriebenen Rechten erörtert, tmd abi/eurtheill werden." 6 S. Vorrede der Rechtsordnung. — Die Stände des Kurfürstentums beschwerten sich darüber, daß sie „ohne einige unsere Vorwissen propagirt und publtcirf sei, worauf der Kurfürst ihneu versprach, Vorschläge zu Änderungen annehmen zu wollen. Ob die Stände von diesem Versprechen Gebrauch machten, ist nicht ersichtlich.

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erlassen von Kurfürst Carl Caspar, Erzbischof von Trier i. J. 1668. In der Vorrede gewährt er demselben ausdrücklich die Ausschließlichkeit unter unmittelbarer Bezugnahme auf die materielle Voraussetzung derselben, die Mißbilligung der alten Rechtsordnung. 1 Eine Revision des Landrechtes veröffentlichte Kurfürst Karl i. J. 1713. In der Vorrede wird derselben ebenfalls Ausschließlichkeit erteilt, alle bisherigen widrigen Observanzen und Gewohnheiten werden aufgehoben und dem gemeinen („beschriebenen") Recht Subsidiarität verliehen, ohne auf die materielle Voraussetzung weiter einzugehen. 2 Die neuere intertemporale Rechtsregel gelangt in rein römischer Form zum Ausdruck in der „ Untergerichtsordnung der hindern Graveschafft Spanheym. Dabey etliche Statuten und Satzungen, in Successio nen oder Erb fällen, Einkindschafften, Abdrieb oder Losungen, Kauffen und ferhauffen, ZinsverSchreibungen und anderen Polizeihändeln, auch daß man sich in Malefitzsachen des Reichs peinlichen Gerichts-Ordnung nach verhalten soll," aus dem Jahre 1578. Dieselbe enthält in erster Linie formelles Recht. In der Vorrede begründen die Gesetzgeber 3 ihr seltsames Vorgehen, demselben auch materielles Recht „in stucken der Erbfällen, Einkindschafften vnnd Abtrieb vnnd andern Bingen" hinzuzufügen. Es sind die bekannten Klagen über die äußeren Mängel der bestehenden Gewohnheiten und Gebräuche: Gefahr der Nichtigkeit des Urteils, welches das Untergericht auf Grund des Gewohnheits-

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Vorrede von 1668: „ . . . dabey aber in der Erfahrung befunden, dass auss denen von alters herbrachten Oewonheiten und Gebräuchen viele unrechtmässige und unvernünfftige, den gemeinen Rechten, und sogar der natürlicher Billigkeit, so doch das Ziel eines jeden Gesätx sein muss, zuwie'ler lauffende Missbrüuch entspringen." Außerdem macht der Gesetzgeber, wie sein Zeitgenosse und geistlicher Bruder Maximilian Heinrich auf den Verlust an Zeit und Geld aufmerksam, der aus der Mannigfaltigkeit der Gewohnheiten und ihrer Beweisung erwachsen. Zum Schlüsse werden alle anderen, sowohl gemeine Landes- als Pärtikulargewohnheiten aufgehoben und dem gemeinen Rechte Subsidiarität zuerkannt. 2 Im Landrecht selbst dagegen spricht der Gesetzgeber öfters seine Mißbilligung über die Gebräuche und Gewohnheiten aus; so in § 5, Tit. 6: „Als haben Wir auss Lands-Fürstlicher hoher obrigkeitlicher Macht und Gewalt, .solche in allzu unbillige Wiirckungen extendirte Gebrauch auff vernünfftige leidentliehe und billige Weege richten, massigen und wie es in künfftigen Fällen in Unserem ganlxen Ertxstifft, Städten und Aemtem. in einer durchgehender Gleichheit gehalten werden solle, hiemit folgende Verordnung giben wollen." — Man muß sich übrigens nicht etwa durch den Ausdruck „künftige Fälle11 in der Vorrede und in diesem Paragraphen täuschen lassen und etwa die alte intertemporale Rechtsregel hier vermuten; der Richter soll vielmehr in allen künftigen Prozessen darnach urteilen, gleichgültig, ob die Thatbestände unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung stattgefunden haben oder nicht. s

„Wir Johans von Gottes gnaden Pfaltxgrave bej Rhein, Herlxog in Bayern, Grave xu Veldentx.. Und von desselbigen gnaden, Wir Philips Markgrave xu Baden, beyde Graven xu Spanheim."

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rechtes erlassen, 1 Zeitverlust und Kosten. 2 Diese Mängel scheinen den Gesetzgebern vollauf zu genügen, um die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu verleihen und die alten Gewohnheiten abzuschaffen. 3 Was aber diesem Landrecht in intertemporaler Beziehung eigen ist, ist die beinahe wörtlich mit dem römischen Rechte übereinstimmende Ausnahmeklausel der causae ftnitae Zum Schlüsse wenden wir uns zu den Landrechten des 18. Jahrh., welche beinahe sämtlich der neueren intertemporalen Rechtsregel, wenn auch in verschiedenem Maße, huldigen. Eröffnen wir die Reihe mit dem „Land-Recht der Fürstenthummer und Landen der Marggraffschafften Baaden und Hachberg u. s. w." vom 29. Jan. 1710. Daß die Herrschaft der alten Rechtsordnung endgültig gebrochen sei, geht mehr aus einem dispositiven Stillschweigen als aus ausdrücklichen Bestimmungen der Vorrede hervor. 6 Die Mängel der alten

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.rVnnd darauss erfolgt so die parteien dureh appellation für uns oder vnsern Hoffgericht xu Trarbach erwachsen, das sie in beschwerlichen vnkosten vnnd schaden geführt, xu dem das jnen auss nichtigkeyt der pro%ess vnnd handlungen, an erörtterung jrer Sachen nicht geringer verxug entstanden ist.11 8 „auch kosten, schaden vnd Verlängerung der suchen vnd was sonst mehr für vnraths auss' dergleichen vnordnungcn vnnd missbräuchlich ervolgt, verhüt werden möge.'1 a „Setxen, ordnen vnd wollen derhalben auss Fürstlicher Oberkeyt, das nuhn hinführter, nämlich auff den Newen Jarstag des fünffxehen hundert Acht vnd Sibenixigsten Jars nach Christi gehurt dise nachvolgende erneuerte VndergerichtsOrdnunge vnn angehenckte statuta vnd Satzungen . . . . mit ernst vnd fleiss observirt vnd gehalten . . . . werden sollen. Wir thun vnnd schaffen auch ab, in bester form als jmmer geschehen mag xum kräfftigsten aUe vnd jede gewonheyten vnd gebrauch, so in vnser Graveschafft Spanheym, diser unser Vndergerichts Ordnung Statuten vnd satxungen xuwider sind, oder sein möchten, in gemeyn oder in sonderheyt, als ob wir die alle vom wort xu wort hierinn gesetzt hetten — Vnd wollen vnd gebieten, das von datum obgemeldts Newen Jars an, nicht mehr nach denselbigen vorigen gewonheyten oder gebräuchen, sonder dieser vnser Ordnungen, Statuten vnd satxungen gemäss, gehandelt, erkannt vnnd, gesprochen werde." * Was aber vor datum derselbigen Zeit xu fall kommen vnd geendet ist, dabej soll es bleiben, wie solches durch Ambts beseheydt gütlich oder gerichtlich erörtert oder vollendet worden." 5 Die intertemporale Klausel derselben lautet: „Sondern Unser gnädigst und ernstlicher Befehl gehet beinebens auch insonderheit an Euch Oeheime Räthe, Landvögte, Ober- und Under-Beambte, Land- Statt und Oerichtsschreiber, Burgermeister, Schuldheissen, und Richter, die da gegenwärtig sind, oder künfftig seyn werden, dass Ihr in Erforsch- Abhandel und Rechtfertigung aller und jeder vor Euch kommenden Sachen Euch allerdings nach disem Unseren Landrecht, und denen darinn verschidenlich enthaltenen Satxungen gehorsambst achten, und darvon im geringsten nicht abweichen, sondern es in allen und jeden seinen Artickeln sowohl selbst in ohnvergesslicher Uebung erhalten, als auch Unsere Euch gnädigst anbefohlene Underthanen und Angehörige jeder seines Orts xu dessen gehorsambster Beobachtung anweisen und vermögen sollet."

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Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

Rechtsordnung, welche die Vorrede namhaft macht, sind „die noch dann und wann vorkommenden zweiffelhaften Anstände.'11 Fahren wir weiter mit der Rhein- und Wildgräflichen Landesordnung v. 2. Mai 1754. 2 Am Eingange der Vorrede werden auch die äußeren Mängel der bisherigen Rechtsordnung geschildert. 3 Von Bedeutung ist der zweite Nachtrag, den der Landesherr Carl Magnus, Wildgraf zu Dhaun und Kyrberg am 10. Okt. 1760 seiner Landesordnung hinzufügte. Er enthält ein Zugeständnis an die ältere intertemporale Rechtsregel zu gunsten der gerichtlichen Schuldverschreibungen, welche noch unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung nach deren Vorschriften gefertigt wurden und der entsprechenden Vorschrift der neuen Rechtsordnung nicht entsprechen. Diese sollten ihre Gültigkeit behalten, wenn nicht innerhalb einer zerstörlichen Frist von 4 Wochen von den Schuldnern „gegründete Einwendungen der Unrichtigkeit oder sonsten dargegen vorgebracht und ausgeführt werden können.'1 * Nur innerhalb engerer Grenzen findet die neuere intertemporale Rechtsregel im Kurfürstl. Mainzischen Landrecht von 1755 Aufnahme. Der Gesetzgeber betritt einen neuen Weg im Gebiete des intertemporalen Privatrechtes, der d i e j l i t t e bildet zwischen der alten und der neuen intertemporalen Rechtsregel. F o r m e l l wird allerdings zunächst nach der neueren Regel dem Landrecht die Ausschließlichkeit erteilt. Kurfürst 1

Die Vorrede beklagt auch noch den Mangel der Exemplarien, welchem auch abgeholfen werden sollte. 2 Die negative intertemporale Klausel lautet hier: „.. . . welche (nämlich die Landesordnung) Wir demnach, so wie sich hernach folgen Unsern Rüthen und Beamten xur Richtschnur ihrer Entscheidungen, weniger nicht unsern sämtlichen Unterthanen und Eingesessenen, auch denen Fremden, in Ansehung ihrer in Unsern Landen vorgehenden Verrichtungen xur ohnverbrüehlichsten Beobachtung mit dem Anhang hierdurch vorschreiben, dass gleichwie dadurch alle vorherige allgemeine hiesige Landes-Ordnungen, welche nicht nahmentlich in ihrem völligen alten Innhali hierdurch bestütiiget sind, ingleichen alle bey Entscheidung rechtlicher Strittigkeiten bisher beobachtete Gewohnheiten, in so ferne sich nicht ausdrücklich hierin erneuert, worden, aufgehoben seyn, also in Fällen, worüber Wir nieht eigenes verordnet haben, die Gemeine in dem H.R.Reich übliche Rechten, mit Ausschliessung alter Auswärtigen Landes-Ordnungen, xur alleinigen Vorschrift dienen und beobachtet werden sollen." 8 „Da wir vielfältig wahrgenommen, dass die meiste deren so wol in vorigen Zeiten ausgegangenen und von Uns bestätigten als auch seit Unserer Regierung weiter bekanndt yemnehten einxeln Landes-Verordnungen, Theils gar nicht der Gebühr nach xu jedermanns Wissenschaft gekommen, Theils nach und nach in Vergessenheit und Abgang gerathen; hieraus aber der üble Erfolg entstanden, dass bey manchen Vorfällen Unsere Unterthanen entweder aus würklicher Unwissenheit, Schaden gelitten oder doch mit derselben sieh xu entschuldigen Anlas gefunden." * Aus der Ausdrucksweise des angeführten Satzes geht hervor, daß die Einwendungen sich nicht auf die m a n g e l n d e Form stützen können. — Die Landesordnung enthält übrigens sowohl formelles als materielles Recht, sowohl öffentliches als privates, letzteres im 7. und 8. Teil: „von Kauf, Losungen, Versax und andern dergleichen Bürgerlichen Sandeln'•, resp. „von lexten Willens Verordnungen und Erbschaften ohne Testament."

§ 32. Die neuere Rechtsregel in der Landesgesetzgebung.

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Johann Friedrich Karl ermangelt in dem Publikationspatent nicht, zur Rechtfertigung der Ausschließlichkeit, seiner Mißbilligung des alten Rechtszustandes Ausdruck zu verleihen, wobei er aber nur auf die bekannten äußerlichen Mängel der Gewohnheiten und Gebräuche, nämlich Zeitverlust und Kosten im Prozeß hinweist. 1 Ausdrücklich hebt er die Gewohnheiten und Gebräuche auf, gewährt dem Landrecht die Ausschließlichkeit und den gemeinen Rechten die Subsidiarität. 3 Eigenartig und bedeutungsvoll ist der letzte Absatz der Vorrede, welche vom 24. Juli 1755 datiert ist. Darnach soll das Landrecht am 1. Januar des zukünftigen, 1756. Jahres Inkrafttreten, wobei noch einmal und ausdrücklich demselben die Ausschließlichkeit verliehen wird. 3 Nun sollte man meinen, daß der Gesetzgeber höchstens noch zum Schlüsse seiner Vorrede eine Ausnahme zu Gunsten der causae finitae, wie das Spanheimer Landrecht, macht. Doch der Kurfürst räumt der alten Rechtsordnung eine weit größere Herrschaft ein; er beugt sich also zum Teil der älteren intertemporalen Rechtsregel und betritt damit den Mittelweg eines g e m i s c h t e n i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t s s y s t e m s , welches vorbildlich ist für spätere Gesetzbücher, so auch für das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches. 4 Wir stehen hier vor der Klausel, welche Ausnahmen von der Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu gunsten der Herrschaft der alten aufstellt. Diese Ausnahmeklausel deckt sich durchaus nicht mit der gewöhnlichen römischen zu gunsten der causae pendentes und causae finitae. Nicht bloß von den bereits erledigten Fällen ist hier die Rede; denn es sollen ja n o c h n i c h t 1 „ Und dann wir von Zeit Unserer angetretenen Landes-Regierung mehrmahlen wahrgenommen, wasmassen verschiedene Strittigkeiten aus deme entstanden, dass die Partheyen ein oder anderer Seits, sich entweder auf verschiedene, oder aber absonderliche daselbsten hergebrachte, und nach und nach angenommene, von denen gemeinen Rechten aber mehrentheils abweichende Gewohnheiten beruffen, heg derenselben Widerspruch, dann öffters viele Zeit versäumet, mithin mancher an seinem Recht, gegen Verschulden, entweder Mangel gelitten, oder doch darmit, mm grasten Schaden und Nachtheil, kostspielich auffgehalten worden." 2 „ Welchem nach von nun an alle hierwieder etwa eingeführte Gewohnheiten und Gebräuche, so hierinnen nicht enthalten oder benennet, hiermit auffgehoben seynd, mithin inskünfftige nach dem Buchstäblichen Innhalt gegenwärtigen Unseres Land-Recht und Ordnungen verfahren, darauf geurtheilet und, wo darinnen keine ausdrückliehe Vorsehung oder Abänderung geschehen ist, es bey denen gemeinen Rechten belassen werden solle.1' 8 „So setzen Wir den Ersten Jnnuarii des zukünftigen Ein Tausend Siebenhundert Sechs und Fünfzigsten Jahres, %um eigentlichen Termin der Obliegenheit und Verbindlichkeit, dergestalten, dass von sothaner Zeit und Tag an, nach dem Innhalt des gegenwärtigen Land-Rechts und Ordnung, alle Unsere Ertzstifftliche Unterthanen, besonders auch diejenige, so mit denenselben ausser- oder bey Gerieht xu thun und xu handeln haben, sich darnach achten, und die vorkommende Fälle diesem gemäss beurtheilt, entschieden und vollzogen werden sollen."' 4 Die Vorrede endet folgendermaßen: „ Wovon jedoch die bereits vor der Publication dieser Unserer Verordnung Rechtshängige Sachen, und unter denen Partheyen allschon errichtete Ehe- und andere Pacten, auch Testamente, letzte Willens-Ordnungen und dergl. ausgenommen bleiben."

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Das interi Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

erledigte Fälle unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung bleiben, geschweige denn bereits erledigte. 1 In dieser Ausnahmeklausel des Mainzischen Landrechtes findet die ältere intertemporale Rechtsregel innerhalb gewisser Schranken eine materielle Aufnahme, während formell die neuere in der Ausschlußklausel allein vertreten erscheint. Kurfürst Johann Friedrich Karl hat mit dieser „beschränkten Gewährungsklausel" das intertemporale Privatrecht in neue Bahnen gelenkt; es soll beim Erlaß eines bürgerlichen Gesetzbuches weder ausschließlich die ältere, noch ausschließlich die neuere intertemporale Rechtsregel Geltung haben, sondern je nach den verschiedenen Rechtsmaterien bald die eine, bald die andere zur Anwendung gelangen. Diesen Gedanken hat auch das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche aufgenommen und durchgeführt. 2 Ein Vorgänger des Mainzischen Landrechtes im intertemporalen Privatrecht ist „der Graffschafft Hohenlohe gemeinsames Land-Recht' v. 1737. Im Publikationsdekret erlassen die gräflichen Gesetzgeber die Ausschlußklausel. 8 In der Ausnahmeklausel räumen sie jedoch der alten Rechtsordnung eine begrenzte Herrschaft ein; sie verwenden somit auch nicht die römische Ausnahmeklausel der causae finitae und pendentes, sondern eine solche, unter derem Schilde der alten Rechtsordnung auch für die Zukunft eine Geltung innerhalb gewisser Schranken zugesichert wird, somit eine beschränkte Gewährungsklausel. 4 Das Publikationspatent 1 Man könnte diese MainzischeAusnahmeklausel auch „ b e s c h r ä n k t e G e w ä h r u n g s k l a u s e l " nennen, im Gegensatz zu der römischen Ausnahmeklausel, die eigentlich der alten Rechtsordnung keine weitere Herrschaft mehr einräumt; denn über erledigte Sachen giebt es eine solche nicht mehr, und über rechtshängige Sachen ist ihre Herrschaft durch L i t i s k o n t e s t a t i o n festgenagelt, nicht durch G e währung. 2 S. unten II. Buch. 3 „Als ergehet Unser gemeinsamer Landes-Herr schafftlicher wohlbedäehtiger Befehl, Will und Verordnung hiermit dahin, dass solches entworffene revidirt- vermehrt und nun völlig %u Stand gebrachte- von Uns durchgängig genehm gehaltene Land-Recht, wie solches von Wort xu Wort, hiernach folget, von Unsern Regierungen und Cantxleyen, dann Ober-, Unter - Aemtern, auch allen und jeden Gerichten, und jedermann, Klägern und Beklagten, Inn- und Ausländischen, in Zukunfft, und von dato des 1. Juli des mit Gott anhoffenden 1738. Jahrs an gerechnet, in Unserer gesamten Gmffsehaft und deren Landen, durchgehends und genau beobachtet, darnach gericht- und ausser-gerichtlich gehandelt, verfahren, Rechtlich auch die ausgesprochene Urthel und Bescheide gesprochen und geurtheilet, exeqiüret und zur Vollziehung gebracht werden sollen." 4 „Jedoch in der Mase, und dergestalt, dass, gleichwie diejenige Unsere Unterthanrn, u:elehe bereits durch einen Heyrathsoder andern Geding, Testament, letxtern Willen u. s. f . ein anderes Recht, als in diesem Land-Recht versehep, imd geordnet, erlanget haben mogten, darbey gleichwol, gestalten Sachen nach, gelassen und gehandhabet werden- nicht weniger denen- in ein- und andern Städten, auch andern Orten, von Unsern- in Gott ruhenden Vorfahren, besonders ertheiltund confirmirten Statutis hierunter keines weges derogiretoder solche entkräfftetund aufgehoben seyn sollen, also diejenige, welche künfftighin erst ein Emkindschafft, Eeyraihs- Abrede, letxte Willens- Verordnimg. oder eines von

§ 32.

Die neuere Bechtsregel in der Landesgesetzgebung.

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des Kurfürsten Johann Friedrich Karl unterscheidet sich in seinen intertemporalen Rechtsbestimmungen von dem „Publications-Decretum" der Grafen von Hohenlohe nur darin, daß es die Statuten einzelner Ortschaften nicht aufrecht erhält, sondern ganz aufhebt. In dieser Beziehung ist also das Mainzische Landrecht von modernem Geiste durchdrungen; wir sind daher berechtigt, den Mainzischen Gesetzgeber als den Urheber eines modernen Systems des intertemporalen Privatrechtes anzusehen, welches in einer Verbindung der f o r m e l l herrschenden Ausschließlichkeit mit der unter dem Deckmantel der Ausnahmeklausel m a t e r i e l l aufgenommenen älteren intertemporalen Rechtsregel besteht. Merkwürdig ist immerhin, daß die aufgezählten Thatbestände, welche der alten Rechtsordnung erhalten bleiben, in beiden Vorreden beinahe wörtlich übereinstimmen; die Hohenlohesche nennt: „Heirats oder andere Gedinge, Testamente, letzte Willen u. s. f.", die Mainzische dagegen: „Ehe und andere Pakten, auch Testamente, letzte Willensordnungen u. dergl." Die Übereinstimmung erstreckt sich sogar auf die generalis clausula am Schlüsse der Aufzählung: die Hohenlohesche sagt „und so fort" (u. s. f.), die Mainzische „und dergleichen". Aus der Mainzischen Vorrede geht aber nicht hervor, welche anderen Thatbestände als die aufgezählten, zu denen der alten Rechtsordnung aufgesparten zu rechnen seien, wohl aber aus der Hohenloheschen, welche ausdrücklich noch Einkindschaftsverträge und Vergleiche nennt und außerdem noch von „denen übrigen in diesem Land-Recht enthaltenen Gedingen, Verabredungen, Handlungen" spricht. Betrachten wir nun diese Thatbestände etwas näher, so fallen sie in der That in eine und dieselbe Gruppe, die ich „private Willensthatbestände" nenne. 2 Und wirklich sind es die privaten Willensthatbestände, die es in erster Linie verdienen, von der Ausnahmeklausel der alten Rechtsordnung zugewiesen zu werden, falls der Gesetzgeber zu diesem gemischten intertemporalen Systeme greift und nicht a l l e Folgerungen der älteren intertemporalen Rechtsregel anerkennen will. Das im Jahre darauf (am 2. Jan. 1756) veröffentlichte „Bayerische Landrecht (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis) schließt sich im Publikationspatent ohne jede Einschränkung der neueren intertemporalen Rechtsregel an und steht so in einem auffällenden Widerspruch mit sich selbst. Herzog Maximilian Joseph sucht die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu rechtfertigen durch Hervorhebung der ä u ß e r l i c h e n Mängel

denen übrigen- in diesem Land -Recht enthaltenen Oedingen, Verabredung, Handlungen, und Vergleichen treffen wollen oder werden, an dieses Unser Land-Recht von der obbestimmten Zeit an, hiermit lediglich und ausdrücklich gewiesen und gebtmden " 1 Zu erwähnen ist, der Genauigkeit halber, daß die Vorrede zum Mainzischen Landrecht unter den Ausnahmen auch die rechtshängigen Sachen anführt, während die Vorrede zum Hohenloheschen diese nicht ausdrücklich erwähnt. 2 S. deren dogmatische Darstellung im II. Buche, 1. Kapitel.

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Das interi. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

des bisherigen Rechtszustandes. 1 In Bezug auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Rechtsordnung unterscheidet er zwischen dem Jus novum, „wodurch nemlich entweder etwas ganz Neues verordnet, oder das ältere bisher üblich geweste Recht abgeschafft wordendieses sollte am 1. Juni 1756 in Kraft treten. Alles übrige Recht dagegen, „wo das Forige nur wiederholt, bestätiget, oder in Thesi dubia et controversa declarirt wirdcf, sollte sofort in Kraft treten, „in Erörterung deren sowohl künftig- als gegenwärtig- und vergangener Handlungen, so weit nemlich diese letztere noch nicht abgeurtheilt, und in rem judicatam erwachsen seyend, hiernach regulire." Diese letztere Bestimmung enthält die Ausschlußklausel zugleich mit der römischen Ausnahmeklausel, welch letztere sich jedoch auf die causae iudicii finitae beschränkt. Es erhebt sich nun die Frage, ob das Jus novum, das erst am 1. J u n i in Kraft treten sollte, auch ausschließlich sein solle mit Ausnahme der causae judicatae. Das Publikationspatent schweigt; ja aus dem vorhergehenden Satze läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber auch dem Jus novum Ausschließlichkeit gewähren wollte, bloß mit Hinausschiebung des Inkrafttretens desselben. 2 Wenn der baierische Gesetzgeber wirklich das Jus novum der älteren intertemporalen Rechtsregel hätte unterwerfen wollen, so würde er dies im Publikationspatent nicht stillschweigend übergangen haben, umsomehr, als die Gerichte in intertemporaler Beziehung zu jener Zeit nicht zuverlässig waren, und die ausdrückliche oder stillschweigende Gewährungsklausel mehr und mehr zum deutschen intertemporalen Privatrecht wurde. 3 Nun erklärt allerdings das baierische Landrecht in I, 1, 8: „Es erstreckt sich aber das Gesetz nur auf zukünftige, nicht auf gegenumrtige und vergangene Fälle, ausgenommen in blossen Erläuterungen eines vorhin schon zweifelhaft gewesenen Gesetzes, oder wo es ausdrücklich so verordnet wird." Damit stellt sich das baierische Landrecht ganz auf den Boden der älteren intertemporalen Rechtsregel in der Fassung von T h e o d o s i u s II. in c. 7 de leg. 1, 14, indem es die neuere intertemporale Rechtsregel nur als Ausnahme hinstellt, die ausdrücklich angeordnet werden muß. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß die baierischen Gerichte auf Grund dieses Paragraphen und bei dem Stillschweigen des Publikationspatentes mit Fug dem Jus novum die Ausschließlichkeit hätten absprechen können. Der Widerspruch zwischen dem Publikationspatent und dem Baierischen Landrechte selbst bildet nicht eine vereinzelte Erscheinung. Wir treffen ihn noch

1

Er klagt über die fast unübersehliche Weitschichtigkeit und höchst beschwerliche Unordnung. 1 Der fragliche Satz lautet: „Seinen, ordnen und wollen auch hiermit, dass man solchen in Unseren sammenllichen Churhrnden, mit Einschluss der Oberen Pfalx, und all anderer Uns zugehöriger Herrschaften und Landereyen, genau beobachte, sowohl bei höh• als niederen Gerichten, in denen daselbst vorfallenden Streithändlen pflichtmäsaig hierauf spreche und erkenne." 8 S. oben § 30.

§ 38.

Das intert. Privatrecht des „Allg. Landrechtes f. d. Preuß. Staaten".

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beim Allg. Landrecht für die Preuß. Staaten und bei einer Reihe von Gesetzbüchern des 19. Jahrhunderts. 1 § 33.

Das intertemporale Privatrecht des „Allgemeinen Landrechtes für die Preußischen Staaten".

Das preußische Landrecht v. 1794 ist eine so bedeutende Kodifikation und enthält in seinem Publikationspatent so ausführliche intertemporale Rechtsbestimmungen, daß wir denselben eine besondere, von der Betrachtung der übrigen Landgesetze vor dem Code civil getrennte Darstellung widmen müssen. Bevor wir jedoch auf das A. L. eingehen, wollen wir noch einen Blick werfen auf das intertemporale Privatrecht des „verbesserten" Landrechtes des Königreichs Preußen von 1721. In der Vorrede desselben bekennt sich der königliche Gesetzgeber Friedrich Wilhelm I. gänzlich zur älteren intertemporalen Rechtsregel. 3 Hier spricht er klar und deutlich aus, daß die Herrschaft der alten Rechtsordnung über ihre Thatbestände auch für die Zukunft gesichert ist, gleichgültig, ob dieselben schon rechtshängig sind oder nicht. Die Ausnahme, welche der Gesetzgeber hinsichtlich des Prozeßrechtes der Gebührenordnung der Anwälte und der Gerichte macht, betrifft öffentliches Recht und bildet daher keinen Widerspruch zur älteren Rechtsregel des intertemporalen Privatrechtes. 8 Wenden wir uns nun dem A. L. von 1794 zu. In Zif. I des Publikationspatentes wird die Subsidiarität der fremden Rechte aufgehoben. 4 1 So beim Badischen Landrecht, s. unten § 52; beim österreichischen und sächsischen B.G.B, s. unter § 53. Da könnte man sagen: der Geist des Gesetzbuches ist willig und empfänglich für die intertemporalen Grundsätze; aber bei seiner konkreten Anwendung im Einführungsgesetz wird der Gesetzgeber schwach, schwankend und haltlos. Die älteste Erscheinung dieser Art ist übrigens die Lex Romana Visigothorum; vgl. oben § 17, S. 138. 2 Im zweitletzten Absatz der Vorrede sagt er: „Schliesslich ordnen und wollen Wir, dass diese Unsere verbesserte Ordnung (ausser was den modurn procedendi item das das Sporiuln-Reglement ratione den Advocaten imd der Gerichte betrifft) auf die Fälle, die sich allbereit xugetragen haben, xum Theil auch jetxo noch Rechtgängig seyn möchten, nicht gexogen; Sondern allem auf solche Fälle und Sachen, so nneh Publicirung und Verkündigung dieser Unserer neuen Ordnung sieh künfftiglich zutragen, verstanden werden, und alle vorige alte Oolmen, Landbräuche und Gewohnheiten, so diesen Unsern revidirten Ordnungen, Satxungen und Landrechten ungemäss und entgegen, gäntxlich aufgehoben, cassiret und abgethan seyn sollen, wie Wir sie auch hiemit wissentlich also eassiren, aufheben und abthun." 8 Im letzten Absatz der Vorrede verleiht Friedrich Wilhelm dem „Kayserlichen Recht" Subsidiarität, und falls auch dieses nicht ausreichend ist, soll der Fall nach Recht und Billigkeit (ex aequo et bono) entschieden, nötigenfalls mit Gründen dem König zur Entscheidung eingeschickt werden. 4 Zif. I lautet: „Das gegenwärtige allgemeine Lnndrechl soll an die Stelle der in Unsern Landen bisher aufgenommen gewesenen Römischen gemeinen Sachsen- und anderer fremden subsidiarischen Rechte und Qesetxe treten; also dass von dem oben bemerkten Zeitpunkte, dem. 1. Junius 1794 an, auf die bisherigen subsidiarischen

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

Schon hier nimmt der preußische Gesetzgeber auf die ältere intertemporale Rechtsregel Rücksicht, indem er die früheren Fälle, die vor dem 1. J u n i 1794 stattfanden, der alten subsidiären Rechtsordnung vorbehält und nur die späteren Fälle, d. h. die nach dem 1. Juni 1794 eintretenden, der Herrschaft der neuen Rechtsordnung unterwirft. — In Zif. I I werden die früheren a l l g e m e i n e n Edikte und Verordnungen, welche bisher in allen Provinzen als gemeine Landesgesetze gegolten haben, aufgehoben. Hierbei verleiht der Gesetzgeber der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit, „indem dafür gesorgt worden ist, dass diese einzelnen Edikte und Verordnungen bei der Anfertigung des Landrechts nochmals revidirt und ihrem Inhalte nach, bei den Gegenständen, welche sie betreffen, gehörigen Orts aufgenommen und eingeschaltet worden.1' Ausgenommen werden diejenigen Edikte und Verordnungen, auf welche im Landrecht Bezug genommen und dahin verwiesen worden ist. Diese sollen „ihre gesetzliche Kraft in Ansehung aller Stellen und Vorschriften, die nicht etwa in diesem Landrechte ausdrücklich geändert sind", nach wie vor beibehalten. Zif. I I I — V I I beschäftigen sich mit dem Verhältnis der neuen Rechtsordnung zu den „bisher bestandenen b e s o n d e r e n Provinzialgesetze und Statuten." Zif. I I I 1 gewährt ihnen „vor der Hand" weitere Herrschaft, selbst für solche privatrechtliche Thatbestände, die nach dem 1. J u n i 1794 stattfinden; für dieselben sollte das allgemeine Landrecht nur subsidiäre Geltung haben. Zif. IV ordnet an, daß diese besonderen Gesetze bis zum 1. Juni 1796 „gesammelt, revidirt und nach dem Plane der allgemeinen Gesetzgebung geordnet werden sollten." Zif. V regelt genauer die Durchführung dieses Planes. Zif. VI giebt als Richtschnur für die Bearbeitung die möglichste Gleichförmigkeit der Gesetzgebung der einzelnen Provinzen mit der allgemeinen Gesetzgebung herbeizuführen. Zif. VII befiehlt, daß bei der Entwerfung der Provinzialgesetzbücher auch auf die Gewohnheitsrechte und Observanzen Rücksicht zu nehmen sei, „dergestalt, dass dieselben ebenfalls gesammelt; in wiefern ihnen nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen die Eigenschaft einer rechtsgültigen Observanz wirklich zukomme, sorgfältig erwogen; die Erheblichkeit und Nutzbarkeit derselben, nach den § 6 vorgeschriebenen Grundsätzen genau geprüft, und diejenigen, deren Beibehaltung notwendig gefunden wird, in das Provinzialgesetzbuch gehörigen Orts eingerückt werden." Vom 1. J u n i 1796 ab verleiht der Gesetze und Rechte nicht mehr xurückgeyangen, sondern in vorkommenden späteren Fällen nur nach den Vorschriften des gegenwärtigen Landrechts in allen Unsern unmittelbaren und mittelbarm Gerichtshöfen erkannt, uerden soll." 1 Zif. III lautet: „Die in den verschiedenen Provinzen bisher bestandenen besonderen Provinxialgeset%e und Statuten behalten zwar vor der Hand noch ihre gesetxliche Kraft imd Gültigkeit, dergestalt, dass die vorkommenden Rechtsangelegenhe'tten hauptsächlich nach diesen, und nur erst in deren Ermangelung nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts beurtheilt und entschieden werden sollen." S . Anm. 9 in K O C H S Ausgabe des „Allgemeinen Landrechts."

§ 33.

Das intert. Privatrecht des „Allg. Landrechtes f. d. Preuß. Staaten."

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preußische Gesetzgeber dem allgemeinen Landrecht hinsichtlich dieser Gewohnheiten und Observanzen die Ausschließlichkeit, mit Ausnahme derjenigen, welche entweder den Provinzialgesetzbüchern einverleibt sind oder auf welche das Allgemeine Landrecht selbst gelegentlich verweist. Die Ausschließlichkeit wird in ziemlich scharfen Worten ausgedrückt, 1 welche zugleich auch die Mißbilligung dieser den Gesetzen widersprechenden Observanzen enthalten. Der Schluß der Zif. VII macht ebenfalls der neueren intertemporalen Rechtsregel Platz, indem die im Allgemeinen Landrecht enthaltenen Abweichungen von gewissen einzelnen Vorschriften des römischen oder gemeinen Sachsen-Rechtes nach Ablauf eines zweijährigen Zeitraumes Ausschließlichkeit erlangen sollen; während dieser zweijährigen Frist sollen sie aber noch nicht zur Anwendung gebracht werden. 2 Der letzte Absatz der Zif. VII enthält eine bedeutungsvolle intertemporale Neuerung für den Fall, daß während dss zweijährigen Zeitraumes Rechtsgeschäfte vorgenommen werden. Diese unterliegen ihrer Form nach dem m e i s t b e g ü n s t i g e n d e n R e c h t e . 3 Sind sie also nach dem „bisherigen subsidiarischen Gesetze" formlos, nach dem A. L. jedoch formell, so haben sie Geltung, auch wenn die vom Landrecht vorgeschriebene Form nicht beobachtet ist nach dem ihnen günstigen subsidiären Rechte; und umgekehrt, wenn das bisherige subsidiarische Gesetz eine äußere Form vorschrieb, das A. L. jedoch von dieser Förmlichkeit absieht, so erlangte sie die Gültigkeit nach der ihnen günstigen Vorschrift des Allgemeinen Landrechtes. Der wichtigste Teil des Publikationspatentes für das intertemporale Privatrecht des A. L. ist aber Zif. VIII. Derselbe beginnt mit der älteren intertemporalen Rechtsregel als etwas ganz Selbstverständlichem

1 „Ausser diesen beiden vorstehend bestimmten Ausnahmen aber sind Wir die Berufung auf Observanxen, welche dem Oesetxe widersprechen, und. die gemeinschädliche Ungewissheit der Rechte verewigen, nach, dem Ablaufe des vorgedachten Zeitraums ferner xu dulden nicht gesonnen. Was hingegen diejenigen Observanxen betrifft, welche nicht wider die Oesetxe sind,- sondern nur etwas bestimmen, was in den Oesetxen unentschieden gelassen worden; so mag es dabei, nach Massgabe des § 4 der Einleitung xu diesem 'allgemeinen Landrechte, bis xum Erfolge einer gesetxlichen Bestimmung, auch noch ferner sein Bewenden haben." 2 Diese Suspension bezog sich jedoch nur auf solche Stellen des A.L., „welche das gerade Oegentheil eines klaren und unstreitig recipirt gewesenen römischen oder anderen fremden Gesetxes enthalten; keineswegs aber solche Stellen, welche bloss den bisher üblichen Meinungen einiger Rechtslehrer widersprechen; oder einer gewissen Erklärungsart dieses oder jenes römischen oder andern fremden Oesetxes den Vorxug beilegen; oder gar nur bisher schon xweifelhaft gewesene Rechtsfragen bestimmen." Diese Suspension dauerte in einzelnen Provinzen bis gegen Ende des 19. Jahrh. hinein; s. K O C H , a. a. 0 . Anm. 22. Die Begriffsbestimmung der Abweichungen des Landrechtes führte zu einem Wirrwarr von Gerichteerkenntnissen und Meinungen; vgl. K O C H , a. a. 0 . Anm. 23. 8 Erstes Vorkommen der i n t e r t e m p o r a l e n Meistbegünstigungsk l a u s e l ; s. auch § 17 d. Einl. zum A.L. und dazu § 42, Th. I, Tit. 3.

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

und allgemein Gültigem. 1 Sie solle daher auch für die neue Rechtsordnung beobachtet werden; dabei verweist der Gesetzgeber auf die §§ 1 4 — 2 0 der Einleitung, die wir gegebenen Ortes ausführlich darstellen werden und fährt dann fort: „wie Wir denn überhaupt ausdrücklich verordnen, da ss ein Jeder, welcher sich zur Zeit der Publikation dieses Landrechtes in einem nach bisherigen Gesetzen gültigen und zu Recht einer Sache oder eines Rechtes bebeständigen Besitze irgend findet, dabei gegen Jedermann geschützt und in dem Genüsse, oder in der Ausübung dieser seiner wohlerworbenen Gerechtsame, unter irgend einem aus dem neuen Rechte entlehnten Vorwande, nicht gestört oder beeinträchtigt werden soll." — Daraus geht hervor, daß der preußische Gesetzgeber des A. L. auf dem Boden der Theorie der sogenannten „wohlerworbenen Rechte" steht, welche damit die ältere intertemporale Rechtsregel erklären will. Daß sie aber dazu nicht im stände ist und zu gegenteiligen Ergebnissen führt, ist bereits oben im § 30 angedeutet. Der preußische Gesetzgeber folgt hier den Spuren Ludwigs des Baiern, der als erster das intertemporale Privatrecht auf die „mit dem rechten erlangten rechte" abstellte. 2 Zif. I X beschäftigt sich mit dem Falle, daß ein Thatbestand der alten Rechtsordnung unter der neuen zur Aburteilung gelangt, jedoch infolge dunkler und zweifelhafter Bestimmungen der ersteren verschiedene Meinungen über den Sinn und die Anwendbarkeit derselben in Gerichtshöfen, stattgefunden haben. 3 Dann soll deijenigen Meinung der Vorzug gegeben werden, welche mit den Vorschriften des Landrechtes übereinstimmt oder denselben am nächsten kommt. Von großer intertemporaler Bedeutung ist Zif. X. Sie handelt von Thatbeständen der alten Rechtsordnung, welche erst nach Erlaß des Landrechtes subjektive Wirkungen erzeugen.4 Das preußische intertemporale Privatrecht unterscheidet hier Fälle, wo die subjektiven Thatbestände von der Willkür des zukünftigen Rechtsobjektes abhängen, mit anderen Worten subjektive Willensthatbestände sind und Fälle, wo diese 1 Zif. VIII am Eingang lautet: ,,So wie überhaupt ein neues Gesetz, auf vergangene Fälle nicht bexogen werden mag, so soll dieser Orundsatx auch bei der Anwendung des gegenwärtigen Landrechts beobachtet, tmd dabei im Allgemeinen nwr auf die §§ 14—20 der Einleitung vorgeschriebenen Bestimmungen Bücksicht genommen werden." * c. 17 u. 249; s. oben § 31. — Auch andere Landesgesetze sprechen in ihren Vorreden von erworbenen Rechten; s. z. B. oben das Tiroler Landrecht und insbesondere das Westgalizische G.B. 8 Der Gesetzgeber meint hier unter der alten Rechtsordnung die subsidiarischen Rechte und Gesetze. Entsch. d. Ob.-Trib. Bd. XVI, S. 310; vgl. Bd. XVII, S. 433; s. auch K O C H . a. a. O., Anm. 26. 4 Es sind dies Thatbestände, die zunächst bloss ein objektives Rechtsverhältnis begründen, aus welchen erst später infolge gewisser neuer Thatbestände Erscheinungen des subjektiven Rechtes hervortreten. Ich nenne die ersteren objektive, die letzteren subjektive Thatbestände; s. II. Buch, 1. Kap.

§ 33.

Das intert. Privatrecht des „Allg. Landrechtes f. d. Preuß. Staaten".

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subjektiven Thatbestände „in der Gewalt und einseitigen Entschließung desjenigen, den die Handlung der Begebenheit angeht, nicht mehr gestanden habe", m. a. W . , subjektive involuntare (notwendige) Thatbestände. Im ersten Falle soll die neue Rechtsordnung bei der Beurteilung der erst nach dem 1. Juni 1794 eintretenden rechtlichen Folgen zur Anwendung gelangen, m. a. W., der preußische Gesetzgeber macht hier der neueren intertemporalen Bechtsregel Platz. Im letzteren Falle soll dagegen nach der alten Rechtsordnung über die später eintretenden rechtlichen Folgen des der alten Rechtsordnung angehörenden Thatbestandes entschieden werden, m. a. W., es bleibt bei der alten intertemporalen Rechtsregel, auf deren Seite sich der preußische Gesetzgeber in Zif. VIII so unumwunden geschlagen hatte. Warum gewährte der preußische Gesetzgeber der von ihm in Zif. VIII rundweg abgewiesenen neueren Intertemporalen Rechtsregel einen derartig ausgedehnten Spielraum? M. E. ist diese Abweichung von dem bewährten intertemporalen Privatrecht der älteren Rechtsregel eine durchaus willkürliche. Die preußische Jurisprudenz nimmt an, daß sich das zukünftige Rechtssubjekt stillschweigend der neuen Rechtsordnung unterworfen habe, wenn es während der Geltung der alten Rechtsordnung von der ihm gewährten Willensmacht keinen Gebrauch gemacht hatte. Dies ist aber nichts als eine Fiktion, welche schwerwiegende intertemporale Rechtsverletzungen zur Folge haben mußte. 1 Zif. XI beschränkt wiederum die dem Landrechte in Zif. X zum Teil eingeräumte Ausschließlichkeit. Sie bezieht sich dem Wortlaute nach auf alle Verträge, sowohl auf einseitig widerrufliche als auch auf einseitig unwiderrufliche und bestimmt, daß dieselben, falls sie vor dem 1. Juni 1794 errichtet worden sind, „sowohl ihrer Form und ihrem Inhalte nach, als in Ansehung der daraus entstehenden rechtlichen Folgen nur nach, den zur Zeit des geschlossenen Kontraktes bestandenen Gesetzen zu beurteilen, wenngleich erst später auf Erfüllung, Aufhebung oder Leistung des Interesse aus einem solchen Kontrakte geklagt würde." Da nun aber die einseitig widerruflichen Verträge gewisser Richtung zu den objektiven Thatbeständen gehören, wodurch subjektive W i l l e n s t h a t b e s t ä n d e rechtliche Wirkungen subjektiver Art erzeugt werden, so fallen diese nach Zif. X an und für sich der neuen Rechtsordnung anheim; in Zif. XI werden sie dieser wieder entrissen und ihrer rechtmäßigen Mutter, der alten Rechtsordnung wiedergegeben. 2 1 Mit Recht hat daher das österreichische Publikationspatent v. 1811 Abs. 5 diesen schweren Verstoß gegen das intertemporale Privatrecht vermieden und die objektiven Thatbestände der alten Rechtsordnung mit ihren unter der neuen Rechtsordnung entstehenden Thatbeständen der Herrschaft der alten Rechtsordnung belassen. Vgl. über den Ursprung dieser Fiktion einer stillschweigenden Unterwerfung unter die neue Rechtsordnung unten §§ 44—46 F E L L I N U S . 2 An diese Folge hat sehr wahrscheinlich der preußische Gesetzgeber nicht gedacht. Er ging von der Anschauung aus, daß alle Verträge zu denjenigen Thatbeständen gehören, die der alten Rechtsordnung unterworfen bleiben, weil hier die subjektiven Rechtsfolgen nicht von subjektiven W i l l e n s thatbeständen

AFFOLTER, Intert. Priyatrecht.

14

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

In Zif. XII hat sich der preußische Gesetzgeber in einer Sonderfrage des intertemporalen Privatrechtes, im Gegensatz zu späteren Einführungen, ausschließlich zu gunsten der republikanischen Rechtsregel entschieden. Es handelt sich nämlich um die intertemporale Regelung „der Testamente und anderer letztwilliger Verordnungen". Diese stellen Thatbestandsverbindungen dar, welche von jeher dem intertemporalen Gesetzgeber Schwierigkeiten verursacht haben, in dem Falle, wo das erste Glied der Testamentsakte unter die Herrschaft der alten Rechtsordnung fällt, das letzte Glied derselben jedoch unter die Herrschaft der neuen. Der römischen intertemporalen Rechtsanschauung gemäß ist für den Gesamtthatbestand und das daraus entstehende Rechtsverhältnis durchaus die alte Rechtsordnung maßgebend. 1 Angewandt auf die Testamente und letztwilligen Verfügungen bedeutet dieser römisch-intertemporale Grundsatz, daß die alte Rechtsordnung entscheidend ist für die p e r s ö n l i c h e F ä h i g k e i t (rechtliche und natürliche) zur Errichtung eines Testamentes, ferner für die F o r m und endlich auch für den I n h a l t einer solchen. Der preußische Gesetzgeber hat die Frage nach der persönlichen Fähigkeit übergangen, die beiden anderen nach Form und Inhalt des Testamentes im römischen Sinne entschieden: „in Ansehung der Testamente und anderer letztwüliger Verordnungen setzen Wir besonders fest, daß alle diejenigen, welche vor dem 1. Junius 1794 errichtet worden, nach den Vorschriften der älteren Gesetze durchgehends beurtheilt werden sollen, wenngleich das Ableben des Testators erst später erfolgte." Aus diesen Worten ist ersichtlich, daß Zif. XII nicht unterscheidet zwischen Form und Inhalt, sondern, wie das Wort „durchgehends" andeutet, die alte Rechtsordnung auf Testamente und andere letztwillige Verfügungen n a c h a l l e n R i c h t u n g e n h i n angewandt wissen will. 2 Schon im 14. Jahrh. stritt man einseitiger Art abhängen; die einseitig widerruflichen Verträge, wie z. B. Schenkungen unter Ehegatten und Schenkungen von Todeswegen, scheint er ganz übersehen zu haben. Nur so ist es zu erklären, daß Zif. XI mit den Worten beginnt: „Es sind daher insonderheit alle Verträge, welche vor dem 1. Juni 1794 errichtet worden . . . " S. auch KOCH, a. a. 0., Anm. 28 und 29. Da nun bei der Interpretation von Gesetzen nur der Wortlaut des Gesetzes und nicht die Absicht des Gesetzgebers in Betracht kommt, so bleibt es bei der eben dargestellten Aus legung der Zif. XI. 1 Vgl. z. B. fr. 8 pr. mandati 17, 1: „ . . . initium rectandum et causam . . ."; ferner fr. 58 pro socio 17, 2: vgl. auch oben § 10 Nov. 66; eine Ausnahme bildet jedoch der Thatbestand für die Intestaterbfolge. Das römische Recht huldigt also der organischen Auffassung des Gesamtthatbestandes, während der württembergische Gesetzgeber des L. R. der atomistischen zugethan war; vgl. oben § 31, S. 181. S. auch II. Buch, 1. Kap. * Die späteren Einführungen des preußischen Landrechtes, die von 1814, § 6 und von 1816, § 8 und ebenso ein Erkenntnis des Ober-Tribunals v. 3. April 1857 (A. f. Rechtsf., Bd. XXIII, S. 352) machen wohl unter dem Einflüsse der französischen Jurisprudenz einen Unterschied zwischen Form und Inhalt eines Testamentes; für jene soll die ältere Rechtsordnung, für diesen die neuere maßgebend sein. Der römischen Rechtsauschauung entspricht dies trotz SAVIGNYS entgegengesetzter Meinung nicht (SAVIONY, System. Bd. VIII, S . 451 u. fg.).

§ 83.

Das intert. Privatrecht des „Allg. Landrechtes f. d. Preaß. Staaten".

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sich darüber, ob die alte oder die neue Rechtsordnung anzuwenden sei, wenn der Testator unter der neuen Rechtsordnung stirbt. ANGELUS ABETINUS

und

FELLINUS

SANDAEUS

unterschieden,

ob

der

Testator

unter der neuen Herrschaft Gelegenheit gehabt hätte, sein Testament der neuen Rechtsordnung anzupassen oder ob er durch Krankheit daran verhindert worden sei; im letzteren Falle gelte die neue Rechtsordnung, im ersteren die alte. 1 Gegen diese Unterscheidung legt der preußische Gesetzgeber Verwahrung ein: „und soll bei dieser Art von Verfügungen auf den Unterschied: ob eine solche Disposition in der Zwischenzeit und bis zum 1. Junius 1794 noch hätte abgeändert werden können, oder nicht, zur Vermeidung der sonst für Unsere getreuen Unterthanen zu besorgenden großen Weitläufigkeiten und Kosten, keine Rücksicht genommen werden Es ist dies um so auffallender, als der preußische Gesetzgeber in Zif. X selbst eine ähnliche Unterscheidung bei Thatbeständen trifft, 2 welche mit dem römischen intertemporalen Privatrecht nicht vereinbar ist; umsomehr ist dafür die richtige Entscheidung Zif. XII. zu bewerten. Zif. XIII bezieht sich auf die Thatbestände, welche die sogenannte gesetzliche Erbfolge herbeiführen. Es sind dies Thatbestandsverbindungen, von denen jedes einzelne Glied einen notwendigen (involuntaren) Thatbestand personaler Art darstellt; nämlich einmal der personale Zustandsthatbestand der Blutsverwandschaft zwischen Eltern und Kindern, „auch anderen Familienmitgliedern" und ferner das personale Ereignis des Todes des Erblassers; zu dieser Verbindung tritt noch ein negativer Willensthatbestand hinzu, daß keine rechtsgültigen, letztwilligen Verfügungen da sind. Sieht man bloß auf die Thatbestandsverbindung, so müßte man nach den Grundsätzen des römischen Privatrechts die alte Rechtsordnung herrschen lassen, selbst wenn der Erblasser unter der Herrschaft der neuen Rechtsordnung stirbt; denn das erste Glied der Thatbestandskette, der Zustandsthatbestand der Blutsverwandtschaft, liegt seiner Entstehung nach im Herrschaftsgebiet der alten Rechtsordnung. Nun aber ist neben dieser Thatbestandsverbindung ein negativer Thatbestand zur Entstehung der sogenannten gesetzlichen Erbfolge notwendig, nämlich das Nichtdasein letzter Willensverordnungen. 3 Das Dasein desselben ist zu beurteilen nach dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers; denn bis zu diesem Zeitpunkte waren letzte Willensverordnungen immer noch möglich. Infolgedessen ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgebend für die Frage, welche von den beiden wettbewerbenden Rechtsordnungen für das Rechtsverhältnis der sogenannten gesetzlichen Erbfolge maßgebend i s t Fällt der Todestag des Erblassers noch unter die Herrschaft der alten Rechtsordnung, so ist diese zuständig; wenn nicht, die neue. Dies war

1

S. FELLINUS, Comm. z. Corpus iuris canonici, Decretales lib. eap. XIII; s. unten 3. Abschn. dieses Kapitels § 45. * S. oben die Darstellung von Zif. X, S. 208. 8 Über negative Thatbestände vgl. Buch II, Kap. 1. 14*

I,

tit. II,

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

der Standpunkt des römischen intertemporalen Privatrechts. 1 — Auch hier hat sich der preußische Gesetzgeber an die logisch klaren Grundsätze des römischen intertemporalen Privatrechts gehalten: „Die gesetzliche Erbfolge zwischen Eltern und Kindern, auch anderen Familienmitgliedern, soweit dieselbe nicht auf Verträgen, Fideikommiß-Stiftungen, Lehnskonstitutionen u. s. w. unabänderlich beruht, sondern durch rechtsgültige Willenserklärungen des Erblassers abgeändert werden konnte, ist, wenn der Erbfall sich vor dem 1. Junius 1794 ereignet, nach den bisherigen Gesetzen, späterhin aber, wenn der Erblasser keine solche rechtsgültige Abänderung gemacht hat, nach den Forschriften des neuen Landrechts zu beurteilen8 In Zif. X I V wird bestimmt, nach welcher Rechtsordnung das Rechtsverhälnis der Ehegatten und ihr gegenseitiges Erbrecht beurteilt werden sollen. Der Thatbestand, welcher das erstere Rechtsverhältnis erzeugt, ist ein Willensthatbestand, nämlich die Eingehung der Ehe. Derselbe ist keine Thatbestandsverbindung, sondern ein schlichter Thatbestand, der dem intertemporalen Privatrecht keine Schwierigkeiten bereitet. Fiel er unter die zeitliche Herrschaft der alten Rechtsordnung, so bleibt er es auch für die Zukunft; tritt er aber unter der neuen Rechtsordnung ein, so ist er ihr verfallen. Daher bestimmt mit Recht der preußische Gesetzgeber: „Bas Verhältnis der Eheleute, die sich vor dem 1. Junius 1794 verheiratet haben, soll, so weit es auf Rechte und Pflichten unter Lebenden ankommt, sowie in Fällen, wo die Ehe durch richterliches Erkenntnis getrennt wird, nach den zur Zeit der yeschlossenen Ehe bestandenen Gesetzen beurteilt werden."3 Der Thatbestand für das zweite Rechtsverhältnis der „gesetzlichen" Erbfolge des überlebenden Erbfolge ist ein schlichter personaler Zustand, der dem intertemporalen Gesetzgeber keine Bedenken verursachen kann. Fällt der Beginn des personalen Zustandes in das zeitliche Herrschaftsgebiet der alten Rechtsordnung, so beherrscht sie ihn und das aus ihm hervorgehende erbrechtliche Verhältnis auch für die Zukunft. Beginnt dagegen der personale Zustand unter der neuen RechtsS. o. 12 de suis et legitimis 6, 55; auch c. 14 i. f. de legitim, heredibus „Si qui autem casus evenerunt, secundum quod pristma iura polebant, fiat distributio." ' Die bisherige Begründung dieser intertemporalen Regel in Bezug auf die gesetzliche Erbfolge versteift sich auf die Theorie der wohlerworbenen Rechte; vor dem Tode des Erblassers habe der gesetzliche Erbe kein wohlerworbenes Recht, sondern nichts weiter als eine ungewisse Erwartung. Wie verhält es sich dann aber mit dem testamentarischen Erbrecht? — Eine eingehende Kritik dieser Theorie s. unten im III. Abschnitt dieses Buches, welcher die vollständige Unhaltbarkeit derselben darlegen wird. — Auch die späteren Einführungen des A. L . stimmen mit § 13 überein. 3 Wie aus den späteren Einführungen von 1814, § 9 und 1816, § 11 hervorgeht, meint der Gesetzgeber unter dem Verhältnis der Eheleute nicht die p e r s ö n l i c h e n Rechte und Pflichten, sondern die Güterrechte der Eheleute und ihr gegenseitiges Rechtsverhältnis infolge einer Ehescheidung; die Ehescheidungsgründe sind übergangen. 1

6, 58. eorum

§ 33.

Das intert. Privatrecht des „Allg. Landrechtes f. d. Preuß. Staaten".

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Ordnung, so wird er und sein Erzeugnis von dieser erfaßt. So entscheidet auch der preußische Gesetzgeber: „Bei der Erbfolge hingegen, insofern dieselbe nickt durch Verträge, letztwillige Verordnungen, Provinzialgesetze oder Statuten bestimmt wird, sondern nach gemeinen Hechten anzuordnen ist, soll der überlebende Ehegatte, bei einem nach dem 1. Junius 1794 sich ereignenden Successionsfalle die Wahl haben: ob er nach den zur Zeit der geschlossenen Ehe vorhanden gewesenen gemeinen Beeilten, oder nach den Vorschriften des gegenioärtigen Landrechts erben wolle." Neu jedoch ist das intertemporale O p t i o n s r e c h t des überlebenden Ehegatten, d. h. das Recht, unter den beiden Rechtsordnungen 1 die auszuwählen, welche zuständig sein soll. Es ist verwandt mit der intertemporalen Meistbegünstigungsklausel; beide sind dem römischen Rechte unbekannt. Zif. XV beschäftigt sich mit den gesetzlichen und „stillschweigenden" Hypotheken, die aus der Zeit der alten Rechtsordnung stammen. Das A. L. führte bekanntlich das „Pfandbuchsystem" ein, wonach die Pfandrechte an Grundstücken in öffentliche Bücher (Hypothekenbücher) eingetragen werden sollten, bei Vermeidung gewisser Nachteile (s. Tit. 20, Th. 1). An und für sich sollte nach den Grundsätzen der älteren intertemporalen Rechtsregel diese Vorschrift nur für künftige Hypotheken gelten, und es ist eine Anwendung der neueren, wenn sie auch auf die bereits entstandenen sogenannten gesetzlichen und „stillschweigenden" Hypotheken (pignora tacita) des gemeinen Rechts ausgedehnt werden soll. Die Anwendung der neueren Regel kann gerechtfertigt werden durch den Hinweis auf das Rechtsgefühl des Gesetzgebers, welcher die alte Rechtsordnung in Bezug auf ihre „stillschweigenden" Hypotheken mißbilligt, da diese eine große Unsicherheit der Kreditverhältnisse herbeiführten und insofern zu den schwächsten Einrichtungen des gemeinen Rechtes gehörten. 2 Der preußische Gesetzgeber geht jedoch schweigend darüber hinweg. Zif. XV gewährt insofern eine Milderung der Ausschließ-

1 Die beiden Rechtsordnungen sind, wie aus dem Wortlaut von Zif. XIV unzweifelhaft hervorgeht, das gemeine Recht, unter welchem der personale Thatbestand entstanden ist und das A. L. Es ist selbstverständlich, daß, wenn die Wahl auf eine Rechtsordnung fällt, diese das erbrechtliche Verhältnis in a l l e n seinen Beziehungen beherrschen muß und die verschmähte Rechtsordnung noch nicht einmal in einer einzelnen Beziehung zur Anwendung gelangen kann. Es bedurfte jedoch eines Plenarbeschlusses, v. 2. Juni 1840, um diese Wahrheit endgültig festzustellen (Pr. 1867; s. K O C H , a. a. 0 . , Anm. 35). — Verwandt mit diesem intertemporalen Optionsrecht ist das völkerrechtliche Optionsrecht, welches den Bewohnern eines abgetretenen Landes zusteht, wonach sie entweder ihre alte Nationalität beibehalten, oder sich für die neue erklären können; s. Art. 2 des zwischen dem Deutschen Reiche und Frankreich abgeschlossenen Friedens zu Frankfurt vom 10. Mai 1871. * Nimmt man noch die Generalhypotheken hinzu, welche dem gemeinen Rechte eigentümlich sind, so vergrößert sich die Unsicherheit des Kreditverkehrs in noch größerem Maßstabe. Der preußische Gesetzgeber stellt jedoch darauf nicht ab.

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lichkeit, als sie einen dreijährigen Zeitraum, vom 1. Juni 1794 an gerechnet, zur Eintragung offen läßt. Zif. XVI bezieht sich auf Grundgerechtigkeiten und gehört ebenfalls der neueren intertemporalen Rechtsregel an. Die neue Rechtsordnung 1 bestimmt, daß Grundgerechtigkeiten, welche durch keine augenfälligen Merkmale oder Anstalten angedeutet werden, und gleichwohl den Nutzungsertrag des belasteten Grundstückes schmälern, gegen einen dritten Besitzer des belasteten Grundstückes nur insofern sollten ausgeübt werden können, als sie zur Zeit der Besitzveränderung in das Hypothekenbuch schon eingetragen wären oder deren Eintragung noch binnen zwei Jahren nach der Besitzveränderung von dem Besitzer des berechtigten Grundstücks gehörig nachgesucht werde. Infolgedessen gab Zif. X Y I die genaue Berechnungsart dieser zwei Jahre an und regelte das Verhalten der Gerichte bei Besitzveränderungen. 2 Auch hier hat der preußische Gesetzgeber die materielle Voraussetzung der neueren Regel nicht erfüllt und auch nicht erfüllen können, denn eine Mißbilligung solcher Grunddienstbarkeiten lag nicht vor, während sie hinsichtlich der gemeinrechtlichen Hypothekenwirtschaft nicht zu leugnen war. Der preußische Gesetzgeber machte sich also hierin eines Bruches des intertemporalen Privatrechtes schuldig. Denselben machte er jedoch dadurch wieder gut, daß er jene Vorschrift des A. L. bald nach der Veröffentlichung wieder aufhob. Der Thatbestand der Verjährung wird in Zif. XVII intertemporal geregelt. Die Verjährung gehört zu den Zustandsthatbeständen personaler Art und ist an und für sich ein schlichter Thatbestand. Er verlangt aber neben sich noch einen negativen Thatbestand, nämlich ein negatives Verhalten von Seiten des Berechtigten (keine Unterbrechung). Handelte es sich nur um einen schlichten personalen Zustand, su wären die intertemporalen Fragen leicht zu entscheiden: begann die Verjährung bereits unter der alten Rechtsordnung, so müßte dann diese über die Verjährung nach allen ihren Richtungen entscheidend sein; beginnt sie erst unter der neuen Rechtsordnung, so ist diese allein maßgebend. Nun aber ist die Sache nicht so einfach. Jener negative Thatbestand ist erst vollendet, mit Ablauf der Verjährungsfrist. Er hat nicht etwa schon mit Anfang der Verjährungsfrist begonnen; er ist kein Zustandsthatbestand, der einen Zeitraum erfüllt, sondern fällt in einen Z e i t p u n k t , nämlich in den letzten Z e i t p u n k t der Verjährungsfrist. Erst jetzt tritt die Gewißheit darüber ein, daß keine Unterbrechung stattgefunden hat. In dieser Beziehung ähnelt die Verjährung dem Thatbestand der Intestaterbfolge. 3 Auch dort haben wir einen negativen Thatbestand kennen gelernt, der 1

Zif. XVIII u. fg., Tit. 22, Th. 1. Die zweijährige Frist sollte selbst dann, wenn in der Zwischenzeit vom Tage des gegenwärtigen Patentes an bis zum 1. Juni 1797 sich Besitzveränderungen mit solchen belasteten Grundstücken ereigneten, erst vom 1. Juni 1797 an gerechnet werden. 3 S. oben Zif. XIII, S. 211. 2

§ 33.

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erst eintritt mit dem Tode des Erblassers. Erst jetzt weiß man, daß keine letzte Willensordnung errichtet wurde. Obschon daher der Zustandsthatbestand der Verjährung und die Thatbestandsverbindung der Intestaterbfolge bereits unter der zeitlichen Herrschaft der alten Rechtsordnung begonnen haben, so ist doch die neue Rechtsordnung für das daraus entstehende Rechtsverhältnis maßgebend, wenn der negative Thatbestand sich erst unter ihr verwirklicht. M. a. W., wenn die Verjährung beim Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung noch nicht vollendet ist, so ist diese für den Thatbestand sowohl, wie für das daraus entstehende Rechtsverhältnis maßgebend. Dies widerspricht durchaus nicht den Grundsätzen der älteren intertemporalen Rechtsregel. Der preußische Gesetzgeber hat das Richtige getroffen, wenn er bestimmt: „Was insonderheit die Verjährung anbetrifft, so sollen diejenigen Fälle, in welchen dieselbe schon vor dem 1. Juni 1794 vollendet worden, lediglich nach bisherigen Rechten beurtheilt werden, wenngleich die daraus entstandenen Befugnisse oder Einwendungen erst späterhin geltend gemacht würden. In Ansehung derjenigen Verjährungen hingegen, deren bisherige gesetzmäßige Frist mit dem 1. Junius 1794 noch nicht abgelaufen ist, sollen die Forschriften des neuen Landrechtes in allen Stücken befolgt werden". — Der Absatz 2 von Zif. XVII dehnt das vom preußischen Gesetzgeber erfundene intertemporale Optionsrecht auch auf die Verjährung aus: „Sollte jedoch zur Vollendung einer schon vor dem 1. Junius 1794 angefangenen Verjährung in dem neuen Landrechte eine kürzere Frist, als nach bisherigen Gesetzen vorgeschrieben sein: so kann derjenige, welcher sich in einer solchen kürzeren Verjährung gründen will, die Frist derselben vom 1. Junius 1794 zu rechnen anfangen." 1 1

Diese intertemporale Vorschrift von Zif. XVII findet sich auch in den späteren Einführungen des A. L., von 1814. § 12 und 1816, § 16, jedoch mit Weglassung der Worte „in allen Stücken". Das preußische Obertribunal hat sieh jedoch nicht an sie gehalten und zwar nach zwei Richtungen hin: Es behauptet zunächst, daß die Frage, ob der Zustandsthatbestand gültig begonnen habe, nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden müsse. [Pr. 926 v. 9. Oktober 1840 (Entsch. VI, 319) und Pr. v. 10. Sept. 1849 (Entsch. XVIII, 137.)] Ist der negative Thatbestand „in allen Stücken" entscheidend für den Gesamtthätbestand, so ist diese Meinung zu verwerfen. Man könnte aber die Frage aufwerfen, ob es nicht eine petiiio principii sei, daß der negative Thatbestand für den Gesamtthatbestand nach allen Richtungen bestimmend sei und ob man nicht dem positiven Zustandsthatbestand eine gewisse Selbständigkeit einräumen müsse. Wird diese Frage aus Billigkeitsgründen bejaht, so darf es nicht als ein Verstoß gegen das intertemporale Recht betrachtet werden, wenn der Gesetzgeber, der sich auf dem bejahenden Standpunkt befindet, für die Rechtsfragen des positiven Zustandsthatbestandes in Bezug auf Beginn, Ruhen und Unterbrechung desselben die alte Rechtsordnung für maßgebend erklärt, unter welcher der personale Zustand seinen Anfang genommen hat. — Dann, daß eine du-ch das neue Gesetz eingeführte längere Verjährung nicht Anwendung finde, wenn die kürzere Verjährung unter der alten Rechtsordnung schon angefangen habe. [Pr. 2210 vom 15. Febr. 1850 (Entsch. XIX, 260).] Diese Meinung ist aus den oben im Text angeführten Gründen zu verwerfen, selbst dann, wenn der Gesetzgeber aus Billigkeitsgründen dem

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Zif. XVIII regelt die Anwendung der Strafgesetze und fällt daher in das intertemporale S t r a f r e c h t , somit außerhalb des Kahmens unserer Betrachtung. 1 Am Schlüsse der Untersuchung des Patentes wegen Publikation des neuen Allgemeinen Landrechtes ist noch auf das Verhältnis des preußischen Gesetzgebers zur älteren intertemporalen Rechtsregel einzugehen. Hier müssen wir unterscheiden zwischen dem Entwurf des A. L. und dem Gesetzbuche selbst. Im ersteren betrachtete sich der Gesetzgeber als gebunden an die ältere intertemporale Rechtsregel. Daher enthielt § 20 desselben einen besonderen Vorbehalt für den Gesetzgeber, welcher mit der c. 7 de legib. 1, 14 übereinstimmt. 2 I m Gesetzbuche selbst jedoch wurde diese Stelle als überflüssig weggelassen, ein Zeichen, daß der preußische Gesetzgeber inzwischen seine Rechtsanschauung dahin geändert hatte, daß er s e l b s t n i c h t d a r a n g e b u n d e n s e i , sondern lediglich der Richter an die von ihm verfaßten intertemporalen Grundsätze. M. E. sprach sich aber im Entwurf die richtige Rechtsanschauung aus: es giebt ein intertemporales Privatrecht, an das auch die Gesetzgeber gebunden sind und das sie nicht ungeahndet verletzen können. Wohl sind die Mittel zur zwangsweisen Durchführung unvollkommen, jedoch immerhin stärker als diejenigen zur zwangsweisen Geltendmachung des Völkerrechtes, dessen Positivität mehr und mehr Gemeingut aller Kulturstaaten wird. In unserem heutigen konstitutionellen Verfassungsleben sind die

positiven Zustandsthatbestand dem negativen gegenüber eine gewisse Selbständigkeit verleiht; denn dann räumt er der alten Rechtsordnung nur die Entscheidung der Fragen ein, ob der Zustand gültig b e g o n n e n , welche Gründe ein K ü h e n , welche eine U n t e r b r e c h u n g desselben herbeiführen, nicht aber, welche Z e i t d a u e r der Zustand haben müsse. Diese letztere Frage untersteht ganz der neuen Rechtsordnung. S. auch KOCH, a. a. 0., Anm. 25 und 37, der aber aus anderen Gründen zu demselben Ergebnis gelangt. Im übrigen verweise ich auf die dogmatische Darstellung im II. Buche. 1 Am Schlüsse der Zif. XVIII verbietet der preußische Gesetzgeber zweierlei: Zunächst soll die neue Rechtsordnung nicht nach der vorangegangenen erklärt und ausgedeutet werden. Dieses Verbot wirkte nicht weniger als die Vernichtung des Zusammenhanges der preußischen Jurisprudenz mit der bisherigen Litteratur. Erst nach einem Menschenalter suchte man die litterarische Kontinuität in Preußen wiederherzustellen. — Andererseits sollte niemand, bei schwerer Ahndung, sich erlauben, die klaren und deutlichen Vorschriften der Gesetze in seinem Sinne aufzufassen. Dieses Verbot schließt sich an dasjenige J u s t i n i a n s an, das bei Strafe der Vernichtung der Bücher sich gegen alles weitere Bücherschreiben richtete. Nur die Autorität des Gesetzes sollte von nun an gelten. Dieses lehre und bestimme die Begriffe ausschließend; das Verbot kommt also einer Unfehlbarkeitserklärung des Gesetzgebers gleich, oder wie KOCH, a. a. 0 , Anm. 41 sich ausdrückt, „einem Gedankenmonopol des Gesetzgebers." Die Erklärung verfehlte aber nicht seine Wirkung. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann eine neue rechtswissenschaftliche Thätigkeit, nachdem durch die Stürme der vierziger Jahre der Glaube an die Autorität ins Wanken geraten war. 2 ,.nisi nominatim etiam de praeterito tempore adhuc pendentibus vegotiis cautum sit."

§ 33.

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Mittel zur Durchführung des intertemporalen Privatrechtes kräftiger geworden, indem in der Volksvertretung eine Wächterin desselben entstanden ist, wie schon die alten Landstände sich als eine solche erwiesen haben. 1 Dazu gesellten sich noch zwei andere Mächte, die öffentliche Meinung, •die sich äußerlich in den verfassungsmäßig gewährleisteten öffentlichen Versammlungen kundgiebt, und die Presse, welche der gesetzlich geregelten Preßfreiheit teilhaftig geworden ist. In absoluten Staaten allerdings sinken die Mittel zu einem mehr passiven Widerstand der Anwälte und der Gerichte herunter. 2 Wenn sich der absolute Monarch als Fleisch gewordenes, auf Erden wandelndes Gesetz betrachtet, wie «Tustinian und seine Epigonen, dann allerdings ist es um das intertemporale Privatrecht herzlich schlecht bestellt. Aber nicht nur dieses ist bedroht, sondern auch der geschichtliche Zusammenhang und die Fortentwickelung und Vervollkommnung der Rechtswissenschaft selbst, wie sich dies thatsächlich in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gezeigt hat. 3 Die Errungenschaften des 19. Jahrb., insbesondere der Anteil, den die Volksvertretung an der Gesetzgebung besitzt, gewähren aber eine sichere Bürgschaft dafür, daß die Zukunft sich dem intertemporalen Privatrechte günstiger zeigen wird, als die Vergangenheit und daß die Zeit nicht allzu ferne ist, in welcher das intertemporale Privatrecht als ein staatlich anerkannter Zweig der Rechtswissenschaft an den Hochschulen gelehrt und in den Staatsprüfungen erfordert wird.4 In der E i n l e i t u n g des A. L. kommt das intertemporale Privatrecht wiederum zur Geltung, und zwar in §§ 42 und 43, Tit. 3, Th. 1. — § 1 4 enthält die ältere intertemporale Rechtsregel ohne den Theodosianischen Vorbehalt.6 — § 15 enthält den ebenfalls römisch-rechtlichen Grundsatz der späteren Kaiserzeit, daß gesetzlichen Auslegungen die Ausschließlichkeit beiwohne-6 — Die Vorschrift des § 16 richtet sich un1

S. oben die intertemporalen Kämpfe in Württemberg § 31, S. 179. * 8. oben die intertemporalen Kämpfe beim Budjadinger Landrecht § 32. s S. oben Anm. 1, S. 216. 4 S. darüber unsere Einleitung § 3, S. 10 fg. 5 § 14 lautet: „Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden." — Dieser Grundsatz, der schon in Zif. VIII enthalten ist, wird zum Oberfluß nochmals in § 51 der Einleitung wiederholt: „Sollte durch dergleichen Anzeige in der Folge ein neues Gesetz veranlaßt werden, so kann dasselbe doch auf die vorher schon gültig vollzogenen Handlungen keinen Einfluß haben." Es handelt sich hier um die Ausfüllung einer Lücke der alten Rechtsordnung durch ein neues Gesetz. 9 § 15 lautet: „Die von Seiten des Gesetzgebers nötig befundene und gehörig publizierte Erklärung eines älteren Gesetzes aber giebt in allen noch zu entscheidenden Rechtsfällen den Ausschlag." Vgl. oben § 14, S. 112 fg. und nov. 19 praef. i. f . u. eap. 1; KOCH, a. a. 0., Note 23 behauptet, daß Zif. IX des Publikationspatentes eine hiervon verschiedene Regel enthalte. Dies ist nur dann richtig, wenn der preußische Gesetzgeber die Bestimmungen des A. L. als gesetzliche Auslegung der älteren Rechtsordnung betrachtet. Zif. IX enthält den Gegenbeweis dieser Annahme. § 15 steht nicht im Widerspruch mit § 51 der Einleitung. Hier

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Das intert. Privatrecht in der deutschen Landesgesetzgebung.

mittelbar an den Gesetzgeber und ist selbst intertemporaler Natur. Daraus ergiebt sich, daß der Gesetzgeber an dieser Stelle anerkennt, daß das intertemporale Privatrecht auch für ihn, nicht bloß für den Richter, bindend sei, mithin ein wirkliches objektives Recht positiver Natur darstelle und nicht etwa nur eine „Anleitung zur naturgemäßen Behandlung neuer Gesetze" enthalte. 1 — Einen neuen, dem älteren römischen intertemporalen Privatrecht unbekannten 2 Grundsatz enthält § 17, wonach Rechtsgeschäfte, welche wegen eines Formmangels nach der alten Rechtsordnung ungültig sein würden, „insofern nur die nach den neueren Gesetzen erforderlichen Förmlichkeiten, zur Zeit des darüber entstandenen Streits, dabei angetroffen werden." Es liegt demselben der gleiche Gedanke zu Grunde, den wir bei Besprechung von Zif. Y I I des P. P . als intertemporales Meistbegünstigungsrecht bezeichnet haben. Verwandt damit ist der intertemporale Grundsatz der Zif. IV des P. P., dem wir den Namen „intertemporales Optionsrecht" beilegen. Der starren intertemporalen Rechtsregel, welche aus der Zeit der republikanischen Jurisprudenz stammt, sind solche aus dem Billigkeitsgefühl hervorgegangene, zum Teil schwankende Abweichungen vollständig fremd. Der preußische Gesetzgeber ist dieser strengen Regel in § 42, Tit. 3, Th. 1 gefolgt: „Die Rechtmäßigheit und Gültigkeit einer Handlung muß nach der Zeit, da sie vollzogen worden, beurtheilt werden Ebenso schließen sich ihr an Ziff. X I und X I I des P. P. 3 I m unmittelbaren Widerspruch mit dem § 17 steht der § 43, Tit. 3, Th. 1. E r verordnet: „Eine Handlung, die wegen Verabsäumung der gesetzmäßigen Form von Anfang an nichtig war, kann in der Folge niemals gültig werden." Es wäre Künstelei, wenn man behaupten wollte, § 17 beziehe handelt es sich um Auslegung einer zweifelhaften und dunklen Stelle der alten Rechtsordnung, dort um Ausfüllung einer Lücke derselben. Mit § 51 stellt sich der preußische Gesetzgeber in Widerspruch mit der langobardischen Rechtsregel, wonach auch Gesetze, die Lücken einer als einheitlich gedachten Rechtsordnung ausfüllen wollen, eine angeborene Ausschließlichkeit besitzen. Vgl. oben § 20, S. 147. 1 So meint KOCH, a. a. 0., Note 25. Wie oben schon bemerkt, stand auch der Entwurf des A. L. auf dem richtigen Standpunkte, daß das intertemporale Privatrecht auch bindend für die Gesetzgeber sei. Der § 20 (Einl.) des Entwurfs wurde zwar gestrichen, dafür aber blieb der § 16 bestehen als ein Zeugnis für die Anerkennung der Positivität des intertemporalen Privatrechtes von Seiten des preußischen Gesetzgebers. Über die Positivität des intertemporalen Privatrechtes und des Rechtes der Rechtsordnungen überhaupt s. Einleitung § 3, S. 14 und Buch II, Einleitung. 2 S. oben § 6, S. 50 fg. und § 11, S. 73 fg. 3 S. oben die Besprechung derselben. — Diese widersprechenden Bestimmungen des A. L. und des P. P. sind auf S u a r e z zurückzuführen, der bei der revisio monitorum herausklügelte, daß es doch zwei Fälle gebe, wo ein neues Gesetz allerdings ad casus praeteritos gezogen werden könne; nämlich a) bei Strafgesetzen, b) wenn es die Form, woran vorhin die Gültigkeit einer Handlung gebunden war, simplifiziert und abgekürzt, z. B. bei den Solennitäten der Testamente", wobei er also intertemporales Strafrecht und intertemporales Privatrecht durcheinander mischte.

§ 34.

Einleitung.

219

sich auf den Fall des gleichbleibenden Thatbestandes bei Änderung der Rechtsordnung, während § 43, Tit. 3, Th. 1 sich auf Änderungen des Thatbestandes bei gleichbleibender Rechtsordnung beziehe. Man muß vielmehr behaupten, daß die beiden Satzungen nicht nebeneinander bestehen können, sich also gegenseitig aufheben. Dann tritt aber der richtige Grundsatz in die Bresche, den der preußische Gesetzgeber im P. P. X I und X I I anerkannt hat, nämlich „tempus regit actum." 1 Im Großen und Ganzen hat sich das preußische Landrecht dem reinen römischen intertemporalen Privatrecht angeschlossen, dem kraftvollen Erzeugnis der republikanischen Jurisprudenz, wenn auch der neueren intertemporalen Rechtsregel erhebliche Einräumungen gemacht wurden. Die dem römischen Rechte unbekannte Theorie der wohlerworbenen Rechte erscheint nur gelegentlich als zierendes Beiwerk, 2 ohne irgend einen Einfluß auf die Entscheidungen des Gesetzgebers auszuüben. Im Gegenteil wenden die intertemporalen Rechtssätze des P. P. und A. L. römische Ausdrücke an; sie sprechen von den Thatbeständen („Handlungen und Begebenheiten"), die sich unter den „älteren Gesetzen" zugetragen haben, und nicht von Rechten, die unter der alten Rechtsordnung „wohlerlangt" und „wohlerworben" wurden. Neu ist auch die intertemporale Meistbegünstigung und das intertemporale Optionsrecht, die somit der preußischen Gesetzgebung ihr Dasein verdanken.

VI.

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten. § 34.

Einleitung.

Während die Landesgesetzgebung eine reiche Ausbeute für unsere Untersuchungen gewährte, so bieten uns die Stadtrechte ziemlich dürftige Ergebnisse für das intertemporale Privatrecht. Die Gründe dieser Erscheinung sind nicht schwer zu erraten. Sie liegen zum Teil in der eigentümlichen Entwickelung vieler Städte vom Zustande der Unfreiheit bis zur vollen staatsrechtlichen Suveränität. Schritt für Schritt mußten sie von ihren Herrschern Freiheiten erkämpfen und bestätigen lassen, und nicht bloß staatliche Hoheitsrechte, sondern auch ihre Gewohnheiten und Gebräuche, die sich allmählich zu einer bürgerlichen Rechtsordnung verdichtet hatten. So ist es denn nicht auffallend, daß vor der Reception des römischen Rechtes intertemporale Rechtsgedanken keinen Eingang in die Stadtrechte, selbst der freien Reichsstädte, fanden, weil gar kein Bedürfnis dazu vorhanden war, ähnlich wie bei den Yolksrechten. 1 !

S. auch

K O C H , a. a. 0 . , Note 25 zu § 1 7 d. Einleitung. So in Zif. VIII des P. P. Oben S. 208.

220

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

Ganz anders die Städte in den l a n d e s h e r r l i c h e n Territorien. Dort fühlte sich, mit der Umwandlung der landständischen Monarchie in eine absolute, sehr bald der Landesherr als ein kleiner Justinian, der seine Städte mit „verbesserten" Rechtsordnungen beglücken wollte und daher wie dieser sich auf das intertemporale Privatrecht im Sinne der neueren intertemporalen Rechtsregel einlassen mußte. Eine Ausnahme machen nur diejenigen Stadtrechte, welche u n m i t t e l b a r landesherrlichen Ursprungs sind. 1 — Ein anderes Bild zeigen uns die Stadtrechte der freien Reichsstädte nach der Reception des „gemeinen und kaiserlichen Rechtes". Die sogenannten Reformationen brachen zum Teil vollständig mit der alten Rechtsordnung und hier sah sich der s t ä d t i s c h e Gesetzgeber genötigt, zum intertemporalen Privatrecht Stellung zu nehmen. 2 Wie bei den Landrechten, 3 erscheint daher auch in den Einführungsbestimmungen der Stadtrechte sowohl die positive als auch die negative Klausel; man kann somit behaupten, daß beide dem deutschen intertemporalen Privatrecht angehören, während nach dem Sinn und Geiste der c. de leg. 1, 14 die Gewährungsklausel überflüssig ist und nur zu intertemporalen Mißverständnissen der römischen Gerichte geführt hatte. 4 — Da, wo die Stadtrechte ganz oder zum größten Teil in der Aufzeichnung des bestehenden Gewohnheitsrechtes bestanden, verstand sich die Ausschließlichkeit für den Gesetzgeber von selbst. Wenn er daher nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmte, so gewährte er durch d i s p o s i t i v e s S t i l l s c h w e i g e n der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit. Es steht dies durchaus nicht im Widerspruch mit unseren früheren Ausführungen. 6 Denn derartige Rechtsordnungen, welche ganz oder zum größten Teil auf bestehendem Gewohnheitsrecht beruhen, haben nur das äußere Kleid einer neuen Rechtsordnung; in Wirklichkeit sind sie mit der alten ein und dasselbe. Daher unterliegen sie eigentlich nicht den Regeln des intertemporalen Privatrechtes, welches das Verhältnis zweier zeitlich v e r s c h i e d e n e r Rechtsordnungen zu ordnen hat. 6 Auch bei den Stadtrechten begegnet die subjektive Fassung der Gewährungsklausel im Gegensatz zur objektiven; ebenso treffen wir sowohl die ausdrückliche, als

So z. B. das Stadtrecht von München, wo die ältere Rechtsregel gilt. Sowohl für die Landrechte wie für die Stadtrechte verweise ich den Leser auf STOBBE, Rechtsquellen I, 2, falls er genauere Angaben über die Ausgaben der von mir untersuchten Rechte wünschen sollte Ich fand dieselben mit wenigen Ausnahmen auf der Bibliothek der Heidelberger Universität. — Wie bei den Landrechten war auch hier die zu bewältigende Aufgabe umfangreicher nach der negativen Seite, als nach der positiven; der größere Teil der von mir untersuchten Rechte enthielt keine intertemporalen Bestimmungen. 3 S. oben § 30, S. 131 fg. 4 S. oben §§ 9 und 10, S. 66 u. 73. 5 S. oben § 4, S. 29 und § 7, S. 61. 6 Derartige Rechtsordnungen galten auch in der landständischen Monarchie nicht als Gesetze, die der Bestätigung der Stände bedurften, s. oben § 30, S. 172. 1

2

§ 35.

Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.

221

auch die stillschweigende. 1 Jedoch sind ihnen die neuen intertemporalen Erscheinungen der beschränkten Gewährungsklausel, des Meistbegünstigungs- und Optionsrechtes unbekannt.

§ 35.

Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.— Die Senatuskonsulte von Riga.

Wie unter den Landrechten das oberbairische Landrecht, so nimmt auch unter den Stadtrechten das Münchener Stadtrecht in intertemporaler Beziehung eine hervorragende Stellung ein. Der Grund ist ein sehr einfacher: sie haben beide denselben königlichen Verfasser, Ludwig den Baiern. Er ließ im Jahre 1347 sein Landrechtsbuch von 1346 zu einem Stadtrechtsbuche umarbeiten. 2 Art. 25 hat zum Titel: „Daz buch sol nicht schaden an den rechten, deu vor dem buoch erlangt sind1' und besagt: „Swaz mit dem rechten behabt hat ain man oder ain frau, e daz meins hern buoch gemacht sey, so sol demselben daz buoch und deu gesetzt unschedleich sein, die mein herr gesetzt hat." Der Titel erinnert an Art. 217 des oberbairischen Landrechtes, welches auch von „erlangten rechten" spricht und damit an die im 14. Jahrh. herrschende intertemporale Theorie von den „wohlerworbenen Rechten" {iura quaesita) anklingt. 3 Die Freiburger Reformation v. J . 1520 schließt sich auch der älteren intertemporalen Rechtsregel an und zwar kommt die positive intertemporale Klausel (oder die Gewährungsklausel) in doppelter Gestalt vor: Einmal in der „Vorred des Stattrechten zu Fryburg im Prissgowu-, dann in der Bestätigungsurkunde von Kaiser Karl V. . I n beiden wird sie beinahe von dem übrigen Wortschwall verdeckt, während sie doch als der wichtigste Teil der Einführungsbestimmungen eine hervorragende, nicht zu übersehende Stellung beanspruchen konnte. Die Vorrede lautet zunächst so, als ob die negative intertemporale Klausel (Ausschlußklausel) aufgenommen werden sollte.4 1

S. oben § 30, S. 174. Als M ü n c h e n e r Stadtrecht hat es sich, vermehrt durch verschiedene Ratsstatuten und Privilegien, bis zur Gegenwart in Geltung erhalten. S . S C H R Ö D E R , a. a. 0., S. 648. 3 Im übrigen verweise ich auf das in § 31, S. 175 bei der Besprechung des oberbairischen Landrechtes Gesagte, insbesondere über die Bedenklichkeit der subjektiven Einkleidung der Gewährungsklausel. — Im Texte selbst fehlt der Ausdruck „erlangte Rechte." 4 „Das min hin für vff den nüwen angenden Jarstag, genant Cireumcisionis, so man xelen würd nach der geburt Christi vnsers lieben Herren Funffiehenhundert vnd xwentxig iar, anxufahen solich vnser Statuten, gesätx vnd statrecht, sampt vnd sonder in diser statt Fryburg im Prissgow vnd deren gexircken, gepieten, vnd oberkeiten, in vnserm Rat vnd statt gericht, volxogen vnd gehalten, daruff erkent vnd denen nachkommen solten werden. Thünt damit ab vnd vernichten all vnd yed tnser vorigen gewonheiten, prueh, sa txungen, stattrecht vnd 2

222

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

Nachdem dann die Vorrede noch besonders hervorgehoben, daß sich die Stadt Freiburg durch diese neuen Satzungen irgend einer Freiheit, die sie von Päbsten, römischen Kaisern und Königen und auch von den hochlöblichen Herrschaften Zähringen, Freiburg und Österreich oder sonst erworben hat, keineswegs begeben wolle, läßt sie erst die positive intertemporale Klausel folgen: „vnd was vor Sail obgemelts nüwen iarsstag zu fall komen ist, damit sol es gehalten werden vng efahrlicher wise wie von alterhär, vor vffrichtung diser nüwen satzunge." Die eigenartige Fassung der Klausel hat mit der Lehre von den wohlerworbenen Bechten nichts gemein, sondern ist ganz im römischen Sinne gehalten, was im Hinblick auf den Verfasser der Reformation, U L B I C H ZASIUS, nicht verwundern d a r f ; 1 „was zu fall komen ist" ist ein kurzer Ausdruck für alle jene Thatbestände, welche vor dem Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung zur Vollendung gelangten. Wie es sich mit derjenigen Thatbeständen verhalten solle, welche unter der alten Rechtsordnung begonnen, aber noch nicht zur Vollendung gekommen sind, wird nicht gesagt; darin ist entschieden ein Mangel der so gefaßten Gewährungsklausel zu erblicken. Von Rechtswegen müssen sie aber nach der alten Rechtsordnung entschieden werden. Die Bestätigungsurkunde von Karl V. hat sich augenscheinlich die Vorrede des Stadtrechtes zum Vorbilde genommen. Zuerst wird mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß vom 1. Januar nach dem neuen Stadtrecht „erkant, gehandlet vnd dem also gelept vnd nachgangen werden" soll; dann folgt erst die intertemporale Klausel in einem kurzen Satze: „Was sich aber vor demselben ersten Tag Januarii begeben hat, dasselb soll nach den alten Stattrechten, oder wo das manglet, nach dem gemeinen Landrecht entschieden vnd gehalten werden." Diese Kaiserliche intertemporale Klausel schließt sich eng an die von ZASICTS verfaßte an. Keine Spur der Lehre von den wohlerworbenen Rechten! „Was sich begeben hat" umfaßt die Thatbestände der alten Rechtsordnung. Die kaiserliche Fassung hat aber das Verdienst, jeden Zweifel darüber beseitigt zu haben, ob nicht das Freiburger Stadtrecht sich der neueren Rechtsregel unterzogen habe. „Was sich begeben hat" kann unmöglich bloß auf Judikat, Transakt u. s. w. bezogen werden, um so mehr, als die Vorrede, ähnlich wie diejenige des Wildenburgischen Landrechtes, anordnet, daß „was sich . . . begeben hat", nach den „alten Stattrechten oder wo das manglet, nach dem gemeinen Landrecht entschieden und gehalten werden" solle. Über eine rechtskräftig abgeurteilte Sache oder einen gültigen Vergleich kann aber nicht mehr „entschieden" werden. 2 Bemerkenswert ist die Verschiedenheit der Ausdrucks weise von herkomen, die wider diss vnser nütv Statuten, satxungen, gemein vnd Sonderheit feehten vnd sin möchten 1 S. oben § 32, S. 192. » S. oben § 31, S. 178.

vnd stattreehten

in

§ 35.

Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.

ZASIÜS und FICHAKD.

223

Jener spricht von „was zu Fall komen ist", dieser

von „Fällen, so sich zugetragen haben", welcher Fassung sich Karl V. nähert mit seinem: „was sich begeben hat.'1 Ein Unterschied ist besonders hervorzuheben:

ZASIÜS schweigt von den „rechtshängigen Sachen" und

that wohl daran, weil ihre Namhaftmachung an die Ausnahmeklausel erinnert. Die kaiserliche Bestätigung enthält etwas mehr als die der städtischen Vorrede, nämlich die Bestimmung, daß für die a l t e n T h a t b e s t ä n d e subsidiär das „gemeine Zandreckt", also das römische Recht, in Anwendung kommen solle.1 Es ist von wissenschaftlichem Belange, die beiden großen intertemporalen Gesetzgeber des 16. Jahrhunderts, U. ZASIÜS und J . FICHAKD miteinander zu vergleichen. 2 Jener huldigte als Verfasser

der Freiburger Reformation der republikanischen Regel, fügte aber der Badischen Erbschaftsordnung die Ausschlußklausel bei; dieser verlieh dem Solmser- und wohl auch dem Wildenburger Landrecht die Gewährungsklausel, stand aber als Verfasser der Frankfurter Reformation auf dem Boden der neueren intertemporalen Rechtsregel, mit Vorbehalten zu gunsten der erledigten Rechtsverhältnisse. Beide aber sind der subjektiven Fassung mit Recht aus dem Wege gegangen und schließen sich eng dem römischen Vorbild an. Der älteren intertemporalen Rechtsregel folgen „Die Ordnung und Statuta der Churfürstl. Sachs. Stadt Langensalza v. J. 1556."' Schon vorher hatte die Stadt ein Weichbildsrecht. 3 Die Statuten enthalten 1 Als Seitenstück zum städtischen Vorbehalt der Freiheiten in der Vorrede erscheint in der Bestätigungsurkunde der Vorbehalt zu Gunsten des Kaisers, seines Bruders, seiner Erben und Nachkommen. „Doch soll dieses newe Stattrecht allen denen, so ältere Vertrag mit bemelter Statt haben, an denselben Verträgen vndsehädlich, auch vns vnd vnserm lieben Bruder, vnsern Erben vnd Nachkomen hierin vnser fürstlich Oberkeit Recht vnd Gerechtigkeit des Schultheiss amts vnd anders, wie das die brief sagen, auch was von altem herkomm ist, in aller massen, als ob das mit vsgedruckten Worten, hierinn begriffen wäre, vorbehalten vnd vnuergreiffenlich sein, alles getreulich vnd on geuerde." — Nicht von juristischer, wohl aber von künstlerischer Bedeutung ist das Titelblatt des Freiburger Stadtrechts, welches sich unmittelbar vor der Vorrede wiederholt. Der Künstler der beiden darauf befindlichen Holzschnitte ist kein geringerer als H a n s H o l b e i n der Jüngere, der seit 1515 in Basel wohnte. S. sein Handzeichen links unten auf dem Holzschnitte. In der That stand ZASIÜS mit einem Basler Professor BONIFAZ AMERBACH in regem Briefwechsel und es ist nicht ausgeschlossen, daß durch die Vermittelung dieses Freundes H. HOLBEIN den Auftrag übernahm, für den Druck das Titelblatt im Holzschnitt zu liefern. Vgl. Udalrici Zasii Epistolae quas edidit Jos. Ant. Rieg-

gerus

1774, p. 1—266.

* ZASIÜS stand mit FICHARD im Briefwechsel; vgl. den Brief a. a. 0 . , S. 381 bis 382, worin ZASIÜS dem noch jugendlichen FICHARD väterliche Ratschläge hinsichtlich des planmäßigen Studiums der Rechtswissenschaft giebt; ferner die Antwort, S. 506 vom 26. März 1531. 3 So wurde die Stadt' Lauche im 15. Jahrh. mit den Rechten der Stadt Salza versehen und ebenso im Jahre 1421 das Städtchen Thomasbrück. Auch enthalten die Statuten soviel deutsches Recht und deutsche Wendungen und zum Teil auch

224

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

sowohl materielles wie formelles Recht. Die ersten 26 Artikel sind materieller Natur und enthalten zum Teil Privatrecht, etwas Strafrecht und Staatsrecht; Artikel 27—67 enthalten Prozeßrecht und zwar hauptsächlich bürgerlichen Prozeß. Die Schlußrede in Artikel 67 enthält nun auch unsere positive intertemporale Klausel: „Jedoch sollen hiermit diejenigen Sachen und Fälle, so sich vor Eröffnung dieser Unserer bestätigten Willkühr zugetragen, nie seynd für dem Gerichte zu Saltza allbereit anhängig gemacht, oder nicht, nicht gemeinet seyn, sondern sonst gebührlicher ordentlicher Weisse ausgeführet werdend' Auch hier könnten Zweifel darüber entstehen, ob unter den „Fällen, so sich zugetragenbloß die causae finitae zu verstehen seien. Mehrere Gründe sprechen aber dagegen. Zunächst fehlt die materielle Voraussetzung der Ausschlußklausel ; sodann ist auf die auffallende Übereinstimmung der Vorrede des Wildenburger Landrechtes und der Schlußrede des Stadtrechtes von Langensalza hinzuweisen. Dort heißt es: „nicht auf diejenige, so sich zuvor zugetragen, sie seyen rechthängig gemacht oder nicht, gezogen werden.'1 Hier steht: „Jedoch sollen . . . so sich vor . . . zugetragen, sie seynd für dem Gerichte zu Saltza allbereit anhängig gemacht, oder nicht, nicht gemeinet seyn . . . " Es gelten also alle Gründe, welche wir dort für die Beseitigung der Zweifel ins Treffen führten, auch hier. 1 Ganz auf dem Standpunkt der republikanischen Rechtsregel stehen die Statuten der Stadt Schmollen vom 25. Febr. 1602, veröffentlicht der ganzen Bürgerschaft am 18. Juli 1602. 2 Die Statuten beziehen sich laut ihrer Vorrede auf die Erbfolge und auf Erbteilungen, enthalten jedoch auch Bestimmungen über Bevormundung von Witwen und Waisen und eheliches Güterrecht. Sie beruhen zum größten Teil auf sächsischem Gewohnheitsrecht. 8 Der Grund der Abfassung war das Eindringen des gemeinen Rechtes, wodurch die Einheitlichkeit des Rechtes gefährde! altdeutschen Prozeß, so daß man zur Annahme gelangen kann, es sei ein altes Langensalzisches Stadtrecht neben dem Sachsenspiegel die Quelle dieser Statuten gewesen. Siehe W A L C H , a. a. 0 . , Bd. 8, S. 247. Im Gegensatz dazu behauptet die Vorrede, daß die „Stadt Sa ha bisshero kein gewiss Stadt-Recht oder Willkühr gehabt." 1 S. oben § 31, S. 178. Ob die Schlußrede des Stadtrechtes von Langensalza der erst später verfaßten Vorrede des Landrechtes von Wildenburg zum Vorbild gedient, lasse ich dahin gestellt. Es ist wohl ein Zusammenhang zwischen dem Solmser und dem Wildenburger Landrecht anzunehmen. F I C H A B D wird aber die Vorrede selbständig verfaßt haben. 2 Die Stadt Schmollen liegt in Altenburg und scheint schon aus dem 12. Jahrhundert zu stammen, da Graf Bruno mit seiner Gemahlin schon im Jahre 1132 ein Benediktinerkloster dort stiftete. S. W A L C H , Beiträge, Bd. 8, S. 141. Sie hat jedenfalls schon seit dem Jahre 1410 ihre besonderen Gebräuche und Freiheiten gehabt, indem in diesem Jahre Heinrich von Weida die alten Gewohnheiten, Stadtrechte und Freiheiten bestätigte. 8 Der 3. bis 4. Art. handelt über die Gerade, der 16. Alt. über das Heergeräte der Söhne und Schwertmagen, der 22. Art. über Nährgeldung oder Vorkauf.

§ 35.

Die filtere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.

225

wurde und die äußeren Mängel und Übelstände der alten Rechtsordnung hervortraten.1 Letztere haben aber den Gesetzgeber der Stadt Schmollen nicht vermocht, im wohlthuenden Gegensatz zu den meisten Landesherren, die neuere intertemporale Rechtsregel mißbräuchlich anzuwenden. Die Schlußrede der Statuten spricht vielmehr klar und deutlich die ältere intertemporale Rechtsregel aus: „Undt sollen diese Statuta ihren Anfang gewinnen, wen die Fürstl. Confirmation in unterthänigkeit erlanget, undt, von dem Tage der Publication an, was aber vor undt ehe die Statuta publiciret werden, sich zugetragen, dass sol gerichtet undt geurtheilet werden, nach vorigen thun, alss ob die Statuta nicht da weren, Undt also die künfftigen Fälle hierin gezogen werden ..." 2 Dieser intertemporalen Klausel eigen ist die Fiktion, „alss ob die Statuta nicht da weren11. Sie ist sehr anschaulich und zeigt, daß die alte Rechtsordnung, ohne durch die neue irgendwie behindert zu werden, über ihre Thatbestände eine fernere Herrschaft ausübt. Die Schlußrede enthält somit die ausdrückliche Gewährungsklausel in der denkbar einfachsten und doch vollendetsten form. Auch schließt sich die Klausel mit keinem Worte an die Lehre von den wohlerworbenen Rechten an, sondern folgt ganz der römischen Fassung. Von allen Seiten betrachtet, erweist sie sich als eine der glücklichsten Lösungen der Frage, wie die Gewährungsklausel verfaßt werden soll. Der älteren intertemporalen Regel hängen auch die Kaumburgischen Statuten v. 8. Dez. 1561 an. In der Vorrede erklärt der Gesetzgeber Julius „erwehlter vnnd Bestetigter Bischoff zu Naumburg/t": „Wehrenn aber auch sachenn, vnnd Erbfelle, die sich bey Zeitt der Alten Statuta, vnnd eher diese newe Ordenunng vfgerichtt, zugetragenn Hettenn, Vnnd noch nicht verrichtt wehrenn, die sollenn nach den Altenn Statut Verrichtet wer denn." Die Statuten beziehen sich bloß 1 „ Von Oottes Onadlen, Wir Johann Herzog xu Sachsen, Landgraff %u Thüringen, Markgraff xu Meissen, bekennen . . . . und thun kundt Jedermänniglieh. Defnnaeh muss unsere Lieben Getreuen, der Rath xu Schmollen unterthänig vorgebracht, dass bisshero bey ihnen unter gemeiner Bürgerschafft, in denen Successionis Fällen und Erbtheilungm keine endtliche Gewissheit gehalten, sondern etliche dem Gemeinen, etliche Juri Saxonico nachgehen, xum theil aber sich aus vorgemeimte Gewohnheiten und Bräuche, der sie doch einig noch Einigkeit, in ihren'Ratsbüchern derenthalben xu finden, xiehen wollen, dahero zwischen allerley idissverstandt Zweiffei undt Disputationes fürgefaUen, auch offtmahls Rechtfertigung, Weitläufftigkeit undt Unkosten, erfolget . . . " 8 Der Schluß der Vorrede beschreibt das Zustandekommen der Statuten: „ . . . welches alles nach unterschiedenen mahlen, gehaltenen Rath des Regierenden undt andern beyden Rathen, undt mit der gemeine grossen Ausschus, undt den endtlichen in derselben, emhelliglichen Versamblung beliebet, angenommen, undt in ihrer allerseits Gegenwart, solches dem Regierenden Bürgermeister undt Richter also mit Handt undt Mundte angelobet, undt xugesagt, auch beschlossen und vereiniget, in unterthänigkeit Fürstl. Confvrmition xu erwerben und ersuchen." Es möge an dieser Stelle auf die Form des Abschlusses der Statuten mit „Handt undt Mundtef' aufmerksam gemacht werden, welche dem alten Sachsenrecht entstammt.

AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

15

226

Das intertemporale Privatrecbt in den deutschen Stadtrechten.

auf das Erbrecht, die Gerade und das Hergewäte (Hergeiceihte). Die intertemporale Klausel dieser Statuten hält sich an das römische Muster und nicht an die Lehre von den wohlerworbenen Rechten. Sie spricht von noch nicht v e r r i c h t e t e n Sachen und Erbfällen, die sich, „eher diese newe Ordenunng ufgerichtt, zugetragen hätten." Darunter versteht der Gesetzgeber Rechtsverhältnisse der alten Rechtsordnung, die entweder überhaupt noch nicht streitig geworden oder die bereits rechtshängig, aber noch nicht durch rechtskräftiges Endurteil erledigt sind. 1 Die Lüneburger Reformation, deren einzelne Teile innerhalb der Jahre 1 5 7 7 — 1 5 8 3 veröffentlicht wurden, enthält in ihrer Vorrede keine eigentliche positive Klausel, welche sich auf die vorliegende Rechtsordnung unmittelbar bezieht; allein der Schlußsatz derselben beweist, daß der Gesetzgeber (Bürgermeister und Ratmänner der Stadt) das intertemporale Rechtsbewußtsein der älteren Rechtsregel vertraten. Derselbe lautet: „Jedoch wollen Wir Uns hiemit fürbehalten haben, dieselbige zu jederzeit, nach Beförderung der Gelegenheit mit weiterem Recht zu ändern, zu vermehren und zu verbessern, ohne einige Beschwerungen der Partheyen, und männiglichen an seinen Rechten unverletzlich." Offenbar hat die Lehre von den wohlerworbenen Rechten auf die Abfassung dieser intertemporalen Rechtsbestimmung eingewirkt. Von eigenartiger Bedeutung für das intertemporale Privatrecht ist die confirmatio der Statuten der Stadt Freyberg von Friedrich, Herzog zu Sachsen, vom Jahre 1427 und die declaratio electoralis zu denselben von Augustus, Herzog zu Sachsen, v. 12. März 1577. Im Eingange der confirmatio beklagt Herzog Friedrich die Zweiung der ganzen Gemeinde Freyberg in Bezug auf die Behandlung der Erbschaft eines Geschwisters bei überlebender Mutter. Nach altem Gewohnheitsrecht der Stadt Freyberg fiel der Teil des Erblassers auf die anderen Geschwister; 2 nach gemeinem Rechte dagegen erbte die Mutter mit den Geschwistern. Die Stadt Freyberg bittet nun den Herzog, ihr „ihre alte Gewohnheit zu gönnen, sie dabey zu behalten, und die zu bestätigen, davon ihr in künftigen Zeiten immer genügen solle."3 Es handelt sich also um die Einführung einer neuen Rechtsbestimmung für die Erbfolge und zwar merkwürdigerweise um die Wiedereinführung der durch das gemeine Recht 3 „ Verrichten" in diesem Sinne ist nicht dasselbe wie unser heutiges „verrichten" (thun, machen u. s. w.), sondern leitet sich ab von „richten" gleich „richterlich entscheiden"; „verrichten" gleich „endgültig oder rechtskräftig richterlich entscheiden". ' Das alte Gewohnheitsrecht bezog sich wohl auf die sog. Verfangenschaft. * Diese Bitte beantwortet der Herzog folgendermaßen: „Was sieh von dem Erbe, von Rindern an, die Mutter bis auf heutigen Tag hat verstorben, das soll der Mutter bleiben, was sich aber förder nach dato des Briefs immer versterben würde, das soll vom einem Kinde aufs andere fallen, und nicht auf die Mutter, wäre es aber, dass die Kinder alle versterben würden, also dass keines bliebe, so soll das Erbe wieder auf die Mutter fallen; Das %ur Uhrkund und mehrer Sicherheit haben wir Unser Insiegel an diesen Brief lassen hängen."

§ 35.

Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.

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verdrängten alten Gewohnheit. Genau der älteren intertemporalen Rechtsregel entsprechend, sollen die bis zum Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung entstandenen Thatbestände nach dem alten (gemeinen) Rechte beurteilt werden, die unter der Herrschaft der neuen Rechtsordnung stattfindenden dieser anheimfallen. — Die Veranlassung der declaratio electoralis war eine von Herzog August erlassene Landeskonstitution vom 6. Juni 1576, welche stark in das eheliche Güterrecht und Erbrecht der Stadt Freyberg eingriff. Der Rat dieser Stadt ersuchte nun den Herzog um einen intertemporalen Rechtsentscheid, ob die alten Fälle nach der neuen Rechtsordnung oder noch nach der alten zu beurteilen seien, da deswegen allerseits Streit und Weiterung zwischen den Leuten vorfiele.1 Auch diese Entscheidung des Herzogs richtet sich streng nach der älteren Rechtsregel, wobei er sich offensichtlich an die römische Fassung der c. 7 de legib. 1, 14 lehnt. 3 „Der Stadt Bresslau Gerichts- und Prozess-Ordnung11 v. 1577 muß ebenfalls zu dieser Gruppe von Stadtrechten gezogen werden, obschon die Einleitung derselben keine intertemporale Klausel enthält. 3 Wo aber die Artikel des Stadtrechtes Neuerungen einführen gegenüber der alten Rechtsordnung, so bedienen sie sich, ähnlich wie die Reichsgesetze, mit Vorbedacht des Ausdruckes „hinfüro", welcher den neuen Rechtsvorschriften eine Herrschaft nur über zukünftige Thatbestände einräumt. 4 1

Der Herzog antwortet: „ Weil denn ingemein der Rechte Sehatoung und Ordnung auf künftige und nicht auf andere albereit geschehene und vorgegangene Fälle gerichtet werden; So haben wir uns auch dahero erklähret, thvm auch solche Erklärung aus Landes Fürstlicher Hoheit und Obrigkeit hiermit und in Kraft dieses offenen Brieffes, und verordnen, dass im Fällen, so sich vor angexogener Unserer Reformation zugetragen, nach Unser Sladt Freyberg alt hergebrachten Willkühr und Gewohnheiten bleibe, die andern Fälle, so sich seithero begeben, und nach mehr berührter Unserer Reformation Kugetragen, derselben gemäss xu entscheiden geordnet, und hinführo also und nicht anders gehalten, auch dem xuwieder nichts vorgenommen werden soll, treulich und sonder Gefährde." 2 „ Weil denn in gemein der Rechte Sehatxung und Ordnung auf künftige und nicht auf andere albereit geschehene und vorgegangene Fälle gerichtet werden.11 „Leges et constitutiones futuris certum est dare formam negotiis, non ad facta praeterita rerocari." 3 Trotz seines Titels enthält das Breslauer Stadtrecht bürgerliches Recht und zwar in 20 Artikeln. Sie enthalten zum Teil Entscheidungen von strittigen Fragen, welche durch die Reception des römischen Rechtes entstanden waren, teils auch Rechtsnormen zur Beseitigung dunkler und zweifelhafter Rechtseinrichtungen des deutschen Rechtes. Sie stellen somit keine vollständige Kodifikation dar. S. auch STOBBE, a . a . O . , S . 2 8 2 .

1 So sagt der Schluß des 1. Artikels: „Und nachdem xu weilen, wegen des Ehebettes, und der Hochzeit-Geschenck Streit vorgefallen: Als soll hinfüro dem überbleibenden Ehegenossen das Ehebette, inmassen sie es bey ihrem Leben gebraucht, samt xweyerley Ziehen, und vier Leylachen xuvor heraus, vor allerley Theilung und Abrichtung folgen: An den Hochzeit-Geschencken aber, so viel dero noch vorhanden, ihm der halbe Theil gebühren und zustehen."- Ferner der Schluß des 2. Artikels: „Es sollen auch 'hinfüro des verstorbenen vottbürtigen Bruders, oder Schwester 15*

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

228

Eine tadellose Fassung erhielt die Gewährungsklausel in „Der Stadt Basel Statuta und Gerichts-Ordnung." Der Schluß („Beschluß") lautet: „Inmaßen Wir hiemit Unseren Bähten . . . ernstlicher Meinung befehlen und gebieten, in allen künfftigen, nach angegangenem diesem unserem erneutem Statt-Bechten, begebenden Fällen und Handlungen, selbigem nach zu erkennen, zu sprechen, und zu urtheilen . . ."1 Diese Klausel hält sich frei von jedem Einfluß der „wohlerworbenen Rechte"; sie erwähnt ferner im Gegensatz zu derjenigen des Stadtrechtes von Freiburg und Schmollen die Thatbestände und Rechtsverhältnisse der V e r g a n g e n h e i t mit keinem Worte, auch nicht die a l t e Rechtsordnung, sondern gedenkt nur der künftigen Thatbestände und Rechtsverhältnisse (künfftigen Fällen und Handlungen) und nur der n e u e n Rechtsordnung (nach erneutem Statt-Bechten). Trotzdem aber gewährt dadurch der Gesetzgeber Kinder, sowohl das kalbe Geschwister, des Vetters oder Mutter Brüdern und Schwestern in der Succession vorgexogen werden.11 Dann Artikel 8 am Eingang: „Es hat sich offtmals xugetragen, warnt in Testamenten, Codicillen, oder anderen Geschafften und Gaben, einen ein gedeckter Tisch, oder gebett Bette, bescheiden, vermacht oder gegeben worden, dass derohalben Irrungen, was darxu gehören soll, fürgefallen: Da/mit nun diesem auch abgeholffen werde, so soll hin für o darxu verstanden, und wo die Stück aller in Verlassenschafft befunden, gegeben werden, wie hernach folget.11 Ferner der Eingang des Artikel 9: „So soll hin für o die Theilung, ungeachtet, es seyn der Erben xween, drey oder mehr, von ihnen allen sämtlich, aufs gleichste als müglich gemacht, und darauf die Erbschichtung durch ein unverdächtig Loss gehalten werden." Ferner Art. 14, Abs. 2: „So sollen hinfüro bey der Bürgerschafft, sowol bey den Zechleuten alle Käuff- und Mietungen der Häuser, auf's wenigst in beysein xweyer hierxu erbettener Männer, als Zeugen, bald beschrieben, und mit der Contrahenten, sowol ihrer hierxu erbettener Freunde Petschafften besigelt, oder in Mangel der Sigel, durch xweene ausgeschnittene Zettel bekräfftiget, oder ja der Kauff, Tausch und Mietung in unsere Stadt-Bücher verxeichnet werden." Ebenso letzter Absatz: „Es soll auch hinfüro, xu Verhütung derley Unterschlieff und Nackteil, leein Kauff noch Tatisch über Kretschmer- und Beeker-Häuser, bündig oder kräfftig seyn, er sey dann vor ihnen der Kretschmer oder Beeker Aeltesten, oder xweyen ihres Mittels, und an ihrer Stelle darxu verordneten Personen vollxogen, und in derselben Gegenwart verbriefet, besigelt, oder durch ausgeschnittene Zettel, ordentlich und vollkömmlich verfertiget." Dann Artikel 15 zweitletzter Absatz: „Wann sieh hinfüro ein Eheweib, für und neben ihrem Ehemann, vor uns an gewöhnlicher Raths- imd Gerichts-Stelle, oder denen, so wir auf Ersuchen darxu deputiren, durch 'ihren hierxu erhornen Vormunden verschreibet oder obligiret, und sieh ihrer Weiblichen Freyheit des Senatus consulli Velleian., welches sie xuvor nohtdürfftig berichtet, und erinnert werden soll, geäussert und verxiehen hat, so soll sie dasselbe, ob gleich dermassen Verxicht nicht eydlich geschehen, bis an die Helffte ihres Gutes xu halten, schuldig seyn, und ihrer Weibliehen Freyheit weiters nicht, dann allein in der andern Helffte ihres Gutes gemessen" Ferner Art. 16, Abs. 2: „So haben wir uns dahin verglichen, dass hinfüro kein Tendlerin sich des Umtragens gebrauchen oder anmassen soll, es sey ihr denn xuvor von uns xugelassen, und sie darxu vereydet worden." Ebenso Art. 19, letzter Absatz, welcher jedoch strafrechtlichen Charakter hat. Endlich Art. 20, Absatz 2; ebenfalls mit strafrechtlichem Inhalt. 1

Subsidiär soll in erster Linie nach altem Herkommen und Observanz „in Abgang derer nach denen gemeinen Rechten geurtheilet" werden.

§ 35. Die ältere intertemporale Rechtsregel in den Stadtrechten.

229

verbis concludentibus der alten Rechtsordnung eine fernere Herrschaft über ihre Thatbestände und Rechtsverhältnisse. Das Basler Stadtrecht enthält also im Gegensatz zu den meisten hierher gehörenden Stadtrechten, welche der alten Rechtsordnung verbis expressis eine fernere Herrschaft über ihre Geschöpfe gewähren, die s t i l l s c h w e i g e n d e G e w ä h r u n g s k l a u s e l . U. E. ist diese intertemporal vorzuziehen, weil sie zu weniger Zweifeln Veranlassung giebt. — Die Basler Klausel ist eine •der ersten, welche unter den Thatbeständen die H a n d l u n g als ihr Hauptrepräsentant herausgreift. Die übrigen Thatbestände werden von •dem umfassenden Begriff „Fdhle" umschlossen.

Die S e n a t u s k o n s u l t e d e r S t a d t R i g a . Nicht zu den Stadtrechten i. e. S., wohl aber zu den Stadtrechtsquellen gehören die Ratsbeschlüsse (Senatuskonsulte) der Städte. Für das intertemporale Privatrecht am bedeutungsvollsten sind die Senatuskonsulte der Stadt Riga} So das Senatuskonsult v. 10. Nov. 1654: 2 „dass dieser casus, ob matrimonium in tertio gradu lineae inaequalis pro dispensabili zu halten, ungeachtet dass bisshero einige Exempel eingerissen und aus erheblichen Ursachen dispensiret worden, hin führ o indispensabel und gantz verboten sein, auch solches publice von der Canzel allen und jeden zur Nachricht intimiret werden soll." Das „hinführo" deutet hier unzweifelhaft, wie in den Reichsgesetzen und im Breslauer Stadtrecht, auf die ältere intertemporale Rechtsregel, was angesichts des heiklen Rechtsverhältnisses durchaus geboten war. Unter der neueren Rechtsregel wären mehrere abgeschlossene Ehen, die „aus erheblichen Ursachen dispensiret worden", nachträglich nichtig geworden. Ferner gehört hierher das Senatuskonsult v. 16. Dez. 1 6 5 7 : 3 „dass hinfv.ro allen Wittiben inner Jahres Frist sich andermahlig zu verheurahten untersaget sein soll, salva tarnen dispensatione Senatus in gewissen FällenAuch hier kann das „hinfuro" nur im Sinne der älteren intertemporalen Rechtsregel verstanden werden; das liegt sogar in der Natur der Sache. Das Trauerjahr der Witwe ist n u r ein aufschiebendes Ehehindernis; daher wird selbst unter der neuen Rechtsregel eine vor Ablauf des Trauerjahres der Witwe abgeschlossene Ehe ihre Gültigkeit behalten. Um so mehr können also die unter der alten Rechtsordnung trotz des Ehehindernisses abgeschlossenen Ehen in ihrer Gültigkeit von der neuen Rechtsregel nicht berührt werden. 1

S. „Die Quellen des Rigischen Stadtrechtes bis zum Jahre 1673" von

J . G. L. NAPIERSKT. 2

2

Riga 1870.

a. a. 0., Nu. 37. a. a. 0., Nu. 46.

S. 297 u. fg.

230

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

§ 36.

Die neuere Regel des intertemporalen Privatrechtes in den deutschen Stadtrechten.

Die negative Klausel der neueren Rechtsregel hat in den deutschen Stadtrechten eine noch günstigere Aufnahme gefunden, als die positive. Die Gründe dieser Erscheinung liegen zum großen Teil darin, daß sehr oft das neue Stadtrecht nur eine Neufassang des alten Gewohnheitsrechtes oder auch des geschriebenen Rechtes darstellte. In diesem Falle ist die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung auf denselben Grund zurückzuführen, der auch bei den germanischen Volksgesetzen die neuere intertemporale Regel rechtfertigte. Andererseits kommt in Betracht die starke Mißbilligung der äußeren und zum Teil auch der inneren tTbelstände der alten Rechtsordnung nach der Reception des römischen Rechtes. Damit ist die vom römischen Recht geforderte materielle Voraussetzung der Ausschlußklausel gegeben. Nach diesen verschiedenartigen Gründen lassen sich die Stadtrechte, die der neueren intertemporalen Regel zugethan sind, in zwei Gruppen einteilen. Bei beiden Gruppen tritt die schon in § 34 angekündigte Erscheinung zu Tage, der neuen Rechtsordnung durch dispositives Stillschweigen die Ausschließlichkeit zu verleihen. In der ersten Gruppe bedeutet sie keine Abweichung von den im römischen intertemporalen Privatrecht entwickelten Grundsätzen, wohl dagegen in der zweiten. Hier läßt sie sich nur dann entschuldigen, wenn die materielle Voraussetzung durch eindringliche Redewendungen erfüllt wird. In der That ist dies entweder in den Vorreden oder am Schlüsse der meisten hierher gehörigen Stadtrechte geschehen. Als das älteste Stadtrecht der ersten Gruppe lassen sich die Augsburg sehen Statuten v. J. 1276 anführen.1 Daran schließen sich die Statuten der Stadt Gera v. J. 1487. 2 1

In der Vorrede des Stadtrechtes wird ausdrücklich gesagt, daß es sich handle „um älltj dy Recht, dy dissy Slat xe Augspurg, von alten Zyten bey Kaysern by Kunigen und Pischoffen herbracht hat.'' Am Schluß der Vorrede heißt es: „Es wä/r von Vögten oder von Burggrafen oder von Münxen oder von Zollen, oder eines jeglichen Biderben Mannes Recht er si arm oder Reich, das sy dy Lexxen schreiben, und swax sie schrieben, dax sie dax brückten für den, ganxen Rat, und dax ex da bestantet und benert würd, als es hernach geschriben stat. Das dalen sie und ist dess heuert, dax es dem Arm und dem Reichen stet soll beliben. Swas man irr wird dax man dax an diesem Buche finden soll dax denn recht ist und niemand wiederreden soll." Durch diese Wendungen, welche der alten Rechtsordnung nicht gedenken, verleiht der Gesetzgeber der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit. 2 In der Bestätigungsurkunde von Heinrich, Herr zu Gera, heißt es: „nu hielten sie diese nachgeschriebene Statuta, Freyhett und geuionheit mit Eytel Item anhebende aus der Stadt altherkommen, gesex, und besserunge mit xeitiger guter Betrachtung verfasset, die der ganxen gemein vorgehalten, und durchaus verlesen lassen, sie und die gcrntxe Gemeine gevollwort, verwillkührt, solche Oeseixe, stete vest, vnd unverbrüchlich xu halten, darauf Uns demütigliehen angeruffen, und ge-

§ 36.

Die neuere Regel d. intert Privatrechtes i. d. deutsch. Stadtre.chten. H i e r a n reiht sich „dath Stadtrecht der Stadt Brünschwigk"

v.

231 1532,

welches zum g r ö ß t e n T e i l auf älteren Rechtsquellen beruht, die aus v e r schiedenen Zeiten s t a m m e n (S. STOBBE a. a. 0 . S. 2 8 5 ) . 1 Ferner

die Statuten

der Stadt Geitheyn

tigungsurkunde w i r d hervorgehoben,

v. J. 1553.

daß die neuen

sächlich über E r b r e c h t und Gerade handeln, nung stützen.

Am

Schlüsse derselben

herr der neuen O r d n u n g die Die

Ausschließlichkeit

sich

verleiht

I n der Bestä-

Statuten, die hauptauf eine frühere Ord-

der

bestätigende

Landes-

Ausschließlichkeit. 2 wird

in

den

meisten

Stadtrechten

Gruppe nicht m i t ausdrücklichen W o r t e n ausgesprochen,

sondern

hellt aus d e m sog. dispositiven Stillschweigen des Gesetzgebers.

dieser sie er-

Dadurch

nämlich, daß derselbe g a r keine Ausnahmen zu Gunsten der alten Rechtsordnung macht, insbesondere ihr nicht die innerhalb

ihres

sämtliche

Thatbestände,

Rechtsordnung. Recht

Thatbestände

zeitlichen Herrschaftsbereiches Dies

u. Gewohnheit

die

gilt

zur auch

Aburteilung kommen, für

„Ordnung,

die

der Stadt Saalfeld11

vom

zuweist,

welche

eingetreten sind, zieht er unter

Gesetz,

28. Februar

die

neue

Willkühr,

1558.

Wie

aus der V o r r e d e hervorgeht, war diese Ordnung i h r e m Hauptinhalte nach aus d e m

bisherigen

Rechte,

hauptsächlich

aus d e m

Gewohnheitsrechte

geschöpft worden, 3 daher denn auch die Schlußbestimmung: „Wollen daß nung,

dieselben hinförder

zu ewigen Zeiten also dieser Stadt Saalfeld

Willkühr, Statut, Recht

und künftigen Burgern

auch, Ord-

und Gewohnheit von allen und ieden ietzigen

und Einwohnern

daselbst unverrückt,

unverändert

bethen, ihn solche Gesätxe -zu confirrnirm und besletigen.'1 Daraus geht hervor, daß die Bürgerschafft der Stadt, vertreten durch „geschworene Gemeinmeister", die Statuten gänzlich aus dem bisherigen Herkommen, den Gewohnheiten und Statuten geschöpft haben und des Willens war, denselben die Ausschließlichkeit zu verleihen. Heinrich, Herr zu Gera, willfahrt ihrem Wunsche, bestätigt die Statuten und gewährt denselben Ausschließlichkeit durch folgende Schlußworte: „heisen und gebielhen darauff denen ietzigen vnd allen zukünftigen Vnsem Ambtleuthen, vnd sonsten von allen denen Vnsem, ernstlich begerende, ihn daran keinen Kränk, Inhalt nach, Verletzung %u thuen, in keiner Weiss an alle Gefährde 1 Die kurze Vorrede lautet: „Hir na folget dat Stadtrecht der Erbaren Stadt Brünschwigk, dardorch vth der Gnade Godes des almechtigm dat Vtherlicke Goddos Gerichte vnd Regiement schall ane jenich ansehendt der Personen vorheget vnderholdenn vnd bestellet, de gemene Stadt vnd lnwonende Borgere myt frede vnd rechte regeret werden, dat de Ersame Radt, Radessitoren, Gildemeslere, vnd Gemene als rnen hefft gesehreuen na der Geburt Christi vnses leuen Heren dusent vifhundert twe vnd triltich Jare, Donnertages na Agapiti mytt gut Vorbedacht rnd ivitlicken im Namen des Heren heufort vnuerbrocken tho holdende, gewilkoret vnd angenommen hebben." Das Stillschweigen über etwaige Zugeständnisse zu Gunsten der alten Eechrsordnung ist auch hier dispositiver Art. 2 „vndt wollen, dass solche vnsere ordenunge, Zusacxung vndt confirmation, stedt, vheste vnd vnuorbriichliehenn gehalten werde, bey Vormeydung vnser straffe vnd schweren Vngnade." 3 Diese Gewohnheiten der Stadt Saalfeld, wie überhaupt der Städte, wurden burgensium consuetudines, instituta maiorum, usagia genannt. S. auch WALCH a. a. 0., Bd. I, S. 127 Anm.

232

D^s intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

und ohne alles Wiederspreohen gehalten, und hochgedachtes unseres gnädigen Fürsten und Herrn dabey gethanen gnädigen Befehl unterthäniglich nachgelebet werden solle." Dieser Satz enthält die Ausschlußklausel, die keine Ausnahme zu Gunsten der alten Rechtsordnung zuläßt, sondern stillschweigend darüber hinweggeht. Daran reihen sich die Statuten der Stadt Alstedt v. 6. Januar 1565. In der Vorrede bestätigt sie Friedrich, Pfalzgraf am Rhein, und fügt dann ausdrücklich hinzu: „so sie von Alters herogebracht vnnd itzo vonn Neuen gesetzt habenn.li 1 Nach seiner „Vorrede an den Leser" zu urteilen gehört auch das Lübecker Stadtrecht v. 1582 zur ersten Gruppe. Selten wohl hat ein Gesetzgeber in so gemütlichen Redewendungen an die Bürger gesprochen, die durch die neue Rechtsordnung gebunden werden sollen; die Vorrede lautet beinahe als ob es sich, um ein Lehrbuch und nicht um ein Gesetzbuch handle. 2 Aus ihr geht aber trotz des freundlichen Tones hervor, daß die alte Rechtsordnung „abgethan" und für die Zukunft jeder Herrschaft beraubt sein solle; auch hier weniger durch ausdrückliche Bestimmungen, als durch dispositives Stillschweigen. Andererseits aber ist aus ihr zu entnehmen, daß die neue Rechtsordnung zum größten Teil aus dem Stoffe der alten gebildet wurde, wodurch die negative intertemporale Klausel vollauf erklärt wird. 3 1

Darauf fährt er fort: „Wie uir dann dieselbe hiermit Confirmirenn vnnd bestetigenn, wollenn sie auch dabei gnediglichenn schütxenn vnnd handthabenn, dogegenn wollenn uir ihnenn dem Radt xu Alstedt auferlegt vnnd ernstlieh gebeten haben ob sollieher Pollieeiordnunge Jederzeit mit vleiss xu haltenn, die vbertreter vnnd vorbrecher Deroselbigenn Inn geburliche straf xu nehmen." ® Der Teil der Vorrede, welcher trotz seiner harmlosen Ausdrucksweise intertemporalen Charakter hat, lautet: „Als hat ein Erbar Ruth, hindangesetxt aller ihrer täglichen auffliegender Vielheit der Gesehäffte, welche gleichwol dieses Werde etuas aufgehalten, sich dahin bewegen lassen, Vornemblichen ihrer gemeinen lieben Bürgerschifft, Einwohnern vnd Vnterthanen xu gute, vnd dass sieh dieselben vor vbrigem Gexünk, vnnötiger Rechtfertig: vnd Oeldspildung hinfürter hüten, dann auch denjenigen, welche sich jhres Rechtens gebrauchen, xu besserer Nachrichtung ttowol dem allgemeinem frembdem Handtierenden, vnd Wandersman, von was Nationen vnd Königreichen dieselben allhier anlangen, vnd in dieser Stadt vor Recht xuthun vnd xuschnffen haben möchten, xurn besten, solch ihr Recht, von vierdehalbhundert Jahren anfangend, Vnd von Kayser Friede riehen dem Ersten, mit anhangendem Güldenem Siegel, auch den andern, vnd allen nachfolgenden Kaysern besteliget vnd conßrmirt, auff das Newe wiederumb vbersehen, was darinnen antiquirt, vnd sieh der Zeit halben nicht wol leyden wollen, abgethan, Vnd alles, welches hiebevorn vormenget gesetxet, in eine richtige Ordnung, in unterschiedlichen Büchern vnd Tituln, Teutsch vnd Lateinisch verfassen lassen, damit ein jeder leichtlichen den Fall, damit er umbgehet, xufmden, vnd sich nach demselben zurichten haben, vnd bey sich selbst Rath nehmen vnd finden möge.'1 3 In der Vorrede entschuldigt sich gewissermaßen der Gesetzgeber beim Leser, daß einige Artikel nicht mit dem kaiserlichen Rechte, sowie mit den sächsischen Rechten und Gewohnheiten übereinstimmen, „vnd dem Leser xu geschwinde vnd scharff xu seyn, bedencken machen möchten.11 Er beleuchtet dann die Ursachen dieser „geschwinden Statuten" und begründet sie mit dem Hinweis darauf, daß die

§ 36.

Die neuere Regel d. intert. Privatrechtes i. d. deutsch. Stadtrechten.

233

Hierher fallen auch der Stadt Hamburg Statuten {u. Gerichts-Ordnung) v. 10. Oktober 1603. Auch diese bauen sich auf den „alten Statuten, redlichen Gewohnheiten, Herkommen" auf, wie aus der Vorrede zur Genüge hervorgeht, daher denn auch der Gesetzgeber durch dispositives Stillschweigen die Ausschließlichkeit gewährt. 1 Bemerkenswert ist das tempus vacationis von 2 Monaten nach geschehener Veröffentlichung der neuen Rechtsordnung; damit ist stillschweigend während dieser Frist die Herrschaft der alten Rechtsordnung gewährleistet. Die Ausdrucksweise „mit Anstellung des Prozesses" kann nicht anders gedeutet werden, als daß die rechtshängigen Prozesse bis zu ihrer vollen rechtskräftigen Aburteilung auch noch der alten Rechtsordnung unterliegen, so daß nur die nach Ablauf der Vakanzzeit in erster Instanz erhobenen Rechtsstreitigkeiten der neuen Rechtsordnung anheimfallen, einschließlich jedoch aller streitigen Rechtsverhältnisse, die unter der alten Rechtsordnung entstanden sind. In diese Gruppe scheinen auch die Statuten der Stadt Eisenberg vom 14. Mai 1610 zu fallen, die ebenfalls sich auf ältere Statuten stützen. 2 Auch hier geht die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung aus dem dispositiven Stillschweigen des Gesetzgebers hervor. Der ersten Gruppe gehört ferner das Stadtrecht der Stadt Schieitz v. 13. April 1625 an. In der Bestätigungsurkunde verleiht der Landesherr, „Heinrich der Junger, derzeit Mtiste Beuss" der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit. 3 Daß es sich nur um Neufassung der alten Stadt Lübeck eine Handelsstadt sei und daher darauf sehen müsse, daß der öffentliche Glaube in Handelssachen nicht geschwächt werden solle: „Et, licet lex dura videatur, tarnen ita servanda est." Die Artikel beziehen sich auf Absonderung der Kinder, das zugebrachte Gut der Frauen, „welchen die Kayser Rechte sonderlichen favoriren" und auf Erbteilungen. 1 „Befehlen demnach allen und jeden unsern Gerichtspersonen, Fiscalen, Procuratoren, Schreibern und Arnualden, und wollen, dass dieselben, auch sonst männiglich, sowohl Bürger, Einwohner und Fremde, die allhie ihre Action und Sachen xu Rechte anzustellen und einzuführen, als auch diejenige, die darauf xu Rechte sich einzulassen und xu antworten schuldig, innerhalb xueyer Monats Frist nach beschehener Publication, mit Anstellung des Prozesses, der hierin abgefasslen Ordnung, bey Vermeidung der den unterschiedlichen Artieuln angehängter Strafe {'he Wir nach Beschaffenheit der Verbreehung, unnicJdässig abzufordern entschlossen) gehorsamlich und gemäss bexeigen." 2 S. WALCH, a. a. 0., Bd. II, S. 211 u. fg. Caput VI handelt de successionc in Gerada; auch dies ist ein Beweis, daß es sich um die Neufassung alten Rechtes handelt; s. auch Gap. VIII de Suec. des Heergeuetts. Am Schlüsse der Statuten bestätigt Christian, Herzog von Sachsen, die neue Rechtsordnung und fährt dann fort: „und wollen ernstlich, dass solchen S'atutis, Policey und Ordnungen, in allen ihren Pumten und Artieuln nach derselben worttlichen Innhalt und Vermögen für und für xu ewigen Zeiten unverbrüchlich nachgegangen, und darwieder von niemandts, wer der auch sey, im wenigsten nicht gethan, noch geh indelt werden solle." 3 „Gonfirmiren und bestettigen solche in crafft diss alss der Landesherr, in aUermassen, wie solche hernach in unterschiedlichen Artieuln und Puncten, verzeichnet und begriffen, Also und dergestalt, dass Sie und ihre Nachkommen, sieh solcher Statuten Ordnung und gesex halten, erfreuen, gebrauchen und gemessen sollen."

234

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

Gewohnheiten und Gesetze handelt, geht aus dem Eingang der Vorrede hervor. Der Landesherr berichtet, er sei „gebeten worden, Ihre Alte wohlhergebrachtc Stadt-Gesätze, Statuten, Freiheiten und alte Gewohnheiten in Schrifften vorfasset, vonn newenn gnediglich zu Confirmiren, bestettigen und Corroboriren." In die z w e i t e Gruppe läßt sich die Wormser Reformation v. 149& unterbringen, obschon die Vorrede sich in intertemporaler Hinsicht sehr dunkel ausdrückt. Da sie aber nicht davon spricht, daß die alten Fälle nach der a l t e n Rechtsordnung zu beurteilen seien, so ist man vollauf berechtigt, ein dispositives Stillschweigen des Gesetzgebers und infolgedessen die negative intertemporale Klausel anzunehmen. 1 Die Ausschlußvorschrift ist für die Wormser Reformation ein unverständlicher Mißgriff und widerspricht der intertemporalen Gerechtigkeit in unbegreiflich schroffer Weise; denn das im 4. und 5. Buch derselben enthaltene Privatrecht brach gewaltsam mit der Vergangenheit, indem es sich eng an das römische Recht anschloß und die einheimischen Rechtseinrichtungen über den Haufen warf. 2 Eine höchst eigenartige, der neueren Regel angehörige intertemporale Rechtsvorschrift enthält der Eingang der „Reformacion der Stadt Franckenfort am Meine des Heiligen Rom. Richs Cammer" v. 26. Aug. 1509. Nachdem der Rat die durch die Reception des römischen Rechtes entstandenen Ü b e l s t ä n d e lebhaft geschildert, 3 fährt er im Eingange also 1 Die hierher gehörige Stelle lautet: „Auch auss oberkeit vnnserss Regiments genant Jusmagistratas: disse hienueh, geschriben vrmser Stattrecht, Gesetz-, Ordenung, Statuta, Polaey, Altherkommen vnd gut gewonheitcn, emüueret, reformiret, erkennen, ercleren, ordenen, Selxen vnd wollen die allesampt vnd jede hesunder in der gemelten vnser Statt vnn Burgbann zuhalten, vollzogen vnn gehalten werden, durch vns vnser Burger vnd Inwoner vnd alle vnser nachkommen in der gemelten vnser statt Wormbs gerichtsstzwegen vnn benden begriffen.'1 Die M i ß b i l l i g u n g der bisherigen Rechtsordnung läßt sich aus folgender Stelle entnehmen: „vff das auch die ding so vss vngleichenn verstaut im irrthumb oder missbraueh gefallenn widerumb in gut ordenung vffgericht gestellet die friedsamen vnd guten menschen beschirmet." Nach STOBBE, Rechtsquellen a. a. 0 . , S . 332 lautet die Vorrede im wesentlichen wörtlich wie die der alten Nürnberger Reformation v. 1484, von der mir leider keine Ausgabe zur Verfügung stand. Aus seiner Angabe geht hervor, daß gerade diese intertemporale Stelle wörtlich übereinstimmt. ' S . auch STOBBE, a. a. O., S . 333. Für die Nürnberger Reformation, der man offenbar die Vorrede entnommen, war die negative intertemporale Klausel keine augenscheinliche Verletzung des intertemporalen Privatrechtes. Obschon die privatrechtlichen Teile desselben einen reichlichen Gebrauch vom römischen Rechte machen, besonders beim Intestaterbrecht und den Testamenten, so beeinträchtigen sie im Ganzen die einheimische Rechtsordnung nicht, z. B. nicht das eheliche Güterrecht. Daß die negative intertemporale Klausel der Nürnberger Reformation angemessen war, jedoch nicht der Wormser, hat der ¡Jusmagistratus" der Freien Reichsstadt Worms leider nicht eingesehen. ' „Wir der Bat der statt Franckenfurt an dem Meyn gelegen thun alten umd yeden unsern bürgern und inwonern, auch denjhenen, so hier rechtlich handeln wollen, kunlh und zu wissen, nachdem wir und die vnsern an rnserm gerieht, und auch sunst in unser statt und in unsern gebieten, nach gelegenheit der leufftm vil

§ 36. Die neuere Regel d. intert. Privatrechtes i. d. deutsch. Stadtrechten.

235

fort: „Darumb wollen wir und gebieten, (damit derselben jrrung einsteils und sunderlich darauss oder meistenteil jrrung erwachsen sein, vffgehebt werden) das, ices hievor durch dieselben alten vbungen und geioonheiten gerichtlich oder auserhalb rechtens erwunnen oder angenommen ist, das solichs alles soll, wie dann dieselben vnser vbungen vnd gewonheiten gewest sein, in jrem stand vnd wesen blyben. Doch wollen wilden jhenen, so jetzt in rechtfertigung schweben, hiemit nit benommen noch zugeeignet haben. Was aber hinfür nach Offenbarung dieser vnser ordenung gehandelt und angenommen soll werden, das alles soll bescheen lut jnhalt dieser vnser reformacion, ordenung, Statute, und gesetze, wie hernach geschrieben stett." Man könnte nun meinen, der Ausdruck „das, wes hievor . . . . erwunnen . . . . ist" deute auf einen Einfluß der Lehre von den wohlerworbenen Rechten; die wohlerworbenen Rechte sollen „in jrem stand vnd wesen blyben." Jedoch kann diese Annahme einer näheren Prüfung nicht Stand halten. Was gerichtlich „erwunnen oder angenommen", sind die durch rechtskräftiges Urteil oder gerichtlichen Vergleich erledigten Rechtsverhältnisse; was „ausserhalb rechtens erwunnen oder angenommen", sind die durch außergerichtlichen Vergleich oder Konsens oder Stillschweigen erledigten Rechtsverhältnisse. Die Frankfurter Vorrede enthält also nichts anderes, als die Ausschlußklausel mit Angabe der aus dem römischen Recht bekannten Ausnahmen. Dafür spricht auch noch der Ausdruck: „den jhenen so jetzt in rechtf ertigung schweben." Damit sind unzweifelhaft Rechtsverhältnisse gemeint, die beim Erlaß der Reformation bereits rechtshängig sind; diese sollen auch noch nach der alten Rechtsordnung entschieden werden. Damit läßt diese intertemporale Rechtsvorschrift keinen Zweifel darüber zurück, wie es mit denjenigen Rechtsverhältnissen zu halten sei, welche unter der alten Rechtsordnung entstanden sind, jedoch erst nach Erlaß der neuen rechtshängig werden. Nur der Satz, daß das, was „hinfür nach Offenbarung dieser vnser ordenung gehandelt und angenommen soll werden" nach der n e u e n Rechtsordnung geschehen solle, könnte noch zu Zweifeln Veranlassung geben, ob doch die alte intertemporale Regel vorliege; denn der Schluß des Gegenteils kann scheinbar nur so lauten, daß alles übrige nach der a l t e n Rechtsordnung beurteilt werden müsse. Wenn aber der Frankfurter Gesetzgeber unter „handeln und annehmen" auch die Erhebung von Klagen, Abschluß von gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen versteht, so verwandelt sich mit einem Schlage diese scheinbar positive intertemporale Klausel in eine negative, mit den gewonheiten und Übungen dem gemeinen rechten nit gemess gehabt, der doch eins teyls jexundt okn underscheidt für vntüglich angesehen werden, wiewol die lange zeit in gemeiner vbunge herbracht, das dawidder niemandt gestrebt, und dieweyl dieselben gewonheiien und vbungen eins teils nit beschrieben, den armen und einfeltigen nit änderst, dann durch die gemeine vbung xubewysen gewesen, dardurch viel jrrthurn und xusiespeltigkeit zwüschen vnsem burgern und andern jet%t in kurixen jaren erwachsen."

236

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

bekannten römisch-rechtlichen Ausnahmen der causae finitae und causae pendentes. Daß in der That „handeln und annehmen" jene Bedeutung haben, geht aus dem vorhergehenden Texte hervor, „gerichtlich oder außerhalb rechtens . . . angenommen." „Annehmen" hatte eine gerichtliche Bedeutung im Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts. So auch in der Reichsgesetzgebung: Art. 6 der P. G. (). von 1 5 3 2 ist betitelt: „Annemen des angegeben übelthätter von der oberkeyt und ampts wegen." F ü r die Annahme, daß es sich im Eingange dieser Frankfurter Reformation um die negative intertemporale Klausel handle, spricht in entscheidender Weise auch noch der Umstand, daß der Rat der Stadt Frankfurt mit beredten Worten die Mängel der bisherigen Rechtsordnung beklagt, insbesondere hervorhebt, daß „in unser statt und in unsern gebieten, nach gelegenheit der leuffden vil gewonheiten und Übungen dem gemeinen rechten nit gemess gehabt, der doch eins teyls jezundt ohrt und er Scheidt für vnt.üglich angesehen werden." Damit wäre die Mißbilligung der alten Rechtsordnung deutlich genug ausgesprochen und der materiellen Voraussetzung der Ausschließlichkeitsvorschrift Genüge gethan. Es wäre somit festgestellt, daß die Frankfurter Reformation von 1 5 0 9 zur neueren Rechtsregel gehört und zwar unter die zweite Gruppe der mit der Ausschließlichkeit bewidmeten Stadtrechte fällt. Trotz der höchst eigenartigen, übrigens rein deutschen Fassung des Einganges der Reformation, erkennt man doch deutlich genug die römische Ausschlußklausel mit Angabe der Ausnahmen; abgesehen davon, daß die materielle Voraussetzung mit klaren Ausdrücken erfüllt ist. — Aus dieser Betrachtung hat sich auch ergeben, wie sehr sich die subjektive Fassung der Gewährungsklausel der Ausnahmeklausel nähert. Das bairische Landrecht spricht von „mit dem Rechten erlangten Hechten"; die Vorrede der Reformation von dem „was durch dieselben alten vbungen . . . . erwunnen oder angenommen worden ist." Damit bestätigt sich meine Behauptung, daß die subjektive Fassung der Gewährungsklausel auf die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung hinauslaufe mit dem selbstverständlichen Vorbehalt' zu gunsten der erledigten Fälle, aus denen eben endgültige subjektive Rechte hervorgehen. 1 Wie kaum anders zu erwarten, enthält die Frankfurter Reformation v. 7. Sept. 1 5 7 8 die n e u e r e intertemporale Rechtsregel, trotzdem JOHANN FICHABD, der berühmte Syndikus der Stadt, ihr Hauptverfasser war, derselbe, der im Jahre 1 5 7 0 dem Grafen zu Solms eine ausführliche Gerichts- und Landesordnung 8 ausgearbeitet hatte, deren Vorrede sich auszeichnet durch geschickte Abfassung der ä l t e r e n intertemporalen Rechtsregel. 3 1 S. oben § 31, S. 175; s. auch von den wohlerworbenen Rechten. * S. oben die Solmser Gerichts8 Die einschlägigen Stellen der folgendermaßen: „Ordnen, wollen ind

unten im 3. Kapitel die Kritik der Lehre und Landeeordnung, § 31., S. 177. Vorrede (5. und 6. Absatz) lauten wörtlich befehlen dimnnch, allen vnsem Bürgern, Ein-

§ 36. Die neuere Kegel d. intert. PrivatrechteB i. d. deutsch. Stadtrechten.

237

Auch das Stadtrecht zu Grosenhayn von 1545 bekennt sieh zur zweiten Gruppe. Nachdem in der Bestätigungsurkunde Moritz, Herzog von Sachsen, die äußeren Mängel der alten Rechtsordnung hervorgehoben,1 verleiht er am Schlüsse dem Stadtrecht die Ausschließlichkeit, unter ausdrücklicher Aufhebung der alten Rechtsordnung:2 Dieser Gruppe schließen sich auch an die Statuta Oppidi Greussen v. J. 1556. In der Bestätigungsurkunde verleihen Günther und Hans Günther, Grafen zu Schwarzburg, der neuen Rechtsordnung durch dispositives Stillschweigen die Ausschließlichkeit.3 wohnern, vnd Beysässen, Auch andern in vnsern Gebieten Vndertkanen (ausserhalb ivas denselben im Zeit jrer Huldigung an alten jhren herbrachten rechtmässigen Oewonheiten auss Vergunst Wir zugelassen). Dessgleichen allen Aufständischen, so in dieser Statt Rechtlich, oder ausserhalb Rechtens, zu handeln haben, hiermit, crta wollen, Dass sie nun hinfüro an dieser vnser erneuwerten vnd ergäntxten Reformation, alles jhres Inhalts trewlich geleben, vnd sich derselben (bey Vermeidung deren darin verleibten Straffen) gemäss verhalten, Dass auch an vnserm Stattgericht, Dessgleiehen dem Ackergericht, darnach in allen künfftigen Fällen gesprochen vnd erkennt solle werden.11 „Dann, was die Fälle belangt, so hievor sich haben zugetragen, vnd durch Rechtliche Erkanntnussen erörtert, oder durch gütliche Verträge verglichen worden (ob solche gleich dieser Ordnung nicht gemäss ergangen), Dessgleiehen auch die Fälle, so vor dieser Reformation Publicirung sieh begeben haben, vnd noch Rechthängig seyndt, Dieselben alle wollen Wir vnder diese tnsere jetzige erneuwerte Reformation, nicht gezogen, noch verstanden haben, Sondern allein diejenigen, so hinfürter künfftiglich sich zutragen werden.11. Das einzige Bedenken, das gegen diese Fassung erhoben werden könnte, besteht darin, daß es auch Fälle giebt, die vor der Veröffentlichung der Reformation sich begeben haben und noch nicht rechtshängig sind, sondern erst nach diesem Zeitpunkte streitig und vor Gericht gebracht werden. Sollen diese nun der alten oder neuen Rechtsordnung anheimfallen? Die intertemporale Klausel giebt darauf eine klare Antwort Nur diejenigen Fälle, welche durch Rechtliche Erkermtnussen erörtert (causae iudieatae) oder durch gütliche Verträge verglichen worden (causae transactae) oder noch Rechtshängig seyndt (causae pendentes), sollen der neuen Rechtsordnung entzogen werden: also, argumento e contrario, verbleiben jene Fälle der neuen Rechtsordnung. 1 „Wie sich der Todes vnd Erbfelle halben bey Inen vilfaltige Irrung zutragen, Die do auch Inn weitleufftigkeit der Rechten wachssen, vornemlich deshalben, das es In andern vmligenden Stedten von wegen Ihrer willkehr anders gehalten wirde, Mit welchenn sie sich zur Abhelffung sollicher weitleufftigkeit Im bestenn bedacht, zu vergleichen vndt zu uereinigenn." 2 „ . . . vnd gebieten darauf allen Vhsern vnterthanen vnd vorwandten, sieh darwider in keinem wege zu setzenn, vnd dem Amptleuten oder Amplsvorwalttern so itzt vnd In zukunfftigm Zeiten zum Bayne seyn werden, Ernstlich vnd vhestigklich den genanthen Rath vnd gantze Gemeine vnser Stadt Hayne obenberurt, bey solcher Vnser Confirmation tnd Irer Ordnung getrewelichn zu h ndhaben zu schützen tnd zu vorteidigen, damit dieselbigen In allen Iren puneten, Stucken vnd Arttickel Stedte vheste vnd vniiorbrüchlich gehalten werde, So wollen wir auch hiermit allen forige Statut, wilkor, brnuche vnk gewonheit so hierin verleibt, entkegenn gentzlichenn aufgehaben vnd krafftlosz gemacht habenn." 3 „Bestetigen vnnd Confirmiren die hiermit gegenwerttiglich In vndt mit Crafft dieses briefes Gebietenn hiermit vndt wollen, Dass der Rath zn Greussen vndt Ihre

238

Das intertemporale Privatrecht in den deutschen Stadtrechten.

Die Bestätigungsurkunde des „Stadtrechtes von Franckenhausen" von 1558 enthält ebenfalls die negative intertemporale Klausel durch dispositives Stillschweigen: 1 Die Mißbilligung der alten Rechtsordnung wird mit denselben kräftigen Worten ausgedrückt, wie in der Vorrede zum GBEUssEN'schen Stadt-recht. Zu dieser Gruppe gehörig ist auch „der Stat Nürnberg verneute Reformation" v. 24. März 1564. Durch dispositives Stillschweigen erteilt der Gesetzgeber der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit. 2 Die Klagen über die alte Rechtsordnung, welche die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit erfüllen, beziehen sich in dieser Vorrede nicht bloß auf die äußeren, sondern auch auf die inneren Mängel der alten Rechtsordnung: „Vnd. wir über aus langer vnd täglicher erfarung befunden, das etliche, vnd ein grosser teil derselben Reformation Ordnungen vnd Gesetz, dem gemeinen Man, zu weitleufftig vnd jrrsam, etliche nit genugsam aussgefürt vnd geleutert, vnd in etlichen ain vngleicher verstand eingerissen, Derhalben wir verursacht, zu abstellung derselben mengel, . . . "3 Es folgen nun in dieser Gruppe drei Stadtrechte aus demselben J. 1594, deren Bestätigungsurkunde von demselben Landesherrn, Albrecht,

nachkommen, bürgere vnd einwonere doselbst auch unsere Marktflecke vnd dorffschaffte des Ampts Clingen solche Statuta festiglich halten, vnd darnieder vorsetxlich vndt wissentlich nicht thun, noch handeln sollen bey vermeidunge unserer ernstliehen straffe, . . . " Die materielle Voraussetzung, die Mißbilligung der vorherigen Rechtsordnung, stützt sich hier sowohl auf die inneren als die äußeren Mängel der alten Rechtsordnung: ,,Es weren Aber dieselbigen An ettlicherm Ortern dunkel vndt vnuorstendlich, An ettlichen Ortenn durch wieder u.ertige vbunge vffgehabenn oder nicht gebreuchlich vndt An ettlichem/n orttern vnuolkommen vndt mangelhaftigk. Also, dass gutter erklerunge vndt erfüUimge dergleichen ordentlicher setxunge oder GoUocation nacheinander vormotemn." — Eine sehr kräftige und derhe Verwerfung der alten Rechtsordnung! 1 „ . . . gebieten hiermit vrmdt wollerm, dass der Rath xu Franckenhausserm, vrmdt ihre nachkommene Burger vnrul einwohner daselbst, auch urmsere Amtsdörffer . . . solche Statuta, wie die eimm, jeder Ort vnnde amptsasserm betreffen können fleissiglich halten/n, vrmdt darwieder fürselxiglich oder wissentlich nichtess thunn noch handelnn sollenn, bei Vermeidunge vrmser errvnstlicher Straffe, die wir vnnss jrm fall der mutwilligen vbertretung fürbehaltenn." Das Stadtrecht von Franckenhausen ist beinahe wörtlich demjenigen von Greussen entnommen, ebenso auch die Vorrede. 8 „So willen, ordnen, vnd beuelhen wir demnach, das nun himfür, dise vnsere verneute Ordnung, Qesetx vnd Statuta, sampt vnd sonder, in diser Stot vnd andern vnsern Oberkeiten, gepieten, vnd Gerichten (souil deren aus vnser vergunst vnd erlaubnus, etlicher FaU halben nit andere gepreuch haben) getreulich gehalten, darauf erkennt vnd geurteilt werden soll." ' Wie oben bei der Wormser Reformation bemerkt, wurde schon i. J. 1479 eine Reformation der Stadt Nürnberg veröffentlicht, deren Vorrede die negative intertemporale Klausel enthielt, welche dann die Vorrede der Wormser Reformation wortgetreu aufnahm; ich verweise daher auf das dort Gesagte.

§ 36.

Die neuere Regel d. intert. Privatrechtes i. d. deutsch. Stadtrechten.

239

Graf zu Schwarzburg, herrühren und fast wörtlich miteinander übereinstimmen. Es sind dies die Stadtrechte von Rudolstadt, Blanckenburg und Ilm." Durch dispositives Stillschweigen wird allen dreien die Ausschließlichkeit gewährt. 1 Die Klagen, welche der Rat und die ganze Gemeinde der Stadt ihrem Landesherrn über ihre alten Statuten v. J. 1 4 8 8 vorbringen, beziehen sich auf die äußeren Mängel derselben: 2 Die Reihe der hierher gehörigen Stadtrechte schließen die „Statuta Civitatis Lauenburgi" v. 1599. In der Bestätigungsurkunde wird der neuen Rechtsordnung durch dispositives Stillschweigen die Ausschließlichkeit gewährt mit folgenden Worten: „Vnd wollen von desswegen unsern Rothe und gemeine Bürgerschafft ernstlich befohlen und auferleget haben, deroselben als eine Richtschnur nachzuleben, festiglich darob zu halten, die Überfahrer gebührlich zu straffen, und uns hierin den schuldigen gehorsam zu leisten, wie Ihr solches Gott und Uns, euren Pflichten nach schuldich und verbunden sein." Die Mängel der alten Rechtsordnung werden mit kurzen Worten in der Vorrede berührt und das Verlangen der Bürgerschaft nach einem g u t e n Polizei- und Stadtrecht hervorgehoben. 3 1 „So confirmiren, erneuern und bestettigen Wir, vor Uns, unsere Erben, vnd Nachkommen, aus Gräflicher Macht und von Obrigkeit wegen, dem Rath und ganzer Gemeine unser Stadt . . ., sammt ihren Nachkommen, obverzenchnete Articuli olle und jede hiermit, und m Krafft dieses, und wollen, dass sie vor ein beständig Recht, und Gewohnheit, dieser Stadt gehalten werden, darinnen Wir und unsere Beamten Ihnen kein Einhalt thun sollen, sondern sie zu jederzeit dabey gebührliehen schützen, und Handhaben wollen. Gebiethen auch allen unsern Unterthannen, Bürgern und Einwohnern, mehr gemelter Stadt . . . , dass sie sich solcher Statuten in allen Puncten und Artickuln bey Vermeidung unserer Ungenade, und hierinnen einverleibter Straffen, gemäss tmd gehorsammlich erzeigen tmd verhalten sollen." ' „ . . . , welche Statuten aber gesetze und gewohnheiten in solcher Zeit bis anhero in vielen Puncten in Veränderung und Gegenbraueh, etzliehe Articel auch gar in Abfall kommen wehren, darumb Sie umb Verhütung willen allerhandt Unrichtigkeit solche Ihre Statuten, Gesetze und Stadt Gewohnheiten, wie sie durch Veränderung der Zeit, anhero in andere Übung und Gebrauch gebracht, zusammen gezogen, tmd in gewisse puncte und Articel verfast hatten, . . . . " In den zwei ersten Vorreden bemerkt der Landesherr, daß er die Bestätigung gebe: „Ob nun wohl oberzeklte Statuta in letztlichen Artickuln, besonders in Suceessions Fällen, unserer Landesordmmg etzlicher massen zuwieder, weil aber dieselbigen durch einen Kegenbrauch und beständige Gewohnheit, also geruhlicher hergebracht." 8 „Und fügen euch hiermit zu wissen, Nachdem Ihr Uns umterthäniglich ersuchen umd bitten lassen, weil bei Regierung gemeltes unsers Stättleins Lattenburg allerhand Unordnung fürfallen thäte, Wir Euch gleich unsern Stättlein Ratzeburg, mit einer guten Polizey und Stadt Recht, womaeh die Verordnete Obrigkeit hieselbst xu verfahren, und marmiglich im der Burgerschafft sich zu richten hatte, aus gnaden Verfassen, mittheilen und publieiren lassen möchten.11

240

Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung.

Zweiter A b s c h n i t t .

Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung.1 § 37.

Aus der Praxis des Ingelheimer Oberhofes und des Magdeburger Schöffenstuhles.

Als Landrechtsquellen i. w. S. sind auch die landgerichtlichen Entscheidungen anzusehen.2 Wertvoll auch für das intertemporale Privatrecht sind insbesondere die Urteile und Beschlüsse des kaiserlichen Landgerichts zu Ingelheim (des Ingelheimer Oberhofes) v. 1357—1390 und 1437—1464 und des Magdeburger Schöffenstuhles aus dem 14. und 15. Jahrhundert. So enthält der Beschluß der Ingelheimer Schöffen v. 14. Juli 1442 über das beim Oberhof geltende Recht hinsichtlich der Vergabungen von seiten der Ehegatten während der Ehe die ältere intertemporale Rechtsregel. E r lautet: „Actum sabbato post Margarite so ist man überkommen: daz kein man oder frauwe gude vergiften möge eine one das ander; und waz hie vor gesehen ist, daz sal macht han und dabi bliben."3 Der Beschluß

führte also eine neue Rechtsregel ein, wonach Vergabungen von einem der beiden Ehegatten nur mit gesamter Hand gültig errichtet werden können. Die unter der älteren Rechtsregel vorgenommenen Vergabungen sollten aber auch für die Zukunft bestehen bleiben, selbst wenn sie nicht mit gesamter Hand stattgefunden hätten. Somit ist die ältere Rechtsordnung über die unter ihrer Herrschaft stattgefundenen Vergabungen auch in der Zukunft maßgebend. Aus der Praxis des Magdeburger Schöffenstuhles ist uns auch ein Urteil erhalten, das zu Gunsten der republikanischen Rechtsregel lautet: 4 Wer ein erbe adir t^inße besessen hat noch des landes alden rechte vnd gewonheyt iar vnd tag, der bleybet dorbey. Vnd ap domo eh. ein nawe recht adir sytte worde gewillekort, das sal yrn an dem aldin rechte vnd gewonheyt nicht 5u schadin komen. Geschege abir icht by dem nawen rechte, das mag man fordern vnd halden noch deme, als t%u der c^eyt gewonlich vnd recht ist. — Die unter der alten

Rechtsordnung entstandenen dinglichen Rechteverhältnisse bleiben auch fernerhin ihrer Herrschaft unterworfen. 1

Die Ergebnisse unserer Forschungen auf diesem Gebiete waren, wie nicht anders zu erwarten, ziemlich dürftig. Immerhin genügen die vorliegenden Proben, um ein Bild der intertemporalen Rechtsprechung dieser Periode zu geben. s Siehe SCHRÖDER, Rechtsgeschichte, S. 6 3 5 . 3 4

Weg,

I,

Siehe

LOERSCH,

Der Ingelheimer Oberhof, S. 495, Nr. 6.

Siehe

BÖHL AU,

Ztschr. f. Rechtegeschichte, Neunter Band, S.

73.

27.

Rechter

§ 38. Spruch des Schöffengerichtes zu Leipzig. § 38.

241

Spruch des Schöffengerichtes zu Leipzig.1

Im J . 1621 und den beiden folgenden herrschte eine unerhörte Nut und Entwertung des Geldes in Deutschland. Zu dieser Zeit nahm Hans Heinrich von Sahihausen zu Riessdorff von Moritz Haubolt von Schönberg ein Darlehen auf von 2000 Florin und wollte ihm das Darlehen noch in demselben Jahre (1623) zurückgeben. Der Gläubiger verweigerte jedoch die Annahme wegen einer bevorstehenden neuen Münzgesetzgebung. Das Bürgermeisteramt zu Rochlitz (praefectura Rochliziensis) entschied am 18. Juli 1623: „dass Moritz Haubolt von Schönberg sich mit leichter Müntz, wie ausgezehlet, auch numehr wiederumb von den von Sahihausen contentiren vnn bezahlen lassen sollteGegen diesen Bescheid wandte der Gläubiger die Leuterung ein. Während des Schwebens dieses Rechtsmittels wurde vom Kurfürst von Sachsen ein Münzedikt veröffentlicht, welches den Wert der Münze auf den früheren Zustand brachte. Es erhoben sich nun Zweifel, ob dieses Edikt auch auf die schwebende Rechtssache zu beziehen sei. Die eine Ansicht bejahte die Frage auf Grund eines Ausspruches von Angelus de Perusio, 2 wonach ein neues allgemeines Gesetz sich auch auf schwebende Streitigkeiten ausdehne, und zwar nicht nur auf den bereits erledigten Prozeß, sondern auch auf den zukünftigen Streit. Da nun das Kurfürstliche Edikt die Entwertungen des Geldes, welche seit dem Jahre 1609 eingetreten waren, hinsichtlich der Vergangenheit gestattet {in praeteritum indulget), für die Zukunft jedoch verbietet, so ordne es an, daß die Zahlung mit dem jetzt reformierten Gelde zu geschehen habe. Denn wenn ein Gesetz etwas in der Vergangenheit zulasse, es für die Zukunft jedoch verbiete, dann sei das Gesetz so aufzufassen, daß es auch für die Gegenwart verbiete. 3 I n diesem Sinne gaben Leipziger Sachverständige ein Gutachten ab im Oktober 1623. 4 1

S. M A T H . B E R L I C H I U S , Deeisiones aureae (seeundum editae, 1 6 3 3 ) , dec. 1 5 9 , nu. 1 seqq. 2 Cons. 214. 3 Siehe Jo. G A E D D . 4 „Ob ntm wohl ihr erzehlter massen Commission und citationes wider ihn den Gläubiger lange vor dem eröffneten Müntxmandat erhoben, und ausgebracht, und der Abschied ertheilet worden, sonslen auch, vermöge der allgemeinen Keyser Rechte, solche und dergleichen newe Constitutiones, Gesetze und Anordnungen, an ff diejenigen Fälle, so Zeit der Publicirung, Iis pendens seyn. und also noch unerörtert in Gerichten sehweben, nieht gezogen werden sollen; Dermoch aber und dieweil das offtangeregte Churfürstl. Müntzmandat, benantlich vff die vor diesem aussgefertigie Brieff und Siegel, wie auch auff alle und jede kiebevor gemachte und noch unbezahlte Schulden, ins gemein, und ohne Unterschied gerichtet, Darunter denn nicht unbillich auch diejenigen verbriefflen Schulden, u-elche vor Eröffnung des mehrangezogenen Müntzmandats, in Streit gexogen worden, zu desto scMeiniger Erörterung derselben gehören, Auch keine motiven und Ursachen, warumb sie diessfalls von der unstreitigen Forderung abgesondert werden sotten, der Churfl. Anordnung zuwider, beygebracht werden mag, So bleibt es auch in solchen und dergleichen streitigen Fällen bey solcher Churfl. Verordnung nochmals billich. V. Ii. W." AFFOLTER,

Intert. Privatrecht.

16

242

Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung.

Die gegenteilige Meinung stützte sich auf die c. 7 de leg. 1, 14; 1 ferner auf Aov. 82, cap. 13 und auf Nov. 113, cap. 113. Ein Gesetz finde Anwendung auf eine rechtshängige Sache nur, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist. 2 Um so mehr finde ein neues Gesetz auf einen beendigten Rechtsstreit keine Anwendung, wenn auch Berufung eingelegt wird.3 Selbst wenn das neue Gesetz ausdrücklich sage, daß es bei schwebenden Sachen angewandt werden solle, so finde es trotzdem keine Anwendung auf Sachen, die in der Berufungsinstanz schweben.4 Dieser Ansicht trat das Schöffengericht zu Leipzig in seinem Urteil v. 11. Febr. 1625 bei, worin es den früheren Bescheid bestätigte: „Dass es, eingewanter Leuterung ungedacht, bei dem am 8. Julii des abgewichenen 1623. Jahres ertheilten Abschiede allenthalben nochmals billich verbleibet. F. R. W « 6

§ 39.

Intertemporale Urteile des Kollegiums der juristischen Fakultäten zu Jena und zu Leipzig.6

Es handelt sich bei den jenensischen Urteilen um die intertemporale Frage, ob bei Streitigkeiten über die gesetzliche Erbfolge dasjenige Recht zur Anwendung gelange, welches zur Zeit der Erhebung des Prozesses in Geltung ist oder das, welches zur Zeit des Todes des Erblassers in Kraft war. Ein Urteil vom November 1678 wird uns von MÜHLPFORT (LYNCKER) auszugsweise mitgeteilt: „Hans Heinrich Beyers zu Jena ibi: Ob nun wohl ausser Zweiffei, dass vermöge der alten Statuten die Mutter der verstorbenen Tochter Antheil vor sich nicht nehmen noch ziehen kann, sondern zur gantzen Erbschafft werffen und einbringen muss, ihr auch aus solchen ein ius quaesitum erlanget, welches durch die neuen euch weder genommen, noch solche auf die casus praeteritos gezogen werden können etc." Ein zweites Urteil ist vom 19. Sept. 1679, das er uns ausführlicher überliefert.7 1

Vgl. A N D R . GAILL, lib. 2, Abs. 9, nu. 3 seqq. So nach c. 7 eit. und nach fr. 12 si quis caut. 2, 11. 3 Siehe CUIACIÜS zur Nov. 1 1 3 . * Angelus de Perusio zur Nov. 113, cons. 214, nu. 2. 6 Das Urteil des Schöffengerichtes zu Leipzig ist intertemporal vollständig zutreffend. Das Geld besitzt die Eigenschaft der legalen Wertkonstanz; vgl. K N I E S , Geld, 1. Aufl., S. 3 9 6 u. fg. S. auch unten § 4 6 (LYNCKER) Thes. X I I . 6 Siehe MÜHLPFORT, de vi legis in praeteritum; Jh. 2 8 und Th. 3 7 , vgl. unten §§ 47 und 48. 7 „Ob nicht nach denen Statutis Brunsvicensibus, die tempore mortis et existentis successionis in vigore gewesen, non attenta constitutione Serenissimi, der maritus pro haerede mobiliari zuerkennen sei? Wiewohl nun (T) eine neue Constitution ad praeteritos casus durch ausdrückliche Verordnung gezogen werden kann. Auch (2.) die F. Constitution gedencket, dass wann in voriger Zeit, als nemlich vor An. 1675 da das S. Recht in B. noch im Schwange gewesen, von denen Urtheln 2

§ 39.

Intert. Urteile d. Kollegiums d. jurist. Fakultäten zu Jena u. Leipzig.

243

Beide Urteile sind vom intertemporalen Standpunkte aus untadelhaft; beide besagen, daß die Erbrechtsordnung zur Zeit des Todes des Erblassers für die gesetzliche Erbfolge entscheidend ist und nicht die zur Zeit der Erhebung der Erbschaftsklage. der Stadtgerichte nach W. appeüiret worden, man daselbst nicht nach dem S. Recht, •mmal solches sehon vorlängst in dem Fürstentimm B. und L. aufgehoben, sondern nach denen dergestalt in dem Fürstenthum reeipirten Keys. Rechten gesprochen, und dahero unter denen F. und denen Stadtgerichten eine schädliche discrepanx gehegt worden sey. Dennoch aber und dieweil ( / ) die regula in contrarium gehet, quod lex futuris negotiis formam det. Also dass wofern ad praeteritos casus sich eine neue Constitution ausdrücklich referiret, alsdcmn. dergleichen Relation allerdings stricte zunehmen. ut quam minimum a regula iUa reddatur, und aber sich die F. neue Constitution deutlieh explieiret, dass es xwar bey denen nach S. Reckt und der Stadt Br. ausgesprochenen Statuten und vor publicirung dieses Edictes albereit durch würckliche Exekution vollstreckten Urtheilen allerdings zulassen, und selbige keines weges zu retractiren, hinführo aber die gemeine Reichs-Rechte und La/ndesConstitutionen beobachtet werden sotten, So ist daraus %u schliessen, dass die arvnoch rechtshängig oder xwar beurtheilete, aber doch per remedia appellationis und dergleichen suspendirte Sachen, keines weges, aber was vorhero niemals in Streit gezogen, oder auch durch gütliche Wege hingeleget und verglichen worden, sub casibus Ulis praeteritis zuverstehen seye. So wenig als dafür zuhalten, dass die in R. A. 1654 §. anreichend die künftige etc. inserirte Exception der vollzogenen. Urtheilen und vollführten Exceptionen auf diejenige casus zuziehen, welche dwreh Vergleiche oder Befriedigung der Creditoren ihre Endschafft erreichet oder rechtsschwebende Sachen, per illam Constitutionem dijudicentur. Hierxu kommet femer dieses, dass in successions-Fällen auf diejenigen Jura zusehen, welche Zeit des Todesfalls dessen, dem suecediret werden soll, ifi Übung und Observanz gewesen, ungeachtet, dass etwa hernach ein widriges Recht oder Statutum eingeführet seyn möchte. Ingleichen, dass in lucro dotis iederxeit auf das Statutum oder diejenigen Rechte zusehen, quae tempore contracti matrimonii obtinuere, non quae deinde subsecuta sunt. Ist nun aber vermöge Beylage B der Gebrauch der Stadt B so nicht nur zur Zeit des zwischen Canoso und Pacata getroffenen matrimonii, sondern nach der Zeit, auch tempore soluti, und fürters im Jahr 1665 bisx an. 75 erectae novae Constitutionis in Gebrauch gewesen, dass der Mann der Frauen, so ferne keine wiedrige Verordnung geschehen, in ihren beweglichen Gütern nechster Erbe seyn mögen, ut in sententia illa Dahlens contra Niemanns in contradictorio obtinuit, et deineeps eadem sententia multis prajudieüs roborata et instar Sanctionis pragmaticae habita est; wie wenn aueh daselbst austrücklieh gemeldet wird, dass diese Gewohnheit aus denen S. Rechten herfliesse, und die nechste 200 Jahr mit unxehlichen präjudieiis bestärcket worden; über dieses die neue Constitution expresse besaget, dass die Sächsischen Rechte biss dahin in der Stadt B. obtiniret. So muss es auch billig bey demjenigen verbleiben, was vor der neuen F. Constitution nach den S. Recht erörtert oder auser Streit gelassen worden: Hai aueh nichts zubedeutm, wann schon Belviso vorwenden wollen, ob habe er dem Canoso, nach dessen Frauen des Todes Belviso Mutter, oder der Cludiae Schwester erfolgtem dureh einige Leute über dieser Sache zureden lassen, aber nichts ausgerichtet, auch darauf Canosus selbst in A. 1671 verstorben, da denn er Belviso abermal wieder das vom Canoso aufgerichtete Testament, dieweil in solchem er Canosus von denjenigen mobilien, so 15r von der Frauen vor die Seinige gehatten, disponiret, sieh testato per protestationem geleget, wie nicht weniger des Canosi Successorem in der Güte xugewinnen gesucht: also dass dieser Fall strittig gewesen, und noch nie per conventionem oder sententiam erörtert worden. Nam ( / ) de causis in Ute pendentibus nova eonstitutio disponuni. 16*

244

Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung.

Ein drittes Urteil aus d. J . 1681 rührt von der juristischen Fakultät zu Leipzig her. Im Jahre 1660 1 verweigerten Bauern im Kurfürstentum Sachsen ihrem Grundherrn gewisse Frohndienste, indem sie behaupteten, daß sie die Frohndienste „nur allein zu denen Wohngebäuden des Rittersitzes, nicht aber zu denen bey dem Rittersitze befindlichen Forwergen und andern Gebäuden" schulden. Es kam zum Prozeß und es wurde zu Gunsten der Bauern entschieden, mit der Maßgabe jedoch, daß es dem Beklagten unbenommen sei, zu'beweisen, daß die Kläger zu den streitigen Frohndiensten verpflichtet seien. Der Grundherr versäumte den Beweistermin und die Bauern erhoben keinen gehörigen Kontumazialantrag. Inzwischen wurde eine neue decisio electoralis 33 erlassen, wodurch im ganzen Kurfürstentum den Bauern die s t r i t t i g e n Frohndienste auferlegt wurden. Der Grundherr setzte auf diese neue Rechtsordnung sein ganzes Vertrauen und verklagte die Bauern auf Leistung der Frohndienste. Die Bauern ervviederten unter anderem, daß die Kurfürstliche Konstitution dem Grundherrn nicht zu gute käme, da ja der Streit nicht mehr rechtshängig, sondern entschieden sei, indem er den mit dem Urteil verbundenen Beweistermin versäumt habe. Deshalb habe er den Prozeß ipso iure verloren. Der Grundherr replizierte, daß vom Anwalt der Bauern kein Kontumazialantrag gestellt worden sei. Die Bauern wurden infolgedessen zu den Frohndiensten verurteilt; sie legten Berufung ein, aber ohne Erfolg. Die juristische Fakultät zu Leipzig wies die Kläger ab und bestätigte das erste Urteil. Der Bescheid lautet folgendermaßen: „Auf eingewendete Appellation, derselben Justification, und ferner einbringen Syndicen der Gemeinde JV. N. N. Kläger und Appellanten an einem, Hieronymi 4Dietrichs V. d. z. Q. Beklagten und Appellaten am andern Teil, so uns samt denen vorigen Acten zugeschicket, dass die eingeicendete Appellation At vero non pendet lis sine judicio (2) vaga sunt ilia, quae Belviso narrat, nee super quo et quatenus dubium moverit Canoso, constat, cum nil plane probet, quod praetendit (3). Meliore iure non utitur, quam mater ejus Cludia, cujus factum praestare tenetur.' Diese aber hat dasjenige, was der Canosus von denen mobilien nicht sowol vermöge der pactorum dotalium, so an sich nichtig, ah vielmehr aus gutem Willen, oder weil dasselbe die Gewohnheit der Stadt Br. ohne dem vermocht, ihr zugeschicket, ohne Weigerung zu Danck angenommen. Et transiit igitur negotium ex bona fide et amicabiliter, adeo ut licet indefinite ad praeteritas causas nova emstitutio se referret, tarnen nequidem ad illas, quae nunquam diseeptate fuerunt, aut quae transactions sopitae sunt, pertinere posset (4). Non videndwn est, an contenderit Belviso, sed an contendere potuerit. Indem die Statuten klar •und unwider sprechlieh, ut a limine judicii Belviso, si ingressus illud fuisset, repelli potuisset. Anderer gestalt icürden alle diejenige, so etwa contra fas et bonam fidem, bey noch wehrendem Sachsen Recht, ohm dass sie sich zu Gericht zugehen unterstanden, etwa differentien gemacht, nunmehro sich des eingeführten gemeinen Rechtens bedienen können, de quo tarnen tum temporis Belviso cogitare non potuit, nec salva aequitate in eo iure nunc quidem se fundare potest, de quo sub illud tempus, ubi de iure quaerendum erat, in ore aut animis judicum aut civium urbis Br. quAdquam non versabatur etc. 1 Siehe a. a. 0., Th. 37.

§ 40. Intertemporale Urteile der juristischen Fakultät zu Wittenberg.

245

in ihren Formalien beständig, und zu gebührender Erörterung an die F. S. Regierung etc. erwachsen, der materialien halber erscheinet aus denen Acten allenthalben so viel, dass in erster Instantz wohl gesprochen, übel davon appelliret, und die Sache an vorigen Richter zu verweisen, jedoch werden Appellanten mit denen Baudiensten an den Orten, so nicht zum Lehnguth gehörig, billig verschonet. V. R. W'.1

§ 40.

Intertemporale Urteile der juristischen Fakultät zu Wittenberg.2

Das eine Urteil ist vom Juli 1709 und enthält eine einfache Anwendung der älteren intertemporalen Rechtsregel. Dasselbe lautet: „Verlanget ihr zu wissen, ob ihr die anno 1619 von eurem Guth veräuserte und an B. L. verkaufte Wiese von dem jetzigen Besitzer D. R. wieder zu fordern berechtigt seyd. Wenn ihr nun gleich zu eurem Behuf 2 Königliche Rescripta, in welchen denen Inhabern der Bauer-Güther die davon vereinzelten Stücke wieder einzulösen vergönnet wird, anführet; Dennoch aber und dieweil diese Rescripta sich lediglich auf das vom 25. April 1623 in die Churfl. Aemter ergangene Mandat, in welchem die BauerGüther zu vereinzeln verboten wird, gründen, die Veräuserung aber der streitigen Wiese bereits anno 1619 und also einige Jahre zuvor, ehe das Verbot 1623 ergangen, geschehen; folglich dieses Landes Gesetze auf solchen actum praeteritum nicht zu erstrecken ist, so ist D. R. die von eurem. Guth veräuserte Wiese euch abzutreten nicht schuldig." Das andere Urteil bezieht sich auf die Frage, ob ein Privileg rückwirkende Kraft habe oder nicht. Eine Handwerksinnung wurde neu begründet und erlangte vom Fürsten das Privileg, daß niemand in der Stadt außer den Mitgliedern der Zunft das Knopfmachergewerbe derselben treiben dürfe. Die Innung nahm auch das Recht in Anspruch, denjenigen Bürgern, die schon lange vor Erlaß des Privilegs das Knopfmachen betrieben, die weitere Ausübung desselben zu verbieten. Es kam zur Klage. Das erste Urteil lautete zu gunsten der Zunft. Die Gründe waren folgende: Die allgemein gefaßten Worte des Privilegs verbieten allen Anderen die Ausübung des Kunsthandwerkes. Ferner müßten die Benefizien des Fürsten möglichst weit interpretiert werden. Vgl. fr. 3 de const. princ. 1, 4. Endlich liege es im Interesse des Gemeinwohls, "daß ein Handwerk nur von denjenigen getrieben werde, welche ihre Kenntnis desselben in dieser Zunft dargethan hätten. In der Berufungsinstanz entschied jedoch die juristische Fakultät zu Wittenberg im Nov. 1

Daß diese vorliegende Entscheidung nicht ganz den intertemporalen Grundsätzen entspricht, werde ich unten im § 47 bei der Beurteilung des Werkes von C H . H . MÜHLPFORDT (LYNCKER) darlegen. 2 Mitgeteilt von AUGUSTINUS LF.YSER in seinen „meditationcs ad Pandectas, vol. I, spee. VII, med. V.

246

Das intertemporale Recht in der Rechtsprechung.

1711 gegen die Zunft. Sie nahm an, daß die c. 7 de leg. 1, 14 sieb nicht nur auf allgemeine Gesetze, sondern auch auf constitutiones personales bezöge. Außerdem dürfen Konzessionen und Privilegien demjenigen, der schon früher das Recht hatte, keinen Schaden zufügen. 1 Endlich erklärt sich die Fakultät gegen den Zunftzwang, indem sie auf Belgien hinweist, wo infolge der Gewerbefreiheit die Handwerke in hoher Blüte ständen. Die Worte des Urteils lauten folgendermaßen: „Der Klägere Suchen gehet dahin, dass erkannt werden möchte, es wäre Beklagte sich des Knopfmachens gar zu enthalten schuldig. Ob nun wol die von dem Knopfmacher-Handwerk aufgesetzte, und von der Stifts-Reqierung sede vacante approbirte Innungs-Artikel deutlich, dass kein Pfuscher sollte geduldet werden in sich begriffen; Alldieweil aber die Approbation der Innungs-Artikel erst am 30. Becember 1705 erfolget, Beklagtens principalen hingegen, wie die abgehörten Zeugen aussagen, und Klügere selbst nicht leugnen können, bereits einige Jahre vorher, ehe das KnopfmacherHandwerck aufgerichtet worden und die Approbation geschehen, das Knopfmachen getrieben, folglich die nacligehends gegebenen Statuta und Privilegia auf selbige nicht zu erstrecken seynd, sondern lediglich diejenigen, so nach der Zeit sich des Knopfmachens anmassen wollen, angehen; So haben icir der Klügere Suchen abgewiesen." Die Gründe LEYSEBS, mit denen er die Entscheidung der Wittenbergischen Fakultät verteidigte, fanden bei seinen Zeitgenossen nicht überall Zustimmung, ein Beweis dafür, wie wenig das intertemporale Rechtsgefühl in damaliger Zeit geschult war. HABTLEBEN 2 stimmte dem Urteil erster Instanz bei, indem er behauptete, es liege keine Rückwirkung des Privilegs vor, wenn blos die A u s ü b u n g des Handwerks für die Zukunft verboten werde. 3 Jo. EBN. MÜLLEE dagegen nahm die Gründe 4 LEYSERS gegen die Einwürfe HAETLEBENS in Schutz. HABTLEBEN hebt hervor, daß oft die Thatbestände vor dem neuen Gesetz ihrem Dasein nach perfekt sind, die Consummation dagegen erst nach dem neuen Gesetz erfolge; oft gehöre ein Thatbestand seinem Wesen nach der Vergangenheit an und doch empfange er seine Ergänzung von einem weiteren Thatbestand, actus extensivus, so daß er zum Teil zu den negotia praeterita, zum Teil zu den futura gehöre; z. B. das Zinsversprechen, welches in Bezug auf bereits fällige oder gezahlte Zinsen zu den Thatbeständen der "Vergangenheit, in Bezug auf die noch nicht fälligen zukünftig zu zahlenden Zinsen zu den Thatbeständen der Zukunft zu rechnen sei.5 MÜLLEE dagegen stützt sich auf den auch von HABT1 Vgl. c. 7 de pree. 1, 19 und e. 4 de emane, lib. 8, 48. Siehe auch ZIEQLER de iur. mal., lib. 2, e. 15, § 43. 2 FRANZ JOS. HARTLEBEN, Novae medüationes ad Digesta, 1778. 3 Ähnliche Ansichten äußerten, wie bereits früher bemerkt, auch Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, wie BOECKING, SCHEURL U. a. m. S. oben § 9, S. 67. 4 Observationum practicarían ad Leyseri meditation. 1786, t. 1, obs. 15. 3 Über die im 17. Jahrh. herrschende Lehre von den Thatbeständen der Vergangenheit s. unten 3. Abschn., §§ 47 und 48, LYNCKER, Thesis Y folg. HART-

§41.

Im Allgemeinen.

247

zugegebenen Satz, daß oft ein zukünftiger Thatbestand mit dem vergangenen in einem untrennbaren Zusammenhange stehe, derart, daß er als ein und derselbe anzusehen sei. Dies sei der Fall bei dem von L E Y S E B entschiedenen Streite. — U . E. liegt hier überhaupt keine intertemporale Rechtsfrage vor, indem die Erteilung eines Privilegs i. e. S. kein Gesetz im materiellen Sinne des Wortes ist, sondern ein öffentlicher Willensthatbestand. 1 Dagegen ist zuzugeben, daß die intertemporalen Grundsätze analog auf die Privilegien auszudehnen sind, wodurch das Urteil der Wittenbergischen Fakultät vollständig gerechtfertigt wird. Denn daß Rückwirkung auch dann vorliegt, wenn die subjektiven Erscheinungen eines Thatbestandes der Vergangenheit, die unter die Herrschaft der neuen Rechtsordnung fallen, von dieser ergriffen werden, haben wir bereits früher nachgewiesen. 2 Jedoch ist zu bemerken, daß auch bei analoger Ausdehnung die Entscheidung dieser Frage nicht zum intertemporalen P r i v a t r e c h t gehört, sondern zum Verwaltungsrecht; denn die Gewerbeordnung und um diese Rechtsordnung handelt es sich hier, ist öffentlichrechtlicher Natur. LEBEN

Dritter Abschnitt.

Das intertemporale Privatrecht in der Litteratur vom Corpus iuris civilis bis auf den Code civil. § 41.

Im Allgemeinen.

Während die Glossatoren und Postglossatoren dem internationalen Privatrechte eine verhältnismäßig rege Pflege angedeihen ließen und auch> manchen neuen Gedanken schöpferisch dafür zu verwerten vermochten, 3 so läßt sich insbesondere das letztere von ihnen für das intertemporale Privatrecht nicht in dem Maße behaupten. Der einzige neue Gedanke, der Grundsatz der wohlerworbenen Rechte, war mit Leichtigkeit aus dem römischen intertemporalen Privatrechte abzuleiten, 4 während das römische leben stimmt damit vollständig überein, sogar in den Ausdrücken: factum perfeetum, factum eonsummatum, actus extensivus. 1 S. oben § 5, S. 30 fg. und § 1, S. 54 fg. und II. Ruch, 1. Kap.: Der Thatbestand. 8 S. oben § 9, S. 64 fg. * S. Meili, a. a. 0 . * So z. B. aus der c. 65 de deeurionibus 10, 31 von Anastasius, wo er das Hauptgewicht darauf legt, daß das beneficium ante per illustrem administrationem peractam adquisitum est. Insbesondere aber bot die Ausnahmeklausel der neueren Eechtsregel die materielle Unterlage für die Lehre von den wohlerworbenen Rechten; s. oben § 31, S. 175.

248

Das intert. Privatrecht vom Corpus iuris

bis auf den Code civil.

Recht für das internationale Recht keine oder nur geringe Handhabe bot. 1 Wenn auch die Lehre von den wohlerworbenen Rechten mehr Verwirrung als Erleuchtung in das intertemporale Privatrecht brachte, so ist sie für seine Belebung und Weiterentwickelung auch in der Neuzeit von größter Bedeutung und es ist daher von hohem wissenschaftlichem Werte, die Quellen dieser Lehre aufzusuchen, um sie einer gründlichen Beurteilung zu unterwerfen. Es fehlt bis jetzt in der Litteratur an einer eingehenden geschichtlichen Darstellung der intertemporalen Privatrechtswissenschaft; ist ja die Wissenschaft selbst noch in den Kinderschuhen. Sie stößt auch auf ungeahnte Hindernisse; nur mühselig dringt der Forscher in den von Abkürzungen wimmelnden gedruckten Werken des Mittelalters vor, u m schließlich im Dickicht von ungegliederten intertemporalen Erörterungen auf einige Schriftsteller zu stoßen, welche wenigstens den Versuch machen, in s y s t e m a t i s c h e r Weise die Ergebnisse der intertemporalen Untersuchungen ihrer Zeitgenossen und ihrer eigenen darzustellen. Auf das 13. und 14. Jahrh. entfallen zwei namhafte Schriftsteller, deren Namen für die Wissenschaft des intertemporalen Privatrechtes aufb e w a h r t z u w e r d e n v e r d i e n e n : JACOBUS DE BELVISO 2 u n d CYNUS ; 3 j e d o c h

lassen ihre Schriften eine wirklich planmäßige und erschöpfende Darstellung des intertemporalen Privatrechtes noch vermissen. I m H . J a h r hundert ragen die beiden großen Postglossatoren BARTOLUS (1314 [?] bis 1357) und BALDUS (1327 [?] bis 1400) auch mit ihren Leistungen für das intertemporale Privatrecht hervor, die aber ihrer Natur nach exegetisch und nicht systematisch sind. Nach ihnen sind unter vielen, weniger bed e u t e n d e n S c h r i f t s t e l l e r n PAULUS DE CASTRO (gest. 1 4 2 0 ) u n d die b e i d e n DE IMOLA (JOHANNES, gest. 1 4 3 6 u n d ALEXANDER TARTAGNUS, gest. 1 4 7 7 )

beide Dekretalisten, zu nennen; ihre intertemporalen Arbeiten entbehren gleichfalls des systematischen Charakters. — Der erste, der den Versuch machte, in seiner Darstellung des intertemporalen Rechtes anläßlich seiner Exegese von c. 13 X. de const. 1, 2 den ganzen vorhandenen Stoff zu b e w ä l t i g e n , u n d in ein g e w i s s e s S y s t e m zu b r i n g e n , ist FELLINUS SANDAEUS

1 S. Einleitung § 3, S. 14. • Eine kurze Ubersicht der einschlägigen Schrift von JAC. DE BELVISO giebt GTÖPPERT, a. a. 0 . , S. 5 und 6, die jedoch nicht imstande ist, eine richtige Vorstellung von der Leistung des hervorragenden Schriftstellers zu erwecken. Diese Lücke in der Litteratur sucht der erste Unterabschnitt auszufüllen. Durch die Darstellung der Arbeit des J. de Belviso kommt die höchste Blüte der intertemporalen Litteratur des 13. und 14. Jahrhunderts zum Ausdruck. Belviso überragt seine Zeitgenossen um Haupteslänge; auch ist in seiner Schrift das Streben nach systematischer Darstellung nicht zu verkennen. Wir können daher füglich von Darstellung und Beurteilung der intertemporalen Schriften seiner Zeitgenossen, selbst eines Cynus absehen, um ein zutreffendes Bild von der intertemporalen Wissenschaft des 14. Jahrhunderts zu erhalten. Doch werden wir unten im 3. Kap., III. Abschnitt auf Cynus Pistoriensis zurückkommen. 3 Beide sind in demselben Jahre 1270 geboren; ersterer starb 1335, letzterer 1334.

§ 42.

Darstellung der intertemporalen Abhandlung.

249

^1444—1503). 1 Für die Wiederspiegelung der intertemporalen Litteratur des 15. und 16. Jahrhunderts genügt vollständig eine Darstellung und Beurteilung seiner Arbeit, 2 u m so mehr, als in ihr die Fäden sämtlicher Vorarbeiten der intertemporalrechtlichen Schriftsteller dieser Periode zusammenlaufen, 3 und sie daher ein getreues Litteraturbild des intertemporalen Privatrechtes, insbesondere des 15. Jahrhunderts darbietet. Als den bedeutendsten intertemporalrechtlichen Schriftsteller unter seinen Zeitgenossen ist PANOEMITANTJS ZU bezeichnen. Die Litteratur nach FELLINUS bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts ist von keiner großen Bedeutung und übertrifft kaum in einer Beziehung sein Werk. Von monographischen Darstellungen kommen nur Inauguraldissertationen in Betracht. Aus dem 17. Jahrhundert ist die Abhandlung von LYNCKEB die bedeutendste, der wir eine Untersuchung und Beurteilung widmen wollen, mit Heranziehung der von ihm genannten •einschlägigen Arbeiten. 4 Aus dem 18. Jahrhundert soll dann die von HENNE zur Darstellung gelangen. 5

I. § 42.

JACOBUS DE BEL VISO.

Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung. 6

In seiner Schrift, betitelt: ., Utriusque iuris famosissimi monarche Jacobi de belviso acutissimi legum interpretis aurea lectura summo labore et Pigili studio castegata summas autenticorum consuetudinesque et usus feudorum elucidans"7 gelangt er bei coli. V I I I , t. 12 (¿Vou. 115) 1

Es wird überall FELINUS geschrieben; er selbst hat sich aber in seinen Büchern mit eigener Hand immer FELLINUS genannt. S . SCHULTE, Gesch. d. kan. Rechts, Bd. I I , S . 3 5 0 , Anm. Sein voller Name lautet FELLINUS MARIA SANDAEUS. 2 S. unten II. Unterabschnitt. 3 FELLINUS hebt am Schlüsse seines Werkes hervor, mit welchem Fleiße er die Meinungen der Gelehrten gesammelt habe, und daß ihm wohl in der Anordnung und getreuen Wiedergabe derselben kaum ein Irrtum unterlaufen sei. Seine reiche Bibliothek bot ihm übrigens die Mittel zu einer derartigen Arbeit. Auch seine sonstigen Werke zeigen einen wahren Schatz von gesammelten Meinungen und Notizen. S. auch SCHULTE, a. a. 0., S . 351. * S. unten III. Unterabschnitt. 5 S. unten IV. Unterabschnitt. 8 Geb. 1270 in Bologna, gest. 1335. S. hierzu SCHULTE, a. a. 0., S. 233. Die Schwierigkeiten einer Darstellung eines im 16. Jahrhundert gedruckten lateinischen Schriftwerkes bestehen zunächst in der Überwindung einer Art lateinischer Kurzschrift; dann in der eigenartigen Anführung der Quellenstellen und endlich in den abbreviaturae doctorum et liberorum; s. unten § 44. Die ersten beiden stellten sich auch bei der Darstellung obiger Abhandlung in den Weg; die letztere nicht, weil J. de B. keine Namen von anderen Schriftstellern anführt. 7 Am Schlüsse des fol. 106, col. II, steht: „Explicit leeturci doniini Jacobi •de Belviso doctoris eximii super corpore autenticorum et super usibus feudorum."'

250

Jacobus de Belviso.

ut cum de appellatione cognoscitur, praef. cap. 1 1 zur älteren intertemporalen Rechtsregel. Er bearbeitet dieselben in drei Fragen. Erstens, ob Gewohnheitsrecht oder Statut die- rechtshängigen Thatbestände der Vergangenheit ergreifen, wenn sie eine ausdrückliche Bestimmung nicht enthalten und für den Fall der Bejahung, auf welche rechtshängigen Sachen sie sich beziehen dürfen. Zweitens, wenn in einer constitutio oder in einem statutum ausdrücklich gesagt ist, daß sie statthaben auf Thatbestände der Vergangenheit und der Zukunft, ob sie sich dann auf a l l e Thatbestände der Vergangenheit erstrecken und im Falle der Verneinung auf welche Thatbestände. Drittens, wenn in einer constitutio oder in einem statutum nach einer Eeihe von Kapiteln die Worte vorkommen, daß sie sowohl platz greifen für die rechtshängigen Sachen der Vergangenheit als auch für die Thatbestände der Zukunft und nach diesen Worten andere Kapitel folgen, die mit dem Ausdruck „item" beginnen („sub conditione Item"), ob dann auch diese auf die Thatbestände der Vergangenheit rechtmäßiger Weise gezogen werden dürfen. In der ersten quaestio werden zunächst dreizehn Gründe dafür angeführt, daß die neue Rechtsordnung die schwebenden Rechtsverhältnisse der Vergangenheit ergreife. 3 Impresso, lugduni per magistrum Jaeobum Sachon. anno domini 1511 die 18. mensis novembris."' 1 fol. 62, col. I. 2 Erstens beziehen sich die Gesetze der Institutionen, Digesten und des Kodex auf die schwebenden Rechtsverhältnisse der Vergangenheit. So nach c. 2 § 23 de vet. iur. enucl. 1, 17. Daher müsse sich j e d e Konstitution und j e d e s Gesetz auf die schwebenden Rechtsverhältnisse beziehen. Zweitens verordnet ein Gesetz immer nur dasjenige, was gerecht ist: daher muß seine Anordnung als eine, gerechte angewandt werden; so nach fr. 1 pr. de iust. et iure 1, 1 und fr. 1, fr. 2 und fr. 3 de legibus 1, 3. Da nun jene Gesetze auf die schwebenden Rechtsverhältnisse statthaben, so muß jede Konstitution und jedes Gesetz, welches bei ähnlichen Fällen sich über die Materie in ähnlicher Weise ausdrückt, auf die schwebenden Rechtsverhältnisse angewandt werden. So nach fr. 12 de legibus 1, 3. Denn im Gesetze Hegt die Gerechtigkeit So in der Auth. 8 (Nov. 8) § itaque\ vgl. ferner noch fr. 1 und 10 § 2 de iust 1, 1; fr. 2 de legib. 1, 3; e. 1 § 1 de vet. iur. 1, 17. Wenn daher jene Gesetze ihre Gerechtigkeit und Vernünftigkeit auf die schwebenden Rechtsverhältnisse anwenden, so muß sich infolgedessen jede Konstitution und jedes Gesetz auf die schwebenden Rechtsverhältnisse der Vergangenheit beziehen. Drittens, nur dasjenige Rechtsverhältnis ist in der Schwebe, was nicht Sein, Vollendung und Wirkung besitzt; wir urteilen entweder über den Ursprung desselben oder über seine Beendigung. Handelt es sich um seinen Ursprung, so ist es als neues zu betrachten. Was die Beendigung anbetrifft, vgl. fr. 3 § 2 de iure fisei 49, 14 (et plaeuit exitum esse speetandum); also kommt es auf den Zeitpunkt der Beendigung des Rechtsverhältnisses an; vgl. noch fr. 10, § 6 de in rem verso 15, 3. Daher muß die neue Rechtsordnung mit rechtlicher Notwendigkeit auf die schwebenden Rechtsverhältnisse bezogen werden, da ja die Prozesse die B e e n d i g u n g herbeiführen sollen. Der vierte Grund stützt sich auf fr. 26, verbunden mit fr. 28 de kg. 1, 3 und c. 2 § 23 de vet. iure enucl. (1, 17). Wenn nämlich ein neues Gesetz sich unbestimmt und allgemein ausspricht, so ergreift es auch das alte, bestimmt und besondert sich ausdrückende Gesetz. Fünf-

§ 42.

Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung.

251

Im zweiten Teil der ersten quaestio folgen nun neunzehn Gründe dafür, daß sich die neue Rechtsordnung nicht auf die rechtshängigen Sachen erstrecke.1 tens: so oft die schwebenden Rechtsverhältnisse zwar ihren Ursprung, aber noch nicht ihre formelle Vollendung haben, muß aus Billigkeitsrücksichten die neue Rechtsordnung sich auf sie beziehen; nach c. 17 § 1 de fiele instrum. 4, 21 Sechstens: so oft in Ansehung eines schwebenden Rechtsverhältnisses nach dem Erlaß des neuen Gesetzes ein neuer Thatbestand sich ereignet, so fordert es die Billigkeit, daß es auf jenen Thatbestand angewandt werde; Auth. 8 eit. § fin. (eap. 14); Auth. scriptum, exemplar = Nov. 8 iusiurandum (Ausgabe von S C H Ö L L , p. 89); Auth. 134 (Nov. 123) § fm. {eap. 44). Siebentens: so oft aus einem Thatbestande der Vergangenheit dem schwebenden Rechtsverhältnis etwas Unbilliges erwachsen kann, was durch die neue Rechtsordnung beseitigt würde, dann ist es billig, daß sie sich auf die schwebenden Rechtsverhältnisse bezieht; vgl. e. 27 de usuris 4, 32 und die Auth. 12 (Nov. 12) eap. 3 und e. 3 de paet. pign. 8, 34. Achtens: so oft es sich um eine günstige Bestimmung, sei es für die Kirche, sei es für die Frauen, sei es für die Kinder, oder endlich für die Ehe handelt, so bezieht sich die neue Rechtsordnung auf die rechtshängigen Sachen auf Grund einer ausdrücklichen Anordnung des alten Gesetzes, damit sich die große Gunst des neuen Gesetzes offenbare; vgl. o.e. 23, 24 und 25 de saeros. eeel. 1, 2; e. 21 i. f . ad Sc. Veit. 4, 29; c.e. 5, 6 und 9 § 6 de nat. lib. Neuntens: dasjenige Recht, welches vom ius commune abweicht, muß, wenn möglich, auf das ius commune zurückgeführt werden; denn es besteht die Aufgabe, die Rechtssätze mit dem Rechte in Einklang zu bringen; vgl. c. 1 de inoff. don. 3, 29; c. 8 X. de consuct. 1, 4; c. 2 de noxal. action. 3, 41; c. 3 de testam. milit. 6, 21. Daher soll sich die neue Rechtsordnung auf derartige rechtshängige Sachen beziehen. Zehntens: wenn es sich um eine Unbilligkeit der alten Rechtsordnung handelt, welche die neue beseitigt, dann soll sie sich auf die rechtshängigen Sachen erstrecken; vgl. Auth. 110 (Nov. 113) eap. 2. Elftens: so oft die rechtshängigen Sachen noch einer Ergänzung zu ihrer Sicherstellung bedürfen, und die neue Rechtsordnung in ähnlichen Fällen die Sicherstellung vorgesehen hat, dann fallen sie ihr anheim; so c. 1 de rei nxor. aet. 5 13. Zwölftens: bei noch schwebenden Verjährungen findet die neue Rechtsordnung Anwendung; vgl. Auth. 9 {Nov. 9) § 5; Auth. 98 (Nov. 100) eap. 2 i. fi. Dreizehntens: überall da, wo die neue Rechtsordnung iuris naturalis ist, erstreckt sie sich auf die rechtshängigen Sachen; vgl. c. 5 X. de usuris 5, 19. 1 Erstens: regelmäßig erstreckt sich das Gesetz nicht auf die Thatbestände der Vergangenheit, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet wird. Die Ausnahme besiegt die Regel nur im Ausnahmefall, jedoch in den nicht ausgenommenen Fällen bestätigt und unterstützt sie die Regel; vgl. c. 7 de legib. 1, 14; Auth. 7 (Nov. 7) eap. 2; Auth. 41 (Nov. 39) praef. Zweitens: wenn der Grund und die Ursache eines Gesetzes hinwegfällt, so muß auch das Gesetz kraftlos werden; vgl. fr. 6 § 2 de iure patr. 37, 14; fr. 2 § 7 de donat. 39, 5. Es steht aber fest, daß die Gesetze sich auf die rechtshängigen Sachen nur erstrecken, wenn es ausdrücklich gesagt ist; s. e. 1 de leg. cit.\ e. 2 § 23 de iur. vet. enucl. cit. Daher bezieht sich die neue Rechtsordnung nicht auf die rechtshängigen Sachen, wenn es nicht ausdrücklich gesagt war. Drittens: so oft ausdrückliche Worte gefordert werden, kann Stillschweigen nichts nützen; vgl. fr. 195 de r. i. 50, 17; fr. 52 de eondie. et demonstr. 35, 1. Viertens: so oft eine besondere Bestimmung notwendig ist, so genügt eine allgemein gehaltene nicht; vgl. fr. 4 pr. de procur. 3, 3; fr. 4 § 4 si quis eaut. 2, 11. Fünftens: so oft eine wörtliche Erklärung notwendig ist, es jedoch an einer solchen mangelt, so gilt sie als versäumt; vgl. fr. 99 pr. de v. o. 45, 1. Daher ist im Zweifel die Rückziehung des neuen Gesetzes auf die rechtshängigen Sachen ausgeschlossen. Sechstens: so oft ein Gesetz negativ gefaßt ist,

252

JACOBÜS DE

BELVISO.

Der dritte Teil der quaestio enthält die L ö s u n g der Gründe und Gegengründe: die constitiitio oder das statutum ist entweder iuris divini oder iuris humani. Im ersten Falle ordnet sie entweder eine Beobachtung (.observantiam) an oder eine Strafe; wenn sie eine Beobachtung anordnet, so bezieht sie sich auf die Vergangenheit; vgl. c. 5 X. de usuris 5, 19; § 11 J. de iure natur. 1, 2; c. 13 X. de constitut. 1, 2. Wenn sie dagegen eine Strafe androht, dann bezieht sie sich nicht auf die schwebenden Sachen, es wäre denn ausdrücklich darin gesagt; so in der Auth. 12 {Nov. 12) cap. 3; Auth. 134 {Nov. 123) cap. 44 i. /?.; c. 29 i. f.. de so ist dasjenige, was es nicht enthält, verboten; vgl. c. 2 X. de translat. epise. 1, 7. Siebentens: so oft eine Sache zweifelhaft ausgedrückt ist, so muß sie so ausgelegt werden, daß der Wille des Gesetzes aufrecht erhalten bleibt; vgl. fr. 18 und 19 de legib. 1, 3. Der Wille des Gesetzes geht aber darauf, daß es sich auf die rechtshängigen Sachen nicht erstrecke, wenn es nicht ausdrücklich bestimmt wird. Achtens: nichts ist den Gesetzen so eigen als Klarheit; vgl. e. 7 de legib. 1, 14. Daher ergreift eine einfache, neue Rechtsordnung die rechtshängigen Sachen nicht. Neuntens: das Statut oder das Gesetz ist stricti iuris; vgl. fr. 21 de testam. milit. 29, 1; § 28 J. de actionibus 4, 6; das Gesetz ist daher wörtlich auszulegen; es erzeugt nicht Neues, wenn es auch nicht unfruchtbar ist („nee parit sicut nee sierilis"). Zehntens: so oft die rechtshängigen Sachen eine Form besitzen, obschon noch keine Wirkung, so darf sich die neue Rechtsordnung nicht auf sie beziehen; s. Auth. 68 (Nov. 66) cap. 1 § 3 ( B E L V I S O hat hier die Testamente im Auge). Elftens: sobald die Rückwirkung eine Beeinträchtigung oder Gefährdung der schwebenden Sachen herbeiführen würde, ist sie ausgeschlossen; vgl. Auth. 77 (Nov. 76) coli. 6 cap. 1. Zwölftens: sobald die schwebenden Sachen sehr häufig vorkommen und üblich sind, darf sich die neue Rechtsordnung auf sie nicht erstrecken; vgl. e. 17 § 1 i. fi. de fide instr. 4,21. Dreizehntens: so oft eine Sache in der Berufungsinstanz schwebt, erstreckt sich die neue Rechtsordnung selbst bei ausdrücklicher Bestimmung nicht auf sie; vgl. Auth. 111 (Nov. 115) praef. Vierzehntens: so oft die ^Rechtsverhältnisse der Vergangenheit eine zeitliche Dauer haben, so erstreckt sich die neue Rechtsordnung auf die Zeit, welche vor ihrem Erlaß abgelaufen ist, nicht; s. c. ult. de usuris 4, 32; Auth. 98 (Nov. 100) cap. 2 § 1 i. fi. Fünfzehntens: so oft durch Gesetz etwas angeordnet wird, so ist jede Erwägung über die Anordnung überflüssig; sie muß vielmehr angewandt werden; vgl. c. 3 Di. 4; c. 9 de legib. 1, 14. Die neue Rechtsordnung aber wurde dahin erlassen, daß die v o r h e r g e h e n d e Rechtsordnung die schwebenden Sachen ergreife. Daher bezieht sich die neue Rechtsordnung schon ihrer Natur nach nicht auf die peiulentia; vgl. Auth. 19 (Nov. 19) Coli. 3. Sechzehntens: eine neue Rechtsordnung schreibt nach der Ansicht gewisser Schriftsteller nur den künftigen Prozessen die Form vor; vgl. e. 2 pr. de iur. propter fulumn.; c. 13 pr. und c. 14 § 1 de iudic. 3, 1 (bezieht sich auf das intertemporale Prozeßrecht). Siebzehntens: so oft es sich um A u f h e b u n g obligatorischer Verpflichtungen handelt, muß nach der Ansicht gewisser Schriftsteller die neue Rechtsordnung angewandt werden; vgl. Auth. 77 (Nov. 76) i. fi.; o. 22 und 23 i. fi. de sacros. ecel. 1, 2. Achtzehntens: so oft die neue Rechtsordnung vom Prozeßverfahren spricht, so erstreckt sie sich nach der Ansicht gewisser Schriftsteller auf die rechtshängigen Sachen, Auth. 111 (Nov. 115) praef. Neunzehntens: ein neues Dekretale bezieht sich nur deswegen auf die Thatbestände der Vergangenheit, weil dies ausdrücklich angeordnet ist; regelmäßig bezieht es sich also nicht auf die Vergangenheit; s. c. 9 X. de officio legati 1, 30; c. im. de sequestr. possess. 2, 6; c. un. de probation. 2, 7; c. 13 X. de constitut. 1, 2.

§ 42.

Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung.

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testam. 6, 23; c. 2 X. de const. 1, 2. — Im zweiten Falle, wenn die neue Rechtsordnung iuris humani ist, lautet die allgemeine Regel folgendermaßen: Für Kontrakte und die Entstehung und Aufhebung von allen Rechtsverhältnissen, wie z. B. der Ehe, der Freiheit, der letztwilligen Verfügungen, der Verjährungen, des Prozeßverfahrens und des Urteils für alle Thatbestände {negotia) irgendwelcher Art, sofern sie Form und Gültigkeit besitzen, obgleich noch keine Wirkung, oder auch nur ihren Ursprung (principium) haben, obschon noch keine Form, kommt die alte Rechtsordnung zur Anwendung und das neue Statut oder das neue Gesetz zieht sich nicht auf die schwebenden Sachen, wenn es nicht ausdrücklich darin gesagt wird. Beweis dafür ist die erwähnte Regel und Ausnahme der c. 7 de legib. 1, 14 und c. 2 und 13 X. de constit. 1, 2. Bei Errichtung von Rechtsgeschäften muß man ja immer den Anordnungen der alten Gesetze nachachten, wie die c. 29 i. fi. de testam. 6, 23 cit. bemerkt; s. ferner Auth. 68 {Nov. 66), c. 1 § 3 und c. 17 § 1 de fide instr. 4, 21. Außerdem müssen alle Gesetze, wenn sie auf die schwebenden Sachen bezogen werden sollen, die ausdrückliche Bestimmung in sich tragen. Dies geht aus allen Quellenstellen hervor, welche wir für die erste Meinung (der Rückwirkung) angeführt haben. Aus den zwei Quellenstellen, die für die zweite Meinung (der Nichtrückwirkung) sprechen, geht hervor, daß es nicht in der Natur des Gesetzes gelegen ist, sich auf die schwebenden Sachen zu erstrecken. — Eine Ausnahme tritt erstens ein, wenn es die ausdrückliche Bestimmung enthält; ferner wenn die schwebenden Sachen vom ius commune abweichen. So nach der angeführten Auth. 12 {Nov. 12) cap. 3; c. 7, § 3 X. de electione 1, 6; c. 3 de testam. mil. 6, 21; c. 8 X. de consuet. 1, 4. Derartige schwebende Rechtsverhältnisse werden nämlich so betrachtet, als hätten sie weder Form, noch Sein, noch Wirkung. Eine weitere Ausnahme findet statt bei Thatbeständen, welche zwar irgendwie vom Hauptthatbestande {a negotio principali) abhängen, jedoch ihre Art, ihre Form und ihr Sein aus sich selbst empfangen und nicht von der Begründung noch Beendigung des Hauptrechtsverhältnisses bestimmt werden. Dies geht daraus hervor, daß, wenn ein Verwalter nach der neuen Rechtsordnung, aber während der Verwaltung, Diebstähle begeht, ihre Bestrafung nach der neuen Rechtsordnung 'stattfinden muß; Auth. 8 (Nov. 8), cap. 14 i. fi.-, Auth. 134 {Aov. 123), cap. 44. Eine weitere Ausnahme greift platz, wenn die neue Rechtsordnung auf Grund der darin gebrauchten Worte ohne Künstelei ihrer Natur nach auf die schwebenden oder vergangenen Thatbestände bezogen werden kann. So z. B., wenn sie anordnet, daß ein Verbannter sich durch Zahlung von Hundert vom Banne lösen könne. In diesem Falle ist es selbstverständlich, daß derjenige, der vor dem Gesetz, das über die Verbannung Bestimmungen trifft, verbannt wurde, auch von der Vergünstigung des neuen Gesetzes Gebrauch machen darf, obschon seine Verbannung ein Thatbestand der Vergangenheit ist. Die Lösung des Bannes ist dagegen ein Thatbestand der Zukunft. Daraus

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JACOBDS DE BELVISO.

geht hervor, daß das neue Gesetz sich seiner Natur nach teils auf die Vergangenheit, teils auf die Zukunft bezieht. Eine weitere Ausnahme findet statt, wenn die neue Rechtsordnung der alten zu ihrer Auslegung hinzugefügt wird; dann gilt sie für die Thatbestände der Vergangenheit, als ob sie Bestandteil der alten Rechtsordnung wäre; Auth. 19 (Nov. 19), cap. 1 i. f.. Dem steht die Meinung derjenigen nicht entgegen, welche zwischen dem Streitverfahren und der Entscheidung des Streites unterscheiden, weil ja in beiden Fällen die alte Rechtsordnung und nicht die nachher erlassene beobachtet werden muß. In der Auth. 111 (Nov. 115) praef., cap. 1 wird gesagt, daß nach Einlegung einer Berufung der Berufungsrichter die Rechtsordnung anwenden muß, welche zur Zeit des ersten Urteils gegolten hat; auch Auth. 110 (Nov. 113), cap. 2 und Auth. 58 (Nov. 49), cap. 1, § 1; c. 2 § fin. de iuram. calumniae 2, 58; Auth. 117 (Nov. 124), cap. 4 i. fin., wo bestimmt wird, daß die neue Konstitution nur dann auf die schwebenden Eidesfalle auszudehnen sei, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist; wenn nicht, so muß die alte Rechtsordnung beobachtet werden. Dies gilt einerlei, ob die Sache in der Berufungsinstanz oder noch in der ersten Instanz vor dem ersten Urteil schwebt. Einerlei ferner, ob es sich um das Verfahren handelt oder um die richterliche Entscheidung; immer müssen die alten Gesetze beobachtet werden, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes für die vor dem Urteil rechtshängigen Sachen verfügt ist. Wenn aber die Sache in der Berufungsinstanz schwebt, so bezieht sich die neue Rechtsordnung nicht auf sie, s e l b s t bei a u s d r ü c k l i c h e r B e s t i m m u n g ; vgl. Auth. 111 (Nov. 115) praef. i. fi. Dem steht auch nicht die Meinung derjenigen entgegen, welche zwischen der Begründung der Obligationen und deren Aufhebung unterscheiden. Ersterenfalls sei der alten Rechtsordnung nachzuachten, letzterenfalls jedoch der neuen. Bei der Begründung von Obligationen muß insoweit die alte Rechtsordnung angewandt werden, als die Obligationen aus einem Thatbestand der Vergangenheit hervorgehen; s. Auth. 70 (Nov. 76), cap. 1. Wenn aber die Obligationen durch einen neuen Thatbestand begründet werden, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die neue Rechtsordnung angewandt werden muß; s. Auth. 8 (Nov. 8) cap. 1; Auth. scriptum est exemplar = Nov. 8 iusiurandum l. c.; Auth. 12 (Nov. 12) cap. 3 (linea 25 seqq.)] Auth. 134 (Nov. 134) i. fi. Es ist jedoch nicht richtig, daß bei der Aufhebung von Obligationen durch Verjährung das neue Recht angewandt werden müsse. Vielmehr greift das alte Gesetz platz, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet ist. Dies geht klar hervor aus der c. 23 i. fi. de sacros. eccl. 1, 2; Auth. 77 (Nov. 76); Auth. 117 (Nov. 124), epilog. Im übrigen gelten die Ausnahmen der Regel, welche oben in der Lösung angeführt sind. Die zweite quaestio bezieht sich darauf, ob ein Gesetz oder ein Statut, welches die ausdrückliche Bestimmung der Rückwirkung enthält, auf a l l e Thatbestände der Vergangenheit sich erstrecke, also statthabe auf

§ 42.

Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung.

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die Thatbestände der Vergangenheit und der Zukunft. Dreizehn Gründe sprechen für die Bejahung dieser Frage. 1 Es folgen nun zwölf Gegengründe, wonach sich die neue Rechtsordnung nicht auf alle Thatbestände der Vergangenheit bezieht.2 1 Erstens: ein unbestimmter Ausdruck beansprucht Universalität; so nach fr. 44 de leg. II (31); fr. 8 § 3 de pign. aet. 13, 7; e. 1 Di. 19. Wenn also der Ausdruck unbestimmt lautet, welcher die Rückwirkung anordnet, so ergreift die neue Rechtsordnung alle Thatbestände der Vergangenheit. Zweitens: wenn ein Zeitwort allgemein gebraucht wird, so muß es auch allgemein aufgefaßt werden; vgl. fr. 23 pr. de servit praed. 8, 2; fr. 1 § 1 de legat. praest. 37, 5. Drittens: das Gesetz spricht ohne Unterscheidung. Wenn also ein Gesetz ohne Unterscheidung spricht, so darf eine weite Auslegung Platz greifen; vgl. fr. 8 de Publ. aet. 6, 2. Viertens: vom Sinn der Worte ist im Zweifel nicht abzuweichen; vgl. fr. 1 § 20 verba, „in re igitur", de exercit. aet. 14, 1; fr. 69 pr. de leg. III (32). Die Worte (der Rückwirkungsklausel) sind aber ihrer Bedeutung nach geeignet, sich auf alle Thatbestände der Vergangenheit zu beziehen. Fünftens: daß die neue Rechtsordnung sich auch auf schwebende Sachen der Vergangenheit beziehen darf, beweisen die in der ersten quaestio für die erste Ansicht angeführten Quellenstellen. Sechstens: praeterita heißen alle Thatbestände, welche früher stattfanden und die geschehenen Thatbestände können nicht als ungeschehen angesehen werden. D a nun aber in dem neuen Gesetze gesagt wird, daß sie auch für die Thatbestände der Vergangenheit statthabe, so wird sie mit Recht auf alle Thatbestände der Vergangenheit bis in's Unendliche zurückbezogen; vgl. Auth. 96 (Nov. 97) eap. 1; fr. 12 § 7 de eaptiv. 49, 15. Siebentens: so oft ein Gesetz sich auf die praeterita bezieht, indem es dieselben b e s t ä t i g t , so erstreckt sie sich auf alle insgesamt; vgl. c. 3 § 5 de quadr. praeser. 7, 37; Auth. 5 (Nov. 5) eap. 9 § 1; Auth. 7 (Nor. 7) epil. Achtens: so oft die neue Rechtsordnung sich auf die Thatbestände der Vergangenheit bezieht, indem sie dieselben für n i c h t i g erklärt, so dehnt sie sich auf alle diejenigen aus, bei welchen ein Betrug oder eine Rechtswidrigkeit vorliegt; vgl. c. 3 de paet. pign. 8, 34. Neuntens: wo auch immer das Gesetz oder der Wille des Gesetzes zweideutig ist, so muß diejenige Bedeutung vorgezogen werden, quae vitio earet\ vgl. fr. 19 de legib. 1, 3. Nun ist aber der Wille des Gesetzes darauf gerichtet, daß die Rechtsordnung sich auf alle Thatbestände bezieht. Zehntens: bei einem zweideutigen Ausdruck wird auf den Willen der Partei gesehen, d. h. es wird angenommen, daß sie das, was er besagt, auch gewollt habe; vgl. fr. 3 de reb. dub. 33, 5. Da nun aber das Gesetz sagt, daß es sich auf die Thatbestände der Vergangenheit beziehe, so hat es auch gewollt, daß es sämtliche Thatbestände, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, ergreife. Elftens: ein Gesetz, welches ius naturale enthält, bezieht sich nicht auf die Vergangenheit; enthält es dagegen im humanum, dann bezieht es sich auf alle Thatbestände der Vergangenheit, sofern sie kumani iuris sind; vgl. c. 7 § 3 X. de elect. 1, 6; Auth. 12 (Nov. 12) eap. 3; Auth. 115 (Nov. 120) eap. XX i. fi.- Auth. 132 (Nov. 143) eap. 1 i. fi. Dreizehntens: so oft die neue Rechtsordnung billiges Recht enthält und die alte unbilliges, so bezieht sich die neue auf die Thatbestände der Vergangenheit, indem sie dieselben annulliert; vgl. c. 2 C. 10 q. 1; Auth. 12 (Nov. 12) eap. 2; Auth. 132 (Nov. 143) eap. 1. 2 Erstens: ganz sicher ist, daß auf Grund keiner Quellenstelle die neue Rechtsordnung sich auf durch Urteil oder Vergleich erledigte Thatbestände bezieht; vgl. e. penult. i. fi. de saer. ecel. 1, 2; Auth. 110 (Nov. 113) eap. 2; c. 21 ad Sc. Velleian. 4, 29 und unzählige andere Quellenstellen. Zweitens: so oft die Thatbestände der Vergangenheit Form, Gültigkeit und Wirkung durch den K o n s e n s der Parteien erhalten haben, so können sie durch die neue Rechtsordnung nicht aufgehoben werden; vgl. e. 20 § fin. fi.de mstrum. 4, 21; e. 18 de testib. 4, 20;

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J A C O B U S DE

BELVISO.

L ö s u n g : Entweder die neue Rechtsordnung drückt sich bestimmt aus oder einfach und unbestimmt. Im ersten Falle muß sie, da sie klar und deutlich spricht, auf alle Thatbestände der Vergangenheit zurückbezogen werden, von welchen im Gesetz die Rede ist; vgl. Auth. 17 {Nov. 17), cap. 4; Auth. 102 [Nov.

107), cap. 1; c. 16 de sacros.

eccl.

1, 2; c. 8 de incest. nupt. 5, 5), wenn nicht ausdrücklich für die alte Rechtsordnung etwas Anderes bestimmt ist; vgl. Auth. 111 {Nov. 115)

e. 1 § fm. de hat. libert. 7, 6; e. un. § 16 de rei uxor. act. 5, 13; Auth. 7 (Nov. 7) aap. 12 u. epil.\ Auth. 76 (Nov. 73) eap. 9: Auth. 97 (Nov. 99) [cap. 1 § 2 i. fi. Drittens: jedes Gesetz muß sich an das anbequemen, was häufig vorkommt und Rechtsregeln unterworfen werden kann; vgl. fr. 5 de kgib. 1, 3; Auth. 18 (Nov. 18) cap. 5 i. p.\ Auth. 22 (Nov. 22) cap. 1. Daher darf sich die neue Rechtsordnung nicht sofort auf die Thatbestände der Vergangenheit beziehen, wenn sie z. B. Strafen festsetzt, weil jene Rechtsregeln nicht unterworfen werden können. Viertens: wenn eine Strafe in der neuen Rechtsordnung angedroht wird, so kann sie nicht auf die Thatbestände der Vergangenheit bezogen werden „quia aniiquitas non peecavit'; s. Auth. 8 (Nov. 8) cap. 14; Auth. 134 (Nov. 123) cap. 2; c. 29 § utt. de testam. 6, 23. Fünftens: bei Delikten ist der Irrtum über Thatsachen entschuldbar; vgl. fr. 5 pr. und fr. 11 § 2 de poenis 48, 19; fr. 8 de his qui notantur infamia 3, 2; fr. 16 § 1 de pign. act. 13, 7. Infolgedessen kann die neue Rechtsordnung keine rückwirkende Kraft für Delikte haben. Sechstens: wenn das Mehr nicht in der Ausschlußklausel enthalten ist, so ist auch das Minder nicht darin darin enthalten. Nun ist aber in Fällen, wo es sich handelt um liberale Zuwendungen zu Gunsten der Kirche, um Freilassungen und um Bestellung der dos, die Rückwirkung der neuen Rechtsordnung ausgeschlossen; vgl. c. 22 i. fi. de sacros. cccl. 1, 2; c. un. § 16 d de rei uxor. act. 5, 13; c. un. § 13 de Latina libertate 7, 6; Auth. 79 (Nov. 78) epil. Siebentens: wenn die neue Rechtsordnung ungünstige Bestimmungen enthält, so darf sie nicht auf die Vergangenheit zurückbezogen werden; vgl. c. 7 § 11 de cura furiosi 5, 70. Achtens: was durch die Länge der Zeit anerkannt ist, darf nicht der neuen Rechtsordnung unterworfen werden; vgl. Auth. 7 (Nov. 7) cap. 12 und epUog.; Auth. 21 (Nov. 21) cap. 2: „nam etiarn antiquiora perscrutari et ad superiora tempora ascendere confusionis rnagis quam legislationis est"-, fr. 57 a de ritu nupt. 23, 2. Neuntens: entweder wird ein konfirmatorisches Gesetz erlassen; in diesem Falle bezieht es sich auf die Vergangenheit; oder es wird ein annullatorisches erlassen. Geht aus den Nichtigkeitserklärungen die Billigkeit hervor, so dehnt sich das annullatorische Gesetz auf alle Thatbestände der Vergangenheit aus; so nach der e. 3 de pact. pign. 8, 34: wenn dagegen daraus eine Unbilligkeit entstehen würde, ergreift es nicht alle Thatbestände der Vergangenheit; vgl. e. 20 § 4 i. fi. de fide instrum. Ebenso wenn die neue Rechteordnung eine Strafe androht; vgl. c. 2 X. de eonstitut. 1, 2; Auth. 134 (Nov. 123) cap. 44 i. fi. Zehntens: so oft auf Grund der alten Rechtsordnung i r g e n d ein R e c h t e r w o r b e n i s t „ius aliquod acquisitum", so kann es durch die neue Rechtsordnung nicht widerrufen werden; vgl. Auth. 3 (Nov. 3) eap. 1 i. fi. Auth. 6 (Nov. 6) cap. 8; Auth. 16 (Nov. 16) cap. 1; Auth. 10 (Nov. 10) § 1; c. 4 de saeros. cccl. 1, 2. Elftens: so oft es sich um die Erbfolge handelt, darf die neue Rechtsordnung nicht auf die Vergangenheit bezogen werden „quod confusionis magis q-uam legislationis esset"; s. Auth. 21 (Nov. 21) cap. 2; c. 14 § 8 und c. 15 S 5 de hercd legit. 6, 58; Auth. 22 (Nov. 22) \;ap. 1 i. fi.\ Auth. 113 (Nov. 118) cap. 6 i. fi. Zwölftens: so oft aus der neuen Rechtsordnung eine Unbilligkeit hervorgehen könnte, wenn sie sich auf die Vergangenheit bezöge, so darf sie nicht auf die Vergangenheit erstreckt werden; vgl. Auth. 77 (Nov. 76) cap. 1.

§ 42.

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Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung.

praef.\ c. 22 § 1 und c. 23 § 5 de sacros. eccles. 1, 2. Denn es wäre unvernünftig und unbillig, wenn die neue Rechtsordnung sich auf durch Urteil oder Vergleich erledigte Thatbestände der Vergangenheit beziehen würde, wie die angeführten Quellenstellen bestätigen und ebenso die Auth. 47 [Nov. 48), cap. 1 § 1 i. fi.; Auth. 112 {Nov. 117) epiL; Auth. 114 {Nov. 119) cap. 11 i. fi. — Im zweiten Falle, wo die neue Rechtsordnung sich einfach und unbestimmt in Ansehung ihrer Rückziehung auf die Thatbestände der Vergangenheit ausdrückt, muß man unterscheiden, ob sie vernichtet oder bestätigt oder neues hinzufügt oder Strafen androht. Erklärt sie für nichtig, so bezieht sie sich auf alle Thatbestände der Vergangenheit und macht alle nichtig; c. 3 de pact. pign. 8, 3 4 ; Auth. 132 {Nov. 143), cap. 1 i. fi.-, c. 2 C. 10 q. 1; c. 1, § 3 X. de elect. 1, 6; Auth. 12 {Nov. 12) cap. 3 ; Auth. 115 {Nov. 120), cap. 11. Ausgenommen ist jedoch der Fall, wenn aus der annulatorischen Rechtsordnung eine Unbilligkeit hervorgeht, die nicht verhütet werden kann, m. a. W., wenn die neue Rechtsordnung unbillig und ungerecht ist; denn wer der alten Rechtsordnung nachachtete, hat unverschuldet gehandelt, denn er konnte die neue Rechtsordnung nicht voraussehen; s. c. 2 X de constit. 1, 2 ; c. 29 § 7 de testam. 6, 2 3 ; c. 10 X. de elect. 1, 6 ; Auth. 22 {Nov. 22) cap. 1; Auth. 68 {Nov. 66) § 4. Diese Einschränkung ist klar und offensichtlich; denn jedes Gesetz muß anständig, gerecht und möglich sein; vgl. c. 2 Di. 4. Ausgenommen ferner sind die Fälle, die durch Urteil oder Vergleich erledigt sind; vgl. c.c. 23 und 24 de sacros. eccl. 1, 2 u. a. m.; ferner die, welche durch die Länge der Zeit anerkannt sind; s. Auth. 7 {Nov. 7) cap. 12. Wenn aber die neue Rechtsordnung als bestätigende erlassen wird, so bezieht sie sich auf alle Thatbestände; vgl. c. 3 § 5 de quadr. praescr. 7, 3 7 ; Auth. 7 {Nov. 7) cap. 12 i. fi.] Auth. 5 {Nov. 5) cap. 9 § 1; c. 12 § 6 de reb. cred. et de iureiur. 4, 1. — Füllt die neue Rechtsordnung Lücken der alten Rechtsordnung aus, dann erstreckt sie sich auch auf die Thatbestände der Vergangenheit. So c. 7 § 3 X. de elect. 1, 6 ; Auth. 115 {Nov. 120) cap. 11; c. 17 § 1 de fide instr. 4, 21. Sind jedoch die Thatbestände der Vergangenheit bereits vom alten Rechte geregelt und mit rechtlichen Wirkungen ausgestattet und bestimmt, klar und deutlich ausgeprägt, dann kann sich im Zweifel die neue Rechtsordnung nicht auf sie beziehen; vgl. c. 20 § 4 i. fi. de fide instr. 4, 2 1 ; c. 18 pr. i. fi. de testibus 4, 20. Wenn aber die Thatbestände der Vergangenheit undeutlich sind oder zweifelhaft und eine Nachhülfe nützlich sein kann, dann erstreckt sich die Rechtsordnung auf sie; vgl. c. 16 d de rei uxor. act. 5, 13; oder wenn der Thatbestand nicht schriftlich aufgezeichnet ist, vgl. c. 17 § 1 de fide instr. 4, 21. — Wenn endlich die neue Rechtsordnung Strafandrohungen enthält, dann wirkt sie auf die Vergangenheit nicht zurück, ansonst würde Unbilligkeit und Ungerechtigkeit die Folge sein; vgl. c. 2 X de constit. 1, 2; c. 29 § 7 de testam. 6, 23; Auth. 134 (Nov. 123) cap. 44 i. fi. AFFOLTER , Intert. Privatrecht.

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JACOBUS DE BELVISO.

Zur dritten quaestio führt BELYISO fünfzehn Gründe für die bejahende Ansicht an. 1 Diesen fünfzehn Gründen stehen fünfzehn Gegengründe gegenüber. 2 1 Erstens spricht dafür die Nachbarschaft der Ausdrücke; denn der Ausdruck „item11 führt die Wiederholung der Qualität, der Bedingung und der Zeitbestimmung herbei; infolgedessen auch die Wiederholung der Rückwirkung auf die Vergangenheit; vgl. fr. 63 de leg. III (32) „in repetendis legatis haec verba quae adiei söhnt „item dare damnas esto'1 et ad dies legatorum easdem repentendas referri Sabinus respondit." Zweitens und drittens: der Ausdruck „amplius" fuhrt die Wiederholung aller vorhergehenden Bestimmungen für die nachfolgenden herbei. Daher auch der Ausdruck „item", welcher eine Wiederholung in sich birgt; so nach fr. 13 und 54 de leg. III (32) „verius est eo verbo „amplius" superiora repeti." Der Ausdruck „item" bedeutet zugleich ein Bindemittel und eine Wiederholung der vorhergehenden. So nach fr. 20 § 2 de instr. vel instr. leg. 33, 7. Viertens: so oft eine Übertragung der Vermächtnisse stattfindet, so gelten die früheren als wiederholt; vgl. fr. 24 de adim. 34, 4. Fünftens: so oft auf Grund einer Substitution eine Sache auf einen Anderen übertragen wird, gelten die Bestimmungen der Institution als wiederholt; vgl. fr. 74 de leg. I (30); fr. 77 § 15 de leg. II (31). Sechstens: so oft in einem letzten Willen in Ansehung der vorhergehenden Verfügungen Zeitbestimmungen getroffen werden, so beziehen sich dieselben nicht bloß auf diese, sondern auch auf die nachfolgenden; vgl. fr. 30 § 7 de leg. I (30). In unserem Fallp bezieht sich die vorhergehende Zeitbestimmung auch auf die nachfolgenden (Kapitel). Siebentens: die Subjekte sind so, wie die Prädikate darlegen; vgl. c. 10 de fam. erise. 3, 36; c. 2 X. de appellat. 2, 28. Achtens: so oft im ersten Teile eines Gesetzes eine billige Bestimmung enthalten ist, so wird dieselbe so angesehen, als ob sie in den nachfolgenden Teilen wiederholt sei; vgl. § 14 J. de lege Aquil. 4, 3. Neuntens: so oft die Absicht des Gesetzgebers auf eine Wiederholung gerichtet ist, so wird die "Wiederholung als geschehen vermutet; vgl. fr. 4 § 3 de pactis 2, 14; fr. 134 § 2 de v. o. 45, 1; fr. 18 de eondiet. instit. 28, 7. Zehntens: so oft dem Hauptthafcbeatand eine Bedingung hinzugefügt wird, so wird dieselbe im Nebenthatbestamd als wiederholt angenommen; vgl. fr. 26 § 2 de paet. dot. 23, 4; c. 19 § 1 de eionat. ante nupt.\ e. 8 de iure dot. 5, 12. Elftens: so oft die Wiederholung nützlich und fruchtbar sein kann, darf sie als gemacht angenommen werden; vgl. fr. 11 de pact. dot. 23, 4. Zwölftens: so oft Jemand für e i n e n Fall zum Voraus Vorsorge trifft, so wird es so angesehen, als hätte er Vorsorge getroffen für alle Fälle, die auf denselben Zweck gerichtet sind; vgl. c. 8 de postul. 2, 6. Dreizehntens: wenn in Ansehung der vorausgehenden Bestimmungen die Zeit erwähnt wird, so ist es nicht wahrscheinlich, daß in den unmittelbar darauf folgenden Bestimmungen Jemand seinen Willen ändern und sich selbst berichtigen wollte; vgl. fr. 89 de cond. et demonstr. 35, 1. Vierzehntens: die Nachbarschaft des Textes einer Urkunde zeigt einen einheitlichen Willen; vgl. /r. 17 § 1; /ir. 50 § 3 de leg. I (30). Fünfzehntens: wenn wir in einem Gesetze den Ausdruck „item" angeführt sehen, dann wird mittelst dieses Ausdruckes eine Wiederholung der Strafe herbeigeführt; vgl. fr. 1 pr. de public, et vectig. 39, 1. s

Erstens: der Ausdruck „item" zeigt die Fortsetzung und nicht die Wiederholung an und bezieht sich nicht auf die Vergangenheit. Dies beweisen viele Quellenstellen; vgl. fr. 3 de his qui 1, 6; fr. 4 pr. de pactis 2, 14; fr. 6 quod cuiusq. wnivers. 3, 4; fr. 20 de hered. pet. 5, 3. Zweitens: so oft die Absicht gegen eine Wiederholung gerichtet ist, wird sie nicht als gemacht angesehen; vgl. fr. 40 pr. de eontr. emt. 18, 1; fr. 38 pr. de aet. emti 19, 1; fr. 10 § 2 de armuis leg. 33, 1. Drittens: wenn Jemand im Hinblick auf bestimmte Fälle Vorsorge trifft, so wird es so angesehen, als hätte er für die übergangenen Fälle keine Vorsorge

§ 42. Darstellung seiner intertemporalen Abhandlung.

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L ö s u n g : Die nachfolgenden Kapitel dürfen sich nicht auf die Vergangenheit beziehen, und der Ausdruck „item" bedeutet keine Wiederholung, sondern eine Portsetzung. Was den vorhergehenden (Kapiteln) gewährt wird, wird den nachfolgenden versagt. Arg. fr. 22 de leg. 1, 3 ; c. 2 de general. abol. 9, 43; fr. 38 § 3 de leg. III (32); weil ferner die Zeit der Vergangenheit ausdrücklich angegeben werden muß, wie die c. 7 de leg. 1, 14 beweist. Zur Lösung aller Gegensätze unterscheide bei der Behandlung des Ausdruckes „item" folgende Fälle: Entweder sprechen wir von der Wiederholung der Hauptbestimmungen; diesen Sinn hat niemals der Ausdruck „item"-, vgl. fr. 63 de leg. III (32); oder von einer Eigentreffen wollen; vgl. fr. 22 pr. de solut. matr. 24, 3; fr. 10 de lib. et post. 28, 2. Viertens: wo immer eine ausdrückliche Anführung der Worte erforderlich ist, so wird, falls der wörtliche Ausdruck fehlt, angenommen, derselbe sei unterlassen worden; vgl. fr. 99 pr. de verb. obl. 45, 1. Fünftens: so oft etwas namentlich gefordert werden soll, genügt Stillschweigen nicht; vgl. c. 8 de novat. et deleg. 8, 41; fr. 195 de reg. i. 50, 17; fr. 52 de eond. et demon. 35, 1. Sechstens verlangt die e. 1 de leg. 1, 14, daß, wenn die neue Rechtsordnung auf die Thatbestände der Vergangenheit zurückbezogen werden soll, dies ausdrücklich angeordnet werden müsse; also muß dies auch ausdrücklich wiederholt werden. Siebentens: so oft in den vorhergehenden Rechtssätzen ein besonderer Grund und Zweck vorliegt, der in den nachfolgenden mangelt, so ist die Wiederholung nicht als geschehen anzunehmen; vgl. fr. 51 loeati eond. 19, 2; fr. 95 de eond. 35, 1. Achtens: so oft die Klausel hinsichtlich der vorhergehenden Reehtasätze nützlich und fruchtbar ist, für die nachfolgenden dagegen unnütz und verfehlt, darf sie nicht angenommen werden; vgl. fr. 134 § 2; fr. 126 § 2 de v. o. 45, 1. Neuntens: die Anführung der Zeiten muß namentlich geschehen, damit das Gesetz sich auf die Vergangenheit beziehe; die subintellegierte Wiederholung jedoch geschieht stillschweigend; vgl. fr. 74 (73) de hered. instit. 28, 5; sie ist daher nicht genügend. Zehntens: so oft eine Verschiedenheit der Personen, Sachen und Fälle vorliegt, bedeutet der Ausdruck „item11 nicht eine Wiederholung, sondern eine Fortsetzung; denn weder der Sinn noch der Wille stimmt damit überein; vgl. fr. 63 de kg. III (32). Elftens: wenn eine Anordnung für die Hauptbestimmung eine Nebenbestimmung trifft, so gilt diese nicht für mehrere Hauptbestimmungen; vgl. e. 2 per quas pers. 4, 27; fr. 38 § 17 de v. o. 45, 1; fr. 178 de r. i. 50, 17. In fr. 63 eit. ist die accessorische Qualität der Hauptbestimmung geregelt; daher darf dies nicht angewandt werden auf mehrere Hauptbestimmungen und auf mehrere verschiedene und getrennte Fälle. Zwölftens: wenn Jemand für gewisse und bestimmte Fälle etwas einräumt, so wird es so angesehen, als hätte er diese Einräumung den anderen Fällen verweigert; vgl. fr. 63 § 1 de, eond. 35, 1; c. 21 § 1 de proeur. 2, 12. Wenn daher für die vorhergehenden Rechtssätze ausdrücklich bestimmt wird, daß sie für die Vergangenheit Platz greifen, so muß angenommen werden, daß diese Einräumung den nachfolgenden Rechtssätzen verweigert wird. Dreizehntens: des öfteren sehen wir, daß Jemand sofort und in derselben Reihenfolge der Worte sich selbst verbessert; vgl. fr. 48 (47) pr. de hered. instit. 28, 5; fr. 28 de mamum. testam. 40, 4. Vierzehntens: wenn der Gesetzgeber dasselbe in den nachfolgenden Rechtssätzen gewollt hätte, so wäre es ihm ein Leichtes gewesen, dies auszudrücken; vgl. e. 12 X. de deeimis 3, 30; c. im. % 1 de ead. toll 6, 51. Fünfzehntens: eine Klausel, welche dem ersten Teile eines Gesetzes beigesetzt wird, bezieht sich nicht auf die nachfolgenden Teile desselben wegen der Verschiedenheit des Grundes, Zweckes oder wegen der Gegensätze der Thatbestände; vgl. fr. 2 pr.; fr. 4 § 6 vi hon. rapt. 47, 8. 17*

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schaft oder einer anderen Nebensache; der Ausdruck „item" rührt nun entweder her von Privatpersonen oder vom Gesetzgeber. Rührt er von einer Privatperson her und liegt Identität der Personen und Sachen vor oder nur der Personen oder nur der Sachen, dann führt der Ausdruck im Zweifel eine Wiederholung herbei; so nach fr. 63 cit. Wenn zwar eine Ungleichartigkeit der Personen und Sachen vorliegt, der Sinn jedoch gerichtet ist auf Herbeiführung der Wiederholung, dann wird sie ebenfalls angenommen; vgl. fr. 18 de cond. inst. 28, 7; fr. 11 de pact. dot. 23, 4; fr. 134 § 2 v. o. 45, 1; fr. 4 § 3 de pact. 2, 14. Ist aber der Sinn nicht gerichtet auf Herbeiführung einer Wiederholung, dann wird sie nicht als geschehen angenommen; vgl. /r. 10 § 2 de ann. leg. 33, 1; fr. 38 pr. de act. emti vend. 19, 1. Ebenso wird die Wiederholung nicht angenommen, wenn in den nachfolgenden Rechtssätzen eine besondere Absicht oder eine besondere Beschwerung hineingelegt ist; vgl. fr. 74 de hered. instit. 28, 5. Ebenso ist es, wenn die vorhergehenden Rechtssätze Ungünstiges enthalten; vgl. c. 4 de usur. 4, 32. Ebenso, wenn die vorhergehenden Rechtssätze eine besondere Vergünstigung gewähren; vgl. fr. 51 pr. loc. cond. 19, 2; fr. 95 de cond. 35, 1. Ist dagegen die Wiederholung nützlich und fruchtbringend, so wird sie immer angenommen; vgl. fr. 11 de pact. dot. 23, 4. Dagegen bedeutet der Ausdruck „item" keine Wiederholung, sondern die Fortsetzung; vgl. c.c. 1 und 2 de verb. sign. 6, 38. — Wird jedoch der Ausdruck „item" vom G e s e t z g e b e r gebraucht und waltet derselbe Grund, Zweck und Nutzen in den nachfolgenden wie in den vorhergehenden Rechtssätzen vor und stimmt der Sinn und der Wille des Gesetzgebers, was aus den vorhergehenden und nachfolgenden Rechtssätzen auf irgend eine Weise hervorgehen muß, überein, dahingehend, daß eine Wiederholung stattfinden solle, alsdann bedeutet der Ausdruck „item" die Wiederholung; vgl. fr. 1 pr. de Puhl, act. 6, 2. Sind dagegen diese Voraussetzungen nicht vorhanden, so bedeutet der Ausdruck „item'1 keine Wiederholung, sondern nur eine Fortsetzung; vgl. fr. 3 de his qui sui 1, 6; fr. 4 de pact. 2, 14.

§ 43.

Beurteilung der Arbeit des Jacobus de Belviso.

In seiner Abhandlung hat BELVISO in selbständiger und gründlicher Weise intertemporale Fragen aufgestellt, untersucht und beantwortet, jedoch darf er nicht darauf Anspruch erheben, ein wohlgeordnetes System des intertemporalen Privatrechtes hervorgebracht zu haben. Seine drei Rechtselemente: Thatbestand, Rechtsverhältnisse und Rechtsordnung, aus denen es sich zusammensetzt, werden von ihm übersehen und infolgedessen läßt er es an einer eingehenden Prüfung des Wesens und der Arten derselben fehlen, wenn auch ihm die Mannigfaltigkeit der Thatbestände, Rechtsverhältnisse und Rechtsordnungen nicht ganz entgangen ist.

§

43.

Beurteilung der Arbeit des

JACOBUS DE

BELVISO.

261

Von den beiden intertemporalen Rechtsregeln kennt der Verfasser nur die ältere. Die neuere stellt sich ihm als Ausnahme ( f a l l e n t i a ) der älteren dar. Außerdem ist ihm ihre materielle Voraussetzung, die Auflehnung de3 Rechtsgefühles gegen die alte Rechtsordnung der Hauptsache nach entgangen. Allerdings weist er in der ersten Frage im siebenten und zehnten Beweisgrunde zu gunsten der Bejahung darauf hin, daß, wenn die alte Rechtsordnung unbillig sei, die neue und bessere rückwirkende K r a f t haben müsse. Ebenso gehört hierher der neunte Grund, wonach ius commune gegenüber dem ius singulare rückwirkende K r a f t haben solle, was er in der Lösung wiederholt. 1 Allein eine klare und bestimmte Vorstellung der materiellen und formellen Voraussetzung für die Rückwirkung des neuen Gesetzes ist bei ihm nicht zu finden. — Zur Thatbestandslehre hat er nur Weniges beigetragen. Er unterscheidet forma, esse und essentia der Thatbestände, und meint damit ihre Form, Gültigkeit und Wirkung. Thatbestände, die diese drei Merkmale entbehren, fallen unter die neue Rechtsordnung. Ebenso Thatbestände, die zwar Form, aber noch keine Wirkung haben (Testamente). Hat jedoch ein Thatbestand sowohl Form als Wirkung (Vertrag), so fällt er unter die alte Rechtsordnung; so nach dem zweiten Beweispunkte für die Verneinung der zweiten Frage. 2 Diese Unterscheidungen dürfen jedoch kaum zu befriedigenden Ergebnissen führen; denn nach der republikanischen Rechtsregel unterliegt ein Thatbestand, der zwar noch kein subjektives Recht, wohl aber ein o b j e k t i v e s Rechtsverhältnis erzeugt hat, wie das Testament, der alten Rechtsordnung. Der Verfasser unterscheidet ferner Hauptthatbestände und Neben thatbestände; letztere unterscheidet er wieder in solche, welche durch sich selbst Form und Gültigkeit empfangen, und in solche, welche vom Hauptthatbestand abhängen; jene unterliegen der neuen Rechtsordnung. 3 BELVISO teilt uns die Unterscheidung einiger Schriftsteller mit, wonach für die B e g r ü n d u n g von Obligationen immer die alte Rechtsordnung maßgebend ist, jedoch für die A u f h e b u n g immer die neue. Er verbessert mit Recht diese Ansicht dahin, daß nur dann die neue Rechtsordnung Anspruch auf Anwendung habe, wenn der B e gründungsthatbestand der Obligationen unter ihr stattfinde. Andererseits, wenn die Verjährung der Aufhebungsthatbestand einer Obligation sei, so müsse nicht die neue Rechtsordnung beachtet werden, sondern die alte. Man darf noch weiter gehen und behaupten, daß grundsätzlich bei a l l e n Aufhebungsthatbeständen die alte Rechtsordnung zuständig bleibt,

1 S. auch den achten und dreizehnten Beweisgrund zu gunsten der Bejahung der zweiten Frage. Der achte spricht nicht von der alten Rechtsordnung, sondern von deren betrügerischen und rechtswidrigen Thatbeständen. 3 Anders der zehnte Beweisgrund zur Verneinung der ersten Frage und die Lösung. 8 So in der Lösung der ersten Frage. Der Gedanke, der dieser Unterscheidung zu Grunde liegt, ist ein durchaus berechtigter. Er nähert sich meiner Einteilung in selbständige und unselbständige Thatbestände. S. oben § 13, S. 109.

262

JACOBUS

DE

BELVISO.

falls die Obligation unter ihr entstanden ist. Was jedoch gerade die Verjährung anbetrifft, so kommt für ihre z e i t l i c h e Dauer die neue Rechtsordnung in Betracht, falls nicht unter der alten die Verjährung bereits vollendet ist. Dagegen ist die Frage, ob die Verjährung gültig begonnen habe, nach der alten zu entscheiden. Zur Thatbestandslehre gehört endlich die Unterscheidung vom Ursprungsthatbestand, principium, und Vollendungsthatbestand, perfectio in forma, so nach dem fünften Grunde für die Bejahung der ersten Frage, und in deren Lösung. Auch diese Einteilung entspringt einer richtigen Erkenntnis. 1 Bei den Rechtsordnungen macht der Verfasser die Unterscheidung zwischen ius divinum und ius humanum, eine Unterscheidung, die sich nur auf den Einfluß des kanonischen Rechtes zurückführen läßt. 2 Sie bildet die Unterlage zur Lösung der ersten Frage. Ist die Rechtsordnung divini iuris, so unterscheidet er wieder zwischen solchen Rechtssätzen, welche nur Gehorsam verlangen, ohne Strafen anzudrohen, und solchen, die eine Strafandrohung enthalten; jene haben immer rückwirkende Kraft, diesen geht sie vollständig ab; sie enthielten denn die Rückwirkungsklausel. Der Rechtsordnung humani iuris steht grundsätzlich keine Rückziehung zu. — Mit dieser Einteilung fällt nicht zusammen diejenige, von welcher im zwölften und dreizehnten Beweisgrunde zur Bejahung der zweiten Frage Gebrauch gemacht wird. Darnach bezieht sich die constitutio iuris naturalis nicht auf die Thatbestände der Vergangenheit, wohl aber die constitutio iuris humani.. Dieser Unterscheidung liegt wohl der Gedanke zu Grunde, daß das ius naturale seiner angeborenen Billigkeit halber keine Ausschließlichkeit beanspruche, wohl aber das strengere ius humanum. Intertemporalen Werth hat sie nicht. Wie auch die späteren Schriftsteller des intertemporalen Privatrechtes bis tief ins 19. Jahrhundert hinein, macht BELVISO noch keinen Unterschied zwischen intertemporalem Privatrechte und intertemporalem ö f f e n t l i c h e n Rechte, sondern intertemporales Prozeß- und Strafrecht mischen sich ohne irgend welche Abgrenzung in seine Darstellung. 3 Insbesondere verwischt sich bei ihm der Gegensatz 'zwischen intertemporalem Privatrecht und Civilprozeßrecht. Er setzt sich sogar ins Unrecht, wenn er die Meinung derjenigen verwirft, qui distingunt inter litem ordinandam et decidendam." So in der Lösung der ersten Frage; siehe auch den sechszehnten und achtzehnten Gegengrund der ersten Frage. Die neue Rechtsordnung für die Urteilsfällung ist p r i v a t r e c h t l i c h e r Natur und hat grundsätzlich keine rückwirkende Kraft, während eine neue Prozeßordnung 1

S. unten II. Buch, 1. Kap. S. oben § 25, S. 160. So in der Lösung der ersten Frage, wo er die Beispiele zur Begründung der zweiten und dritten Ausnahme aus dem Strafrecht wählt: der Verwalter, der Diebstähle begeht zum Beleg von selbständigen Nebenthatbeständen und der Verbannte, der sich lösen kann als Beleg eines Gesetzes, welches seiner Natur nach ausschließlich ist. 4 8

§ 43.

Beurteilung der Arbeit des

JACOBUS S E

BELVISO.

263

grundsätzlich ausschließlich ist. Zum Belege seiner Behauptung, daß ein neuer Thatbestand, der mit einem Thatbestand der Vergangenheit im Zusammenhang steht, unter die neue Rechtsordnung falle, führt er die Nov. 8 und Auth. scriptum est exemplar. an; diese enthalten aber Rechtsnormen für die kaiserlichen Beamten, gehören also zum S t a a t s r e c h t und können daher für das intertemporale P r i v a t r e c h t in keiner Weise verwandt werden. Schon BELVISO hebt unter den Gesetzen besonders hervor die sog. annullatorischen und konfirmatorischen. Beiden räumt er grundsätzlich ohne weitere Unterscheidung rückwirkende Kraft ein, während scharf unterschieden werden muß zwischen annullatorischen Rechtsordnungen und annullatorischen (negativen) öffentlichen Willensthatbeständen. 1 Erstere heben die R e c h t s s ä t z e der alten positiven Rechtsordnung auf, letztere suspendieren bloß deren W i r k u n g e n . Erstere haben nur dann rückwirkende Kraft, wenn die Voraussetzungen der neueren intertemporalen Rechtsregel vorliegen; letztere fallen überhaupt nicht unter da3 intertemporale Recht. Analog muß man bei den konfirmatorischen Gesetzen unterscheiden. Entweder sie sind wirkliche Rechtsordnungen, welche neue Rechtssätze aufstellen oder sie sind öffentliche positive Willensthatbestände, welche in abstrakter Weise Thatbestände gewisser Art, die nach der alten Rechtsordnung ungültig sind, für gültig erklären, also nur die Wirkungen der Rechtssätze der alten negativen Rechtsordnung für diese Klasse von Thatbeständen suspendieren. Die konfirmatorischen Gesetze der ersten Art haben nur dann rückwirkende Kraft, wenn die Voraussetzungen der Ausschließlichkeit erfüllt sind. — Ausschließlichkeit legt BELVISO auch den Gesetzen bei, die eine Lücke ausfüllen, den „constitutiones quae addendo procédant." Schon nach der alten langobardischen intertemporalen Rechtsregel hatte ein derartiges Gesetz rückwirkende Kraft, falls die alte Rechtsordnung ein einheitliches Ganzes bildete. 2 BELYISO kennt diese letztere Voraussetzung nicht, verlangt vielmehr nur, daß die Thatbestände der Vergangenheit undeutlich oder zweifelhaft sind. Wenig Wert hat die quaestio tertia und deren Lösung. Es ist schade um die Geisteskraft, welche BELVISO verwandt hat, um fünfzehn Gründe für ihre Bejahung hervorzubringen. Unter ihnen befinden sich jedoch, wie kaum anders zu erwarten, eine Reihe von Trugschlüssen schlimmster Art. 3 Anzuerkennen ist jedoch, daß BELVISO in der solutio eine im allgemeinen befriedigende Antwort gefunden hat; nur berührt uns fremdartig die Gegenüberstellung von privaten Willenserklärungen („ab homine") und von Erklärungen des Gesetzgebers. Diese Hineinziehung von Rechts1

S. oben § 7, S. 57 fg. S. oben § 20, S. 147. S. insbesondere den ersten, siebenten und achten Grund für Bejahung der Frage. Aber auch unter den Bejahungagründen der ersten und zweiten Frage finden sich solche, vgl. z. B. den dritten Grund der ersten Frage. 2 8

264

FELLINÜS MAKIA

SANDAEUS.

geschäffcen an Stelle der Rechtsordnungen in die Betrachtungen des intertemporalen Privatrechtes begegnet uns auch in späteren Abhandlungen. Sie beruht auf dem Mangel einer scharfen Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Willensthatbestand einerseits und Rechtsordnung andererseits. Die vom Verfasser angeführten, mit anerkennenswertem Fleiße gesammelten Quellenstellen haben demgemäß mit dem intertemporalen Privatrechte, welches die zeitliche Herrschaft der Rechtsordnungen regelt, nichts zu thun, sondern beziehen sich lediglich auf Rechtsgeschäfte. 1 Auch die Lehre von den wohlerworbenen Rechten macht sich in der Darstellung bereits bemerkbar und zwar im zehnten Grande zur Bejahung der zweiten Frage: quotiens ex electione veteri lege ius aliquod acquisitum est constitutione nova revocari non debetur. Der Einfluß ist zwar noch kein großer; ein Beweis, daß wir im Zeitalter des BELVISO den Beginn dieser wichtigen Lehre zu suchen haben. Betrachten wir sein Werk im Verhältnis zu der Zeit und zu der Entwickelungsstufe der damaligen Rechtswissenschaft, so dürfen wir es als das Beste bezeichnen, was im lb. und 14. Jahrhundert für das intertemporale Recht hervorgebracht wurde und hervorgebracht werden konnte.

II. § 44.

FELLINUS MARIA SANDAEUS.

Vorbemerkungen zur Darstellung seiner Abhandlung über das intertemporale Privatrecht.

Dreierlei Schwierigkeiten sind bei der Feststellung des Inhaltes einer rechtswissenschaftlichen Schrift des Mittelalters zu überwinden. Einmal die Abkürzungen der Textworte; àie Buchdrucker des 16. Jahrhunderts hatten es zu einer Art lateinischer Kurzschrift gebracht. Zur Lösung dieser Schwierigkeiten ist uns kein Hülfsmittel bekannt; doch sind die Abkürzungen bei tieferem Eingehen aus dem Zusammenhange zu verstehen. Dann die abbreviaturae doctorum et librorum, d. h. Kürzungen des Namens der Schriftsteller und ihrer Schriften. Dafür kannte das Mittelalter zahlreiche Hülfsmittel, 2 wovon das wichtigste der sog. modus legendi ist. Die meisten Namen der Schriftsteller, welche FELLINTTS anführt und abkürzt, sind mit Sicherheit wiederherzustellen; nur wenige zweifelhaft. So erwähnt F. häufig einen „ab." oder „abb." Es kann das 1 Bei der Anführung von Quellenstellen verrät BELVISO eine große Belesenheit, insbesondere in den Novellen. Sie sind auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, richtig angeführt, allerdings in der für uns unbequemen Art jener Zeit, während sich hierin bei FELLINÜS eine gewisse Flüchtigkeit bemerkbar macht. * Vgl. hierzu die Ubersicht bei STINTZING, Gesch. der pop. Litteratur. 1867, S. 7—29.

§ 44. Vorbemerkungen z. Darst. seiner Abhandl. üb. d. intert. Privatrecht.

265

wohl nichts Anderes bedeuten als Abbas. 1 Dabei sind nun wieder zwei Möglichkeiten: Entweder meint F. den älteren, sog. abbas antiquus, der in den Werken vom Ende des 13. Jahrhunderts an als abb. citiert wird. Derselbe stammt wahrscheinlich aus Frankreich, hat aber unzweifelhaft in Bologna studiert und gelehrt. 2 Von ihm sind folgende drei Werke: 1. lectura sive apparatus ad Decretales Gregorii IX; 2. lectura in Constitutiones Innocentii IV. und 3. distinctiones. Oder er will damit den sog. abbas modernus oder abbas Siculus bezeichnen, der von seinem Bistum auch schlechthin Panormitanus genannt wird ¡und 1453 gestorben ist. Sein Hauptwerk, das hier in Betracht kommen kann, ist seine lectura in Decretales; daneben noch die lectura in Sextum und die lectura in Clementinas. Es spricht nun folgender Grund dafür, daß F. den letzteren meint. Der abbas antiquus wurde seit dem Auftreten des Panormitanus immer mit dem Beisatz antiquus angeführt. F. überlebte PANORMITANUS um ein halbes Jahrhundert, mußte also, wenn er den älteren abbas meinte, den Beisatz antiquus bei dessen Anführung hinzufügen. Es ist nicht anzunehmen, daß F. den großen Juristen PANORMITANUS und dessen Schriften nicht gekannt habe, da ihm ja, wie bereits erwähnt, die reichhaltigste Bibliothek zur Verfügung stand und er gerade in der Kenntnis der Litteratur seine glänzendste Eigenschaft bekundete. In der That bestätigt sich auch unsere Mutmaßung, indem die Anführungen des F. aus den Werken eines abb. vollständig mit denen des ABBAS PANOEMITANUS übereinstimmen. Z. B. das Citat des cons. 84, welch' letzteres für eine Frage des mittelalterlichen intertemporalen Privatrechtes von großer Bedeutung ist, ob der princeps ein ius quaesitum iuris divini sive gentium durch seine Gesetze aufheben könne oder nicht. — Ein zweite, sehr zweifelhafte Anführung ist diejenige des Card, mit dem Beisatz d. = dominus. Dieser Ausdruck dominus war technisch für die Legisten und bedeutet so viel wie doctor, während die Kanonisten als doctores bezeichnet wurden. Besonders war dominus der Titel der frühesten Professoren zu Bologna. 3 Kardinäle unter den Kanonisten waren nun folgende: GOFREDUS DE THRANO,

GUILIELMUS PETRI

DE GODINO,

PETRUS BEETRANDUS,

CISCUS DE ZABARELLIS und eine Reihe anderer Kanonisten.

4

FRAN-

Es ist jedoch

höchst wahrscheinlich, daß der Card, des F . FRANCISKUS DE ZABARELLIS ist; dieser wird häufig als cardinalis oder als cardinalis Florentinus an-

1

Es sind mehrere Kanonisten Äbte gewesen. So auch GUILELMUS DE MONTE , der Abt des Benediktinerklosters Moustier-Neuf in Poitiers war, später Professor in Toulouse, gestorben 1343. F. führt ihn nicht als abb. an, sondern als Gul. de monte Lauduno; sein französischer Name war wahrscheinlich Guillaume de Montlezun; s. R I V I E R , Zeitschr. f. Rechtsgesch. 11, S. 460. S . auch SCHULTE, a. a. 0 . II, S. 197. LAUDUNO

und

8

Vgl.

3

S.

SCHULTE, a . a .

SAVKJNY,

SCHULTE, a . a . 0 . 4

0.

II,

S.

130.

Gesch. des Köm. Rechtes im Mittelalter III,

S . SCHULTE, a .

S. 82, a.

0.,

Anm.

7.

S. 460.

S.

171 und 205

266

FELLINUS

MARIA

SANDAEUS.

geführt.1 Seine Hauptschrift, die hier einschlägt, sind die commentaria in V libros Decretalium; daneben noch die lectura super Clementinis. — Zweifelhaft ist auch ein Schriftsteller, den F. als Dom. anführt. Mehrere Gründe sprechen dafür, daß Dominicus de S. Geminiano damit gemeint ist. F. nennt ihn oft neben ANTONIUS DE BUTBIO, der dessen Lehrer war. Außerdem besaß F. dessen Hauptwerke in seiner Bibliothek.2 Diese Hauptwerke sind: Commentarius in libros Decretalium; Commentarius in Sextum; Summulae et divisiones Decretalium sive synopsis und etwa noch super distinctionibus Decreti. I m Jahre 1417 war er Yikar des Bischofs von Modena. Keinesfalls meint hier F. den Dominicus dominici, den Verfasser der summa dictaminis. — Unsicher erscheint ferner die Persönlichkeit eines Im. oder eines Imo. Es können damit zwei Schriftsteller bezeichnet sein: JOHANNES DE (AB) IMOLA (gest. 1436); seine hierher gehörigen Hauptschriften sind: Kommentare zu den Dekretalen, dem Sextus und den Clementinae, welche höchst fleißige, aber nicht hervorragende Leistungen sind.3 Andererseits ALEXANDER DE IMOLA (TARTAGNUS), gest. 1477. Seine kanonistischen Werke sind: lectura super I I I Decretalium und consilia; außerdem schrieb er noch, was hier in Betracht kommt, lecturae in Digestum vetus, infortiatum, novum et in Codicem. Hiervon besitzen die consilia grossen Wert und wurden sehr häufig gebraucht.4 Folgende Gründe sprechen nun dafür, daß, wenn F. einen Im. anführt, er den ALEXANDER DE IMOLA, S. TARTAGNUS im Auge hat. In einer Randbemerkung am Eingange seiner Abhandlung verweist er den Leser in Ansehung der vorliegenden Materie hauptsächlich auf ALEX, DE IM. (gleich ALEXANDER DE IMOLA) zur lex omnes populi {fr. 9 de iust. et iur. 1, 1), zur lex illicitas [fr. 6 pr. de of. praes. 1, 18), zur lex cum lex {fr. 22 de legib. 1, 3) und im consilium 79, pars 4. Der zweite Grund, der dafür spricht: F. nennt einmal ausdrücklich Jo. DE IMO., während er sonst nur Im. oder Imo. anführt; daraus geht hervor, daß im Zweifel ALEXANDER TARTAGNUS (DE IMOLA) gemeint ist und nur, wenn ausdrücklich das Gegenteil gesagt wird, JOHANNES DE IMOLA. — F. führt auch einen Schriftsteller cal. an. Es ist nun eine doppelte Möglichkeit Möglichkeit vorhanden. Entweder meint er damit JOH. CALDERINUS (geb. ausgangs des 13. oder anfangs des 14. Jahrh., gest. 1365) oder dessen Sohn CASPAR CALDERINUS senior (1345—1399). Da nun aber die Verdienste des Vaters als Lehrer und Schriftsteller von den Zeitgenossen und Späteren sehr gerühmt werden,6 und außerdem die consilia des Sohnes meist verbunden mit denen des Vaters in Handschriften und Ausgaben vorkommen, so müssen wir annehmen, daß F. den JOH. CALDERINUS

1

Vgl.

SCHULTE,

a.

a.

0.,

S. 283,

Anm.

2

Vgl.

SCHULTE, a .

a.

0.,

S. 294,

n. 4

3

Vgl.

SCHULTE,

a.

a.

0.,

S. 298.

4

Vgl.

SCHULTE,

a.

a.

0.,

S . 320.

5

Vgl.

SCHULTE,

a.

a.

0.,

S . 249.

u.

6.

§ 45. Darstellung d. Abhandlung von

FEILINUS

über d. intert. Privatrecht.

267

meint. — Fraglich ist ferner, wie der Name des Schriftstellers lautet, den F. als Arch. anfährt. Nach dem „reportoreum aureum"1 ist es ein Schriftsteller, namens GUIDO, „qui facit rosarium super Decreto." Es ist dies offenbar GUIDO DE BAYSIO, wahrscheinlich um 1 2 5 6 geb. und 1 3 1 3 gest. Seine Hauptschrift „apparaius ad Decretum" ist von ihm selbst „rosarium" genannt. In der Widmung hierzu nennt er sich selbst „archidiaconus".2 — Zweifel könnte auch der Name Fin. bald Finc. erregen. Es giebt einen YINCENTIUS BELLOVACENSIS; derselbe kommt jedoch nicht als Kanonist in Betracht, denn er selbst hat nichts Juristisches geschrieben, wohl aber als Sammler. 3 Es kann daher nur VINCENTIUS HISPANUS sein, welcher wahrscheinlich in den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jahrh. blühte. 4 Die dritte Schwierigkeit endlich bieten die Anführungen der Quellenstellen dar. Bekanntlich werden die fragmenta, constitutiones, titula, authenticae (Novellen) capita, canones, distinctiones nur nach den Anfangsworten angeführt; ebenso die etwa vorkommenden Paragraphen, so daß es für einen in den alten Quellen weniger belesenen modernen Schriftsteller oft recht mühselig und zeitraubend ist, die einschlägige Quellenstelle aufzufinden. Für das corpus iuris canonici bietet ein treffliches Hilfsmittel hierzu der Index capitulorum et titulorum omnium in der Ausgabe des C. I. C. von CHBISTOPH. H E N E . FKEIESLEBEN von 1 7 5 7 (Coloniae Munatianae). Dagegen fehlt es leider an einem entsprechenden neueren Index der leges und Paragraphen des corpus iuris civilis; die MoMMSEN'sche Ausgabe hat nur einen Index titulorum, die Ausgabe der Novellen von SCHÖLL und K B O L L besitzt nicht einmal ein Verzeichnis der Novellentitel (!). Die folgende Darstellung hält sich möglichst eng an die Quelle, nur hin und wieder waren einige kurze Erläuterungen nicht zu umgehen. 5 § 45.

Darstellung der Abhandlung von Feilinus über das intertemporale Privatrecht.

In der Einleitung weist F. auf die Verdienste seiner Vorgänger hin, insbesondere auf diejenigen von BAETOLUS, der meisterhaft über diesen 1

Gedruckt im Jahre 1510 in Oppenheim.

9

Vgl.

SCHULTE, a . a . O . ,

3

Vgl.

SCHULTE, a . a . 0 .

4

S. 186 II,

u. fg.

S. 120.

Vgl. SCHULTE, a. a. O. II, S . 191. Er war von Geburt Spanier und hörte in Bologna, bei ACCUBSIUS, römisches Recht; seine Lehrer im kanonischen Rechte sind nicht festzustellen. 5 Aus der beinahe wörtlichen und daher etwas umfangreichen Wiedergabe soll in erster Linie ein getreuer Spiegel der intertemporalrechtlichen Litteratur des 15. Jahrh. erstehen; daneben aber auch eine eigenartige Ergänzung zu meinen Ausführungen über das römische und kanonische intertemporale Privatrecht; s. oben § 22, S. 153 Anm. 1.

268

FELLINUS MARIA

SANDAEUS.

Gegenstand geschrieben habe; 1 bekundet dann die Absicht, die intertemporale Rechtsregel „constitutio futwra respicit et non praeterita nisi de praeteritis in ea caveatur" systematisch zu behandeln, indem er die gesamte bisherige Litteratur auf e i n e Rechtsregel zurückführen will, mit vier Ergänzungen (ampliationes) und zehn Ausnahmen (fallentiae). Ausdrücklich hebt er hervor, daß dies sein Werk insofern einen großen Wert besitze, als die einschlägige Litteratur in hohem Maße durcheinander geworfen und zerstreut sei. Die einheitliche Regel ist die oben bereits formulierte, mit welcher die Glosse, dann der Dekretalist H o s t i e n s i s in seiner Summa super titulis decretalium tit. de Constitution. § quoniam constitutio i. f.* übereinstimmen. — E r s t e Ergänzung: selbst, wenn die ratio legis schon vor einem Verbotsgesetze bestehe, so kann es trotzdem nicht auf die Vergangenheit zurückgezogen werden. 3 F. betont dann den Unterschied zwischen den authentischen Interpretationen, die rückwirkende Kraft haben, weil sie sich auf altes, bereits begründetes Recht beziehen und Prohibitivgesetzen, welche von Grund aus neues Recht schaffen, selbst wenn die ratio legis schon vorher bestand. Damit will er auch den Unterschied zwischen seiner ersten ampliatio und der zweiten fallentia festgestellt haben. — Z w e i t e Ergänzung: selbst, wenn das Gesetz oder das Statut die konjunktive Form anwendet, welche sich sowohl auf die Vergangenheit als auf die Zukunft beziehen könnte, ergreift es doch nur die Zukunft. 4 F. wendet sich gegen Cynus, welcher behauptet, daß konjunktive Ausdrücke des Gesetzes sich bald nur auf die Vergangenheit, bald nur auf die Zukunft beziehen, je nachdem es der unterworfenen Materie am besten angemessen sei. 5 F. erweitert diese Ergänzung durch den Satz, daß selbst, wenn ein Gesetz eine Auslegung der alten Rechtsordnung enthalte, jedoch in seiner Vorrede sich selbst als neues bezeichnet

1

qui magistraliter scripsit in lex „omnes populi11 vers. 5 ( f r . 9 de iust. et iure 1, 1). 2 Uber dieses Werk und dessen Handschriften s. SCHULTE, a. a. 0. 125 u. fg. n. 20; er schrieb dasselbe zwischen 1250 und 1261. 3 In Ubereinstimmung mit ihm BALDUS DE UBALDIS (gest. 1400) und BARTHOLOMAEUS DE SALICETO (1363 Professor in Bologna, gest. 1412) in ihren Commentaren ad Codicem. 4 In Übereinstimmung mit PANORMITANUS in seiner lectura in Beeretales zu diesem Dekret in no. 3 und BARTOLDS zur lex omnes populi eit. und INNOCENTIUS I V . zur c. 36 X. de testibus 2, 20, wo er sich über die Natur des Konjunktivs ausläßt; vgl. auch CARD, an dieser Stelle; ferner BALDUS ZU C. 7 de legibus 1, 1 4 , wo er sagt, daß der Konjunktiv der Zukunft in Statuten als einfache Zukunft aufzufassen sei, was auch die Glosse bemerkt zu fr. 72 § 8 de condit. et demonstr. 35, 1. 5 Gegen diese Ansicht sprachen sich auch aus BARTOLUS ZU fr. 9 de instit. et iure eit. und A L E X . IMOLA, welcher hier behauptet, daß bei jedem Zeitwort, welches geeignet wäre, Vergangenheit nur Zukunft zu bezeichnen, bloß die Zukunft anzunehmen sei, weil bei Gesetzen die Auslegung nur die Zukunft zu berücksichtigen habe; ebenso die Glosse zu e. 2 VI. de constitut. 1, 2 und zu e. uv. VI. de eleric. non resident. 3 , 3 und ebenso DOMINICUS DE S . GEMINIANO in seinem Kommentar zu diesem Text.

§ 45.

Darstellung d. Abhandlung von

FELLINÜS

über d. intert. Privatrecht.

269

oder eine neue Strafe einführt, es doch keine rückwirkende Kraft habe.1 — Dritte Ergänzung: wenn das Gesetz ein Zeitwort der Vergangenheit gebraucht, so darf es nicht auf Thatbestände der Vergangenheit, sondern nur auf solche der Zukunft bezogen werden.2 — Vierte Ergänzung: selbst wenn die Wirkung eines Thatbestandes der Vergangenheit noch in die Zukunft fortdaure, so finde doch die neue Rechtsordnung auf ihn keine Anwendung, insofern er ein vollendeter sei (quia si actus est perfectus).3 1 Diese letztere Erweiterung bezieht sich aber nur auf Strafgesetze, nicht auf privatrechtliche. In Übereinstimmung mit F. sind die Glosse zum e. unic. oit., und DOM. Die weiteren Ausführungen über diese Ergänzung haben für das intertemporale P r i v a t r e c h t keinen Wert. a Für diese ampliatio stützt sich F. auf Bart, zu fr. 4 de of. praes. 1, 18, wo derselbe erklärt, natura legis est ad futura trahi et non ad praeterita, obschon das Statut bestimmte, da$ venditiones faetaeper minores anfechtbar seien. Ferner auf IMOLA, e. 5 Cl. de rescr. 1, 2, J O H A N N E S A N D R E A E und D O M . in c. 5 VI. ne aliquid de privatis 5, 7. Ferner auf BAL. e. 19 de saerosanet. eccles. 1, 2, welcher das Beispiel anführt, daß, wenn ein Statut bestimmt: ein innerhalb 6 Monaten nicht insinuiertes Testament soll nichtig sein, so könne doch aus einem Testament der alten Rechtsordnung geklagt werden, weil dasselbe von Anfang an Gültigkeit habe: lieet accidentaliter posset annullari"; es ist dies eine Anwendung des Satzes Kaiser Alexanders; s. oben § 5 S. 48; vgl. auch noch BALDUS ZU fr. 47 de solut. matrim. 24, 3. Die übrigen Ausführungen von F. zu dieser ampliatio gehören dem intertemporalen S t r a f recht an. 8 Stützt sich zunächst auf e. 29 (§ 7) de testam. 6, 23, wo die Form, welche von der neuen Rechtsordnung den Testamenten vorgeschrieben wird, sich nicht auf die bereits errichteten ausdehnt, obgleich sie sich bis zum Tode des Testators in der Schwebe befinden; in Ubereinstimmung mit A B B A S (PANORMITANUS) und A N G E L U S (ein Bruder von B A L D U S ) ZU der Auth. 111 {Nov. 115) praefatio, Satz adverte pro deelaratione; über dieses Beispiel ergeht er sich kurz nachher in dem Satze: sed ad inteUectum. — F. wendet die vierte Ergänzung zur Enscheidung einer Streitfrage zwischen BAKTOLUS und IMOLA an, die für den Geist jener Epoche zu bezeichnend ist, als daß wir sie hier unterdrücken könnten. Wenn nämlich ein Statut als neuen Rechtssatz einführt, daß der Ehemann die Hälfte der dos erhalten solle, falls die Ehe durch Tod der Frau aufgelöst werde und keine Kinder vorhanden seien, so entsteht die Frage, ob dieser Rechtssatz auch für denjenigen Ehemann gelte, der vor Erlaß des Statutes die Ehe eingegangen sei, wenn nach dessen Erlaß die Ehe durch Tod der Frau aufgelöst wurde. Die Frage bejaht BABTOLUS ZU fr. 9 de iust. et iur. 1, 1, weil eben der Tod der Frau n a c h Erlaß eingetreten sei. IMOLA dagegen verneint diese Frage; denn unter der alten Rechtsordnung hätte die Dotalbestellung stattgefunden, woraus den Erben der Frau ein wohlerworbenes Recht (quaesitum im) auf Rückgabe der dos nach Auflösung der Ehe erwachsen sei; und daher dürfe die neue Rechtsordnung ein von einem Dritten erworbenes Forderungsrecht nicht aufheben, obgleich es bis jetzt noch keine Wirkung hatte. IMOLA stützt sich dabei auf Innocentius I V . e. 15 X. de majoritate et obedimtia 1, 33, wo er sagt, daß die durch den Pabst vor jenem Dekret mit einem höheren ordo Bekleideten vorgehen, obgleich die Einkünfte {praebendae) erst nach jenem Dekret ausbezahlt werden. In der That unterstützt diese Quellenstelle die Ansicht von I M O L A ; denn obgleich die Präbenden erst nach der neuen Rechtsordnung erlangt werden, so liege doch bereits ein wohlerworbenes Recht auf sie vor, welches hervorging aus der Aufnahme unter die canonici; ferner auf c. 12 VI. de praeb. et dignitat. 3, 4. Zur Unterstützung der Ansicht

270

FELLINUS MARIA

SANDAEUS.

Es folgen nun die zehn Beschränkungen der Hauptregel, welche F. als fallentiae

bezeichnet.

Erste fallenüa:

wenn die neue Rechtsordnung

ausdrücklich (nominatim) über die vergangenen Thatbestände verfügt, wie dies in der Clem. 2 de iudiciis 2, 1 geschehen ist.

Diese Beschränkung

von IMOLA führt F . noch an die Glosse zu c. 1 6 X. de eonvers. eonjug. 3 , 3 2 ; doch handelt es sich hier nicht um eine Rechtsordnung, sondern um die Wirkung des Eintrittes in ein Kloster: immerhin sind für die Lehre vom ins quaesitum die Worte von Belang: quia ante ingressum erat quaesitum ins muMeri ex adulterio mariti et ideo per ingressum non tollitur. F. findet sich hier in Übereinstimmung mit DOM., Jo. A N D E E A E , Jo. DE L I G N A N O und IMOLA ZU e. 2 VI. de eoncess. praeb. et eccles. non vae. 3 , 7 und mit Jo. DE IMOLA in eod., wo er sagt, daß, wenn eine constitutio zukünftige Verleihungen für nichtig erklärt, sie nicht imstande sei, bereits geschehene, aber noch nicht ausgeführte rückgängig zu machen: quia eonstitutio nova non ineludit actum de praeterito habentem exeoutionem de futuro. Vgl. diese Quellenstelle zu c. 15 X. de maj. et oboed. 1, 33 cit. — Schon der Glossator JOHANNES MONACHÜS (gest. 1 3 1 3 ) hatte die richtige Ansicht, wonach die neue Rechtsordnung die bereits entstandene Obligation der Erben der Frau auf Rückgabe der dos nicht rückgängig machen könne: quod promissio facta per recipimtem dotem de restitumdo eam in easu soluti matrimonii non debet vitiari ex supervenientia statuti; licet effeetus promissionis sequi habeat statutum, quia iam obligatio nata est. F. führt zum Beweise seiner Ansicht noch eine Reihe von Quellenstellen an, wonach durch Veränderungen der thatsächlichen Verhältnisse ein wohlerworbenes Recht nicht rückgängig gemacht werden kann; so fr. 2 de manumiss. 40, 1; ferner fr. 34 de rit. nupt. 23, 2; fr. 2 de itin. actuque priv. 43, 19: nee enim eorrumpi aut mutari, quod recte transactum est, superveniente delicto potest. Er macht sich darüber keine Gewissensbisse, ob man Veränderungen t h a t s ä c h l i c h e r Verhältnisse mit der Veränderung der Rechtsordnung gleichstellen könne. P E T R U S DE ANCHARANO (geb. um das J. 1 3 3 0 , gest. i. J. 1 4 1 6 . Er genoß einen europäischen Ruf. Die wichtigste Schrift sind seine Gonsilia, welche ein enormes Ansehen gehabt haben. S . SCHÖLTE, S . 2 7 8 u. fg.) folgt der Ansicht von BARTOLUS, com. 1 1 8 ; in der Heidelberger Inkunabel cons. 1 2 5 . Er behandelt folgendes Beispiel: Jemand ist Subjekt einer Emphyteuse; nach der alten Rechtsordnung findet der Erbgang in die Emph. sowohl für männliche als auch für weibliche Nachkommen statt; durch die neue Rechtsordnung werden aber weibliche Nachkommen für erbunfähig erklärt. Nach seiner Ansicht sind nun die unter der a l t e n Rechtsordnung geborenen weiblichen Nachkommen vom Erbgang in die Emphyteuse ausgeschlossen, wenn der Vater n a c h dem Erlaß der neuen Rechtsordnung verstorben ist: quia effeetus rei ante statutum inchoatae perficitur post statutum. F. hält aber die Meinung von Jo. DE IMOLA auch in diesem Falle für die richtigere und behauptet, daß die Töchter ein festes ius quaesitum haben und zwar schon zu Lebzeiten des Vaters. F. stützt sich auch noch auf BAR. ZU fr. 7, § 6 de operis libert. 38, 1, welches aber wiederum keinen intertemporalen Charakter hat, sondern Änderungen thatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art (Testament) ins Auge faßt. Dagegen giebt F. zu, daß, wenn ein Testator unter der alten Rechtsordnung ein Testament errichtet und nach Erlaß der neuen Rechtsordnung stirbt, sein Testament nur dann in Kraft bleibe, wenn er infolge Krankheit verhindert war, sein Testament gemäß den Bestimmungen der neuen Rechtsordnung zu ändern, anderenfalls sei das Testament ungültig. A . M. ist A N G E L U S ZU der Nov. 66 (Auth. 68) § 2. Als Gründe für seine Meinung führt F. fr. 10 de iure eodieilL 29, 7 an und den bekannten Satz: voluntas testatoris est ambulatoria usque ad mortem. Daraus will er schließen, daß mit Hinblick auf den Zeitpunkt des T o d e s des Testators das Testament nach der neuen Rechtsordnung errichtet

§

45.

Darstellung d. Abhandlung von

FELLINUS

über d. intert. Privatrecht.

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l i i d ihrerseits wieder auf sechsfache Art begrenzt. 1. Die Ausschließlichkeit findet nicht statt in Ansehung bereits erledigter Thatbestände (negotia iam decisa).1 Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber bereits erledigte Sachen habe widerrufen wollen. 2 Welche Thatbestände gelten nun aber als erledigt? Nach BABTOLUS ZU fr. 2 § 4 7 de Sc. Tertull. 38, 17 ist ein praeteritum decisum eine Erbteilung; vgl. Aov. 115 praef. (Auth. 111); und zu fr. 9 de iust. et iure 1 , 1 ein geschworener Eid oder ein Vergleich. 3 — In zwei Fällen werden aber bereits erledigte Thatbestände doch von der neuen Rechtsordnung ergriffen: Erstens, wenn die neue Rechtsordnung sagt, daß alle vergangenen Thatbestände als nichtig, pro infectis, zu betrachten seien. 4 Die herrschende Meinung schränkt aber diese ausgedehnte Rückwirkung einer neuen Rechtsordnung ein auf das ius positivum. Nur im Gebiete des ius positivum dürfe der Gesetzgeber die Thatbestände ex tunc vernichten, dagegen nicht im Gebiete des ius divinum oder ius gentium.5 worden sei. Das angezogene fr. spricht nicht für seine Meinung und der citierte Satz ebenfalls nicht; doch darüber später. Die von ihm cit. e. 29 de testarti. 6, 23 spricht auch nicht für ihn; im Gegenteil verordnet § 7 derselben, daß die Novelle nur für die Testamente gelte, welche nach Erlaß derselben errichtet werden, nicht für die vor derselben: quid enirn antiquitas peccavit, quae praesentis legis inscia pristinam secuta est observationem? A N G E L U S zur Nov. 115 (Auth. 111) ist derselben* Meinung wie F. Im übrigen verweist F. auf seine Ausführungen in der 5. fallentia. 1 e. 16 de transaet. 2, 4. 2 Vgl. c. 3 X. de decimis 3 , 3 0 . Auch B A B T O L U S ZU e. 3 sent. rese. 7 , 5 0 ; ebenso A B B A S (PANOBMITANÜS) ZU C. 2 Gl. de sepulturis 3 , 7 ; nach ihm gehören zu den praeterita nicht diejenigen pacta, über welche ein Urteil und eine confirmatio apostolica ergangen ist. Nach CARD, genügt auch ein bloßes Urteil. A B B A S sagt zu c. 8 X. de eonsanguin. et affin. 4, 14, daß die durch die aufgehobene Rechtsordnung verursachten Wirkungen nicht widerrufen werden und daher erlange ein gemäß der alten Rechtsordnung Exkommunicierter durch die neue Rechtsordnung keine Absolution. So auch DOM. ZU C. 1 VI. de eonstit. 1, 2. 3 e. 1 6 de transaet. 2 , 4 ; so auch A N G E L U S in cons. 5 3 , I , n. 9 . 4 So in e. 1 Gl. de immun, eccles. 3, 17: quid ex his secutum est vel ob eas penitus revocamus et eas haberi volumus pro infectis. S. die Glosse zum Satz in infectis. Ebenso P E T . DE ANCHARANO in seiner repetitio canonum statuta de eonstitulionibus\ die Stelle lautet: sed licet ista sii communis doctrina et vera (er meint die intertemporale Rechtsregel, daß die Gesetze keine rückwirkende Kraft haben), tarnen quamquam etiam ad praeterita iam decisa trahitur nova eonstitutio ipsa prorsus irritando, quia magna est potestas papae circa illa quae simplieiter sunt de iure positivo, quia revocai illa ut ex tune secus videtur in his quae rum sunt iuris positivo sed iuris divini vel gentium, illa enim non revocai, ut ex tunc sed ut ex nunc. 6 F. stützt sich hier auf e. 13 X. qui filii smt legitimi 4, 17; ferner auf c. 2 Gl. de sepulturis 3, 7. Gleicher Meinung sind C A R D . , IMOLA und A B B A S ZU e. 3 X de rescriptis 1, 3; s. auch C A R D , ZU e. 1 § 1 kaerel. 5, 3; ferner P E T . DE A N C H A R . in seinem cons. 137 [143 im Heidelberger Exemplar (Inkun.)] pro domina Paula gegen Ende (ein Gutachten); ferner A B B A S C. 13 X I , 3 cit. und c. 41 X. de seni, exeum. 5, 39 und c. 7 X. 1, 2 und DOM. nach Jo. A N D R E A E zu e. 47 VI. de eleet, 1, 6 und A B B A S ZU e. 8 X. de consang. et affin. 4, 14 und zu e. 53 § 1 X de

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FELLIXUS MARIA

SANDAEUS.

Eine große Streitfrage bestand unter den Dekretalisten, ob eine neue Rechtsordnung, die sich rückwirkende Kraft beilegt, auch das wohlerworbene Recht eines unbeteiligten Dritten aufheben könne. 1 Zweitens, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich erklärt, daß die neue Rechtsordnung auf bereits erledigte Thatbestände der Vergangenheit ausgedehnt werden müsse. 2 Aber auch hier verlangt F. zur Aufhebung eines ius tertii eine causa rationabilis. Er verwirft jedoch die Meinung des B a b t o l i t s , daß man unterscheiden müsse zwischen einer constitutio und einem rescriptum, welch' letzteres nicht imstande sei, das Recht eines Dritten aufzuheben, falls eine causa rationabilis vorliege, vielmehr könne der princeps durch ein Reskript kraft seiner plenitudo potestatis das Recht eines Dritten aufheben. 3

appell. 2, 28 und DOM. ZU e. 1 VI. de constitut. 1, 2, wo er sagt, daß der unter der alten Rechtsordnung Exkommunicierte bei einer derartigen Rückwirkung der neuen Rechtsordnung Absolution erlange. CALDERINUS zum Titel de rescriptis X. X, 3 cons. 12, beginnend an si oppmiittir erklärt, daß, wenn Ehehindernisse durch das positive Recht eingeführt worden seien, der Pabst sie durch seine bloße Willkür nicht aufheben könne; wohl aber könne er durch ein Reskript ihre Wirkungen auch für die Vergangenheit aufheben. 1 Im verneinenden Sinne sprachen sich aus: C A R D , ZU C. 22 X. de accusat. etc. 5 , 1, wo er die Ansieht von CALDERINUS dahin einschränkt, daß die neue constitutio nicht imstande sei, das wohlerworbene Reeht eines Dritten aufzuheben; denn wenn der Pabst durch einen Erlaß einen Thatbestand für null und nichtig erkläre, so sei das so zu verstehen, unbeschadet des wohlerworbenen Rechtes eines Dritten, falls dasselbe mit dem Thatbestand in nahem Zusammenhang stehe. Ihm folgt Jo. DE A N A N I A . Entgegengesetzt seiner eigenen Meinung behandelt CARD, den Fall, daß ein prineeps einen Verbannten in integrum restituiert und ihm auch alle seine Güter zurückgiebt, indem er die Konfiskation und Verkäufe derselben durch den Fiskus für nichtig erklärt; in diesem Falle wird das ius quaesitum eines Dritten, nämlich des Käufers verletzt. So C A R D , ZU e. 5 X. de elect. 1, 6 . IUOLA will ihm aber eine Regreßklage gegen den Fiskus geben. So gelangt also auch C A R D , in seinem letzten Ausspruch zu dem Ergebnis, daß selbst zum Schaden eines Dritten ein Gesetz die Thatbestände der Vergangenheit vernichten könne. Vgl. noch A B B A S , cons. 84, ine. illud in summa.: de iure quaeritur, Satz non ob. quod medio tempore. F. selbst schließt sich der Meinung an, die C A R D , ZU C. 22 X. de aceusationibus 5, 1 ausgesprochen hat, bezw. der Meinung von IMOLA, welcher in Bezug auf c. 5 X. de eleet. 1, 6 dem Dritten, dessen ius quaesitum verletzt wird, eine Regreßklage gegen den Fiskus giebt, wodurch jener schadlos gehalten wird. Diese Meinung hält er für die begründetere und billigere. Allerdings müsse das ius quaesitum des Dritten ein f e s t erworbenes Recht sein und auf entgeltlichem Titel beruhen, nicht bloß eine Hoffnung sein. Die Vermutung spreche nicht dafür, daß der prineeps das wohlerworbene Recht eines Dritten habe aufheben wollen; nur wenn er davon Kenntnis erlangt hat, könne er es mit klaren und ausdrücklichen Worten ex plenitudine potestatis aufheben; dann aber sei er verpflichtet, den Dritten auf andere Weise zu entschädigen. Diese Einschränkung des ersten Falles ist zugleich eine Einschränkung der zweiten falkntia. 1 So die Glosse zu c. 1 6 de transaet. 2 , 4 ; dann B A R T , ZU e. 6 si contra ius vel utilitat. 1, 22. 8 So auch A B B A S in breiter Ausfuhrung in seinem cons. 8 4 cit. zu der c. 1 X. de eonstit. 1 , 2 ; ferner P E T . DE A N C H A R . zu derselben Stelle.

§ 45.

Darstellung d. Abhandlung von

F E L LINUS

über d. intert Privatrecht.

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2. Die neue Rechtsordnung bezieht sich nicht auf diejenigen Thatbestände der Vergangenheit über welche zwar noch kein Urteil ergangen ist, jedoch im Prozesse die Akten geschlossen sind (conclusio causae).1 Auf diese Thatbestände bezieht sich die neue Rechtsordnung nicht, selbst wenn sie ausdrücklich die Thatbestände der Vergangenheit unter ihre Herrschaft zieht.2 — Als Hauptgrund für diese Beschränkung der rückwirkenden Kraft führt F. an, daß die Parteien durch den Aktenschluß ein ins quaesitum erlangt hätten.3 Durch den Aktenschluß vergleichen sie sich gewissermaßen und verzichten auf weiteren Beweis und weiteres Vorbringen. Trotzdem stimmt F. der Meinung I M O L A S in den Fällen zu, wo nach dem Aktenschluß noch eine Beweiserhebung zulässig ist; dann fällt der Hauptgrund dahin und die neue Rechtsordnung kann auf diese Thatbestände noch Anwendung finden.4 — 3. Ihrer Herrschaft sind nicht unterworfen diejenigen Sachen, welche in der Berufungsinstanz schweben; denn, obschon sie ausdrücklich die Thatbestände der Vergangenheit erfassen will, so erfaßt sie doch nicht jene, über welche bereits ein Urteil ergangen ist, obschon sie noch vor dem Berufungsgericht anhängig sind. Als Hauptgrund führt F. an, daß der Berufungsrichter an die Stelle des ersten Richters tritt und daher verpflichtet ist, nach derjenigen Rechtsordnung zu urteilen, welche zur Zeit der ersten Instanz noch in Kraft war.6 — Diese Begrenzung der Ausschließlichkeit bezieht sich nur auf das Recht, welches der Richter seinem U r t e i l zu Grunde legt (materielles Recht).6 Dagegen in Bezug auf diejenigen Rechtsnormen, 1 Über conclusio causae oder conclusum in causa s. c. 9 de iudiciis 3, 1; c. 2 Cl. de verb. sigrdf.; L I N D E , Civilprozeß § 219. Die conclusio causa«, ist nicht zu verwechseln mit der Litiskontestation, die in einem früheren Zeitpunkt eintritt. 2 Derselben Meinung ist CARD, auf Grund der Nov. 115 (Auth. 111) ut cum de appellationibus cognoscitur secundum illas, praefatio; dagegen IIIOLA, welcher behauptet, daß eine einzige conchisio nicht genüge. Für die Ansicht des ersteren tritt ein JOHANNES MONACHDS zu c. 2 VI. de rest. i. i. 1, 21, wo er die Behauptung aufstellt, daß der Aktenschluß und das Urteil gleichwertig sind. Ebenso BALDCS in der c. 7 de iwr. et fact. ignor. 1, 18 und zur c. 3 de interdictis 8, 1. Vgl. auch e. 8 X. auditis de proc. 1, 38 und c. 5 X de causa poss. 2, 12 und c. 9 X. de fidei instrum. 2, 22. BALDDS führt ungefähr 22 Fälle an, wo der Aktenschluß gleiche Wirkung hat, wie das Urteil. 3 Vgl. c. 16 de transaei. 2, 4. 4 Vgl. die Äußerungen der Gelehrten zu c. 9 X. de fidei instrum. 2, 22. 5 Nov. 115 (Auth. 111) praefatio und übereinstimmend alle Schriftsteller zu dieser praefatio. So auch die Glosse zu c. 14 VI. de elect. 1, 6; ferner zu c. 21 de sacrosanct. eccl. 1, 2. Dann PAULUS DE CASTBO in cons. 3 7 (in causa fortii gegen Ende). ANGELUS zur Nov. 113 (Auth. 110) cap. 2, welcher sagt, daß, wenn auch die neue Rechtsordnung über die schwebenden und zukünftigen Sachen verfüge, sie trotzdem nicht die in der Berufungsinstanz schwebenden Streitigkeiten ergreife, da ja ein Urteil bereits erlassen sei. Nur dann beziehe sich die neue Rechtsordnung auf Sachen in der Berufungsinstanz, wenn sie dies ausdrücklich erklärt, wie dies in c. 2 Cl. de iudic. 2, 1 geschehen ist. 0 So INNOCENTIUS I V . in rubr. de consuet.; ferner die Glosse, ARCH. und DOM. zu e. 4 Di. 12.

AFPOLTER , Intert. Privatrecht.

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FELLINUS M A E I A

SANDAEÜS.

welche das Verfahren regeln, gilt diese Einschränkung nicht; hier darf das Berufungsgericht nach der jetzt geltenden Prozeßordnung verfahren.1 In Ansehung der Prozeßordnung ist immer der Ort maßgebend, wo die Sache verhandelt wird.2 Daraus folgt, daß eine neue Rechtsordnung, obschon sie sich nicht auf rechtshängige Sachen bezieht, doch, soweit sie prozessualer Natur ist, sich auf dieselben ausdehnt.3 — Diese dritte Begrenzung findet jedoch nur statt, wenn die Rechtsordnung neues Recht schafft; ist sie jedoch auslegender Natur, so bezieht sie sich auch auf die rechtshängigen Sachen, jedoch nicht auf die erledigten.4 4. Die neue Rechtsordnung bezieht sich nicht auf Thatbestände der Vergangenheit, welche in der e r s t e n Instanz anhängig sind.® A B B A S jedoch verwirft diese Beschränkung, indem er behauptet, daß die lex emanat ad instantiam partis Ute pendente, namentlich wenn der Gesetzgeber proprio motu und ausdrücklich bemerkt, daß das Gesetz sich auf die Vergangenheit beziehen soll. F. verbessert ihn dahin, daß diese ausdrüchliche Heranziehung der Vergangenheit nur bei denjenigen Gesetzen notwendig sei, welche den Entscheidungen des Richters zu Grunde liegen. Beziehe sich jedoch das neue Recht auf das Prozeßverfahren, so finde es selbst dann Anwendung, auf die erste Instanz, wenn es sich nicht ausdrücklich auf die Vergangenheit ausdehne.6 — BART, zu c. 2 1 de sacros. eccl. 1 , 2 behauptet, daß ein S t a t u t sich nicht beziehe ad pendentia in decisoriis etiäm si faciat mentionem de pendentibus; wohl dagegen eine lex communis.7 I M O L A giebt diesen Unterschied zwischen statum und lex nicht zu; auch das Statut habe geradeso rückwirkende Kraft wie ein Gesetz, falls es sich Ausschließlichkeit beilege.8 Auch nach F. stehen sich lex und statutum in in Bezug auf ihre Rückwirkung vollständig gleich. Schließe man sich der Ansicht an, daß lex oder statutum, die sich ausdrücklich auf die Vergangenheit beziehen, sich nicht auf die in der ersten Instanz schwebenden Sachen ausdehnen, so müsse man hinzufügen: in Betreff des materiellen 1

So die Glosse zu e. 1 4 VI. de eleetione 1 , 6 ; ebenso IMOLA, A B B A S und die Glosse zu c. 2 Gl. de iudidis 2, 1. 8 fr. 3 de testibus 2 2 , 5 und e. 1 de email. lib. 4 , 4 8 ; ferner A N T . DE BDTRIO und A B B A S ZU e. 6 X. de foro eompet. 3 , 3 8 . 8 Diese letzteren Ausführungen gehören zum intertemporalen Prozeßrecht. S. auch die 4. fallentia. 4 So IMOLA, gestützt auf VINCENTIÜS DE D E O . S. auch unten die dritte Begrenzung der 2. fallentia. 6 So B A B T . ZU fr. 9 de iust. et iur. 1, 1 und zur Nov. 113 (Auth. 110). 6 F . glaubt, daß dies auch die wirkliche Meinung von A B B A S und IMOLA gewesen sei; er stützt sich hierfür auf COMPOSTELLANUS iunior (Kanonist im 13. Jahrhundert). 7 Vgl. zu Nov. 113 (Auth. 110). 8 So zu fr. 9 de iust. et iure 1, 1. Für ihn spricht die Glosse zu fr. 12 si quis eaut. 2, 11, wo BALDÜS behauptet, daß die Partei während der Schwebe der ersten Instanz (in medio litis) sich auf ein Privilegium des princeps stützen könne, welcher dasselbe motu proprio mit rückwirkender Kraft erlassen habe. Vgl. auch B A B T . ZU fr. 1 de poenis 4 8 , 1 9 und B A B T . und B A L . ZU C. 2 ut lite pendente 1 , 2 1 .

§ 45. Darstellung d. Abhandlung von

FEIXINUS

über d. intert. Privatrecht.

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Rechtes (in concernentibus decisionem litis); denn in Betreff des formellen Rechtes (de praeparatoriis) verstehe sich dies von selbst. 1 Zwei Gründe unterstützen diese Ansicht. Die Gesetze und Statuten werden vom Gesetzgeber nicht erlassen, um die Parteien in ihren Prozeßanträgen zu untertützen, sondern im Hinblick auf das Gemeinwohl. 2 Andererseits, wenn eine neue Rechtsordnung ausdrücklich und aus eigenem Antriebe [motu proprio) die Vergangenheit ergreift, so folgt daraus nicht, daß eine Prozeßpartei durch die neue Rechtsordnung Schaden erleiden solle. Wenn das neue Gesetz auch von den Thatbeständen der Vergangenheit spricht, so sagt es damit noch nichts von denjenigen, welche im Prozesse schweben (quae deducta sunt in iudicio).3 1

Er stützt sich auf den Text der Nov. 113 (Auih. 110), der von jeder eonstitutio spricht. ' Vgl. e. 2 Di. 4. " Vgl. H O S T I E N S I S , A N T . DE B D T E I O , IMOLA und A B B A S ZU C. 19 X. de iest. et attest. 2, 20, welche feierlich dahin entscheiden, daß, wenn ein Privileg während des Prozesses (motu proprio) vom Staatsoberhaupt erlassen wird, so schade es der Gegenpartei nicht. So entscheidet auch ausführlich Jo. A N D R E A E im Tit. de dolo et eontum. § fi. in seinen addit. Denn der Prineeps könne nicht den Willen haben, einem Dritten zu schaden; selbst wenn er dies Privileg aus eigenem Antrieb motu proprio erlassen habe. So auch die Glosse zu e. 4 Cl. de praeb. et dignit. 3, 2; fr. 1 de poenis 48, 19 widerspreche nicht, weil es sich hier um ein Privileg handle, das um des öffentlichen Wohles willen erlassen wurde. So auch Jo. A N D R E A E in seinen addit. (ad Durwntis speoulum). — Trotzdem ist F. gegen d i e s e Beschränkung der Ausschließlichkeit und zwar aus zwei Gründen. Zunächst leugnet er, daß ein Privileg des Gemeinwohles wegen gewährt werden könne; dasselbe werde vielmehr nur des Privatnutzens willen erlassen. Vgl. c. 3 Di. 3; ferner c. 7 X. de privil. 5, 33; c. 3 X. de decimis 3, 30; fr. 2 § 10 ne quid in loco publico fiat 43, 8, wonach ein Privileg einem Dritten nicht schaden darf. Daher könne man von einem Privileg nicht schließen auf eine lex communis oder mtmieipalis, welche zum Nutzen und Frommen Aller erlassen werde. Es ist daher, fährt F. fort, kein vernünftiger Grund zu finden, warum die neue Eechtsordnung, wenn sie sich ausdrücklich die Herrschaft über die Vergangenheit beilegt, nicht auch die bereits schwebenden Rechtsstreitigkeiten ergreife, wie die anderen Sachen, welche noch nicht in iudieio deduetae sind, d. h. bei welchen ein Aktenschluß oder eine Eidesleistung noch nicht stattgefunden hat, insoweit ein solches Gesetz nicht zum Prozeßantrag der Partei herniedersteigt, wie alle zugeben. Der zweite Grund spricht sehr für die Meinung A B B A S ' und IHOLAS. Gemäß den Erörterungen in der zweiten und dritten Beschränkung der ersten faUmtia ergreift die neue Rechteordnung, wenn sie sich ausdrücklich auf die Vergangenheit bezieht, alle schwebenden Fälle, bei welchen noch kein Aktenschluß stattgefunden hat oder noch kein Urteil erfolgt ist. Wenn wir daher erklären würden, daß die neue Rechteordnung mit der Ausschlußklausel sieb nicht ausdehne auf die rechtshängigen Sachen, selbst wenn bei ihnen die Akten noch nicht geschlossen waren, noch geurteilt wurde, dann wäre es nicht notwendig, besondere Ausnahmen für jene Fälle der zweiten und dritten Beschränkung (strittige Sachen nach dem Aktenschluß und Krittige Sachen in der Berufungsinstanz) aufzustellen, sondern es wüTde der Grundsatz genügen, daß sich die neue Rechtsordnung mit Ausschlußklausel auf schwebende Rechtsstreitigkeiten nicht ausdehne. Das wäre aber gegen die ausdrückliche Meinnng aller Kanonisten (doetores). Daher schließt sich F. der Meinung ABBAS' und IMOLA'S an, allerdings nicht ohne Bedenken, die er oben ausgedrückt hat. 18*

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FELLINUS MARIA

SANDAEÜS.

5. Die neue Rechtsordnung bezieht sich nicht auf diejenigen Rechtsverhältnisse, welche durch Verjährung anerkannt sind (diuturnitate temporis comprobata),1 weil die neue Rechtsordnung, welche die vergangenen Thatbestände für nichtig erklärt, sich nicht auf derartige Rechtsverhältnisse erstreckt. Diese Eingrenzung der Ausschließlichkeit ist der Billigkeit gemäß. Für sie kann noch angeführt werden, daß ein Gesetz, welches sich seiner Natur nach auf die Zukunft beschränkt, doch nicht dasjenige aufhebe, was nachträglich auf Grund gemeiner Gewohnheit eingeführt wird, da ja das Gesetz selbst nicht recipiert worden ist. 2 Grundsätzlich muß also behauptet werden, daß, wenn die neue Rechtsordnung sich Ausschließlichkeit beilegt, sie dennoch nicht Rechtsverhältnisse ergreift, die lange Zeit hindurch anerkannt waren. 3 6. Die Ausschließlichkeit ist dann unstatthaft, wenn durch die Störung der vergangenen Thatbestände eine unvermeidliche Ungerechtigkeit und Unbilligkeit herbeigeführt würde, die durch keine Billigkeits- und Rechtsgründe gerechtfertigt werden könnte; denn dann wäre die neue Rechtsordnung ungerecht und unbillig, wenn sie auf derartige vergangene 1 So ANGELUS im cons. 53 zu fr. 57 u. pr. de ritu nupt. 23, 2 und zu Nov. 7 {Auth. 7), wo er sagt, daß ein Rechtsverhältnis, welches durch Ablauf einer langen Zeit anerkannt sei, aufzuheben verbrecherisch sein würde; der Gesetzgeber würde sich geradezu einer terginversatio schuldig machen; und zu Nov. 21 (Auth. 21), welche erklärt, daß derjenige, der durch Neugierde getrieben, die Vergangenheit durchstöbere und vergangene Zeiten durchwühle, mehr der Konfusion als der Legislation diene. Damit stimme die Rechtsregel öberein, daß bei Aufstellung einer neuen Rechtsordnung der Nutzen augenscheinlich sein müsse, wenn sie abweichen wolle von dem, was lange Zeit hindurch als billig und gerecht erschien; fr. 2 de eonstit. prine. 1, 4. ' e. 6 Di. 4 (dictum, Chratiani) und die Glosse zu e. 1 X. de treuga et paee 1, 34. 8 F. hält es in der Praxis für schwierig, diese Eingrenzung aufrecht zu erhalten; aus drei Gründen. Erstens, weil die von ANGELUS angeführten Quellenstellen nicht beweiskräftig sind, da sie sich ausdrücklich nur auf die zukünftigen Thatbestände beziehen und die vergangenen unberücksichtigt lassen. Zweitens ist die Rechtsregel, daß die neuen Gesetze keine rückwirkende Kraft haben sollen (e. 2 X. de const. 1, 2), allgemeiner Natur, während das c. 13 eod. von dieser allgemeinen Regel eine Ausnahme macht für den Fall, daß das neue Gesetz ausdrücklich die vergangenen Thatbestände erwähnt, und daher ist er der Meinung, daß jener (von ANGELUS aufgestellter) Grund diese ausnahmsweise Ausschließlichkeit nicht beeinträchtigen könne. Drittens, wenn die vergangenen Thatbestände noch nicht erledigt (deoisa) sind, so thut ihnen die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung keinen Eintrag; wenn sie aber durch langjährige Gewohnheit anerkannt B i n d und rechtliche Wirkungen geäußert haben, dann werden sie von der neuen Rechtsordnung nicht aufgehoben, weil sie gewissermaßen erledigt (decisa) sind; dann fallen sie unter die erste Begrenzung der Ausschließlichkeit. Insofern also hat ANGELUS Recht, dem bis jetzt noch keiner widersprochen hat. F. und ANGELUS scheinen bei dieser intertemporalen Frage Rechtsverhältnisse und objektives Recht nicht gehörig auseinander zu halten, indem sie unter eonsuetudo und unter diu observata auch gewohnheitsrechtliche Normen verstehen. Dies geht besonders aus der Begründung hervor: nam sicut lex quae de sua natura concemit futura, non rumpit ea quae postea universali eonsuetudine introdueuntur, lege non recepta.

§ 45. Darstellung d. Abhandlung von

PELLINUS

über d. intert. Privatrecht.

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Thatbestände sich ausdehnen würde.1 Diese Begrenzung ist gerechtfertigt und im höchsten Grade der Billigkeit gemäß, falls jene Voraussetzungen vorliegen. Eine derartige Unbilligkeit tritt aber kaum in einem anderen Falle ein, als wenn die vergangenen Rechtsverhältnisse bereits erledigt sind, was bereits in der früheren Begrenzung gesagt worden ist. Wo es sich dagegen um hängige Rechtsverhältnisse handelt, so kann sich die neue Rechtsordnung auf Grund unseres Textes (c. 13 X 1, 2) ausdrücklich darauf beziehen.2 Diesen Ausführungen über die Begrenzung einer vielfach übermäßigen Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung fügt F. einen Ausspruch von B A B T O L U S 3 hinzu, daß die Ausschlußklausel eines Statutes, da sie ja vom gemeinen (intertemporalen) Rechte abweicht, in den nachträglich erlassenen Statuten nicht als wiederholt anzunehmen ist.4 Zweite fallentia: auslegende Gesetze (constitutiones declaratoriae) der alten Rechtsordnung ergreifen auch die Thatbestände der Vergangenheit.6 Den besten Ausdruck hat diese Beschränkung der alten Rechtsregel in der Nov. 143 (Auth. 132) gefunden. Ergänzend ist noch hinzuzufügen, 1

So ANGELUS, cons. 53, zur Nov. 76 (Auth. 77) und zur Nov. 18 (Auth. 18). Vgl. DOM., insbesondere aber Jon. (nicht JAC., wie ihn F. citiert) DE 8. GEORGIO igest, g. E. d. 14. Jahrh.) (vgl. SCHULTE, a. a. 0., S. 253), zu e. 6 § 1 i. f . VI. de officio legati 1, 15, wo sie erklären, daß die neue Rechtsordnung nur zukünftige Thatbestände und nicht auch vergangene ergreifen dürfe, falls durch deren Störung (irritatio) eine allzugroße Strenge sich einstellen würde. 8 Zu fr. i vi bon. rapt. 47, 8. 4 Quod si aliquo statu to eavetur, guod habeat locum etiam in praeteritis, cum hoe exorbitet a iure communi, non intellegitur repetitum in statutis sequentibus. Damit berührt F . den Inhalt der dritten quaestio von BELVISO, ohne ihn anzuführen; s. oben § 42. Weiter unten führt er ihn an, aber vermittelt durch BARTOLUS. Er scheint also trotz seiner reichhaltigen' Bibliothek das Werk BELVISOS nicht gekannt zu haben. 6 So alle Schriftsteller zur Nov. 19 (Auth. 19). Die Glosse bemerkt, daß wer auslegt, nichts Neues einführt zu fr. 21 qui test. fae. poss. (F. citiert dieses fr. etwas oberflächlich mit l. haeredes palarn de test., auch in einigen anderen Fällen kann man ihm diesen Vorwurf machen) und daß eher die alte Rechtsordnung bindet als die neue auslegende. Ebenso ABBAS zu dieser Stelle. Daher sagt auch BALDUS zur c. 5 de legibus 1, 1 4 , daß eine declaratio umfangreicher sei als eine constitutio, weil die declaratio auch die praeterita in sich begreife, die constitutio jedoch nur die futura. Dieselbe Beschränkung stellt auch FBEDERICUS PETBDCCIUS s. DE SENIS (Lehrer des BALDUS. blühte in der ersten Hälfte des 1 4 . Jahrh.) auf in cons. 1 1 2 ine. amiee clarissime. Ferner DOM., der IMOLA folgt, zu c. 4 Gl. de liberal, et dorn. 1, 1 5 . Weiter ABBAS ZU C. 2 0 X. de praescript. 2 , 2 6 ; er sagt hier, daß die authentische Interpretation des ius divinum, auch die praeterita erfasse. Gleicher Meinung sind CABD., J O H . DE ANANIA zu c. 7 X. de haereticis 5 , 7 und zu c. 7 § 2 i. f . X. de eleetione 1, 6. Ferner die Glosse zu c. 9 Di. 54. Auf Grund dieses c. sagt VINCENTIUS HISPANUS, daß die Rechtsnormen, welche über .die kirchliche Freiheit erlassen werden, sich auf die Vergangenheit beziehen, weil es niemals einem Laien gestattet war, sich in dieselbe einzumischen. Vgl. auch c. 1 Di. 9 6 . Ferner Jon. ANDBEAE und D O M . zu c. 9 Di. 5 4 ; vgl. auch F. zu e. 1 0 i. f . X. de eonst. 1, 2. s

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FELLINDS MARIA

SANDAEUS.

daß die auslegende Rechtsordnung selbst dann die Vergangenheit ergreift, wenn sie sich Ausdrücke bedient, die geeignet wären, neues Recht zu begründen. 1 Diese Einschränkung der alten Rechtsregel wird selbst wieder auf vierfache Weise begrenzt: E r s t e n s , wenn in dem auslegenden Gesetz Worte gebraucht werden, aus welchen hervorgeht, daß der Wille des Gesetzgebers nicht darauf gerichtet ist, die vergangenen Thatbestände mit einzubeziehen. 2 Z w e i t e n s , wenn das die alte Rechtsordnung auslegende Gesetz auf eine gemeine Gewohnheit stößt, welche das Gegenteil aufstellt; dann nämlich bildet das auslegende Gesetz in Beziehung auf die gemeine Gewohnheit und auf diejenigen Thatbestände, die bereits perfekt sind, eine neue schöpferische Rechtsordnung und erfaßt daher nicht die Vergangenheit. 3 1

So die Glosse zu c. un. Cl. de eoncess. praeb. 3, 3. Ein Beispiel giebt c. 5 X. de sponsa duor. 4, 4; ferner c. un. VI. de post. prael. 1, 5; e. 9 X de oonseerat. eecles. 3, 40; c. un. VI. de clericis nort resident. 3, 3; c. 1 Cl. de usuris 5, 5. Der technische Ausdruck für diese Einschränkung der authentischen Interpretation lautet in diesen Stellen de eaetero („fernerhin"; „fürderhin"). Z. B. in der letzten Stelle: Statuimus ut statuta huius modi de eaetero facere. So auch ANTONIUS AUGUSTINUS und I M O L A , welch' letzterer sagt, daß diese Einschränkung hinlänglich klar sei. Ferner DOM. zu c- 4 C. 3 q. 5 und zu e. 9 Di. 54, wo der Ausdruck steht: temporibus futuris exeludimus. 3 So die Glosse zu c. un. VI. de post. prael. 1, 5; ferner A N T . DE B Ü T R I O und D O M . zu c. 5 X. de sponsa duor. und J O H . DE A N Ä N I A ZU C. 5 X. de usuris 5, 1 9 . Um die zum Teil einander widersprechenden Ansichten von IMOLA und A B B A S ZU vereinigen, unterscheidet F. zwei Fälle: das alte Gewohnheitsrecht entstand infolge eines Zweifels, weil das entgegengesetzte Recht vieldeutig war; in diesem Falle n ü t z t diese Einschränkung, m. a. W., das auslegende Gesetz ergreift die vergangenen Thatbestände nicht. So A B B A S , a. a. 0., weil jener entschuldbare Irrtum die Thatbestände der Vergangenheit aufrecht erhält; ferner die Glosse zu c. un. VI. de post. prael. 1, 5. IMOLA dagegen sagt, daß zwar zuzugeben sei, daß hierin ein gerechter Grund der Nichtrückwirkung vorliege, daß aber trotzdem, wenn das Gesetz nur auslegende Worte gebrauche, auch in diesem Falle die vergangenen Thatbestände ergreife. Er stützt sich dabei darauf, daß der Gesetzgeber, wenn er die Thatbestände der Vergangenheit nicht einbeziehen wolle, dies durch bestimmte technische Ausdrücke wie de eaetero in e. un. VI. de post. prael. 1, 5 erklären müsse; thut er dies nicht, so habe die auslegende neue Rechtsordnung rückwirkende Kraft. Dasselbe Argument bringt A B B A S auf Grund des e. 5 X. de sponsa duor. 4, 4 vor. F. dagegen verteidigt die Ansicht, daß in diesem Falle die authentische Interpretation keine rückwirkende Kraft habe; er verwirft das argumentum e contrario von IMOLA, weil es ad absurdum führe und im strikten Gegensatz stehe zu fr. 3 de offic. praetor. 1, 14 und zur c. 29 § 7 de testam. 6, 23; endlich gegen die Quellenstellen, welche in der fünften Beschränkung der ersten falkntia angeführt wurden. Es kommt sehr häufig vor, daß ein Gesetz mehrdeutige Ausdrücke enthält. So bringen J O H . A N D B E A E ZU C. 1 7 X. de eecess. praelat. 5, 31 und CARD, ZU C. 1 Cl. de poenis 5, 8, verglichen mit e. 4 VI. de poenis 5, 9 Beispiele für mißverständliche und sophistische Auslegungen der Gesetze auf Grund des argumentum e contrario. So auch A B B A S ZU C. 37 X. de o f f . et pot. iud. del. 1, 29; ferner P A U L U S DE CASTRO, cons. 99, wo er bemerkt, daß die Glosse des Civilrechtes diese Art der Auslegung eine inculcatio verborum (Vergewaltigung der Worte) nennt. C A R D , zu c. 1 pr. Cl. de privil. et eccess. 5, 7 sagt, daß, selbst wenn diese 2

§ 45.

Darstellung d. Abhandlung von

FELLINÜS

über d. intert. Privatrecht.

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Drittens: ist unter der alten Rechtsordnung ein Urteil nach der Meinung eines Gelehrten gefällt worden, so wird es, wenn auch das neue Gesetz diese Meinung für irrtümlich erklärt, dadurch nicht widerrufen.1 constitutio das Wort de oaetero nicht enthalten würde, sie doch nicht auf die präeterita bezogen werden könnte. Die Glosse behauptet zu c. 2 Cl. de reb. eccles. 3, 4, daß, wenn die neue Rechtsordnung das Gewohnheitsrecht für irrationabilis erkläre, sie die auf Grund des Gewohnheitsrechtes errichteten Thatbestände der Vergangenheit ungültig mache und daher schränkt DOM., klarer als (sein Lehrer) ANT. DE B I J T R I O , diesen ersten Fall dahingehend ein, daß das neue auslegende Gesetz die Thatbestände der Vergangenheit ergreife, wenn es das alte Gewohnheitsrecht als gegen die Vernunft verstoßend (irrationabilis) bezeichne. Mit Recht sagen P A U L O S DE L E A S A und ZENZELINUS DE C A S S A N I S , Professor in Montpellier in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. (vgl. SCHULTE, a. a. O., S . 199) zu c. 2 Gl. de reb. eeel. non alien. 3, 4, daß der Pabst in dieser Stelle die Wirkung des Gewohnheitsrechtes und die Gewohnheit selbst verwirft; trotzdem aber werden die früheren Thatbestände nicht hinfällig, weil dem alten Gewohnheitsrecht ein entschuldbarer Zweifel zu Grunde lag, da selbst die Gelehrten sich über den Sinn der alten Rechtsordnung stritten. Damit ist eine genügende Rechtfertigung der früheren Thatbestände gegeben. Es muß also die Ansicht von DOM. verworfen und mit IMOLA behauptet werden, daß die neue erklärende Rechtsordnung selbst dann nicht die alten Thatbestände ergreift, wenn sie das alte Gewohnheitsrecht als irrationell verwirft. Hierher gehört auch, was C A R D . zu der c. 1 Cl. cit. schreibt und ABBAB zu e. 4 X. de feriis 2, 9 . — Nach IMOLA wird jedoch ein früherer Thatbestand unter der neuen aualegenden Gesetzgebung hinfällig, wenn er sich bloß auf die Meinung einer Doktrin stützt, welche jedoch nicht gewohnheitsrechtlich anerkannt war; er folgt hierin A N T . DE B U T R I O zu c. 7 Cl. de elect. 1, 3 und C A R D , fügt hinzu, daß, wenn Jemand auf Grund einer solchen einzelnen Gelehrtenmeinung etwas erworben habe, er zur Herausgabe verpflichtet sei, jedoch keiner weiteren Strafe unterliege. Hierher gehört auch noch die Meinung von DOM., der sich auf Jon. A N D R E A E beruft, zu c. 5 VI. de censibus 3, 20, wonach ein deklaratorisches Gesetz des Pabstes, welches eine von den verschiedenen Meinungen anerkennt, die Thatbestände der Vergangenheit ergreife. Der zweite Fall ist folgender: wenn das Gewohnheitsrecht von den Gelehrten nicht als rationell angesehen wird, dann nützt jene Beschränkung nichts, m. a. W . das neue auslegende Gesetz ergreift auch Thatbestände der Vergangenheit, welche also auf Grund einer derartigen Gewohnheit nicht aufrecht erhalten werden können. So A B B A S ZU e. 9 X. de consecratione eceles. 3 , 4 0 , woraus er schließt, daß die Thatbestände auf Grund einer derartigen Gewohnheit nichtig seien, wenn sie nicht aus Gnade uud Barmherzigkeit aufrecht erhalten werden, wie es hier geschieht. Ferner zu e. 1 VI. de consuetudine 1, 4; e. 5 X de sponsa duor. 4, 4; c. 1 VI. de eonsuet. 1, 4 und c. 1 Cl. de eleet. 1, 3. Mit Recht verlangt jedoch DOM., daß, wenn die Thatbestände der Vergangenheit aufrecht erhalten werden, das neue Gesetz dies mit ausdrücklichen Worten erklären müsse, wie es in den soeben angeführten Stellen der Fall ist. So D O M . gestützt auf J O H . A N D R E A E ZU C. 3 VI. de priv. 5, 1 und zu c. un. VI. de bigamis 1, 12 und e. 9 Di. 54. Hier setzt er auch auseinander, mit welchen Worten der Gesetzgeber die Thatbestände der Vergangenheit ausschließen will, z. B. deeernimus, statuimus oder per hanc nostram consiitulionem. So auch die Glosse zu c. 1 VI. de ckricis non residmtibus 3, 3. Ferner der Ausdruck de caetero, deinceps, in posterum. Durch solche Ausdrücke will das Gesetz die Rückzieliung auf die Vergangenheit ausschließen. M. a. W . : dadurch wird die Gewährungsklausel ausgedrückt. 1 V I N C E N T I U S , dem Jo. A N D R E A E , A N T . DE B U T R I O und IMOLA folgen; ferner DOM. ZU e. 9 Di. 54, gestützt auf fr. 9 de o f f . praet. 1, 14 und auf eine Note von

280

FELLIN e s MARIA SANDAEUS.

Viertens: wenn das neue auslegende Gesetz eine neue Strafe androht, weil eine neue Strafandrohung sich nicht auf die vergangenen Thatbestände bezieht 1 Pabst Innocenz III. zu e. 44 X. de eketione 1, 6 und weil der Richter urteilen soll sowohl nach geschriebenem als nach nicht geschriebenem Rechte [vgl. Nov. 14 (Auth. 14)] und damit ist genügend gerechtfertigt, daß der Richter nach deijenigen Erkenntnis urteilt, welche damals die herrschende war. So sagt auch DOM. in pr. zu Di. 1, daß derjenige welcher eine zurechtfertigende Meinung vertritt, keinen Schaden haben solle, obschon nachträglich ein neues auslegendes Gesetz jene Meinung verwirft. S. auch die Note von Innocenz III. zu c. 35 X. de simonia 5, 3. — Von dieser Begrenzung sind drei Fälle ausgenommen. Erstens, wenn gegen das Urteil Berufung eingelegt ist. Denn wenn während des Schwebens der Berufung ein neues auslegendes Gesetz erlassen wird, so hat der Berufungsrichter dieses zu Grunde zu legen. So VINCENTIUS und die oben Genannten, gestützt auf c. 8 X. de re iud. 2, 27, wo der Berufungsrichter das erste Urteil aufhebt, welches auf Gewohnheitsrecht gegründet war. Diesen Ausspruch von VINCENTIUS zieht in sehr beachtenswerter Weise IMOLA in Erwägung, mit besonderer Berücksichtigung auf seine Behauptung, daß, wenn eine neue Rechtsordnung sich ausdrücklich auf die vergangenen Thatbestände bezieht, sie doch nicht die in der Berufungsinstanz schwebenden Sachen ergreife. Der Grund dieser verschiedenartigen Behandlung liegt darin, daß aus einer auslegenden Rechtsordnung das wahre Recht hervorgeht und dieser Wahrheit muß der Richter Folge leisten; vgl. c. 4 Di. 8. In den anderen Fällen jedoch (wo die neue Rechtsordnung nicht deklaratorischer Natur ist), muß der Berufungsrichter diejenige Rechtsordnung anwenden, welche z. Z. des ersten Urteils in Kraft war. Der zweite Fall bezieht sich auf die saeramentalia (die heiligen Handlungen), wo ein Urteil auf Grund einer später verworfenen Ansicht ergangen war. In diesem Falle wird das alte Urteil durch die neue auslegende Rechtsordnung aufgehoben. Übereinstimmend die vorhin Angegebenen, welche besonders die Gefahr für das Seelenheil hervorheben, auf Grund von e. 3 X. de presbyt. non bapt. 3, 43. Ihnen folgt DOM. zu e. 9 C. 1 q. 3. — Der dritte Fall betrifft ein in Ehesachen ergangenes Urteil, welches nach klarem Rechte hinfällig ist, sobald der Rechtsirrtum entdeckt wird. So behauptet IMOLA im Gegensatz zu allen übrigen oben Genannten auf Grund von fr. 39 § 6 ad leg. Jul. de adult. 48, 5, wonach, wenn eine Ehe rechtlich nicht bestehen kann, die Ehegatten getrennt werden müssen. E r giebt jedoch zu, daß ein gerechter Grund zum Dispens vorliegt, gestützt auf fr. 57 a. de ritu nupt. 23, 2. Auf Grund dieses Textes behauptet er, daß die Ehe nicht aufrecht erhalten bleibe, wenn der Irrtum entdeckt werde, trotz des e. 5 X. de sponsa duor. 4, 4, indem er hier einen stillschweigenden Dispens des Pabstes annimmt, welcher aus dem Worte de eaetero hervorgehe. — Die Meinung IMOLAS ist, wie gesagt, der aller Übrigen entgegengesetzt, welche behaupten, daß ein in Ehesachen ergangenes Urteil durch ein neues, auslegendes Gesetz nicht rückgängig gemacht wird. Nach der Ansicht von F. muß man unterscheiden: wenn die Meinung, auf welche sich das Urteil stützte, eine von den Gelehrten begründete und vom Gewohnheitsrechte anerkannte war, dann ist die herrschende Ansicht die richtige, gemäß den vorhergehenden Ausführungen in der zweiten Begrenzung der zweiten fallentia; vgl. e. 7 C. 32 q. 4 und c. 6 ZOW, Pars 2 , C. 2 8 , Dee. 4 u. 5 ; M Y N S I N Q E R , singularium observationum. judieii imperialis camerae centuriae, Cent. 4, obs. 1. Es ist hier derselbe Gedankengang, der K N I E S veranlaßte, das Geld als l e g a l e Wertk o n s t a n z zu bezeichnen; s. Geld, II. Aufl., S. 396 u. fg. Wenn dagegen die Schuld auf andere fungible Sachen geht, wie z. B. auf Wein, Ol, dann muß der Richter den Anschlag nach den Gesetzen vornehmen, welche z. Z. der Litiskontestation in Geltung sind. Vgl. fr. 22 de reb. cred. 12, 1. S . dazu C O R A S I U S , opera »». 12; P H . M A T H A E Ü S Z. Titel de iudieiis {Dig. 5 , 1), 11. th. 19; E V E R A R D . B R O N C H O R S T , centuriae duae, ass. 1 9 , p. 1 6 0 ; JUL. PACIÜS a BERIQA, comrn. ad IV, librum Cod. de rebus cred., c. 3, q. 72. S . C O N N A N Ü S , Hb. 1, Jus Civile, c. 9 , n. 8 . 6 Zum Beleg führt M. eine decisio (22) von Kurfürst Johann II. an, welche lautet: „Und wollen, das hinführo der Weibspersonen ausserhalb Gerichte vor Notarien und Zeugen vorgehende donationes der Oeraden, wofern kein Cuqrtor sich dabei befunden, xu Recht nicht beständig seyn. Was aber die vor dieser Decision ohne Beyseyn der Curatorum aufgerichtete donationes anlanget, dieselben, wenn sonst kein Mangel sich dabey ereignet, xu Verhütung besorglicher inconvenientien, 1

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N.

CH.

LÌNCKER.

Th. XIII. behandelt ebenfalls eine decisio electoralis.1 — Die Th. XIV., XY. und XVI. behandeln eine intertemporale Streitfrage, die sich im 17. Jahrhundert wegen der R.P.O.O. von 1530 und 1548, Titel „von wucherlichen Kontrakten" zwischen Gr. FRANZKE im 1. Buche seiner „variae resolultones", res. 2 n. 27 seq. und A. GAILL im 2. Buche seiner „Observationes", 7. erhob. 2 — Th. XVII. behandelt die intertemporale Rechtsfrage nach der Behandlung auf die Reallasten (Zehnten, Zinsen, census).3 In der Th. XVIII. wird eine intertemporale Frage aus dem kanonischen Rechte erörtert, welches verbietet, daß den Laien Lehen an Zehnten begründet werden. 4 — Th. XIX. erörtert die Frage nach der Beweislast, und dass sieh einer und der ander mit Unwissenheit entschuldigen würde, vor gültig gehalten und erkennet werden sollen." 1 Im Jahre 1660 wurde im Kurfürstentum Sachsen die Bestimmung eingeführt, daß der tutor legitimus oder dativus seiner Ehre und seines Rechtes verlustig gehen solle, wenn er vor der Übernahme der Vormundschaft seine ihm gegenüber dem Pupillen zustehenden Forderungen dem Magistrate nicht anzeige. Der Vormund, der vor Erlaß dieser neuen Rechtsordnung dies unterlassen hat, bleibt in seiner Ehre und in seinen Rechten gewahrt. B E N . C A B P Z O W , dee. 1 1 9 , n. 9 und J . BRÜNNEMANN, Com/m. zu fr. 4 4 de pactis 2, 1 4 , n. 2. Der Kurfürst selbst hatte in seiner 34. deoisio bestimmt, daß die neue Rechtsordnung erst vom Tage der Publikation in Kraft treten solle. 2 Die R . P . O . O . bestimmten, daß beim Rentenkauf der Käufer nur 5°/0 oder nicht mehr als 5°/0 empfangen dürfe; was er darüber annehme, gelte als Wucher und müsse er wieder zurückgeben. F R A N Z K E (geb. 1 5 9 4 , gest. 1 6 5 9 ) tritt für die Rückwirkung der Reichsgesetzes ein, auf Grund der e. 2 7 de usuris 4 , 3 2 . G A I L L dagegen stützt steh darauf, daß ein w o h l e r w o r b e n e s R e c h t aus einem früheren Kontrakt vorhanden sei, der sowohl nach gemeinem Rechte als nach Ortsgebrauch zu jener Zeit erlaubt und üblich war; daher könne ein neues Gesetz dieses Recht nicht aufheben. Er stellt unter anderem auch ab auf fr. 63 ad legem Faleidiam 3 5 , 2 ; ferner auf P A U L U S DE CASTRO ZU C. 8 de rescind. vend. 4, 4 4 ; PLACENTINUS, Glossator zu fr. 1 3 8 de reg. iur. 5 0 , 1 6 und S T R U V E , E X . 2 3 , th. 8 7 . M. schließt sich der Meinung von F. an, jedoch nicht wegen der c. 27 cit., weil man diese nicht extensiv interpretieren könne, sondern weil alle jährlichen Verbindlichkeiten so anzusehen seien, als geschehen sie in den einzelnen Jahren. Daher könnte man sie nicht einfach zu den Thatbeständen der Vergangenheit zählen. Daraus folge aber, daß G A I L L insofern Recht habe, als diejenigen Renten, die bereits vor der R.P.O. fällig gewesen, im vollen Betrage eingefordert werden können. Warum, ruft er aus, soll dem Rentenkäufer seine Geduld schaden und der Verzug dem Rentenverkäufer Gewinn bringen? 3 Nach F R I D . M A R T I N I , de iure censuum, e. 4 werden sie eingeteilt in census peeuniarii und fructuarii. Wenn nun ein Gesetz oder Statut den census fructiiarüix verbietet, wie dies unter den spanischen Königen und unter dem Erzherzog Ferdinand von Osterreich und Kaiser Rudolph II. geschah, so frägt es sich, ob sich dasselbe auch auf Käufe von Reallasten in der Vergangenheit bezieht. M A R T I N I verneint die Frage aus ungefähr gleichem Grunde wie G A I L L . Dagegen hat nach M. die Verordnung Rudolphs II. vom Jahre 1577, Tit. XIX rückwirkende Kraft, welche bestimmt, daß die census fructuarii in peeuniarii umgewandelt werden sollen, mit den Worten „das etwan hiewor xu guten uohlfeylen Jahren etc.'1 4 S . darüber J . v. BORCHOLTEN, commentaria in eonsuetudines feudorum, c. 6; R O S E N T H A L , e. 4 eonel. 27 (de feudis); SCHULTZ, Syn. J. F., c. 6, n. 51. Nach M.

§ 47.

Darstellung seiner Abhandlung: de vi legis in praeteritum.

301

wenn es zweifelhaft ist, ob ein Thatbestand der Vergangenheit oder der Zukunft angehört. 1 — Th. XX. stellt die Kegel auf, daß, wenn der Gesetzgeber über den Inhalt oder die äußere Form eines Kontraktes eine neue Anordnung trifft, dieselbe auf einen bereits vollendeten nicht zurückbezogen wird. 2 Th. XXI. beschäftigt sich mit der Frage, ob die neue Rechtsordnung auf Kontrakte, die unter einer Bedingung oder unter einem dies incertus abgeschlossen wurden, zurückwirken, wenn die Bedingung oder der dies erst n a c h der neuen Rechtsordnung eintreten. Die Frage wird zunächst bejaht, 3 muß auf Grund der c. 7 de legibus 1, 14 die Frage verneint werden. Wer also vor dem Coneilium Lateranense ein Zehntenlehen besessen habe, der kann es behalten. Vgl. o. 2 VI. de deeimis 3, 13. Wenn jedoch das Lehen der Kirche wieder heimfallt, so kann es nicht mehr erneuert werden: quoniam res in eum casum incidit a quo ineipere non potest. Vgl. C O V A R R D B I A S (spanischer Rechtsgelehrter) in seinem Werke „variarum resolutionum iuridiearumlib. 2, e. 17 und B E S O L D U S , vol. I, eons. 20. S. auch oben § 25 S. 162. Bemerkenswerter Weise zieht C O V A R R Ü B I A S die Regel Marcians heran, die dem neueren intertemporalen Regelpaar angehört. S. oben § 6 S. 50 fg. Auch er hat, wie Friedrich I. und Innozenz III. den Zusammenhang jener Regeln mit dem intertemporalen Privatrechte geahnt. S. oben § 26 S. 163. 1 Nach F I C H A R D , eons. 1 5 1 und C H R . L Y K C K E R zu o.e. 1 7 u. 1 9 X. de deeimis 3, 30 giebt es eine praesumtio dafür, daß die Lehen der Vergangenheit angehören, sofern deren unordentlicher Besitz feststeht. Daraus zieht M. die allgemeine Regel, daß im Zweifel die Thatbestände (negoiia) eher den vergangenen als den zukünftigen zuzurechnen seien, insbesondere in causa poenali et odiosa, wenn auch unvordenklicher Besitz der Sachen nicht immer hinzutritt. Jeder Besitz wird im Zweifel als gerechter Besitz angesehen. So A U G . B A R B O S A zu lib. 1 4 , e. 6 4 , ax. 9 derart, daß der Besitz auch zugleich das Eigentum anzeigt; ferner V U L T E I U S in seinen consilia Marpurgensia, vol. 1, c. 30, n. 68. Es besteht keine Vermutung dafür, daß Jemand durch Umgehung eines verbietenden Gesetzes irgend eine Sache auf irgend eine Weise erworben habe, sondern es ist im Gegenteil anzunehmen, daß schon vor dem verbietenden Gesetze der Thatbestand vollendet wurde, bis das Gegenteil bewiesen wird. 2 Vgl. c. 27 de fidei instrum. 22, 4; ferner Nov. 73, c. 9, übereinstimmend T U S C H U S , practicae conclusiones iuris in t. V , concl. 2 6 4 , n. 3 8 „lex nova circa eontraetus Semper trahitur ad futura"; ferner n. 21 u. 22: „lex vel statutum, quae circa formam eontraetus aut solennitalem disponunt in iis, quae de praeterito causam habent, locum non inveniunt; ratio est quia eontraetus celebrati secundum legem tune vigentem suam habuere perfectionem, ideoque debent decidi secundum legem antiquam." — Wäre es anders, so würden die Gläubiger einen ungerechten Schaden erleiden, den sie nicht voraussehen konnten. Hätten sie damals gewußt, was jetzt offenkundig ist, so hätten sie den Kontrakt nicht abgeschlossen. 3 Als Gründe der Bejahung werden angegeben, daß ein Kontrakt bei schwebender Bedingung oder bei schwebendem dies incertus unvollendet sei. So T A B O R in seinen additiones zu B A R B O S A , lib. 3, c. 43, ax. 20 auf Grund des fr. 213 pr. de v. s. 50, 16. Ferner gehe die Gefahr des Untergangs der Sache bei einem bedingten Kaufe nicht auf den Käufer über, sondern bleibe beim Verkäufer. B. C A R P Z O W , p. 2 , const. 2 6 , def. 2 1 . Auch liege nichts vor, weswegen sich z. B. der Käufer oder Beschenkte beklagen könnte wegen eines Schadens, den die neue Rechtsordnung ihm zugefügt hätte. Ferner sei das, was unter einer Bedingung geschuldet werde, noch nicht in obligatione, sondern werde aufgeschoben bis zur

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N.

CH.

LYNCKER.

jedoch in Th. XXII. endgültig verneint. 1 — Die Th. XXIII. macht eine Einschränkung für die Rechtsgeschäfte unter einer Potestativbedingung; diese sind schlechterdings der neuen Rechtsordnung unterworfen. 2 Eine zweite Einschränkung jener Regel geht dahin, daß der bedingte Kontrakt, wenn die Bedingung eingetreten ist, in Bezug auf Ergänzung und Vollzug nach der neuen Rechtsordnung zu beurteilen ist, jedoch vor Eintritt der Bedingung in Bezug auf Errichtung und Gültigkeit nach der alten. Th. XXIV. beantwortet die Frage, wie die facta intertemporalrechtlich zu behandeln seien; sie werden in dieser Beziehung wegen Gleichheit des Grundes den Kontrakten gleichgestellt. Dies intertemporale Ergebnis wird dann insbesondere auf die Erb vertrage angewandt. 3 — Th. XXV. trifft die gleiche Entscheidung für die testamentarische und gesetzliche Erbfolge. 4 — Th. XXVI. dehnt die Regel auf die Nebenverfügungen im Erfüllung der Bedingung bezw. zum Eintritt des Termins; fr.fr. 16 und 18 de cond. indeb. 12, 6; § 4 J. de v. o. 3, 15; fr. 8 si quis omissa causa 29, 4. 1 Als Gründe für die endgültige Verneinung der Frage führt M. die rückwirkende Kraft der Bedingung an; fr. 70 de verb. obl. 45, 1; kraft einer fictio iuris werde es so gehalten, als ob der Kontrakt von Anfang an unbedingt gewesen sei. Auch werden diejenigen, welche aus einem bedingten Vertrage eine actio zu erwarten haben, auch Kreditoren genannt; fr.fr. 54 u. 55 de v. s. 50, 16. Durch diese Gründe seien die Gegengründe widerlegt. 2 Nur die kasuelle und gemischte Bedingung, nicht dagegen die potestative haben rückwirkende Kraft. So G A U L 2. 0. 1 , n. 1 und P I S T O R H A E T M A N N Ü S in 1. q, 4. n. 9. Denn der Stipulator hat es sich zuzurechnen, daß der Eintritt der Bedingung verzögert wurde, da es ja in seiner Macht stand, sie zu erfüllen und den Thatbestand zum vollkommenen zu machen. Wenn aber die Potestativbedingung dergestalt war, daß er sie nicht früher erfüllen konnte, sondern gerade die neue Rechtsordnung ihn daran hindert, so ist nicht daran zu zweifeln, daß aus Billigkeitsgründen die Bedingung rückwirkende Kraft habe und der Vertrag als unbedingt anzunehmen sei. Denn derjenige, dem die Erfüllung oblag, hat den Zufall nicht zu vertreten, daß die Bedingung nicht erfüllt wurde und infolgedessen wird es so angesehen, als hätte sich die Bedingung erfüllt; vgl. fr. 161 de reg. iur. 50, 17. 3 Dieselben sind kraft eines allgemeinen Gewohnheitsrechtes in Deutschland anerkannt. Vgl. G. A . S T R U V E , ex. 6, th. 4 4 ; Jo. v. B O R C H O L T E N , commentaria in tit. XIV, libri II. Pand. de paetis c. 5, n. 67 seqq.; dann Jo. D A U T H , expositio cap. quamvis de pactis in VI. n. 2 seqq. Wenn also in einem Staate die römischen Grundsätze eingeführt würden, welche die Erbverträge verbieten, so würde die neue Rechtsordnung diejenigen, welche unter der Herrschaft des Gewohnheitsrechtes errichtet wurden, nicht treffen. 4 Vgl. c. 19 de testam. 6, 23 und Nov. 66 e. 1 § 1; diese Gesetze regeln die Form der Testamente, ohne sich auf die vergangenen zu erstrecken. Ein Beispiel bietet eine decisio electoralis vom J. 1661 dar, wo bestimmt wird, daß ein gerichtliches Testament insinuiert werden müsse vor einem einzigen zu Gericht sitzenden Richter und einem geschworenen Gerichtsschreiber. Ausdrücklich bestimmt die decisio, daß diese Form nur für die zukünftigen gerichtlichen Testamente, nicht früheren erforderlich sei: Was aber die vor unser Decision dem Richter alleine iibergebene und xu denen Acten gebrachte Testamente betrifft, die verbleiben, wann sieh sonst kein Mangel daran befindet, xu Verhütung allerhand Inconvenientien, und aus anderen Ursachen, nicht unbillig bey Kräfften.

§ 47. Darstellung seiner Abhandlung: de vi legis in praeteritum.

303

Testamente aus, insbesondere auf die Ernennung von Testamentsvollstreckern. Wenn eine neue Rechtsordnung diese Eechtseinrichtung verbietet, so gilt sie nicht für die bereits errichteten Testamente, sondern betrifft bloß die zukünftige Ernennung von Testamentsvollstreckern, selbst wenn der Yollzug des Testamentes vom früher ernannten Treuhänder noch nicht begonnen wurde. 1 Th. XXVII. stellt aber aus ähnlichen Gründen wie die Th. XXIII. eine Beschränkung der Regel auf, für den Fall, daß der Testator Kenntnis von der neuen Rechtsordnung hatte und ihm Zeit genug zur Verfügung stand, um sein früheres Testament zu ändern. Die Beweislast für die erste Voraussetzung hat, wer das Testament anficht. 2 — Th. XXVIII. behandelt das intertemporale Recht der gesetzlichen Erbfolge. Maßgebender Zeitpunkt ist nicht derjenige der Erbschaftsklage, sondern des Todes des Erblassers; denn in diesem Zeitpunkte erwerben die gesetzlichen Erben ipso iure die Erbschaft, welche ihnen ein späteres Gesetz oder Statut weder entziehen, noch mindern darf, noch kann. 3 S . TOSCHÜS, practicae conclusiones iuris eoncl. 2 6 3 , num. 1 7 , fol. 1 6 3 . Siehe J. 0. TABOR in seinen additiones ad Barbosam. I. 9, e. 3, ax. 13. Der Testator hat also die von der neuen Rechtsordnung angeordnete Form vernachlässigt, infolgedessen fällt sein Testament ganz dahin. So JASON zur c. 2 9 de testam. 6, 2 3 , n. 8, fol. 9 4 . Anderer Meinung P . DE CASTRO, d. I. n. 6, fol. 2 9 4 . JASON behauptet auch gegen BALDUS zur c. 8 de instituí. 6, 2 5 mit Recht, daß, wenn ein Bauer gemäß der c. 31 de testam. 6, 23 vor fünf Zeugen ein Testament errichtete, später jedoch seinen Wohnsitz in der Stadt aufschlug, sein früher errichtetes Testament null und nichtig werde, so daß eine Erbfolge daraus nicht zu erhoffen sei (!). 8 M. führt ein Urteil vom Schöffengericht zu Jena vom Nov. 1678 an; ebenso ein responsum v. 19. Sept. 1679. Siehe oben § 39, S. 242 fg. Vgl. D. MEVIUS, decisiones, 5. B. dee. 278, n. 10. Von den Ausführungen in dieser Th. sind noch folgende von Erheblichkeit: M. behauptet, daß die neue Rechtsordnung ohne Verstoß gegen die Billigkeit a u f r e c h t s h ä n g i g e S a c h e n angewandt werden könne(!), ähnlich wie sie auch auf einen Thatbestand der Vergangenheit Anwendung finde, der seine Ergänzung noch von der Zukunft erwartet, mit BESOLD, cons. 259, n. 85 seqq. macht jedoch die Einschränkung, daß eine neue Strafrechtsordnung auf die Vergangenheit nicht bezogen werden könne, es sei denn, daß gegen den Verbrecher bereits öffentliche Anklage erhoben wurde, er somit im Prozeß verfangen sei (!). Vgl. fr. 30 § 6 u. 7 ad leg. J. de adult. 48, 5. Ferner TABOR, C. 6, armam. § 26, p. 346. Bei derartigen rückwirkenden Gesetzen werden häufig diejenigen Thatbestände ausgenommen, über welche ein Vergleich abgeschlossen worden ist, selbst wenn sie noch vor Gericht in der Schwebe wären. So die dec. electoralis 67 i. fi.: Und wollen wir diese unsere Satzung nicht alleine auf die künftigen, sondern auch allbereit vollzogenen Verschreibungen, wo nicht durch lirafft Rechtes ergriffen TJrthel oder Vergleich schon ein anders erörtert, verstanden, und in erkennen und sprechen allenthalben derselben nachzuleben, hiermit ernstlich befohlen haben." Die neue Rechtsordnung kann um so leichter auf die Vergangenheit bezogen werden, wenn sie sich auf natürliche Billigkeit stützt und die U n b i l l i g k e i t des f r ü h e r e n G e w o h n h e i t s r e c h t e s v e r a b s c h e u t . S. G A U L , 2. Ob. 9, n. 6. Wenn jedoch auf Grund der älteren Rechtsordnung, die weder unbillig noch bestritten ist, von Jemandem ein festes und unwiderrufliches Recht erworben wurde, so kann es ihm durch ein nachfolgendes Gesetz ohne Grund nicht entzogen werden; arg. fr. 11 1

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N.

CH.

LYNCKER.

Th. XXIX. enthält die intertemporale Behandlung der dos.1 — Th. XXX. stellt die Frage auf, ob bei der Verjährung, soweit sie noch nicht vollendet sei, die neue Rechtsordnung Anwendung finden müsse. 2 Auch die Zahlung ist nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen (Th. XXXI.). 3 — Dasselbe behauptet Th. XXXII. für die Delikte. 4 — Th. XXXIII. bezieht sich auf den Prozeß und gehört daher zum intertemporalen Prozeßrecht. Mit Th. XXXIY. beginnt die Darstellung der Ausnahmen der älteren intertemporalen Rechtsregel: in welchen Fällen die neue Rechtsordnung auf die Thatbestände der Vergangenheit bezogen werde. Die erste Ausnahme tritt ein, wenn im Gesetze ausdrücklich angeordnet ist, daß es sich auf die Vergangenheit und auf die noch schwebenden Sachen

de r. i. 5 0 , 1 7 . S . auch T Ü S C H D S , 1 . concl. 6 2 4 . Auch ist die Annahme ausgeschlossen, daß der princeps dies gewollt habe, wenn nicht die Worte des Gesetzes das Gegenteil erkennen lassen. Vgl. nach G A I L L a. a. 0 . F E . M A R T I N I , G. 4 de J. Cens. n. 110 seqq. 1 M. setzt den Fall, daß heute eine Ehe eingegangen wird, wo noch kein Spezialgesetz die Frage regelt, wer die dos erhält. Darauf verordnet eine neue Rechtsordnung, daß, wenn die Frau ohne Kinder stirbt, der Ehemann die dos erhalten solle. Bezieht sich nun diese gesetzliche Anordnung auf die früher eingegangene Ehe? B A R T Ö L U S behauptet, daß der Ehemann die dos erwirbt. Ihm widerspricht C O N N A N U S , lib. 1, eap. 9, n. 8, f . 51 seqq.; gerade das Gegenteil sei wahr; denn wenn die Meinung des B A R T Ö L U S richtig wäre, müßten die Verwandten der Frau Schaden erleiden. Denn hätten sie gewußt, daß irgend ein neues Gesetz sie vom Erwerbe der dos ausschließen würde, dann hätten sie es nicht unterlassen, ddrch einen Sondervertrag sich die Rückgabe der dos zu sichern. Andere Gründe bringt noch M A S C A R D bei, de Interpret, statutor. concl. 7, n. 69 seqq. und concl. 13, nu. 12, zum Teil sehr starke, so daß in der Praxis diese Meinung durchdrang. Vgl. noch M E N O C H I U S , eons. 140, nu. 220. A M. unterscheidet zwischen einem Gesetz, welches die Veqährungszeit einschränkt und einem solchen, welches sie ausdehnt. Jenes nützt dem Besitzer nichts; denn hätte derjenige, gegen den die Veijährung läuft, gewußt, daß die Zeit seiner Unterlassung verkürzt wird, so würde er dagegen Vorsorge getroffen haben. Daher muß die Rechtsordnung, unter welcher die Verjährung begonnen hat, auch für die Vollendnng maßgebend bleiben. Darüber kann sich der Besitzer nicht beklagen, denn es wird ihm das Recht der Veijährung und die Hoffnung auf den Erwerb nicht sowohl entzogen, als infolge eines gerechten Grundes h i n a u s gezogen. S. pr. J. de usucap. 2, 6. Ähnlich liegt es in der Gewalt des Fürsten, den Schuldnern Reskripte zu gewähren, durch welche die Eintreibung der Forderung und die Zahlung der Schuld aufgehoben wird. Cf. c. 2 de precib. imperat. 1, 19; sog. litterae Quinquennales oder indmiae moratoriae. Ihre Formel überliefert S T A M L E R de resereationibus § 6 2 , n. 7 . S . auch Nie. M Y L E R , diss. de statibus imperii eorumque iure c. 55. 3 Es kann also der Schuldner seine Behauptung der geschehenen Zahlung auf die Art beweisen, welche zur Zeit der Zahlung gebräuchlich war, trotz des neuen Gesetzes, Statuts oder Gewohnheitsrechtes, welche eine andere F o r m f ü r den Z a h l u n g s b e w e i s vorschreiben. Arg. fr. 1 § 2 de testibus 22, 5; C O N N A N U S in seinem Commentar. iur. civ. lib. 1, e. 9, n. 8. 4 Sie bezieht sich jedoch nicht auf Privatdelikte, sondern auf Verbrechen und gehört daher dem intertemporalen Strafrecht an.

§ 47.

Darstellung seiner Abhandlung: de vi legis in praeteritum.

305

beziehe.1 — Th. XXXV. enthält eine Einschränkung der neueren intertemporalen Rechtsregel. Denn die Gewalt des Gesetzgebers, das Gesetz auf die Thatbestände der Vergangenheit zurückzubeziehen, ist eine beschränkte und keine absolute. Daher können selbst auf Grund einer ausdrücklichen Anordnung diejenigen Thatbestände, welche durch richterliches Urteil, compositio amicabilis, Vergleich, Zahlung, Erlaß, Eid oder auf andere Weise erledigt sind, der neuen Rechtsordnung nicht unterworfen werden.2 Es wäre denn eine gerechte und vernünftige Ursache vorhanden, die auch sonst genügend wäre, daß der Fürst einem Anderen sein wohlerworbenes Recht entziehen könnte; in diesem Falle steht es dem princeps offen, auch über bereits erledigte Thatbestände zu verfügen.8 Th. XXXVI. behandelt die Möglichkeit, daß sich die neue Rechtsordnung auch auf die negotia pendentia, „so noch Rechtshängig seyn", beziehe. Dieselben unterliegen der neuen Rechtsordnung nur, wenn der Gesetzgeber sie ausdrücklich erwähnt.4 — Nach der Th. XXXVII. gehören zu den rechtshängigen Sachen auch diejenigen, wo der Beweistermin bereits stattgefunden, jedoch gar kein oder ein ungenügender Antrag auf Versäumnisurteil erhoben wurde.6 — In der Th. XXXVIII. wird die Frage auf1 c. 1 de legibus 1, 14; fr. 22 de legibus 1, 3; c. 13 X. de constitut. 1, 13; CoUegium Argentoratense v. J . MEIER, de legibus Digestorum, th. X X I I I . ; CUIACIUS, Nov. 66; P H I I I P P I , in usum praetieum de iure nat. gent. eiv., eelog. 10: nominatim bedeute ausdrücklich und besonders. S . P E R E Z , prael. in XII libr. Codicis Just. zu 1, 14, n. 7: es genüge nicht ein zweideutiges Zeitwort, d. h. ein solches, welches sowohl die gegenwärtige, als die vergangene, als auch die zukünftige Zeit in sich schließt. S. MASCABDÜS, de interpret. Statut, eonel. 13, n. 7. Dies drückt noch deutlicher PANOBMITANUS aus in e. 2 X. de constitut. 1, 2, n. 3, fol. 41. Wenn das Gesetz, sagt er, ein Zeitwort in der konjunktiven Form gebraucht, so kann es einen zweifachen Sinn haben, sowohl hinsichtlich der Zukunft, als auch der Vergangenheit; trotzdem soll der Sinn desselben nur die Zukunft betreffen. Wenn daher ein neues Statut anordnet: „si quis eommiserit furtum puniatur poena mortis", so betrifft es die Diebstähle, die vor seinem Erlasse begangen wurden, nicht. 2

S. o. 22 § 1 de sacros. eeol. 1, 2; c. um. § 4 de eontraet. 1, 53: c. 16 de transaet. 2 , 4 ; c.c. 3 u. 7 de precibus imperat. 1, 1 9 ; WOLFGANG A D A M , LAUTERBACH, exereitationes 2 , eonel. 5 ; MATHIAS BEBLICH, dec. 1 5 9 , n. 1 2 . 3 FABINACIUS, p. 2 fragm. erim. f . 2 2 0 , n. 4 9 u. 5 0 . 4 Vgl. c. 7 de leg. 1, 14. Dies gilt einerlei, ob das Gesetz aus eigenem Antrieb des Fürsten erlassen wurde (proprio motu), oder auf Grund der Initiative eines Anderen, z. B. eines städtischen Senates, der um die Bestätigung eines Statutes nachkommt (s. BARTOLUS ZU fr. omnes populi cit. n. 40); einerlei ferner, ob sie in der ersten oder in der zweiten Instanz anhängig sind, obschon die Berufung nur erhoben (interposita), jedoch noch nicht eingeführt ist (introducta); s. D. MEVIUS, deeisiones, tom. 5, dec. 278. Es gehört zur Aufgabe des Berufungsrichters zu untersuchen, ob der Richter der ersten Instanz bei der Urteilfällung Recht und Gerechtigkeit beobachtet habe. Dies kann er aber nur, wenn er die alte Rechtsordnung zur Anwendung bringt 6 W . führt zur Unterstützung seiner Ansicht eine richterliche Entscheidung v. J. 1681 an. S. darüber oben § 39, S. 244.

AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

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N . C H . LYNCKER.

geworfen, wie es sich dann verhalte, wenn durch Verschleppung des Richters die Sache rechtshängig bleibt und inzwischen ein neues Gesetz auch über die rechtshängigen Sachen ergeht.1 Th. XXXIX. enthält als zweite Ausnahme der alten intertemporalen Rechtsregel das deklaratorische Gesetz, einerlei, ob dasselbe rein deklaratorisch oder zum Teil schöpferisch sei. Beide Arten, die reinen wie die gemischten deklaratorischen Gesetze, erstrecken sich auf die Thatbestände der Vergangenheit.2 — Th. XL. enthält eine Einschränkung für den Fall, daß das auslegende Gesetz zum Teil strafrechtlichen Inhalts ist. Dann bezieht sich nur das nicht strafrechtliche Stück auf die Vergangenheit.3 — Nach Th. XIL. handelt jedoch der Gesetzgeber manchmal vorsichtiger und klüger, wenn er den auslegenden Gesetzen ausdrücklich beifügt, daß sie sich nicht auf die Vergangenheit beziehen. So erklärt Kurfürst Johann Georg II. in der constitutio electoralis 8, pari. 3, er wolle nicht die

1

Die Antwort lautet darauf: Durch eine Handlung des Richters dürfe den Rechten der Parteien kein Abbruch geschehen und daher müsse nach der alten Rechtsordnung der Rechtsstreit entschieden werden. Wenn es dagegen ungewiß ist, ob sich die besiegte Partei mit einem vor dem neuen Gesetze erlassenen Urteil zufrieden gegeben oder aber ein suspensives Rechtsmittel eingelegt hätte, dann ist der Satz aufzustellen, daß in diesem Falle der Richter in Bezug auf den ersten Prozeß vor Klagen von Seiten der besiegten Partei sicher gestellt ist. Weist aber letztere nach, daß, wenn der Richter gemäß der f r ü h e r e n Rechtsordnung hätte urteilen können, die andere Partei das Urteil hätte bestehen lassen müssen, z. B. weil ein suspensives Rechtsmittel aus irgend einem Grunde ausgeschlossen war; dann besteht zwar das Urteil, welches gemäß der neuen Rechfesordnung erlassen worden ist, zu Recht; jedoch kann die besiegte Partei vom verschleppenden Gerichte die in integrum restitutio auf Grund der clausula generalis verlangen und wenn sie die Fahrlässigkeit des Richters nachzuweisen vermag, gegen denselben auf das Interesse klagen. 4 G A I L L , a. a. 0. 2. abs. ult.\ JASON zum Tit. Codicis de legibus, n. 11. S. auch fr. 21 § 1 qui testam. pac. poss. 28, 1. Dadurch wird kein wohlerworbenes Recht verletzt. So A N T . ROM. GABRIELES, Communes deoisiones, concL 3 , n. 10 und zu fr. 6 de reg. i. 50, 17. Jedoch muß der Gesetzgeber Worte gebrauchen, welche sich auch auf die Vergangenheit beziehen können, nicht bloß auf die Zukunft: auch sonst muß etwas feststehen, das auf den Willen, die frühere Rechtsordnung auszulegen, schließen läßt. Wenn es daher in einem neuen Gesetze oder Statute einfach heißt: „Demnach setzen, ordnen und wollen wir Kraft gegenwärtiger Constitution und Satzung", dann ist eine derartige Konstitution weit davon entfernt, die Thatbestände der Vergangenheit zu ergreifen, obschon sie des Gesetzes, welches erklärt werden soll, gedenkt, deswegen, weil sie eher als eine neue, denn als eine auslegende anzusehen ist. MASCABDUS, de int. stat. e. 13, n. 8 , p. 3 7 5 . ' So FELLINUS ZU C. 13 X. de eonst. 1, 2 (n. 8). FARINACIUS fügt dieser Beschränkung noch eine andere hinzu; s. in seiner theoretiea oriminalis (libri 2), fragmenta criminalia p. 2, n. 55, fol. 221. Das deklaratorische Gesetz, sagt er, bezieht sich nicht auf diejenigen Thatbestände der Vergangenheit, über welche ein Urteil ergangen ist, das im Gegensatz steht zu demjenigen, was die Auslegung bestimmt; was bereits entschieden ist, wird durch eine derartige Rechtsordnung nicht rückgängig gemacht.

§ 47.

Darstellung seiner Abhandlung: de vi legis m praeteritum.

deklaratorische decisio 47 auf die Vergangenheit ausdehnen. geht aus dem Text hervor; 1

307

Der Grund

Th. XXIIL. enthält als dritte Ausnahme die leges annullatoriae für den Fall, daß der Grund der Nichtigkeit schon der Vergangenheit angehörte. 2 Denn cessante ratione legis cessat legis dispositio.3 Diese Behauptung unterliegt dann keinem Zweifel, wenn das Gesetz oder das Statut ausdrücklich sich auf die Vergangenheit ausdehnt. Derart ist die c. 3 de pact. pign. 8, 3 4 , welche das unbillige wucherische und unsittliche pactum commissorium betrifft. Ebenso Tit. 55 pr. lib. 2 Feudorum,* ferner das edictum electorale de cessionibus, verkündet am 1. Febr. 1614 § „und obwohl'1 5 Th. .XIIIL. stellt als vierte Ausnahme auf die lex confirmatoria. Wenn ein annullatorisches Gesetz sich auf die Vergangenheit ausdehnt, so muß dies auch bei einem konfirmatorischen der Fall sein; denn zwei Gegensätze unterliegen demselben Grunde und infolgedessen auch demselben Rechte. 6 — Th. ult. bezieht sich auf einen actus continuus ac successivus, der aus mehreren Thatbeständen besteht. Für den Fall, daß 1 „Ah setzen wir hiermit, dass obbemelte Constitution hmführo, und sobald diese unsere Decisiones publiciret, auch auf den Orossvater von der Mutter und Grossmutter sowohl Väter- als Mütterlicher Seiten, erstrecket, sie %ur Sueeession der Legitima gelassen, von ihnen mit verstanden, erkant und gesprochen werden soll. Warm aber dergleichen Fall und Substitution, dass der Orossvater von der Mutter, oder die Väterliche oder Mütterliche Orossmutter von der Kinder Sueeession ausgeschlossen worden, allbereit bisshero geschehen und vorgangen, soll es, %u Verhütung Streits, bei angexogener Constitution gelassen und quod praeterita dieselbe weiter nicht, als von der Mutter verstanden werden." s

S . FABKACTOS, a . a . 0 . , f . 2 2 1

ad.

238.

zum fr. orrmes populi cit. f . 12. 4 D . MEVIUS, Bd. 1, Dec. 811 u. Bd. 8, dee. 284 und BBDNNEMANN, de eess. act. C. 1, n. 107, C. 4, n. 87 behaupten jedoch das Gegenteil. S. auch oben § 26, 8

S.

S . BABTOLUS

162.

* Vgl. dazu CHB. P H . RICHTER, dee. 3 6 , n. 18 und CAKPZOW, responsa iuris electoralia lib. 5 resp. 36, n. 12. Der Text des Ediktes lautet: „So lassen wir uns doch derer opinion, so je und allewege an imserm Hofe bisshero gehalten, auch darnach, in vorfallenden Sachen sententioniret und erkant, gefallen, die den neuen Consens vor nöthig erachten, und soll sowol. in praeteritis als in futuris negotiis keine dergleichen Cession, ohne des Lehnsherrn neue Einwilligung, ohnangesehen der Vorschreibung und darüber xu Anfangs ausgewirkten Consens, vor kräftig erkant werden, etc. . . ." 8 Arg. e. ult. § ult. de quadr. praescr. 7, 37. BABTOLUS bekämpft diese Meinung, gestützt auf c. 35 § 5 de donat. 8, 53, welche zwar das pactum de donando anerkennt, jedoch könne davon keine Eede sein, daß sie sich auf früher errichtete Schenkungsversprechen beziehe; denn dadurch entständen die größten Unzuträglichkeiten. Übrigens enthalte die für die bejahende Meinung angeführte constitutio ultima keinen überzeugenden Grund, weil sie nicht wegen der Natur der Bestätigung rückwirkende Kraft hat, sondern kraft ihres Sinnes und ihrer ausdrücklichen Worte. 20*

308

N. Ch. Ltnoeeb.

ein neues Gesetz oder Statut erlassen wird, muß dasselbe nur für die zukünftigeil Thatbestände beobachtet werden, nicht aber für die vergangenen.1 § 48. Beurteilung der Abhandlung N. Ch. Lynckers (Ch. H. Mühlpforts). Bei einem Vergleiche zwischen der Leistung des Fellinus und der vorliegenden läßt sich ein wesentlicher Fortschritt nicht feststellen, obschon M., wie aus einer Anführung hervorgeht,2 das Werk des F. kannte und auch andere Schriftsteller jener Periode, wie z. B. Panormitancs benutzte. Das System ist dasselbe, wie bei jenem; der Verfasser kommt über die alte intertemporale Eechtsregel nicht hinaus; die neuere stellt sich ihm wie F. dar in der Form von Ausnahmen der alten. Inhaltlich ist sogar ein Rückschritt in der intertemporalen Rechtsauffassung eingetreten. Ein Beispiel liefert insbesondere Th. XXXVII. Nach der zweiten, dritten und vierten limitatio der ersten fallentia ergreift die neue Rechtsordnung die rechtshängigen Sachen nicht, wenigstens dann nicht, wenn ein Aktenschluß stattgefunden hat. Th. XXXVII. aber läßt die neue Rechtsordnung Platz greifen, obschon ein Beweistermin unter der alten Rechtsordnung stattgefunden hatte, nicht bloß ein Aktenschluß. Der Beklagte war im Beweistermin ausgeblieben und Kläger stellte nicht den nötigen Antrag auf Versäumnisurteil. Trotzdem muß aber, wenn nicht eine durch Stillschweigen longo silentio erledigte Sache, so doch mindestens ihre Rechtshängigkeit angenommen werden, da dieselbe nach gemeinem Rechte erst in vierzig Jahren verjährt, die neue Rechtsordnung aber schon nach elf Jahren in Kraft trat. Die Verurteilung des Bauern nach der neuen Rechtsordnung widerstrebt daher dem intertemporalen Privatrecht.3 Auch die Entscheidung der Streitfrage zwischen Fbantzke und G a i l l in den Th. XIV., XV. und XVI. hält dem intertemporalen Rechte gegenüber nicht Stand. Die Reallasten, welche unter der alten Rechtsordnung zu Stande kamen, sind objektive Rechtsverhältnisse, die die Eigentümlichkeit haben, zeitlich wiederkehrende subjektive Rechte auf 1 Als Beispiele für derartige Thatbestände führt M. an: Ablage von Rechnungen und Prozesse. Benedictub de Capra, Reg. 6, n. 72, 74, 75 lehrt, daß man in der Praxis immer eine neue .Rechtsordnung, welche sich auf den Vollzug eines Thatbestandes bezieht, auch auf den Vollzug eines Thatbestandes der Vergangenheit anwenden müsse, es wäre denn, daß der Vollzug nur etwas Nebensächliches des früheren Thatbestandes darstellte und von demselben nicht getrennt werden könnte. Nach der allgemeinen Regel „quaecumque partes actus sueeessivi cum praeteritis •imdividua/m ccmnexionem, ad eas nova lex non porrigitur." S. Mascabd, de mt. stat. concl. 13, n. 54, p. 387; 1. glossa in Clem. de testam. » Siehe Th. XL. * Selbst wenn die neue Rechtsordnung als eine authentische Interpretation angesehen wäre, so müßte der Richter bei der Sachlage die Bauern freisprechen, denn es liegt mehr als eine bloße Rechtshängigkeit vor. Wie oben angedeutet, kann der Richter auch eine durch langes Stillschweigen erledigte Sache annehmen.

§ 48.

B e u r t e i l u n g der A b h a n d l u n g N . CH. LYNCKERS (CH. H . MÜHLPFOBTB).

309

Beuten für eine zunächst unabsehbare Zukunft zu erzeugen. Diese Rechte bilden also nur die subjektive Erscheinungsform des objektiven Rechtsverhältnisses und können von dem letzteren nicht getrennt werden. Da nun das objektive Rechtsverhältnis der Reallast als solches nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen ist, so muß folgeweise auch seine subjektive Erscheinungsform nach derselben entschieden werden; es wäre denn, daß die neue Rechtsordnung materiell und formell die alte Rechtsordnung verwirft. Aus diesem Grunde ist auch die Entscheidung in Th. XVII. unrichtig. — Bedenklich ist auch die Th. XXIII., welche aus einem Gedanken hervorgeht, den wir bereits bei F. vorgefunden und verworfen haben. Darnach werden Willensthatbestände der Vergangenheit von der neuen Rechtsordnung dann ergriffen, wenn die Parteien noch Zeit gehabt hätten, sich ihren Vorschriften anzupassen. Vernachlässigen sie dies, so hätten sie es sich selbst zuzuschreiben, daß die neue Rechtsordnung ihre unter der alten vorgenommenen Willensthatbestände infirmiere. Diesen Gedanken wendet M. in Th. XXVII auf Testamente an und folgt hier beinahe wörtlich der Darstellung des F.1 In Th. XXIII. verwendet M. den Fellinischen Grundsatz einer intertemporalen Säumnisstrafe auch auf die unter einer Potestativbedingung abgeschlossenen Verträge an, obschon die Sachlage eine ganz andere ist, als beim Testament. Während nämlich dort der bedingt B e r e c h t i g t e die Erfüllung der Bedingung verzögert, versäumt hier der Testator, der nicht berechtigt ist, sondern der Zuwendungen machen will, die Änderung des Testamentes nach den Vorschriften der neuen Rechtsordnung. Beim Testamente wären die Erben, bezw. Vermächtnisnehmer die Berechtigten, und diese trifft nun ein Schaden wegen eines Umstandes, den sie nicht zu vertreten haben! Daher ist für das Testament jener Gedanke einer intertemporalen poena negligentiae gänzlich verfehlt; denn die Strafe trifft völlig Schuldlose. Aber auch für Verträge, die unter einer Potestativbedingung abgeschlossen wurden, ist er zu verwerfen. Unter der alten Rechtsordnung ist während des Schwebens der Bedingung bereits ein objektives Rechtsverhältnis zu Stande gekommen, d. h. eine rechtliche Gebundenheit der einen Partei. Nur die subjektive Erscheinungsform mangelt noch, deren Eintreten von der Willkür des bedingt Berechtigten abhängig gemacht ist. Die alte Rechtsordnung hat nun das objektive Rechtsverhältnis bereits erfaßt und damit auch die mögliche subjektive Erscheinungsform derselben, selbst wenn diese erst unter der neuen Rechtsordnung zur Verwirklichung ge1 Auch die Entscheidung, wonach ein testamemtum ruri eonditum ungültig werde, wenn der Testator nachträglich seinen Wohnsitz in der Stadt aufschlägt, beruht auf diesem Gedankengange. Obschon sie nicht intertemporaler Natur ist, so müssen wir doch hier ihre Unrichtigkeit feststellen; nur dann wäre sie richtig, wenn ein ausdrücklicher Rechtssatz bestände, wonach derartige Testamente nach einer gewissen Frist ungültig werden, falls der Testator seinen Wohnsitz nach der Stadt verlegt, ähnlich etwa fr. 38 de test. mil. 29, 1 oder dem § 2252 des B.G.B. Ein derartiger Rechtssatz fehlte dem römischen und gemeinen Rechte.

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N.

CH.

LYNCKER.

langt. — Auch abgesehen von diesen prinzipiellen Bedenken gegen jene intertemporale poena negligentiae giebt es noch Gründe nebensächlicher Art, die gegen sie sprechen. Bestände eine solche Strafe, so müßte jeder Laie fortwährend die gesetzgeberischen Erlasse mit der peinlichsten Aufmerksamkeit verfolgen, um jener zu entschlüpfen. Dies kann aber der Gesetzgeber Niemandem zumuten, selbst nicht gebildeten Juristen, abgesehen davon, daß sich das Rechtsgefühl gegen eine derartige Strafdrohung aufbäumt. Der Zweck des objektiven Rechtes ist vor allem der, ein Gefühl der Sicherheit in der Brust einer jeden Privatperson zu erwecken. Bestände aber eine derartige intertemporale Rechtsbestimmung, so träte gerade das Gegenteil ein. Ein Gefühl der Unsicherheit würde jeden ergreifen, der auf einem so schwankenden Rechtsboden steht. — Th. XXX. behandelt den Thatbestand der Verjährung in nicht zutreffender Weise. Wie bereits früher bemerkt,1 müssen wir bei diesem Thatbestand ein positives und negatives Element unterscheiden. Das positive stellt sich als ein Zustandsthatbestand dar; das negative dagegen als einen negativen Willensthatbestand. Erfüllt sich letzterer nicht unter der alten Rechtsordnung, so ergreift die neue den Gesamtthatbestand. Nur soweit, herrscht richtiger Anschauung nach die alte Rechtsordnung, als es sich um die Voraussetzungen des Zustandsthatbestandes handelt. Dagegen ist die Frage der Zeit nach der neuen Rechtsordnung zu beurteilen, gleichgültig, ob dieselbe eingeschränkt oder erweitert wird. Hinkend ist auch der Vergleich zwischen der gesetzlichen Ausdehnung der Verjährungsfrist und den Moratorien. Letztere sind keine Gesetze, sondern öffentliche Willensthatbestände. Außerdem hat der Präskribent keinen Anspruch auf Erwerb des Rechtes, während der Gläubiger ein rechtlich anerkanntes Forderungsrecht hat auf Leistung, welches jedoch durch diesen öffentlichen Verwaltungsakt gestundet wird. — Th. XXXI. will sich auf den Thatbestand der Zahlung beziehen, ist jedoch weit davon entfernt; vielmehr behandelt sie eine Frage des intertemporalen B e w e i s r e c h t e s , nämlich die Frage, wie zu entscheiden sei, wenn die neue Rechtsordnung eine andere Form für den Beweis einer Zahlung verlangt. Nur dann würde es sich um eine neue Rechtsvorschrift für den Thatbestand der Zahlung handeln, wenn dieselbe in Bezug auf die P e r s o n des befugten Zahlungsempfängers und Zahlers, oder hinsichtlich des G e g e n s t a n d e s , der M o d a l i t ä t , des Ortes oder der Zeit der Zahlung andere Bestimmungen treffen würde. M. verwechselt also den Thatbestand der Zahlung mit demjenigen Stück des Beweisrechtes, welches sich auf die Zahlung bezieht, eine Verwechselung, die nicht gerade für eine bedeutende juristische Begabung spricht. — Flüchtig ist die Th. XIIIL. ausgearbeitet, im Gegensatz zur entsprechenden fallentia der Fellinischen Abhandlung. M. vergleicht hier die lex confirmatoria mit der lex annullatoria und behauptet, daß die erstere aus demselben Grunde wie die letztere rück1

S. oben § 33, S. 214 fg.

§

Beurteilung der Abhandlung N.

48.

C H . LYNCKERS ( C H .

H.

MÜHLPFOBTS).

311

wirkende Kraft haben müsse. Allein die lex annullatoria hat, wie er selbst bemerkt, nur dann rückwirkende Kraft, wenn der Nichtigkeitsgrund bereits in der Vergangenheit vorhanden war.1 Er versäumt es aber hervorzuheben, daß ein konfirmatorisches Gesetz nur dann die Thatbestände der Vergangenheit ergreife, wenn der Grund der Bestätigung auch bereits in der Vergangenheit vorlag, während dieser Punkt von F E L L I N Ü S und seinen Zeitgenossen nicht übersehen wurde. — Ein Mangel, der auch bei F. sehr stark hervorgetreten ist, begegnet auch hier. Es fehlt an einer reinlichen und scharfen Sonderung des intertemporalen Privatrechtes mit den übrigen intertemporalen Rechtsgebieten, insbesondere des Straf-, Staats- und Verwaltungsrechtes. Dieser Mangel macht sich besonders fühlbar bei der Thatbestandslehre, welche privat-, straf- und öffentlich-rechtliche Thatbestände in einen Topf wirft, und zwar nicht nur in einer und derselben Thesis, sondern sogar in einem und demselben Satze. So in Th. V., wo als Beispiele von relativ perfekten Thatbeständen neben delicta inchoata sed non consummata, m. a. W., neben verbrecherischen Versuchshandlungen der K a u f , bevor der Preis bezahlt und der Kaufgegenstand tradiert worden ist, und das S c h e n k u n g s v e r s p r e c h e n , bevor der Schenkungsgegenstand übergeben wurde, auftreten. In Th. VII. werden als Beispiele von relativ perfekten Thatbeständen, welche ihre Konsummation von einem extensiven Thatbestand empfangen, aufgezählt: die Advokatur, die Prokuratur und das Syndikat, alles Thatbestände des Staats- und Verwaltungsrechtes. In Th. ult. endlich erscheinen als Beispiele eines actus continuus ar successivus, sogar in einer und derselben Klammer, Rechenschaftsablegungen (der Verfasser meint wohl diejenigen der Vormünder), Prozesse u. dgl. („et similibus"). M. übertrifft sogar in der Verwirrung der Rechtsbegriffe F E L L I N U S und seine Zeitgenossen, indem er in Th. X. das Recht der zeitlich verschiedenen Rechtsordnungen desselben Gebietes und das der räumlich verschiedenen derselben Zeit; ferner die Thatbestände einer fremden Rechtsordnung und die einer a l t e n f ü r ein und dasselbe erklärt(!). 2 Daß M.3 von der neueren intertemporalen Rechtsregel keinen klaren Begriff hatte, ist bereits bemerkt worden. — Wie leichtfertig er mit der Ausschließlichkeit einer neuen Rechtsordnung umspringt, zeigt seine Be1

Der von M. hinzugefügte Grund cessante ratione legis cessat legis dispositio ist sehr wenig scharf gedacht. Diese Rechtsregel bezieht sich auf den Fall, daß in der Zukunft die ratio legis wegfällt. Dadurch soll der Herrschaft des Gesetzes für die Zukunft ein Ende bereitet werden. Hier handelt es sict dagegen um eine Begrenzung der Herrschaft eines Gesetzes nach der Vergangenheit. Im übrigen gelten dieselben Ausstellungen gegen M., die wir oben in § 46, S. 295 in Ansehung der annullatorischen und konfirmatorischen Gesetzen gegen F. angeführt haben. 2 „Quoniam talis modi solutio est ex factis praeteritis." 3 M. führt zur Unterstützung seiner Ansicht, daß die Thatbestände der fremden Rechtsordnung identisch seien mit denen der alten Rechtsordnung, den Text des fr. 1 pr. de So. Maced. 14, 6 an.

N. Ch. Lynckeb.

312

hauptung in Th. XXVIII., daß ein neues Gesetz ohne Verstoß gegen die B i l l i g k e i t auf rechtshängige Sachen angewandt werden könne. Auch scheint er eine sonderbare Ansicht vom intertemporalen Strafrecht zu haben, wenn er behauptet, daß ein Strafgesetz rückwirken könne, falls gegen den Verbrecher bereits öffentliche Anklage erhoben sei. In dieser Thesis kommt er der Wahrheit am nächsten, wenn er mit G a i l l sagt, daß die neue Rechtsordnung um so leichter auf die Vergangenheit bezogen werden könne, als sie sich auf natürliche Billigkeit stützt u n d die U n b i l l i g k e i t des f r ü h e r e n G e w o h n h e i t s r e c h t e s v e r a b s c h e u t ! Dies ist die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit wie sie leibt und lebt! — Auch die Lehre von den wohlerworbenen Rechten wirft starke Schatten in die Abhandlung. So in Th. XXVIII., wo der Verfasser mit Tuschus behauptet, daß ein festes, unwiderrufliches Recht durch ein nachfolgendes Gesetz nicht entzogen werden könne. Auch in Th. XXX., indem die Rückwirkung der neuen Rechtsordnung auf den Thatbestand der Verjährung bei Verlängerung der Frist damit gerechtfertigt wird, daß dem Verjährenden das R e c h t der Verjährung und die Hoffnung auf den Erwerb nicht entzogen werde. Diese Begründung wäre ohne die Lehre von den wohlerworbenen Rechten unverständlich.1 Dagegen stützt sich die Entscheidung in Th. XXIX. nicht auf sie, obschon dies naheliegend wäre; Felltstus und seine Zeitgenossen haben sie auch bei. der intertemporalen Behandlung der dos angewandt.2 Neben diesen Mängeln sind aber einige Vorzüge dieser intertemporalen Arbeit im Vergleiche mit derjenigen von F. nicht zu verkennen. Der Verfasser nimmt einen Anlauf, zwei der wichtigsten Rechtselemente des intertemporalen Privatrechtes systematisch zu behandeln, nämlich die Rechtsordnung und den Thatbestand, wobei allerdings das dritte Rechtselement, die Rechtsverhältnisse, ganz unberücksichtigt bleibt. In der That ist es die erste Anforderung, die man an eine gründliche intertemporale Untersuchung stellen kann, daß sie zunächst darnach trachtet, den Begriff und die verschiedenartigen Ausgestaltungen des Thatbestandes, der Rechtsordnung, sowie der Rechtsverhältnisse festzustellen. Nur auf diese Fundamente gestützt, kann sich ein dauerhaftes und festes Lehrgebäude des intertemporalen Privatrechtes erheben.3 Diese Erkenntnis geht F. und seinen Zeitgenossen, wenn nicht gänzlich, so doch zum größten Teile ab. Nur hie und da finden wir eingestreute Versuche, die verschiedenen Arten der Thatbestände zu bestimmen, um je nach der 1

Auch die Unterscheidung, die Fellinds und seine Zeitgenossen bei der gesetzlichen Aufhebung eines wohlerworbenen Rechtes machten, ob ein Gesetz proprio motu principis erlassen worden sei oder nicht, treffen wir in Th. XXXVI., welche die rechtshängigen Sachen behandelt. Nur ist der Gegensatz dazu klarer hervorgehoben, als bei F.; dieser ist der Erlaß eines Gesetzes von Seiten des princeps auf die Initiative eines Anderen, z. B. eines städtischen Senates. 2 S. oben § 45, S. 269, n. 3. 8 S. oben § 4 der Einleitung, S. 14.

§ 48.

Beurteilung der Abhandlung

N.

C H . LYNCKERS

(CH. H .

MÜHLPFOETS).

313

Natur derselben die intertemporalen Rechtsfragen zu beantworten. Über das Wesen der Rechtsordnung selbst, um deren Herrschaft es sich handelt, fallen nur einzelne dürftige Bemerkungen. M. versucht nun in Th. IV. das Wesen der Rechtsordnung festzustellen und gelangt zu dem befriedigenden Ergebnis, daß sie einen allgemeinen Charakter haben müsse, so daß alle Sonderfälle von ihr ergriffen werden können. Th. V.—XI. sind der Erläuterung der Thatbestände geweiht; die Ergebnisse aber sind dürftig und nicht durchweg zu billigen. Wann ein nicht extensiver, bezw. extensiver Thatbestand vorliegt, wird nicht gesagt, sondern die Begriffe derselben stillschweigend vorausgesetzt. Nur einige Beispiele werden gegeben, um dem Yerständnis des Lesers zu Hülfe zu kommen. Auch die intertemporale Entscheidung, daß derjenige unvollendete Thatbestand, dessen Ergänzungsthatbestand in einem actus extensivus besteht, bald von der neuen, bald von der alten Rechtsordnung beherrscht wird, je nachdem die erstere günstiger oder ungünstiger als die letztere sei, ist willkürlich und wird auch vom Verfasser nicht weiter begründet (Th. VII.). Die Einteilung der Thatbestände, die M. im Hinblick auf die zeitliche Aufeinanderfolge zweier Rechtsordnungen macht, ohne sich jedoch dieses Einteilungsgrundes klar bewußt zu sein, ist im Vergleich zur Arbeit des F. ein bedeutender Fortschritt. Th. VI. nämlich unterscheidet Thatbestände, die ihrem S e i n nach der alten Rechtsordnung angehören und solche, deren W e r d e n zwar unter der alten Rechtsordnung stattfindet, deren S e i n jedoch der neuen Rechtsordnung unterworfen ist. 1 Das Beispiel der gesetzlichen Erbfolge ist vollständig zutreffend. Ganz zu verwerfen sind jedoch die Aufstellungen der Th. VIII., wonach ein Zinsversprechen, das unter der alten Rechtsordnung stattgefunden hat, deswegen zum Teil unter die neue Rechtsordnung falle, weil der Ergänzungsthatbestand ein actus extensivus sei. Als solchen faßt er die zeitlich wiederkehrenden Zinszahlungen auf. In der That aber begründet das Zinsversprechen ein Rechtsverhältnis, welches die Eigenschaft hat, in bestimmten zeitlichen Zwischenräumen Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes zu erzeugen, welche vollständig dem Rechtsverhältnis angehören und von demselben nicht getrennt werden können. Unterliegt daher das Rechtsverhältnis der alten Rechtsordnung, weil sein Entstehungsthatbestand unter ihre Herrschaft fällt, so sind auch dessen subjektive Erscheinungen von derselben beherrscht, sowohl die bereits unter ihr fälligen Zinsen, als auch diejenigen, welche erst unter der neuen Rechtsordnung fällig werden. Nur wenn diese sich materiell und formell Ausschließlichkeit beilegt, ergreift sie die unter ihrer Herrschaft fällig werdenden Zinsen. Th. IX. bringt einen Gedanken zur Geltung, den wir bereits bei F. und seinen Zeitgenossen gefunden haben, wonach es Verbindungen von 1

Man wird unwillkürlich an die berühmte Lehre SAVIGNYS erinnert. LYNOKER darf als Vorgänger SAVIONYS bezeichnet werden. Auch die Ergebnisse der Lehre LYNCKERS stimmen mit denjenigen SAVIGNYS überein. S . unten § 5 2 .

314

N. CH. LYNCKER.

Thatbeständen giebt von einer derartigen untrennbaren Innigkeit (individua connexitas), daß sie als ein einheitlicher Thatbestand anzusehen sind. Fällt daher der eine verbundene Thatbestand in die Vergangenheit, der andere in die Zukunft, so bleibt doch die Herrschaft der alten Rechtsordnung gesichert. M. giebt hier kein Beispiel, jedoch behandelt er später in Th. XXVI. die Testamentsvollstrecker; es ist wohl in seinem Sinne gesprochen, daß die Vollziehung des Testamentes unter der Herrschaft der neuen Rechtsordnung ein derartiger mit dem Testament selbst innig verbundener Thatbestand ist, so daß er unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung verbleibt. Im gleichen Sinne entschieden auch F. und seine Zeitgenossen, abgesehen von dem Falle, daß der Testator Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, seirf Testament den Anforderungen der neuen Rechtsordnung anzupassen, in welchem auch nach M. (Th. XXVII.) die neue Rechtsordnung angewandt werden muß, eine Ansicht, deren Unhaltbarkeit wir oben nachgewiesen haben. In Th. X. sucht M. nach dem Falle, daß ein Thatbestand gänzlich unter die neue Rechtsordnung fällt und trotzdem nach der alten beurteilt werden muß. Er verirrt sich dabei in das internationale Privatrecht. Daher ist diese Thesis für das i n t e r t e m p o r a l e Privatrecht völlig wertlos. — Merkwürdigerweise kommt der Verfasser in der Th. ult. auf den Thatbestand zurück und beschäftigt sich wieder mit den Verbindungen der Thatbestände. Anstatt, daß er im Anschluß an Th. IX. darauf hingewiesen hätte, daß es Verbindungen von Thatbeständen giebt, die nicht eine .untrennbare Konnexität besitzen, die also zum Teil der alten, zum Teil der neuen Rechtsordnung unterstehen, stellt er plötzlich, ohne allen Zusammenhang mit dem Vorhergehenden, diesen Satz auf. Es kann ihm daher auch der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß es ihm an einer Übersicht und Beherrschung des StofiFes mangelte. — Ein Vorzug der Arbeit, welche als reife Frucht aus der Thatbestandslehre hervorgeht, ist die Aufstellung einer Rechtsvermutung für die Zugehörigkeit von Thatbeständen zu gunsten der alten Rechtsordnung in Th. XIX. Eine solche liegt im Geiste der alten intertemporalen Rechtsregel. F E L L I N U S und seinen Zeitgenossen ist sie unbekannt. FICHARD und LYNCKER stellen sie in beschränkter Weise nur in Ansehung der kirchlichen Lehen auf und verlangen außerdem noch unvordenklichen Besitz. M. dagegen verallgemeinert sie und sieht vom Erfordernis des unvordenklichen Besitzes ab, insonderheit in causa odiosa et poenali.1 1 Das Schweizerische Obligationenrecht stellte die umgekehrte Präsumption auf; s. unten § 52.

49.

Darstellung der intertemp. Abhandlung von ZINOKBBNAOEL (HENNE).

IV. § 49.

315

E. CH. HENNE.

Darstellung der intertemporalen Abhandlung von E. Ch. Zinckernagel (R. Ch. Henne).

Unter dem Titel „dissertatio iuridica de legibus ad praeterita trahendis" unterbreitete E . C H . ZINCKERNAGEL eine intertemporale Abhandlung der iuristischen Fakultät der kurfürstlichen Akademie zu Erfurt, unter der Leitung, sub moderamine, des R. C H . H E N N E am 24. Juli 1737. In dreißig Paragraphen ist der Stoff verteilt. Voraus geht eine Einleitung „prooemium", worin Z. behauptet, daß seines Wissens noch Niemand diese Materie ex professo bearbeitet habe(!), obschon einige Schriftsteller Fälle berührt hätten, die hierher gehören, ohne jedoch Gründe für und wider und Beispiele dafür anzugeben (!). Zunächst wolle er darlegen, aus welchen Gründen der princeps ausdrücklich ein Gesetz auf die Vergangenheit zurückziehen könne; darauf jene Fälle darstellen, wo es die Natur des Gesetzes mit sich bringe, daß es auf die Vergangenheit sich ausdehnt, obgleich in ihm die Anwendung auf die Vergangenheit mit Stillschweigen übergangen wird. In § I wird die gesetzgebende Gewalt zu den höchsten iura maiestatica gerechnet. Daher ist Gesetzgeber derjenige, welcher Träger der höchsten Staatsgewalt ist. Darnach wird festgestellt, wer im alten Deutschen Reiche, in den Territorialstaaten und in den freien Reichsstädten die gesetzgebende Gewalt besitzt. — § I I zieht den Kreis der Personen, welche den Gesetzen unterworfen sind; ausgenommen sind die Forensen und der princeps selbst, es wäre denn, daß er durch einen Vertrag zur Befolgung der Gesetze verpflichtet ist. Die Gesetze werden eingeteilt in solche, welche den Rechtsgeschäften bei Vermeidung der Nichtigkeit eine Form vorschreiben; ferner in solche, welche die Fähigkeit verleihen, irgend etwas gültig und gesetzmäßig zu thun, z. B. die Testamentsfähigkeit; endlich in solche, welche nur als Ratschläge anzusehen sind, da sie jeder Strafandrohung entbehren: uneigentliche oder unvollkommene Gesetze. — Nach § I I I ist ein Gesetz erst verbindlich nach seiner Promulgation; denn erst nach der Promulgation wird der Wille des Gesetzgebers erkennbar, so daß Niemand sich auf Rechtsirrtum berufen kann. Im römischen Rechte konnte sich Niemand auf Unkenntnis des Gesetzes stützen nach Ablauf von zwei Monaten seit seinem Erlasse. 1 Die Reichsabschiede sind für das Kammergericht nur vom Zeitpunkte der Insinuation an verbindlich. — In § IV werden die Grenzen der gesetzgebenden Gewalt festgestellt; nur das ius divinum setzt ihr eine Schranke. Selbst das ius naturale kann abgeändert werden. — § V nennt als Gebiete, auf welche sich die Gesetzgebung erstrecken soll, zunächst die 1

Vgl. Nov. 66, cap. 1.

816

R.

CH.

HENNE.

herkömmlichen, 1 dann auch seltenere Fälle, die nicht vernachlässigt werden dürfen. 2 — Die Gesetze sollen weder physisch noch moralisch Unmögliches verlangen (§ Y I ) 3 und in dispositiven Worten verfaßt sein (§ VII). Aufzählende Worte haben nicht dieselbe Gesetzeskraft. 4 — Nach § V I I I sind die Gesetze für alle Personen verbindlich, obschon die Veranlassung des Gesetzes möglicherweise nur von Einzelnen ausging. — § I X bringt endlich die intertemporale Regel, daß die neuen Rechtsordnungen regelmäßig nur für die Zukunft Geltung haben und selbst bei einem zweideutigen Worte [si quis fuerit). Vor Erlaß eines Gesetzes könne Niemand schuldhafter Weise das spätere Gesetz übertreten; dies gelte besonders bei Strafgesetzen. 6 — § X beginnt mit den Ausnahmen dieser Regel. Erstens, wenn der princeps ausdrücklich der Thatbestände der Vergangenheit und der schwebenden Geschäfte gedenkt. Er solle jedoch dies nur zum Wohle des Gemeinwesens ex iusta causa thun. — In § X I sucht der Verfasser die Grundsätze namhaft zu machen, nach denen der princeps beim Erlaß eines Gesetzes handeln solle. Vor allem solle die rückwirkende Kraft eines Gesetzes einem unbeteiligten Dritten keinen Schaden zufügen. So dürfe z. B. kein Gesetz erlassen werden, wonach ein Kauf nur gültig sei, wenn eine feierliche Urkunde aufgenommen werde, derart, daß auch früher abgeschlossene Käufe in Ermangelung einer solchen Urkunde hinfällig werden. Wer konnte ahnen, daß nach einiger Zeit ein derartiges Gesetz erlassen werde! — I n § X I I ermahnt der Verfasser den Gesetzgeber, alle Umstände zu erwägen, bevor er ein Gesetz mit rückwirkender Kraft erlasse und führt als abschreckendes Beispiel Justinian an. 6 Besonders solle der princeps darauf sehen, kein wohlerworbenes Recht zu verletzen; das wohlerworbene Recht eines Unterthanen stehe so fest, daß es nicht einmal vom princeps entzogen werden könne. 7 — Nach § X I I I kann der princeps vor allem kein Strafgesetz auf die Vergangenheit ausdehnen. 8 — § XIV verwirft die Vermutung, wonach im Zweifel das Gesetz auf die Vergangenheit bezogen werde. 9 Noch weniger gelte die Präsumtion, daß der Gesetzgeber an die rechtshängigen oder gar an die durch Urteil erledigten Sachen gedacht habe, auch wenn sie noch in der Berufungsinstanz schweben. 10 Selbst, wenn 1 fr. 3 de leg. 1, 3. * So § 22 J. de rer. div. 2, 1; dann fr. 3 und fr. 4 si pars hered. pet. 5, 4. 3 So fr. 185 de reg. iur. 50, 17. * Die goldene Bulle zählte die sieben Kurfürsten nur auf, infolgedessen konnten ohne Verfassungsänderungen neue Kurfürsten ernannt werden. S. JAC. B R U N N E U A N N , de mutatione Aureae Bullae. 4 S. K N I P P S C H I L D , de priv. civit. imper. I. 2, aap. 3, nu. 83 und COLEBO, de processu exeo. p. 1, eap. 10, nu. 102. 6 S . auch STRAUCH, Irnerius non errans, eap. 3. 7

M E V I U S , p.

8

Der Inhalt des § XIII gehört zum intertemporalen Strafrecht.

9 10

2,

BEBLICH, dec. CÜIACIÜS,

dec.

56,

nu.

1.

159.

in nov. 113, vers. quib. si locus non est.

§ 49. Darstellung der intertemp. Abhandlung von

ZINCKERNAGEL

(HENNE).

3 1 7

das Gesetz sich Rückwirkung beilegt, so ergreife es doch nicht die vor ihm erledigten und in der Berufungsinstanz schwebenden Sachen. — Nach § XV hat des princeps nur dann einen gerechten Grund zur Rückziehung des Gesetzes, wenn dringende Notwendigkeit oder das Wohl des Gemeinwesens dies verlangen; jedoch selbst dann soll er Maß halten. Einen derartigen gerechten Grund hat er erstens: wenn ein Rechtsgeschäft der Yergangenheit seiner Natur nach ungünstig ist, obschon es anhin nicht verboten war.1 Zweitens (§ XVI): wenn das Gesetz über ein factum naturaliter turpe verfügt. Dieses wird als eine Handlung begriffen, welche wider das natürliche Recht den Schaden eines Anderen vorsätzlich herbeiführt.2 — § XVII giebt als Beispiel eines derartigen factum naturaliter turpe das pactum legis commissoriae an.3 Jedoch verlangt der Verfasser im Anschluß an die Glosse, daß das Gesetz, das über einen, Anstand und Sitte verletzenden, Thatbestand verfügt, ausdrücklich bestimme, daß es sich auf die vergangenen Rechtsgeschäfte beziehe; ansonst leugnet er die rückwirkende Kraft. — Drittens (§ XVIII), wenn das öffentliche Wohl es verlangt und kein anderes Hülfsmittel übrig bleibt.4 Als Beispiel führt der Verfasser das instrumentum pacis Osn. Art. 5, § 2 an.6 — § XIX eröffnet die Fälle, in denen ein Gesetz kraft seiner inneren Natur die Thatbestände der Vergangenheit ergreift, ohne ihrer zu gedenken, ja ohne sie auch nur anzudeuten. Erstens die lex annullatoria; denn ein vernichtendes Gesetz wäre ohne Wirkung, wenn es auch nicht die Thatbestände der Vergangenheit erfassen würde. Bezöge es sich nur auf die zukünftigen, so wäre es ein verbietendes, kein vernichtendes Gesetz. Z. ermahnt aber den princeps, beim Erlasse einer lex annullatoria die Grenzen seiner Gewalt nicht zu überschreiten, was besonders dann einträte, wenn die Thatbestände der Vergangenheit weder rechtswidrig noch unsittlich wären. Beispiele eines derartigen vernichtenden Gesetzes sind die c. fin. de pactis 2, 3 von Justinian, worin derselbe gewisse Verträge über Erbschaften eines dritten noch Lebenden für nichtig erklärte, während nach einem gemeinen Gewohnheitsrecht die Erb vertrage in ganz Deutschland anerkannt sind (§ XX); 8 ferner die c. 8 1 2

3 4

5

S. cap. un. 2, Feiid. 55, vers, nos autem. introd. ad ius, lib. 1, tit. 3 , § 1 4 . c. 3 de paet. pign. 8, 34. BÖHMER,

BÖHMER,

eod.,

lib.

1,

tit.

3,

§

14,

pag.

25.

Dieser ordnete den annus und dies deeretorius an. Das Jahr 1624 ist maßgebend für die Ausübung der Religion nach 1648 und der 1. Januar 1624 für Vermögens- und Besitzverhältnisse. Die Evangelischen verlangten das Jahr 1618 als entscheidend für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Katholischen dagegen das Jahr 1630; daher wurde ein Mittelweg eingeschlagen und der erste Tag des Jahres 1624 als maßgebender Zeitpunkt für die Wiedereinsetzung ausgewählt. So ist es denn geschehen, daß sich dieses Keichsgrundgesetz auf die Thatbestände der Vergangenheit bezieht, ansonst wäre das Deutsche Reich zu Grunde gegangen. Vgl. H E N N I Q E S , medit. ad instrum. paeis, art. 5, § 2. L E Y S E B , medit. ad Pandeet. vol. 6 , spec. 7 3 6 , medit. 1 7 , pag. 3 8 7 . 6

318

R.

CB.

HENNE.

de incest. ac inut. nupt. 5, 5 von Zeno, welcher die Heirat mit der Frau des Torverstorbenen Bruders für nichtig erklärte (§ XXI). Wenn in irgend einem Staate Polygamie herrschen würde und der Gesetzgeber ein sie für nichtig erklärendes Gesetz erließe; dann unterliege es keinem Zweifel, daß ein derartiges Gesetz rückwirkende Kraft hätte. — Zweitens das deklaratorische Gesetz (§ XXII). 1 Ein derartiges Gesetz kann aber nur vom Träger der gesetzgebenden Gewalt ausgehen {interpretado authentica). — § XXIII giebt als Beispiel die nov. 19, cap. 1 von Justinian an. — Drittens, wenn ein vor dem Erlaß des neuen Gesetzes errichteter Thatbestand mit leichter Mühe geändert werden kann (§ XXIV). 2 — Viertens die lex confirmatoria (§ XXV). 8 Beispiele: fr. 1 de don. i. v. et ux.; fr. 36 § 1; c. 25 de donat. i. v. et ux. 5, 16. — Fünftens, wenn die neue Rechtsordnung eine mißbräuchliche Anwendung der alten aufhebt (§ XXVI). 4 Eine solche liegt vor, wenn die Unterthanen dem Gesetze einen anderen Sinn geben, als der Gesetzgeber gewollt hat; dann hebt die neue Rechtsordnung auch die infolge dieses Mißbrauches entstandenen Rechtsgeschäfte auf. Von diesem Falle ist derjenige zu unterscheiden, wo ein Gesetz nur dafür sorgen will, daß es in Zukunft nicht mißbraucht werde. — § XXVII bringt hierzu ein Beispiel: ein Gesetz gewährt jedem freie Verfügung über sein Vermögen; die Unterthanen mißbrauchen diese Befugnis dergestalt, daß sie sich ihres ganzen Vermögens begeben, und in Armut und Not geraten. Daraufhin erläßt der Gesetzgeber ein Gesetz, welches diesen Mißbrauch aufhebt und damit auch alle Thatbestände, die aus diesem Mißbrauche hervorgingen. — Fünftens die lex revocatoria, welche Jemandem ein bereits erworbenes Recht aus gewissen Gründen wieder entzieht (§ XXVIII). Als Beispiele werden zwei Indignitätsgründe angeführt: fr. 7 § 8 de bonis damn. 48, 20 und fr. 8, § 14 de inoff. test. 5, 2; ferner ein Grund zum Widerrufe einer Schenkung c. 10 de revoc. donat. 8, 55. — § XXIX hebt hervor, daß es außer den Gesetzen noch andere Willenserklärungen {alia negotia) gäbe, die sich auf die Vergangenheit beziehen. Beispiele: die Genehmigung der Rechtsgeschäfte eines falsus procurator, das ius postliminii, die nachträgliche Genehmigung einer ohne elterlichen Konsens eingegangenen Ehe; 6 endlich die legitimatio per subsequens matrimonium.6 — § XXX

prael. lib. 1, tit. 3 , § 1 0 . mstitutiones iurisprudmtiae naturalis, p. 1, eap. 2 , § 8. — Als Beispiel fuhrt der Verfasser ein Gesetz an, welches den Kleiderluxus einschränkt; dies dürfe rückwirkende Kraft haben, selbst wenn die Kleider, die im neuen Gesetze verboten sind, bereits angeschafft worden waren. (Siehe oben FELLINTTS § 45, S. 281, n. 3 a. E.) 8 PHILIPPI, USUS practious Institut., I. 1, tit. 2, § 6 , eclog. 1 6 , nu. 1 6 . 1

HUBES,

1

WOLF,

4

PHILIPPI, a . a .

O.

ius eieile eontrov., p. 2 , lib. 2 3 , tit. 2 , qu. 5 verwirft diese in der Praxis angewandte Ansicht. 6 BÖHMER, ius eceles. potest., t. 4 . lib. 4, tit. 1 7 , § 1 0 . 5

COCCEJI,

§ 50. Beurteilung der intertemp. Abhandlung von

ZINCKEBNAGEL (HENNE).

319

enthält den Schluß, worin der Verfasser bescheiden um gütige Nachsicht für seine Dissertation (nicht Traktat) bittet. § 50.

Beurteilung der intertemporalen Abhandlung von E. Ch. Zinckernagel (R. Ch. Henne).

Wenn wir die Arbeit mit derjenigen von M Ü H L P F O R T ( L Y N C K E B ) vergleichen, so läßt sich kein Fortschritt, eher ein Rückgang der intertemporalen ßechtserkenntnis feststellen. Wie aus der Einleitung hervorgeht, kennt Z. keine einschlägige Monographie. Ihm ist offenbar weder J. D E B E L V I S O noch F E L L I N U S , nicht einmal M Ü H L P F O B T bekannt. Statt da den Faden aufzunehmen, wo ihn sein Vorgänger gelassen hatte, nämlich bei der Untersuchung der Rechtsordnungen und Thatbestände, widmet sich Z. zunächst der Frage, wer Träger der höchsten Staatsgewalt und damit auch der Gesetzgebung sei, um dann ihre Schranken und die Form der Gesetzesworte zu untersuchen. Obschon diese Erörterungen nicht überflüssig sind, so macht sich doch der gänzliche Mangel einer Erläuterung des Thatbestandes und des Wesens der Rechtsordnung in störender Weise fühlbar. Als Arten der Rechtsordnungen kommen gegen Ende der Abhandlung die annullatorischen, deklaratorischen, konfirmatorischen und die revokatorischen zur Sprache. Die Aufstellung der letzteren entspringt aber aus einem logischen Fehler; während bei den drei vorhergehenden Arten der Gesetzgeber es ist, welcher „annulliert", „deklariert" und „konfirmiert", so „revoziert" bei der letzteren die Privatperson auf Grund der ihr vom Gesetze gegebenen Ermächtigung. Der Begriff der revokatorischer Gesetze ist daher als unlogisch zu verwerfen. — Von den intertemporalen Rechtsregeln kennt Z. nur die ältere; der neueren ist er nur als Ausnahme der älteren bewußt. § XVI läßt auf eine Ahnung ihrer materiellen Voraussetzung schließen; s. noch § XVIII. Z. verwischt den Unterschied zwischen intertemporalem Privatrecht und intertemporalem öffentlichen Recht; so in § XIII. Den größten Fehler in dieser Richtung macht er in § XXIV, wo er als Beispiel eines Gesetzes mit angeborener Ausschließlichkeit ein Luxusgesetz anführt, das gewisse Kleider verbietet; ein derartiges Gesetz gehört nicht zu den bürgerlichen, sondern zu den verwaltungsrechtlichen Gesetzen. Hätte Z. die aufgestellte Regel, wonach ein Gesetz dann angeborene Rückwirkung habe, wenn der Thatbestand, der vor Erlaß des Gesetzes errichtet wurde, ohne Schwierigkeit geändert werden könne, durch ein Beispiel aus dem P r i v a t r e c h t erläutert, so hätte er die Unrichtigkeit derselben erkennen müssen. Denn darnach würde ein Testament, das unter der alten Rechtsordnung gültig errichtet wurde, hinfällig, wenn der Testator eine an sich geringfügige Änderung der Testamentsform, wie sie die Rechtsordnung vorschreibt, nicht nachholt. Nicht zu billigen ist, daß Z. den konfirmatorischen Gesetzen unter allen Umständen Ausschließlichkeit geben will,

320

R.

CH.

HENNE.

was schon BABTOLUS bekämpfte. Einen ähnlichen Vorwurf kann man ihm hinsichtlich der annullatorischen Gesetze machen, obschon er dem Gesetzgeber den Rat giebt, seine Gewalt nicht zu überschreiten. 1 Unklar gedacht ist auch § X X V I , wonach ein Gesetz, welches den Mißbrauch einer bestehenden Rechtsordnung abschaffen will, angeborene Ausschließlichkeit haben soll. In der That beruht der Mißbrauch nur auf einer falschen Auslegung des Sinnes des Gesetzes, so daß sich das neue Gesetz als eine authentische Interpretation erweist. Infolgedessen müssen alle Thatbestände der Vergangenheit nach ihr abgeurteilt werden, aber von einer Umstoßung der Thatbestände, wie Z. meint, kann keine Rede sein. Das Beispiel, das er in § X X V I I seiner Phantasie entnimmt, ist höchst unglücklich gewählt und widerspricht der menschlichen Natur. Sehr bedenklich ist auch § XXVIII, wo er zwei Unwürdigkeitsgründe und einen Grund zum Widerruf der Schenkung zu den sog. revokatorischen Gesetzen rechnet, die angeborene Ausschließlichkeit haben sollen. Aus den einschlägigen Quellenstellen geht nicht hervor, daß diese Gesetze rückwirkende Kraft hatten. 2 Überhaupt ist es eine intertemporalrechtliche Ungeheuerlichkeit, fünf Arten von Gesetzen mit angeborener Ausschließlichkeit aufzustellen. Es giebt richtiger Ansicht nach keine derartigen Gesetze und selbst die authentischen Interpretationen haben bezeichnender Weise nur auf Grund einer F i k t i o n Ausschließlichkeit; s. oben § 14, S. 113. Überall muß die materielle und formelle Voraussetzung erfüllt werden, um eine r e c h t m ä ß i g e Ausschließlichkeit zu erlangen; s. oben § 7, S. 61 fg. — Die Lehre von den wohlerworbenen Rechten hat auch auf Z. ihren Einfluß ausgeübt, wenn auch nicht in dem Maße, wie auf FELLINUS und MÜHLPFORT. Abstufungen der wohlerworbenen Rechte kennt Z. nicht (s. § § X I I und XXVIII). Auch macht er von der Lehre keinen Gebrauch in § XI, während FELLINUS und MÜHLPFOBT hier von einem wohlerworbenen Rechte eines Dritten sprechen würden, das vom princeps nicht verletzt werden darf. — Wie MÜHLPFOBT, so beschäftigt sich auch Z. mit der Rechtsvermutung über die Zuständigkeit zweier aufeinander folgender Rechtsordnungen. Er verwirft in § XIV im Sinne der älteren intertemporalen Regel eine praesumptio zu Gunsten der neuen Rechtsordnung. 8 1 Die Unterscheidung zwischen konfirmatorischen und annullatorischen öffentlichen Willenserklärungen und positiven und negativen Rechtsordnungen mit und ohne Ausschließlichkeit findet sich bei Z . so wenig wie bei FELLINUS und MOHLPFOBT; vgl. oben s 46, S. 295 u. § 48, S. 311. S. auch § 43, S. 263. 2 So ist in fr. 7, § 4 de hon. damn. 48, 20 von einem rescriptum divi Pii die Rede; ob dasselbe aber rückwirkende Kraft hatte, läßt sich aus der Stelle nicht ersehen. In fr. 8, § 14 de moff. test. 5, 2 ist von einem Gesetze überhaupt nicht die Rede, sondern der Grandsatz hat sieb wahrscheinlich durch die Praxis des Centumviralgerichtes entwickelt. Ebenso geht nicht aus der c. 10 de revoc. don. 8, 55 hervor, daß eine Rückziehung derselbe stattfinde. * Dies ist der Sinn seiner Worte, daß im Zweifel nicht anzunehmen sei, der Gesetzgeber hätte der neuen Rechtsordnung die Ausschließlichkeit verleihen wollen.

§ 50.

Beurteilung der intertemp. Abhandlung von Zinckebnaqel (Henne).

321

Ähnlich wie F E L L I N U S bringt der Verfasser im § penult. Beispiele von Rechtageschäften, welche rückwirkende Kraft haben. Damit tritt er aus dem Gebiete des intertemporalen Privatrechtes heraus und begiebt sich auf den Boden des bürgerlichen Rechtes. — Die ganze Abhandlung zeigt auf einen noch jugendlichen Verfasser und es ist kaum anzunehmen, daß R. CH. HENNE, Dekan der iur. Fakultät der Akademie von Erfurt, einen nennenswerten Einfluß auf ihre Abfassung gehabt habe. Angenehm berührt das natürliche intertemporale Rechtsbewußtsein des Verfassers, welches zwar weniger in den von ihm aufgestellten Regeln zum Ausdruck gelangt, als in den wohlgemeinten Ratschlägen, die er dem Gesetzgeber erteilt und die meistens dahin hinauslaufen, das Maß seiner Gewalt im Sinne der Gerechtigkeit und Billigkeit nicht zu überschreiten. Mit diesem litterarischen Erzeugnis schließen wir die Epoche vom Corpus iuris Justinians bis zum Erlasse des Code Napoleons. Das nächste Kapitel wird uns bereits in das 19. Jahrhundert einführen und, wie zu erwarten steht, ein weit regeres intertemporales Leben in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Litteratur aufdecken, als dies in der jetzt zurückgelegten Periode der Fall war. Eine ganz andere, viel tiefer greifende Vermutung stellte Mühlpfort auf (s. oben § 48, S. 314), daß ein Thatbestand im Zweifel der Vergangenheit zuzurechnen sei. Auch daraus geht hervor, daß L. die Arbeit des genannten Schriftstellers nie in Händen gehabt hat.

Affoltkr, Intert. Priyatrecht.

21

Drittes Kapitel.

Das intertemporale Privatrecht vom Code civil bis zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Eeich. Erster

Abschnitt.

Das intertemporale Privatrecht in der Gesetzgebung. § 51. Im Allgemeinen. Die Kodifikationen des bürgerlichen Rechtes, welche im Laufe des 19. Jahrhunderts erlassen wurden, zerfallen nach ihrem intertemporalen Charakter in zwei Gruppen: entweder in solche, welche die alte intertemporale Eechtsregel o b j e k t i v ausdrücken, sei es im Anschluß an die römisch-rechtliche Gewährungsklausel, sei es in eigenartiger Fassung, 1 oder in solche, welche sie nach dem Vorbilde des baierischen Landrechtes König Ludwigs gemäß der Lehre von den wohlerworbenen Rechten in ein s u b j e k t i v e s Gewand kleiden. 2 — Neben den bürgerlichen Kodifikationen sind aber auch Einzelgesetze mit privatrechtlichem Inhalt in Betracht zu ziehen, welche nicht bloß der republikanischen Rechtsregel anhängen, sondern zu einem recht ansehnlichen Teile sich Ausschließlichkeit beilegen. Dabei mußte auf die Ideen der französischen Revolution und die daraus hervorgehenden Gesetze zurückgegangen werden. 3 Auch die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches veranlaßte intertemporale Bestimmungen, die zwischen der älteren und neueren Rechtsregel vermitteln. 4 Im Großen und Ganzen ist kein großer Fortschritt des intertemporalen Privatrechtes in der Gesetzgebung dieser Periode zu verzeichnen. 1

S. S. ' S. 4 S. J

unten unten unten unten

1. 1. 2. 3.

Unterabschn. Unterabschn. Unterabschn. Unterabschn.

§ 52. S 53. §S 57—59. SS 60 u. 61.

§ 51. Im Allgemeinen.

323

"Über die Vorrede zum Mainzer Landrecht und zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten ist keine Kodifikation des 19. Jahrhunderts in beachtenswerter Weise hinausgekommen; keine ist reicher an neuen intertemporalen Eechtsideen als jene. 1 Die Schuld liegt zum größten Teile in der Litteratur, welche infolge der Lehre von den wohlerworbenen Rechten auf Abwege geraten ist und insbesondere die klaren römischen Eechtsregeln der republikanischen Zeit verwischte, indem, wie bereits oben in § 30, S. 173 hervorgehoben wurde, 2 die subjektive Fassung der älteren intertemporalen Rechtsregel auf die Ausschlußklausel mit Vorbehalten zu Gunsten der erledigten Rechtsverhältnisse hinausläuft, woraus „wohlerworbene" subjektive Rechte entstanden sind. Gerade beim intertemporalen Privatrecht ist so recht mit Händen zu greifen, welch' großen Einfluß die Litteratur auf die Gesetzgebung ausübt, der, wie hier, auch zum Schaden ausfallen kann. Es fällt dem intertemporalen Forscher auf, daß ein merkwürdiges Schwanken in der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts dann eintritt, wenn es sich um die Entscheidung der Frage handelt, ob die alte Rechtsordnung über die Thatbestände herrsche, welche bis zum Tage der Verkündung des neuen Gesetzes eintreten oder bis zum Tage seines Inkrafttretens. 3 Vom Standpunkte des Rechtes der Rechtsordnungen aus betrachtet, ist die Frage leicht zu entscheiden. Dieses regelt die H e r r s c h a f t s v e r h ä l t nisse der Rechtsordnungen. Die neue Rechtsordnung beginnt aber erst mit dem Tage des Inkrafttretens zu herrschen; bis dahin ist ihre Herrschaft bloß eine potentielle, keine aktuelle. Da es aber für die Herrschaft der Rechtsordnungen kein tempus vacationis geben darf, so wenig als für die staatliche Herrschaft, so muß folgerichtig und notwendig die Herrschaft der alten Rechtsordnung reichen bis zum Zeitpunkte des I n k r a f t t r e t e n s der neuen Rechtsordnung. Eine Erscheinung, der wir bereits beim intertemporalen Privatrecht der vorigen Periode begegnet sind, macht sich in dieser in noch stärkerem Maße bemerkbar. Es handelt sich nämlich um die m a t e r i e l l e Voraussetzung der Ausschließlichkeit, die, wie unsere Untersuchungen festgestellt 1 Einige neue Erscheinungen sind jedoch entstanden. So die von einer deutschen und der schweizerischen Gesetzgebung aufgestellte praesumtio iuris intertemporalis zu Gunsten der Zuständigkeit der neuen Rechtsordnung; s. unten § 52, S. 346 und § 58; ferner die b a d i s c h e intertemporale Rechtsregel, welche sachlich der Ausschließlichkeit huldigt, und die Abnormität des bad. P. P., Zif. XI, 1, wonach die neue Rechtsordnung, bevor sie in Kraft g e t r e t e n ist, mit der alten noch herrschenden, wenn auch nur für eine kürzere Frist, in Wettbewerb treten kann. 2 S. auch §§ 3, S. 175 und § 6, S. 236. 3 Nach dem Vorbilde des Code civil, art. 1 unterscheiden viele Gesetzgeber den Tag, wo die Gesetze ausführbar (exécutoires) sind und wo sie ausgeführt werden (seront exécutées). Für das erste Stadium ist der Zeitpunkt der Verkündung maßgebend (promulgation), für das zweite der Ablauf des tempus vacationis, nach welchem die Verkündigung bekannt sein kann.

21*

Das intertemporale Privatrecht in der Gesetzgebung.

324

haben, in der Umwandlung des gegenwärtigen Rechtsgefühles des Gesetzgebers und in einem Widerwillen gegen die alte Rechtsordnung besteht. Die Mängel derselben sind zunächst i n n e r l i c h e , aber seit der Reception des römischen Rechtes genügten auch äußerliche Mängel, wie Zersplitterung in verschiedene Gewohnheitsrechte, Dunkelheiten, zeitraubende und kostspielige Feststellung. Der Gesetzgeber hebt diese Mängel in seinen Vorreden hervor, selten, daß er sie stillschweigend übergeht. Beim P. P. des preußischen Landrechtes trafen wir zum ersten Male auf die Erscheinung, daß der Gesetzgeber die Mängel als offenkundig beim Volke voraussetzt, und es daher für überflüssig hält, sie besonders namhaft zu machen.1 Im 19. Jahrhundert wird dieses Vorgehen des preußischen Gesetzgebers vorbildlich für viele intertemporalrechtliche Erlasse. Die materielle Voraussetzung wird in denselben entweder gar nicht berührt oder nur kurz angedeutet; dafür aber enthalten die Motive, Berichterstattungen, Botschaften, Verhandlungen in den gesetzgebenden Körperschaften, Ausschüssen und Kommissionen, ausführliche Darstellungen der inneren und äußeren Übelstände der alten Rechtsordnung. Wie nach der Reception des römischen Rechtes, spielt besonders bei den Kodifikationen die Zerrissenheit und Vielheit des bisherigen Rechtes als äußerer Mangel eine große Rolle und so werden viele Rechtsbestimmungen der neuen Rechtsordnung oder auch ganze Rechtskomplexe mit der Ausschlußklausel bedacht, „im Interesse der Einheit des Rechtes." Am Anfang des 19. Jahrhunderts ist der Verleihung der Ausschließlichkeit die Abneigung gegen eine fremde, zum Teil aufgedrungene^Rechtsordnung der Hauptbeweggrund des Gesetzgebers.2 — Auch hier zeigt sich, daß das Recht der Rechtsordnungen Wandelungen unterworfen ist, die in ihm um so greifbarer zu Tage treten, als es sich um weite Verhältnisse handelt; bildet es doch die äußere Rechtsschicht aller Rechtsordnungen.3 Hat nun im 19. Jahrhundert die republikanische Rechtsregel Fortschritte gemacht oder kommt der neueren Rechtsregel die Siegespalme zu? Wenn man genauer zusieht, so muß trotz gegenteiliger Versicherungen der Gesetzgeber und der Schriftsteller behauptet werden, daß das Zünglein der Wage sich der letzteren zuneigt. Der aufmerksame Leser wird mir Recht geben. Die reine republikanische Regel ist selten mehr zu finden. Die Einflüsse der Lehre von den wohlerworbenen Rechten haben ihr zu sehr Abbruch gethan. Da erscheinen zunächst die Einengungen durch die französische Jurisprudenz, durch das badische Prinzip, die iutertemporalen Regeln bei Vertreibung des französischen Rechtes in Deutschland, die von der Gesetzgebung bevorzugte Theorie Savignys vom Erwerb und D a s e i n der Rechte, welch' letzteres sie der Ausschließlichkeit überliefert, die Rechtsvermutung zu gunsten der neuen Rechtsordnung. — Was uns 1 2 3

S. oben § 33, insbesondere Zif. XV, S. 213. S. unten § 54. Vgl. auch oben § 30, S. 174.

§ 51.

Im Allgemeinen.

325

im 19. Jahrhundert unangenehm berührt, ist die Hast, mit welcher der neuen Rechtsordnung möglichst rasch eine unumschränkte Alleinherrschaft eingeräumt wird, man könnte sagen, die intertemporale Kirchturmspolitik, welche nach J a h r e n zählt, statt mit G e s c h l e c h t e r n zu rechnen. Hat man endlich nach vielen Mühen und Anstrengungen, welche den Schweiß von Menschenaltern gekostet haben, eine bürgerliche Kodifikation errangen, so sollte man gerade erst recht nicht die Geduld verlieren u n d r u h i g d a s a l l m ä h l i c h e A b s t e r b e n der a l t e n R e c h t s o r d n u n g a b w a r t e n , was in einigen Jahrzehnten geschehen ist. Dadurch würde viel Unrecht gegen die Bürger verhütet und das Rechtsgefühl des Volkes gestärkt. Das Sprichwort: Geduld bringt Rosen, würde auch hier zur segensreichen Wahrheit. 1 Die Römer in ihrer guten Zeit waren nicht so kleinlich und kurzsichtig: sie hatten einen weiteren intertemporalen Horizont. Bei ihnen waren Jahrhunderte des Rechtslebens, was Jahrzehnte dem schnelllebigen verflossenen Jahrhundert. Diesen Vorwurf kann der unparteiische Forscher der jüngsten Zeit nicht ersparen: ein wahrer und gerechter Konservativismus des Rechtes, wie ihn die Römer in der kraftvollen Republik und wohl noch in der klassischen Zeit pflegten, geht der neueren Zeit gänzlich ab. Das Jahrhundert des Verkehrs und der technischen Erfindungen scheint auch die Nerven der Gesetzgeber überreizt zuhaben! Trotz dieser Beeinträchtigungen aber empfängt der Forscher aus dem reichen Gesetzesstoffe des 19. Jahrhunderts den Eindruck, daß die alte republikanische Regel G e m e i n g u t a l l e r c i v i l i s i e r t e n V ö l k e r geworden ist. Jene einschränkenden neueren Rechtsgebilde vermochten wohl sie zu verdunkeln, nicht aber auszulöschen. Sie leuchtet aus den Kodifikationen, aus den Publikationspatenten zur Wiedereinführung des angestammten Rechtes, aus den Einführungsgesetzen des Handels- und Wechselrechtes, aus den Übergangsbestimmungen einzelner Gesetze, sogar aus einzelnen Gesetzesparagraphen hervor; ja einige Staaten haben es sich nicht nehmen lassen, diese ewige Rechtswahrheit als Freiheitsrecht der Bürger und des Volkes ihren Grundgesetzen einzuverleiben.2 So darf man getrost die 1

Schon die intertemporalen Rechtskämpfe in Württemberg beweisen, welche tiefgehenden Verletzungen des Rechtsgefühles durch sofortige Anwendung der neuen Rechtsordnung auf alle Rechtsverhältnisse bewirkt werden; s. oben § 31, S. 179 fg. Noch mehr zeigt sich dies in der französischen Revolutionsperiode, s. unten § 59 und wiederum in Württemberg § 54. Auch die Darstellung der Rechtsprechung entrollt ein Bild vielfachen Unrechtes, welches dem Forscher in der Seele well thut; s. auch unten §§ 62 und 69. 2 S . unten § 56. G I E R K E , Deutsches Privatrecht § 23, Art. 9 hebt mit Recht hervor, daß diese Äußerungen des intertemporalen Rechtsgefühles nicht zu unterschätzen sind. — Wie stark noch die republikanische Rechtsregel im Bewußtsein der Gesetzgeber dc9 19. Jahrhunderts vorherrscht, geht aus dem Umstände hervoi-, daß der weitaus größte Teil derselben die unter der alten Rechtsordnung erlangte Handlungsfähigkeit trotz der gegenteiligen neuen Rechtsordnung bestehen lassen, während die neuere und neueste Litteratur bezeichnender Weise b e i n a h e e i n s t i m m i g behauptet, daß die Handlungsfähigkeit mit dem W a n d e l der Gesetzgebung verloren gehe. Vgl. insbesondere die österreichischen und preußischen

326

Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des börgerl. Rechtes.

P o s i t i v i t ä t des i n t e r t e m p o r a l e n P r i v a t r e c h t e s in d e r civilisierten W e l t b e h a u p t e n ; w e n n a u c h f ü r den Gesetzgeber kein u n m i t t e l b a r e r Zwang zu seiner A n w e n d u n g b e s t e h t , so g e n ü g t das in i h m l e b e n d i g e Rechtsg e f ü h l u n t e r d e i K o n t r o l l e der V o l k s v e r t r e t u n g u n d der öffentlichen Kritik. — U n t e r d e n Gesetzgebern h a b e n sich besonders d e r preußische, h a n n o versche u n d österreichische möglichst e n g a n die r e p u b l i k a n i s c h e Regel g e h a l t e n , 1 w ä h r e n d d e r badische, sächsische u n d schweizerische sich m e h r der n e u e r e n n ä h e r t e n . 2

I. Das intertemporale Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerlichen Rechtes und in den Grundgesetzen der Staaten. § 52. Oie objektive Fassung der Gewährungsklausel. — D a s französische intertemporale Privatrecht und dessen Ausläufer. Das badische und schweizerische intertemporale Privatrecht. U n t e r diese G r u p p e fallt in erster Linie der Code civil u n d alle die demselben u n m i t t e l b a r u n d m i t t e l b a r n a c h g e b i l d e t e n Gesetzbücher. 3 Art. 2 des titre préliminaire s a g t : „La loi ne dispose que pour l'avenir; elle n'a point d'effet rétroactifDiese F a s s u n g ist der römischen Regel n a c h gebildet. 4 Die L e h r e von d e n wohlerworbenen subjektiven R e c h t e n h a t also auf die französische i n t e r t e m p o r a l e Gesetzgebung keinen E i n f l u ß ausgeübt.5 transitorischen Gesetze unten in §§ 5 3 und 5 4 , S. 3 4 9 , 3 5 2 und dazu CROME, System des bürg. Rechtes 1900. § 25 Anm. 2. 1 S. §§ 53 und 54. 51 S. § 52. 3 S. z. B. das A.G.B, für das Königreich Bayern v. J. 1809, Art. 4 d. Einl.: „Ein Gesetz, verfügt nur für die Zukunft und hat keine zurückwirkende Kraft.1' Dies Gesetzbuch ist bekanntlich nie in Kraft getreten. — Dann Badisches Landrecht, Einl., Satz 2: „Das Oesetz verfügt nur für die Zukunft; es hat keine rückwirkende Kraft." — Die intertemporale Regel des Code enthält auch das niederländische Gesetzbuch Art. 4 und der italienische Codiee, art. 2. * e. 7 de leg. et eonst. 1, 14: „leges et eonstitutiones futuris certam est dare formam negotiis, non ad facta praeterita revoeari . . ." (Theodos und Valentinian) oder c. 66 de decurión. 10, 32: „leges futuris regulas imponere, non praeteritis calumnias excitare" (Anastasius). 5 Bei der öffentlichen Diskussion über den titre préliminaire wurde von einem Redner ausdrücklich auf die c. 7 de legibus 1, 14 hingewiesen als die römische Quellenstelle, deren Grundsatz^man im Art. 2 wiederholt habe. (GREMIER in dem rapport über den titre préliminaire du Code civil, motifs, t. II, p. 32). Es ist damit nicht ausgeschlossen, daß auch die Lehre von den wohlerworbenen Rechten in den Vorstadien des Art. 2 eine Rolle spielte. So finden sich in den Gutachten der französischen Appellationsgerichte über den Entwurf des Code civil Hinweise auf die wohlerworbenen Rechte. In den observ. des trib. d'appell., p. 30: „il devrait paraître hors de doute, que les droits du survivant seront réglés daprès

§ 52. Die objektive Fassung der Gewährungsklausel.

327

Während sich der französische Gesetzgeber bei der Einführung des Code civil in Frankreich selbst im Jahre 1804 ganz auf dem Boden der objektiven Gewährungsklausel bewegt, geht er bei der Einführung des französischen Rechtes in die Hanseatischen Departemente zur s u b j e k t i v e n Fassung über. 1 Bei der Besprechung der Einleitung des A. L. R. 2 ergab sich, daß der preußische Gesetzgeber der Ansicht war, er selbst sei an die republikanische Rechtsregel gebunden, m. a. W., daß er die P o s i t i v i t ä t des intertemporalen Privatrechtes anerkannte. Wie verhält sich nun der französische Gesetzgeber zu dieser Frage? In den Diskussionen äußerte DEFEBMON, Mitglied des französischen Staatsrats: „que le principe de la non rétroactivité, quoique incontestable, ne doit pas être réduit en dispoles dispositions des coutumes, sous lesquelles le mariage a été contracté, parceque tel a été le Choix et la volonté des parties, à défaut d!autres conventions; cela est conforme à tous les principes. S'il en était autrement, . . . on donnerait au Code civil Teffet rétroactif qu'il proscrit en termes formels" (Appell.-Gerieht von Colmar). — Pag. 7: „La loi ne peut pas enlever un droit acquis parcequ'elle ne peut pas avoir d!effet rétroactif" (Appell.-Gericht von Limoges). — Auch BIOOT-PRÊAMENEU, einer der Verfasser des Code civil, drückt sich in dem Exp. d. mot. (Motifs X, tom. VII, pag. 162, 171) über den Titel von der Verjährung folgendermaßen aus: „L'article prévient toute rétroactivité — Il faut éviter l'effet rétroactif — Il suffit qu'un droit éventuel soit attaché à la prescription commencée, pour que ce droit doive dépendre de l'ancienne loi." Wenn wir dies auch zugeben, so müssen wir trotzdem das im Texte Behauptete aufrecht erhalten, daß die Fassung des Art. 2 eine objektive ist, unberührt VOD der Lehre der erworbenen subjektiven Rechte. Da die Motive und Vorberatungen des Gesetzes keine Gesetzeskraft erlangen, so darf der Richter lediglich den Wortlaut des endgültig gefaßten Gesetzes berücksichtigen. Er kann also das reine intertemporale Privatrecht der republikanischen Regel anwenden, ohne sich um die aus jener Lehre üppig empor wuchernden Zweifel und Streitfragen zu kümmern oder sich an die meisten dem reinen intertemporalen Privatrecht widersprechenden Ergebnisse zu halten. Insofern ist die Fassung des Art. 2 eine glückliche zu nennen. Sie ist den Fährnissen jener Lehre, man darf wohl sagen wunderbarerweise, entronnen. Und wenn der titre préliminaire nach den Motiven (tom. II, p. 2) e w i g e Regeln enthalten soll (règles éternelles), so gilt dies sicherlich in erster Linie für den A r t 2. 1 Im französischen Organisationsdekret vom 4. Juli 1811, Chap. 14, Sect. I, Art. 149 heißt es: „Les droits civils résultant des lois et usages en vigueur dans les departemens des Bouches de TElbe, des bouches du Weser et de l' Ems-Supérieur, ainsi que ceux résultant des actes et conventions d'une date certaine antérieure à la mise en activité du Code Napoléon; dans les dits départemens, sont et demeurent assurés aux parties, même en ce qu'ils auraient de contraire aux dispositions dudit Code et lors même que la jouissance de ces droits ne s'ouvrirait qu'après sa mise en activité; sauf les modifications portées aux articles suivans." Die letztgenannten „droits civils1', deren Genuß sich erst eröffnet, wenn der Code civil in Kraft tritt, sind in Wirklichkeit gar keine subjektiven Rechte; sie sind identisch mit den von der subjektiven Lehre erfundenen „Hoffnungsrechten." Es handelt sich hier z. B. um bedingte Rechtsverhältnisse; während des Schwebens der Bedingung ist noch kein subjektives Recht entstanden, sondern es besteht bloß eine rechtliche Gebundenheit. Der französische Gesetzgeber hat somit einen der wundesten Punkte jener Lehre getroffen und ihre Unbrauchbarkeit bloßgestellt. s S. oben § 33, S. 216 fg.

328

Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

sition législative, parce qu'il n'établit qu'un précepte pour les législateurs."1 Die Meinung dieses Eedners geht somit dahin, daß nur der G e s e t z g e b e r an die intertemporale Regel gebunden sei; folglich brauche sie in einem Gesetzbuche, das nur für die R i c h t e r bestimmt sei, nicht aufgenommen zu werden. Diese Ansicht schießt über das Ziel hinaus und erfuhr auch sofort eine Berichtigung von Seiten eines anderen Mitgliedes des Staatsrates, 2 der damit durchdrang, und infolgedessen wurde der Art. 2 in den Code aufgenommen. — Noch mehr aber als aus der Diskussion geht die französische Rechtsanschauung aus der Praxis der Gesetzgebung hervor; sogar bei einem Zinsgesetze, einem Seitenstück des Justinianischen, beobachtete der französische Gesetzgeber die republikanische Regel. 3 Wie verhielt sich der französische Gesetzgeber zu den gesetzlichen Auslegungen? Art. 2 schweigt darüber. Der Entwurf hatte jedoch eine ausdrückliche Bestimmung, 4 welche mit dem römischen intertemporalen Rechte vollständig übereinstimmte. Darnach hatten die authentischen Interpretationen Ausschließlichkeit, vorbehaltlich der durch rechtskräftiges Urteil, Vergleich und Schiedsspruch erledigten Sachen. 6 Warum wurde der zweite Teil des Art. 2 nicht in den einleitenden Titel aufgenommen? Es sind wohl die Bedenken maßgebend gewesen, daß ein Mißbrauch des Gesetzgebers möglich sei, wenn nicht genaue Schranken festgesetzt werden. 6 Immerhin bildet der gestrichene zweite Teil des Art. 2 ein Zeugnis für die intertemporale Rechtsanschauung des französischen Gesetzgebers, die auch in dieser Hinsicht dem römischen intertemporalen Rechte folgt. 7 Bei der Einführung des französischen Rechtes in Westfalen, Arenberg, Berg, Frankfurt a. M., Anhalt-Köthen und Nassau kam es ebenfalls zu intertemporalen Erörterungen. — Im K ö n i g r e i c h W e s t f a l e n trat der Code Napoléon am 1. Januar 1808 in Kraft. Der Gesetzgeber gab 1

S. Discussions, T. I, pag. 23. antwortete: „que le principe de la non rétroactivité établit aussi un précepte pour les juges." 3 S. unten § 58. 4 Projet du Gode civil, Livre prélim., Tit. 4, Art. 2, alin. 3 : „La loi . . . n'a point d'effet rétroactif. Néanmoins la loi explicative dune- autre loi précédente règle même le passé, sans préjudice des jugemens en dernier ressort, des transactions et décisions arbitrales passées en force de chose jugée." 5 Gegen diese Ausnahmeklausel legte nur ein einziges Appellationsgericht Widerspruch ein. Obs. du tribunal d'appell., Agen., pag. 2. Der Einspruch hatte keinen Erfolg: ,,ïopinion de ce tribunal est isolée" (Discuss. Tom. I, pag. 23). 6 S. oben § 14, insbes. S. 114. Derartige Bedenken äußerten in der That die Appellationsgerichte von Lyon, Nimes und Toulouse; s. observ. d. trib. d'appell., pag. 6, pag. 2 und p. 1 u. 2. Die Discussions a. a. 0. berichten uns jedoch bloß, daß mehrere Mitglieder des Staatsrates den Antrag stellten, daß der zweite Teil des Art. gestrichen werde, da sie ihn nicht für nützlich betrachten. Dem Antrage wurde stattgegeben. 2

BOULAY

7

S.

MALVILLE,

Art.

2;

BERGMANN,

a.

a.

0.,

S.

324.

§ 52.

Die objektive Fassung der Gewährungsklausel.

329

keine besonderen Übergangsbestimmungen. 1 — In den H e r z o g l i c h A r e n b e r g s c h e n Staaten den 1. Juli 1808. Eine Verordnung vom 28. Januar 1808 hatte den Zweck, Zweifeln zuvorzukommen, welche die Wandelung der Rechtsordnung herbeiführen könnte. Art. 1 der Verordnung folgt der neueren Rechtsregel, indem die p e r s o n a l e n Rechtsverhältnisse aus der alten Rechtsordnung der neuen unterworfen werden. 2 Daher sollten auch die Rechtsverhältnisse der Ehegatten nach der neuen Rechtsordnung beurteilt werden. Nur die Erbfolge und die eheliche Gütergemeinschait beließ die Verordnung der alten Rechtsordnung. 3 Ganz unter der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares steht Zif. II und zwar enthält sie einen Beleg für die erste Möglichkeit der ersten Spielart, 4 wonach ein vollkommener Thatbestand unter der 1 Der Justizminister SIMÉON erließ ein dürftiges und nichtssagendes Cirkular vom 23. Januar 1805, worin er eine Aufklärung der wichtigsten Schwierigkeiten geben will, die durch die Einführung des Code Napoleon entstehen möchten. Vgl. Supplement du Code Napoleon pour le royaume de Westphalie pag. 430. Die schwebenden und noch nicht entschiedenen Sachen sollen nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden: „parcequ'elles ont été introduites et commencées en exécution du droit que les lois attribuaient et q'on a reelamé" ; dagegen seien alle diejenigen Rechte der alten Rechtsordnung, die noch nicht geltend gemacht wurden oder deren Geltendmachung noch nicht begonnen und weiter verfolgt wurde, erloschen(!), wenn sie den Bestimmungen des Code zuwiderlaufen. Damit verleiht der Justizminister, wörtlich genommen, trotz des Art. 2 die Ausschließlichkeit: ausgenommen sind bloß die rechtshängigen und noch nicht entschiedenen Sachen. G Ö P P E R T , a. a. O., S. 31, Anm. 2 giebt seinem Erstaunen über dieses Cirkular Ausdruck. Aber schon BERGMANN, a. a. 0 . , Anm. 406 weist darauf hin, daß gerade der Justizminister für Aufrechterhaltung der alten Rechtsordnung nachträglich eifrig gestritten hat, z. B. bei der Wahrung der alten gesetzlichen Erbfolge unter altverheirateten Ehegatten. Auch urteilte in mehreren Fällen der Kassationshof in Kassel nach der älteren intertemporalen Regel; s. unten II. Abschnitt, die Rechtsprechung, § 65. - Verfasser der Verordnung war vermutlich D A N I E L S , vormals Professor in Bonn, der später ordentlicher öffentlicher Lehrer an der Zentralschule des Roer-Departeinentes und Substitut des Kaiserlichen Generalprokurators bei dem Kassationshof zu Paris wurde (vgl. der Rheinische Bund, Ztschr., Bd. VI, S. 93, herausg. von WINKOPP). Zif. II: „ . . . Diesem nach wird 1) Alles, was in dem Gesetzbuchs Napoleon über den persönlichen Zustand französischer Bürger, den Umfang und Verlust ihrer Civilrechte, ihr Domizil und so weiter festgestellt ist, für die Zukunft den Gerichten in Recklinghausen, Düllmen und Meppen gleich falls zur Richtschnur dienen, um hierdurch die Rechte, worauf Unsere Unterthanen in Unseren Staaten Anspruch zu machen haben, zu beurtheilen." Die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit wird nicht erfüllt, jedoch hatte nach Ansicht der französischen Jurisprudenz die Rechtsnorm des Code über die personalen Rechtsverhältnisse ausschließende Kraft; vgl. CHABOT DE L A L L I E R , tom. I , p'ig. 391 u. fg. 8 Zif. II lautet: „Die Erbfolge unter den Ehegatten, und die Wirkungen der ehelichen Gemeinschaft werden nach dm zur Zeil der geschlossenen Ehe bestandenen Gesetzen beurtheiltMan betrachtete nämlich auch den gesetzlichen Güterstand der Ehegatten als durch Vertrag begründet und daher nicht als personales Rechtsverhältnis und gelangte so zu einem zutreffenden intertemporalen Grundsatz; s. BERGMANN, a. a. O., S. 338. * S. oben § 12, S. 80.

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Herrschaft einer neuen und ausschließlichen Rechtsordnung gänzlich hinfällig wird.1 — Im G r o ß h e r z o g t u m B e r g trat der Code in allen seinen Teilen am 1. Januar 1810 in Kraft. Die Gesetzgebung ging hier unmittelbar von Frankreich aus. Durch ein kaiserliches Dekret vom 12. November 1809 wurden einige Übergangsbestimmungen über Ehescheidung, uneheliche Kinder, Adoption und Zinsverträge eingeführt. 2 Durch Verordnung vom 27. April und 25. Juli 1810 wurde bestimmt, daß der Code Napoleon am 1. Januar 1811 im G r o ß h e r z o g t u m F r a n k f u r t in Kraft treten solle. Von intertemporaler Bedeutung sind nur einzelne Bestimmungen derselben. "Wichtiger sind jedoch einige Staatsratsgutachten, die den Zweck hatten, die hauptsächlichsten intertemporalen Fragen zu beantworten. So wurde ausgesprochen, daß die Vermögensrechte der altverheirateten Ehegatten nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen seien. 3 Aus den nämlichen Gründen wird bestimmt, daß der elterliche Nießbrauch nach dem alten Rechte beurteilt werden müsse. 4 1 Wie bereits oben bemerkt, verbietet der Code Napoléon grundsätzlich Universalfideikommisse, oder nach dem Sprachgebrauch des badischen Landrechtes „Aftererbeinsetzungen". Ist unter der alten Rechtsordnung eine solche errichtet worden, so müßte nach der republikanischen Regel dieselbe auch dann Gültigkeit haben, wenn der Erblasser unter der neuen stirbt. Der Arenbergsche Gesetzgeber bestimmt aber, daß sie hinfällig werden ; auch diejenigen, deren Stifter noch unter der alten Rechtsordnung starb, sollen nur mit Bestätigung der Regierung Gültigkeit erlangen, die bis zum 1. Juli 1808 erbeten werden muß. "• Art. 38 : Die Ehescheidungen sind dem neuen Recht unterworfen, mit Ausnahme der durch Urteil erkannten und rechtshängigen Ehescheidungen. Art. 39 gewährt der alten Rechtsordnung über Verfügungen unter Lebenden und Testamente, worin die Rechte der n a t ü r l i c h e n K i n d e r bestimmt worden sind, mit gewissen Vorbehalten eine fernere Herrschaft; ebenso Art. 40 über Vorträge und rechtskräftige Urteile desselben Inhalts; Art. 41 über Verfügungen in Betreff der Annahme an Kindesstatt. Art. 42 enthält dazu eine Einschränkung zu gunsten eines in der Minderjährigkeit Adoptierten; dieser kann binnen einer dreimonatlichen Frist nach seiner Volljährigkeit auf die Adoption verzichten (ähnlich wie nach römischem Recht der impubes arrogatus nach erlangter Mündigkeit). Art. 43 bis 47 regeln die Wirkungen der Adoption im Sinne eines gemischten intertemporalen Systems. Art. 85 gewährt der alten Rechtsordnung eine fernere Herrschaft über „Zinsbestimmungen durch Verträge oder sonstige Urkunden." Dieser letzte Art. ist von der einschlägigen Litteratur, selbst von BERGMANN, a. a. 0., übersehen worden. 3 Gutachten des Staatsrates des Großherzogtums Frankfurt v. 23. Febr. 1811, genehmigt am 28. desselben Monats. S. WINKOPP, a. a. 0., Bd. XVIII, S. 398. Begründet wird diese Entscheidung, daß das eheliche Güterrecht auf einem ausdrücklichen oder s t i l l s c h w e i g e n d e n V e r t r a g beruhe, also wie oben schon bei Arenberg bemerkt, nicht als Ausflüsse p e r s o n a l e r Rechtsverhältnisse anzusehen sei. 4 WINKOPP, a. a. 0., S. 401. Die Lehre von den wohlerworbenen Rechten spielt in den Gründen der Entscheidung eine Rolle: „in Erwägimg, dass bei dieser Frage der nämliche Gesichtspunkt, wie bei der ersten Frage eintrete; dass die früheren Ehegatten allerdings auf dasjenige elterliche Nutznießungsrecht, welches zur Zeit der Schließung ihrer Ehe gesetzlich gewesen, ein erworbenes Recht besitzen; daß dieses elterliche Nutznießung sreeht mit den'Vermögensrechten der Ehe-

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Man wird BERGMANN beistimmen können, daß in Frankfurt die von der französischen Jurisprudenz aufgestellte in tei temporale Rechtsregel recipiert wurde, wonach der neuen Rechtsordnung ausschließliche Herrschaft über rein personale Rechtsverhältnisse zukomme. 1 In Bezug auf fideikommissarische Substitutionen schließt sich die genannte Verordnung vom 25. Juli 1810 der r e p u b l i k a n i s c h e n R e g e l an. 2 Anderer Meinung war jedoch der Staatsrat bei Beantwortung der Frage, nach welchem Rechte die Testamente zu beurteilen seien. Er verleiht der neuen Rechtsordnung Ausschließlichkeit sowohl für den Inhalt als auch für die Form, obschon er hinsichts der letzteren noch einen Zeitraum von einem Jahre gewährt, binnen welchem Jedermann gehalten sei, sein bereits errichtetes Testament nach den Vorschriften der neuen Rechtsordnung umzuändern, wenn dasselbe einstens zum Vollzug kommen solle. 3 Für die Ausschließlichkeit einiger Verfügungen des Code spricht sich aus das Staatsratsgutachten vom 23. Februar 1811. 4 — In A n h a l t - K ö t h e n trat nach einer Verordnung vom 28. Dez. 1810, Art. 1 der Code Nqjpoléon am 1. März gatten in genauer Verbindung stehe; daß, wenn das Nutznießungsrecht der überlebenden früheren Ehegatten nicht nach den alten Rechten beurtheilt werden sollte, gegen den Art. 2 des G. N. dem Gesetze eine rückwirkende Kraft beigelegt werden würde." 1

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BERGMANN, a. a. 0 . , S. 381.

„ Was die vergangene Zeit bis zum 1. Jan. 1811 betrifft, so versteht es sieh, und ordnet schon das Gesetzbuch in seinem 2. Artikel, dass dasselbe, sowie alle neuen Gesetze, keine rückwirkende Kraß haben könne, dass folglieh . . . auch der Art. 896, der alle fideikommissarische Substitutionen ohne vorgängige Einwilligung und Bestätigung des Souverains verbieten, nur auf künftige Handlungen und zu errichtende Fideikommisse anzuwenden sei. Wir wollen jedoch, dass die wirklich bestehenden Fideikommisse . . . Unserem. Justizministerium binnen Jahrgang und lag, vom 1. Jan. 1811 anzurechnen, gebührend angezeigt werden sollen." Diese Frankfurter Verordnung ist ein gewichtiger Zeuge für die allein richtige intertemporale Regel, daß sowohl Form als auch der I n h a l t der l e t z t w i l l i g e n Verfügungen nach der alten R e c h t s o r d n u n g zu b e u r t e i l e n sind. 3 Staatsratsgutachten v. 22. Dez. 1810, genehmigt am 28. dess. Monats. S. WINKOPP, a. a. 0.. Bd. XVIII, S. 109. Es liefert somit einen Beleg der zweiten und dritten Möglichkeit der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares; s. oben § 12, S. 85 u. fg. und 89 u. fg. Der Staatsrat fühlt sich bewogen, als materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit anzuführen, „dass die gesetzlichen Vorschriften des Napol. Civilgesetzbuehes, in Hinsicht der Erbfolge und der hiermit verbundenen Gegenstände, in die ganxe bürgerliehe Gesetzgebung tief eingreifen, eine fortdauernde Gültigkeit der alten Gesetze daher nach dem 1. Jänner 1811, alsdann Einführungstermine des neuen Rechtes, ohne nachteilige Folgen für die Rechtsprechung nicht stattfinden könne." Die Frankfurter Gerichte werden sich bedankt haben. 1 S. WIKKOPP, Bd. XVIII, S. 399 fg. So soll dem überlebenden Ehegatten nach den Grundsätzen des Code ein Gegenvormund an die Seite gesetzt werden und nach dem Absterben eines Ehegatten die Inventarisation stattfinden, obschon die Ehe unter der alten Rechtsordnung abgeschlossen wurde. Der Grund liegt wohl darin, daß man diese Vorschriften zu den p e r s o n a l e n rechnete, welche nach Anschauung der französischen Jurisprudenz ausschließende Kraft haben.

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1811 in Kraft und nach einer Verordnung vom 4. Februar 1811 in N a s s a u am 1. Januar 1812. Beide Verordnungen enthalten keine näheren intertemporalen Ausführungen. Art. 1 Abs. 2 der erst genannten stellte noch ein besonderes Reskript in Ansicht, das aber nie erlassen worden ist. Die Gerichte hatten somit freie Hand; sie konnten sich an die französische Jurisprudenz anschließen oder dem rein römischen intertemporalen Privatrecht folgen. 1 Wie bereits bemerkt, wurde der Code civil in einer wörtlichen Übersetzung im Jahre 1809 in B a d e n recipiert und somit auch dessen intertemporales Privatrecht. Es wurden aber dem Art. 2 drei Zusätze beigefügt, die wir im folgenden näher prüfen werden. 2 Der erste Satz ist intertemporal rechtlich ungenau und gefährlich. Der Gesetzgeber wollte richtiger Ansicht nach damit sagen, daß die alte Rechtsordnung auch noch in der Zukunft unter der neuen Rechtsordnung über seine Geschöpfe herrsche, unter der Bedingung, daß der zukünftige Gesetzgeber nicht inzwischen ein anderes Gesetz erlassen habe. Damit wird grundsätzliche Rückwirkung verkündet. 3 Ebenso bedenklich ist der Satz 2 b. Derselbe 1 S. auch BERGMANN, a. a. 0., S. 387; W I N K O P P , a. a. 0., Bd. XVIII, S. 97 u. S. 264. Die erste Verordnung sagt in der Vorrede: „ . . . beseelt von dem Wunsch, das Glück Unserer Unterthanm nach Kräften zu befördern, glauben denselben keine heilbringendere Konstitution geben zu können, als diejenige, welche der größte Gesetzgeber der Welt, Napoleon der Große seinen Völkern, welche er als Vater liebt, gegeben hat." Die zweite dagegen kurz: „Von den Vorzügen des Napoleonischen Civilcodex überzeugt . . . " 2 Satz 2 a: , Seine Verfügung hat stets die stillschweigende Bedingung, daß der Wille des Gesetzgebers zur Zeit, wo die Anwendung in Frage kommt, noch unabgeändert bestehe." Satz 2 b: „Künftige Folgen einer vergangenen Begebenheit, wozu ein früheres Gesetz das Reckt gegeben hatte, kann ein späteres ändern, ohne rückwirkend %u sein, so lang es nur noch zwischen eintritt, ehe der Fall entsteht, der die Folgen erzeugt." Satz 2c: „Auslegungen des Gesetzgebers haben nicht mehr Bückwirkung als Gesetze selbst; sie können aber da, wo einem Richter das ältere Gesetz dunkel oder zweideutig ist, von ihm als Richtschnur seiner Bestimmung berücksichtigt werden, auch für Fälle, die vor der Verkündung der Auslegung sich zutrugen." 8 Aus dem Satz 2 a entsteht vor allem die Frage: welches ist der Zeitpunkt, wo die A n w e n d u n g einer gesetzlichen Verfügung in Frage kommt. Man könnte hier einen dies cedens und einen dies veniens unterscheiden. Der dies cedens ist der Zeitpunkt, wo eine Rechtsordnung einen unter ihrer Herrschaft geborenen Thatbestand erfaßt und ausgestaltet. Dieser Zeitpunkt fällt mit dem der Entstehung des Thatbestandes zusammen. Der dies veniens dagegen ist der Zeitpunkt, wo das geborene Rechtsverhältnis zur Aburteilung gelangt und das Gericht die Rechtsordnung auf die Rechtsstreitigkeit a n z u w e n d e n hat. M. E. kann im Satz 2 a nur dieser zweite Zeitpunkt gemeint sein, nur in diesem Zeitpunkt kommt die A n w e n d u n g des Gesetzes in Frage; denn im ersteren Zeitpunkt w i r d das Gesetz nicht angewendet sondern es e r g r e i f t selbst den Thatbestand und stattet ihn mit Rechtswirkungen aus; m. a. W.: im zweiten Zeitpunkt spielt es eine p a s s i v e Rolle, im ersten dagegen eine a k t i v e . Ist nunmehr der zweite Zeitpunkt gemeint, so w i d e r s p r i c h t d e r S a t z 2a d e r ä l t e r e n i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t s r e g e l d i r e k t . Denn wenn der Zeitpunkt der Aburteilung unter die

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öffnet auch der Ausschießlichkeit Thür und Thor, ohne die Sicherungsmaßregeln der materiellen Voraussetzung aufzustellen. Es handelt sich nämlich um Rechtsverhältnisse, die noch unter der neuen Rechtsordnung subjektive Wirkungen äußern können. Dahin gehört aber weitaus die Mehrzahl aller privatrechtlichen Verhältnisse, wie z. B. alle dinglichen Rechtsverhältnisse, alle befristeten und bedingten Schuldverhältnisse, ferner Obligationen auf zeitlich wiederkehrende Leistungen, Verhältnisse des Familien- und Erbrechtes. Wenn nun nach Satz 2 b das neue Gesetz vor Eintritt der subjektiven Wirkung erlassen wird, so darf es die Wirkung ändern, ohne nach der Meinung des badischen Gesetzgebers die alte intertemporale Rechtsregel zu verletzen („ohne rückwirkend zu sein"). Wie wir aber oben in § 12 S. 78 fg. nachgewiesen haben, liegt dann eine ausschließliche Rechtsordnung vor, im Sinne der zweiten Möglichkeit der ersten Spielart: der alte Thatbestand wird zwar von der neuen Rechtsordnung anerkannt, aber seine Wirkungen werden geändert, sei es, daß sie erweitert, sei es, was zu befürchten ist, daß sie beschränkt werden. 1 Herrschaft der n e u e n Rechtsordnung fiele, so wäre die Geltung der älteren vorüber und es müßte das n e u e Recht angewandt werden. Daß dieser Sinn vom badiscben Gesetzgeber gemeint sei, geht aus den Erläuterungen über den 0. Nap. und die Großherzogl. Bad. bürgerl. Gesetzgebung von B K A U E R hervor, Bd. I , S. 27. Er kleidet den Sinn des Satzes 2 a in folgende Worte: „dass jedes Gesez die stillschweigende Bedingung in sich habe, wenn der Wille des Gesetzgebers noch umgeändert bestehe, zur Zeit, wo jemand auf dessen Anwendung sieh berufen %u können, in den Fall kommt.11 Damit meint B R A U E R offenbar den zweiten Zeitpunkt, denn erst in einem Rechtsstreite kommt jemand in den F a l l , sich auf die Anwendung des Gesetzes zu b e r u f e n . Der letzte Zweifel schwindet bei Betrachtung des von B R A U E R S. 28 a. a. 0. gesetzten Beispieles: „. . .so kann z. B. in dem obengedachten Falle der unehelichen Kinder es gar nicht mehr zweifelhaft sein, es habe die Thatsache der Schwängerung eine Anwendung der zu ihrer Zeit geltenden Gesetze nur unter einer doppelten Bedingung vorläufig begründet, unter einer natürlichen, wenn nämlich aus solchem, Beischlaf ein lebendiges Kind zur Welt kommt, und unter einer gesezlichen, wenn zur Zeit, wo es zur Welt kommt, die damaligen Vaterschaftsgeseze noch bestehen . . ." Deutlicher können doch gewiß nicht die beiden Zeitpunkte gekennzeichnet werden, als mit diesen Worten, wo zwischen „ G e l t u n g " und „ A n w e n d u n g " der Gesetze unterschieden wird. Die Gesetze g e l t e n zur Zeit des Thatbestandes (Schwängerung): dies cedens; sie müssen aber auch noch gelten im Zeitpunkte, wo das lebend geborene Kind seine Ansprüche geltend macht: dies veniens; nur dann können sie a n g e w a n d t werden. — Es ist daher unerfindlich, wenn BERGMANN, a. a. 0 . , An. 434 behauptet, B R A U E R deute den e r s t e n Zeitpunkt an; ja das von ihm angeführte Beispiel setze dies außer Zweifel (!). BERGMANN war zu sehr von der Idee der Nichtrückwirkung der Gesetze eingenommen, um verstehen zu können, daß ein Gesetzgeber zu gunsten der n e u e n Rechtsordnung Regeln aufstellen könne. — Auch Satz 2 b setzt sich und zwar mit klaren und unzweideutigen Worten über die ältere intertemporale Rechtsregel hinweg; dies unterstützt nur unsere Ansicht, daß auch sein Bruder, Satz 2 a, von gleichem Geiste erfüllt ist. Haben sie doch beide einen und denselben Erzeuger, nämlich B R A U E R , der von der wahren Bedeutung der älteren intertemporalen Regel, wie sich noch zeigen wird, keine oder nur geringe Kenntnis hatte. ' Wie wir noch unten im III. Abschnitt ausführen werden, liegt der Satz 2 b der berühmten S A v i G N Y S c h e n Ansicht zu Grunde, daß die neue Rechtsordnung zwar

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Die Behauptung des badischen Gesetzgebers, es liege keine Rückwirkung vor, ist der beste Beweis dafür, daß auch im 19. Jahrhundert die Gesetzgebung zum Teil einer mangelhaften Erkenntnis des intertemporalen Privatrechtes entsprang. Wir können nun diesen Grundsatz des badischen Gesetzgebers, der weder mit der älteren römischen, noch mit der neueren römischen Rechtsregel übereinstimmt, die b a d i s c h e intertemporale Rechtsregel nennen. Wie wir noch sehen werden, fand sie insbesondere durch SAVIGNTS Theorie bei den Kodifikationen der neuesten Zeit großen Anklang. — Während Satz 2 als wörtliche Übersetzung des Art. 2 die reine o b j e k t i v e Gewährungsklausel enthält, macht sich in Satz 2 b der Einfluß der wohlerworbenen Rechte bemerkbar, indem von einem R e c h t e gesprochen wird, „das ein früheres Gesetz zu künftigen Folgen einer vergangenen Begebenheit gegeben hatte." 1 nicht auf den E r w e r b , wohl aber auf das D a s e i n der Rechte einwirken dürfe. Daß Satz 2 b zu den gleichen Ergebnissen führt, wie die Theorie SAVIGNYS , zeigt das intertemporale Privatrecht des Schweizerischen Obligationenrechtes, welches nach der bundesrätlichen Botschaft auf SAVIQNY führt und Bestimmungen enthält, die geradezu auffallend mit dem P. P. des Bad. Landrechtes übereinstimmen, ohne daß etwa der badische Text von den schweizerischen Redaktoren als Grundlage benützt worden wäre; s. weiter unten. Dieser Zusammenhang zwischen b a d i s c h e n intertemporalen Rechtsregel und der S A V i O N T s e h e n Lehre ist, soviel ich sehe, noch nicht erkannt bezw. festgestellt worden. Ob SAVIGNY sich desselben bewußt war, lasse ich dahingestellt. 1 BERGMANN, a. a. 0 . , S. 349 hat bereits erkannt, daß dieses im Satz 2 b enthaltene Prinzip weder mit dem römischen noch mit dem französischen intertemporalen Rechte übereinstimmt. BRAUER, der Verfasser und zugleich Kommentator dieser Sätze, scheint mit größter Wahrscheinlichkeit, wie auch BERGMANN a. a. 0 . bemerkt, die republikanisshe intertemporale Rechtsregel nicht gekannt zu haben. Er kennt nur „den Mißbrauch, der unter despotischen Kaisern Roms aufkam, Qesetxe aueh auf vergangene Fälle auszudehnen"; a. a. O., S. 25, und ist doch selbst ein grundsätzlicher Anhänger einer, wenn auch zum Teil beschränkten Ausschließlichkeit. Besonders schwere Folgen führt das b a d i s e h e Prinzip des Satzes 2 b für die Privatwillensthatbestände herbei. BRAUER sucht das Prinzip a. a. 0., S. 29 folgendermaßen zu verteidigen: ,,Sobald Vertragspersonen die künftige Folgen ihrer Handlungen auf den Willen des Oesetzgebers aussetzen, der, wie jener eines Erblassers, bis z,um letzten Lebenshauch wandelbar ist, so legen sie damit an den Tag, dass es ihnen nieht um eine bestimmte unwandelbare Norm für jene Folgen jezt zu thun sey, sonst hätten sie solche durch Vertrag festsezen können, und da dieser allein ein unwandelbarer Wille ist, sie so festsex-en müssen; sie geben zu erkennen, dass sie diese Folgen denjenigen Abwandlungen unterliegen lassen wollen, welche das Oesex nach Zeit urd Umständen der Staatsverhältnisse und des Bürger-Glücks dem Wohle des Ganzen angemessen erklären wird, sie zeigen an, dass sie die Veränderlichkeit der Folgen menschlicher Handlungen anerkennen, der Weisheit [ihrer Gesezgebung vertrauen, und deswegen nicht im Voraus etwas festbedingen wollen, was, einer weisen Gesezveränderung erlassen zu haben, sie etwa einst selbst gereuen könnteEs ist eine durchaus willkürliche Annahme BRAUERS, daß die Vertragsparteien den stillschweigenden Willen haben, den künftigen gesetzgeberischen Abänderungen sich zu unterwerfen. Im Gegenteil; sie v e r t r a u e n darauf, daß die Rechtsordnung so bleibe und wenn auch darin nicht die e i n z i g e Rechtfertigung der republikanischen Rechtsregel gesehen werden kann, wie einige Schriftsteller behaupten, so ist der Grund doch sehr beachtens-

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Satz 2 c bezieht sich auf die „Auslegungen des Gesetzgebers". Diese sollen, wie sich der badische Gesetzgeber bezeichnender Weise ausdrückt, nicht mehr „Rückwirkung als Gesetze selbst haben. Da aber nach dem badischen intertemporalen Grundsatz die Ausschließlichkeit eines jeden' Gesetzes in bestimmtem Umfange gewährleistet wird, so genießen auch authentische Interpretationen diese Begünstigung. Außerdem aber k ö n n e n sie da, „wo einem Richter das altere Gesetz dunkel oder zweideutig ist, von ihm als Richtschnur seiner Bestimmung berücksichtigt, auch für Fälle, die vor der Verkündung der Auslegung sieh ¿utrugen." 1 — Der badische Gesetzgeber ist seiner neuen Eegel des Satzes 2 b weder im Landrecht selbst noch im Publikationspatent treu geblieben. Im Satz 2281 bestimmt er in Anlehnung an den Urtext, daß „Verjährungen, welche bei Verkündung des gegenwärtigen Gesetzes schon ihren Anfang genommen haben" nach den alten Gesetzen beurteilt werden sollen. Das ist wohl ein Ausfluß der republikanischen Regel, aber niemals des badischen Grundsatzes.2 Daß auch das Publikationspatent mehrfache Abweichungen enthält, werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

wert; s. P F AFP und H O F M A N N , Kommentar, S. 1 5 8 . Vollständig verfehlt ist die Behauptung, daß die vertragschließenden Teile einst selbst bereuen könnten, die Vertragsmaterie nicht einer weisen Gesetzesveränderung überlassen zu haben. S. auch BERGMANN, a. a. 0., S . 353. B R A U E R ist der Vertreter des eudämonistischen Polizeistaates und damit der rohen, die feingegliederten Privatverhältnisse nicht schonenden Staatsgewalt. Diese Sinnesart geht am besten aus folgender Äußerung, S. 31, hervor: , Für die Staatsverwaltung ist übrigens die Anwendung dieses Satxes %u wichtig, als dass sie dessen sich begeben könnte: denn es gieht so mancherley Verträge, welche die Lebensverhältnisse der Vertragspersonen a,uf lange Jahre, auf ihre Lebenszeit, ja auf Kinder und Kindeskinder hin ergreifen, wiex.E Stammguts-Einrichtungen, dass der Regent an einer zweckmässigen Regierung seines Staats, die eine Anbequemung seiner Oesexe an die wechselnde Weltcerhältnisse fordert, durchaus gehindert würde, wenn nicht bloss da, wo ein ausdrücklicher Wille der Staatsbürger sich ein Recht für gewisse künftige Verhältnisse auf gesexlich gültige Art bedungen hat, sondern auch da, wo er nur durch stillschweigende Aneignung der ygesexlichen Bestimmungen eines Rechtes genossen hat, eine künftige Begebenheit der Anwendbarkeil des neuen Oesedes entgehen könnte— B R A U E R war, wie aus den Äußerungen hervorgeht, auch Anhänger der Lehre von den sog. g e s e z l i c h e n R e c h t e n , welche nach dieser gar keinen Anspruch darauf haben, von der neuen Rechtsordnung getrennt zu werden. 1 Der Ausdruck „können11 stellt es in das freie Ermessen des Richters, ob er bei Dunkelheiten und Unzweideutigkeiten des Gesetzes die authentische Interpretation anwenden will oder nicht, vorausgesetzt, daß sie nicht schon nach Satz 2 b Ausschließlichkeit besitzt. Nach Art. 4 darf bekanntlich der französische Richter wegen Dunkelheiten oder Unzulänglichkeiten des Gesetzes seine Entscheidung nicht verweigern. Damit ist ihm grundsätzlich die Auslegung der Gesetze selbst in die Hand gegeben, im Gegensatz zu dem westgotischen und longobardischen Rechte; s. oben § 17, S. 136 und § 20, S. 147. Der badische Gesetzgeber ist somit nur den Spuren des französischen Gedankens gefolgt, wenn er die gesetzliche Auslegung grundsätzlich für unverbindlich erklärte, sofern es sich um Thatbestände der Vergangenheit handelt. a S. auch BERGMANN, a. a. 0 . , S. 354 fg.

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In der Vorrede zum badischen Landrecht (oder im sog. Publikationspatent) vom 3. Februar 1809 sind von Zif. IV an bis Zif. XVI intertemporale Anordnungen enthalten, die zum Teil in scharfem Widerspruch mit dem Satz 2 des Landrechtes stehen, ja sogar über die badische Regel des Satzes 2 b hinausgehen, zum Teil aber auch im Sinne der republikanischen Regel einlenken. Bezeichnender Weise nimmt auch Zif. IV nicht den Satz 2, sondern den Satz 2 b zur Grundlage, also das b a d i s c h e Prinzip. 1 — Zif. V enthält die intertemporale Behandlung der Civilstandsakte; sie folgt der alten Regel. — Zif. V I widmet sich der intertemporalen Behandlung der Ehe, ebenfalls im Sinne des Satzes 2. — Zif. VII bezieht sich auf Vaterschaft und Kindschaft. 2 — Zif. VIII regelt die Herrschaft der beiden Rechtsordnungen in Bezug auf das Güterrecht der Kinder. 3 — Zif. IX, Abs. 2 bestimmt gemäß der älteren Rechtsregel, daß die im Zeitpunkte des Inkrafttretens des Landrechtes besetzten Pflegschaften nach der alten Rechtsordnung nfortgehen" bis zu ihrer Beendigung. Ebenso die obervormundschaftliche Einwirkung; nur der „Stoff" der obervormundschaftlichen Verfügungen muß sich nach dem Inhalt des Landrechtes „benehmen". — Zif. X enthält intertemporales Erbrecht. 4 — 1 Zif. IV lautet: „Die Anwendung dieses Gesexbuchs auf das Vergangene kann, nach dem xweiten Sn% und Zusax desselben, in vorkommenden Fällen nicht mit Rückwirkung, wohl aber mit Wirksamkeit auf künftig erst entstehende Folgen früherer Handlungen stattfinden. Zur sicheren Leitung des Richters in der Anwendung dieses Orwidsaxes auf vorkommende Fälle, geben Wir hier nebst der Anzeige der einxelnen Theile, die einen späteren Verbindlichkeits-Termin, als den abgedachten haben sollen, xugleich Vorschriften über die wichtigsten Fälle, bei denen jene doppelte Rücksicht %u beobachten ist, die nur als Regel für solchen Fall, sondern auch als Beyspiele für Erörterung anderer nicht namentlich erörterter Fälle dienen sollen.11 2 Nr. 1 und 2 bestimmen, daß für die natürlichen Kinder nicht der Thatbestand der Empfängnis, sondern der Thatbestand der Geburt darüber maßgebend sei, nach welcher Rechtsordnung sie zu beurteilen sind. Dadurch weicht der badische Gesetzgeber von der älteren Rechtsregel ab, nach welcher der Thatbestand der Empfängnis als Grenzstein der Herrschaft der beiden aufeinanderfolgenden Rechtsordnungen dient. Diese Bestimmung ist eine Folge des B R A U E R schen Gedankens von der doppelten Bedingtheit der Rechte der unehelichen Kinder: eine natürliche, w e n n n ä m l i c h a u s s o l c h e m B e i s c h l a f ein l e b e n d i g e s K i n d zur W e l t k o m m t , und eine gesetzliche; s. oben. 8 Zutreffend bestimmt Nr. 1, daß das neue Recht nur für dasjenige kindliche Vermögen Geltung haben solle, welches n a c h dem Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung den Kindern anfällt. Nr. 2 zieht die richtige Folgerung, daß diejenigen Eltern, ,.welche die Nutznießung am Vermögen ihrer Kinder aus dem alten Recht fortgenießen, auch die alte Schuldigkeit zur väterlichen Anhülfe für die Söhne oder Ausstattung der Töchter tragen sollen. Da die Bestimmungen von 1 und 2 sich mit der älteren römischen Rechtsregel decken, so enthalten sie eine Abweichung von der badischen des Satzes 2 b. Nr. 3 ist nicht intertemporaler Natur, ebensowenig Nr. 4. 4 Nr. 1 schließt sich ganz an die ältere Regel an; die neue Intestaterbordnung soll nur bei jenen Erbschaften in Frage kommen, welche nach ihrem Inkrafttreten anfallen. Nr. 2 regelt das Intestaterbrecht der unehelichen Kinder. Wie in Zif. VII wird als Grenzstein des Herrschaftsgebietes der alten und neuen Rechts-

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Zif. XI bezieht sich auf letzte Willens Verfügungen, bleibt aber nicht in den Schranken der älteren intertemporalen Regel, sondern räumt der neueren eine beträchtliche Herrschaft ein. 1 Ordnung der Thatbestand der G e b u r t und nicht der Empfängnis bezeichnet. Werden aber vor dem Inkrafttreten des Landrechtes geborene uneheliche Kinder nach diesem Zeitpunkt gesetzmäßig anerkannt, so genießen sie dasselbe Erbrecht, „welches anderen unter der Herrschaft dieses Gesexes geborenen und anerkannt werdenden unehelichen Kindern xusteht.'- Diese letztere Bestimmung ist intertemporal zutreffend, weil der Willensthatbestand der Anerkennung in diesem Falle der maßgebende ist. Wenn Nr. 1 mit der republikanischen Regel übereinstimmt, so ist daran nicht etwa der badische Grundsatz des Satzes 2 b schuld, sondern die eigentümliche Natur des Intestatthatbestandes; diese bewirkt, daß auch nach römischem intertemporalem Rechte die neue Rechtsordnung maßgebend wird, falls der Erblasser unter ihrer Herrschaft stirbt. — Nr. 3 regelt die Unterhaltspflicht. Sie ist eigentlich nicht intertemporaler Natur, indem einfach eine Verordnung vom 5. Aug. 1791 trotz der Einführung des Landrechtes aufrecht erhalten wird. Die Lücke des französischen Rechtes wurde auf diese Weise ausgefüllt; später wurde durch ein Gesetz vom 21. Februar 1851 das Erbrecht und die Ernährung unehelicher Kinder neu geregelt. Vgl. noch die Verordnung vom 10. Juni 1809 und vom 27. Juni 1812, welche dadurch aufgehoben wurden. Nr. 4 und 5 schließen sich ebenfalls der älteren Regel an, indem die Entschädigung für Kindbettkosten und das fiskalische Erbrecht an unehelichen Kindern, welches das neu« Landrecht nicht kennt, „bey allen später geborenen wiehelichen Kindern wegfällt", somit für die früher geborenen aufrecht erhalten bleibt. 1 Nr. 1 gewährt den Privatpersonen das Recht, schon nach der Verkündung, aber vor dem Inkrafttreten des Landrechtes eine letzte Willensverfügung nach den von diesem vorgeschriebenen Formen zu errichten. Sie sollen dann „gleiche Gültigkeit haben, als die, welche erst nach dem 1. Juli (Tag des Inkrafttretens) in solcher Form errichtet werden, und als diejenige, die in jener früheren Zeit noch nach den altgesetxlichen Formen errichtet sind." Damit wird der neuen Rechtsordnung, bevor sie in Kraft steht, eine mit der alten konkurrirende Herrschaft gewährt, ein i n t e r t e m p o r a l e s monstrum vel prodigium, dem wir bis jetzt noch nicht begegnet sind. Nr. 2 ist nicht intertemporal, wohl aber Nr. 3, welche einen prächtigen Beleg liefert für die Regel Marcians, wonach ein unvollkommener Thatbestand nachträglich vollkommen werden kann. Sie lautet: „Sollen auch jene Testamente, die vorhin, es sey erst kurx, oder schon länger her errichtet worden sind, und nach dem gedachten 1. July durch den Tod des Erblassers. »ur Wirksamkeit kommen, für kräftig erachtet werden, nicht nur, wenn sie den altgesexlichen Formen gemäs sind, sondern auch alsdann, wann sie nach solchen %war einen Mangel hätten, der aber nach diesem handrechte aufhört ein Mangel xu seyn; da der Gesexgeber wie der Richter mit Recht voraussext, dass der Erblasser gewollt habe, dass sein Wille in jeder Form, in deren es gesexlieh möglich ist, erhalten werde " Die zweite Regel des jüngeren intertemporalen Regelpaares findet somit bei der badischen Gesetzgebung Aufnahme und zwar im Sinne der dritten Möglichkeit, wonach ein in den Augen der alten Rechtsordnung mangelhafter Thatbestand, ohne selbst Änderungen zu erleiden, unter einer neuen und ausschließlichen Rechtsordnung zu Kräften gelangt, falls sich dieselbe mit weniger Thatbestandsmerkmalen begnügt. S. oben § 12, S. 97. Die Begründung der Ausschließlichkeit mit dem mutmaßlichen Willen des Erblassers ist vollständig verfehlt; wird der Wille des Erblassers auch beachtet, wenn eine neue und ausschließende Rechtsordnung Bestimmungen trifft, die dem erklärten Willen des Erblassers e n t g e g e n g e s e t z t sind? Dies geschieht in der That durch Nr. 4, wie sich zeigen wird. Es liegt hier auch eine Art intertemporales Meistbegünstigungs-

AFFOI.TEK T Intert. Privatrecht.

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Der badische Gesetzgeber unterscheidet zwischen Form und Inhalt des letzten Willens. Über die F o r m läßt er, wenn auch nicht ausschließlich, so doch im Wettbewerb mit der neuen die alte Rechtsordnung herrschen. Dagegen über den I n h a l t desselben ist ausschließlich die neue Rechtsordnung maßgebend. 1 Diese intertemporale Bestimmung kennzeichnet sich als eine äußerst harte Maßregel; denn nach gemeinem Rechte waren Universalfideikommisse gestattet, während sie das neue Recht grundsätzlich verbietet. 2 — Zif. XII bezieht sich auf die „Heiratsverträge". 3 recht vor, wie wir es oben beim P.P. des A.L. kennen gelernt haben. S. § 33, S. 207. Nr. 4 ist ein Belgg für die erste Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart, im Sinne der zweiten Möglichkeit. S. §12, S. 85 u. fg. Nr. 4 lautet: „was den inneren Gehalt solcher lextm Willen betrifft, derselbe nach obiger Zeitschrift des ersten July 1809 nur so xum Vollzug kommen kann, wie er mit den jexigen Oesexen besteht, als unter deren Herrschaft er durch den Tod erst xu Kräften gelangt, und dass mithin dasjenige darin für nicht gesehrieben xu achten ist, was mit diesem gar nicht besieht, dasjenige aber, was, wiewohl mit einigen Veränderungen, bestehen kann, nur in dieser geänderten Maase xum Vollzug kommen kann, und demnach derjenige, wer es darauf nicht ankommen lassen will, in Zeiten seine frühere lexte Willens- Verfügungen durchsehen und so ändern mag, wie nun in der netten Ordnung der Dinge er seine Absichten am liebsten erreicht xu sehen wünscht." 1 Einige, bei weitem nicht alle, Gesetze des 19. Jahrhunderts schließen sich hierin dem badischen Gesetzgeber an; s. auch unten § 54. 3 S. Satz 896. Der Trost, den der Gesetzgeber am Schlüsse von Nr. 4 dem Erblasser giebt, noch rechtzeitig seine letzte Willensverfügung durchzusehen und zu verändern, vermag diese Härte nicht aus der Welt zu schaffen; denn zwischen der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten des Landrechtes lag eine viel zu knappe Frist und außerdem kann man nicht von Jedem verlangen, daß er sich genaue Kenntnis eines Rechtes erwerben soll, das noch gar nicht gilt. — In Buch II wird des Näheren noch ausgeführt werden, daß nach der älteren Rechtsregel die alte Rechtsordnung über das Testaterbrechtsverhältnis herrschen soll, selbst wenn der Tod des Testators nach Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung erfolgt. Es muß jedoch hier bemerkt werden, daß der badische Gesetzgeber lediglich seiner eigenen in Satz 2 b aufgestellten intertemporalen Rechtsregel gefolgt ist, nicht etwa der französischen Jurisprudenz, welche auf anderem Wege in Abweichung von der republikanischen Rechtsregel zu demselben Ergebnis gelangte. Es liefert dies wiederum einen Beweis, wie bedenklich die badische Regel ist, welche unter dem Deckmantel der „Nichtrückwirkung" unter Umständen einer Ausschließlichkeit erster Ordnung (der ersten Möglichkeit) den Weg ebnet. 8 Nr. 1 bestimmt zutreffend, daß das neue gesetzliche Gütersystem, die Fahrnis- und Errungenschafts-Gemeinschaft nur für diejenigen Ehen eintreten solle, die nach Inkrafttreten des Landrechtes (1. Januar 1810) geschlossen werden, „soweit nicht etwa neu angehende Eheleute ausdrücklich jene für künftig allgemein angenommene Gemeinschaftsart durch Vertrag annehmen." — Nr. 2 dagegen wirft sich der neuen Rechtsregel zu; die materielle Voraussetzung wird mit ausdrücklichen WTorten erfüllt. Der alten Rechtsordnung wird nur noch eine Herrschaft eingeräumt bis zum 1. Januar 1812, also noch während zwei Jahren seit Inkrafttreten des Landrechtes. Dagegen wird im Widerspruch mit dem Landrecht Satz 1394 und 1395 (in Nr. 4 dispensiert der Gesetzgeber die altverheirateten Unterthanen ausdrücklich von der Verfügung des Satzes 1395) den altverheirateten Eheleuten das Recht gegeben, nach jenem Termin eine im Landrecht enthaltene Art der Ehegemeinschaft festzusetzen. Die materielle Voraussetzung wird durch

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§ 52. Die objektive Fassung der Gewährungsklausel.

Zif. XIII gewährt dem neuen Rechtssatz des Landrechtes, welcher die Verletzung über die Hälfte regelt, vom 1. Juli des Jahres die Ausschließlichkeit, ohne materielle Begründung, sie setzt sich also in Widerspruch mit den Regeln des römischen intertemporalen Privatrechts, auch mit der neueren Rechtsordnung.1 — Zif. XIV bestimmt, daß beim Thatbestand der Bürgschaft nicht der Zeitpunkt des Hauptvertrages die Scheidung der Herrschaftssphären der alten und neuen Rechtsordnung vollzieht, sondern den Hinweis auf die äußeren Mängel der alten Rechtsordnung erfüllt: „da es die grössten Verwirrungen in der Folgexeit veranlassen müsste, wenn die Ehegemeinsehaften der bisher geschlossenen Ehe immerfort nach den im jetzigen Großherxogtum so äußerst verschiedenen alten Rechten und Gebräuchen beurteilt werden müßten, von welchen sie sieh nach, und nach die Kenntnis bey den Beamten verliert: so lassen wir xwar noch, jedoch nur bis zum 1. Jenner 1812 die Beurteilung der jetzt bestehenden und der vor dem 1. Jenner 1810 geschlossen werdenden Ehen nach jenen, alten Oesexen offen, für alle Fälle, wo durch eine Ehe• auflösung oder Oüterabsonderung inzwischen der Fall einer solchen Beurteilung eintritt, damit die altverheyratheten Unterthanen indessen die neue Gemeinschafts• art an dem Beyspiel der neuangehenden Eheleute aus Erfahrung kennen lernen, und wenn sie ihnen nicht gefällt, durch Ehevertrag, der alsdann weiter nichts zu enthalten braucht, als die Angabe, nach welcher der verschiedenen in diesem Titel enthaltenen anderen Arten der Ehegemeinschaft ihre Ehe gerichtet werden soll — diejenige Gemeinschaftsart, die ihnen gefällt, wählen und festsetzen können." Nr. 3 zieht nur eine Folgerung aus Nr. 2, wenn nämlich „die alt verheirateten Unterthanen"' von der gesetzlichen Erlaubnis in der Zwischenzeit vom 1. Januar 1810 bis zum 1. Januar 1812, durch Ehevertrag eine im Landrecht enthaltene Gemeinschaft festzusetzen, keinen Gebrauch machen, so soll bei Auflösung die Auseinandersetzung ihrer Ehen nach der neuen Rechtsordnung geschehen. Damit stellt sich Nr. 3 unter die neue Rechtsregel und gewährt so dem neuen ehelichen Güterrecht die Ausschließlichkeit. — Die in Nr. 2 und 3 ausgesprochene Ausschließlichkeit hätte der Gesetzgeber auch mit seiner eigenen Regel des Satzes 2 b begründen können. Allerdings enthalten beide eine besonders strenge Folgerung derselben, die keineswegs gezogen werden mußte. S. auch Bergmann, a. a. O., S. 361 fg. — Nr. 3 ließ im Zweifel, ob die gesetzliche Gütergemeinschaft des L.R. schon mit dem 1. Januar 1810 eintrat oder erst mit dem 1. Januar 1812. Siehe Motive zum E.G. des B.G.B., S. 281. U. E. liegt im Geiste des badischen Gesetzgebers die erste Alternative, weil der negative Willensthatbestand der Nichtfestsetzung eines Güterstandes nur ein u n s e l b s t ä n d i g e r (entscheidender) ist. — Eine Rechtsbelehrung vom 21. Juli 1810 gestattete die Aufrechterhaltung des bisherigen Güterstandes auch durch einseitige Erklärung eines Ehegatten. 1 kann Zif. XIII lautet: „Bey dem VI. Tit. des III. Buches von Käufen die Klage wegen Verlegung über die Hälfte naeh dem 1. Juli d. J. gegen keinen, wenn auch vorher geschlossenen Kauf anders als in der Art, wie sie das gegenwärtige Landrecht bestimmt, statt finden." Auch diese intertemporale Maßregel ist ziemlich einschneidend, weil nach gemeinem Rechte die laesio enormis bei allen Käufen, nach Landrecht dagegen nur bei Grundstücken (s. Satz 1674) einen Anfechtungsgrund bildete, abgesehen davon, daß es eine Verkürzung um mehr als sieben Zwölftel verlangte. Sie ist aber nichts anderes, als eine logische Folgerung aus der badischen intertemporalen Rechtsregel des Satzes 2 b für einen Einzelfall, mit welcher auch die Theorie Savignys übereinstimmt, und damit auch das Schweizerische intertemporale Recht, welches jedoch die Folgerungen hinsichtlich der obligatorischen Verträge in noch breiterem Umfange zu ziehen versteht. S. weiter unten.

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Das intert Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

der Zeitpunkt, wo Bürgschaft geleistet wurde. 1 — Zif. X Y schließt sich wieder an die neue Rechtsregel, indem die Unterpfandrechte (Hypotheken), die nach bisheriger Art gültig bestellt sind, nur bis zum 1. Januar 1810 als gültig bestehen bleiben; von da an herrscht die neue Rechtsordnung auch über sie. Der Gesetzgeber findet es nicht nötig, die materielle Voraussetzung dieser Ausschließlichkeit auch nur mit einem Worte zu berühren. 2 — Auch Zif. X V I folgt der Ausschließlichkeit; die alte Rechtsordnung soll über Vergantungen nur bis zum 1. Januar 1810 herrschen, so daß also die Vorzugsrechte, die unter ihr entstanden sind, nach dem 1. Januar 1810 der neuen anheim fallen, diese also ändern bezw. aufheben kann, im Sinne der ersten und zweiten Möglichkeit des neueren intertemporalen Regelpaares. 8 1 Zif. XIV lautet: „Bey dem Tit. XIV des III. Buches von Bürgschaften ist nicht der Tag des verbürgten Haupt-Vertrags, sondern der Tag der leistenden Bürgschaft derjenige, welcher bestimmt, ob die Bürgschaft als vor oder nach dem 1. Juli 1809 geschlossen anzusehen, und somit nach welchem Recht sie zu richten sey." Nach der strengen republikanischen Regel folgt die Bürgschaft als Nebenvertrag dem rechtlichen Schicksal des Hauptvertrages, also auch der Rechtsordnung zur Zeit des Hauptvertrages. 2 Zif. XV lautet: „Bey dem Tit. XVIII des III. Buches von Unter pfandsrechten erstrecken wir den Termin, wo die neu vorgeschriebene Art der Verschreibung und Bewahrung der Unterpfandsrechte ihren Anfang nehmen soll, bis auf den 1. Januar 1810, bis wohin wegen Einrichtung der Pfandverschreibereyen das Nöthige wird vollzogen seyn, und sind bis dahin alle Unterpfandsrechte, die nach bisheriger Art gültig bestellt sind, auch ferner als gültig anzusehen." Es ist zuzugeben, daß thatsächlich die materielle Voraussetzung hier vorliegt; denn das römische Hypothekenrecht ist bekanntlich der schwächste Teil des römischen Rechtes, wegen der mangelnden Publizität; das neue Recht führte dieselbe wenn auch in beschränktem Maßstabe ein. 3 Es handelt sich um die erste Spielart, wonach ohne Änderung des Thatbestandes ein vollkommener Thatbestand unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung ganz oder teilweise hinfällig werden kann; vgl. oben § 12, S. 80 u. fg. — Zif. XVI lautet: „Von dem XIX. Tit. des III. Buches über Vergantungen wird die Kraft ebenfalls bis auf den 1. Januar 1810 aufgehoben, so, dass alle GantProzesse, die bis dahin ausbrechen, noch lediglich nach bisherigen Formen und Vorzugsrechten erledigt werden sollen, damit inzwischen erst über diese ganz neue Art ihrer Verhandlung die Richter selbst sich sattsam zurecht finden, und die Gläubiger, welche etua bey der neuen Vorzugs-Ordnung die vorige Sicherheit nicht mehr hätten, in Zeiten noch um eine dem jetzigen Landrecht gemässe Sicherheit sich bewerben können." Auch diese Bestimmung ist von einschneidender Härte, umsomehr, als sie durchaus intertemporalrechtlich unbegründet ist, s. unten § 54, S. 382 und der Trost, den der Gesetzgeber denjenigen Gläubigern giebt, welche durch die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung Vorzugsrechte verlieren, oder sonst benachteiligt werden, „sie könnten sieh noch in Zeiten um eine dem jetzigen Landrecht gemäße Sicherheit bewerben", ist ein sehr billiger. B e w e r b e n können sie sich allerdings schon; ob sie aber eine solche erhalten, ist eine andere Frage. Außerdem werden nicht alle Gläubiger von der ihnen drohenden Gefahr Kenntnis gehabt haben. — Trotz dieser Härte ist jedoch Zif. XVI nichts anderes, als ein folgerichtiger Ausfluß der intertemporalen Regel des Satzes 2 b. Wie sehr damit die SAviGNYsche Theorie übereinstimmt, beweist der Art. 897, Abs. 2 des Schweiz. Obligationenrechtes, der auf ihr aufgebaut ist und sich inhaltlich vollkommen mit Zif. XVI deckt.

§ 52.

Die objektive Fassung der Gtewährungsklausel.

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Ziff. X V I I und X V I I I sind nicht intertemporaler, sondern öffentlichrechtlicher Natur. 1 Zum Schlüsse der Darstellung des badischen intertemporalen Privatrechtes ist die Frage aufzuwerfen, ob der badische Gesetzgeber selbst sich an die in Satz 2 und 2 b aufgestellten Grundsätze für gebunden erachtet. Da nun L.R. Satz 2 c geradezu dem Gesetzgeber verbietet, seinen Auslegungen mehr Rückwirkung beizulegen als die Gesetze selbst haben, so ist die Bejahung der Frage außer Zweifel. 2 Eine objektive Fassung der Gewährungsklausel finden wir auch in den Übergangsbestimmungen des schweizerischen Bundesgesetzes über das Obligationenrecht vom 14. Brachmonat 1881. Sie findet sich im Art. 882. 3 1

In ähnlicher Weise wie fr. 26 de leg. 1, 8 und den mit ihm verwandten s. oben § 8, S. 62 u. fg. a Dem badischen Gesetzgeber dürfte diese Gebundenheit nicht allzuschwer fallen, da sie ihm einen weiten Spielraum einräumt, der ihm erlaubt, den Gesetzen Ausschließlichkeit sogar erster Ordnung beizulegen. S. oben. Im Munde des mutmaßlichen Verfassers des engherzigen Satzes 2 b nimmt sich daher folgende Äußerung eigentümlich aus: „Zu verwundern ist es daher, wenn schon jext deutsehe Rechtsgelehrte sieh finden, welche als eine gemeinrechtliche und daher, wie sie meynen, sich von selbst verstehenden Sache, die Ausnahme in unsern Sax hineintragen, wenn ein Oesex künftig ausdrücklieh auf die Vergangenheit gerichtet werden würde. Pfeiffer, B. 1, S. 5. Nimmermehr dürfte ein Rechtsgelehrter in Staaten, wo Napoleons Gesetzbuch angenommen ist, einem solchen rückwirkenden Oesexesentwurf seine Feder leihen, noch ein Richter dem zweyten Sax unseres Oesexbuchs gerade entgegen jemals darauf sprechen, ohne selbst den Betheiligten zum Schadens Ersaz verhaftet zu werden." S. BRAUER, a. a. 0 . , S. 2 5 . Allerdings, wenn schon der reine intertemporale Grundsatz so gefaßt ist, daß er ohne einen Zusatz einem Gesetze für alle drei Möglichkeiten rückwirkende Kraft erteilt, dann bedarf der Gesetzgeber des Theodosianischen: nisi nominatim . . cautum sit nicht; er kommt für seine Bedürfnisse mit jener badischen intertemporalen Regel allein aus. Größere Bückwirkungen, als sie nach dieser gestattet sind, kennen „despotische Kaiser Roms" auch nicht; nur das kanonische Recht geht beim ius divinum darüber hinaus; s. oben § 25, S. 160 fg. Man weiß nicht, soll man die Unkenntnis BRAUERS im römischen intertemporalen Rechte mehr anstaunen oder seinen Mut, über Gesetzgeber und Schriftsteller den Stab zu brechen, die das nur a u s n a h m s w e i s e gethan haben, was er a l s R e g e l aufstellt. Wenn irgend etwas, so beweisen diese pathetischen Äußerungen BRAUERS, die ihn als Schützer und Schirmer des intertemporalen Rechtes hinstellen und im Gegensatz dazu seine eigenen intertemporalen Thaten (Satz 2 b), wie tief die Kenntnis des reinen römischen Grundsatzes aus der republikanischen Zeit anfangs des 19. Jahrhunderts gesunken war. Da erscheint wirklich BERGMANN, der der Wahrheit am nächsten kam, unter einem W E B E R , BRAUER, W I E S E N U. S. W. wie ein weißer Rabe, „unter Larven die einzige fühlende Brust". fr.fr.;

8 Derselbe lautet: „Die rechtlichen Wirkungen von Thatsachen, welche vor den 1. Januar 1883 fallen, sind auch nach diesem Tage gemäß denjenigen Bestimmungen des eidgenössischen oder kantonalen Rechtes xu beurteilen, welche xur Zeit des Eintritts dieser Thatsachen gegolten haben. Demgemäß unterliegen vor dem 1. Januar vorgenommene Handlungen mit Bezug auf ihre rechtliche Verbindlichkeit und ihre rechtlichen Folgen auch in Zukunft den bei ihrer Vornahme geltend gewesenen Bestimmungen. — Die nach dem, 1. Januar 1883 eintretenden Thatsachen dagegen, insbesondere auch die Übertragung und der Untergang von

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Die L e h r e von den w o h l e r w o r b e n e n R e c h t e n h a t auf die Klausel keinen E i n f l u ß a u s g e ü b t ; s t a t t von w o h l e r w o r b e n e n R e c h t e n spricht der A r t i k e l von T h a t s a c h e n u n d d e r e n r e c h t l i c h e n F o l g e n . Dagegen ist n i c h t die r e i n e republikanische Regel, sondern die d u r c h die SAviGNYsche L e h r e u m g e s t a l t e t e R e g e l recipiert worden, welche zwischen d e m E r w e r b u n d d e m D a s e i n von R e c h t e n unterscheidet. Infolgedessen b e s t i m m t a u c h der dritte Absatz, d a ß die Ä n d e r u n g s - u n d U n t e r g a n g s t h a t b e s t ä n d e von F o r d e r u n g e n der n e u e n R e c h t s o r d n u n g u n t e r l i e g e n , obschon i h r E n t s t e h u n g s t h a t b e s t a n d u n t e r die H e r r s c h a f t der a l t e n fiel. Mit g u t e m G r u n d e darf m a n b e h a u p t e n , d a ß der schweizerische Gesetzgeber a u c h d e r badischen i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t s r e g e l , vielleicht u n b e w u ß t , gefolgt ist. M i t welch' e r s t a u n l i c h e r G e n a u i g k e i t die Ergebnisse dieser Regel u n d die der SAViGNYSchen Theorie ü b e r e i n s t i m m e n , wird aus d e m folgenden n o c h h e r v o r g e h e n . H i e r sei gleich bemerkt, d a ß Zif. X I I I des badischen P . P . nichts anderes ist, als eine E i n z e l a n w e n d u n g der i m Art. 8 8 2 , Abs. 3 des schweizerischen O.R. ausgesprochenen i n t e r t e m p o r a l e n F o l g e r u n g . — A r t . 8 8 3 r e g e l t i n t e r t e m p o r a l die V e r j ä h r u n g . 1 — Art. 8 8 4 , Abs. 1 e n t h ä l t die Folge des SAViGNYSchen G r u n d s a t z e s bezw. des badischen P r i n zips f ü r das M o b i l i a r p f a n d r e c h t . 2 Dagegen folgt der Abs. 2 der e r s t e n R e g e l des n e u e r e n i n t e r t e m p o r a l e n Regelpaares in i h r e r ersten Möglichkeit, i n d e m er einen u n t e r der alten R e c h t s o r d n u n g g ü l t i g geschlossenen V e r f a l l s v e r t r a g f ü r h i n f ä l l i g e r k l ä r t . 3 Die materielle V o r a u s s e t z u n g der A u s Forderungen, welche schon vor jenem, Tage entstanden sind, werden nach diesem Oesexe beurteilt. Mit Bezug auf die Fristen, welche am 1. Januar 1883 nicht abgelaufen sind, gelten die Bestimmungen des Art. 883." 1 Wir haben früher auseinandergesetzt, warum die n e u e Rechtsordnung ohne Verletzung der republikanischen Regel maßgebend ist für den Thatbestand der Veijährung, insbesondere über die Verjährungsfrist. Trotzdem haben die Gesetzgebungen verschiedene Wege eingeschlagen und teils die alte Rechtsordnung für maßgebend erklärt, wie Code civil, art. 2281; oder das neue Recht, wie der Code civil des Kantons Freiburg, art. 2169, Abs. 2; oder es wird unterschieden, ob das neue Recht eine längere oder eine kürzere Frist einführt, als das alte Recht, wie im sächsischen Rechte (§§ 11, 12 und 13 des P.V.) s. unten § 53; oder endlich es wird nur unterschieden, ob das neue Recht lange oder kurze Fristen einfuhrt; so das züricherische E.Gr, vom 19. April 1884, § 2 (s. auch unten § 55). Der Gesetzgeber des schweizerischen Obligationenrechts schließt sich dem züricherischen Vorbilde an. Art. 883 lautet: „Wo durch dieses Oesex eine Verjährung von fünf oder mehr Jahren eingeführt wird, kommt auch der bereits abgelaufene Zeitraum einer vor dem 1. Januar 1883 begonnenen Verjährung in Anrechnung; es bedarf aber in diesem Falle xur Vollendung der Verjährung noch des Ablaufes von mindestens xwei Jahren seit dem 1. Januar 1883. Kürxere durch dieses Oesex bestimmte Fristen der Verjährung oder der Verwirkung fangen erst mit dem 1. Jan. 1883 xu laufen an."' Die Wirkungen des Mobiliarpfandrechtes, die Berechtigungen und Verpflichtungen des Pfandgläubigers, des Verpfänders und des Pfandschuldners richten sich vom 1. Januar 1883 an, auch wenn das Pfandrecht schon vorher entstanden ist, nach diesem Oesex." 8 Es handelt sich um die erste Möglichkeit der ersten Spielart, wonach ein unter der alten Rechtsordnung anerkannter, vollkommener Thatbestand, ohne Än-

§ 52. Die objektive Fassung der Gewährungsklausel.

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schließlichkeit wird durch die Botschaft des Bundesrates erfüllt. 1 — Auch der Art. 8 8 5 enthält eine Anwendung jener neuen Regel auf das besitzlose Mobiliarpfand, wenn auch mit einer gewissen Milderung. 2 Die neue Rechtsordnung kennt keine freiwilligen Pfandrechte an beweglichen Sachen ohne Besitzübertragung. 3 Die materielle Voraussetzung wird auch hier durch die Botschaft des Bundesrates erfüllt. 4 — Art. 886 hat keine intertemporale Bedeutung. Dagegen enthält Art. 887, Abs. 1 und 2 eine Anwendung der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares, nach der ersten Spielart. Ein unvollkommener Thatbestand erlangt ohne Änderung der thatsächlichen Verhältnisse unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung volle Wirksamkeit. 6 Abs. 3 dagegen enthält eine Folgerung aus dem SAViGNYSchen Grundsatze. 6 — Art. 888 gehört nicht zu den intertemporalen Rechtsbestimmungen; ebensowenig die Art. 889 u. 890. Dagegen schließt sich Art. 891 der ersten Regel des neueren Regelpaares an, im Sinne der zweiten Möglichkeit. 7 Hier wird die materielle Voraussetzung von den Motiven erfüllt, welche dabei die

derung der thatsächlichen Verhältnisse unter einer neuen und ausschließlichen Rechtsordnung unvollkommen wird; s. oben § 12, S. 80; c. 3 de pactts pign. 8, 85. 1 „ . . . indem einem solchen Vertrage, auch wenn er vor dem Jahre 1883 abgeschlossen worden- ist, als einem unsittlichen Geschäfte der Rechtsschutz versagt werden soll." Diese Worte ersetzen die constantinische „asperitas". — Art. 222 des O.R. erklärt den Verfallsvertrag für ungültig und erhält also durch Art. 884, Abs. 2 die Ausschließlichkeit. 2 Es lautet folgendermaßen: „Ein vor dem 1. Januar 1883 dureh durch freiwillige Verpfändung ohne Besitx/übertragung errichtetes und an diesem Tage noch bestehendes Mobiliarpfandrecht erlischt, falls nicht ein früherer Untergang desselben dureh das kantonale Recht bestimmt ist, sechs Monate nach der Fälligkeit der Forderung und, werrm diese schon vor dem 1. Januar 1883 fällig ist, mit dem 1. Juli 1883." — „Bei Forderungen, deren Fälligkeit eine vorangegangene Kündigung voraussetzt, laufen die sechs Monate von dem ersten Tage an, auf welchen die Kündigung zulässig ist." — „Diese Verjährung wird unterbrochen durch den Beginn der Realisirung des Pfandrechtes, falls dieselbe ohne Verzug durchgeführt wird." 3 S. Art. 210 u. fg. Diese erhalten somit eine gemilderte Ausschließlichkeit. 4 „Gewiss aber liegt es im Interesse der Verkehrssicherheit und des öffentlichen Kredites, dass solche dem neuen System widersprechenden Pfandrechte möglichst bald verschwinden,.1,1 5 Vgl. oben § 12, S. 91. Art. 887, Abs. 1 und 2 lauten: „Die in diesem Gesetze bestimmten R e t e n t i o n s r e c h t e erstrecken sich auch auf solche Sachen, welche vor dem 1. Januar 1883 in die Verfügungsgewalt des Gläubigers gekommen sind." — „Sie stehen dem Gläubiger auch für solche Forderungen zu, welche vor dem 1. Januar 1883 entstanden sind." 8 „Früher entstandene Retentionsrechte unterliegen bezüglich ihrer Wirksamkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes." 7 Vgl. oben § 12, S. 85. Die neue Rechtsordnung kennt zwar das Rechtsverhältnis noch an, aber ändert dessen Umfang, bezw. dessen Inhalt. Art. 891 lautet: „Bei stillschweigender Fortsetzung eines vor dem 1. Januar 1883 abgeschlossenen Mietvertrages, Dienstvertrages, Gesellschafts• oder Genossenschaftsvertrages treten die Bestimmungen dieses Gesex.es in Kraft."

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgert. Rechtes.

Theorie der erworbenen Rechte zu Hülfe nehmen. 1 Das Gleiche ist vom Art. 8 9 2 zu sagen, welcher der neuen Rechtsordnung für den Inhalt einer früher erteilten Prokura oder Vollmacht Ausschließlichkeit verleiht. 2 — Art. 8 9 3 steht außerhalb unserer Betrachtung. — Art. 8 9 4 dagegen folgt dem neueren Regelpaare und zwar im Sinne der dritten Möglichkeit der ersten Regel, sofern die Eintragung ins Handelsregister konstitutive Wirkung hat. 3 — Art. 8 9 5 widerspricht der republikanischen Rechtsregel, wenn er bestimmt, daß ein unter der neuen Rechtsordnung errichtetes Pfandrecht oder eingegangene Bürgschaft zur Sicherung einer unter der alten Rechtsordnung entstandenen Forderung nach der neuen beurteilt werden müsse. 4 — Art. 8 9 6 hat keine intertemporale Rechtsbestimmung, wohl aber Art. 8 9 7 , der in einer sehr wichtigen Beziehung dem Obligationenrecht teilweise Ausschließlichkeit einräumt. Es handelt sich nämlich um die Vorzugsrechte der Gläubiger im Konkurse einer Gesellschaft oder eines Gesellschafters; dieselben sollen nach der neuen Rechtsordnung beurteilt werden, auch wenn die Gesellschaft oder die Forderungen der Gläubiger unter der a l t e n Rechtsordnung entstanden sind. 6 Die mate-

1 „Müssen auch vor dem 1. Januar 1883 entstandene Verträge nach dem, in Art. 882 ausgesprochenen Grundsätze noch gemäss dem früheren Rechte beurtheilt werden, so liegt es doch im Interesse des Verkehrs, daß die bestehenden Vertragsverhältnisse mit dem zur Zeit geltenden Rechte sobald als möglieh in Einklang gebracht werden, d. h. sobald als dies ohne Beeinträchtigung erworbener Rechte geschehen kann.'1 2 „Für Handlungen, ivetehe ein Prokurist oder Handelsbevollmäehtigter nach dem 1. Januar 1883 vornimmt, haftet sein Prinzipal nach den Bestimmungen dieses Gesezes, auch wenn die Prokura oder Vollmacht vor jenem Tage ertheilt worden ist.11 * „Die in diesem Gesei ausgesprochene Verpflichtung zur Eintragung in die Handelsregister besteht auch für solche Rechtsverhältnisse, welche aus der Zeit vor dem 1. Januar 1883 herrühren; für deren Eintragung wird jedoch noch eine Frist bis Ende März 1883 eingeräumt." — S. über die dritte Möglichkeit oben § 12, S. 89. — Die Motive beziehen sich hier wieder auf die w o h l e r w o r b e n e n R e c h t e ; gerade der einschlägige Satz beweist, daß die Theorie unfähig ist, die ältere intertemporale Rechtsregel zu ersetzen. Der Satz lautet: .,Erworbene Rechte werden durch diese Rückwirkung des Gesetzes nicht verletzt." Der schweizerische Gesetzgeber giebt also die Rückwirkung unumwunden zu; es liegt auch eine Verletzung der republikanischen Regel vor, aber keine Verletzung der Theorie von den erworbenen Rechten. 4 „Der Umstand, daß eine nach dem 1. Januar 1883 eingegangene Bürgschaft oder ein nach diesem Tage errichtetes Pfandrecht zur Sicherung einer vor demselben entstandenen Forderung dient, hindert nicht, daß der Bestand und die rechtliche Wirksamkeit dieser Bürgschaft, bezw. dieses Pfandrechtes nach den Vorschriften dieses Gesezes beurtheilt wird." Vgl. auch oben S. 340 das P.P. des badischen Landrechtes Zif. XIV und das dort Gesagte. Auch hier fällt die Ubereinstimmung der beiden Gesetze .auf. 5 Es kommt die erste Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in Betracht und zwar je nach den Bestimmungen der neuen Rechtsordnung die erste oder die zweite Möglichkeit innerhalb der ersten Spielart. Es kann daher ein unter der alten Rechtsordnung vollkommener Thatbestand unter der neuen und

§ 52. Die objektive Passung der G-ewährungsklausel.

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rielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit wird von der Botschaft erfüllt, obschon nach der Ansicht von SAVIGNY, der die Botschaft sich anschließt, ein Vorzugsrecht kein erworbenes Recht ist, also nach der Theorie der wohlerworbenen Rechte eine Rückwirkung nicht vorliegt. 1 — Auch Art. 898 enthält für einen Teil die Ausschlußklausel, soweit es sich auf Aktiengesellschaften und Genossenschaften bezieht, jedoch mit einer Milderung, indem den bereits bestehenden Aktiengesellschaften oder Genossenschaften eine Frist von 5 Jahren gewährt wird, um sich den Vorschriften der neuen Rechtsordnung anzupassen. — Art. 899 uud 9 0 0 gehören nicht hierher; dagegen stellt sich der Art. 901, Abs. 1, als Ausfluß der republikanischen Rechtsregel dar.2 — Art. 902 verleiht dem Gesetze eine teilweise Ausschließlichkeit in Bezug auf die F i r m e n , gewährt aber eine neunjährige Frist als tempus vacationis.3 — Auch Art. 903 gewählt dem

ausschließlichen Rechtsordnung gänzlich dahin fallen oder einen Teil seiner Wirkungen einbüßen; s. oben § 12, S. 80 u. fg. 1 Die materielle Voraussetzung gründet sieh auf die äußeren Mängel des bisherigen Rechtes, ähnlich wie diejenige der Land- und Stadtrechte (vgl. oben §§ 32 und 36). Die einschlägige Stelle der Botschaft lautet: „Dass zwar die bestehenden Pfandrechte im Goneurse hinsichtlich ihrer Gültigkeit nach dem Rechte ihrer Entstehungszeit xu beurtheilen seien, wird allseitig zugegeben; sehr bestritten ist dagegen die Frage, wie es sich diesfalls mit den bloßen Vorzugsrechten, den Forderungsprivilegien, dem Rechte der Privatgläubiger eines Gesellschafters im Gesellschaftsconcurse verhalte. Wir betrachten mit Savigny die Aussicht eines Creditors auf eine günstige Location im Concurse seines Schuldners nicht als ein erworbenes Recht und lassen daher den Goncurs durchweg nach dem bei seiner Eröffnung geltenden Rechte vor sich gehen. Wir gewinnen dadurch auch den grossen Vortheil, dass die Concurse auch in Zukunft nach Einem Rechte durchgeführt werden können, während nach der entgegengesetzten Ansicht, wie auch ihre Vertreter zugeben, eine Verbindung verschiedener Rechtsnormen in Einem Konkurse stattfinden müsste, was ganz besonders bei uns, wo drei und viererlei Gesetzgebungen im nämlichen Auffall zusammentreffen konnten, zu grossen Komplikationen führen würde." Der Inhalt dieses Artikels stimmt mit Zif. XVI des P.P. zum Bad. Landrecht vollständig überein und beweist, daß die badische intertemporale Eechtsregel der gesetzgeberische Ausdruck der SAvioNTSchen Theorie ist. 2 „Die Haftung aus einer Wechselunterschrift und die Zulassigke.it der Wechselexekution ist nach demjenigen Rechte zu beurteilen, welches zur Zeit der Unterzeichnung massgebend war" — Abs. 2 gehört nur insoweit dem intertemporalen Privatrechte an, als es sich auf die Form des Prozesses bezieht; er enthält u. E. keine Verletzung der republikanischen Röchtsregel, wenn er vorschreibt, daß die unter die neue Rechtsordnung fallenden Proteste ihrer Form nach von dieser beherrscht werden. Der Protest ist eine selbständige, vom Thatbestand des Wechsels unabhängige Handlung. 3 Die materielle Voraussetzung dieser Ausschließlichkeit wird von der Botschaft nicht erfüllt; diese begründet sie vielmehr damit, daß ein wohlerworbenes Recht dem Staate gegenüber auf Beibehaltung der Firmen nicht vorhanden sei und mit der SAvioNTSchen Theorie vom Dasein der Rechte, welches der neuen Rechtsordnung unterliege. Einen Anklang an die materielle Voraussetzung hat jedoch der Satz: „Das öffentliche Verkehrsinteresse an der Existenz unzweideutiger, dem Gesetze entsprechender Firmen'ist vor Allem massgebend."

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Das interi Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Gesetze teilweise Ausschließlichkeit. 1 — Intertemporal-rechtlich von großer Bedeutung ist der Schlußartikel, welcher eine R e c h t s v e r m u t u n g aufstellt zu g u n s t e n d e r Z u s t ä n d i g k e i t d e r n e u e n R e c h t s o r d n u n g . 2 Von den kantonal-schweizerischen bürgerlichen Gesetzbüchern fallen unter diese Gruppe das Civilgesetzbuch des Kantons L u z e r n . § 3 lautet: „Kein Gesetz soll auf Thatsachen angewendet werden, die sich vor dem Zeitpunkt, wo es in Wirklichkeit getreten ist, zugetragen haben." Ferner das Civilgesetzbuch des Kantons B e r n , Satz 2: „In jedem dergleichen Gesetze werden wir den Zeispunkt bestimmen, von welchem seine Verbindlichkeit anhebt, und keines soll auf Thatsachen angewendet werden, die sich vor dem Eintritte dieses Zeitpunktes zugetragen.'1

§ 53. Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel in den bürgerlichen Kodifikationen. — Das österreichische und sächsische intertemporaie Privatrecht. Hierher gehört das Österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch vom Jahre 1811; § 5: „Gesetze wirken nicht zurück, sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß.3 — Die Fassung ist keine rein subjektive, denn die angezogene Gesetzesbestimmung spricht nicht bloß von vorher erworbenen Rechten, sondern auch von vorhergegangenen Handlungen; insoweit liegt ein Bruchteil der objektiven Fassung vor, denn die Handlungen bilden 1 „Die Bestimmungen dieses Oesedes, betreffend, die Pflicht zur Führimg und %ur gerichtlichem Vorlegung von Geschäftsbüchern treten, auch für die Inhaber der am 1. Januar bereits bestehenden Geschäfte mit diesem Tage in Kraft." — Die materielle Voraussetzung wird von der Botschaft nicht erfüllt. Die Mängel der alten Rechtsordnung sind jedoch o f f e n k u n d i g ; die Sicherheit und Ordnung des Geschäftsverkehrs verlangten gebieterisch die Ausschließlichkeit. 8 „Wo der Richter im Zweifel darüber ist, xu welcher Zeit eine Handlung vorgenommen wurde (x. B. beim Blankoindossament), spricht die Vermutung für die Anwendbarkeit dieses Gesexes." — Wir treffen hier auf eine vom G e s e t z g e b e r aufgestellte praesumtio iuris des intertemporalen Privatrechtes zu gunsten der neuen Rechtsordnung. LYNCKER und FICHARD hatten eine entgegengesetzte Vermutung behauptet, wonach im Zweifel anzunehmen sei, daß ein Thatbestand der alten Rechtsordnung angehöre, allerdings mit Beschränkung auf die kirchlichen Zehntlehen; MÜHI.PFORT verallgemeinerte sie; s. oben, § 47, Th. XIX. S. 301 Anm. 1 und § 48, S. 314. In der That steht eine derartige Vermutung zu gunsten der alten Rechtsordnung im Einklang mit der republikanischen Regel; die vom schweizerischen Gesetzgeber aufgestellte verlangt daher eine materielle Begründung, die auch von den Motiven gegeben wird. „Diese Vermutung liegt im Interesse der Rechtseinheit." Der Gesetzgeber, der zuerst eine derartige Rechtsvermutung aufstellte, war der Gesetzgeber von S c h w a r z b u r g - S o n d e r s h a u s e n im Jahre 1844; s. unten § 58. 3 § 5 ist dem § 17 des Westgalizischen Gesetzbuches von 1797, 1. Teil, entnommen; vgl. oben § 31, S. 185. Vgl. über die Entstehungsgeschichte des § 5 PAFF und HOFMANN, EXC., S. 107. Die Fassung ist die einer „ s t i l l s c h w e i g e n d e n " oder „ e i n s e i t i g e n " Gewährungsklausel; s. oben § 30, S. 174.

§ 58.

Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel.

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einen Ausschnitt der Thatbestände (praeterita). Diese gemischte Gewährungsklausel ist jedenfalls besser, als eine rein subjektiv gefaßte; jedoch ist sie trotzdem aus bereits angeführten Gründen keine glückliche. Nur dann würde die Gefährlichkeit der Klausel beseitigt sein, wenn a l l e Thatbestände der Vergangenheit, nicht bloß die Handlungen, ferner die vollendeten sowohl wie die im Werden begriffenen der alten Rechtsordnung gewährt würden. Das Kundmachungspatent vom 1. Juni 1 8 1 1 enthält in Abs. 5 die ausdrückliche Gewährungsklausel und in Abs. 6 die Entscheidung über eine einzelne intertemporale Frage. — Ersterer stimmt mit § 5 des allgemeinen bürgerlichen G.B. überein, ist jedoch etwas ausführlicher in der Fassung. 1 Die Erläuterung nimmt nicht etwa die Richtung auf die erworbenen Rechte, sondern auf die Handlungen, erklärt also den o b j e k t i v e n Teil der Klausel. Die Handlungen werden eingeteilt in zweiseitig verbindliche Rechtsgeschäfte und in solche Willenserklärungen, „die von dem Erklärenden noch eigenmächtig abgeändert' werden können. Daraus geht zunächst hervor, daß der Gesetzgeber aus dem ausgedehnten Reiche der Thatbestände einen noch enger begrenzten Kreis ergreift, als aus dem § 5 hervorzugehen scheint. Handlungen sind ihm nur Willenserklärungen, also sind ausgeschlossen die erlaubten Real- und Naturalakte und die unerlaubten Handlungen (Delikte); personale und reale Zustände und Ereignisse bleiben gänzlich außer Betracht. — Aus dem Schlüsse des Absatzes geht hervor, daß der österreichische Gesetzgeber sich gegen eine intertemporale Rechtsanschauung richten will, die wir bereits bei FELLTNUS und seinen Zeitgenossen 2 gefunden haben, nämlich die, daß bei Testamenten die neue Rechtsordnung dann ausschließend sei, wenn der Testator Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, das Testament nach den Vorschriften derselben zu ändern. Wir haben bereits oben § 46, S. 2 9 4 die Unhaltbarkeit dieser Auffassung dargethan; die intertemporale Anordnung des Abs. 5 ist somit eine vollkommen zutreffende. — Abs. 6 will das intertemporale Rätsel der Verjährung lösen.3 Der österreichische Gesetzgeber

1 Er lautet: „Wie Wir aber in dem Oeselzbuche selbst zur allgemeinen Vorschrift aufgestellt haben, daß die Gesetze nicht xurück wirken sollen, so soll aueh dieses Gesetzbuch auf Handlungen,, die dem Tage, an welchem es verbindliche Kraft erhält, vorhergegangen, und auf die nach den früheren Oeseixen bereits erworbenen Rechte keinen Einfluß haben; diese Handlungen mögen in zweyseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, oder in solchen Willenserklärungen bestehen, die von dem Erklärenden noch eigenmächtig abgeändert, und nach den in dem gegenwärtigen Oesetzbuche enthaltenen Vorschriften gerichtet werden könnten." 3 S. oben § 45, S. 283, Anm.; s. auch oben § 33, S. 211. 3 Er lautet: „Daher ist auch eine schon vorder Wirksamkeit dieses Gesetzbuches angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurteilen. Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in dem neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den früheren Oeseixen bestimmt ist, so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpunkte, an welchem das gegenwärtige Gesetx verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen."

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

steht auf dem Standpunkte, daß eine unter der alten Rechtsordnung begonnene Verjährung nach dieser zu beurteilen sei und zwar, da er keine Einschränkung macht, nach allen ihren Beziehungen. Er verkennt somit, daß der Yerjährungsthatbestand ein doppelter ist, von denen der eine, der negative, ganz unter die Herrschaft der neuen Rechtsordnung fällt, so daß nach strengem intertemporalem Rechte die neue Rechtsordnung für a l l e Beziehungen des Verjährungsthatbestandes maßgebend sein könnte, jedoch richtigerer Anschauung nach aus Gründen der Billigkeit die Beurteilung der V o r a u s s e t z u n g e n der Verjährung der alten Rechtsordnung zu überlassen ist. Abs. 6 geht aber noch weiter als die Billigkeit verlangt, so daß auch die Verjährungsfrist und die W i r k u n g e n der Verjährung nach dem alten Gesetze zu entscheiden sind. Auch eine Art intertemporales Optionsrecht gewährt dieser Absatz, indem der Verjährende die Wahl hat zwischen der Frist der älteren Gesetze und der kürzeren der neueren. Wählt der Verpflichtete die letztere, so kann er sie erst vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neuen Gesetzes zu berechnen anfangen. 1 Intertemporalrechtlichen Charakter hat auch der § 8 des a. b. G.B., der das Herrschaftsgebiet der authentischen Interpretation regelt. 2 Der österreichische Gesetzgeber stellt sich hier ganz auf den Boden des römischen intertemporalen Privatrechtes, wonach die authentische Interpretation Ausschließlichkeit besitzt. 3 Da nach § 8 die gesetzliche Erklärung auf 1 Das intertemporale Optionsrecht enthält zum ersten Male das P.P. des A.L.; s. oben § 33, S. 213. Im Anschluß an das Patent von 1811 ist noch das Patent vom 20. April 1815 und das Patent vom 22. Nov. 1815 zu betrachten, welche Vorschriften für die neu erworbenen Provinzen noch vor Einführung des a. b. Gr.B. über das Eherecht erhielten. Ihr Inhalt ist kurz folgender: 1. Die alte Rechtsordnung ist entscheidend über ihre Eheverträge. 2. Die neue Rechtsordnung ist ausschließlich zuständig für Trennung der Ehe und S c h e i d u n g von T i s c h und Bett, selbst bei rechtshängigen Sachen. 3. Die neue Rechtsordnung ist in allen Ehesachen ausschließlich zuständig, mit Ausnahme der Eheverträge. 4. Insbesondere in Ansehung der Ehemündigkeit. 5. u. 6. enthalten kein intertemporales Privatrecht. Das Hofdekret vom 16. Nov. 1814 bestimmt, daß die alte Rechtsordnung „nicht nur in Hinsieht auf die Gültigkeit der äußeren Form (der unter ihr errichteten l e t z t e n Willenserklärungen), sondern auch in Hinsicht auf ihren Inhalte zuständig sei. An diesem allein richtigen intertemporalen Grundsatz hat das österreichische Recht immer festgehalten. — Nach dem Hofdekret vom 12. Dez. 1817 bleibt die alte Rechtsordnung zuständig für das e l t e r l i c h e Nutznießungsrecht am Vermögen ihrer Kinder in Beziehung auf das während des Bestandes der alten Rechtsordnung schon vorhandene Vermögen der Kinder. 8 Dasselbe lautet: „Nur dem Gesetzgeber steht die Macht xu, ein Gesetz auf' eine allgemein verbindliche Art xu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch xu entscheidende Rechts fälle angewendet werden, dafern der Gesetxgeber nicht hinxufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bexogen werden solle.'1 ' Vgl. oben § 14, S. 112 fg.

§ 53.

Die subjektive Fassung der Gew&hrungsklausel.

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alle noch zu entscheidenden Erklärungen angewandt werden muß, so ist sie auch noch in der Berufungs- bezw. Revisionsinstanz anzuwenden. 1 Intertemporalen Rechtsgehalt besitzt auch das Kundmachungspatent von Ungarn, Kroatien und Slavonien, 2 Art. 12 vom 29. Nov. 1852. I m Eingange wird mit Hinweis auf den § 5 des a. b. G.B. bestimmt, daß „auch dieses Gesetzbuch auf die Handlungen, die dem Tage, von welchem dessen verbindliche Kraft beginnt, vorhergegangen sind, und auf die nach den früheren Gesetzen bereits erworbenen Rechte keinen Einfluß haben." Der Eingang enthält somit die subjektiv gemischte und ausdrückliche Gewährungsklausel. Der Art. 12 umfaßt sechs einzelne intertemporale Anordnungen, die sich mit wenigen Ausnahmen der älteren Regel anschmiegen. Der neueren Regel gehören folgende an: Gewisse persönliche Fähigkeiten unterliegen der neuen Rechtsordnung, mit einer Ausnahme; Frauen und Witwen, die durch Verehelichung ohne Rücksicht auf ihr A l t e r die Rechte der V o l l j ä h r i g k e i t unter der alten Rechtsordnung erlangt haben, behalten sie auch unter der neuen. 3 Ausschließliche Kraft haben ferner die Rechtsvorschriften über die Verpflichtungen und Be1

Im übrigen verweise ich auf den dogmatischen Teil, Kap. 3. Zu erwähnen ist auch das Kaiserliche Patent vom 23. März 1852 für die S t a d t K r a k a u und deren Gebiet. Dieses steht aber an Bedeutung demjenigen für Ungarn bei weitem nach und ist auch mehr zu gunsten der Ausschließlichkeit. Am besten zeigt sich dies durch die Gegenüberstellung des Art. III, Abs. 1 des Krakauer Patentes Art XII, Nr. 1, Abs. 2 des Ungarischen. Jener lautet: „Alle bisher anhängigen und künftig vorkommenden Fälle, in welchen es sich um die Trennung der Ehe oder um Scheidung von Tisch und Bett handelt, können, die Ehe möge unter was immer für einer Gesetzgebung geschlossen worden seyn, nur nach den im allgemeinen bürgerlichen Gesetxbuche erteilten Vorschriften entschieden werden." Ausgenommen sind nicht einmal die rechtshängigen Sachen; dagegen selbstverständlich die durch rechtskräftiges Urteil erledigten. — Den Wortlaut dieses s. weiter unten. — Von Wichtigkeit für das intertemporale Privatrecht ist noch Art. IV: „Die nach Maßgabe der gegenicärüg noch geltenden Gesetxe erreichte Großjährigkeit wird durch die gegenwärtige Anordnung zivar nicht aufgehoben, in Hinsicht auf die Schließung der Ehe jedoch wird die Minderjährigkeit bis xum vollstreckten vieruvdxiranzigsten Jahre fortdauernd erklärt Also für die Großjährigkeit läßt der Artikel die alte Rechtsordnung g e w ä h r e n , für die Ehemündigkeit dagegen s c h l i e ß t er sie aus. Daran hat aber die intertemporale Gesetzgebung Österreichs grundsätzlich festgehalten, d a ß die e i n m a l g r o ß j ä h r i g g e w o r d e n e n P e r s o n e n es b l e i b e n , selbst wenn sie das von der neuen Rechtsordnung verlangte höhere Alter noch nicht erreicht haben. So beitn Rückerwerb der an Frankreich verlorenen Länder, so 1849 nach dem italienischen Kriege, so auch in dem Kundmachungspateut für Siebenbürgen; s. auch PFAFF 2

und HOFMANN, Comm., 3

S. 160.

„Die früheren Gesetze, welche die Befugnisse, Prokuratoren xu wählen, Rechtsvertreter xu bestellen, sich xu verpflichten, und über sein Vermögen xu verfügen, mit Rücksicht auf Altersstufe und Geschlecht verschiedenartig bestimmten, werden von dem Zeitpunkte des Beginnes der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerlichen Gesetxbuches außer Kraft gesetxt. Frauen und Witwen, welche vor dem obenerwähnten Zeitpunkte sich verehelichet, und durch die Verehelichung ohne Riicksickt auf ihr Alter die Rechte der Volljährigkeit erlangl haben, sind jedoch in deren Genüsse auch fernerhin unverändert xu belassen."

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Das intert. Privatrecht in Jen Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

schränkungen der Vormünder und Kuratoren. 1 Dagegen sind folgende Bestimmungen Ausflüsse der Gewährungsklausel: Die unter der alten Rechtsordnung vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Handlungen sind in allen ihren Beziehungen nach ihr zu beurteilen. 2 — Bloß eine Folge dieses Grundsatzes ist es, daß die vor Einführung des a. b. G.B. errichteten letztwilligen Anordnungen und geschlossenen Erbverträge nach der alten Rechtsordnung zu entscheiden sind. 3 Eine weitere Folge ist die, daß die testamenti factio activa für den Thatbestand des Testamentes nach dem a l t e n Rechte zu beurteilen ist, insoferne dieselbe von dem Alter und Geschlechte des Erblassers abhängt." 4 — Wie schon das 1 Zif. 4: „Die nach den früheren Rechtsvorschriften bereits bestellten Vormünder wnd Kuratoren haben ihr Amt vom Tage des Beginnes der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches mit allen durch das neue Gesetz, ihnen auferlegten Verpflichtungen und unter den darin ausgedrückten Beschränkungen der Befugnisse unter der Obsorge des Gerichtes auszuüben." 2 Zif. 2, Abs. 2: „Die vor dem Eintritte der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerliehen Gesetzbuches nach den Bestimmungen der früheren Gesetze vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Handlungen sind nach den früheren Gesetzen gu beurteilen." Das Gesetz sagt zwar nicht, daß auch die rechtlichen Wirkungen der Rechtsgeschäfte und Handlungen nach den früheren Gesetzen zu beurteilen seien; da aber nichts Gegenteiliges bestimmt ist, so muß dies gemäß der älteren Regel angenommen werden. 5 Zif. 5 verweist auf das Avitizitätsgesetz vom 29. Nov. 1852; dieses bestimmt in § 6, Abs. 1 : „Die Giltigkeit der, vor der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerliehen Gesetzbuches errichteten letxtwilligen Anordnungen oder Erbverträge ist sowohl in Bezug auf die Erbfähigkeit der eingesetzten Erben, als auf das Verfügungsrecht des Erblassers nach den zur Zeit der Errichtung des Testamentes geltenden Gesetzen zu beurteilen." Abs. 2 enthält jedoch eine Bestimmung mit ausschließender Kraft, wonach die älteren letztwilligen Anordnungen und Erbverträge binnen sechs Monaten nach der Wirksamkeit des a. b. G.B. bei dem Nachlaßgerichte niedergelegt werden müssen, ansonst sie nach der n e u e n Rechtsordnung beurteilt werden müssen. — Ferner schlägt hier ein § 7 dieses Gesetzes: „In Bexug auf äußere Förmlichkeiten ist die Giltigkeit der vor der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches errichteten letztwilligem, Anordnungen, wenn der Erblasser nach Kundmachung der neuen Erbfolge-Gesetze gestorben ist, entweder nach den bisher bestandenen oder nach den neuen Erbfolge-Gesetzen zu beurteilen, je nachdem die einen oder die anderen der Aufrechterhaltung der letztwilligen Anordnung günstiger sind." Diese Gesetzesbestimmung enthält das intertemporale Meistbegünstigungsrecht, dessen erstes Auftreten im P.P. des A.L., Zif. VII, wie wir oben in § 33, S. 207 festgestellt haben. — Von Belang ist, daß der österreichische Gesetzgeber zwei intertemporale Zeitpunkte unterscheidet, den Zeitpunkt der W i r k s a m k e i t des a. b. G.B. und den Zeitpunkt der K u n d m a c h u n g der Gesetze. Richtiger wäre es, nur e i n e n Zeitpunkt als Grenzstein der Herrschaft der alten und neuen Rechtsordnung festzusetzen, nämlich den Zeitpunkt des Inkrafttretens (Wirksamkeit) eines Gesetzes; s. oben § 51, S. 323. 4 S. Zif. 2, Abs. 3. — Der Thatbestand, der die testamenti factio activa erzeugt,, ist ein Teil des Gesamtthatbestandes des Testamentes. Er gehört zu den von mir genannten „ V o r a u s s e t z u n g s t h a t b e s t ä n d e n " ; s. dogm. Teil, Kap. I. Wenn also der Hauptthatbestand nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen ist, so ist es nur eine logische Folgerung, daß auch der Voraussetzungstliatbestand unter deren Herrschaft fällt.

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Kundmachungspatent von 1 8 1 1 , so bestimmt auch dieses, daß die vor der Herrschaft der neuen Rechtsordnung angefangene Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurteilen ist. 1 — Gemäß der älteren Regel ist der Thatbestand der Ehe nach den Gesetzen seiner Zeit zu beurteilen, sofern die b ü r g e r l i c h e n Gerichte über die Gültigkeit der Ehe zu erkennen haben. 2 — Die Herrschaft der alten Rechtsordnung bleibt auch gewahrt für das Rechtsverhältnis der Eltern am Vermögen ihrer Kinder. 3 Intertemporalrechtlich zutreffend bestimmt der Gesetzgeber, daß nur dasjenige Vermögen der Kinder nach den Regeln des alten Gesetzes von den Eltern verwaltet werden solle, welches schon unter dessen Herrschaft („zur Zeit des B e s t a n d e s jener Gesetze") den Kindern zugefallen war; daß ferner die Eltern nicht bloß die Freiheiten der alten Rechtsordnung genießen, sondern auch die ihnen von dieser auferlegten Verbindlichkeiten zu erfüllen haben. 4 — Für die intertemporale Regelung der g e s e t z l i c h e n E r b f o l g e verweist das kaiserliche Patent auf das Avitizitätsgesetz;

1 Artikel XII, Zif. 6, Abs. 1. Der zweite Absatz enthält etwas mehr als Abs. 6 des K.P. von 1811; er sieht auch den Fall vor, daß sich Jemand auf eine Verjährung beruft, die der alten Rechtsordnung u n b e k a n n t war. Intertemporal richtig ist es, nach dem älteren Kegelpaare, daß unter der neuen Rechtsordnung eine derartige Verjährung nicht etwa konvaleszieren kann; vgl. oben § 11, S. 75 u. fg. Dieser Erkenntnis hat sich der österreichische Gesetzgeber angeschlossen, indem er bestimmt, daß der Verjährende den Veijährungsthatbestand vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes erst beginnen muß. Der rein thatsächliche Zustand vor diesem Zeitpunkt ist intertemporalrechtlich irrelevant. ' Dagegen nimmt das neue Recht Ausschließlichkeit in Anspruch für die Thatbestände der Trennung der Ehe und der Scheidung von Tisch und Bett, mit dem typischen Vorbehalt der bereits anhängigen Streitigkeiten; über die durch Judikat erledigten Streitigkeiten schweigt der Gesetzgeber, indem er es als selbstverständlich betrachtet, daß die neue Rechtsordnung sie nicht ergreife. Die materielle Voraussetzung wird nicht ausdrücklich erfüllt, aber bei diesen zarten familienrechtlichen Verhältnissen ist ein Umschwung des Rechtsgefühles des Gesetzgebers leicht möglich und insofern die Ausschließlichkeit gerechtfertigt. 8 Zif. 3 lautet: „Die Ellern, welche den Bexug der Einkünfte des Vermögens ihrer Kinder ohne Verbindlichkeit xur Rechnungslegung darüber nach den früheren gesetzlichen Vorschriften bereits erlangt haben, bleiben, insoweit es sich um das xur Zeit des Bestandes jener Gesetze den Kindern schon zugefallene Vermögen handelt, auch für die Zukunft von der Rechnungslegung frei. Sie haben jedoch dagegen auch künftig die ihnen nach, den älteren Gesetzen, mit Rücksicht auf den Bexug dieser Einkünfte obliegenden Verbindlichkeiten gegen ihre Kinder xu erfüllen. Auch sind sie verpflichtet, den Hauptstamm des Vermögens der Kinder nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes dem Gerichte auszuweisen, welches zu beurteilen hat, ob dasselbe gehörig sichergestellt, oder auf welche Weise für die Sicherstellung desselben zu sorgen sei." 4 Nur nach einer Richtung hin nimmt das neue Recht Ausschließlichkeit in Anspruch, nämlich insofern es sich um Sicherstellung des Hauptstammes des den Kindern gehörigen Vermögens handelt. Die materielle Voraussetzung wird vom Gesetzgeber nicht berührt, dürfte aber unschwer zu begründen sein, da die alte alte Rechtsordnung zu wenig für die Sicherheit des Vermögens der Kinder gesorgt hatte.

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dasselbe enthält darüber Vorschriften in § 8. 1 Schon nach römischem intertemporalen Privatrecht hat die alte Rechtsordnung Anspruch auf Beherrschung des Intestaterbverhältnisses nur, wenn auch das zweite Glied der Thatbestandsverbindung, der Tod des Erblassers während ihres Bestandes eintritt. Es hängt dies zusammen mit der Doppelnatur des G-esamtthatbestandes, wie wir bereits früher auseinandergesetzt haben. 2 Zu dieser Einsicht ist auch der österreichische Gesetzgeber gelangt. 3 — Das Avitizitätsgesetz enthält in §§ 1 0 — 1 3 privatrechtliche intertemporale Bestimmungen, die grundsätzlich der älteren Regel angehören. 4 Mit dem kaiserlichen Patent vom 29. Nov. 1852, wirksam für die Königreiche U n g a r n , Kroatien und Slavonien stimmt das kaiserliche Patent vom 29. Mai 1853, wirksam für das Großfürstentum S i e b e n b ü r g e n , A r t XII der Hauptsache nach überein. 6 Auch das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen fällt in diese zweite Gruppe. § 2 desselben bestimmt: „Gesetze haben auf vorher gegangene Handlungen und vorher erworbene Rechte keinen Einfluß, wenn nicht etwas Anderes bestimmt oder nach dem Zwecke des Gesetzes anzunehmen ist" 6 1 Derselbe lautet: „Die bisher bestandenen Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge (suocessio ab intestato) finden bei allen vor der Wirksamkeit des allgemeinen bürgerliehen Gesetzbuches eingetretenen Todesfällen ihre Anwendung sowohl in Bezug auf Privat-Personen, als in Bezug auf den k. Fiskus und jeden anderen zur Nachfolge in erblosen, Verlassenschnften berufenen Berechtigten, jedoch mit den in den §§ 9 und 10 enthaltenen Beschränkungen.'1 2 S. oben § 33, S. 211; s. auch weiter unten. 3 §§ 9 und 10 beschränken jedoch die Herrschaft der alten Rechtsordnung durch Einführung einer Art Verjährung für Erbansprüche, falls dieselben vor 32 Jahren und mehr vom Inkrafttreten des a. b. G.B. zurückgerechnet, entstanden sind; gewissen Erbansprüchen wird überhaupt die Anerkennung versagt (§ 10). 4 § 11 bezieht sich auf vor der Wirksamkeit des A.G.B, angefallenes Witwen- oder Mädchenrecht, das nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen ist. Die Regelung der Rechtsverhältnisse nach dem Erlöschen eines solchen nimmt jedoch Ausschließlichkeit in Anspruch. — § 12 unterwirft Ehe- und Erbverträge zwischen Ehegatten, sofern sie vor der Wirksamkeit des a. b. G.B. geschlossen wurden, der alten Rechtsordnung und ebenso die Errungenschaftsgemeinschaft (ius coaquisitionis), wenn die Ehe zur Zeit des alten Rechtes abgeschlossen wurde. Kein Verstoß gegen die ältere Regel ist es, wenn der Schlußsatz bestimmt, daß die Erbfolge in den Nachlaß des verstorbenen Ehegatten sich nach dem neuen Rechte richtet, wenn der Tod n a c h eingetretener Wirksamkeit des a. b. G.B. erfolgt ist. — § 13 beläßt Familienfideikommisse der alten Rechtsordnung; neu zu errichtende fallen unter das a. b. G.B., was keine Einschränkung der alten Rechtsordnung bedeutet. 5 Abweichungen finden statt in Zif. 1, wo ausdrücklich von der Ehe j ü d i s c h e r Glaubensgenossen die Rede ist; in Zif. 2 wird ein vierter Absatz hinzugefügt, nach welchem ganz im Sinne der älteren intertemporalen Rechtsregel „Personen beiderlei Geschlechtes, welche vor der Wirksamkeit des a. b. G.B. nach den früheren Gesetzen die Rechte der Volljährigkeit bereits erlangt haben, in deren Genüsse auch fernerhin unverändert zu belassen sind." 6 Diese Fassung schließt sich an diejenige des österreichischen Gesetzbuches an, ist also auch nicht rein subjektiver, sondern gemischter Natur. Sie unter-

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Bevor wir auf die Betrachtung der e i n z e l n e n intertemporalen Anordnungen des Sächsischen Gesetzgebers eingehen, ist noch § 3 des a. b. G.B. zu betrachten. Er enthält das intertemporale Recht der authentischen Interpretation und entspricht dem § 8 des österreichischen a. b. G.B. 1 In der That hat die Verordnung, die Publikation des bürgerlichen Gesetzbuches betreffend vom 2. Januar 1863 in §§ 4 — 2 7 Sonderbestimmungen erlassen, welche zum Teil von der älteren intertemporalen Rechtsregel abweichen. Es ist hier der Ort, kurz das s ä c h s i s c h e intertemporale Privatrecht, soweit es sich aus dieser Verordnung ergiebt, darzustellen. Der § 4 hat Ähnlichkeit mit dem Justinianischen Zinsgesetz, der c. 26 de usuris 4, 32. 2 — § 5 hat keinen intertemporalen Charakter. — § 6 schließt sich ganz der a l t e n intertemporalen Rechtsregel an und enthält scheidet sich aber von jener in einem wesentlichen Punkte, ähnlich wie die von Kaiser Theodos und Valentinian in der c. 7 de leg. 1, 14 beliebten Fassung von deijenigen des Kaisers Anastasius in der c. 66 § 1 i. fi. de decur. 10, 32. Während nämlich in der österreichischen Formulierung die ältere intertemporale Rechtsregel uneingeschränkt verkündet wird, von der subjektiven Fassung abgesehen, so macht der sächsische Gesetzgeber einen bedeutsamen Vorbehalt zu gunsten der neueren Rechtsregel, „wenn nicht etwas anderes bestimmt . . . ist", ein Seitenstück zu dem nisi nominatim etiam de praelerito tempore adhue pendentibus negotiis eautum sit. Ja, der sächsische intertemporale Gesetzgeber übertrumpft noch die beiden spätrömischen Kaiser in der Kraftlosmachung der alten republikanischen Rechtsregel, indem er sich der Ansicht eines W E B E R S anschließt, wonach ein Gesetz auch dann rückwirkende Kraft habe, wenn diese nach „dem Zwecke des Gesetzes anzunehmen ist." Damit setzt sich der sächsische Gesetzgeber über die Regeln des intertemporalen Privatrechtes hinweg, die wir oben in § 4, S. 24 fg. und § 7, S. 61 auseinandergesetzt haben. — § 2 enthält übrigens auch nur die „stillschweigende" oder „einseitige" Gewährungsklausel; s. oben § 30, S. 174. 1 Er lautet: „Gesetze finden, soweit sie frühere Gesetze auslegen, auf alle noch nieht rechtskräftig entschiedene Fälle Anwendung, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist."' Auf einen Punkt ist dabei aufmerksam zu machen. Während § 2 des L.G.B, vom § 5 des O.G.B, darin abweicht, daß er den Zusatz enthält: „wenn nicht etwas anderes bestimmt ist" („nisi nominatim cautum sit"), so enthalten bei der authentischen Interpretation beide Gesetzbücher diese entkräftende Klausel. Im S.G.B, stimmt sie mit § 2 vollständig überein, „wenn nicht etwas anderes bestimmt ist", während das O.G.B, eine breitere Auseinandersetzung giebt: „dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstand haben, nieht bezogen werden solle." Immerhin ist der Zusatz, den der österreichische Gesetzgeber macht, zu gunsten der alten Rechtsordnung; derjenige des sächsischen Gesetzgebers kann trotz seiner allgemeinen Fassung auch nicht anders gedeutet werden. Ob aber der römischrechtliche Grundsatz von der Ausschließlichkeit der authentischen Interpretation in die Willkür des Gesetzgebers gestellt werden darf, diese Frage soll dem dogmatischen Teil vorbehalten bleiben. 2

Vgl. oben § 12, S. 85 fg. „Vertragsmäßige Zinsen für die gestattete Benutzung einer Summe Geldes dürfen von dem Zeitpunkte an, mit welchem das bürgerliche Gesetzbuch in Kraft tritt, nicht sechs, und bei nicht hypothekarischen Forderungen bis zu fünfzig Thalern und mit einer nicht längeren als halbjährigen Zahlungsfrist, nieht acht vom Hundert übersteigen." Damit gewährt der sächsische Gesetzgeber der neuen Zinsordnung Ausschließlichkeit und zwar itn Sinne der AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

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mit kurzen Worten den Satz „tempus regit actum".1 — § 7 ist gemischter Natur. In Bezug auf die Voraussetzungen des Erwerbes und Verlustes der Rechte an Sachen, huldigt er der alten Regel; I n h a l t und W i r k u n g eines Rechtes an Sachen dagegen sind, wie nach dem badischen und schweizerischen Rechte, der neuen Rechtsordnung unterworfen, die somit im Sinne der zweiten Möglichkeit rückwirkende Kraft erhält, indem zwar das Rechtsverhältnis an Sachen anerkannt wird, jedoch mit bedeutsamen Einschränkungen seiner Wirkungen.2 — §§ 8—17 enthalten das intertemporale Recht der E r s i t z u n g und Verjährung und schließen sich zum größeren Teile der älteren Rechtsregel an. So zunächst § 8, wonach die vollendeten Thatbestände der Ersitzung und Verjährung nach dem bisherigen Rechte zu beurteilen sind. So § 9, der trefflich im Sinne der Regel eines Cato, eines Qu. Mucius Scaevola bestimmt, daß, wenn ein Ersitzungs- oder Verjährungsthatbestand von der alten Rechtsordnung nicht anerkannt wird, wohl aber von der neuen, er nicht etwa unter der neuen konvaleszieren kann, sondern von vorne beginnen muß.8 — §§ 10 u. 11 sind ebenfalls intertemporalrechtlich zutreffend. Wie bereits oben in § 33, S. 215 nachgewiesen wurde, müssen wir bei den Thatbeständen der Ersitzung und Verjährung einen doppelten Thatbestand annehmen: einen positiven (der personale Zustandsthatbestand), der vom Ersitzenden, bezw. Verjährenden ausgeht, und einen negativen (der Willensthatbestand) des Berechtigten. Letzterer ist in einem Zeitpunkte vollendet; fällt dieser unter die neue Rechtsordnung, so ist sie jedenfalls für die W i r k u n g e n des Gesamtthatbestandes maßgebend. Hebt also das neue Recht die Ersitzung oder Verjährung in einem Falle, in welchem sie bisher zulässig war, ganz auf, so kann der bereits begonnene Thatbestand nicht mehr vollendet werden (§ 10). — Vermindert dagegen das neue Recht die Wirkungen der Ersitzung oder Verjährung, so kann zweiten Möglichkeit (s. oben § 12, S. 85 fg.), wonach zwar das unter der alten Rechtsordnung entstandene Rechtsverhältnis anerkannt, aber die Wirkungen desselben eingeschränkt werden. Die vom sächsischen Gesetzgeber angeordneten vier Ausnahmen sind für das intertemporale Privatrecht ohne Belang. 1 Er lautet: „Soviel die Rechtsgeschäfte anlangt, welche vor dem Zeitpunkte mit dem das Gesetzbuch nach § 1 in Kraft tritt, geschlossen worden sind, so ist die Handlungsfähigkeit der Beteiligten, sowie die Form der Geschäfte nach dem Rechte xu beurteilen, welches zur Zeit des Geschäftsbeschlusses gegolten hat." s So schließen die §§ 296, 297, 315 die Vindikation von Sachen aus; ferner führen die §§ 345—368 neue gesetzliche Beschränkungen des Eigentums ein. Um so auffallender ist es und bezeichnend für das intertemporale Rechtsbewußtsein des 19. Jahrhunderts, wenn der Kommentar zum Sächsischen G.B.G. von S I E B E N HAAR und SIEGMANN behauptet, es läge hierin k e i n e R ü c k b e z i e h u n g des Gesetzbuches auf facta praeterita, „weil die soeben bezeichneten Vorschriften das reehtliche Verhältnis der Sachen oder den XJmfamg der Reehte an Sachen betreffen, mithin ohne Rücksicht auf die Person des Eigentümers oder Berechtigten zur Anwendimg kommen müssen." (!) S. a. a. 0., S. 9. * Vgl. oben § 11, S. 78. Dieser § 9 zeugt also gegen die dort genannten Schriftsteller:

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Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel.

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sich zwar der unter dem alten Rechte begonnene Zustandsthatbestand unter dem neuen vollenden, bringt aber nur die vom neuen Rechte zugelassenen Wirkungen hervor (§ 11). Intertemporal richtig ist auch der § 12: wenn das neue Recht die Wirkungen der Verjährung oder Ersitzung vermehrt, so kommt dies den unter der alten Rechtsordnung begonnenen Thatbeständen nicht zu gute. 1 — Ebenfalls im Sinne der älteren Regel ist § 13: vermindert das neue Recht die Erfordernisse der Ersitzung oder Verjährung, so kann der Zustandsthatbestand, soweit er unter der alten Rechtsordnung stattfand, keinen Anspruch auf diese Erleichterung erheben, sondern nur dasjenige Stück, welches unter das neue Recht fällt. — Die oben aus der Zwitternatur des Ersitzungs- und Verjährungsthatbestandes gezogenen Folgerungen, werden zutreffend auch in § 1 4 verwirklicht. 2 — Intertemporal richtig ist auch der § 15, der sich auf den Thatbestand der U n t e r b r e c h u n g der Verjährung bezieht. Es wird wohl kaum bezweifelt werden, daß dieser ein selbständiger Thatbestand ist und für sich betrachtet werden muß. Er bildet in der Regel das Gegenstück des negativen Thatbestandes der Ersitzung, der einen Willensthatbestand darstellt. Daher ist auch die Unterbrechung regelmäßig ein Willensthatbestand. Fällt er nun unter die alte Rechtsordnung, so muß er nach dieser, anderenfalls nach der neuen beurteilt werden. — § § 1 6 und 17 behandeln den Fall, daß die neue Rechtsordnung die Verjährungszeit ändert. 3 1 Vgl. oben § 11, S. 75. Es müßte denn die neue Rechtsordnung eine ausschließende sein, m. a. W. unter der neueren intertemporalen Rechtsregel stehen. Vgl. oben § 12, S. 96; es würde sich dann um die zweite Möglichkeit der zweiten neueren Rechtsregel handeln. ' Wenn nämlich das neue Recht die Erfordernisse der Ersitzung oder Verjährung vermehrt, m. a. W. mehr Thatbestandsmerkmale verlangt, so ist sie aus den obigen Gründen auch für den bereits begonnenen, aber noch nicht vollendeten Thatbestand maßgebend. Entspricht dieser den Anforderungen nicht, so fällt er dahin und es ist nur der Beginn einer neuen* Ersitzung oder Verjährung mit den erforderlichen Thatbestandsmerkmalen möglich. Ich habe bereits oben in § 33, S. 215, Anm. 1 darauf hingewiesen, daß zwar das neue Recht subtilitate legis für den Gesamtthatbestand der Veijährung maßgebend wird, wenn derselbe erst unter ihm zur Vollendung gelangt. Daß aber aus B i l l i g k e i t s g r ü n d e n die E r f o r d e r n i s s e des Veijährungsthatbestandes nach der alten Rechtsordnung, unter welcher er auch begonnen hatte, beurteilt werden müssen. Der sächsische Gesetzgeber folgt aber dem ius intertemporale strietum. § 14 lautet: „Hat das bürgerliehe Gesetzbuch die Erfordernisse der Ersitzung oder Verjährung vermehrt, so kann eine Ersitzung oder Verjährung erst von dem Zeitpunkte an beginnen, mit welchem das Gesetzbuch in Kraft tritt." ' Hier sind zwei Fälle denkbar: entweder sie wird verlängert, dann ergreift die neue Rechtsordnung aus eben entwickelten Gründen auch die bereits unter der alten begonnenen personalen Zustände; sie bedürfen also der neu angeordneten Dauer, um Wirkungen zu erzeugen' so bestimmt auch § 16. Oder die neue Rechtsordnung kürzt die Verjährungszeit ab; dann ist gemäß der älteren römischen Rechtsregel die von der alten Rechtsordnung vorgeschriebene Zeit für den Zustandsthatbestand maßgebend. S. oben § 11, S. 75. Es würde sonst der Satz verletzt, daß günstigere Rechtsordnungen keine Ausschließlichkeit haben, wenn nicht die 23*

356

Das intert Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

§ § 1 8 — 2 1 beziehen sich auf die intertemporale Behandlung der Obligation. § 18 enthält die ausdrückliche Gewährungsklausel; die obligatorischen Thatbestände und Rechtsverhältnisse der Vergangenheit werden auch in Bezug auf ihren Inhalt und ihre Wirkungen der neuen Rechtsordnung ausdrücklich entzogen und somit der alten überwiesen. 1 — § 19 bestimmt zunächst richtig im. Sinne der republikanischen Regel, daß die Aufhebungsthatbestände einer Obligation, sofern sie nach Erlaß der neuen Rechtsordnung eintreten, zwar nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden. Wenn aber, fährt er fort, das neue Recht neue Aufhebungsthatbestände anerkennt, so sollen diese auch für die Obligationen der Vergangenheit gelten, falls sie unter der Herrschaft der neuen stattfinden. Damit ist die ältere intertemporale Rechtsregel verletzt und die neue Rechtsordnung legt sich hier, ohne die materielle Voraussetzung zu erfüllen, Ausschließlichkeit bei. 2 — § 2 0 ist ebenfalls nicht ganz korrekt. materielle und formelle Voraussetzung derselben erfüllt sind. § 17 giebt aber dem Verjährenden die Wahl zwischen beiden Rechtsordnungen; wählt er jedoch die neue, so darf er die unter der alten abgelaufene Zeit nicht einrechnen. Dieses intertemporale Optionsrecht ist dem P.P. des A.R., Zif. XVII entlehnt; s. oben § 33, S. 215. Geht [man von der Ansicht aus, daß die neue Rechtsordnung den unter der alten begonnenen, aber noch nicht vollendeten Veijährungsthatbestand in allen Beziehungen ergreife, so wäre die Folge die, daß die kurze Verjährungsfrist allein zur Anwendung käme, jedoch unter Anrechnung der unter der alten Rechtsordnung abgelaufenen Zeit. Dann wäre es aber möglich, daß der Zeitpunkt der Vollendung noch unter die Herrschaft der alten Rechtsordnung fällt, und für diesen Fall müßte bestimmt werden, daß der Zeitpunkt der Vollendung so anzusehen sei, als wäre er im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Rechtsordnung erfolgt; denn über die Zeit der alten Rechtsordnung kann die neue nicht verfügen, ohne ausschließend zu sein. Dies ist m. E. die einzig folgerichtige Lösung dieser intertemporalen Frage, vorausgesetzt, daß der Gesetzgeber von obiger Ansicht ausgeht. Vgl. über die verschiedenen Ansichten das Kommentar von SIEBENHAAR und SIEGMANN, S . 13 u. fg. Die hier an erster Stelle genannte Ansicht ist somit die richtige. 1 Damit setzt sich das sächsische intertemporale Privatrecht in einen wohlthuenden Gegensatz zum badischen und schweizerischen; s. oben § 52, S. 342. Über die ausdrückliche Gewährungsklausel vgl. oben § 30, S. 174. Die ausdrückliche Gewährungsklausel ist eins und dasselbe im i n t e r t e m p o r a l e n Privatrecht, was in neuester Zeit die Schriftsteller für das i n t e r n a t i o n a l e Privatrecht „vollkommene" bezw. „unvollständig zweiseitige Kollisionsnormen" ( N I E M E Y E R , N I E D N E R ) oder „generelle" bezw. „generelle mit Falleinschränkung" (ZITELMANN) nennen. Die stillschweigende deckt sich dagegen mit den „einseitigen" ( N I E J I E Y E R ) oder „individuellen" (ZITELMANN) Kollisionsnormen. S. N I E M E Y E R , Intern. Privatrecht, S. 13 und ZITELMANN, Intern. Privatr., I, S. 26 und S. 214. 2 Man kann den Aufhebungsthatbeständen einer Obligation keine Selbständigkeit in der Art einräumen, daß sie vom Schicksale der Obligation unabhängig sind; sie sind in diesem Sinne nur Z u b e h ö r e derselben. Wenn also die alte Rechtsordnung über das Schicksal der Obligation entscheidet, so muß sie auch maßgebend sein für ihre Beendigungsgründe. Es ist wiederum ein Beweis für meine Behauptung, daß es auch im 19. Jahrhundert an einem ausgebildeten intertemporalen Rechtsgefühl mangelte, wenn SIEBENHAAR und SIEOMANN, a. a. O., S . 17 meinen, § 19 stimme mit dem allgemeinen Prinzipe überein, „daß juristische That-

§ 53.

Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel.

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Wenn nämlich die neue Rechtsordnung bisher anerkannte Gründe der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Forderung aufhebt, so ist es der älteren Regel gemäß, wenn die Thatbestände der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung geborenen Obligationen für alle Zukunft, d. h. einerlei, ob sie vor oder nach Erlaß der neuen Rechtsordnung eintreten, der alten Rechtsordnung unterworfen bleiben.1 Er bestimmt aber, daß zwar die vor dem Zeitpunkte des Inkrafttretens des Gesetzbuches eingetretenen Nichtigkeits- und Anfechtbarkeitsthatsachen nach dem alten Rechte zu beurteileil sind. Finden sie aber später statt, so werden sie von der neuen Rechtsordnung nicht mehr anerkannt; insoweit legt sie sich also, ohne die materielle Voraussetzung zu erfüllen, Ausschließlichkeit bei. — § 21 steht ganz im Banne der neueren intertemporalen Regel; er enthält die römische Ausschlußklausel mit den typischen Yorbehalten für die erledigten Rechtsverhältnisse (Ausnahmeklausel).2 Die formelle Voraussetzung der Ausschließlichkeit wäre hiermit erfüllt; es fragt sich nur, ob auch die materielle? Diese Frage ist u. E. zu bejahen; denn es handelt sich um die Ansprüche der außerehelichen Kinder gegen ihren außerehelichen Vater auf Unterhalt. Eine Umwandlung des Rechtsgefühles der Gesetzgeber zu gunsten der Stellung der unehelichen Kinder ihrem außerehelichen Vater gegenüber ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingetreten; die Härten der alten Rechtsordnung werden mißbilligt und damit ihre Herrschaft für alle Zukunft ausgeschlossen.3 Die §§ 22, 23 und 24 enthalten intertemporales saohen nach den Gesetzen zu beurteilen sind, welche zu der Zeit gelten, wo die Thatsachen sieh ereignen." Sie meinen somit, § 19 folge der älteren intertemporalen Rechtsregel, während er im Gegenteil die alte Rechtsordnung zum Teil ausschließt. Immerhin hält sich § 19 mehr an das richtige Prinzip, als § 882 Abs. 3 dés Schweiz. O.R.; s. oben § 52, S. 342. 1 Aus den in der vorigen Anmerkung entwickelten Gründen später eintretende Nichtigkeit oder mit Erfolg durchgeführte Anfechtung sind nur Unterarten der bereits in § 19 geregelten Aufhebungsthatbestände. Daher ist § 20 insoweit bloß eine Sonderbestimmung der allgemeinen Vorschrift des § 19. 2 Er lautet: „Für die Alimentationsanspriiche der außerehelichen Kinder gegen ihren außerehelichen Vater sind die Vorschriften des Gesetzbuches von dem Zeitpunkte an, mit welchem das Oesetz in Kraft tritt, selbst wenn die außereheliche Geburt vor diesem Zeitpunkte liegt, vorausgesetzt, daß über die Ansprüche nicht bereits entschieden, oder dieselben verglichen oder sonst erledigt sind." 3 SIEBENHAAR und SIEQMANN, a. a. 0., S. 18 glauben, die Anwendbarkeit des B.G.B, auf frühere Fälle sei dadurch begründet, daß das Verhältnis zwischen dem außerehelichen Kind und Vater ein Familienverhältnis sei. Es liege aber im Zwecke eines Gesetzes über Familienverhältnisse, daß es sofort auf alle solche ohne Rücksicht auf die Zeit ihrer Entstehung Anwendung finde. Dies trifft den Kern der Sache nicht. Es mag sein, daß für Familienverhältnisse die Gesetze meistens ausschließend sind. Der Grund liegt aber darin, daß eine Umwandlung des Rechtsgefühles des Gesetzgebers eingetreten ist, derart, daß es eine fernere Herrschaft der alten Rechtsordnung nicht mehr duldet. Eine derartige Umwandlung kann aber auch bei v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n Verhältnissen eintreten; man denke an die lex commissoria, an Vertragszinsen u. s. w.

358

Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Hechtes.

E r b r e c h t Der erste bezieht sich auf die gesetzliche Erbfolge und schließt sich an das römische intertemporale Recht an, wonach die neue Rechtsordnung auf das bereits unter der alten Rechtsordnung entstandene Intestaterbverhältnis Anwendung findet, wenn der Erblasser unter der neuen Rechtsordnung stirbt.1 — Der zweite bezieht sich auf die Erbfolge aus letzten Willen und schließt sich im Großen und Ganzen auch an das römische Recht an, indem die Fähigkeit des Erblassers zur Errichtung eines letzten Willens und die Form des letzten Willens nach bisherigem Rechte zu beurteilen sind, selbst wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Gesetzbuches gestorben ist. Zutreffend ist auch die Bestimmung, daß, wenn der Erblasser nach dem gedachten Zeitpunkte gestorben ist, für die Beurteilung der P f l i c h t t e i l s r e c h t e das bürgerliche Gesetzbuch maßgebend ist; denn das Pflichtteilsrecht ist ebenso zu behandeln, wie das Intestaterbrecht.2 Dagegen ist es intertemporal unrichtig, wenn der sächsische Gesetzgeber bestimmt, daß die neue Rechtsordnung für die Beurteilung der Fähigkeit des Bedachten zur Erwerbung aus einem letzten Willen und der Gültigkeit des I n h a l t s des letzten Willens entscheidend sei, falls der Erblasser nach jenem Zeitpunkt gestorben ist.3 — Der letzte enthält intertemporale Bestimmungen für die Erbverträge. Dieselben sollen analog den letzten Willen behandelt werden. Die oben geübte Kritik findet somit hier entsprechende Anwendung.1 — §§ 25, 26 und 27 widmen sich dem intertemporalen Familienrecht. Der erste steht unter dem Zeichen der neueren Rechtsregel. Wenn eine Ehe vor Erlaß der neuen Rechtsordnung abgeschlossen wird, so muß folgerichtig nach der alten Regel das alte Recht für das Gütersystem maßgebend sein. § 25 1

Der Grund dieser intertemporalen Vorschrift liegt darin, daß wir es hier, wie bei der Veijährung, mit einem doppelten Thatbestande zu thun haben; s. oben § 33, S . 211. SIEBENHAAR und SIEQMANN meinen aber, diese Vorschrift beruhe darauf, daß die Erbschaft den gesetzlichen Erben mit dem Tode des Erblassers deferiert wird. Die testamentarische Erbschaft wird aber auch mit dem Tode des Erblassers den testamentarischen Erben deferiert. Warum wird aber hier der Thatbestand nach der a l t e n Rechtsordnung beurteilt, selbst wenn der Erblasser nach Erlaß der neuen stirbt? Man könnte übrigens behaupten, daß auch beim Testamentserbrecht ein doppelter Thatbestand vorliege: ein positiver, nämlich der letzte Wille und ein negativer, nämlich kein Widerruf. Der letztere fiele, wenn der Erblasser nach Erlaß der neuen Rechtsordnung sterben würde, unter die letztere; folglich müßte man dann behaupten, daß die neue Rechtsordnung den Gesamtthatbestand ergreife. Daß dem nicht so ist, wird aus dem dogmatischen Teil hervorgehen. * Die Gründe sind dieselben wie beim Intestaterbrecht. Vgl. unten § 54 und den dogmatischen Teil. 3 Der Thatbestand des Testaterbverhältnisses ist richtiger Ansicht nach kein doppelter und da er unter der alten Rechtsordnung errichtet wurde, so beherrscht ihn diese allein, in allen seinen Beziehungen und ebenso das daraus hervorgehende Rechtsverhältnis. 4 Der Erbvertrag ist ohne jeden Zweifel ein schlichter Thatbestand; fällt er unter die alte Rechtsordnung, so ist er ganz nach dieser zu beurteilen und ebenso das daraus entstehende Rechtsverhältnis, abgesehen vom Pflichtteilsrecht.

§ 53.

Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel.

359

bestimmt aber, daß die Vorschrift des B.G.B., durch welche das Recht der Verwaltung und des Nießbrauches des Ehemannes an dem Vermögen der Ehefrau geändert oder näher bestimmt worden ist, von dem Zeitpunkte an mit dem das Gesetzbuch in Kraft tritt, auch auf vor diesem Zeitpunkt geschlossene Ehen Anwendung finden.1 — Der zweite schließt sich hingegen wieder der älteren Rechtsregel an. Das Gesetzbuch führt nämlich in § 1660 u. fg. eine dem alten Rechte unbekannte gesetzliche Ausstattungspflicht ein; diese soll nun bloß für Ehen gelten, welche n a c h dem Zeitpunkte, mit dem das Gesetzbuch in Kraft tritt, geschlossen werden. — Der letzte bezieht sich auf die Scheidung der Ehe und folgt der neueren Rechtsregel. Er verleiht also den Vorschriften des B.G.B, über die Ehescheidung Ausschließlichkeit. Dies gilt insbesondere für die Ehescheidungsgründe. Das neue Recht entzieht einem Ehescheidungsthatbestand, der von der alten Rechtsordnung anerkannt worden ist, von ihm aber nicht mehr anerkannt wird, jede rechtliche Wirkung. 8 Ist diese Ausschließlichkeit gerechtfertigt? Die Frage ist zu bejahen; denn es handelt sich hier um eine Mißbilligung der alten Rechtsordnung, bezw. der alten Praxis von Seiten des Gesetzgebers, welche die Ehescheidungen begünstigte. 3 — Von den kantonalen bürgerlichen Gesetzbüchern der Schweiz fallen diejenigen in diese Gruppe, welche unter dem Einflüsse des österreichischen a. b. G.B. stehen. So das A a r g a u i s c h e B.G.B. § 3.4 1 Soweit es sich um eine nähere Bestimmung der alten Rechtsordnung handelt, ist die Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung zu rechtfertigen. Man kann sie nämlich nach der langobardischen Rechtsregel als authentische Interpretation der alten ansehen, insbesondere § 1 6 7 7 des S.B.G.B.; vgl. S I E B E N H A A R und S I E G M A N N , a. a. 0., S. 20. Soweit aber eine Ä n d e r u n g der alten Rechtsordnung vorliegt, verletzt die Ausschließlichkeit das intertemporale Privatrecht; denn von einer Umwälzung des Rechtsgefiihles des Gesetzgebers und einer Mißbilligung der alten Rechtsordnung kann hier keine Rede sein. Es handelt sich hier um eine Rückwii-kung im Sinne der zweiten Möglichkeit (s. oben § 12. S. 80 und S. 851, wonach zwar das alte Rechtsverhältnis anerkannt wird, aber dessen Wirkungen eingeschränkt werden. Wie verderblich die Lehre von den wohlerworbenen Rechten für das intertemporale Rechtsgefühl des 19. Jahrhunderts war, beweist folgender Satz S I E B E N H A A H S und S I E G M A N N S , a a. O . : „ J e d e Besorgnis, als ob durch den gegenwärtigen Paragraphen erworbene Rechte verletxt werden möchten, wird übrigens dadurch beseitigt, daß dem B.O.B, erst von dem Zeitpunkte an, mit icelchem dasselbe in Kraft tritt, Einfluß auf vorher geschlossene Ehen xugesehrieben wird, indem damit xugleieh ausgedrückt wird, daß, insofern der Ehemann bereits vorher ein Recht an dem eheweiblichen Vermögen ausgeübt haben sollte, welches er nach dem bisherigen Reehte hatte, durch das B.O.B, daran etwas nicht geändert werden soll." Wenn man mit der Theorie von dem wohlerworbenen Rechte auch Hoffnungsrechte annehmen muß, wie z. B. beim Testaterbverhältnis, um die alte intertemporale Rechtsregel aufrechtzuerhalten, so werden allerdings wohlerworbene Rechte des Ehemannes durch den gegenwärtigen Paragraphen verletzt! 2 Wir haben es somit hier mit der ersten Möglichkeit der neueren Rechtsregel zu thun. Vgl. oben § 12, S. 80. S

4

S.

SIEBENHAAR

und

SIEGMANN,

a.

a.

0.,

S.

21.

„ßesetxe wirken nicht xurüek; sie haben daher auf vorhergegangene lungen und auf vorher erworbene Reehte keinen Einfluß."

Hand-

360

Das interi. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

§ 54.

Das intertemporale Privatrecht nach Aufhebung der Fremdherrschaft in Deutschland.

Nach der Vertreibung der französischen Fremdherrschaft in Deutschland schritt in den meisten Ländern die gesetzgebende Gewalt dazu, die alte Rechtsordnung, welche vor der usurpatorischen Einführung des Code Napoleon galt, wiederherzustellen. Dies konnte nur geschehen nach den I Regeln des intertemporalen Privatrechtes, wenn nicht durch blinde Willkür die Grundsätze der Gerechtigkeit und Billigkeit verletzt werden sollten. Wir stoßen hier auf einen merkwürdigen Begriff: oben in § 2 der Einleitung S. 4 wurde dargestellt, daß es nicht nur ein intertemporales P r i v a t r e c h t , sondern auch ein intertemporales ö f f e n t l i c h e s Recht giebt. Hier taucht nun auch ein intertemporales Recht des Rechtes der Rechtsordnungen auf, eine Unterart jenes öffentlichen Rechtes. Denn der Gedanke erscheint recht und billig, daß man die Geschöpfe der usurpatorischen Rechtsordnung mit dem Maße mißt, womit die usurpatorische Rechtsordnung die Geschöpfe der alten und angestammten Rechtsordnung gemessen hat. M. a. W.: zur Beantwortung der Frage, nach welcher Rechtsordnung die Thatbestände und Rechtsverhältnisse der Zwischenzeit beurteilt werden müssen, wendet man die intertemporalen Grundsätze dieser Zwischenzeit an. Ist nun dieser Gedanke bei der Verdrängung des französischen Rechtes verwirklicht worden? Wie aus dem Folgenden hervorgeht, dürfte die Frage im allgemeinen verneint werden. 1 — Auch noch ein anderer Gesichtspunkt kommt in Betracht. Das französische Recht stellt sich in den meisten Fällen als eine Z w i s c h e n g e s e t z g e b u n g dar, weil, von Ausnahmen abgesehen, das angestammte Recht wieder eingeführt wurde; es handelt sich also um drei aufeinanderfolgende Rechtsordnungen, wovon die erste mit der dritten eins und dasselbe ist. Kommt nun ein unter der ersten Rechtsordnung entstandenes Rechtsverhältnis erst unter der dritten zur subjektiven Entfaltung, so kann bei der Identität der ersten und dritten angenommen werden, daß eine Zwischengesetzgebung gar nicht stattgefunden habe: media tempora non nocent.2 Treten wir nun der für das intertemporale Privatrecht äußerst fruchtbaren Gesetzgebung dieser bewegten Zeit näher. In L ü b e c k

wurde eine intertemporale Verordnung erst nach der

1 Ob die Gesetzgeber jener klassischen Periode der Rechtswandelungen diesen Gedanken überhaupt erfaßt haben, ist schon zweifelhaft; dagegen geht aus deu Ausführungen BERGMANNS, des hochbegabten Sohnes jener Zeit, hervor, daß er ihm sehr nahe stand, obschon er sich nicht gerade glücklich ausdrückt. Der hierher gehörige Hauptausspruch, den er selbst mit Sperrdruck auszeichnet, lautet folgendermaßen: „Dabei verdient nun vorzüglich der Gesichtspunkt eine besondere Aufmerksamkeit, daß man bei den Thatsachen, welche in der franxösischen Zeit vorgefallen sind, gehörig untersuche, was denselben nach damaligen positiven Rechtsnormen zugesichert wurde" (s. a. a. O., S. 397). 2 S. unten § 65 und den dogmatischen Teil.

54. Das int. Privatrecht n. Aufhebung d. Fremdherrschaft i. Deutschland.

361

zweiten Vertreibung des französischen Rechtes erlassen. 1 Die subjektive Fassung geht aus folgender Erklärung in § 75 hervor: „daß alle Rechte, die in Lübeck und dessen Gebiet seit dem 20. August 1811 bis zu dem mit eingeschlossenen 5. Dezember 1813, aus den für diese Zeiträume bestandenen Gesetzen, oder aus den während derselben stattgefundenen gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlungen, Vorgängen und Verträgen, wirklich erworben worden, nach Anleitung solcher Gesetze, Handlungen und Verträge, den Partheien gegeneinander gesichert bleiben sollenWas an dieser Gewährungsklausel auffällt, ist die scharfe Betonung des vollendeten Erwerbes eines Rechtes: „wirklich erworben worden.11 Damit nähert sie sich aber, wie bereits früher ausgeführt wurde, der römischen Ausschlußklausel mit Vorbehalten zu gunsten der aus rechtskräftigem Urteil, Vergleich, Konsens, Stillschweigen erledigten Rechtsverhältnissen, d. i. der erworbenen subjektiven Rechte. Unsere Behauptung findet eine Stütze in der Lübecker Klausel selbst, welche ausdrücklich hervorhebt, daß die Rechte aus „gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlungen, Vorgängen und Verträgen, wirklich erworben worden.'' 2 Die weiteren intertemporalen Bestimmungen der Verordnungen bestätigen nur unsere Behauptung. 3 1 S. Verordnung, betr. das Gerichtswesen, wie auch transitorische Verfügungen . . . . v. 4. Mai 1814. Wichtig sind die §§ 72 u. 74, welche nach einer früheren Verordnung vom 16. Februar 1814 Folgendes bestimmen: 1. Vom 19. Marx 1813 bis zum 3. Juni 1813 inel. kommen die vor dem 20. August 1811 hierselbst gültigen Gesetze, Rechte und rechtlichen Gewohnheiten %ur Anwendung; 2. vom 4. Juni 1813 bis xum 5. Dezember 1813 incl. werden die französischen Oesetxe wiederum als eingetreten betrachtet; 3. vom 6. Dezember 1813 an gerechnet, gelten auf's Neue die Gesetxe, Reehte und rechtlichen Gewohnheiten, welche vor dem 20. August 1811 für Stadt ond Gebiet gültig waren." 2 Die Lübecker Klausel erinnert uns lebhaft an diejenige der Frankfurter Reformation v. 1509, die wir der neueren Rechtsregel zugeteilt haben; vgl. oben § 36, S. 235. — BERGMANN, a. a. 0., S. 404 u. fg. sucht allerdings auch für diese Verordnung das „römische Hauptprinzip" (die alte intertemporale Rechtsregel) wenigstens subsidiär zu retten, aber ohne überzeugende Gründe dafür anführen zu können. In der That herrscht in der lübischen Verordnung nicht die republikanische, sondern die neuere Rechtsregel von der Ausschließlichkeit. * So bestimmt § 88, daß trotz des Code die altverheirateten Eheleute ihre Heiratsverträge „unter Beobachtung jetzt gültiger Form, und, wegen der Rechte Dritter, vermittelst vorgängiger öffentlichen gerichtlichen Bekanntmachung und Aufforderung" ändern können. — § 90 bestimmt, daß die altverheirateten Ehegatten, die nach der gesetzlichen französischen Gütergemeinschaft lebten, sich unter der neuen Rechtsordnung der vor dem 20. August 1811 in Lübeck gesetzlich und hergebracht gewesenen Gütergemeinschaft unterworfen haben, falls sie nicht binnen sechs Wochen nach Bekanntmachung der transitorischen Verordnung vor dem Obergerichte das Gegenteil erklären. Nach § 89 sind Heiratsverträge, welche Bestimmungen über Erbrechte enthalten, nur insoweit gültig, als sie der angestammten Rechtsordnung nicht entgegen sind. Gerade in diesem Paragraphen zeigt es sich, daß man nicht das intertemporale Recht der Rechtsordnungen berücksichtigte; denn nach französischem intertemporalem Rechte (Jurisprudenz) werden nur w i d e r r u f l i c h e erbrechtliche Geschäfte von der neuen Rechtsordnung ergriffen.

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Eechtes.

Auch für letztwillige Verfügungen nimmt die neue Rechtsordnung, d. i. das altangestammte Recht, wenn auch mit einer Beschränkung, Ausschließlichkeit in Anspruch.1 Nur die Form wird der alten Rechtsordnung überlassen und auch diese Einräumung erleidet bei holographischen Testamenten eine Einschränkung. — Die Vorzugsrechte der Gläubiger werden ebenfalls von der Ausschließlichkeit betroffen.2 1

§ 91: „Während der Herrschaft franxosischer Gesetze errichtete Testamente behalten ihre Gültigkeit nach Form und Inhalt, wenn die Erbschaft vor Ablauf des 18. März oder xwisehen dem 3. Juni und 5. Dexember 1813 mcl. eröffnet worden. Für die nach dem 18. März bis xum 3. Juni 1813 inecl. und nach dem 5. Dexember 1813 eröffneten Erbschaften bleiben xwar solche Testamente in Ansehung der Form, wenn solche den französischen Gesetzen angemessen ist, gültig, wiewohl mit der Jiinsehränkung des § 92; in Ansehung der Rechtsfähigkeit der Person, die das Testament hinterlassen, und dessen Inhalts hingegen, gelten die vor dem 20. August 1811 bestandenen Rechte." — § 92: „Holographische Testamente müssen binnen 4 Wochen nach der Bekanntmachung dieser Verordnung, dem Präses des Obergerichts überreicht werden, und sind, xoenn solches versäumt worden, nachmals auch in Ansehung der Form nicht weiter gültig.1' 2 § 97: „Diejenigen Vorzugsrechte, welche in den französischen Gesetzen ausschließlich gegründet gewesen, und während deren Herrschaft erworben worden, sollten nur in denjenigen Konkursen gelten, welche in den nächsten 6 Monaten nach dem 6. Dexember 1813 ausgebrochen seiend Also nach der kurzen Frist von sechs Monaten fallen die ausschließlich unter der alten Rechtsordnung begründeten Vorzugsrechte dahin. Der Paragraph enthält also einen Beleg für die erste Möglichkeit der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart; s. oben § 12, S. 80 u. fg. — Auch in Bezug auf die V e r j ä h r u n g legt sich die neue Rechtsordnung eine den meisten Gesetzgebungen unbekannte Ausschließlichkeit bei; es entspricht der Billigkeit, daß für den Beginn der Verjährung die alte Rechtsordnung maßgebend bleibt. § 96 bestimmt aber: „Auf die mit dem Eintritt des 19. März 1813 noch nicht vollendeten Verjährungen werden die gegenwärtig bestehenden Rechte in Ansehung eines gültigen Rechtstitels und guten Glaubens angewandt." — Wie nicht anders zu erwarten, legt sich auch das V o r m u n d s c h a f t s r e c h t der neuen (aber altangestammten) Rechtsordnung Ausschließlichkeit bei. Der Inhalt der einschlägigen §§ 77—86 der Verordnung ist im Auszug folgender: Fortdauer der vor dem Code begonnenen und durch denselben nicht veränderten Vormundschaften in ihrer alten Qualität. — Sofortige Veränderung der französischen Nebenvormünder in Mitvormünder. — Aufhören der unter dem Code entstandenen mütterlichen und großmütterlichen Vormundschaften. — Befreiung der Väter von den Nebenvormündern. — Fortdauer der Kurateln über emancipierte Mindeijährige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. — Rücktritt derer, welche unter dem Code durch Beendigung des 21. Jahres volljährig geworden, in den Stand der Minderjährigen; jedoch mit Erlaubnis eines Antrages auf Mündigkeitserklärung. — Herstellung der Geschlechtsvormundschaft. — Zulässigkeit n e u e r Untersuchungen der zur Zeit des Code erfolgten Aussprüche über Entmündigung, desgleichen der in Ansehung der Abwesenden getroffenen Maßregeln; s. BERGMANN, a. a. 0., Note 523. Ein einziger Paragraph schließt sich der republikanischen Rechtsregel an. § 87 bestimmt nämlich, daß AlimentenforderuDgen für u n e h e l i c h e Kinder und Entschädigungsklagen wegen Schwängerung, insofern nicht bereits r e c h t s k r ä f t i g darüber entschieden ist, n a c h d e n z u r Z e i t d e r S c h w ä n g e r u n g geltenden Rechten beurteilt werden sollen. Ist die Schwängerung unter der Rechtsordnung I erfolgt, so kann in dieser Bestimmung auch eine Anwendung des Satzes gefunden werden: media tempora non nocent.

§ 54. Das int. Privatrecht n. Aufhebung d. Fremdherrschaft i. Deutschland.

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Trotz der beschönigenden Worte BERGMANNS finden wir in den intertemporalen Bestimmungen der lübischen Verordnung nur die Ausschlußklausel, zum Teil in schärfster Zuspitzung, keinesfalls aber die republikanische, ja nicht einmal die französische Rechtsregel im Spiegel der französischen Jurisprudenz. Ist nun die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit gegeben? Wir dürfen die Frage mit ruhigem Gewissen bejahen. Es ist der Widerwille gegen das zweimal aufgedrungene fremde Recht, der sich in der Ausschlußklausel Luft macht. Er richtet sich nicht sowohl gegen den inneren Gehalt des fremden Rechtes als gegen die Art und Weise seiner Einführung, welche eine Folge einer gehaßten Fremdherrschaft war und das altangestammte und lieb gewordene Recht, ohne einem wirklichen Bedürfnis des Volkes Rechnung zu tragen, mit brutaler Gewalt beseitigte. Ähnlich wie in Lübeck bedurfte es auch in H a m b u r g einer zweimaligen Aufhebung der neuen französischen Rechtsordnung. Auch hier fehlte es am Willen und wohl auch an der Kenntnis, die Regel des intertemporalen Rechtes der Rechtsordnungen anzuwenden; man nahm vielmehr ohne Besinnung Zuflucht zur Ausschlußklausel in ihrer schärfsten Tonart. 1 Eine transitorische Verordnung vom 28. Juli 1815 enthält die b e s o n d e r e n intertemporalen Bestimmungen. 2 Schon aus § 1 geht die Ausschlußklausel mit den bekannten Vorbehalten hervor. 3 Verwandt 1 Dies giebt auch Bergmann zu, wie aus seinen Ausführungen a. a. 0., S. 418 u. fg. hervorgeht. Dir neue Rechtsordnung legt sich zum Teil sogar restit u t i v e Ausschließlichkeit bei. — Der Rat- und Bürgerschluß vom 27. Mai 1814 und die „fernere Bekanntmachung des Rates" vom 30. Mai 1814, Art. 2 stellten zunächst den allgemeinen Grandsatz auf: „daß alle vom 20. August 1811 an bis zur Mitternacht des 31. Marx 1813, und vom 30. Mai 1813 bis Mitternacht des 31. Mai 1814, wirklieh schon nach französischen Gesetzen erlangten Rechte in ihrer völligen Gültigkeit bleiben sollen, und nach den in diesen Zeiträumen bestandenen Gesetzen zu beurteilen seien.11 Mit dieser s u b j e k t i v e n Fassung wäre der Theorie von den wohlerworbenen Rechten vollkommen Genüge geleistet, nicht aber der republikanischen Rechtsregel, was bereits früher dargethan wurde und aus Nachfolgendem noch handgreiflicher hervorgehen wird. 2 Der volle Name lautet: „Durch Rat- und Bürger-Schluß beliebte transitorische Verordnimg für die Stadt und deren Gebiet in Betreff der eivilrechtlichen Gegenstände Auf Befehl E. Hochedlen Rathes der freyen Ilanse-Stadt Hamburg •publicirt den 28. Julius 1815." 8 „Die vorbesagten TJnterbrechungszeiten des hamburgischen Rechtes und die während derselben eingetretene Herrschaft der französischen Gesetze sollen auf die in dm hamburgischen gesetzlieh begründeten, oder durch, nach denselben gültige Rechtshandlungen, vor Eintretung oder Rückkehr der französischen Gesetze, festgesetzten Rechte keine verändernde oder aufhebende Wirkung haben, wenn solche nicht, während dieser Zeiträume der französischen Herrschaft, durch rechtskräftige Entscheidungen, rechtsbeständige Verträge, oder vollzogene rechtsgültige Auflösungen bereits respektive, aberkannt, oder extinguirt worden." Der Sinn desselben geht dahin, daß die alte (französische) Rechtsordnung keine weitere Herrschaft mehr über diejenigen Rechte ausüben könne, welche aus der altangestammten Rechtsordnung herrühren. Nur die rechtskräftigen Entscheidungen, rechtsbeständigen Verträge oder vollzogenen rechtsgültigen Auflösungen, sofern sie unter der

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

damit ist die Bestimmung des § 3, wodurch ein nach französischem Rechte unvollkommener Thatbestand unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung vollkommen wird, sofern nicht die Ungültigkeit unter der alten Rechtsordnung durch ein r e c h t s k r ä f t i g e s E r k e n n t n i s erklärt ist. 1 Während § 3 sich auf die F o r m der Willensthatbestände bezieht, die unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung errichtet wurden, regelt § 2 den I n h a l t und Umfang ihrer Rechtsverhältnisse. Darnach müssen dieselben ganz der n e u e n Rechtsordnung gemäß sein; stehen sie derselben entgegen, so fallen sie dahin. 2 Die Ausschließlichkeit französischen Herrschaft die Rechte aberkannt oder aufgehoben haben, genießen auch unter der neuen Rechtsordnung deren Anerkennung. Wurden dagegen durch involuntare Thatbestände des französischen Rechtes jene Rechte aufgehoben, so erkennt das neue Recht ihren Untergang nicht an. Darin liegt eine Anwendung jenes intertemporalen Gedankens: media tempora non nocent. — BERGMANN, a. a. 0., Note 538 meint, hier zeige sich durch positive Bestimmung ein Unterschied zwischen unmittelbar gesetzlichen und anderen Rechten. Es ist dies eine Begriffsverwirrung, wie sie diesem hervorragenden Juristen selten begegnet. Ich habe schon in m e i n e m römischen Institutionen-System S. 108 nachgewiesen, daß selbst bedeutende Juristen, wie G I P H A N I U S , den Unterschied zwischen Thatbestand und Rechtsverhältnis nicht scharf erkannt haben und infolgedessen das eine für das andere nehmen. Der hamburgische Gesetzgeber macht hier in der That keinen Unterschied zwischen Rechten oder Rechtsverhältnissen, sondern zwischen Aufhebungsthatbeständen mit und ohne Willen der Parteien, also zwischen voluntaren und involuntaren Thatbeständen. — Aus der neuesten Zeit liefert einen Beweis für obige Behauptung der Kommentar zum bürgerlichen Gesetzbuche von A C H I L L E S 3. Aufl., S. 300, wo behauptet wird, daß Besitz im Sinne des neuen Gesetzes t h a t s ä c h l i c h e G e w a l t über eine Sache, Inhabung, Gewahrsam, Detention bedeutet, während das B.G.B. Besitz als R e c h t s v e r h ä l t n i s auffaßt; s. §§ 854 u. 857. Im Sinne des Kommentars müßte sonst der Gesetzgeber in § 854 gesagt haben: „Die thatsächliche Gewalt über eine Sache wird durch die E r l a n g u n g der thatsächlichen Gewalt über die Sache e r w o r b e n " . Und die KöHLER-BüLowsche Behauptung, der Prozeß sei ein Rechtsverhältnis; s. auch B E K K E R , Zeitschr. f. Sav. Stift., Bd. XXI, S. 13, 14 R.-A. 1 Damit liefert uns § 3 einen Beleg für die erste Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares nach der ersten Spielart; s. oben § 12, S. 91 u. fg. — § 3 lautet: „Die unter der Herrschaft der französischen Gesetze vollzogenen Privatrechtsgeschäfte, welche bloß wegen eines Mangels oder Fehlers der eigends nach diesen Gesetzen erforderlichen Förmlichkeit, ungültig seyn würden, jedoch noch nicht dafür durch ein rechtskräftiges Erkenntnis erklärt sind, sollen in Ansehung der Reehtswirkungen, welche sie, im Fall ihrer Gültigkeit, nach dem Wiedereintritte der hamburg. Gesetze hätten, für gültig geachtet werden, wenn nur das Rechtsgeschäft an sieh hinlänglich bestimmt und gewiß ist, und sie nur diejenigen Förmlichkeiten haben, welche nach hamburg. Gesetzen dabei etwa notwendig seyn möchten, worunter jedoch in diesen Fällen nicht die Mithandlung des Geschlechtskurators der unverheirateten Frauenspersonen mitzurechnen ist." Diese Bestimmung ist keine Folge des Satzes: media tempora non nocent, weil die Privatrechtsgeschäfte unter dem f r a n z ö s i s c h e n Gesetze, nicht unter der altangestammten Rechtsordnung abgeschlossen wurden. 8 § 2 enthält also einen Beleg für die erste und zweite Möglichkeit der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart; s. oben § 12, S. 80 u. fg. § 2 lautet: „Die unter der Herrschaft der französischen Gesetze aus Verträgen, oder sonstigen Rechtsgeschäften, wirklieh schon erlangten Privat-

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ist ohne Vorbehalt ausgesprochen, so daß nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers auch r e c h t s h ä n g i g e Sachen von ihr ergriffen werden müssen. 1 Aus § 2 der Verordnung geht hervor, daß die französischen Rechtsnormen, m. a. W. die alte Rechtsordnung, soweit die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, nur über diejenigen Rechtsverhältnisse auch fernerhin herrschen kann, welche 'aus v o l u n t a r e n Thatbeständen hervorgegangen sind; für die Rechtsverhältnisse aus in voluntaren ist schlechthin die neue Rechtsordnung maßgebend. 2 Die letztwilligen Verfügungen sind, abgesehen von einzelnen Vorbehalten, der neuen Rechtsordnung verfallen; nur die F o r m wird, mit Ausnahme der holographischen Testamente, der alten Rechtsordnung belassen. 3 rechte dauern auch nach dem Wiedereintritte der Hamburg. Gesetze in ihren Rechtsfolgen und Wirkungen fort, insoweit selbige nach diesen Gesetzen durch Privativillkür hätten festgesetzt werden können, mithin denselben nicht entgegenstehen." •— Enthält also die neue Rechtsordnung Prohibitivgesetze, welche ein Rechtsgeschäft, das nach französischem Rechte erlaubt war, verbieten, so wird dasselbe unter ihrer Herrschaft hinfällig. Durch die Ausschlußklausel des § 2 haben alle hamburgischen Prohibitivgesetze Ausschließlichkeit erhalten, die ihnen aber an und für sich nicht angeboren ist; vgl. oben § 7, S. 61. 1 S. auch BERGMANN, a. a. O., S. 423. Eine Ausnahme aus besonderen B i l l i g k e i t s g r ü n d e n findet nach § 10 bei Ehescheidungen statt: „Bei den unter der Herrschaft der franz. Gesetze eingegangenen Ehen findet aus den lediglich im, den franz. Rechten begründeten Ehescheidungsursachen, keine Ehescheidungsklage weiter statt; doch sollen die etwa zur Zeit der Herrschaft der franz. Gesetze schon angestellten und noch anhängigen, nach diesen Rechten entschieden werden." Gerade diese Annahme läßt die Absicht des Gesetzgebers erkennen. Den Charakter der Ausschließlichkeit kennzeichnet auch die Bestimmung des § 4, welche dem Sinne nach auch auf r e c h t s h ä n g i g e Sachen anzuwenden ist: „Walten über den eigentlichen Sinn des franz. Rechts, bei einem nach franz. Gesetzen zu beurteilenden Privatrechtsgeschäfte oder Rechtsfälle erhebliche Zweifel ob, so soll demjenigen Sinne, welcher mit den Bestimmungen des Hamburg, und gemeinen Rechts übereinkommt, oder denselben am nächsten tritt, der Vorzug gegeben werden.1' Sie nähert sich einer gesetzlichen Auslegung, die immer rechtshängige Sachen ergreift. 2 Dies geht argumento e contrario schon aus dem Anfang des § 2 hervor. Zum Überfluß bestimmt § 2 noch am Ende: „Die Vollführung und Beendigung der nach dem Aufhören der Herrschaft der franz. Gesetze fortdauernden Rechtsverhältnisse ist, wenn in den Verträgen oder sonstigen Rechtsgeschäften keine Bestimmungen darüber gemacht sind, nach den wieder herrsehenden Hamburg. Gesetzen zu beurteilen.'1 3 § 16: „Die unter der Herrschaft der franz. Gesetze errichteten Testamente bleiben zwar, was die Gültigkeit der Rechts form anbetrifft, jedoch mit der Beschränkung der holographischen Testamente, auch nach dem Wiedereintritte der Hamburg. Gesetze, rechtsbeständig; alles Übrige aber (bloß mit Ausnahme der persönlichen Rechtsfähigkeit des Testierenden zur Zeit des errichteten Testamentes, wie auch der Verfügung des Art. 1036 des C.N.) und namentlich die Rechtsgültigkeit des Inhalts und der Disposition des Testamentes, ist, bei dem nach dem Wiedereintritte der Hamburg. Rechte erfolgten Absterben des Testators, lediglich nach diesen zu beurteilen, und gänzlich so zu betrachten, als wenn der Testator erst nach dem Wiedereintritte der hamburg. Rechte das Testament errichtet hätte; auch soll der Art. 968 des C.N. der Gültigkeit der Form des gemeinschaftlichen Testamentes der Eheleute nicht schaden."

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Das neue E h e r e c h t erhält die strengste Ausschließlichkeit. 1 — Auch dem E l t e r n - und K i n d e s r e c h t wird die Ausschließlichkeit zuerkannt. 2 Auch für die gesetzlichen V o r z u g s r e c h t e der Gläubiger und selbst für die eingetragenen Hypotheken gilt die strengste Ausschließlichkeit, welche auch schwebende Konkurse mit sich reißt. 3 — Das französische V e r j ä h r u n g s r e c h t wird in seinen Wirkungen durch die Ausschließlichkeit des neuen Rechtes fast ganz beseitigt. 4 In der freien Hansestadt B r e m e n ließ der Gesetzgeber nach Vertreibung der Fremdherrschaft das französische Recht noch eine Zeit lang bestehen. Eine Verordnung vom 13. August 1 8 1 4 setzte fest, daß das einheimische Recht mit dem 1. September 1 8 1 4 an die Stelle des fremden treten solle. An der Spitze steht fast ganz dieselbe Klausel, wie in der entsprechenden Verordnung der Stadt Lübeck. 5 Auch hier liegt die 1 Nach § 11 werden die personalen Rechtsverhältnisse der Ehegatten lediglich nach der neuen Rechtsordnung beurteilt. Kirchliche Ehen, die unter dem französischen Rechte ungültig waren, konvalescieren unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung (§ 9); es ist dies ein Beleg der ersten Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares; s. oben § 12, S. 91. Für Ehen ohne Ehevertrag tritt die gesetzliche Gütergemeinschaft der neuen Rechtsordnung „die Hamburgische gesetzliche eheliehe Gütergemeinschaft" von selbst ein und „Heyraths-Verträge" sind nur soweit gültig, als sie nicht verbietenden Gesetzen der neuen Rechtsordnung zuwiderlaufen (§§ 12—14). Auch hier erhalten Prohibitivgesetze Ausschließlichkeit nur infolge der Ausschlußklausel. §§12 u. 13 der Verordnung riefen bei den Hamburgischen Juristen eine Streitfrage hervor, ob darin eine authentische Interpretation des einheimischen Güterrechtes liege oder nicht; vgl. Hamburgische Gesetze und Verordnungen, herausgegeben von ALBERT

W U L F F , 2. B d . , 2

1891, S. 276.

Dies geht schon aus § I hervor; vgl. noch § 8. Für die unehelichen Kinder bewirkt die Ausschließlichkeit, daß sie auf Alimente auch wegen der in der französischen Zeit erfolgten Schwängerung klagen können, s e l b s t w e n n d i e K l a g e u n t e r d e r f r a n z ö s i s c h e n H e r r s c h a f t bereits a n g e s t e l l t u n d a l s u n z u l ä s s i g verworfen wurde (§§ 6 und 7). Die Ausschließlichkeit schont also nicht einmal die abgeurteilte Sache (restitutive Ausschließlichkeit). Dagegen wird der Anspruch der Geschwächten auf Entschädigung verworfen. 9 S. §§ 19—21 u. 29. Vertragsmäßige Hypotheken, die unter der Herrschaft des französischen Rechtes fehlerhaft sind, konvalescieren unter der neuen und ausschließlichen Rechtsordnung, im Sinne der ersten Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares. So nach § 23 der Verordnung. 4 S. §§ 24 u. 25. In seinen Folgen kommt der letztere Paragraph auf die Justinianische Einführung der 100jährigen Klagenverjährung hinaus; vgl. oben § 12, S. 82. § 25 eit. lautet gegen Ende: „ . . . . und sollen auch die in den Artt. 2271, 2272. 2273 des C.N. benannten Klagenverjährungen, welche unter der Herrschaft der franz. Gesetze nicht bloß angefangen haben, sondern auch in Ansehung der verflossenen Zeit nach diesem Gesetze etwa schon vollendet seyn möchten, für noch nicht vollendet geachtet, und wenn noch kein rechtskräftiges Erkenntnis oder rechtsgültiger Vergleich darüber bereits erfolgt ist, lediglich nach den wiedereingetretenen hamburg. Rechten beurteilt werden." Auch hier kann man sagen: et relut antiquorum vulnerum obductae patucrunl iterum eicatrices. 5 § 2 lautet: „Alle Rechte, welche seit dem 20. August 1811 bis zu dem mit eingeschlossenen 31. August 1814 aus den für diesen Zeitraum bestandenen franz.

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subjektive Fassung vor und wird der Nachdruck darauf gelegt, daß der Erwerb des Rechtes ein vollendeter sei. Damit sollen die bloßen Erwartungen, wie die Lehre von den wohlerworbenen Rechten sagt, ausgeschieden werden. Im übrigen ist aber die Ausschließlichkeit, welche der bremische Gesetzgeber der neuen Rechtsordnung gewährt, eine mildere als diejenige, welche der lübische und hamburgische beliebte.1 Gesetzen oder aus den während desselben stattgefundenen gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlungen, Vorgängen und Verträgen wirklich bereits erworb en worden, bleiben nach Anleitung solcher Gesetze, Handlungen und Verträge, den Parteien, Kontrahenten und Interessenten durchaus gesichert; jedoch unter den in gegenwärtiger Verordnung enthaltenen näheren Bestimmungen." 1 So werden Scheidungsklagen nach der alten Rechtsordnung beurteilt; § 56 der Verordnung. Ferner sollen letzte Willen „in Betreff der Form v/nd Rechtsfähigkeit der Disponenten nach franx,. Rechte beurteilt werden, und in Betreff des demselben gemäßen Inhaltes ihre volle Wirksamkeit behalten, werm sie nicht durch spätere, imter dem, einheimischen Rechtszustand errichtete Dispositionen aufgehoben werden." Keine von den früheren Verordnungen überließ auch den I n h a l t der alten Rechtsordnung. Letzteres wird nur dadurch beschränkt, „daß Substitutionen in jenen Testamenten, wenngleich dem Code zuwiderlaufend, dennoch in Kraft erhalten werden sollens. §§ 17 u. 18; vgl. auch § 20. So b l e i b e n ferner diejenigen, welche unter der Herrschaft des französischen Rechtes das 21. Lebensjahr zurückgelegt haben, v o l l j ä h r i g und die damals emancipierten Mindeijährigen erhalten auch unter der neuen Rechtsordnung nur b i s zur V o l l e n d u n g d e s 21. J a h r e s einen Kurator im Sinne der alten Rechtsordnung; §§ & u. 6. Diese Bestimmung ist intertemporal sehr wichtig, umsomehr, als sie von einem Gesetzgeber erlassen ist, der sonst im Banne der Ausschließlichkeit steht; vor der erlangten Volljährigkeit macht er achtungsvoll Halt. Vom Standpunkte der wohlerworbenen Rechte läßt sich diese Erscheinung gar nicht erklären; denn die Volljährigkeit kann man, was auch jene Lehre zugiebt, nimmermehr als ein wirklich erworbenes Recht betrachten. S. aber das Urteil unten in § 6 3 . B E R G M A N N meint a. a. O., S. 535, es liege hier bloß eine Erwartung vor und diese könnte ohne Verletzung des Verbotes der rückwirkenden Kraft ungeschützt bleiben. Hier entblößt sich ein sehr schwacher Punkt der ganzen Lehre. Die Wissenschaft des intertemporalen Privatrechtes darf mit wohlerworbenen Rechten überhaupt nicht operieren; thut sie es doch, so läuft sie Gefahr, gerade in den schwierigsten Fragen ihre Impotenz erklären zu müssen. Die Volljährigkeit ist kein erworbenes Privatrecht, wohl aber ein p e r s o n a l e s R e c h t s v e r h ä l t n i s (s. m e i n römisches Institutionen-System, S. 469 fg.), das unter der alten Rechtsordnung zur Vollendung gekommen ist. Es ist daher eine einfache Folge der republikanischen Rechtsregel, wenn die neue Rechtsordnung nicht daran rührt; s. auch oben § 53, S. 349. Aber BERGMANN meint, das r ö m i s c h e P r i n z i p werde nicht verletzt, wenn das neue Recht die erlangte Volljährigkeit unbeachtet läßt; auch er steht im dichten Nebel, den die Lehre von den wohlerworbenen Rechten über die republikanische Rechtsregel ausgebreitet hat; auch er vermag ihn nicht zu verscheuchen, obschon er unter den Schriftstellern des intertemporalen Privatrechtes des 19. Jahrhunderts eine der höchsten Stellen einnimmt. — Während somit der bremische Gesetzgeber in der Volljährigkeit nicht eine bloße Erwartung oder Hoffnung erblickt, so nimmt er solche beim Intestaterbrechtsverhältnis an; nach § 16 der Verordnung soll sich die Intestatsuccession „durchaus nach dem Zeitpunkte des Anfalls richten, indem Erwartungen und Hoffnungen, welehe das franz. Recht desends gab, mit dem, Eintritte anderer Gesetze erloschen sind und keineswegs als bereits erworbene Rechte betrachtet werden können." Hier ist der bremische Gesetzgeber ganz in

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In den einzelnen Provinzen des Königreichs H a n n o v e r wurde das französische Recht zu verschiedenen Zeiten aufgehoben; auch galten nicht für alle Provinzen dieselben intertemporalen Bestimmungen. Die Abweichungen rechtfertigen sich historisch durch die verschiedenen Arten der Einführungen des französischen Rechtes. 1 Es sind drei intertemporale Verordnungen zu unterscheiden, für A l t - H a n n o v e r vom 23. August 1814, für H i l d e s h e i m vom 14. April 1815 und für M e p p e n und E m s b ü r e n vom 13. September 1815. Die beiden letzteren stimmen der Hauptsache nach miteinander überein. Die erste Verordnung Zif. II enthält folgende, von ihr selbst allgemein genannte intertemporale Vorschrift: „Die, im Gefolge der fremden Legislation, unmittelbar avs dem Gesetz erwachsenen Rechte bleiben in der Regel dann gültig, wenn noch während der Unterbrechungszeit sämtliche Bedingungen eingetreten sind, an welche das fremde Gesetz die Erwerbung eines solchen Rechts knüpfte, dasselbe mithin schon vor Beendigung der Unterbrechungszeit vollständig erworben war, und die fortdauernde Wirksamkeit derjenigen Gesetze, auf deren Vorschriften die erworbenen Rechte sich gründeten, nicht die wesentlichste Bedingung der Fortdauer des Rechts ausmachte." 2 Die Regel ist subjektiv gefaßt, schließt der Lehre von den wohlerworbenen Rechten verfangen. Doch schadet sie hier wenigstens nicht, indem das Ergebnis mit der republikanischen Regel übereinstimmt, aber aus ganz anderen Gründen; s. oben § 53, S. 358. — J e n e Milderung zeigt sich auch beim Erwerb d i n g l i c h e r R e c h t e , welcher unter der Herrschaft des franz. Rechtes geschah; vgl. §§ 31 u. 32. — In ihrer vollständigen Reinheit kommt die ältere intertemporale Rechtsregel auch bei V e r t r ä g e n zur Geltung; nicht nur die Entstehungsthatbestände, sondern auch die A u f h e b u n g s t h a t bestände, selbst wenn sie erst unter der neuen Rechtsordnung eintreten, müssen sich nach der alten richten; vgl. §§ 20 und 22; vgl. noch §§ 19 und 23. Nur in Ansehung der V o r z u g s r e c h t e der G l ä u b i g e r ist der neuen Rechtsordnung eine größere Herrschaft eingeräumt; s. § 58, vgl. auch § 25. Doch auch hier ist die Billigkeit in hohem Grade berücksichtigt worden; s. BERGMANN, S. 541, Anm. 794. — Die Regelung der V e r j ä h r u n g steht mit der älteren intertemporalen Regel nicht im Widerspruch; s. § 33 a, b, d und § 34 c. Bemerkt sei noch, daß der bremische Gesetzgeber ganz korrekt bestimmt, daß in denjenigen Fällen, wo das neue Recht einen kürzeren Zeitraum für die Verjährung einer Klage annimmt, der bereits vor seinem Inkrafttreten abgelaufen sein würde, die Klage dennoch erst als mit dem Tage des Inkrafttretens verjährt betrachtet werden soll; vgl. oben § 53, S. 355 bei § 17 der sächsischen Publikationsverordnung. 1 Das Fürstentum H i l d e s h e i m war durch einen Friedensschluß abgetreten worden, auf Grund dessen die französisch-westfälische Gesetzgebung darüber herrschte. In den Kreisen M e p p e n und E m s b ü r e n führte ein d e u t s c h e r Fürst, der Herzog von Arenberg, das französische Recht ein (s. oben § 52, S. 329). Dagegen war in den althannoverischen Provinzen das fremde Recht zur Geltung gekommen, ohne daß sie der rechtmäßige Landesherr an Frankreich abgetreten hätte. Es war, wie der hannoversche Gesetzgeber bemerkt, „durch Übermacht aufgedrungen11. Wir können daher eine strengere Ausschließlichkeit für die a l t h a n n o v e r i s c h e n Provinzen erwarten als für Hildesheim, Meppen u. Emsbüren. 2 1. Verordn. Allgem. Vorschriften. Zif. I I . Vgl. Dr. T H . HAQEMA.NN, Sammlung der Hann. Landesverordn. 1814. S. 704 fg. Von der obigen Regel wird aber

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sich somit an die Theorie der wohlerworbenen Rechte an, zugleich aber auch noch an eine andere Lehre, welche zwischen Rechten unterscheidet, die unmittelbar aus dem Gesetze hervorgehen und solchen, welche auf Rechtsgeschäften beruhen. 1 Der Sinn der „Allgemeinen Vorschriften" geht dahin, daß die Ausflüsse der fremden und aufgedrungenen Rechtsordnungen grundsätzlich nichtig und die früheren Zustände wieder herzustellen sind, wenn die Verordnung nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt. Wir haben es hier mit einer r e s t i t u t i v e n oder radikalen Ausschließlichkeit zu thun, wie sie nur das kanonische Recht bei den gesetzlichen Auslegungen iuris divini kannte. 2 Die zweite und dritte Verordnung stellen folgende intertemporale Sätze auf: „Alle Verträge und einseitige Willens-Erklärungen, und die aus ihnen entstehenden Hechte und Verbindlichkeiten werden in Rücksicht — u) ihrer Entstehung und der dazu erforderlichen Form, — b) ihrer Auseine Ausnahme gemacht zu gunsten dritter Personen, denen jene Rechte nach der angestammten Rechtsordnung zugefallen wären. Zif. III bestimmt: „Die, während der Unterbrechungszeit, durch erlaubte freiwillige Handlungen und Verträge erworbenen Privatrechte bleiben gültig. Ihre Folgen und Wirkungen, insofern sie nach Unseren Gesetzen durch Privat- Willkür bestimmt werden konnten, mithin nicht den, in Unseren Gesetzen enthaltenen, Verboten entgegenstehen, sind auch ferner nach den fremden Rechten zu bestimmen, und ist bei deren Interpretation, bis zum Beweise des Gegenteils, rechtlich anzunehmen, daß die Parteien die Dispositionen der fremden Geseilte stillschweigend zum Grunde gelegt haben. Jedoch versteht es siek nach allgemeinen Rechts-Grundsätzen von selbst, daß alle solche Rechte nur in Hinsicht der Parteien gelten, welche bei deren Erwerbung konkurriert haben, und, weder der Landes-Verfassung, noch den sonstigen Gerechtsamen des Landesherrn, der Gutsherrschaft und sonstiger nicht beigetretener dritter Personen, nachteilig werden können." 1 S. unten III. Abschnitt. Zif. III enthält Bestimmungen über die letztere Gruppe von erworbenen Privatrechten. Zif. IV verleiht der neuen Rechtsordnung in Ansehung der Formvorschriften für Rechtsgeschäfte Ausschließlichkeit im Sinne der ersten Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart: „ . . . . und soll selbst, so oft der Wille und der gute Glaube der Interessenten außer Zweifel sind, die bloße Versäumung einer, nach den fremden Gesetzen erforderliehen, nach Unseren Gesetzen jedoch überflüssigen und unwesentlichen Förmlichkeit, der Gültigkeit des Geschäfts dann nicht entgegenstehen, wenn die durch Unsere Gesetze etwa vorgeschriebenen Förmlichkeiten beobachtet sind . . . " 2 S. oben § 2 5 , S. 160* Auch BERGMANN hat die Wirkung dieser Verordnung als eine g r u n d s ä t z l i c h e W i e d e r h e r s t e l l u n g des f r ü h e r e n Z u s t a n d e s erkannt; s. a. a. O., S. 454. Die Restitution wirkt selbst gegen rechtskräftige Urteile der Zwischenzeit; Zif. VI: „Rechtskräftige Erkenntnisse, die während der Unterbrechungszeit in Givilsachen abgegeben sind, bleiben in der Regel fernerhin gültig. Es sind auch die während der Unterbrechungszeit entschiedenen, aber noch nicht rechtskräftig entschiedenen, Prozesse, in höherer Instanz, lediglich nach den Grundsätzen zu beurteilen, welche in erster Instanz bei Entscheidung der Sache zum Grunde gelegt werden müssen. In dem durch den zweiten allgemeinen Grundsatz ausnahmsweise festgesetzten Falle sollen indessen selbst rechtskräftige, während der Unterbrechungszeit erlassene, Erkenntnisse ihre Kraft verlieren." AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

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legung, — c) der Fortdauer ihrer Wirkungen, insofern diese nicht gebietenden oder verbietenden Vorschriften des wieder einzuführenden Rechtes entgegen sind, und — d) ihrer Auflösung, insofern diese nicht Folge einer später hinzugekommenen Willens-Erklärung oder Handlung ist, nach denjenigen Gesetzen beurteilt, unter deren Herrschaft sie errichtet sind."1 Die subjektive Fassung der Gewährungsklausel geht aus diesem Satze hervor. Der Unterschied zwischen der ersten Verordnung und der zweiten und dritten besteht zunächst darin, daß die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte der alten Rechtsordnung den verbietenden neuen Gesetzen an sich nicht unterworfen sind, selbst wenn sie den Befugnissen d r i t t e r Personen nachteilig werden. 2 Während in der ersten Verordnung der Grundsatz aufgenommen wurde, daß die unter der alten (fremden) Rechtsordnung e r l a u b t e n Handlungen nur dann gültig sind, wenn sie den Geboten und Verboten des einheimischen Rechtes nicht widersprechen, so sind sie nach der zweiten und dritten einzig und allein nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen. Ein ähnlicher Unterschied besteht in Ansehung der D e l i k t e . Nach der ersten entscheidet die neue Rechtsordnung, nach der zweiten und dritten die alte. 3 1 Zweite Verord. § 6; dritte Verord. § 3 . S. HAGEMANN 1815 S. 187 fg. und S. 703 fg. Man vergleiche damit Art. 882, Abs. 3 des Schweiz. O.R., um zu erkennen, daß der hannoversche der republikanischen Rechtsregel näher steht, als der auf SAVIGNYS Lehre fußende schweizerische Gesetzgeber; s. oben § 52, S. 342. Ein anderer intertemporaler Satz allgemeiner Natur lautet: „Die rechtlichen Folgen aller erlaubten Handlungen, welche keine ausdrückliehe Willens-Erklärung enthalten, sowie der unerlaubten Handlungen, in Rücksicht ihrer bürgerlichen Wirkungen und anderer Ereignisse, an welche die Gesetze rechtliche Folgen geknüpft haben, werden in gleicher Art, wie § 6 vorgekommen, nach denjenigen Gesetzen beurteilt, unter deren Herrschaft sie begangen sind, oder sich zugetragen haben." zweite Verord. § 8, dritte Verord. § 5. Wie Zif. I der ersten Verord. gewährt § 9 der zweiten Verord. der neuen Rechtsord. Ausschließlichkeit in Ansehung der p e r s o n a l e n Rechtsverhältnisse. § 10 aber macht eine Ausnahme zu gunsten der ,,aus dem Personenstandeherfließenden Vermögens-Rechte,wenn sie durch WillensErklärungen der Beteiligten festgesetzt werden dürften"; zwingendes Recht erhält aber Ausschließlichkeit. Vgl. § 6 u. 7 der dritten Verord. * Allodifikationen der Lehen und Stamm- u. Fideikommisgiiter, die unter der fremden Herrschaft stattgefunden haben, können demnach unter der neuen Rechtsordnung in ihren Wirkungen fortbestehen; s. auch BERGMANN, a. a. 0., S. 460. — Aus dem zweiten angeführten Satze geht hervor, daß auch diejenigen Rechte, welche, wie die erste Verord. sich ausdrückt, u n m i t t e l b a r aus dem G e s e t z e e r w a c h s e n sind, regelmäßig bestehen bleiben. Eine Folge davon ist die Erhaltung der Freiheit der Bauerngüter von gutsherrlichen Rechten, die durch die fremde Gesetzgebung aufgehoben wurden, was nach der ersten Verord. unmöglich gewesen wäre. S. auch BERGMANN, a. a. O., S. 461. 3 Der in integrum restitutio des einheimischen Rechtes gewährt die zweite und dritte Verord. Ausschließlichkeit; s. jeweils §§ 7 u. 4. Dies liegt auch im Geiste der ersten Verord.; vgl. dazu noch § 30 derselben. — Im Folgenden wollen wir die b e s o n d e r e n intertemporalen Vorschriften der drei Verordnungen zur Darstellung bringen. Die erste Verord. behandelt den Stoff in fünf Abteilungen,

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Durch eine Verordnung vom 25. Juli 1814 wurde im Herzogtum Oldenburg und in der damit verbundenen Herrschaft J e v e r die Wiederdie zweite und dritte in vier. Für unsere Betrachtung fällt eine aus, welche den Prozeß betrifft. Die erste Abt. bezieht sich bei allen auf das intertemporale P e r s o n e n - und F a m i l i e n r e c h t . Das neue eheliche Personenrecht hat Ausschließlichkeit; s. §§ 50 und 47 der zweiten und dritten V. Für die erste versteht sich dies von selbst; vgl. außerdem § 48 derselben. Von restitutiver Ausschließlichkeit sind §§ 37 u. 38 ..der ersten V., wonach aus allen nicht von den Beteiligten freiwillig gelösten Eheverlöbnissen vor und während „der Unterbrechungs-Periode" selbst gegen r e c h t s k r ä f t i g e r g a n g e n e U r t e i l e eine Klage auf „Heirats- Vollziehung" oder wenn von einem der Beteiligten „sehon eine andere Ehe wirklieh geschlossen wurde, eine Entschädigungs-Forderung vorbehalten bleibt." Vgl. dazu §§ 51 und 48 der zweiten und dritten V., wonach jene „nur eine vollständige Entschädigungs-Forderung .gegen den die Vollziehung der Ehe weigernden Verlobten begründen." Von einem Bruch der abgeurteilten Sache ist hier keine Rede. — Die alte Rechtsordnung bleibt maßgebend für ihre Eheschließungen, „insofern die jetzt wieder eingeführten vaterländischen Gesetze deren Fortdauer nicht verbieten"; § 46 Abs. 1 der zweiten und § 43 Abs. 1 der dritten V.; Abs. 2 verlangt aber eine Nachholung der priesterlichen Trauung. S. noch jeweils §§ 48 u. 45, wonach Ehen zwischen Juden und Christen aufrecht bleiben; dagegen § 33 gegen Ende der ersten, wonach sich der Gesetzgeber Verfügungen darüber v o r b e h ä l t . Kirchliche Ehen konvaleszieren unter der neuen Rechtsordnung; erste V. § 35; zweite § 47; dritte § 44: erste Möglichkeit der zweiten intertemporalen Rechtsregel des neueren intertemporalen Regelpaares innerhalb der ersten Spielart. — Die Ehe muß nach allen drei V.V. materiell und formell nach der n e u e n Rechtsordnung beurteilt werden, „wenngleich alle vorbereitenden Handlungen in Gemäßheit des französischen Civilgesettbueh.es geschehen sein sollten." — Alle drei V.V. gewähren dem neuen S c h e i d u n g s r e c h t r e s t i t u t i v e Ausschließlichkeit in dem Falle, daß Scheidungsgründe v o r dem franz. Rechte eingetreten sind. „Eine von dm, unter der Autorität der Usurpatoren, in Beziehung auf deren Legislation geschehene rechtskräftige Zurückweisung steht solchen Klagen ebensowenig entgegen, als die Beruhigung des Klägers während der Unterbrechungszeit, sondern nur ein völlig freiwillig geschlossener Vergleich oder sonst erhellende Condonation." Erste V. § 39 u. 41; zweite § 52; dritte § 49. Aber auch „Thatumstände, die sich während der Unterbrechungsxeit zugetragen haben, sollen einen Orund der Ehescheidung nur abgeben können, als sie von Unseren Gesetzen dafür erklärt werden." Erste V. § 40; zweite § 52 II; dritte § 49 II. Nach der ersten V. ist eine Scheidung wegen eines früheren Thatbestandes auch dann zulässig, wenn nar die neue Rechtsordnung es gestattet; während die beiden anderen V.V. a. a. O. verlangen, daß auch d i e Rechtsordnung, unter welcher der Thatbestand eintrat, ihn als Ehescheidungsgrund anerkennen muß. Es ist auffallend, daß der Grundsatz der ersten V., die v o n H a u s a u s ihrer historischen Entstehung nach der Ausschließlichkeit zugethan ist, von GIERKE, Privatrecht § 24 Anm. 24 als u n b e s t r i t t e n r i c h t i g hingestellt wird, während vom Standpunkt der älteren Regel deijenige der beiden anderen V.V. als einzig korrekt vorzuziehen ist. Dieser wird auch von den preußischen intertemporalen Patenten von 1814 und 1816 anerkannt. In Ansehung des e h e l i c h e n G ü t e r s t a n d e s bestimmt zwar § 44 der ersten V., daß die „Eheberedungen" der alten Rechtsordnung bestehen bleiben und nach ihr zu beurteilen sind; dagegen soll „die gesetzliche Gütergemeinschaft des art. 1400 des Codex gänzlich damit aufgehoben sein, und sollen dergleichen eheliche Verbindungen, in Beziehung auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten, so angesehen werden, als ob sie onnoch vor dem Eintritt der Unterbrechungszeit, ohne daß eine 24*

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einführung des einheimischen Rechtes einer genauen intertemporalrechtEhestiftung dabei errichtet, eingegangen wären"; § 45. Den Eheleuten bleibt es aber „unbenommen, durch besondere erlaubte Stipulationen fernerweile Verabredungen,, in Beziehung auf ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen, zu t r e f f e n § 46. § 47 schützt noch zwei Jahre die Rechte Dritter. — Die zweite und dritte V.V. folgen, wie zu erwarten, den Spuren der a l t e n Rechtsregel; § 56 bez. § 53 enthalten die Gewährungsklausel zu gunsten des Art. 1400 des Code. Jedoch können die Eheleute, entgegen der alten Rechtsordnung, durch Verträge den gesetzlichen Güterstand abändern; §§ 57, 58 bez. §§ 55, 56. — „Legitimationes per subsequms matrimonium sollen auch dann gültig sein, wenn nur diejenigen Erfordernisse vorhanden sind, welche Unsere Gesetze vorschreiben." Erste Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in der ersten Spielart. § 8 der ersten V. — Die personalen wie realen Wirkungen des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern unterliegen der neuen Rechtsordnung nach allen V.V. Für die u n e h e l i c h e n Kinder bestimmen sie, daß sie gemäß der neuen Rechtsordnung s e l b s t f ü r die V e r g a n g e n h e i t vom außerehelichen Vater Unterhalt verlangen können r e c h t s k r ä f t i g e r U r t e i l e u n g e a c h t e t , „insofern selbige den Schwängerer lediglich nach den Grundsätzen des fremden Rechtes freigesprochen haben sollten." Erste V. §§ 10, 11; zweite und dritte § 19 bez. § 16. Für die V o r m u n d s c h a f t bestimmen alle drei übereinstimmend, daß diejenigen Personen, welche nach fremden Rechten durch das 21. Lebensjahr oder durch Emancipation denselben entzogen waren, unter die Vormundschaft des einheimischen Rechtes zurücktreten sollen, dafern sie nicht sofort. Volljährigkeitserklärung erwirken. Erste V. §§ 14, 15, 17; zweite §§ 24, 25, 28; dritte §§ 21, 22, 25. Die zweite Abteilung bezieht sich auf d i n g l i c h e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e , Veijuhrung, Erbfolge, einige Kontrakte und Vorzugsrechte. § 59 bez. § 58 der zweiten und dritten V. verleihen dem Nachbarrecht der neuen Rechtsordnung Ausschließlichkeit. „Die schon gemachten Bauten und Pflanzungen bleiben jedoch der Bestimmung derjenigen Gesetze unterworfen, unter deren Herrschaft sie gemacht sind." Nach §§ 60 und 59 a. a. 0. werden „die persönlichen und Real-Servituten, welche dureh Willens-Erklärungen oder Handlungen erworben sind, in Rücksicht ihrer Entstehung, Ausübung und Erlöschung, den übrigen Rechten gleich, nach denjenigen Gesetzen bestimmt, welche zur Zeit der Erwerbung Gültigkeit hatten." „Die notwendigen Servituten werden erst durch ein rechtskräftiges Erkenntnis erworben. Wo dieses noch nicht vorhanden ist, wird diese Art von Servituten nach den Vorschriften des gemeinen Rechts, von dessen Wiedereinführung an gerechnet, bestimmt"; (§§ 62 u. 61 a. a. 0.). Für die republikanische Regel tritt § 67 a. a. O. ein: „Bei beweglichen Sachen, mit Ausnahme der verlorenen und gestohlenen, deren Besitz während der Dauer der gesetzlichen Kraft des Givilgesetzbuehes erworben ist, vertritt auch ferner der Besitz die Stelle eines rechtmäßigen Erwerbungsgrundes. Nur verlorene und gestohlene Sachen können binnen drei Jahren vom Eigentümer vindieiert werden.." Ebenso § 65 a. a. 0. „Die Verbindlichkeit des Nutznießers, Kaution zu bestellen, wird nach den Gesetzen beurteilt, unter welchen das Nießbrauchs-Recht entstanden ist." — Bei der V e r j ä h r u n g geht die erste V. von dem Gedanken aus, daß die französischen Grundsätze k e i n e W i r k u n g haben sollen: „Diejenigen Verjährungen, welche vor oder während des Eindringens der fremden Gesetze ihren Anfang genommen haben, oder während der Unterbrechungszeit vollendet sind, sollen lediglich nach Unseren Rechten beurteilt werden. Auf diejenigen Verjährungen hingegen, für welche in den fremden Gesetzen eine kürzere Verjährungszeit bestimmt ist, als in Unseren Gesetzen, soll sich niemand selbst dann nicht berufen dürfen, wenn auch diese kürzere Verjährungsfrist, während der Zwischenzeit, nach den fremden Gesetzen wirklich abgelaufen sein sollte, es sey denn, daß darauf bereits ein Vertrag oder rechts-

§ 54. Das int. Privatrecht n. Aufhebung d. Fremdherrschaft i. Deutschland.

liehen Regelung unterworfen.

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Sie unterscheidet der Sache nach wie jene

kräftiges Urteil begründet wäre. Ebensowenig kann die Verjährung, während der Unterbrechungsxeit, gegen Klagen laufen, die naeh Unseren Rechten zulässig, in den fremden Gesetzen aber reprobiert und für unstattkaft erklärt waren." Ähnlich das hamburgische Recht; s. oben S. 366, n. 4. Die zweite und dritte V. stehen auf dem Standpunkt der republikanischen Eegel in ihrer billigeren und korrekteren Auffassung. „Diejenigen Verjährungen, welche unter der bisherigen Gesetzgebung schon vollendet sind, behalten ihre gesetzlichen Wirkungen, wenn auch die daraus entspringenden Rechte oder Einwendungen erst später geltend gemacht worden" (§ 66). Extinctiv„Die nach dem französischen Civil-Gesetzbuche noch nicht vollendeten Verjährungen werden dagegen, in Rücksieht ihrer Zulässigkeit und des erforderlichen Zeitlaufs, nach denjenigen Gesetzen beurteilt, welche zu der Zeit Gültigkeit hatten, als das Recht, welches durch Extinktivverjährung aus dem Wege geräumt werden soll, entstand" (§ 70). Ausschließlichkeit legt sich die neue Rechtsordnung nur bei in Hinsicht auf „die noch nicht vollendeten Acquisitiv-Yerjährungen sowohl in Rücksicht ihrer Erfordernisse, als aueh der Zeit des zu ihrer Vollendung erforderlichen Besitzes" (§ 68). „In den Fällen jedoeh, in welchen das französische Oivilgesetzbuch die Erwerbung durch Verjährung für unzulässig erklärt hat, — wie z. B. bei den ununterbrochenen, nicht in die Augen fallenden, und bei allen unterbrochenen Servituten, — kann die Verjährungsfrist erst von der Wiedereinführung des gemeinen Rechts angerechnet werden." Auf die dem hannoverschen Gesetzgeber eigene Unterscheidung zwischen Extinktivund Aquisitivverjährung werde ich im dogmat. Teile zurückkommen. Für T e s t a m e n t e wird in allen drei V.V. der älteren Regel gemäß bestimmt, daß sie nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden sollen, w e n n d e r T e s t a t o r s c h o n w ä h r e n d i h r e r D a u e r v e r s t o r b e n i s t (§ 65 bez. § 71). Nur die erste V. macht Ausnahmen zu gunsten Dritter, denen nach einheimischen Rechten nicht geschadet werden durfte und zu gunsten des Unterthanen, dem „wegen ihm gemangelter Eigenschaft eines Staatsbürgers des französischen oder sogenannten westfälischen Reichs, oder wegen eines ihn, im Sinn des französischen Gesetzes betroffenen bürgerlichen Todes, die Befugnis zu testieren oder zu aquirieren, streitig gemacht wäre." Diese Bestimmungen wurden auf Schenkungen unter Lebenden ausgedehnt; §§ 67 u. 69. Stirbt der Testator unter der neuen Rechtsordnung, so gilt nach allen V.V. die alte Rechtsordnung für die Form: § 72. Nur die holographischen Testamente behalten nach § 73 der ersten V. Kraft .bloß für die nächsten sechs Monate. Der „wesentliche Inhalf' der Testamente unterliegt aber nach der ersten V. der n e u e n Rechtsordnung; § 72. Die zweite und dritte V.V. stehen grundsätzlich auf dem korrekten Standpunkt, daß auch der I n h a l t nach der a l t e n R e c h t s o r d n u n g zu beurteilen ist und ebenso die Fähigkeit, zu testieren und zum Erben eingesetzt zu werden. Der neuen Rechtsordnung werden aber Einräumungen gemacht in den §§ 73, 75, 77; § 78 mit der Einschränkung des § 79: „Ist dieses (das neue Recht) das wieder einzuführende römische Recht: so soll jedoch dem heredi suo nicht das Recht verstattel seyn, das Testament, wegen der darin geschehenen Präterition oder ungegründeter Exheredation, durch die im römischen Rechte gegebene querelam nullitatis oder querelam inofficiosi testamenti anzugreifen; sondern er soll nur seinen Pflichtteil, oder dessen Ergänzung, gegen die eingesetzten Erben einzuklagen berechtigt seyn." Diese Einschränkung ist völlig zutreffend; denn gemäß der älteren römischen Regel ist das f o r m e l l e Noterbrecht nach der Rechtsordnung zur Zeit der T e s t a m e n t s e r r i c h t u n g , dagegen das m a t e r i e l l e Noterbrecht oder das Pflichtteilsrecht nach der Rechtsordnung zur Zeit des T o d e s . § 75 bestimmt: „Die Fähigkeit, zum Erben eingesetzt zu werden, muß der Erbe sowohl in dem Zeitpunkte der Errichtung des Testaments, als aueh des Todes des Erblassers, und folglich nach den Vorschriften

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für die althannoverischen Provinzen zwischen aus Gesetzen unmittelbar sowohl des französischen Civil-Gesetzbuches, als auch des wieder einzuführenden gemeinen Rechts besitzen.'1 Nach der älteren römischen Regel wäre nur der Zeitpunkt der E r r i c h t u n g maßgebend. Die Abänderung, Zurücknahme und Publikation der bereits errichteten Testamente geschieht, vom Tage der Wiedereinführung des gemeinen Rechts an gerechnet, nach den in diesen enthaltenen Vorschriften; §§ 80, 81 der zweiten und dritten V.; erste V. § 75. Die strenge Polgerung des alten republikanischen Grundsatzes verlangt, daß auch das weitere Schicksal des Testamentes nach der alten Rechtsordnung zu beurteilen wäre. — Nicht im Widerspruch mit der richtig verstandenen republikanischen Rechtsregel ist die Bestimmung, daß die Rechte der Intestaterbfolge nach der Rechtsordnung beurteilt werden, welche z u r Z e i t d e s T o d e s des Erblassers gilt; erste V. § 78; zweite und dritte V. § 85; vgl. dazu die Einschränkung zu gunsten dritter Personen, welche nach einheimischem Rechte eine durch Privatwillkür nicht zu entziehende Befugnis gehabt haben würden; erste V. Zif. I I , VI und § 78. Ganz korrekt bestimmt auch § 84 der zweiten und dritten V., daß „ S c h e n k u n g e n unter Lebendigen in Rücksicht der Fähigkeit des Schenkgebers und Schenlcnehmers, der Form des den Noterben unverkürzt zu lassenden Pflichtteils, und der Gründe ihrer Revokation" nach der Rechtsordnung der Zeit der E r r i c h t u n g beurteilt werden müssen. — Bei V e r t r ä g e n richtet sich die Beurteilung der F o r m nach der Rechtsordnung zur Zeit des Abschlusses; erste V. Zif. III, IV. Nach ihrem I n h a l t e werden aber gemäß der ersten V. Zif. III die hinfallig, welche gegen ein Verbot der neuen Rechtsordnung verstoßen (restitutive Ausschließlichkeit). Dagegen gelten nach § 94 der zweiten und dritten V. die Verbote des Sc. Macedonianum, Velleianum und der Auth. si qua mulier für die unter der Herrschaft des französischen Rechts abgeschlossenen Verträge n i c h t . — Alle drei Verordnungen gewähren der neuen Z i n s o r d n u n g Ausschließlichkeit; § 79 bez. § 87. „Bis zu gedachtem Tage aber werden alle Zinnen nach den bis dahin gegoltenen Vorschriften berechnet. Die rückständigen müssen also, bis dahin, nach dem, bisherigen Zinsfuß bezahlt und die schon bezahlten höheren Zinsen können nicht zurückgefordert werden"; § 88 der zweiten und dritten; ähnlich § 80 der ersten. Dasselbe gilt für den a n t i c h r e t i s c h e n Besitz eines Grundstückes; §§ 81 bez. 89. — § 90 der zweiten und dritten V. bestimmt: „Bei Pachtkontrakten wird die Dauer der stillschweigenden Relokition nich denjenigen Oeselzm bestimmt, welche xur Zeit des Ablaufs des Pachtkontrakts, der durch die Relokation fortgesetzt werden soll, Gültigkeit haben." Darin muß eine Verletzung der älteren Regel gefunden werden, denn die relocatio tacita ist kein neuer selbständiger Thatbestand, sondern eine Weiterung des Hauptvertrags. Im Gegensatz zum badischen Gesetzgeber (s. oben § 52) bestimmt korrekt § 92 a. a. 0 . : „Die Rescission der Verträge wegen enormer Verletzung wird nach den Gesetzen beurteilt, welche zur Zeit der geschlossenen Verträge hatten." Dagegen lauten §§ 91 u. 93 zu gunsten der neuen RechtsGültigkeit ordnung. — Von besonderer Wichtigkeit sind die intertemporalen Vorschriften über die V o r z u g s r e c h t e d e r G l ä u b i g e r . Hier macht sich der Umstand bemerkbar, daß wir es mit drei aufeinander folgenden Rechtsordnungen, also mit einer Zwischengesetzgebung zu thun haben. Die erste Verordnung stellt sich, offenbar in der Absicht, die Gläubiger nicht zu täuschen, auf den Boden der republikanischen Regel. Die unter der Rechtsordnung I gültig entstandenen Vorzugsrechte bleiben aufrecht, trotz den von der Rechtsordnung II vorgeschriebenen Förmlichkeiten: media tempora non nocent; § 62; s. auch § 59 a. E. u. § 60 a. E. — Die in der Zeit der Rechtsordnung II erworbenen Rechte bleiben bestehen, § 63; jedoch werden die Inskriptionen nicht nach der Strenge des fremden Rechtes beurteilt; vgl. noch §§ 56 u. 57, wonach eine Art Metamorphose der französischen Vorzugsrechte in solche des gemeinen Konkursrechtes stattfindet. — Wie zu

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f l i e ß e n d e n und auf Grund eines Titels erworbenen Rechten.1 Ein Vergleich dieser Verordnung mit jener ersten hannoverischen zeigt aber, daß in den einzelnen Bestimmungen die alte Rechtsordnung mit ihren Geschöpfen teilweise in weitergehendem Maße erhalten wird.2 erwarten, stehen auch die beiden anderen Verordnungen zur Regel: „Sämtliche Vorzugsrechte und Hypotheken werden auch in Zukunft sowohl in Ansehung der Gültigkeit ihrer Entstehung als auch ihrer Fortdauer, ihrer Wirkungen, und der Art ihrer Löschung, lediglieh nach denjenigen Gesetzen beurteilt, welche xur Zeit ihrer Entstehung Gültigkeit hatten; s. § 102. Damit hat sich der hannoversche Gesetzgeber ein bleibendes Verdienst um das intertemporale Privatrecht erworben, indem die meisten anderen Gesetzgeber hierin ohne genügenden Grund der neuen Rechtsordnung Ausschließlichkeit verleihen; s. oben § 52 S. 340 und 344 und UDten S. 382. Die dritte Abteilung enthält intertemporale Bestimmungen über „Lehne, Fideikommisse, Aufhebung und Ablösung gutsherrlicher Rechte." Davon sei nur soviel bemerkt, daß die erste V. von ihrem Standpunkt aus mit Recht die aufgedrungenen Veränderungen regelmäßig für nichtig erklärt (restitutive Ausschließlichkeit); §§94—116; während die zweite und dritte V. den vollendeten oder auch nur begonnenen Thatbeständen der alten Rechtsordnung die Anerkennung nicht versagten; §§ 109—121. 1 § 2: „Es nehmen . . . . alle aus dm französischen Gesetzen unmittelbar fließenden Rechte und Verbindlichkeiten, vorbehaltlich dessen, was Kraft des Titels solcher Rechte früher erworben ist, ein Ende, und es treten von da an die aus den wiederhergestellten Gesetzen und Gewohnheiten entspringenden Rechte an deren Stelle. Dahingegen bleiben alle, zunächst aus Handlungen, einseitigen oder vertragsmäßigen, erlaubten oder unerlaubten, die erweislich während des Bestandes der franz. Gesetze nach Bestimmung derselben vorgegangen sind, mithin auch alle aus rechtskräftigen Urteilen entstandenen Privatrechte einem Jeden auch in Zukunft selbst in demjenigen gesichert, was sie den Verfügungen des wiederhergestellten Rechts zuwider enthalten, es mag bereits daraus geklagt sein oder nicht. Auf der anderen Seite sollen aus Handlungen, die während der Dauer der franz. Gesetze entstanden sind, und denen diese Gesetze keine rechtliche Wirkung beilegen, durch Wiederherstellung der alten Gesetze keine Ansprüche von neuem erwachsen. Dieser Grundsatz soll unter folgenden Modifikationen uad Bestimmungen Anwendung finden." ' Der I n h a l t der Rechtsgeschäfte wird ganz der alten Rechtsordnung überlassen; s. § 10 der Verordnung. Das Interesse Dritter, denen nach einheimischem Rechte nicht hätte geschadet werden dürfen, wird gegen die Erwerbungen, welche in der Zeit des französischen Gesetzes geschehen sind, durch keine allgemeine Regel in Schutz genommen. Rechtskräftige Urteile bleiben aufrecht; s. § 11. Nach § 5 der Verordnung soll die e r l a n g t e V o l l j ä h r i g k e i t ihre Wirkungen behalten gemäß der älteren intertemporalen Rechtsregel. Damit stellt sich der oldenburgische Gesetzgeber auf die Seite der Mehrheit und des Rechtes; s. unten S. 378, n. Dagegen giebt § 6 in einem wichtigen Punkte der neuen Rechtsordnung Ausschließlichkeit: Die während der Herrschaft des französischen Rechts o h n e Errichtung von Ehepakten verheirateter Eheleute treten unter das G ü t e r v e r h ä l t n i s , welches die w i e d e r h e r g e s t e l l t e n Gesetze an den Stand und Wohnort knüpften, worin sie sich zu der Zeit befinden, wenn sie nicht bis zum 1. Oktober 1814 andere zulässige vertragsmäßige Bestimmungen errichten. Jedoch ist diese Ausschließlichkeit zu entschuldigen, da bei der kurzen Dauer des aufgedrungenen Rechts bei den unter ihm verheirateten Personen die Kenntnis des Inhalts und die Absicht, sich ihm stillschweigend zu unterwerfen, gar nicht vorauszusetzen war. Vgl. RUNDE, Deutsches eheliches Güterrecht, S . 220. — Wichtig sind die inter-

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Auch in P r e u ß e n bedurfte es bei der Wiedereinführung des A.L.R. in die vom Mutterlande abgetrennten und mit ihm wieder vereinigten Provinzen einer intertemporalen Regelung. Der preußische Gesetzgeber nahm den völkerrechtlich korrekten Standpunkt ein, daß das fremde Recht infolge der Friedensschlüsse r e c h t m ä ß i g in die abgetretenen Provinzen eingeführt wurde und es daher intertemporal so zu halten sei, als ob eine alte Rechtsordnung aufgehoben und eine neue eingeführt werden solle. Das neue „Patent wegen Wiedereinführung des Allgemeinen Landrechts und der Allgemeinen Gerichtsordnung in die von den Preußischen Staaten getrennt gewesenen, mit denselben wieder vereinigten Provinzen vom 9. September 1814" schließt sich eng an dasjenige vom 5. Februar 1794 und an die intertemporalen § § 1 4 — 2 0 der Einleitung des A.L.R. an. 1 temporalen Bestimmungen über die V o r z u g s r e c h t e d e r G l ä u b i g e r . Wie der hannoversche in der zweiten und dritten V., so hat auch der oldenburgische Gesetzgeber das Verdienst, das richtige Prinzip eingehalten zu haben; s. die Hypotheken-, Konkurs- und Vergantungsordnung für daH. Oldenburg vom 11. Oktober 1814; §§ 114—123. Allerdings wird verlangt, daß die unter dem fremden Rechte erworbenen Vorzugsrechte sechs Monate eingetragen werden müssen. S p e z i a l hypotheken der alten Rechtsordnung werden als Generalhypotheken der jetzt wieder geschlossenen Bauerngüter aufrecht erhalten. 1 So stimmt insbesondere § 3 des neuen mit Zif. VIII des alten überein; ebenso § 12 mit Zif. XVII (Verjährung). Ausschließlichkeit legt sich die neue Rechtsordnung in Ansehung der Vorzugsrechte der Gläubiger bei; s. § 15. Dagegen wird die unter dem fremden Rechte erlangte V o l l j ä h r i g k e i t anerkannt; 14. Die Formen der letztwilligen Verfügungen sollen nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden; § 6. Diese korrekte Bestimmung wird aber sofort wieder beschränkt durch § 7 Abs. 1, daß nur bis zum Ende des Jahres 1815 die Gültigkeit der französischen Formen daure, sofem nicht nachgewiesen werden kann, daß der Testierer während des ganzen Jahres 1815 nicht im stände gewesen, ein Testament nach den Vorschriften des A.L.R. zu errichten; § 7 Abs. 2. Hier kommt wieder die Fellinische intertemporale Säumnisstrafe zum Vorschein, die wir bereits oben in § 46, S. 294 beurteilt und verworfen haben. Der I n h a l t der Testamente unterliegt der neuen Rechtsordnung, während nach Zif. XII des P.P. von 1794 auch der Inhalt der alten Rechtsordnung unterliegt; s. oben S. 210. Damit macht der preußische Gesetzgeber einen Rückschritt, indem er die Regel ohne ersichtlichen Grund verletzt. Dagegen nähert sich ihr § 9, wonach für das rechtliche Verhältnis der E h e l e u t e die zur Zeit der geschlossenen Ehe herrschende Rechtsordnung maßgebend, mit Ausnahme der Ehescheidung. Aber auch da bestimmt er intertemporal korrekt, daß die Scheidung nicht auf Thatsachen gegründet werden könne, „welche sieh früher ereigneten und die das damals geltende Gesetz nicht für einen Ehescheidungsgrund geachtet hat." Für die gesetzliche Erbfolge der Ehegatten gewährt er das intertemporale Optionsrecht, § 11 dagegen verleiht dem A.L.R. Ausschließlichkeit in Ansehung der unter der alten Rechtsordnung geborenen unehelichen Kinder im Sinne der ersten Möglichheit der zweiten Rechtsregel des neueren intertemporalen Regelpaares in der ersten Spielart; s. oben § 12, S. 91 fg. Jedoch ist die Ausschließlichkeit keine restitutive wie nach der ersten hannoverschen Verordnung. Ein merkwürdiges litterarisches Schicksal hatte § 13 des neuen Patentes. Derselbe legte der neuen Rechtsordnung für die vertragsmäßigen Zinsen Ausschließlichkeit bei. SAVIGNY VIII, S. 437 verwarf diese Ausschließlichkeit, wie er auch die des Justinianischen Zinsgesetzes als der allgemeinen Regel widersprechend verwarf; s. oben § 12, S. 87. G I E R K E a. a. 0 . § 24 Anm. 20

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Preußen hatte auch später Gelegenheit zu intertemporalen Bestimmungen, die sich aber im großen und ganzen dem alten und neuen Patente anschlössen.1 In den übrigen deutschen Ländern geschah die Wandelung der Rechtsordnung, ohne daß eingehende intertemporale Verordnungen darüber erlassen wurden.2 führt den § 13 als preuß. Gesetz bei Sav. an; auch er meint, daß an sich das Gegenteil gelte. Dies ist richtig. Die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit war für den preuß. Gesetzgeber nicht in dem Maße wie für Justinian vorhanden. 1 Patent wegen Wiedereinführung der Preußischen Gesetze in das Großherzogtum Posen. Vom 9. November 1816 (24 Paragraphen). — Patent wegen Einführung des Allgemeinen Landrechts in die mit den Preußischen Staaten vereinigten ehemals Sächsischen Provinzen und Distrikte. Vom 15. November 1816 (23 Paragraphen). — Patent wegen Publikation des Provinxialreehts für Westpreußen. Vom 19. April 1844 (10 Paragraphen). — Gesetz wegen Aufhebung der im Herzogtum. Schlesien und der Grafschaft Glatz geltenden besonderen Rechte über die eheliehen Güterverhältnisse und die gesetzliche Erbfolge. Vom 11. Juli 1845 (8 Paragraphen). — Gesetz betreffend die Einführung des Westpreußischen Provinxialreehts in die Stadt Danzig und deren Gebiet. Vom 16. Februar 1857 (XI Artikel). — Gesetz, betreffend das eheliche Güterrecht in der Provinz Westphalen und den Kreisen Rees, Essen und Duisburg. Vom '16. April 1860. § 22 anerkennt rückhaltlos die ältere Rechtsregel: „Die aus Ehen, welche vor der Gültigkeit des gegenwärtigen Gesetzes geschlossen worden sind, bereits entstandenen oder noch entstehenden vermögensrechtlichen Verhältnisse sind nicht nach diesem Gesetze, sondern noch ferner nach den bisherigen Gesetzen, Statuten und Gewohnheiten zu beurteilen"'. — Gesetz wegen Aufhebung des Preußischen Landrechts vom Jahre 1721 und der Instruktion für die Westpreußische Regierung vom. 21. September 1773 in den zu der Provinz Posen gehörenden Landesteilen. Vom 5. Juni 1863 (VI. Artikel). — Gesetz, wegen Aufhebung des Preußischen Landrechts vom Jahre 1721 und der Instruktion für die Westpreußische Regierung vom 21. September 1773 in den jetzt zu der Provinz Pommern gehörenden vormals Westpreußischen Landesteilen. Vom 4. August 1865 (VII. Artikel). — Endlich das Gesetz, betreffend die Aufhebung einiger, in einem. Teile Westpreußens noch geltenden Bestimmungen der Instruktion für die Westpreußische Regierung vom 21. September 1773. Vom 5. Februar 1869. Artikel III lautet: „Das Verhältnis derjenigen Eheleute, welche sich vor dem 1. April 1869 verheiratet haben, soll in Ansehung der Rechte und Pflichten unter Lebendigen, sowie der Grundsätze über die Vermögensauseinandersetzung bei Trennung der Ehe durch richterliches Erkenntnis, nach den Gesetzen, welchen die Eheleute zur Zeit der geschlossenen Ehe unterworfen waren, bestimmt werden. Bei der JSrbfolge hingegen, insofern dasselbe nicht auf Verträgen oder letztwilligen Verfügtmyen oder letztwilligen Verordnungen beruht, soll der überlebende Ehegatte die Wahl haben, ob er nach den zur Zeit der geschlossenen Ehe geltend gewesenen Gesetzen oder nach den Vorschriften des Allgemeinen Lnndrechts erben wolle" (Imtertemporales Optionsrecht). ' In A n h a l t - K o t h e n regelte die Wandelung eine Verord. vom 24. Oktober 1812, § 2 sagt: „Es darf nach den fremden Gesetzen nicht weiter als in denjenigen Fällen, wo von Geschäften und Handlungen, welehe während der Zeit der Gültigkeit derselben darnach geschlossen worden, sind, die Frage ist, erkannt werden". Lobenswert ist die objektive Fassung diesier intertemporalen Klausel. — Ähnlich lautet die o r a n i s c h e Verord. zu D i l l e n b u r g vom 20. Dezember 1813, § 3: „Alle Erkenntnisse und Entscheidungen in .Rechtssachen, alle Verträge, Urkunden, letzte

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Zwischen den Jahren 1803—1810 erwarb W ü r t t e m b e r g Gebiete mit fremdem Rechte. Man hatte die Absicht, das württembergische Willensordnungen, Hypotheken, die seit dem 31. Juli 1806 (bis 1. Januar 1814) auf gesetxliche Weise gegeben, geschlossen, aufgesetzt und eingetragen worden, behalten ihre Kraft. Dies gilt überhaupt von allen Rechtsgeschäften, die seit dieser Zeit auf rechtsgültige Art vorgenommen worden, und von allen Rechtsverhältnissen, welche in diesem Zeiträume auf rechtmäßige Weise entstanden sind,'1. — In H e s s e n - K a s s e l erschienen einige besondere Gesetze vom 18. Januar 1814 und 5. September 1815 mit restitutiver Ausschließlichkeit; sie vernichteten die Allodifikationen der landesherrlichen Lehen. Eine Verordnung vom 10. April gewährte dem einheimischen Vormundschaftsrecht die Ausschließlichkeit und entzog im Gegensatz zu der Mehrheit der Gesetzgeber die unter dem franz. E. erlangte V o l l j ä h r i g k e i t denjenigen Personen, welche noch nicht das 25. Jahr vollendet hatten. — Die b r a u n s c h w e i g i s c h e Verord. vom 15. Januar 1814 enthält in § 9 die Bestimmung: „Alle xur Entscheidung der Gerichte kommenden Gegenstände werden nach denjenigen Rechten beurteilt, welche xu der Zeit Gesetieskraft hatten, als das Geschäft, von welchem die Rede ist, seine Entstehimg erhielt(objektive Fassung). Intertemporal korrekt bezeichnet eine Verord. vom 15. Februar 1814 als eine Folge des Verbotes der rückwirkenden Kraft, daß die unter dem Code erlangte V o l l j ä h r i g k e i t auch unter der neuen Rechtsordnung aufrecht bleibe. Braunschweig steht also auf Seite des Rechtes und auch der Mehrheit. Die Ansicht B E R G M A N N S , daß das allgemeine römische Prinzip den Schutz der erworbenen Volljährigkeit nicht einmal gefordert haben würde, a. a. 0. Anm. 857, ist, wie oben schon bemerkt, völlig unzutreffend. — Im Königreich H a n n o v e r wurde in den neu erworbenen Landesteilen preußisches und hessisches Recht zum Teil beibehalten, durch die Verfassungs-Urkunde der Stadt Goslar vom 10. Junius 1816 aber in G o s l a r das preußische Recht mit dem 1. Juli 1816 aufgehoben; § 2, § 3 lautet: „Wir behalten Uns jedoch dabei vor, die künftigen Rechtsverhältnisse der Stadt Goslar durch ein für dieselbe besonders erlassendes transitorisches Gesetz näher xu bestimmen". Dieses Gesetz ist, meinen ergebnislosen Forschungen nach zu schließen, nie erlassen worden. — In K u r h e s s e n wurde am 10. Januar 1814 ein RegierungsAusschreiben zur „ Wiederherstellung der vaterländischen Rechtsverfassung11 erlassen, jedoch ohne intertemporale Bestimmungen. Nr. 1 lautet: „Das, während der feindlichen Besetzung der kurhessischen Lande, aufgedrungene Civil-Gesetibuch, und die darauf Bexug habenden Anordnungen sollen vom Tage der Rundmachung dieses Ausschreibens an ihre Kraft verlieren, und an deren Stelle die in Kurhessen vor dem 1. November 1806 bestandenen Rechte wieder eintreten". Dagegen enthält das Regierungs-Ausschreiben vom 20. April 1814 die Wiederherstellung des vaterländischen Vormundschaftswesens betreffend, eine intertemporale Bestimmung; § 5 „Da übrigens mehrere Individuen nach den xuletxt bestandenen fremden Gesetzen mit dem einundzwanxigsten Jahre ihre Volljährigkeit erreicht haben, und xwar zur freien GüterVerwaltung gelangt sind, dermal jedoch, insoweit sie nicht das fänfundxwanxigste Jahr in mittelst zurückgelegt haben, in den Stand der Minderjährigkeit zurückfallen; so sollen xwar deren verrichtete Handlungen nach den bisherigen Gesetzen bis xu dem Zeitpunkte, wo die älteren Rechte wieder in Wirkung getreten sind, angesehen und beurteilt, auch denselben, wenn sie die daxu nötigen Eigenschaften haben, auf Ansuchen Venia aetatis alsbald erteilt, gegenteiligen Falls aber noch eine weitere Vormundschaft angeordnet und hierbei gleich wie bei den übrigen Minderjährigen vorgeschritten werden". Kurhessen steht mit dieser Bestimmung auf Seiten der Minderheit: Lübeck, Hannover, Hessen, Cassel. Immerhin ist die Rückwirkung dadurch gemildert, daß die bereits „verrichteten Handlungen" nach den bisherigen Gesetzen beurteilt werden sollen. Die Mehrheit der Gesetzgeber, welche die erlangte Volljährigkeit

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Landrecht in die neuen Gebietsteile einzuführen. 1 W i e vor 3 0 0 Jahren machte man bei der Einfuhrung der neuen Rechtsordnung in die neu erworbenen Länder Verstöße gegen das intertemporale Privatrecht. Der erste Verstoß bestand darin, daß m a n statt eines G e s e t z e s nur eine Instruktion für die Obergerichte m i t intertemporalen B e s t i m m u n g e n erließ, welche einerseits dem Volke unbekannt war, andererseits viele Zweifel veranlaßte. Man machte die Behörden nicht ausdrücklich auf die ältere intertemporale Rechtsregel aufmerksam, obschon das O.-J.-Kollegium und die 0.-L.-Regierung es beantragt hatte. WÄCHTEB schildert die Übelstände, welche durch diese Fehler entstanden, in drastischer Weise. 2 Die gleiche intertemporale Frage, welche schon bei Einführung des ersten Landrechtes die ernstesten intertemporalen Rechtskämpfe veranlaßt hatte, 8

schützen, besteht aus Preußen und Österreich (in zahlreichen Patenten), Bremen, Braunschweig, Oldenburg, Parma, Sardinien und die Schweiz; s.unten § 55 und § 58. — B E R G M A N N a. a. 0 . hat diese Curhessische intertemporale Anordnung übersehen. 1 Auf Antrag des Staatsministeriums, welches hervorhob, wie sehr die große Verschiedenheit der Statuten und Gewohnheiten eine U n g e w i ß h e i t des Rechtes erzeuge und eine g l e i c h f ö r m i g e Gesetzgebung s t ö r e , wurde in der Instruktion für das O.-J.-Kollegium vom 4. Mai 1806, § 23 und gleichlautend in der für das Obertribunal vom 8. Mai 1806, § 34 festgesetzt: „Bei Entscheidung der Rechtssachen hat der Senat auf die besonderen Rechte und Statuten jedes Orts und in deren Ermangelung auf die K. Württ. Oesetxe Rücksicht %u nehmen, und wollen wir hiermit verordnet haben., daß vom 1. Januar 1807 an alle Statuten, die gegen das Vürttembergische Recht laufen, die verbindende Kraft gänzlich verlieren sollen". Diese Instruktionen riefen verschiedene Zweifel hervor, welche durch ein Gesetz vom 12. September 1814 gehoben wurden, worin der Gesetzgeber erklärte, er habe durch diese Instruktion beabsichtigt: „daß mit dem 1. Januar 1807, und in den später erworbenen Landesteilen von. der Zeit der Einführung des Württ. Rechts in denselben, sämtliche statutarische Oesetxe der mit dem Königreiche xu einem Qanxen vereinigten vormaligen Territorien und Gebiete ihre verbindende Kraft verliehen und von obgedachtem Zeitpunkte an die Altwürttembergischen Oesetxe als allgemein geltendes Recht angesehen werden sollen". 2

A. a. 0 . S. 801: „ Schreiber aus dem alten Lande kamen in Menge in die Landesteile. Sie hatten blos das Württ. Recht, und meist blos im Wege ihrer Routine, kennen gelernt. Bei allen Sachen, die sie zu besorgen hatten, namentlich bei Eheund Erbteilungen, dachten sie lediglich an Anwendung des Altwürtt. Rechts, ohne Rücksicht auf die gesetzliehen Orundsätxe über Nichtrückwirkung neuer Oesetxe auf früher begründete Rechte, ja häufig ohne alle Rücksicht auf abgeschlossene Ehe- und Erbverträge, die ja auch das Landrecht zuließ. So wurden namentlich eine Menge von Teilungen, die nach den Grundsätzen der allgemeinen Gütergemeinschaft oder anderer dureh die alten statutarischen Oesetxe des Bezirks bestimmter Verhältnisse hätten gemacht werden sollen, lediglich nach den Grundsätzen der landrechtlichen Errungenschaftsgesellschaft gemacht und dadurch der Bürger aufs Empfindlichste in seinen Rechten gekränkt. Ja die S/adtschreiber gingen nicht selten so weit, zu erklären, ein von dem landrechtlichen abweichendes Güterverhältnis dürfe man gar nieht vertragsmäßig festsetzen, und verhinderten geradezu solcheVerträge! Selbst manche Richter verkannten die Orundsätxe über die Nichtrückwirkung des neuen Rechts, und in manchen Fällen waren sie auch bestritten". 3 S. oben § 31, S. 179.

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

führte auch hier wiederum zu großen Zerwürfnissen und Klagen. Wie ist intertemporalrechtlich das eheliche Güter- und Erbrecht zu behandeln, wenn die Ehen noch unter der Herrschaft der alten statutarischen Rechtsordnung geschlossen waren und keine Eheverträge vorlagen oder Eheverträge ohne Bestimmungen über das eheliche Gütersystem? 1 Die königliche Verordnung vom 12. September 1814 „über die Anwendung des Württembergischen Rechts in den neu erworbenen Landesteilen" sagt in Absatz 2 der Vorrede: „Dabei konnte jedoch Unsere allerhöchste Absicht nie dahin gehen, diesen Gesetzen eine rückwirkende Kraft beyzulegen, und sie, zum Nachteile bereits unter der Herrschaft der vormaligen Gesetzgebung wohlerworbener Rechte Unserer Unterthanen in den neu acquirierten Landen anwenden zu lassen."2 Es liegt also die subjektive

1

Das erste Landrecht ging von einer a t o m i s t i s c h e n Anschauung aus und bestimmte daher, daß wenn die Ehe nach Einführung des Landrechtes durch den Tod aufgelöst wurde, die neue Rechtsordnung sowohl über das Güterverhältnis als auch über das Erbrecht maßgebend sei; s. oben a. a. O. Die alleinrichtige org a n i s c h e Auffassung der Thatbestände aber gelangt zum entgegengesetzten Ergebnis, wonach Güterverhältnis und Erbrecht der alten Rechtsordnung unterstehen; s. unten II. Buch. Trotz großen Widerstrebens der Stände nahm auch das zweite Landrecht diesen atomistischen Grundsatz an, der das intertemporale Rechtsgefühl tief verletzen mußte. Den gleichen Grundsatz wiederholte auch das dritte Landrecht. Es war daher nicht zu verwundern, wenn, wie uns W Ä C H T E R mitteilt, die Schreiber Teilungen der Gütergemeinschaft beim Tode eines der Ehegatten nach der n e u e n Rechtsordnung vornahmen und das volkliche Rechtsgefühl auf das Empfindlichste verletzten; ja selbst Juristen sich für diese Behandlungsweise erklärten. Das O.-J.-Kollegium dagegen stellte sich auf den einzig richtigen Standpunkt, wenn es in einem Speziaireskript v. 17. Jan. 1809 erklärte: „daß die Erbteilungen bloß bei denjenigen Ehen, welche, na eh dem 1. Januar 1807 geschlossen worden, nach Württ. Gesetzen vorxunehmen seyen, indem bei allen früheren Ehen ein stillschweigender Vertrag, wodurch sieh die Ehegatten dem damals geltenden Statut unterworfen, anzunehmen sey". Dense'ben Grundsatz enthielt der Staatsvertrag mit Baden v. 16. April 1807, § 10 und ein Erlaß des Kultusministeriums v. 28. Sept. 1810 erklärt: „daß bei einer ohne Ehevertrag eingegangenen Ehe in Beziehung auf ihre Wirkungen, selbst rücksichtlich der religiösen Erziehung der Kinder, anzunehmen sey, daß ein stillschweigender Vertrag auf den Inhalt des Rechts geschlossen sey, das an dem von den Gatten nach der Trauung genommenen Wohnsitz galt, so daß die dadurch begründeten Rechte, als Vertrngsreehte, einer Rückwirkung späterer Gesetze nicht unterliegen". Abgesehen von der Annahme eines stillschweigenden Vertrages waren diese Entscheidungen vollkommen zutreffend, da sie aber dem Volke unbekannt waren, konnten sie den intertemporalen Mißbräuchen nicht steuern. Endlich, sieben Jahre nach Einführung des württemb. Rechts, kam es zu einem ausführlichen Gesetz. 2

Aus dem Absatz 3 der Vorrede geht die siebenjährige Leidensgeschichte zur Genüge hervor, welche das Volk in den neu erworbenen Landesteilen infolge der intertemporalen Rechtsverletzungen durchgemacht hatte. „Gleichwohl ist aus vielen zur Kenntniß Unserer höheren Justiz-Stellen gekommenen That- Sachen zu entnehmen gewesen, daß in Rücksicht der Anwendung des Württembergischen Rechts auf frühere Fälle mancherley Ungleichheiten in der Ansicht und Behandlungsart vorgekommen, auch noch jetzt vorhanden sind, und Wir finden Uns daher bewogen, über diesen Gegenstand folgende allgemeine und

§ 54. Das int. Privatrecht n. Aufhebung d. Fremdherrschaft i. Deutschland.

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Fassung der Gewährungsklausel vor. Das intertemporale Unrecht der ersten drei Landrechte wird in dieser königlichen Verordnung wieder gut gemacht, indem sich der Gesetzgeber für das Erbrecht der Eheleute und ihres Güterrechtes rückhaltlos der republikanischen Regel anschließt. 1 I m übrigen hat die Lehre von den wohlerworbenen Rechten keine günstige Wirkung auf die intertemporale Verordnung ausgeübt. 2 Der württemauf einige der häufigeren Fälle angewandten Vorschriften zu ertheilen, nach welchen sieh, jedoch ohne daß deshalb bereits völlig erledigte Rechts-Geschäfte und Angelegenheiten einer neuem Verhandlung unterxogen werden dürfen, sowohl Unsere Justin- und andere Stellen, als überhaupt _ Unsere Unterthanen pünktlich zu achten haben." 1 § 8: „In Betreff des Erbrechts der Eheleute, welche in den neu erworbenen Landen vor Einführung der Württembergischen Gesetze ihre Ehe schlössen, geben die Erb - Verträge, oder testamentliehe Verordnungen dieser Eheleute, sie mögen früher oder später errichtet worden seyn, Ziel und Maaß." § 9: „Wo keine besonderen Anordnungen vorhanden sind, kann das Erbfolge-Recht- solcher Eheleute, sowohl was die Güter-Gemeinschaft, als die statutarische Portion betrifft, im Falle der Trennung der Ehe nach eingeführtem Württembergischen Rechte, nicht anders, als nach dem Erbrechte, welches an dem Orte, wo sie bey Schließung der Ehe als Unterthanen und Bürger ihren festen Wohnsitznahmen, und das zur Zeit dieser Schließung statt hatte, beurtheilt werden, es wäre dann, daß durch die ehemalige Gesetzgebung späterhin hierüber besondere Bestimmungen getroffen worden, welche alsdann anzuwenden sind." — W Ä C H T E R a. a. 0., S. 802 meint, daß man Güterverhältnis und Erbrecht trennen müsse; das erstere verbleibe der alten, das letztere falle der neuen Rechtsordnung anheim. Daß diese vermittelnde Ansicht unrichtig ist, wird sich aus dem dogmatischen Teil ergeben; s. auch unten § 64. a Wie ein Ausschnitt jener Lehre stellt sich § 2 dar: „Rechte der Unterthanen, die unmittelbar und rein aus dem Gesetze entspringen, x. B. die gesetzlichen besondern Rechte gewisser Stände, Personen und Sachen, aus denen bloß die Möglichkeit eines Prival-Rechts-Erwerbs entstehet, ohne daß noch der Unterthan durch eine rechtliche Handlung das Gesetz, auf sich angewendet hat, gehören nicht unter die wohlerworbenen Rechte. Es kann daher kein Unterthan verlangen, daß ein neues Gesetz nicht auf ihn angewendet werde, weil er unter dem alten Gesetz Vortheile genossen hatte, die noch nicht xu seinem Privat-Recht übergegangen waren, und die er nun durch das neue Gesetz verlieren soll." Auch die intertemporale Verordnung für die althanoverischen Provinzen unterschied zwischen unmittelbar aus dem Gesetze hervorgehenden Rechten und durch erlaubte freiwillige Handlungen und Verträge erworbene Privatrecbte; -ebenso die oldenburgische; s. oben S. 374. Nach § 4 werden die ausdrücklichen Verabredungen der Parteien nach der alten Rechtsordnung beurteilt. Der württ. Gesetzgeber, durch die Meinung von GEORGII beeinflußt, nahm die Lehre von der angeborenen Ausschließlichkeit der absolut befehlenden oder verbietenden Gesetzen an, die auf alle Rechtsverhältnisse Platz greift, welche nicht durch Verabredung der Parteien geregelt sind. Daraus läßt sich der § 5 erklären: „Aber auch in allen zwischen den kontrahierenden Teilen nicht ausdrücklich verabredeten Punkten sind die Verträge nach ihrem Inhalt, und in Ansehung der daraus entstehenden rechtlichen Folgen, sowohl in Betreff ihrer Erfüllung als ihrer Aufhebung, lediglieh nach den xur Zeit des geschlossenen Kontrakts bestandenen Gesetzen zu beurteilen; insofern nicht von absolut befehlenden und verbietenden, sondern von solchen Gesetzen die Frage ist, deren Sanktion nur in Ermangelung einer ausdrücklichen konventionellen Bestimmung eintritt, welche daher die Partien in ihren Willen aufnehmen 'konnten, und dadurch, daß sie nichts anderes unter sich verabredeten,

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bergische Gesetzgeber steht darin einzig da, daß er die Richter ermächtigt, unter Umständen auch ohne Ausschlußklausel die Ausschließlichkeit eines neuen Gesetzes anzuerkennen und darnach zu urteilen.1 — Ohne die materielle Voraussetzung zu berücksichtigen, verlieh er auch der neuen Rechtsordnung in Ansehung der Vorzugsrechte der Konkursgläubiger Ausschließlichkeit.2 auch wirklich stillschweigend aufgenommen haben11. Schon Wächter a. a. 0., S. 806, Anm. 36, wirft dem Gesetzgeber vor, daß er bei dieser durchaus nicht unanfechtbaren Annahme nicht einmal konsequent gewesen sei. In der That ist es nicht folgerichtig, wenn die angeborene Ausschließlichkeit der absolut gebietenden und verbietenden Gesetze vor den ausdrücklichen Abreden der Parteien Halt macht, mit Ausnahme der Zinsabrede von über 5%; s. § 15 „von dieser Epoehe an aber dürfen die Zinsen in Betreff der Quantität nur nach Maoßgabe des GeneralReskripts vom. 12. Sept. 1798 xuerkannt werden". Nicht folgerichtig ist es ferner, wenn das Gesetz den unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung entstandenen Forderungen in manchen Fällen im Konkurs volle Wirkung beilegt; s. § 13, 1. Satz. 1 § 6: „Die vermöge privatreehtlicher Titel erworbenen Rechte hindern stets die Anwendung neuer, jenen widersprechender Gesetze, außer in solchen Fällen, wo die höchste Staats-Oewalt sich, der Erhaltung und des Wohls des Ganzen wegen, aus überwiegenden Gründen veranlaßt sieht, auch wohlerworbene Rechte hintanzusetxen. Da aber das Daseyn eines solchen seltenen Falles nur vom Gesetzgeber, nie vom Richter beurtheilt und ausgemittett werden darf; so sollen die Gerichte nie aus vermeintlichen Gründen des Staats-Wohls nach eigenem Gutdünken, sondern nur alsdann neue Gesetze zurückwirken lassen, wenn der Gesetxgeber diese Rückwirkung auf wohlerworbene Rechte ausdrücklieh befiehlt, oder wenigstens diese Absieht aus dem Inhalt und der Fassung des Gesetzes mit Gewißheit erhellt'. Die Voraussetzungen, unter welchen der Richter Rückwirkung annehmen darf, sind nicht so scharf und bestimmt gehalten, als daß nicht die Gefahr willkürlicher, das intertemporale Privatrecht verletzender Urteile bestände. Schärfer gefaßt wurden diese Voraussetzungen durch die Rechtsprechung; s. unten § 62. 8 § 13: „Wenn bey der Location im Concurs lauter Forderungen, die zur Zeit der Herrschaft des vorherigen Statuts contrahirt wurden, zusammenkommen; so wird jene ganz nach Vorschrift des vorigen Statuts gemacht. Concuriren hingegen Forderungen, die entweder unter verschiedenen der Württembergischen Herrschaft vorangegangenen Regierungen, oder die unter einer vorigen Regierung und seit der Herrschaft des Württembergischen Rechts contrahirt worden sind, so muss durchaus bei allen zu locirenden Forderungen die Württembergische Prioritäts-Ordnung beobachtet werdeni'. Selbst Geobqii, der Vater dieser verunglückten intertemporalen Bestimmung, mußte später zugeben (Entw. einer Pfand- u. Hypoth.Ord., S. 455), daß diese Rückwirkung w e d e r g e r e c h t n o c h d e r D u r c h f ü h r b a r k e i t d e r S a c h e w e g e n n o t w e n d i g w a r ; vgl. auch noch den § 7 der Verord., der ebenfalls der älteren intertemporalen Rechtsregel zuwiderläuft. — Dem Württemberg. Gesetzgeber schloß sich später der schweizerische in Art. 897 des 0. R. an, der auch die „grossen Gomplicationen" als Grund der Ausschließlichkeit vorschob; s. oben § 52, S. 345 n. 1. Auch für ihn gilt daher das Geständnis Geobqiis, daß die A u s s c h l i e ß l i c h k e i t d e r D u r c h f ü h r b a r k e i t d e r S a c h e w e g e n n i c h t n o t w e n d i g war. Seiner Einfachheit halber ist der Grundsatz auch noch in anderen Gesetzen eingedrungen; s. z. B. unten § 61 und oben S. 340.

§ 55. Die intert. Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbücher.

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§ 55. Die intertemporalen Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbücher oder deren Einführungsgesetze, insonderheit der Schweiz und Italiens. I m Vorhergehenden wurde die a l l g e m e i n gefaßte Gewährungsklausel der großen bürgerlichen Kodifikationen ins Auge gefaßt und im Zusammenhange damit das badische, sächsische und österreichische Publikationspatent, sowie die Übergangsvorschriften des Schweizerischen Bundesgesetzes über Obligationenrecht dargestellt; dann das intertemporale Privatrecht in Deutschland, das sich unmittelbar nach der Vertreibung der Fremdherrschaft entwickelte. Es finden sich aber auch in anderen Gesetzbüchern oder deren Einführungsgesetzen intertemporale Sondervorschriften. Außerdem begegnen sich i n n e r h a l b mancher Gesetzbücher selbst Rechtssätze, deren intertemporaler Charakter strittig ist. Sie mögen am Schlüsse erörtert werden. Die hier zu betrachtenden Bestimmungen des intertemporalen Privatrechtes folgen entweder der älteren Rechtsregel oder sie verleihen Ausschließlichkeit. — Nach der älteren Regel werden hauptsächlich die Thatbestände der V e r j ä h r u n g und des Testamentes behandelt. — Mit der V e r j ä h r u n g befaßt sich der Code civil, art. 2281. 1 Der französische Gesetzgeber folgt hier dem b i l l i g e n intertemporalen Rechte und läßt die alte Rechtsordnung a l l e Fragen der V e r j ä h r u n g entscheiden, mit einer einzigen Ausnahme. Wenn nämlich die alte Rechtsordnung eine längere Frist als die 30jährige festsetzt, 2 so soll trotzdem nach Ablauf von 1

Mit ihm alle Gesetzbücher, die seine unmittelbaren oder mittelbaren Nachbildungen sind, wie z. B. das Badische Landrecht, das Holländische Civilgesetzbuch von 1807; das Belgische Civilgesetzbuch, ebenfalls in der Ausgabe von 1807; der Civilkodex für das Herzogtum Warschau von 1808 u. s. w. Der Artikel (Schlussgesetz) lautet: „Les prescriptions commencées à l'époque de la publication du présent titre seront réglées conformément aux lois anciennes. — Néanmoins les prescriptions alors commencées, et pour lesquelles il faudrait encore, suivant les anciennes lois, plus de trente ans à compter de la même époque, seront accomplies par ce laps de trente ans." 2 So die praescriptio quadraginta annorum des droit écrit oder die fünfzigjährige Verjährung der Klage auf Bückgabe eines Gewinnes aus einem verbotenen Spiel. Unter diese Rubrik gehört auch der Art. 691 des Code Napoléon. „... La possession même immémoriale ne suffit pas powr les établir; sans cependant qu'on puisse attaquer aujoud'hui les servitudes de cette nature déjà acquises par la possession, dans les pays où elles pouvaient s'acquérir de cette manière11. Obschon der Richter auf Grund des Art. 2 zum Ergebnis kommen muß, daß Servituten, welche unter der alten Rechtsordnung ersessen wurden unter der neuen aufrecht bleiben, selbst wenn diese eine derartige Ersitzung nicht anerkennt, so hielt es doch der französische Gesetzgeber für geboten, diese Einzelwirkung der republikanischen Regel ausdrücklich anzuordnen, um, wie der französische Redner ALBISSON in dem Bericht über den Titel von den Servituten sich ausdrückte, die Unterthanen zu beruhigen. Motifs, tom. IV, pag. 136: „pour calmer les inquiétudes".

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3 0 Jahren, von der Veröffentlichung des Gesetzbuches an gerechnet, die Verjährung vollendet sein, selbst wenn sie es gemäß der Vorschrift der alten Rechtsordnung noch nicht wäre. Darin ist kein Optionsrecht enthalten, sondern die Vorschrift ist zwingendes Recht. — Anders dagegen die kantonalen Gesetze der S c h w e i z . So stellt B e r n und L u z e r n ein intertemporales Wahlrecht auf. 1 Dieses Optionsrecht des bernerischen Gesetzgebers schließt sich vollständig an dasjenige des preußischen Patentes „wegen Publikation des neuen allgemeinen Landrechts" an. 2 — Dagegen steht der F r e i b u r g e r Civilcodex vom 5. Juni 1849 (V. Buch), wie später der sächsische Gesetzgeber, auf dem Boden des s t r e n g e n intertemporalen Privatrechts, wenn er bestimmt, daß nur die unter der alten Rechtsordnung vollendeten Verjährungen nach dieser zu beurteilen sind, die bloß begonnenen aber nach den Vorschriften der neuen Rechtsordnung. 3

1

Die B e r n e r Promulgationsordnung vom 18. März 1880, Zif. 3 bestimmt: „Keines der in diesem Hauptstücke enthaltenen Oesetxe soll auf Thatsaehen angewendet werden, die sieh vor dem 1. April 1831 zugetragen, und die schon vor diesem Tage angefangenen Verjährungen und, Ersitxungen von Rechten, die auch nach diesem Gesetzbuche durch die Verjährung erworben werden, oder durch die Ersitzung erlöschen können, sollen nach dm älteren Gesetzen beurteilt werden. Wollte sich jedoch jemand auf eine Verjährung berufen, oder eine Ersitzung vorschützen, für welche die neuen Gesetze eine kürzere Fristbestimmung, als die alten, so muß diese Frist ton dem 1. April an berechnet werden". Dasselbe Wahlrecht enthält das L u z e r n i s c h e P. Dekret v. 22. Febr. 1839, § 3. Das Einf. Gesetz des S o l o t h u m e r i s c h e n Gesetzbuches weicht insofern von Bern und Luzern ab, als es die kürzeren Fristen nicht vom Tage der Veröffentlichung des Gesetzes, sondern vom Tage des Inkrafttretens desselben berechnen läßt. Der § lautet: „Wenn sich jemand in solchen Fällen auf Verjährung beruft, wo das gegenwärtige Gesetz kürzere Frist vorschreibt als das frühere, so müssen diese Fristen v. 1. Jan. 1848 (dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes) an berecKnet werden". 2 Zif. XVII., Abs. 2; s. oben § 33 S. 214. Auch das sächsische Optionsrecht in der P.V. § 17 ist nur eine Nachahmung des preußischen; siehe oben § 53 S. 355 n. 3. 3 Art. 2169 des F r e i b u r g . G. c. lautet: „Les prescriptions accomplies sous les anciennes lois sont jugées conformément à ces mêmes lois. Les prescriptions seulement commencées à l'époque de la mise en activité du présent Code, ne peuvent être accomplies que conformément à ce Gode'1. Es kann also nach freiburgischem intertemporalen Rechte, die oben in § 53 S. 355 n. 3 entwickelte, nach strengem Rechte allein folgerichtige Behandlung der Veijährung eingreifen, für den Fall, daß der Gesetzgeber eine kürzere Veijährungsfrist einführt. Diese muß für die unter der alten Rechtsordnung bereits begonnenen Veijährungen ebenfalls Geltung haben. Wenn aber darnach die Veqährung noch vor dem Erlasse des neuen Gesetzes vollendet wäre, so muß der Zeitpunkt durch Fiktion verlegt werden auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Rechtsordnung. Um aber kein Mißverständnis zu erwecken, sei gleich hier hervorgehoben, daß das b i l l i g e Recht vorzuziehen ist; wonach bei Abkürzung der Frist durch die neue Rechtsordnung die abgekürzte Frist erst mit dem Tage des Inkrafttretens der neuen Rechtsordnung zu laufen beginnt. Denn jene Folgerung birgt doch eine Rückwirkung des neuen Gesetzes gegen den Berechtigten in sich, wenn er gleich am ersten Tage des Inkrafttretens seines Rechtes beraubt wird.

§ 55. Die intert. Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbücher.

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Einen vermittelnden Standpunkt nimmt das Z ü r c h e r i s c h e Einführungsgesetz vom 19. April 1 8 5 4 ein. 1 Das intertemporale Privatrecht der l e t z t w i l l i g e n V e r f ü g u n g e n findet ebenfalls in den einzelnen Gesetzbüchern eine verschiedenartige Ausgestaltung. Der älteren Regel würde es entsprechen, daß sowohl der Thatbestand als auch das objektive Rechtsverhältnis mit allen seinen Wirkungen nach der alten Rechtsordnung beurteilt würde, selbst wenn der Testator unter der n e u e n sterben sollte. Dieser Erkenntnis schließt sich das L u z e r n i s c h e Promulgationsdekret vom 23. Dezember 1837 an. 2 Das T h u r g a u i s c h e Erbgesetz von 1 8 3 9 stimmt in § 126 mit Luzern vollständig überein. — Die Z u g e r i s c h e n Übergangsbestimmungen zum Erbrecht müssen ebenfalls hierher gerechnet werden, obschon sie nicht ausdrücklich nach Form und Inhalt unterscheiden. 3 — Ingleichen die B e r n i s c h e Promulgationsordnung vom 28. Mai 1827. 4 — Nur hinsichtlich der Form, nicht aber des Inhaltes, hängt der älteren Regel an das S o l o t h u r n i s c h e Einf.-Ges. zum Erbrecht vom 21.Februar 1842.® — Auch 1 § 2 lautet: „Wo durch das Gesetz eine Frist von zehn Jahren oder eine längere als Verjährungs- oder Ersitzungsfrist eingeführt wird, kommt auch ein vor Einführung des Gesetzes vorhandener in Anrechnung, aber es bedarf in diesem Falle zur Vollendung der Verjährung oder Ersitzung mindestens des Ablaufs von fünf Jahren nach der Einführung des Gesetxes. Kürzere Verjährungs- oder Ersitzungsfristen fangen erst mit dem Zeitpunkte der Einführung des Gesetzes zu laufen an." Ist also die Verjährungsfrist eine zehnjährige oder längere, so kommt die unter der alten Rechtsordnung abgelaufene Frist, wenn auch nur beschränkt zur Geltung, bei kürzeren Yeijährungsfristen dagegen wird sie gar nicht berücksichtigt. Diese Lösung entspricht dem billigen Recht und auch dem Gedanken, daß das neu eingeführte Rechtsinstitut der kürzeren Verjährung nicht schon unter der alten Rechtsordnung platz greifen könne, ohne rückwirkend zu sein im Sinne der zweiten neueren Regel. 2 § 3 bestimmt: „Die letzten Willens-Verordnungen und Erbverträge, die vor dem 1. März 1838 errichtet werden, sollen sowohl hinsichtlich ihrer Form als ihres Inhaltes nach den Gesetzen beurteilt werden, die zur Zeit ihrer Errichtung gegolten haben. Wenn jedoch eine Willensverordnung oder ein Erbvertrag nach den früheren Gesetzen ungültig, nach dem gegenwärtigen aber gültig sein sollte, so ist ein solcher als gültig anzusehen". Der letzte Satz steht jedoch im Zeichen der neuen Rechtsregel, wonach ein nach der alten Rechtsordnung unvollkommener Thatbestand unter einer neuen und ausschließlichen vollkommen werden kann; vgl. oben § 12, S. 97. Es handelt sich hier um die dritte Möglichkeit der zweiten neueren Regel: der Thatbestand als solcher ist der a l t e n Rechtsordnung nicht unbekannt; auch erkennt sie alle Wirkungen desselben an, wie die neue Rechtsordnung, nur stellt sie höhere Anforderungen an ihn als die neue. 3 § 3 lautet: „Letztwillige Verordnungen (§ 302 u. fg., Testamente, Ehe- und Erbverträge), die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes errichtet werden, sind . . . nach dem Recht und Gerichtsgebrauch, die zur Zeit ihrer Richtung gegolten haben, zu beurteilen". * Zif. 3 verfügt: „Namentlich sollen die letzten Willensverordnungen, die vor dem 1. April 1828 errichtet werden, nach den Gesetzen beurteilt werden, die zu der Zeit ihrer Errichtung gegolten haben, obschon derjenige, der eine solche errichtet haben mag, sie nach diesem Tage durch seinen Tod bestätigen sollte." 5 § 2 lautet: „Die letzten Willensverordnungen sollen in Hinsicht ihrer Form

AFFOLTER , Intert. Privatrecht.

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgert. Rechtes.

das Z ü r c h e r i s c h e Einf.-Ges. vom 21. Dezember 1855 unterwirft nur die Form von letztwilligen Verordnungen dem alten Gesetze, wobei es noch das intertemporale Meistbegünstigungsrecht verwendet.1 — Schließen wir hieran das Gesetz von B a s e l - S t a d t vom 10. März 1884 über das neue eheliche Güterrecht.2 Basel-Stadt folgt der französischen Jurisprudenz, welche in den Vorschriften über die Ehe p e r s o n a l e Rechtsnormen erblickt, die angeborene Ausschließlichkeit besitzen.3 Wenn aber das eheliche Güterrecht durch eine „Eheabrede" begründet wurde, so gilt die a l t e Rechtsordnung. — Dasselbe Gesetz, gibt sich auch eine beschränkte Ausschließlichkeit für die eigenhändigen Testamente und Beizeddel.4 nach den Gesetzen der Zeit der Errichtung, in Hinsicht des Inhalts nach jenen, die xur Zeit des Todes des Erblassers in Kraft sind, beurteilt werden." Der Gegensatz zwischen der Bernischen P.V. und dem Solothurnischen E.G. tritt klar und deutlich aus den Gesetzesworten hervor. Die Bernische P.V. stimmt mit den Zugerischen Übg.-Best. öberein; beide überlassen ganz allgemein letzte Willens Verordnungen der alten Rechtsordnung. Nur ist die Ausdrucksweise der Bernischen P.V. eine eigenartige, indem sie sagt, daß die alte Rechtsordnung gelten solle, „obschon derjenige, der eine solche errichtet haben mag, sie erst nach diesem Tage durch seinen Tod bestätigen sollte". Damit verweist der bernische Gesetzgeber darauf, daß der Thatbestand des testamentarischen Erbrechtes eine Thatbestandsverbindung darstellt, nämlich eine Verbindung der Thatbestände von Testament und Tod; der Tod „bestätigt" jedoch bloß den Gesamtthatbestand. Obschon nun der Thatbestand des Todes nach Erlaß des neuen Gesetzes, also unter dessen Herrschaft erfolgt, so soll trotzdem die alte Rechtsordnung über den Gesamtthatbestand entscheiden, in vollständiger Übereinstimmung mit dem römischen Rechte (vgl. oben § 11, S. 74 ufg.). Denn der Tod ist kein s e l b s t ä n d i g e r , sondern nur ein „bestätigender", also unselbständiger Thatbestand; s. auch oben § 13, S. 109, n. 1. Es ist auffallend, daß HCBEB a. a. 0., S. 75 behauptet, daß die Bernische P.V. mit dem Solothurnischen E.G. „ w e s e n t l i c h ü b e r e i n s t i m m t " . Er mag vielleicht den Hinweis des bernischen Gesetzgebers auf die Thatbestandsverbindung mißverstanden haben. 1 In § 3 beißt es: „Für die Form von letztwiüigen Verordnungen, welche vor dem 31. Marx 1856 (Tag der Inkraftsetzung des neuen Rechtes) errichtet worden sind, genügt es, daß dieselbe entweder den Vorschriften des Gesetzes vom 25. Juni 1839 oder denjenigen des P.G. entspreche". Dieses intertemporale Meistbegünstigungsrecht trafen wir schon beim P.P. des A.L., Zif. VII. und in § 17 Einl., s. oben

§ 33, S. 207. !

§ 208, 2, al.: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten auch für die vor seinem Inkrafttreten eingegangenen Ehen, sofern nicht eine nach bisherigem Gesetze giltige Eheabrede besteht * Nur sah man das gesetzliche eheliche Güterrecht vielfach als auf einem stillschweigendem Vertrag beruhend an; s. oben § 52, S. 329 n. 3 und S. 330 n. 3. 4 S. oben § 12, S. 89. Es schlägt hier die dritte Möglichkeit der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares ein. — Darnach wird ein vollkommener Thatbestand ohne Änderung der thatsächlichen Verhältnisse unter einer neuen und ausschließlichen Rechtsordnung, welche höhere Anforderungen an ihn stellt, unwirksam. — § 108, al. 3 lautet: „Dagegen sind eigenhändige Testamente und Beixeddel, welche vor Inkrafttreten dieses Gesetzes errichtet worden sind, vom 1. Januar 1886 an nur giltig, sofern sie gemäß §59 bei der Gerichtsschreiberei oder bei einem Notar hinterlegt worden sind:1

§ 55. Die intert. Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbdcher.

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Die intertemporalen Gesetze I t a l i e n s können wir einteilen in solche vor der Konstitution des Königreichs Italiens und in solche nach derselben. — Man kann für die ersteren dem Lobe GABBAS1 beistimmen, daß sie sich auszeichnen durch ein tiefes Rechtsgefühl und jene Mäßigung und Weisheit, welche die Charakterzüge der italienischen Kultur bildeten. Auch die äußeren Umstände begünstigte die Durchführung der älteren römischen Regel: Jene Gesetze entstanden mitten im Frieden, lange nach den politischen Kämpfen, welche dem Sturze des ersten Napoleonischen Reiches folgten. Der Zag der Ausschließlichkeit gegenüber dem fremden aufgedrungenen Rechte, welcher die Gesetzgebung jener Epoche kennzeichnet, 2 hatte sich hier bereits verflüchtigt.. Das französische Recht hatte im Laufe der Zeit in Italien durch seine innere Tüchtigkeit das Bürgerrecht errungen. Unter den intertemporalen Gesetzen der italienischen Staaten ist von größerer Bedeutung zunächst dasjenige des Herzogtums P a r m a , P i a c e n z a und G u a s t a l l a . Der Civilkodex dieses Landes wurde am 4. Januar 1820 veröffentlicht und enthielt im Anhange transitorische Bestimmungen in 39 Artikeln. Beredtes Zeugnis für ihren Geist legt vor allem die Aufrechterhaltung der erlangten Volljährigkeit ab. 8 1 G A B B A , Teoria deUa rettroattività delle leggi Vol. I , p. 95; s. auch oben § 51, S. 325, wo der Konservativismus im Rechte der Römer zur Anerkennung und Würdigung gelangt. Das obige Lob hat besonders der e s t e n s i s c h e Gesetzgeber verdient. Dagegen weisen die transitorischen Bestimmungen zum italienischen Kodex einige unerhörte Härten auf, insonderheit bei Form und Inhalt der Testamente; s. auch unter die italienische Rechtsprechung in § 69. 2 Siehe oben § 54, S. 360. 3 G A B B A , Teoria, I, p. 93 nennt das Schonung von Erwartungen. Es steht im Banne der Lehre von den wohlerworbenen Rechten, s. bes. p. 120 seine Devise: „la vera ragione e il vero limite della retroattività delle leggi consistono unicamente nel rispetto dei diritti acquisiti." Nur Schonung von bloßen Erwartungen mere aspettative ist in seinen Augen ferner die Bestimmung, daß der g e s e t z l i c h e Nießbrauch der alten Rechtsordnung verbleibt, Art. 9; daß die durch Willensthatbestände erworbenen persönlichen Dienstbarkeiten auch fernerhin unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung stehen, Art. 25 : I diritti di usufrutto, uso, ed abitazione acquistati sotto le precedenti leggi, o per contratto, o per ultima volontà sono in ogni rapporto regolati delie medesime leggi. Die letztere Bestimmung hat einen tiefen Sinn. Es ist unzweifelhaft innerhalb der Dienstbarkeiten in intertemporal-rechtlicher Beziehung ein Unterschied zu machen zwischen Grunddienstbarkeiten und persönlichen; bei jenen kann der Gesetzgeber von der neuen Regel Gebrauch machen, die letzteren aber stehen unverbrüchlich im Schutze der alten Rechtsordnung, s. unten § 63 und den dogm. Teil. — Zu weit geht Parma in der Berücksichtigung der alten Regel nur bei der Verjährung, in dem die unter der Herrschaft des Code civil begonnenen Veijährungen in a l l e n Beziehungen demselben unterworfen bleiben, Art. 39. — Art. 38 berücksichtigt auch den Umstand, daß das franz. Recht eine Zwischengesetzgebung war, macht aber keinen Gebrauch von dem Satze: media tempora non nocent. Wenn nämlich eine Verjährung unter der ersten Rechtsordnung begonnen, so sollen die Thatsachen, welche nach Maßgabe des franz. Rechtes u n t e r b r e c h e n , berücksichtigt werden. Im übrigen soll aber die erste Rechtsordnung die Vorjährung beherrschen: Le pressò*

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Das interi. Privatrecht ÌD den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Zur Einführung des A l b e r t i n i s c h e n Civilkodex wurde ein königliches Patent vom 6. Dezember 1837 erlassen, das die Aufgabe hatte, den Zweifeln zuvorzukommen, welche infolge des Überganges der alten in die neue Rechtsordnung sich erheben könnten. In den 21 Artikeln zeigt sich eine beinahe noch größere Schonung des alten Rechtes, als in der parmensischen Gesetzgebung. So wird auch die erlangte Volljährigkeit aufrecht erhalten, Art 8; umgekehrt verbleiben diejenigen Minderjährigen in

evizioni a tempo determinato incominciate all' epoca delta pubblicazione del Codice civile francese, e che non restarono interrotte in fona delle disposixioni del medesimo Codice, seguiteranno ad essere regolate in conformità delle leggi anteriori al Codice stesso. — Etwas selbstverständliches enthält Art. 26, daß nämlich die ständigen, aber nicht offenen und die unständigen Dienstbarkeiten, welche zur Zeit der Veröffentlichung des franz. Civilkodex gemäß der alten Rechtsordnung bereits ersessen waren, aufrecht erhalten bleiben. Denn obschon der Code civil die Ersitzung dieser Dienstbarkeiten nicht gestattet, so erhält er ausdrücklich die bereits ersessenen in art. 691 aufrecht; s. oben. — Auch die Bestimmungen über Personenund Familienrecht folgen im Gegensatz zur neueren italienischen Doktrin und Praxis (s. unten § 69) der älteren Regel; so Art. 10, wonach die Söhne, welche am Tage der Veröffentlichung des neuen Kodex gesetzlich oder freiwillig gewaltsentlassen sind, nicht in die väterliche Gewalt zurückfallen. Der väterliche Nießbrauch wird nach der alten Rechtsordnung beurteilt, Art. 11. Väter, welche ihn unter der alten Rechtsordnung verloren haben, erlangen ihn auf Grund der neuen nicht wieder, selbst wenn die Söhne das zwanzigste Lebensjahr (Volljährigkeit) noch nicht vollendet haben, Art. 12. Entmündigungen und Abwesenheitserklärungen der alten Rechtsordnung bleiben aufrecht, Art. 14. Der gerichtliche Verbeiständete bleibt es, bis er entweder ganz entmündigt oder von der Verbeiständung befreit ist, Art. 15. Die beiden letzten Artt. zeugen von großer Mäßigung und Weisheit; dies wird klar bei Betrachtung der Praxis des Schweiz. Bundesgerichts und des Urteils des O.H. zu Mannheim vom 18. Juni 1863; s. unten § 69. — Auch im Vormundschaftsrecht wird die filtere Regel gewahrt. Die Vormünder, welche gemäß der alten Rechtsordnung eine Vormundschaft übernommen haben, bleiben es, wenn auch der neue Kodex andere Personen beruft, ohne daß sie zur Sicherheitsstellung verpflichtet sind oder einer Bestätigung des Prätors bedürfen. Auch die Abwesenheitspfleger, die nach der alten Rechtsordnung berufen wurden, fahren in der Verwaltung der Güter der Abwesenden fort. Jedoch soll die Vormundschaftsrechnung nach dem neuen Kodex abgelegt werden, Art. 16. Sie sind jedoch verpflichtet, sich innerhalb eines Monats von der Kundmachung des Kodex in ein Register eintragen zu lassen nach den Vorschriften desselben, Art. 17. Die Nebenvormünder (tutori surrogati) werden als tutores honorarii angesehen und erfüllen deren Obliegenheiten. In den jetzt noch schwebenden Geschäften, an denen sie teilnehmen mußten, helfen sie auch weiter mit bis zu deren Abwickelung, wenn auch nach den Vorschriften des gegenwärtigen Kodex ein tutor specialis notwendig gewesen wäre, Art. 18. Die kirchlichen Emphytensen, Erbzinsen oder andere jährliche Leistungen und diejenigen der todten Hand, die ewigen sowohl wie die auf Zeit, bleiben unter der Herrschaft der Pragmatica vom 25. Oktober 1764 und der Erklärung vom 26. Mai 1768, Art. 19. — Ganz der neueren Rechtsregel gehören die Bestimmungen über die Substitutionen, Art. 27 bis Art. 29. Dagegen ist die Bestimmung des Art. 30, wonach die Minderung der Schenkungen (querela inofficiosa^ donationis) nach der neuen Rechtsordnung zu beurteilen ist, mit der Älteren nicht in Widerspruch, s. oben § 54, S. 373 n. — Rückwirkende Kraft nimmt auch das neue Hypothekenrecht in Anspruch, Art. 31 bis Art. 37.

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der alten Vormundschaft, welche nach den neuen Gesetzen nicht mehr darunter stehen würden. 1 In den E s t e n s i s c h e n S t a a t e n trat der neue Civilkodex mit dem 1. Februar 1852 in Kraft. Ein Anhang von 55 Artikeln enthielt Übergangsbestimmungen. Dieselben stimmen mit denen der albertinischen Gesetzgebung überein; es hat jedoch der modenesische Gesetzgeber einige Materien berücksichtigt, welche dem sardinischen entgangen sind und zwar auch im Sinne der alten Rechtsregel. 2 1 Art. 9: Quelli che per ragion d'età sono soggetti alla tutela a tenore delle leggi vigenti prima dell' osservanza del Codice, continueranno ad esservi sottoposti per tutto il tempo stabilito dal Codice, ed in conformità del medesimo. Art. 10: Saranno pure soggetti alla tutela i minori che per la loro età non vi sarebbero più sottoposti secundo le leggi vigente. Die Weisheit auch dieser Maßregel zeigt sich bei der Betrachtung der Praxis des Schweiz. Bundesgerichts; s. unten § 69. — Die Bestimmungen des art. 185 des neuen Kodex finden keine Anwendung auf Söhne, die vor seinem Inkrafttreten geboren wurden, für sie gelten die Bestimmungen des alten Rechtes, Art. 3. — Die Söhne, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Kodex in Gemäßheit der alten Rechtsordnung gewaltsentlassen sind, fallen nicht in die väterliche Gewalt zurück und genießen auch fernerhin die Wirkungen der Gewaltsentlassung, Art. 4. Der väterliche Nießbrauch an den durch Erbgang oder Schenkung erworbenen Vermögen des Sohnes, welcher vor dem Inkrafttreten des Kodex erworben war, verbleibt dem Vater gemäß den früheren Gesetzen, Art. 5. Der Nießbrauch, den der art. 288 des neuen Kodex der verwittweten Mutter an dem Vermögen des mindeijährigen Sohnes einräumt, ergreift das vor dem Inkrafttreten des Kodex ins volle Eigentum des Sohnes gelangte Vermögen nicht, Art. 6. — Die Schenkungen unter Lebenden, welche vor dem Inkrafttreten des Kodex errichtet wurden, werden in Hinsicht auf die Widerruflichkeit und Anfechtbarkeit nach der alten Rechtsordnung beurteilt, Art. 15. — Die Grundzinsen, mögen sie in Geld oder Naturalien bestehen, die auf Grund der Emphyteuse, Superficies oder anderer unbeweglicher Titel vor der Anwendung (osservanza) des Kodex entstanden sind, werden von der alten Rechtsordnung beherrscht, Art. 16. — Die Mieter von Wohnungen, denen nach dem jetzt noch geltenden Rechte (franz. Recht) das Recht (trotz des Verkaufes) zu b l e i b e n zusteht, genießen es auch fernerhin noch zwei Jahre nach Inkrafttreten des Kodex gemäß dessen Gesetzen, Art, 21. Oli inquilini ai quali secondo le leggi attualmente vigenti competa il diritto d'insistenza, continueranno a goderne per due anni d'ali osservanza del Codice in conformità delle leggi medesime. — Aber auch der Ausschließlichkeit sind mehrere Artikel zugethan. So richtet sich die Fähigkeit letztwillig zu verfügen selbst bei Personen, die sie nach der alten Rechtsordnung erlangt haben, immer nach der neuen, Art. 11. Die Vormünder aus der Zeit der alten Rechtsordnung müssen sich nach den Vorschriften der neuen richten, sowohl in Ansehung der Verwaltung als auch der Rechnungsablage, Art. 12. Gewisse Bestimmungen des ehelichen Güterrechts [Dotalrechts] und — Erbrechts erhalten rückwirkende Kraft, Art. 13. Ebenso die Bestimmung des neuen Kodex über das beneficium inventarvi, wenn nicht der Erbschaftskonkurs unter der alten Rechtsordnung bereits eröffnet wurde, Art. 14. Ingleichen das neue Hypothekenrecht, Art. 15 ; s. auch noch die Artt. 16, 17, 19, 20. Der Rentenkauf richtet sich zwar nach der alten Rechtsordnung, aber auch für ihn erhält art. 1945, num. 1 des neuen Kodex rückwirkende Kraft, 2 So wird das von der alten Rechtsordnung dem Ehemann gewährte hierum dotale aufrecht erhalten, Art. 16. Ebenso die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechtes abgeschlossenen ErbvertrSge, Art. 20. Die an der Grenze angelegten

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Das intert Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

In die zweite Gruppe fällt der I t a l i e n i s c h e Kodex vom Jahre 1868. In 48 Artikeln werden die intertemporalen Fragen gelöst. Das intertemporale Recht der personalen Rechtsverhältnisse wird erschöpfender geregelt.1 Pflanzungen unterliegen in Bezug auf die Entfernungen nicht den Vorschriften des neuen Kodex, Art. 15. Eine sehr gerechte Bestimmung; vgl. dagegen das Urteil des Reichsgerichts vom 21. Februar 1893 unten § 69. Die zweite und dritte hannoversche Verordnung enthielt dieselbe weise Bestimmung hinsichts der bereits aufgeführten Baulichkeiten; s. oben § 54, S. 372 n. Die testamentarischen Verfügungen, die vor der W i r k s a m k e i t (innanxi all' attuaxione) des Kodex von Entmündigten, Verschwendern und Mindeijährigen errichtet wurden, bleiben aufrecht, sofern sie den Formvorscbriften der verflossenen Gesetzgebung entsprechen, unbeschadet jedoch der Vorschrift des art. 687 über die Testamentsfähigkeit des entmündigten Verschwenders, Art. 17. Das benefieium separationis richtet sich nach den Rechten zur Zeit der Erbschaftseröffnung, Art. 18. Die Primogenitur, Fideikommisse und S u b s t i t u t i o n e n bleiben unter der Herrschaft der alten Rechtsordnung, Art. 19. In dieser Bestimmung liegt ein Verdienst des Estensischen Gesetzgebers, denn die französische Jurisprudenz verneinte diese intertemporale Rechtswahrheit und fand darin Nachahmung auch von späteren italienischen Gesetzgeber; s. unten. Die Verjährung der realen wie personalen Klagen, welche der alten Rechtsordnung angehören, läuft gegen die Verpflichteten und deren Erben weiter nach den Voraussetzungen und F r i s t e n der Gesetze, unter welchen sie entstanden sind; jedoch darf die Frist von dreißig Jahren von der K u n d m a c h u n g (pubblieaxione) des Kodex an gerechnet, nicht überschritten werden, Art. 54. Die Aufhebungsthatbestände der Obligationen vor der W i r k s a m k e i t (attuaxione) des gegenwärtigen Kodex bleiben unter der Rechtsordnung, unter welchen diese Obligationen errichtet wurden, Art. 55. — Die beiden letzten Artt. enthalten die ausdrückliche oder vollkommene Gewährungsklausel. Art. 54 hebt sich vorteilhaft ab von dem entsprechenden Art. 882 Abs. 3 des Schweiz. Obligationenrechtes; s. oben § 52, S. 342. Auch hier ein Schwanken des Gesetzgebers zwischen dem Zeitpunkt der Kundmachung und der Wirksamkeit (s. oben § 51, S. 323) wie beim österreichischen Gesetzgeber; s. oben § 53, S. 350. — G A B B A , Teoria p. 107 führt als e i n z i g e rückwirkende Bestimmung dieses Kodex die an, daß diejenigen, welche nach der alten Rechtsordnung aus der väterlichen Gewalt getreten waren, jedoch noch nicht das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben, wiederum in die väterliche Gewalt zurückfallen. Allein wie der parmensische und sardinische Gesetzgeber, so folgt auch der estensische in nicht wenigen Materien der Ausschließlichkeit; so bei der Vormundschaft, Art. 7; bei der Erbpacht und Pacht, Art. 26 u. 27; beim Pfandrecht, Art. 28 bis Art. 51; vgl. noch Art. 8, wonach das personale Rechtsverhältnis der unter der alten Rechtsordnung Emanzipierten von der neuen geregelt wird. Zwei Artt. sind nicht intertemporaler Natur: Art. 22 und Art. 52. 1

Zum ersten Male versucht der Gesetzgeber auch die intertemporale Frage der Kollation zu entscheiden. Richtiger Ansicht nach entscheidet die Rechtsordnung des Erbfalles aus den nämlichen Gründen, warum auch das Pflichtteilsrecht darnach zu beurteilen ist; s. oben § 54, S. 373 n. So entscheidet auch der italienische Gesetzgeber: „Le donaxioni fatte ai diseemdenti prima dell' attuaxione del nuoro Codice sono sogette a eollaxione seeondo le norme in esso stabilite", Art. 28. Auch die Frage wird beantwortet, nach welcher Rechtsordnung die Minderung der früheren Schenkungen geschehen soll für den Fall, daß die vom neuen Kodex festgestellte „quota legittima" geringer ist als die von den früheren Gesetzen gewährte. Der italienische Gesetzgeber antwortet: „. . . la riduxione ha soltanto luogo a norma dello stesso codiee, Art. 27. Die Entscheidung stimmt mit der alten Rechtsregel nicht überein, jedoch läßt sich das Dasein der materiellen

§ 55. Die interi. Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbücher.

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Ein in der einschlägigen Litteratur bisher unbeachtetes, aber intertemporalrechtlich wichtiges Gesetz ist das Hamburgische, betreffend die Voraussetzung zur Anwendung der neueren Regel behaupten und begründen. GABBA gibt dem Gesetzgeber ohne weiteres recht; p. 118. Es liegt eine Rückwirkung im Sinne der zweiten Regel des neueren Regelpaares vor. — In Ansehung der ktztwilligen Verfügungen ergibt sich der italienische Gesetzgeber gänzlich der Rückwirkung, was GABBA zu übersehen scheint. So Art. 22, wonach E r b v e r z i c h t e , die Frauen im Dotalvertrag oder sonstwie in Anlehnung an die alte Rechtsordnung vorgenommen, unter der neuen hinfällig werden. Dasselbe gilt für Erbverzichte von Ordensmitgliedern und von legitimierten Deszendenten gegenüber ihren Aszendenten. Es liegt hier eine Rückwirkung im Sinne der ersten Regel des neueren Regelpaares vor. Ein vollkommener Thatbestand wird hinfällig (erste Möglichkeit). Ähnlich Art. 23 : „I testamenti per atto privato o stragiudiziale fatti a norma delle leggi anteriori, prima dell' attuazione del nuovo Codice non produrranno alcun effetto se non sono scritti, dadati e sottoserilti di mano del testatore, ove la successione si apra dopo decorsi due mesi dalla detta attuazione. Dem Testator werden kümmerliche zwei Monate gelassen, um sein Testament dem Befehle des neuen Herrschers anzupassen. Die intertemporale Säumnisstrafe ! Unten in § 69 kommen die Härten dieser Bestimmung in der italienischen Praxis zum Vorschein. — Dem obigen ebenbürtig ist Art. 24; die Fideikommisse, Majorate und die anderen fideikommissarische Substitutionen, die unter der alten Rechtsordnung errichtet wurden, sind aufgelöst vom Tage der Wirksamkeit des neuen Kodex. Das Eigentum der Hälfte der Güter gehört dem, der am 1. Januar 1866 Besitzer ist; die andere Hälfte fällt an den nächsten oder die nächsten an diesem Tage Berufenen, vorbehaltlich des Nießbrauches des Besitzers. Es bedurfte eines gerichtlichen Urteils, um festzustellen, wer die zunächst Berufenen sind; Urteil des Tribunals zu Bergamo vom 7. Juli 1873; Monitore 14, p. 902. — Rückwirkend ist auch der Art. 25 in Ansehung der Rechtswohlthat des Erbverzeichnisses. Le disposizioni del nuovo Codice relative al benefizio d'inventario sono anche applicabili alle successioni aperte prima dell' attuazione del medesimo, quando l'erede secondo le leggi anteriori sia ancora in diritto di accettare col detto benefìzio. Auch Art. 29 enthält eine Rückwirkung, welche nicht einmal den geschlossenen emphyteutischen Vertrag achtet. Il dominio utile dei beni enfiteutid si devolverà però giusta le norme di successione sì legittima come testamentaria stabilite nel nuovo Codice, senza riguardo alle vocazioni in favore di un determinato ordine di persone contenute negli atti d'enfiteusi. — Der Geist der Rückwirkung beseelt auch die Artt. 33 bis 42 in Ansehung des Pfandrechtes; das Dasein der materiellen Voraussetzung rechtfertigt ihn wie auch die Rückwirkung im Art. 46 in Bezug auf den Personalarrest. L'arresto personale accordato in materia civile, prima dell' attuazione del nuovo Codice, non può aver luogo se non nei casi, nei quali è permesso dal Codice stesso. Ai debitori già arrestati sono altresì applicabili tutti i benefizi del nuovo Codice. — Wie eine Oase inmitten dieser rückwirkenden Bestimmungen erscheint Art. 43, welcher die Gewährungsklausel für das beneficium separationis enthält. — Verschieden von den drei früheren italienischen Gesetzen wird die V e r j ä h r u n g geregelt. Der neuen Rechtsordnung wird auf die F r i s t e n ein Einfluß eingeräumt, was nicht der richtig verstandenen älteren Regel widerspricht. Art. 46: „Le prescrizioni cominciate prima dell' attuazione del nuoro Codice sono regolate dalle leggi anteriori. Nondimeno le prescrizioni cominciate prima della detta attuazione e per le quali, secondo le leggi anteriori, si richiederebbe ancora un tempo maggiore di quello fissato dal nuovo Codice, sicompiono col decorso del tempo fissato in esso, computabile dal giorno dell' attuazione del medesimo". Diese Bestimmung entspricht dem modernen Veijährungsrecht, wie es auch durch die Gerichtspraxis des

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Aufhebung

des mosaischen Hechts für Matrimonial-,

Testaments-

und

Erbschaftssachen der hiesigen Israeliten vom 1. Juni 1864. Seine intertemporalen Bestimmungen folgen im allgemeinen der republikanischen Regel.1 0.H.G. und E.G. anerkannt ist, s. unten § 66. — Von den p e r s o n a l e n Bestimmungen sei auch hier die lobend erwähnt, welche bereits bestehende Entmündigungen schont, im Gegensatz zu einigen Gerichtsurteilen, s. unten § 69. Erst wenn sie von der zuständigen Behörde aufgehoben werden und zwar nach den Normen des neuen Kodex, verlieren sie ihre Wirkungen. Die übrigen Artt. durchweht auch der Hauch der Rückwirkung, mehr als in den früheren Gesetzen. So verlieren die Eltern die gesetzliche Nutznießung des alten Rechtes am Vermögen ihrer volljährigen oder gewaltsentlassenen Kinder spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Kodex; entferntere Aszendenten sofort, Art. 10. Umgekehrt erwerben diejenigen Eltern, welche nach den alten Gesetzen die Nutznießung am Vermögen ihrer Kinder mit dem achtzehnten Lebensjahre derselben verloren haben, die Nutznießung mit dem Inkrafttreten des neuen Kodex zurück, Art. 11. Vgl. noch Artt. 7 und 8. 1 § 3 bestimmt: „ Verfügungen auf dm Todesfall, welche von hiesigen Israeliten in Testamenten, Ehe- oder Erbverträgm, vor dem 1. Juli d. J. errichtet sind, werden in Betreff der Form und des Inhalts nach den bisher geltenden Gesetzen beurtheilt. . . Damit schließt sich der hamburgische Gesetzgeber an den allein richtigen Grundsatz an, daß auch der I n h a l t eines Testamentes nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden müsse; zum preußischen, österreichischen, hannoverischen, oldenburgischen, kantonal-schweizerischen und modenesischen Gesetzgeber gesellt sich also auch der hamburgische, während der badische und sächsische Gesetzgeber vereinzelt dastehen. Es ist daher trotz SAVIGNV, SCHMIDT und S T O B B E , denen sich neuerdings G I E B K E , Privatrecht § 24, An. 48, anschließt, r ö m i s c h e s und g e m e i n e s intertemporales Recht, daß sowohl Form als a u c h d e r I n h a l t eines Testamentes nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden müssen. — Eine Abweichung von der alten Rechtsregel enthalten Abs. 2 des § 3: „Es treten jedoch bei denjenigen Israelitischen Ehen, welche nach dem 30. Jimi d. J. durch den Tod getrennt werden, mit der Wiederverheirathung des überlebenden Theiles, falls das Vermögen beider Ehegatten bis dahin ungetheilt geblieben ist, die im Hamburgischen Rechte begründeten Abtheilungs-Ansprüche der Descendentm in volle Kraft.'1 Korrekterweise hätte auch hier die Zuständigkeit der alten Rechtsordnung gewahrt werden müssen, wie das durch den württembergischen Gesetzgeber geschehen ist; s. oben § 54, S. 381 n. 1. Dagegen weicht Abs. 3 nicht von der Regel ab: „Ebenso können die im Hamburgischen Rechte begründeten PflichttheilsAnsprüche an dm den Nachlaß der nach dem 30. Juni d. J. versterbenden Israeliten auch gegm früher nach mosaischem Rechte errichtete Verfügungen auf dm Todesfall geltend gemacht werden." Das materielle Noterbenrecht (Pflichtteilsrecht) richtet sich auch im Sinne der alten Rechtsregel nach der Rechtsordnung, welche im Augenblick des Todes des Testators, des Erbfalles gilt; s. oben § 54, S. 373 n. „Die Pflichtteils-Ansprüche der Aseendmtm sind jedoch in dem Falle ausgeschlossen, wenn in einem früher auf Grund des mosaischen Rechts geschlossenm Ehevertrage das ausnahmslose Erbrecht des Ehemannes an den Nachlaß seiner Ehefrau stipulirt worden ist." Auch diese Bestimmung ist korrekt; sie deckt sich mit der württembergischen V. von 1814, oben § 54, S. 381 n. 1; die Begründung ihrer Richtigkeit, s. unten Buch II. — § 4 ist kein intertemporaler Neuling; er schließt sich an die einschlägigen Bestimmungen in Hamburg nach Aufhebung der Fremdherrschaft an; s. oben § 54, S. 366 n. 1. „Der Ehefrau eines, nach dem 30. Juni d. J. ohne Hinterlassung eines Testaments versterbenden hiesigen Israelitm steht, wenn vor dem 1. Juli

dieses Jahres ein Ehevertrag nach mosaischem Rechte errichtet ist,

die

§ 55. Die intert. Einzelbestimmungen der bürgerlichen Gesetzbücher.

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Zum Schlüsse noch intertemporalrechtlich strittige Eechtssätze i n n e r h a l b der einzelnen Gesetzbücher des Privatrechtes. Zunächst ist auf den berühmten Art. 340 des Code Napoleon einzugehen. 1 Beurteilt man ihn nach der objektiven Gewährungsklausel des Art. 2 des Code Napoleon, so kann man unmöglich seine Ausschließlichkeit behaupten. Besitzt er aber keine, so sind a l l e vor dem Inkrafttreten des Code Napoleon erzeugten unehelichen Kinder auf Grund der alten Rechtsordnung berechtigt, die Vaterschaftsklage gegen ihren Erzeuger zu erheben. Wenn auch der Artikel in die Form eines Verbotsgesetzes {„est interdite") gekleidet ist, so ist seine Ausschließlichkeit doch zu leugnen. Nicht jedes Verbotsgesetz hat eine ausschließliche Natur. Die Meinung, daß es eine angeborene Ausschließlichkeit desselben gebe, ist auf das entschiedenste zu verwerfen. 2 Anders die französische Jurisprudenz; dieselbe nimmt an, wie bereits oben in § 52 S. 329 bemerkt, daß die Vorschriften über die personalen Rechtsverhältnisse Ausschließlichkeit besitzen, so daß sogar die Meinung auftrat, Artikel 340 finde Anwendung auch bei denjenigen schwebenden Prozessen, in welchen noch kein Beweisverfahren stattgefunden habe. 8 Auch den

Wahl frei, ob sie die ihr nach dem Ehecontracte oder die ihr naeh Hamburgischem Rechte zustehenden Ansprüche geltend machen will, wenn nicht der Ehemann nach Publication dieses Gesetzes in einer, seinen Willen genügend eonstatirenden schriftlichen Form ausgesprochen hat, daß seine Ehefrau auf die, ihr im Ehevertrag eingeräumten Rechte beschränkt sein soll.'1 Der Ehefrau wird somit das intertemporale Recht gegeben zwischen der neuen Rechtsordnung und dem vertragsmäßigen Erbrecht der alten zu optieren. Eigen ist nur, daß der Ehemann u n t e r d e r H e r r s c h a f t d e r n e u e n R e c h t s o r d n u n g durch schriftliche Willenserklärung dies Optionsrecht ausschließen kann. — Der Gedanke des intertemporalen Optionsrechtes der Ehefrau ist preußischen Ursprungs ; s. oben § 33, Zif. XIV, S. 213. Dort konnte die Ehefrau zwischen zwei Rechtsordnungen wählen, hier zwischen den Bestimmungen des Ehekontraktes und der neuen Rechtsordnung. 1 „La recherche de la paternité est interdite. Dans h cas d'enlèvement, lorsque l'époque de cet enlèvement, se rapportera à celle de la conception, le ravisseur pourra être, sur la demande des parties intéressées, déclaré pire de l'enfant." 2 S. oben § 7, S. 61 die Behauptung W I E S E N S , wonach prohibitive Gesetze zur sofortigen und strengen Anwendung kommen müssen und ihre Widerlegung. Auch das französische Recht kennt eine angeborene Ausschließlichkeit der Prohibitivgesetze nicht; s. BERGMANN, a. a. 0 . S. 289, Anm. 335 u. unten § 57. 8 Auch SAVIGNY, System. VIII, S . 529 nimmt an, daß der Art. 340 rückwirkende Kraft habe; er verwirft den genannten Grund der französischen Jurisprudenz, sondern rechtfertigt die Rückwirkung damit, daß es ein Gesetz von z w i n g e n d e r Natur ist. S. auch oben § 12, S. 87. Aber auch zwingende Gesetze haben keine angeborene Ausschließlichkeit. U.E. kommt dem Art. nur dann Ausschließlichkeit zu, wenn ihre materielle und formelle Voraussetzung erfüllt ist. Die formelle ist nicht erfüllt. Einer stillschweigenden Ausschlußklausel steht Art. 2 für immer entgegen; ist etwa die materielle vorhanden? Eine Umwandlung des sittlichen Rechtsgefühles, welche eine Mißbilligung der Vaterschaftsklage eines unehelichen Kindes erzeugt hätte, ja sogar einen Abscheu oder Widerwillen gegen ein derartiges Rechtsinstitut ist nach unseren heutigen sittlichen Begriffen undenkbar. Es ist daher nicht einzusehen, daß der Art. 340 ein rückwirkendes Gesetz sein soll und LASSALLE, a. a. 0. S . 280 ist im Rechte, wenn er SA VIGNY vor

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Das intert. Privatrecht in den Kodifikationen des bürgerl. Rechtes.

Art. 1912 des Code, welcher in zwei Fällen die Kündbarkeit einer ewigen Rente einführte, legte der französische Gerichtsgebrauch Ausschließlichkeit bei. 1 Ähnlich wie mit dem Art. 340 des Code verhält es sich mit dem unbedingten Verbote des Art. 215 d des alten Handelsgesetzbuches.2 Zur Erläuterung soll noch § 879 des österreichischen a. b. (x. B. angeführt werden, der ebenfalls ein unbedingtes Verbot gewisser Verträge bei Vermeidung der Nichtigkeit aufstellt. Die österreichische Rechtswissenschaft hat ihm aber korrekterweise eine Rückwirkung abgesprochen.3 wirft, sich selbst zu widersprechen. SAVIGNY hält nämlich die Ausschließlichkeit des Justinianischen Zinsgesetzes nicht für gerechtfertigt (s. oben § 12, S. 87) und doch ist die Umwandlung des Rechtsgefühles in Bezug auf die Höhe der Zinsen und der Abscheu gegen eine wucherliche Ausbeutung viel eher anzunehmen als gegen die Vaterschaftsklage eines unehelichen Kindes. Lag ein derartiger Widerwille des französischen Volkes vor, so war er ein antisozialer und damit kulturwidriger. Daß übrigens auch den z w i n g e n d e n Gesetzen keine angeborene Ausschließlichkeit eignet, hat das R.G. in seinem Urteile vom 18. November 1898 überzeugend dargethan; s. unten § 68. 1 Gegen den Grundsatz des Art. 2. S. SIKEY 12, I, 281 und unten § 69. Mit Recht sind gegen diesen Gerichtsgebrauch aufgetreten DOMOLOMBE I, 54 und MAZIAD£, Art. 2, n. XII u. Art. 1912. — Für die Ausschließlichkeit hat sich leider auch das Reichsgericht in einem Urteile vom 5. Jan. 1883 ausgesprochen. Ebenso in seinem Urteil vom 21. Febr. 1893 für die Rückwirkung der Artt. 676, 677 des Code im Anschluß an den franz. Kassationshof, s. das eingehend kritisierte Urteil unten in § 69. 2 „Die Aktiengesellschaft soll eigene Aktien im geschäftlichen Betriebe, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch Mim Pfände nehmen. Sie darf eigene Interimsscheine im geschäftlichen Betriebe auch in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch xum Pfände nehmen. — Eine Amortisation der Aktien ist zulässig, sofern sie unter Beobachtung der für die Zurückhaltung oder Herabsetzung des Grundkapitals maßgebenden Vorschriften erfolgt. Ohne Beobachtimg derselben darf die Oesellschaft ihre Aktien nur aus dem nach der jährlichen Bilanz sieh ergebenden Gewinne und nur in dem Falle amortisieren, daß dies durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen, den letzteren vor Ausgabe der Aktien abändernden Beschluß zugelassen ist." Auch dieser Artikel hatte richtiger Ansicht nach keine Ausschließlichkeit. Es fehlt die Ausschlußklausel. Anderer Meinung war das R.G. Entsch. 22, Nr. 1, s. unten § 69. Dagegen entschied es richtig, daß Art» 215a, Abs. 4, welcher verbietet, Rechte auf den Bezug neu auszugebender Aktien zuzusichern, keine Ausschließlichkeit besitzt, R.G. Entsch. 27, und Nr. 1, 28, Nr. 14, s. unten § 66. Warum aber in dem ersten Falle so, im zweiten anders? Vgl. auch noch den Schluß des Urteils vom 18. November 1898, E. 44, S. 103. Das Gericht behauptet hier, daß der Fall des Art. 215 d völlig anders lag, „da ein auf Erwerb der Aktien schon gerichtetes Vertragsverhältnis überall nicht vorlag." Eine unstichhaltige Entschuldigung! Macht denn die Rückwirkung nur vor Vertrags Verhältnissen halt? 8 §879: „Insbesondere sind außer den am gehörigen Orte angeführten, folgende Verträge ungültig-. . . ." S. UNGER, Privatrecht (S. 127, An. 43).

§ 56. Das interi. Privatrecht in den Grundgesetzen der Staaten.

§ 56.

395

Das intertemporale Privatrecht in den Grundgesetzen der Staaten, insonderheit der amerikanischen Union.

Die republikanische Rechtsregel der Römer hat sich derart in das Rechtsgefühl der modernen Völker eingelebt, daß sie sogar in ihren Grundgesetzen in mehr oder weniger glücklicher Ausprägung erscheint. — Die erste europäische Verfassung, die sie aufnahm, ist die französische Konstitution vom 24. Juni 1793. 1 Während jedoch diese Fassung nur das intertemporale S traf recht berücksichtigt, bezieht sich Art. 14 der Konstitution vom 23. September 1795 (5. fructidor d. J. II.) auch auf das intertemporale Privatrecht, in objektiver Fassung: „aucune loi, ni criminelle ni civile,

ne peut avoir d'effet rétroactif".

— Das französische Vorbild

fand Nachahmung in der Norwegischen Verfassung vom 81. Mai und vom 4. November 1814, § 97.2 Ebenso in der Verfassung des Königreichs Griechenland vom 17. Mai 1827.3 — Auch eine deutsche Verfassung, das Grundgesetz für das Herzogtum Sachsen-Altenburg vom 29. April 1831, enthält die intertemporale Hauptregel im weitesten Sinne.4 Früher als die europäischen Staaten haben die nordamerikanischen die ältere intertemporale Rechtsregel in ihre Verfassungen aufgenommen. So z.B. sagt die Verfassung von N e w - H a m p s h i r e vom 2. Juni 1784, p a r t h the f i r s t , Art. 23: „Rétrospective laws are highly injurious, oppressive, and unjust. No such laws, therefore, should be made, either for the décision of civil causes, or the punishement of offences." Sowohl das intertemporale Privatrecht als auch das Strafrecht wird darin berücksichtigt und zwar im Gegensatz zur französischen Verfassung von 1795 das intertemporale Privatrecht an erster Stelle. In ähnlicher Weise drücken sich 1

Art. 14 der vorausgehenden Erklärung der Menschenrechte lautet: „La loi qui punirait des délits commis avant qu'elle existât, serait une tyrannie; Veffet rétroactif dorme à la loi serait un crime}1 * § 97 lautet (in der Übersetzung v. PÖLITZ, die europäischen Verfassungen, Bd. 3, S. 99): „Keinem Gesetz soll rückwirkende Kraft erteilt werden." 8 Art. 19: „Das Oesetx kann nicht zurückwirken" (vgl. PÖLITZ, a. a. O. Bd. 3 , S . 5 2 3 ) . 4 § 47: „Keinem, Oesetx darf rückwirkende Kraft beigelegt werden." In dieser Allgemeinheit ist der Satz unrichtig, denn Prozeßgesetze besitzen eine angeborene Ausschließlichkeit. — Auch in die französische Konstitution von 1848 sollte der Art. 2 des Code civil aufgenommen werden. Bei Beratung des Kap. II stellte D A B A D X den Antrag, diese intertemporale Kegel unter die Rechte der französischen Bürger aufzunehmen. Trotz warmer Verteidigung von seiten DEMANTES, der darauf hinwies, daß der Art. 2 des Code civil sich nur an den Richter und nicht an den Gesetzgeber wende, wurde der Antrag verworfen, besonders durch die Einwände von ODILLON B A B H O T , wonach das Prinzip nicht absolut sei, weil günstige Gesetze rückwirken müssen. — FELIX BERRIAT-SAINT-PRIX stellte die Behauptung auf, daß unsere intertemporale Regel eine bessere Stelle in dem Grundgesetze fände als im bürgerlichen Gesetzbuche, das lediglich ein sekundäres Gesetz sei (Theorie du Droit constitutionel français, Paris 1851, No. 736 u. 737); vgl. auch LASSALLE, a . a . 0 .

S.

5.

396

Das interi. Privatrecht in den Grundgesetzen der Staaten.

die Verfassungen von Virginia, Maryland, Delaware aus. 1 — Auch die neueren Verfassungen der amerikanischen Staaten enthalten zum Teil eingehende Bestimmungen des intertemporalen P r i v a t r e c h t s . 2 — Die Ver1 Verfassung von Virginia vom 1. Juni 1876, Art. 9; Verfassung von Maryland vom 15. Mai 1776, Art. 15; Verfassung von Delaware vom 11. September 1776, Art. 11. Vgl. Recueil des lois constitutives des États-Unis de l'Amérique, dédié à M. le docteur Franklin; en Suisse chez, les libraires associés. MDCCLXXVIII. 2 So die Verfassung von New-Jersey v. 14. Mai bis 29. Juni 1844, Art. IV, Section VII, § 3: The Legislature shall not pass any bill of attainder, ex post facto or depriving a party law, or law impairing the obligation of contracts, of any remedy for enforcing a contract which existed when the contract was made. Damit wird die intertemporale Hauptregel in Ansehung der Vertragsverhältnisse der alten Rechtsordnung aufgestellt und zwar in bindender "Weise für den G e s e t z g e b e r . — In der Fassung: No bill of attainder, ex post facto law, or law impairing the obligation of contracts, shall ever be passed enthalten die ältere Rechtsregel folgende Grundsätze: Arkansas vom 11. Februar 1868, Art. I, § 13; California von 1849—1862, Art. I, § 16; Florida v. 25. Febr. 1868, Declaration of Rights, § 17; Indiana vom 10. Februar 1851, Art. I, § 24; Jowa vom 5. März 1857, Art. I , § 21; Kentucky vom 11. Juni 1850, Art. XIII, § 20; Maine vom 29. Okt. 1819, Art. I, § 11; Michigan vom 15. Aug. 1850, Art. IV, § 43; Minnesota v. 13. Okt. 1857, Art. I, § 11; Mississippi v. 15. Mai 1886, Art. I, § 9; Nebraska vom 9. Febr. 1866, Art. I, § 12; Nevada v. 28. Juli 1864, Art. I, § 15; Rhode-Island vom 10. Sept. 1868, Art. I, § 12; South Carolina vom 2. Mai 1868, Art. I, § 21; West Virgina vom 2. Juli 1864, Art. II, Sect. 1; Wisconsin vom 1. Februar 1848, Art. I, § 12; Alabama v. 24. Febr. 1868, Art. I, § 24; Virginia vom 19. Juli 1870, Art. V, § 14 (die ältere Verfassung ist vom 29. Juni 1776, Preamble); Indiana vom 10. Februar 1851, Art. I, § 24; Oregon v. 18. Sept. 1857, Art. I, § 22; Illinois v. 13. Mai 1870, Art. II, § 14; Pennsylvania v. 22. Febr. 1838, Art. IX, Zif. 17. Noch eingehender drückt sich aus Missouri vom 6. Jan. 1865 „That no ex post facto law, nor law impairing the obligation of contracts, or retrospective in its operation, can be passed." Hier zeigt sich, daß das amerikanische Rechtsgefühl von der Lehre S A V I Q N Y S vom Erwerb und Dasein der Rechte nicht beeinflußt wurde, indem auch die W i r k u n g e n einer Obligation von der neuen Rechtsordnung nicht beschränkt werden dürfen, sondern nach der alten beurteilt werden müssen. Sogar einzelne obligatorische Thatbestände der alten Rechtsordnung, die von der neuen nicht ergriffen werden dürfen, führt der Art. I, § 32 der Verfassung von North Carolina vom 16. März 1868 an: Retrospective laws, punishing act committed before the existence of such laws, and by them only declared criminal, are oppressive, unjust and incompatible with liberty, wherefore no ex post facto law ought to be made. No law taxing retrospectively, sales, purchases or other acts previously done, ought to be passed. Eigenartig ist auch die allgemeine Fassung dieser Bestimmung, wonach alle rückwirkenden Gesetze verboten sind. Daß das Verbot in dieser Allgemeinheit unrichtig ist, ist bereits oben gesagt worden. Ebenso allgemein drückt sich aus Maryland, Declaration of Rights vom 17. Aug. 1867, Art. 17: „That retrospective law, punishing acts committed before the existence of such laws, and by them only declared criminal, are oppressive, unjust and incompatible with liberty; wherefore, no ex post facto law ought te be made; nor any retrospective oath or restriction be imposed, or required." Wie aus der Fassung ersichtlich ist, hat der Gesetzgeber hier hauptsächlich Strafgesetze im Auge; bürgerliche Rechtsverhältnisse werden nicht erwähnt. Ahnlich Massachusetts vom 16. Juni 1780, parth the first, Art. XXIV. Nur b ü r g e r l i c h e Rechtsverhältnisse erwähnt die Verfassung von Tennessee vom 2. Montag im Januar d. J. 1870,

§ 56. Das intert. Privatrecht iu den Grundgesetzen der Staaten.

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fassung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. September 1787 enthält kein Verbot der Rückwirkung für den Gesetzgeber des B u n d e s staates, sondern nur für die Gesetzgeber der Einzelstaaten. 1 Art. I, § 20: „The no retrospective law, or law impairing the obligation of contracts, shall be made." Art. I , § 11 dagegen enthält intertemporales Strafrecht. Ebenso hat auch South Carolina eine besondere Bestimmung für das intertemporale Strafrecht, Art. I , § 14. Dagegen enthält die Verfassung von Texas vom 30. Nov. 1869, Art. I , das Verbot der bill of attainder und außerdem Bestimmungen, die sich auf bürgerliche Rechtsverhältnisse beziehen. § 14 lautet: No bill of attainder, ex post facto law, or any law impairing the obligation of contracts, shall be made; and no person's property shall be taken, or applied to public use without just compensation being made, unless by the consent of such person: nor shall any law bepassed depriving a party of any remerdy for the enforcement of a contract, which existed when the contract was made. — Man kann hierher noch eine Bestimmung der Verfassung von Arkansas rechnen vom 11. Febr. 1868, Art. XV, § 16: . . . All laws of this State, not in conflict with this Constitution, shall remain in full force until otherwise provided by the General Assembly, or until they expire by their own limitation. Nothing herein shall be construed to impair vested rights under existing laws. Der Sinn dieser Bestimmung kann so verstanden werden, daß neue Gesetze unter der alten Rechtsordnung erworbene Rechte nicht abschwächen dürfen. S. auch R Ö T T I M A N N , a. a. O. S. 177, Anm. 1. Dagegen dürfte die Bestimmung in der Verfassung von Ohio von 1850—1851, Art. I, § 19, Satz 1: „Private property shall ever be held inviolate, but subservient to the, publie welfare" nicht hierherzurechnen sein, sondern sich auf die Zwangsenteignung beziehen. A. M. R Ü T T I M A N N , a. a. 0. S. 177, Anm. 1. Obige Verfassungsvorschrift von Arkansas steht unter dem Einflüsse der Lehre von den wohlerworbenen Rechten. — Vgl. The Constitutions of the Several States of the Union and United Stales including the Declaration of Independence . . .: New York, A. S. Barnes u. Cie., 1866. Besonders aber Américain Constitutions comprising the Constitutions of Each State in the Union and of the United States, etc. by Franklin, B. Hough, in two volumes. Albany 1872. 1 Art. I, Sect. IX, § 3: „No bill of attainder, or ex post facto law, shall be passed." Wie aus den Verfassungen der Einzelstaaten hervorgeht, umfaßt der Begriff ex post facto law alle ausschließlichen Gesetze; jedoch hat eine dauernde Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte den Begriff auf Strafgesetze beschränkt. Vgl. The Cabinet Lawyer (London 1872) 698: „An ex-post facto laic is a law made subsequently to the offence it is intended to restrain or punish.11 S. R Ü T T I M A N N , a. a. 0 . S. 171, Anm. 2. Außerdem enthält die Verfassung auch ein Verbot, bürgerlichen Gesetzen bestimmten Inhaltes Ausschließlichkeit beizulegen. Art. I, Sect. X, § 1: „No state shall. . . passe any bill of attainder, ex-post-faeto law, ur law impairing the obligation of contracts ; . . . Der verfassungsmäßige Schutz der Kontrakte vor der Ausschließlichkeit neuer Rechtsordnungen hat eine größere Anzahl von Streitigkeiten und gerichtlichen Entscheidungen verursacht, als alle anderen Verfassungsbestimmungen zusammengenommen. Sie lasse» sich unter drei Fragen bringen: Wie ist der Begriff Kontrakt zu bestimmen? — Was ist eine Kontraktsobligation? — Welche Gesetze schwächen eine Kontraktsobligation? — 1. Kontrakt wird als Vertrag im weiteren Sinne verstanden; also nicht bloß der obligatorische, sondern auch der dingliche, familien- und erbrechtliche Vertrag, einerlei ob er ausdrücklich oder stillschweigend abgeschlossen wird.

Geschützt wird nicht bloß der zu erfüllende („executory contract"'), als auch der erfüllte Vertrag („the obligation of an executed contract-'). Vgl. P O M E B O Y , (eonstitut. law). — 2. Die amerikanischen Juristen verstehen unter Kontraktsobligation dasselbe.

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Das intert. Privatrecht in den Grundgesetzen der Staaten.

E n g l a n d besitzt keine geschriebene Verfassung; daher ist schon aus diesem Grunde ein verfassungsmäßiges Verbot der rückwirkenden Gesetze undenkbar. Aber auch sonst ist es in England nirgends durch die Gesetzgebung ausgesprochen, es wird jedoch in der Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannt.1 was die Römer in pr. J . de obligat. 3, 13: obligatio est iuris vinculum quo necessitäte adstringimur alieuius solvendae rei seeundum nostrae civitatis iura. Daraue entnehmen sie, daß die Vorschriften der Rechtsordnung, unter deren Herrschaft der Eontrakt zustandegekommen ist, ein notwendiger Bestandteil derselben seien. Das Obergericht der Union hat demgemäß entschieden, daß ein neues Gesetz auf ältere Verträge unanwendbar sei, daß hingegen seiner Anwendung auf später entstandene Verträge nichts im Wege stehe. Vgl. P O M E B O Y , eonstitut. law. pag. 387. — 3. Das Verbot to impair the Obligation of eontraets schließt jede der drei Möglichkeiten der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares aus; s. oben § 12, S. 80 fg. Die amerikanische Jurisprudenz und auch die Gesetzgebung (s. oben die einzelnen Verfassungsbestimmungen) unterscheidet zwischen der Abschwächung des Inhaltes eines Vertrages und der Rechtsmittel zur Verwirklichung desselben. Vgl. Texas I , 14: Nor shall any law be passed depriving a party of any remedy for the enforeement of a eontract, wisch existed when the eontract was made. Das Obergericht der Union ging von der Ansicht aus, daß die Mittel einen Kontrakt zu verwirklichen ebensogut durch die Bundesverfassung gewährleistet seien, wie das durch den Vertrag begründete Recht selbst. S. RÜTTIMANN, a. a. 0., S. 190. Von Belang ist die Behandlung der Veqährungsgesetze. Durch die Praxis der Unions- und der Staatengerichte wurde festgestellt, daß ein Verjährungsgesetz, welches die Verjährungsfrist der Klage abkürzt, nichtig ist, wenn es einem Gläubiger die ihm zustehende Klage gänzlich entzieht. Bleibt hingegen dem Gläubiger genug Zeit zur Anstellung der Klage übrig, so kann die Obligation des Kontraktes nicht als abgeschwächt betrachtet werden, wenn auch die Frist, binnen welcher vor Erlaß des Gesetzes die Klage angestellt werden konnte, abgekürzt worden ist. Die gewöhnliche Veijährungsfrist nach amerikanischem Rechte beträgt sechs J a h r e ; eine Verkürzung derselben auf drei Jahre ist unwirksam für alle Forderungen, die vor mehr als drei Jahren entstanden, nach der alten Rechtsordnung aber noch nicht verjährt sind. Dagegen ist das neue Gesetz auf Forderungen anwendbar, welche erst ein oder zwei Jahre bestehen, da dem Gläubiger noch hinlängliche Zeit offensteht, um sie zu verwirklichen. — Moratorien (stay laws) und Gesetze, die den Verkauf der dem Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers weggenommen Pfänder zu einem durch obrigkeitliche Schätzer festgesetzten Preise verbieten (appraissement laws), sind ungültig, soweit sie bereits bestehende Forderungen ergreifen sollen. S. R Ö T T I M A N N , a. a. 0., S. 176—194. — Wie oben bemerkt richtet sich das Verbot, Strafgesetzen und bürgerlichen Gesetzen gewissen Inhaltes Ausschließlichkeit zu verleihen, nur an die Gesetzgeber der amerikanischen E i n z e l s t a a t e n . Doch hat in Sachen H E P B U B N und G B I S W A L D die Mehrheit des Unionsgerichtes am 7. Febr. 1870 sich dahin ausgesprochen, daß ein U n i o n s g e s e t z , welches die Wirkung eines Vertrages abschwäche, mit dem Geiste der Verfassung unvereinbar sei. S. RÜTTIMANN a. a. O., S. 176, Anm. 2. Dieses Urteil ist allerdings später wieder umgestoßen worden. 1 S. G Ö P P E B T , a. a. 0. S. 33. — Charakteristisch ist es aber, daß der große Kommentator des englischen Rechtes BLACKSTONE die intertemporale Hauptregel nirgends berührt. — Er hätte besonders in der Einleitung Section I I On the Nature of Laws General oder im 1. Buche Of the Rights of Persans dazu Gelegenheit gehabt. Es ist die Frage zu beantworten, wie es kommt, daß die amerikanischen Tochterverfassungen ausdrücklich den Grundsatz enthalten, während die Gesetze

§ 57.

Allgemeine Übersicht.

399

II. Das intertemporale Privatrecht in den Einzelgesetzen des 19. Jahrhunderts. § 57.

Allgemeine Übersicht.

Im Vorstehenden kam das intertemporale Privatrecht in den Kodifikationen oder in Bruchstücken von solchen und in den Staatsgrundgesetzen zur Darstellung. Nun soll es in Gesetzen des 19. Jahrhunderts betrachtet werden, welche e i n z e l n e Materien regeln. Dabei verdienen aber auch diejenigen französischen Gesetze Berücksichtigung, welche in der französischen Revolutionszeit ergangen sind und den Erlaß des Code civil vorbereitet haben, obschon sie noch in das Ende des 18. Jahrhunderts fallen. — Als neue Erscheinungen treten auf das intertemporale U r h e b e r r e c h t im w. S. des Wortes, und das intertemporale G r u n d b u c h r e c h t . Sämtliche in Betracht kommenden Gesetze ordnen sich in zwei Gruppen: die einen folgen der intertemporalen Hauptregel; 1 die anderen tragen den Stempel der Ausschließlichkeit auf ihrer Stirn, sei es, daß sie die Voraussetzungen der neueren Rechtsregel erfüllen, sei es, daß sie, dem Zeitgeiste folgend, davon ungerechtfertigter Weise Abstand nehmen, wie es größtenteils die französischen Gesetze der Revolutionszeit gethan haben. 2

§ 58.

Die intertemporale Hauptregel in den Einzelgesetzen.

Die Gesetze dieser Gruppe lassen sich am besten in solche der p e r s o n a l e n und der r e a l e n Rechtsverhältnisse einteilen. 3 Die ersteren liefern den lebendigen Beweis gegen die von der französischen und italienischen Jurisprudenz behaupteten, angeborenen Ausschließlichkeit derPersonaldes Mutterlandes sich schweigsam verhalten. Die Lösung des Rätsels ist eine ähnliche, wie bei der Frage, warum jene Verfassungen auch den Grundsatz der Religionsfreiheit ausgesprochen haben. Wie die Religionsfreiheit, so würde auch das intertemporale Recht im 17. Jahrh. in England mit Füßen getreten, allerdings nicht sowohl das intertemporale Privatrecht, als das intertemporale Strafrecht. Der Präsident des Obergerichtes der Union, Chase, hat die intertemporalen Rechtsverletzungen, welche vom englischen Parlamente im 17. und auch noch im 18. Jahrhundert durch Erlaß von bills of attainder und bills of pains and penalties begangen worden sind, zusammengestellt. Vgl. Rüttimanv, a. a. 0., S. 168; Busz, das Bundesstaatsrecht der Verein. Staaten v. Nord-Amerika, S. 582. Die englischen Kolonisten brachten aus dem Mutterlande nur ihr v e r l e t z t e s intert e m p o r a l e s R e c h t s g e f ü h l mit, dem sie in den Verfassungen zunächst durch das Verbot rückwirkender Strafgesetze, dann aber auch durch das Verbot ausschließlicher bürgerlicher Gesetze energischen Ausdruck verliehen. 1 S. unten § 58. 2 S. unten § 59, S. 407 fg. * Über personale und reale Rechtsverhältnisse vgl. mein Institutionensystem Kap. IX, insb. S. 507 fg.

400

Das intcrt. Privatrecht in den Einzelgesetzen des 19. Jahrhunderts.

Statuten. Zur Übersichtlichkeit geben wir i m Text den kurzen intertemporalen Rechtsgehalt der Gesetze u n d in den Anmerkungen ihren Wortlaut. A. P e r s o n a l g e s e t z e . — Die einmal erworbene Handlungsfähigkeit bleibt unter der neuen und negativen Rechtsordnung aufrecht. 1 Die einmal entstandenen Aktiengesellschaften bleiben von der neuen und negativen Rechtsordnung unberührt 2 . — Der einmal erworbene eheliche G-üterstand, einschließlich des gegenseitigen Erbrechtes, bleibt unter der neuen und negativen Rechtsordnung unwandelbar. 3 — Der einmal erworbene 1

Eröffnen wir die Reihe der hierher gehörigen p e r s o n a l e n Gesetze mit der Preußischen „ Verordnung wegen Einführimg des Vierundxwanxigjährigen statt des bisher Einundxwanxigjährigen Majorennitäts - Termins ins Fürstenthum Erfurt und Amte Wandersleben. Vom 1. August 1817." Sie schließt sich der Mehrzahl der „transitorischen" Gesetze nach Aufhebung der Fremdherrschaft an; s. oben § 54. S. 378, n. Die einschlägige Stelle lautet: „Da nun xu erwarten ist, daß hiernach manche Unserer Vnterthanen ihre Verhältnisse geordnet, und Einrichtungen getroffen haben werden, welche zu stören tvir Bedenken tragen; so verordnen Wir, nach eingeholtem Outachten Unsers Staatsraths in den Bezirken der vormundschaftlichen Oeriehte des Fürstenthums Erfurt und des Amts Wandersleben, worin dieselbe Stattgefunden hat, bestätigt seyn und bleiben soll, für alle diejenigen Personen, welche vor dem lsten Januar 1818 das Einundzwanzigste Jahr xurückgelegt haben werden.11 — Zu gunsten der alten Rechtsordnung entscheidet auch die „transitorische Bestimmung des Hamburgischen Gesetzes, betr. Aufhebung einiger Beschränkungen der Handlungsfähigkeit u. w. d. a. vom 3. Juni 1870. Das Gesetz hebt in Art. 1 „die bisher gesetzliche Geschlechts-Vormundschaft (eura sexus) auf und bestimmt in Art. 4, daß die Volljährigkeit f ü r b e i d e G e s c h l e c h t e r mit dem zurückgelegten einundzwanzigsten Jahre eintritt, während früher die Mädchen mit dem zurückgelegten achtzehnten Lebensjahre volljährig wurden, aber einen Geschlechtskurator zu gewissen Fällen hinzuziehen mußten. Die transitorische Bestimmung lautet nun: „Mädchen, welche vor dem 1. Juli 1870 das achtzehnte Jahr bereits xurückgelegt haben, haben bis xum vollendeten einundzwanzigsten Jahre im, allen denjenigen Fällen, wo es seither gesetzlich erforderlich gewesen ist, einen Geschlechts curator beizuziehen.u Es ist daher unerfindlich, wie die Motive zum E.G. des B.G.B. S. 242 behaupten können, daß dieses Gesetz den bereits volljährigen Personen die Volljährigkeit entzogen habe. Im Gegenteil, die Mädchen, welche noch unter der alten Rechtsordnung volljährig geworden und unter die Geschlechtsvormundschaft getreten sind, bleiben in diesem Zustande bis zum vollendeten 21. Lebensjahre. Also bleibt für sie die alte Rechtsordnung für eine kurze Spanne Zeit in Kraft. — Daran schließt sich auch das Schweizerische Bundesgesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit vom 22. Brachmonat 1881. Art. 12: „Personen, welche bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes nach kantonalem Rechte die Handlungsfähigkeit bereits erlangt haben, bleiben handlungsfähig." 8 Preußische Gesetz über die Aktiengesellschaften. Vom 9. November 1843. § 30: Auf die bereits bestehenden Aktiengesellschaften findet dieses Gesetz keine Anwendung. Damit stellt sich der preußische Gesetzgeber, seinen intertemporalen Traditionen getreu, wieder ganz und ohne Vorbehalt auf den Boden der älteren Regel, im wohlthuenden Gegensatz zu den meisten Gesetzgebern über diese Materie; s. oben § 52, S. 345, § 59, S. 414 n. 3, § 61, S. 425 n. 4. ' Landesherrliche Verordnung für Oldenburg v. 23. Dez. 1833 bis 22. Jan. 1834, betreffend Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten. Nicht wie die Motive z.

§ 58. Die intertemporale Hauptregel in den Einzelgesetzen.

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väterliche Nießbrauch am Kindesvermögen bleibt unter der neuen und negativen Rechtsordnung bestehen 1 . — Die Rechtsverhältnisse der u n e h e l i c h e n Kinder erleiden durch die neue und negative Rechtsordnung keine Änderung. 2 E.G. d. B.G.B., S. 281 behaupten: vom 22. Dez. 1833. § 4 lautet: „In allen diesen Verhältnissen wird das eheliehe Güterrecht, im § 1 durch den Stand, welchen der Mann zur Zeit der Trauung halte, im § 2 und 3 dureh den Ort, wo dir Eheleute nach, vollzogener Heirat ihren ersten Wohnsitz nehmen, begründet, und durch nachherige Aufgebung des Standes oder Wohnortes nicht verändert. (Letzteres mit der Beschränkung im § 7)". Als maßgebender Zeitpunkt für die Frage, welche Rechtsordnung über den ehelichen Güterstand entscheidend sei, wird derjenige der Eheschließung bezw. der Begründung des ersten Wohnsitzes bezeichnet und dadurch die Um w a n d e l b a r k e i t des einmal begründeten Güterstandes verkündet. — Hamburgisches Gesetz, betreffend Ausdehnung des Hamburgischen Stadtrechts in Bezug auf die Vermögensrechte der Ehegatten auf das ganze Staatsgebiet, vom 25. Juli 1879 „Für alle nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossenen Ehen bestimmen sich die Vermögensrechte der Ehegatten, sowohl während der Ehe, wie nach deren Auflösung, insbesondere auch die nach dem Tode des einen Ehegatten emtretenden Rechtsverhältnisse in dem ganzen Staatsgebiete nach den Vorschriften des Hamburgischen Stadtrech/s." — Hervorzuheben ist, daß die neue Rechtsordnung auch nicht das Erbrecht der Ehegatten ergreift, im Anschluß an das Württembergische Gesetz d. J. 1814; s. oben § 54 S. 381 n. 1. Damit hat auch hier die allein richtige intertemporale Rechtsanschauung den Sieg davon getragen. S. auch G I E R K E , Privatrecht § 26 An. 30. 1 Braunschweigisches Gesetz betreffend die Wirkungen der VolljährigkeitsErklärung und die Aufhebungsarten der väterlichen Gewalt vom 19. Mai 1876. §3: „Durch diese Bestimmungen wird der lebenslängliche Nießbrauch des Vaters am eigentlichen Muttergute (Verordnung vom 30. Dexember 1754; § 2 der Verordnung vom 6. Mai 1828 Nr. 13) nicht berührt. — Die ron einem Vater an anderen Gütern seiner Kinder zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits erworbenen Nießbrauchsrechte bleiben, wenn der Vater nicht früher auf dieselben verzichten sollte, — eventuell auch über die Dauer der Minderjährigkeit der Kinder hinaus — bei Töchtern bis zu deren Verheiratung, bei Söhnen bis dahin bestehen, daß dieselben sich durch Errichtung eines eigenen Hausstandes von dem väterlichen Hause absondern11. * Gesetz Sachsen-Meiningens vom 9. September 1844, die aus unehelichen Schwächungen entstehenden Privatansprüche und Rechte betreffend, s. Art. 3: „Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem 1. Oktober d. J. dergestalt in Krnft, daß es hinsichtlich der Art. 1—30 und 39—42 auf alle Fälle, in denen der außereheliche Beischlaf erweislich erst nach jenem Tage stattgefunden hat, Anwendung findet, hinsichtlich der Art. 31—38 aber auf alle Fälle, ivelche nach jenem, Tage gerichtlich anhängig gemacht werden; doch soll hinsichtlich der bereits existierenden Fälle die Art. 31 gedachte Verjährungsfrist nicht früher als von dem Tage an, da dieses Gesetz ins Leben tritt, zu laufen anfangen, wodurch jedoch der frühere Ablauf der nach den seitherigen Gesetzen bestehenden Verjährungsfristen nicht aufgehalten wird'1. Einige Bestimmungen der neuen Rechtsordnung (Art. 31—38) erhalten Ausschließlichkeit, mit Ausnahme der rechtshängigen Sachen (argumento e contrario) und der stillschweigenden Ausnahme der bereits erledigten Fälle. Die Verjährung wird nach dem Systeme geregelt, wonach diejenige Rechtsordnung entscheidet, nach welcher die Verjährungsfrist am frühesten abläuft. — Mit dem obigen Gesetze nahe verwandt ist das Gesetz für das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, die aus der außerehelichen Geschlechtsgemeinschaft entspringenden Rechte und Verbindlichkeiten

AFFOLTER, Intert. Privatrecht.

26

402

Das intert. Privatrecht in den Einzelgesetzen des 19. Jahrhunderte.

B. Realgesetze. — Die alten Zinsverträge bleiben unter der neuen und negativen Rechtsofdnung in voller W i r k s a m k e i t — Die erworbenen betreffend, v. 12. Aug. 1844. § 42 bestimmt: „Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Publication im, Kraft, leidet aber auf alle diejenigen Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung, welche sich auf eine vor ihrer Publication Statt gehabte fleischliche Vermischung gründen. Läßt sich nicht ermitteln, ob diese xur Zeit der Gültigkeit des älteren oder neueren Rechts statt gefunden habe, so ist das letxtere %u vermuthen und es greifen dann die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen Piatii". Dieser § enthält ohne Einschränkung die positive Gewährungsklausel. Außerdem stellt er eine i n t e r t e m p o r a l e R e c h t s v e r m u t u n g zu gunsten der neuen Rechtsordnung auf, was allerdinge nicht im Sinne und Geiste der republikanischen Rechtsregel liegt; s. oben § 48, S. 314; g 51 S. 323 und oben § 52, S. 346. — Sachsen-Meiningen und Schwarzburg-Sondershausen vertreten den korrekten Standpunkt, daß der Zeitpunkt der fleischlichen Vermischung (Empfängnis) entscheidend ist für die Frage nach der Zuständigkeit der Rechtsordnungen, während das badische intertemporale Privatrecht als maßgebenden Zeitpunkt den der Geburt betrachtet; s. oben § 52 S. 336 n. 2. Vgl. auch Bad. Ges. v. 21. Febr. 1851, § 7. 1 Das Ö s t e r r e i c h i s c h e W u c h e r p a t e n t vom 2. Dez. 1803 § 39: „Die bereits vor diesem Gesetxe geschlossenen Geschäfte sind noch ferner naeh dem Patente vom 25. Februar 1791 xu beurtheilen. Sie unterliegen jedoch der Verantwortlichkeit aus dem. gegenwärtigen Gesetxe, in so fern über dieselben neue Bedingungen eingegangen wurden". — Auch das W u c h e r p a t e n t vom 29. Jan. 1787 f ü r g e s a m t e L ä n d e r enthält die ausdrückliche Gewährungsklausel; letzter Absatz : „Diese Verordnung soll jedoch keineswegs auf das Verflossene wirken, sondern erst von dem Tage der Kundmachung in ihre Kraft treten". — Dem Osterreichischen Zinsgesetze vom 14. Juni 1868 (R.G.B1. Nr. 32) verlieh der § 7 in strafrechtlicher Beziehung Ausschließlichkeit, enthielt aber für das P r i v a t r e c h t die Gewährungsklausel. — Hierher gehört auch ein f r a n z ö s i s c h e s Zinsgesetz v. 3. Sept. 1807, welches noch ganz unter dem Einflüsse des Art. 2 des Code steht. Wie das Justinianische bestimmt es einen Höchstbetrag für die vertragsmäßigen und die gesetzlichen Zinsen, ohne sich aber, wie dieses, Auaschließlichkeit beizulegen. Art. 5 desselben lautet: „11 n'est rien innové aux stipulations d'intérêts par contrats ou autres actes faits au jour de la publication de la présente loi'1. In den Motiven wird ausdrücklich auf den Art. 2 des Code Bezug genommen und bemerkt, daß es eigentlich überflüssig sei, dem Gesetze ausdrücklich die Ausschließlichkeit abzusprechen ; zur Verhütung einer unrichtigen Auslegung habe man jedoch dem Entwürfe einen Artikel beigefügt, der dies ausdrücklich erkläre: „Nous n'aurions pas besoin d'avertir que la nouvelle loi ne doit point avoir d'effet rêtroaetif.

Il aurait suffi de se référer à l'art, d. C. N.\ qui porte que la loi ne rétroagit jamais. Mais pour éviter toute interprétation indiscrète, le projet contient un article, qui déclare qu'il n'est rien innové, etc. etc., " vgl. Corps de droit français, Tom. III., pag. 100 seqq. Der französische Gesetzgeber war also wie Justinian der richtigen intertemporalen Rechtsanschauung seiner Gerichte nicht sicher. Vgl. oben § 12, S. 86; vgl. auch § 66. Auch der Gesetzgeber des alten deutschen Reiches fand es für nötig, selbstverständliche intertemporale Grundsätze den Gerichten einzuschärfen; s. § 28, S. 167. — Das Gesetz bestätigt auch unsere frühere Behauptung, daß die Prohibitivgesetze ksine angeborene Ausschließlichkeit haben. Vgl. oben § 4, S. 30 u. § 7, S. 61. — Hierher gehört auch das R.G. betr. den Wucher vom 24. Mai 1880, das jeder intertemporalen Bestimmung ermangelt. Vgl. auch G I E R K E a. a. O. § 24 Anm. 20, der richtig hervorhebt, daß es keine rückwirkende Kraft hatte. A. M. P F A F F und H O F M A N N ESC. S. 178; A R N D T S Pand. (13. Aufl.) § 210, Anm. 5 und 6. Aber mit Unrecht; denn wenn auch die materielle Voraussetzung

§ 58.

Die intertemporale Hauptregel in den Einzelgesetzen.

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Pfand- und Vorzugsrechte bleiben von der neuen und negativen Rechtsordnung unberührt1. — Das bisanhier erworbene Grundeigentum und Hypothekenrecht werden von der neuen und negativen Rechtsordnung nicht angetasteta. — Die alten Privilegien und Urheberrechte im weitesten vorhanden ist, so fehlt doch die unumgänglich notwendige Ausschlußklausel. — Das übrigens auch das R.G. über die Haftpflicht v. 7. Juni 1871 keine Ausschließlichkeit besaß, hebt, soweit ich sehe, Niemand hervor. * Mit gewissen Einschränkungen gehört hierher das E.Gr, zur Konkurs-Ordnung vom 10. Februar 1877. § 12: „Insoweit Pfand- und Vorzugsrechte, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder einer richterlichen Verfügimg erworben oder in Bankstatuten den Banknoteninhabern rechtsgültig zugesichert sind, wufolge der Bestimmungen der Konkursordnung und dieses Gesetzes ihre Wirksamkeit verlieren, kann die Landesgesetxgebwng für die Forderung des Berechtigten ein Vorrecht vor allen oder einzelnen der im § 54 der Konkursordnung bezeichneten Forderungen gewähren. — Ist das Pfand• oder Vorzugsrecht auf einzelne bewegliehe Gegenstände des Schuldners beschränkt, so kann das Vorrecht nur im, Röhe des Erlöses derselben gewährt werden. — Das durch die vorstehenden Bestimmungen vorbehaltene Vorrecht kann nicht gewährt werden für ein zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren, wenn nicht das Vorrecht dadurch erhalten wird, daß dasselbe bis zum Ablaufe der zwei Jahre zur Eintragung in ein öffentliches Register vorschriftsmäßig angemeldet ist. Der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung solcher Register, sowie über die Anmeldung tmd Eintragung der Forderungen bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten". Das Eigenartige dieser intertemporalen reichsrechtlichen Bestimmungen besteht darin, daß die Aufrechterhaltung der alten Rechtsordnung der Landesgesetzgebung überlassen ist, ein Vorgehen, das vorbildlich geworden ist für das E.Gr, des B.G.B. — Verwandt ist die Bestimmung des §"13: „Die Landesgesetzgebung kann der Ehefrau, den Kindern und den Pflegebefohlenen des Gemeinsehuldners für Forderungen, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnimg entstanden sind, ein Vorrecht nach Maßgabe des § 12 Abs. 1,2 insoweit gewähren, als ein gesetzliches Pfandoder Vorzugsrecht der Ehefrau, der Kinder oder Pflegebefohlenen nach den bisherigen Gesetzen bestanden hat. — Auf das Vorrecht der Ehefrau findet die Bestimmung des §12 Abs. 3 entsprechende Anwendung. — Den Kindern und den Pflegebefohlenen kann das Vorrecht für ein fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren nicht gewährt werden11. — Von dieser Ermächtigung, die alte Rechtsordnung zu bewahren, machten Gebrauch Preußen, Ges. v. 6. März 1879, §§ 18, 20, 21, 24; Württemberg, Ges. v. 18. Aug. 1879, Art. 20, Nr. 1, 2; Bayern, Ges. v. 23. Febr. 1879, Art. 232—234; Sachsen, Ges. v. 11. März 1879, §§ 1—5; besonders ausgiebig das Hamburgische Gesetz vom 25. Juli 1879 § 19 und zu gunsten „der Bergedorfischen Concursordnung von 1820" und §§ 30, 32 und 34. 2

Hamburgisches Gesetz über Grundeigenthum und Hypotheken für Stadt und Gebiet mit Ausnahme des Amtes Bergedorf vom 4. Dezember 1868; § 75, § 76 verbietet die weitere Eintragung von Grundstücken in das Hypothekenbuch der Finanz-Deputation, enthält aber die ausdrückliche Gewährungsklausel. — Der alten Rechtsregel folgt auch die Hamburgische Verordnung über die Aufhebung und Ablösbarkeit der in den Paragraphen 35 und 36 der Grundrechte des Deutschen Volks erwähnten Abgaben und Leistungen. § 1 0 : „ Unablösbare Renten oder immerwährende Grundmiethen dürfen künftig nicht ausbedungen werden...." — Preußische Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872; § 49: „Wer»vor dem Zeitpunkt, in welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, das Eigenthum eines Grundstücks ohne Eintragung erworben hat, erhält auf Antrag die Eintragung als Eigenthümer, wenn er seinen Erwerb nach den Vorschriften des bisherigen Rechtes nachgewiesen hat. 26*

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Sinne des Wortes werden von der neuen negativen Rechtsordnung anerkannt 1 . — Für die bereits begonnenen Verjährungen bleibt in Bezug Diese Vorschriften behalten auch in Ansehung der Grundstücke, für welche ein Orundbuehblatt noch nicht angelegt werden kann, bis zur Anlegung desselben ihre Gültigkeit." Ferner §73: „Beschränkungen des Verfügungsrechts des Eigenthümers, sowie auf einem, privatrechtlichen Titel beruhende dingliche Rechte, welche an dem Tage, wo dieses Gesetz in Kraft tritt, ohne Eintragung rechtsgültig bestehen, müssen bis zum 1. Oktober 1873 eingetragen werden, widrigenfalls sie dritten Personen gegenüber nicht geltend gemacht werden können.11 Diese letztere Vorschrift nähert sich der Ausschließlichkeit in bedenklichem Maße; mit Recht hat das E.G. zum B.G.B, mildere Bestimmungen aufgestellt. 1 Reichsgesetz betr. das Urheberrecht an Schriftwerlcen, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken vom 11. Juni 1870, § 60: „Die Ertheilung von Privilegien zum Schutze des Urheberrechts ist nicht mehr wulässig, — Dem Inhaber eines vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes von dem Deutschen Bunde oder den Regierungen einzelner, jetzt zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten ertheilten Privilegiums steht es frei, ob er von diesem Privilegium Gebrauch machen oder den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes anrufen will. — Der Privilegienschutz kann indeß nur für den Umfang derjenigen Staaten geltend gemacht werden, von welchen derselbe ertheilt worden ist. — Die Berufung auf den Privilegienschutz ist dadurch bedingt, daß das Privilegium entweder ganz oder dem wesentlichen Inhalte nach dem Werke vorgedrückt oder auf oder hinter dem Titelblatt desselben bemerkt ist Wo dieses nach der Natur des Gegenstandes nicht stattfinden kann, oder bisher nicht geschehen ist, muß das Privilegium, bei Vermeidung des Erlöschens, binnen drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Eintragung in die Eintragsrolle angemeldet und von dem Kuratorium derselben öffentlich bekannt gemacht werden." Abs. 2 gewährt das intertemporale Optionsrecht. — Kurz schließt sich das Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste vom 9. Jan. 1876 an. § 19 desselben ist eine beinahe wörtliche Wiederholung des § 60 des vorher angeführten Gesetzes. Inhaltlich stimmen die beiden §§ vollständig überein. Eine beschränkte Auschließlichkeit eignet sich das Gesetz vom 11. Juni 1870. § 58 u. vom 9. Jan. 1876, § 18 insofern an, als k ü r z e r e Schutzfristen auch auf die Rechtsverhältnisse der alten Rechtsordnung angewandt werden. Anders dagegen das Österreich. Ges. v. 26. Dez. 1895 betr. das Urheberrecht an den Werken der Literatur, Kunst und Photographie, § 65 Abs. 1, welcher genau der älteren Regel folgt, falls die Schutzfristen der alten Rechtsordnung länger sind; auch die kürzeren Schutzfristen der alten Rechtsordnung werden unter bestimmten Voraussetzungen aufrecht erhalten. — Die Urheberrechtsgesetze haben sich aber auch insofern teilweise Ausschließlichkeit beigelegt, als die Neueinfübrung eines Urheberrechtsschutzes und die Verlängerung einer Schutzfrift auch älteren Geisteswerken zu gute kommt; so R.G. v. 11. Juni 1870, § 58 u. v. 9. Jan. 1876, § 18. § 58, Abs. 1: „Das gegenwärtige Gesetz findet auf alle vor dem Inkrafttreten desselben erschienen Schriftwerke, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werke Anwendung, selbst wenn dieselben nach dm bisherigen Standesgesetzgebungen keinen Schutz gegen Nachdruck, Nachbildung oder öffentliche Aufführung genossen haben." Vgl. noch Osterr. Patent v. 19. Okt. 1846, § 37 u. das Österr. Gesetz v. 26. Dez. 1895, §S 66 u. 67. Nach diesen §§ bleiben die unter der alten Rechtsordnung freien Vervielfältigungen und Nachbildungen und die freien Aufführungen musikalischer und Bühnenwerke auch unter der neuen Rechtsordnung frei. Schweizer. Bundesges. vom 23. April 1883, Art. 19 und 20. Letzterer Art. bestimmt, daß die verlängerte Schutzfrist nur „dem Urheber und dessen Erben, nicht aber dem Verleger oder einem• anderen Zessionaren zu gut"

§ 58.

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komme. „Ist die Schutxfrisl nach gegenwärtigem, Gesetze kürzer, so bleiben die nach bisherigen gesetzlichen VorSchriften erworbenen Rechte gleichwohl fortbestehen." Engl. Statut Vict. 5 u. 6, Art. 28, 4, 20 u. 21; Schwed. Ges. vom 20. Juli 1855; Norweg. Ges., Art. 47 u. 48; Holländ. Ges., Art. 25; Belg. Ges., Art. 39; Ital. Ges. v. 25. J u n i 1865, Art. 40. S. SCHUSTER, Urheberrecht der Tonkunst, 8. 318 ufg. Vgl. weiter die Preuß. Verord. v. 5. Juli 1844, § 1. — Jene erstgenannte Ausschließlichkeit entspricht der zweiten Möglichkeit der ersten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in der ersten Spielart; s. oben § 12, S. 85. Die zweitgenannte Ausschließlichkeit dagegen entspricht der ersten Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart; s. oben § 12, S. 91. Handelt es sich bloß um die Verlängerung der Schutzfrist, so liegt die zweite Möglichkeit der zweiten Regel des neueren intertemporalen Regelpaares in ihrer ersten Spielart vor; s. oben § 12, S. 96. — Manche Schriftsteller, wie W Ä C H T E R , Autorrecht S . 155 und S C H U S T E R , Urheberrecht der Tonkunst, S. 275 ufg. leugnen für den zweiten Fall die Ausschließlichkeit, da sie eben ihre verschiedenen Möglichkeiten nicht kennen. Mit richtigem Rechtsgefühle nimmt aber G I E R K E a. a. 0 . § 24, Anm. 9 eine solche an, ebenso das R.O.H.G. X, 113 ufg. u. X X I I I ,

397

u f g . ; KLOSTERMANN i n ENDEMANNS H . B . d e s H . R . I I ,

275 ufg.

Die materielle Voraussetzung ist vollständig erfüllt. Das neue Rechtsgefühl verwirft die alte Rechtsordnung, welche gewisse Geisteserzeugnisse nicht anerkannte und schützte. G I E R K E , der die materielle Voraussetzung nicht kennt, folgt a. a. O. einem ähnlichen Gedanken; er sagt: „Ihr innerer Grund liegt in der Anschauung, daß ein Rechtsschutz in dem nunmehr anerkannten Umfange s c h o n f r ü h e r d e m R e c h t s b e w u ß t s e i n e n t s p r o c h e n hätte. Das neue Gesetz erhebt also nur ein von der I d e e schon postulirtes Recht zum wirklichen Rechte". Hierher gehört auch das Reichsgesetz über M a r k e n s c h u t z v. 30. Nov. 1874 zu, indem die von der alten Rechtsordnung geschützten Warenzeichen auch von der neuen mit gewissen Beschränkungen anerkannt werden. § 9: „Auf Waarenzeichen, welche landesgesetzlich geschützt sind, ferner auf solche Zeichen, welche bis xum Beginn des Jahres 1875 im Verkehr allgemein als Kennzeichen der Waaren eines bestimmten 0ewerbetreibenden gegolten haben, kann durch die Anmeldung außer den gesetzlich geschützten oder im Verkehr allgemein anerkannten Inhabern niemand ein Recht erwerben, sofern diese vor dem, 1. Oktober 1875 die Anmeldung bewirken." Das Neuartige des § 9 besteht darin, daß nicht nur die Herrschaft einer wirklichen Rechtsordnung, sondern auch eine V e r k e h r s a n s c h a u u n g anerkannt wird. Ahnliches bestimmt § 9, Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der Warenbezeichnungen v. 12. Mai 1892, von dem eine Entsch. des R.G. v. 23. 5. 96(s. unten § 66.) sagt, er schütze den älteren Besitzstand, auch wenn derselbe gesetzlichen Schutz nicht erlangt hat. § 24 desselben Gesetzes gewährt der alten Rechtsordnung noch eine weitere, vierjährige Herrschaft über ihre Thatbestände und Rechtsverhältnisse. § 24: Auf die in Gemäßheit des Gesetzes über Markenschutz vom 30. Nov. 1874 in die Zeichenregister eingetragenen Warenzeichen finden bis zum 1. Oktober 1898 die Bestimmungen jenes Gesetzes noch ferner Anwendung. Die Zeichen können bis xum 1. Oktober 1898 jederzeit zur Eintragung in die Zeichenrolle nach, Maßgabe des gegenwärtigen Gesetzes angemeldet werden und unterliegen alsdann dessen Bestimmungen. Die Eintragung darf nicht versagt werden hinsichtlich derjenigen Zeichen, welche auf Grund eines älteren landesgesetzlichen Schutzes in die Zeichenregister eingetragen worden sind.11 Diese Bestimmungen sind denjenigen der Einf.-Ges. z. A.H.G. über die Firmen verwandt; s. unten § 61. — Vgl. noch Art. 27 des Schweix. Bundesg. vom 19. Christmonat 1879 betr. den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, Art. 27 u. 28, welche sich obigen Bestimmungen grundsätzlich anschließen. — Ganz auf dem Boden der älteren Regel steht auch das Reichspatentgesetz v. 25. Mai 1877. § 41: „Die auf Grund landesgesetxlicher

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auf die Veijährungsfrist die alte Rechtsordnung unter der neuen und negativen maßgeblich. 1 Bestimmungen xur Zeit bestehenden Patente bleiben nach Maßgabe dieser Bestimmungen bis xu ihrem Ablaufe in Kraft; eine Verlängerung ihrer Dauer ist unzulässig." § 42 gewährt dem Inhaber eines bestehenden Patentes das Recht, 'die Erteilung eines Patentes nach Maßgabe der neuen Rechtsordnung zu beanspruchen. Zutreffend bestimmt er für diesen Fall, daß dann die n e u e Rechtsordnung zur Anwendung gelangt. § 44 schützt für diesen Fall „diejenige, welche die Erfindung xur Zeit der Anmeldung derselben ohne Verletxung eines Patentrechtes bereits in Benutxung genommen oder die xur Benutxung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatten'' — Art. 36 Abs. 2 des Schweiz. Bundesges. vom 22. Juni 1888 betreffend der Erfindungspatente schließt sich dem Reichsgesetze an, ohne den Inhaber jenes Recht zu gewähren. „Erfindungen, die in dem Zeitpunkt, in welchem dieses Oesetx in Kraft tritt, vermöge der kantonalen Oesetxenoch Schutz, genießen, verbleiben gleichwohl in den betreffenden Kantonen bis xum Ablauf der gese/xliehen Schutxdauer geachütxt." — Das Reichspatentgesetz vom 7. April 1891 beläßt ebenfalls die bestehenden Patente der alten Rechtsordnung mit einer geringfügigen Ausnahme zu gunsten der neueingeführten Verjährung der Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Patentfähigkeit; s. Art. 2. 1 Preußisches Gesetz wegen Einführung kürxerer Verjährungsfristen vom 81. März 1838; § 7: „Gegen solehe Forderungen, welche xur Zeit der Publikation dieses Oesetxes bereits fällig waren, können die in den §§ 1 und 2 vorgeschriebenen kurzem Fristen nur vom letxten Dexember 1838 an gerechnet werden. — Bedarf es xur Vollendung der bereits angefangenen Verjährung nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften nur einer kürxeren Frist, als der in dem gegenwärtigen Qesetxe bestimmten, so hat es bei jener kürxeren Frist sein Bewenden.11 Darnach ist die alte Rechtsordnung maßgebend, wenn die nach derselben bemessene Vollendung der Verjährung nur noch einen Zeitraum erfordert, welcher kürzer ist, als die in dem neuen Gesetze bestimmte Frist, anderenfalls voller Ablauf der Frist des neuen Gesetzes unter dessen Herrschaft. S. Motive z. E.G. S. 253. Derselben Auffassung folgen die Preuß. Ver. v. 6. Juli 1845, § 7; die Gesetze f. d. ehem. Königreich Hannover v. 22. Sept. 1850, § 9; für das ehem. Kurfürstentum Hessen v. 14. Juli 1853, § 5; für das ehemalige Herzogtum Nassau, v. 5. April 1849, § 4 ; die Gesetze für Bayern v. 26. März 1859, Art. 9; für Württemborg v. 6. Mai 1852, Art. 14; die Verordnung für Mecklemburg-Schwerin vom 12. Mai 1855, § 6 und Mecklenburg-Strelitz v. 2. Juni 1856, § 6; die Gesetze für Sachsen - Weimar vom 26. März 1839, § 8, Braunschweig vom 3. Juli 1853, § 9, Sachsen-Meiningen vom 15. April 1853, Art. 9, Sachsen-Altenburg v. 31. Dez. 1855, § 14; die Verordnung für Anhalt-Dessau v. 18. März 1863, § 4; die Gesetze für Schwarzburg-Rudolstadt v. 3. März 1854, § 16, Schwarzburg - Sondershausen v. 27. April 1850, § 9, Reuß, j. L. v. 24. Mai 1856, § 10, Lippe-Schaumburg vom 5. Mai 1865, § 6, Lippe vom 8. Juli 1851, § 6, Lübeck v. 25. Nov. 1859, § 6; die Bekanntmschung für Bremen v. 7. Dezember 1868, § 10. Art. 9 (nicht 8, wie die Motive z. B.G.B, sagen) des Bayrischen Gesetzes vom 26. März 1859 lautet: In Bexug auf Forderungen und Rechte, welche xur Zeit der Bekanntmachimg des gegenwärtigen Oesetxes bereits klagbar sind, kommen, wenn für dieselben nach den früher geltenden Oesetxen kürxere

Verjährtmgs fristen, als nach dem gegenwärtigen Qesetxe bestimmt waren, die bisherigen Vorschriften xur Anwendung. — Waren dagegen die bisher geltenden Verjährungsfristen länger als die im gegenwärtigen Qesetxe vorgesthriebenen, so tritt xwar das Lelxtere hinsichtlich der Verjährungszeit in Anwendung, die Verjährung selbst aber nimmt evst vom Tage der Verkündung dieses Qesetxes an ihren Anfang. Nnr wenn die Verjährung bei der Geltung der bisherigen Qesetxi mit Rücksicht auf die bisher verflossene Zeit schon vollendet ist oder sich früher endigen würde, als

§ 59.

Die Gesetze der französischen Revolution.

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§ 59. Die Gesetze der französischen Revolution. — Die neuere intertemporale Rechtsregel in den Einzelgesetzen. — Die novae tabulae im Deutsch-Französischen Kriege. In den Zeiten der französischen Revolution stoßen wir auf eine Reihe von Gesetzen negativen Charakters von strengster (restitutiver) Ausschließlichkeit. Das Rechtsgefühl des Volkes bildet nicht bloß die Ursache der Revolution der Staatsform, sondern auch dieser neuen negativen Rechtsordnungen des bürgerlichen Rechtes. An den gewaltigen Ereignissen seit dem Jahre 1 7 8 9 läßt sich meine frühere Behauptung erhärten, daß das Recht nicht aus der R e c h t s ü b e r z e u g u n g , sondern aus dem Rechtsg e f ü h l e hervorgeht. 1 — Der Abscheu des französischen Volkes vor der feudalen Mißwirtschaft richtet sich, wenn auch nicht in erster Linie, gegen die alte Rechtsordnung mit ihren grundherrlichen und lehensherrlichen Rechtseinrichtungen. So darf es nicht verwundern, wenn die aus diesem Gefühle des Abscheues und des Widerwillens hervorgegangenen negativen Gesetze den Stempel der Ausschließlichkeit in schroffster Weise an der Stirne tragen. 2 — Das Gesetz vom 15. (30.) März 1790 spricht die Vernichtung des Lehenswesens und der gutsherrlichen Rechte im einzelnen aus, nachdem sein Vorgänger vom 4. August 1789 den allgemeinen Grundnaeh Ablauf der von Verkündigung des gegenwärtigen Gesetzes an berechneten Verjährungsperiode des Letzteren hat es bei bisherigen Vorschriften sein Verbleiben". Ein anderes System der intertemporalen Verjährung läßt sich als ein spezifisch preußisches bezeichnen. Schon das P.P. z. A.L.R. Zif. XVII Abs. 2 enthält dasselbe; s. oben § 33, S. 215; es läßt sich als dasjenige des intertemporalen Optionsrechtes bezeichnen. Darnach wird die alte und neue Rechtsordnung angewandt, je nachdem der Verpflichtete sich für die Vollendung der Frist der alten Rechtsordnung oder für die Frist der neuen Rechtsordnung entscheidet, welch' letztere von dem Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung anzurechnen ist; s. die Motive zum E.G. S. 252 ufg. Dasselbe O p t i o n s r e c h t enthalten alle nachfolgenden intertemporalen Gesetze Prenßens, soweit sie die Verjährung berücksichtigen (s. oben § 54, S. 377). Ferner das Sachs. E.G. z. D.H.G.B. § 3 (s. unten § 61); das Kundm. P . z. österr. a. B.G. B. Abs. 6 (s. oben § 53 S. 347 fg.); die P.V. z. Sachs. B.G., § 17; (s. oben § 53, S. 355 n. 3). — Wie bereits oben in § 33, S. 215 n. 1 bemerkt, ist richtiger intertemporaler Anschauung nach die alte Rechtsordnung maßgebend für den Beginn der Veijährung, sowie für die Unterbrechung und Hemmung, sofern deren Thatbestände noch unter ihre Herrschaft fielen. Die preuß. Rechtswissenschaft war darüber geteilter Ansicht. Die späteren preußischen intertemporalen Gesetze aber v. 19. April 1848, § 8; v. 16. Febr. 1857 Art. VI; v. 5. Juni 1863, Art. 5; v. 4. Aug. 1865, Art. VI erklären in Ansehung der „Zulässigkeit des Anfangs der Verjährung" die alte Rechtsordnung für zuständig, ebenso für die unter ihr „stattgefundme Unterbrechung." Letzteres bestimmt auch § 15 der P.V. z. Sächs. BG. (s. oben § 53, S. 355 n. 2). 1 S. oben § 4, S. 29; § 7, S. 61; § 12 S. 81 insb. S. 86 fg. 2 Hierher gehört zunächst das Gesetz vom 4. August (21. September) 1789; ferner das Gesetz v. 15. (30.) März 1790; ferner das Gesetz v. 18. Juni (6. Juli) 1792; ferner das Gesetz vom 25. (28. Aug.) 1792; endlich das Gesetz v. 17. (18.)

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satz verkündet hat. Es enthielt noch einige Vorbehalte zu gunsten der alten Rechtsordnung. 1 — Diese intertemporale Billigkeit scheint jedoch den französischen Gesetzgeber gereut zu haben; denn er verfügte durch das Gesetz vom 19. (27.) September 1790, Art. 2, daß der Unterschied zwischen Lehen und Allod sofort gänzlich aufhören, ein jedes Vermögensverhältnis nach den Gesetz über das Allod sich richten solle. 2 — Der schroffe Geist dieser Ausschließlichkeit duldete auch keine Ausnahmen zu gunsten erledigter Sachen. Daher mußten sich alle Wirkungen rechtskräftiger Urteile vor ihm in ein Nichts auflösen, deren Ergebnis in der Fortdauer eines vernichteten Rechtes bestehen konnte, geschweige denn das schwebende Prozesse geschont wurden. 3 — Der Geist der Ausschließlichkeit, der aus der französischen Revolution hervorging und zunächst die unmittelbare Ursache des Leidens beseitigte, nämlich die Mißwirtschaft der Lehens- und Grundherrlichkeit, richtete sich, einmal erwacht, auch gegen Rechtseinrichtungen des allgemeinen Privatrechtes. Noch im Jahre 1790 beugte sich eine Verordnung, welche die kirchlichen VerJuli 1793. In einer Verordnung wird die materielle Voraussetzung der Ausschließlichkeit mit der Idee einer Wiederherstellung gekränkter Volksrechte erfüllt, lois civiles interm. I. II. p. 83, 40: „La loi n'a fait que développer les principes proclamés dèslors par un grand peuple qui se ressaisissait de ses droits, l'effet rétroactif commencerait là seulement où ton dépasserait cette limite". 1 So die Beibehaltung des Unterschiedes zwischen Lehen und Allod für die künftige Erbfolge der bereits vor dem Gesetze verheirateten Personen; s. lois civiles interm. I. I, p. 7 et s. 2 Das Gesetz fährt fort: „pour les successions, à compter de la publication des lettres-patentes du 28 mars dernier, intervenues sur le décret du 15 du même mois, et pour toute autre matière, à compter de la publication des lettres patentes du 3 novembre 1789. Diese neue intertemporale Vorschrift galt als g e s e t z l i c h e A u s l e g u n g derjenigen Rechtssätze, welche in den Gesetzen vom 4. Aug. 1789 und vom 15. März 1790 niedergelegt waren. In der That war es aber nur ein Mißbrauch ihres Namens, um die widerrechtliche Ausschließlichkeit zu beschönigen, ein Mißbrauch, den wir bereits oben in § 14, S. 114 befürchtet haben. Französische Juristen stellen gelegentlich die Behauptung auf, daß die Gesetzgebung unwiderrufliche Verträge der Vorzeit geschont hätte. So CHABOT DE LALLIEB Tom. I., p. 366, der aber nur an das vereinbarte Leibgedinge der altverheirateten Frauen denkt. Es ist jedoch BERGMANN a. a. O. S. 258 zuzustimmen, daß der französische Gesetzgeber ganz folgerichtig handelte, wenn er auch diesen Verträgen die Anerkennung versagte. Es stand eben im Bann der Auschließlichkeit in ihrer schärfsten Ausgestaltung oder wie BERGMANN sich ausdrückt; er verwarf „die Erhaltung des bisherigen Wesens wohlerworbener Rechte für die Zukunft". Einmal im Fahrwasser der Ausschließlichkeit, war es auch folgerichtig, daß man alle Rechtsgeschäfte untersagte, welche zur Erhaltung des Lehenwesens beitragen konnten und ihre Wirkungen sofort vernichtete (s. loi d. 1 brum. II.; loi d. 19 vent. II. Lois eiv. interm. I. II. pag. 7. 79.) und daß der Gesetzgeber manches zum Lehenswesen rechnete, was bei eingehender historischer Prüfung nicht dazu gehörte. s

Die meisten einschlägigen Gesetze sprechen zwar nur von der Aufhebung rechtshängiger Streitigkeiten. Die Hinfälligkeit der rechtskräftigen Urteile verstand sich aber von selbst. Dies geht hervor aus dem späteren kaiserlichen Dekrete für die Hans. Départ, v. 26. Sept. 1811, Art. 114: „Tous jugemens, même en dernier

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Mitnisse der Kinder aus gemischten Ehen normierte, der alten republikanischen Eechtsregel. 1 — Dagegen legte sich ein Gesetz v. 28. Aug. 1792, das die väterliche Gewalt über Grossjährige aufhob, Ausschließlichkeit bei. 2 — Ausschließlich ist auch das Gesetz vom 20. September 1792 über Ehescheidungen. Es sollte nicht bloß bei den unter der alten Rechtsordnung geschlossenen Ehen, sondern auch bei den bereits bestehenden Trennungen von Tisch und Bett und bei den über einer solchen Trennung schwebenden Eechtsstreitigkeiten Anwendung finden.3 — Aus den Menschenressort, qui auront maintenu des droits abolis par le présent décret, sont comme non avenus". Nicht einmal einzelne, unter der alten Rechtsordnung fällig gewordene Leistungen durften noch Gegenstand einer Rechtsstreitigkeit sein : denn der Gesetzgeber stellte neben die Vernichtung des Lehenwesens und der gutsherrlichen Rechte die Rechtsnorm, daß jedes gerichtliche Verfahren über jene Rechte aufhören solle; s. loi d. 28 sept. (3. nov.) 1789; loi d. 15 (30) mars 1790, Tit. II., art. 34; loi d. 19 avril 1790; loi d. 9 brum. II.; ferner Lois eiv. interm. T. I. pag. 4, 18, 22. T. II. pag. 13. Den Geist dieser Gesetze kennzeichnet am besten folgender Ausspruch: „L'assemblée nationale, considérant quil importe d'extirper, sans délai, jusqu' aux dernières racines de la féodalité, et de mettre fin à tous les proeès qui pourraient la rappeler ou en être la suite directement, décrète qu'il y a urgence". In Ansehung der bereits aufgelaufenen Prozeßkosten sollte nach einigen früheren Gesetzen noch beurteilt werden dürfen (s. loi d. 15 (30) mars; loi du 19 avr. ; loi 17 (21) mai; loi d. 13 (18) juin 1790; loi d. 18 juin. (6 juillet 1792), spätere dagegen begnügten sich mit einer Wettschlagung (s. loi d. 25 (28) août 1792, art. 12; loi d. I. frim. II. in den Lois civiles interm. T. II. pag. 20; so auch in den kais. Decr. v. 26. Dec. 1811, Art. 113.). 1 Loi d. 14 (19) déeemb. 1790: L'assemblée nationale, instruite des difficultés élevées à Colmar sur l'exécution du décret du 17 août dernier, . . . considérant que la loi ne peut pas avoir d'effet rétroactif'; décrète, que la loi de 1774, concernant les enfans nés et à naître des mariages mixtes entre des catholiques et des protestons, sera executée à l'égard des enfans nés et à naître desdits mariages mixtes, contractés depuis cette époque du 17 août." Lois eiv. interm. T. I. pag. 1b. s L'assemblée nationale décrète que les majeurs ne seront plus soumis à la puissance paternelle. Elle ne s'étendra que sur les personnes des mineurs." Lois civ. interm. T. I. pag. 296. Diese Verordnung ging aus der Idee von den Menschenrechten hervor und hatte den Zweck, die durch die bisherige Rechtsordnung unnatürlich verletzten Freiheitsrechte wieder herzustellen. Daher fand es der Gesetzgeber gar nicht nötig, die Ausschlußklausel besonders beizufügen. Daß ein Gesetz, welches die Unfreiheit der Kinder beseitigt, eine angeborene Ausschließlichkeit habe, spricht ein Dekret, welches die Beendigung eines Nießbrauchs anordnet, der durch Vertrag der Mutter bis zur Großjährigkeit ihrer Kinder zugestanden wurde, mit offenen Worten aus: „La convention nationale, après avoir entendu le rapport de son comité de législation sur une lettre du ci-devant ministre de la justice, présentant la question de savoir si la jouissance en usufruit donnée par un mari à sa femme en 1794, pour avoir son effet jusqu'à la majorité de ses enfans, doit cesser lorsqu'ils sont parvenus à vingt-un ans, attendu que l'intention du père semblait être de proroger cette jouissance jusqu'à vingt-cinq ans; considérant que la loi qui a porté la majorité à vingt-un ans a fixé à cet âge l'aptitude pour pouvoir gerer ses biens, et quelle n'a admis aucune exception; décrète qu'il n'y a lieu a delibérer. Le présent décret ne sera pas imprimé (lois civ. interm. T. II. p. 127). 8 Die Vorrede lautet: „L'assemblée nationale considérant combien il importe de faire jouir les français de la faculté du divorce, qui résulte de la liberté

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Das interi. Privatrecht in den Einzelgesetzen des 19. Jahrhunderts.

rechten folgerte der französische Gesetzgeber auch eine negative Rechtsordnung mit angeborener Ausschließlichkeit, welche die Schuldhaft aufhob. 1 — Auch im Erbrecht machte sich ein scharfer Hauch der Ausschließindividuelle, dont un engagement indissoluble serait la perte-, considérant, que déjà plusieurs époux n'ont, pas attendu, pour jouir des avantages de la disposition constilutionelle, suivant laquelle le mariage n'est qu'un contrat civil, que la loi eut réglé le mode du divorce, ... après avoir décrété Turgmce, décrète... ce qui suit..." §5: „Les époux maintenant séparés du corps par jugement exécuté ou en dernier ressort, auront mutuellement la faculté de faire prononcer leur divorce. §6: „Toutes demandes et instances en séparation de corps non jugées, sont éteintes et abolies; chacun des parties payera ses frais. Les jugemens de séparation non exécutés, ou, attaqués par appel, ou par la voie de la cassation, demeurent comme non-avenus \ le tout sauf aux époux à recourir à la voie du divorce (lois civ. interm. T. I., pag. 325). Zur Zeit des Code betrachtete man es als einen Ausfluß der älteren römischen Regel bezw. des Art. 2 des Code, daß die Zulässigkeit und Wirkungen der Ehescheidungen nach der Rechtsordnung der Zeit, wo das Scheidungsverfahren begonnen, beurteilt werden müsse: Tous divorces prononcés par des officiers de l'état civil, ou autorisés par jugement, avant la publication du titre du Code civil relatif au divorce, auront leurs effets conformément aux lois qui existaient avant cette publication. A l'égard des demandes formées antérieurement à la même époque, elles continueront d'être instruites; les divorces seront prononcés, et auront leurs effets conformément aux Ibis qui existaient lors de la demande." Charakteristisch sind die Ausführungen R E A L S in dem Expos, d. mot.: „Peut être que la règle de conduite placée en tête du Code, dont la loi sur le divorce fait partie pouvait amener à regarder comme inutile la loi transitoire ... Mais le gouvernement a été insruit que des doutes s'élevaient; que plusieurs bons esprits en respectant le principe de la non rétroactivité lorsqu'il s'agissait de la loi du divorce, dont ils s'exageraient les abus; que d'autres croyaient qu'appliquer la loi nouvelle aux instances introduites n'était pas rétroagir, parcequ'ils pensaient que le droit n'était pas aquis par la demande formée: enfin le gouvernement . . . a pensé qu'une loi transitoire et spéciale à la question du divorce pouvait seul faire taire tous les intérêts, dissiper toutes les incertitudes, calmer tous les scrupules, et enlever tout refuge à la mauvaise foi. ... Le projet de loi, appliquant le principe proclamé par l'art 2 du Code, prononce que le droit résultant de la loi ancienne est acquis à celui qui a usé de ce droit antérieurement à la publication de la loi nouvelle. . . . Ce droit . . n'est acquis qu'à celui qui, par une demande formée, a déclaré qu'il en voulait faire usage. Le silence des autres équivaut à une renonciation formelle; et ils sont soumis à Tempire de la nouvelle loi." (Motifs, T. VII. pag. 219.) Diese Motive sind nach zwei Richtungen hin von Belang. Einmal die Meinung derjenigen, wonach die intertemporale Rechtsregel der Republik auf ein Scheidungsgesetz keine Anwendung finde, sei es daß sie überhaupt das Scheidungsgesetz ausnahmen, sei es daß sie kein wohlerworbenes Recht in der Scheidungsklage erblicken konnten. In der That ist es für die Anhänger der Lehre von den wohlerworbenen Rechten kein Leichtes, überhaupt subjektive Rechte bei der Scheidung aufzufinden. Die Motive bringen dies jedoch fertig und bezeichnen als den Augenblick des Erwerbes die Anstellung der Klage auf Scheidung. Die Nichtanstellung der Klage gilt ihnen als ein Verzicht auf das Recht. Diese willkürlichen Annahmen werfen ein grelles Licht auf die Unfähigkeit jener Lehre, die ältere intertemporale Rechtsregel in allen ihren Folgen zu erkennen. 1 „La Convention nationale décrète que les citoyens détenus pour dettes seront mts en liberté, et déclare que la contrainte par corps est abolie.1' (Lois civ. interm. T. I. pag. 348.)

§ 59.

Die Gesetze der französischen Revolution.

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lichkeit geltend. Nach einem Gesetze vom 8. April 1791 sollten bei der gesetzlichen Erbfolge alle Ungleichheiten wegfallen, welche durch Erstgeburt, Geschlecht, Yerfangenschaft 'und exclusions coutumierès bewirkt wurden. Dieses Gesetz folgte insofern noch der älteren Regel, als es bestimmte, daß es nur bei denjenigen Erbfolgen Platz greifen solle, deren Erbfall nach dem Tage seines Erscheinens eröffnet würde. 1 Dieses Gesetz war aber nur das Vorspiel zu den berüchtigten Erbgesetzen des Jahres 2 vom 5. brumaire und 17. nivôse, wonach alle durch einen Todesfall von und seit dem 14. Juli 1789 eröffneten Erbschaften nach den neuen Regeln der gesetzlichen Erbfolge verteilt und alle freigebigen Zuwendungen der seit jenem Tage verstorbenen Erblasser ungültig sein sollten, mit Ausnahme der Schenkungen unter Lebenden, welche vor dem gedachten Tage errichtet wurden. 2 Obschon durch ein ausführliches Gesetz vom 22 vent. II. jene ungeheuerlichen intertemporalen Bestimmungen erläutert 1 Lois civ. interm. T. I. pag. 111. Außerdem sollten die vertragsmäßigen oder gesetzlichen gegenseitigen Erbrechte der altverheirateten Ehegatten, desgleichen die Erbrechte auf das Vermögen dritter Personen nicht leiden. — Durch ein Gesetz vom 4. Jan. 1793 (lois civ. interm. T. I. pag. 341) wurden aber die letztgenannten Erbrechte mit ausschließender Kraft aufgehoben. s S. lois civ. interm. T. II. pag. 9, 54. Loi d. 17 nivôse II. Art. 1: „Les donations entre vifs, faites depuis et compris le 14 juillet 1789, sont nulles. Toutes celles au même titre, légalement faites antérieurement, sont maintenues. Les institutions contracttielles et toutes dispositions à cause de mort, dont l'auteur est encore vivant, ou n'est déeédé que le 14 juillet 1789 ou depuis, sont nulles, quand même elles auraient été faites antérieurement." Art. 2: „Les dispositions contractuelles, antérieures au 14 juillet 1789, qui renferment en même tems des libéralités entrevifs et irrévocables, sous quelque dénomination, qu'elles aient été conferées, et une institution dans les biens à venir, n'auront leur effet que pour le don entre-vifs, et non pour les biens résultant de l'institution, si l'instituant vit encore, ou n'est mort que le 14 juillet 1789 ou depuis." Der französische Gesetzgeber sah darin keine Ausschließlichkeit, sondern nur eine Auslegung der vom Volke bereits am 14. Juli 1789 ausgesprochenen Menschenrechte: la loi n'a fait que développer les principes proclamés deslors par vn grand peuple qui se ressaisissait de ses droits, l'effet rétroactif commencerait là seulement- ou l'on dépasserait cette limite. Die Ausschließlichkeit macht auch nicht Halt vor den causae decisae. Art. 27 lautet: „La présente loi sera exécutée dans tous les cas qu'elle embrasse, non obstant toutes renonciations, transactions et jugemens intervenus anteriéurement à la présente loi." Daß sich der Geist der französischen Revolution als den Befreier der ganzen civilisierten Welt betrachtete, erhellt aus Art. 58: „La présente loi est déclarée, dans tous les points, commune à toutes les parties de la république, même à celles dont Vunion a été prononcée depuis le juillet 1789." Unwillkürlich stellt man einen Vergleich an mit der kanonischen Rechtsregel, wonach eine Auslegung g ö t t l i c h e n Rechtes eine angeborene restitutive Ausschließlichkeit besitze. Die französischen Gesetzgeber betrachteten die Grundsätze vom 14. Juli 1789 zwar nicht als ius divinum, wohl aber als unveränderliches natürliches Menschenrecht. Sachlich kommt das Verfahren der großen Päpste und der Gesetzgeber der französischen Revolution auf dasselbe hinaus. S. oben §25, S. 116. — Durch ein Gesetz v. 9. fruetidor des Jahres 2 wurden von der Nationalversammlung 36 intertemporalrechtliche Fragen beantwortet, welche die Verwirrungen unzähliger Verhältnisse zur Aufstellung gebracht hatten. Unter ihnen kennzeichnet besonders

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wurden, so mußten sich die Folgen des tiefverletzten Rechtsgefühles bald geltend machten. Kleine Mittel halfen hier nicht mehr und so sah sich der französische Gesetzgeber genötigt, den Rückzug anzutreten. 1 Das verletzte Rechtsgefühl verlangte dringend die Abschaffung jener rechtswidrigen Gesetze. 2 Die Vernichtung wurde auch ausgesprochen und zwar dahingehend, daß die ihrer Natur noch u n w i e d e r r u f l i c h e n Verfügungen nach der alten Rechtsordnung beurteilt werden müssen. 3 die 18. Frage und deren Beantwortung, jenen Geist der französischen Gesetzgeber. Die Frage lautete: „A ce qu'il soit décrété qu'il n'est point dérogé à la nullité des donations, même antérieures au 11 juillet 1789, dans les cas ou elle pouvait s'opérer par la survenance denfans." Darauf die Antwort: „Que toutes les dispositions de la loi du 17 nivôse, en maintenant ce qui est antérieur au 14 juillet 1789, en présupposent l'existence légale, et sont loin d'avoir anéanti les moyens de retour à Vordre naturel, que les lois anciennes admettaient." {s. Bulletin des lois de la république française Nr. 53.1 1 Loi du 5 flor. III.: „La convention nationale décrète la suspension de toute action intentée ou procédure commencée à Vocension de l'effet rétroactif résultant de la loi du 17 nivôse, sur les successions(lois civ. interm. T. II., pag. 262.) 2 Loi d. 9 fruct. III. „La convention nationale décrite que les lois des 5 brumaire et 17 nivôse II., concernant les divers modes de transmission des bims dans les familles, n'auront d'effet qu'à comqter des époques de leur promulgation." (lois civ. interm. T. II. pag. 319.) 3 Loi d. 18. pluv. V, art. I. „Les avantages, prélèvemens, préciputs, donations entre- vifs, institutions contractuelles et autres dispositions irrévocables de leur nature, légitimement stipulées en ligne directe avant la publication de la loi du 7 mars 1793, et en ligne collatérale ou entre individus non parens, antérieurement à la publication de la loi du 5 brumaire II. auront leur plein et entier effet, conformément aux anciennes lois, tant sur les successions ouvertes jusqu'à ce jour que sur celles qui s'ouvriraient à Vavenir." In Bezug auf die letztwilligen Verfugungen bestimmt Art. 4 desselben Gesetzes: „Les actes (de dernière volonté faits antérieurement à la loi du 5 brumaire, par des personnes qui ont survécu à la publication de ladite loi sans les renouveler), conserveront leur effet jusqu'à concurrence de la portion disponible, dans toutes les successions ouvertes jusqu'à la publication du décret du 22 ventôse, qui a déclaré formellement la nécessité de renouveler les dispositions à titre universel.1' Damit wird im Gegensatz zum römischen intertemporalen Recht die Rechtsordnung des Todestages des Testators für zuständig erklärt, statt der Rechtsordnung des Zeitpunktes, wo die letztwillige Verfügung errichtet wurde. Dies wurde später Gemeingut der französischen Jurisprudenz. Auch ein anderer Grundsatz derselben stützt sich auf Gesetze der Revolutionszeit, wonach die statuts personeis eine angeborene Ausschließlichkeit haben. Statt vieler sei hier CHABOT citiert, Tom. I , pag. 21 et. s. u. pag. 377 et. s.: „C'est un grand principe de droit, proclamé dans le pacte social de tous les peuples, que le législateur est le maître absolu de tout ce qui concerne la capacité des personnes, et qu'il peut changer leurs qualités civiles, suivant que des raisons politiques, ou l'intérêt commun, exigeront ce changement, (qag. 28.) Les droits personnels, lors même qu'ils sont acquis, lors même qu'ils ont été stipulés irrévocables, ou déclarés tels par une loi expresse, peuvent être néanmoins abolis ou modifiés par tme loi nouvelle, mais à compter seulement de sa promulgation, et seulement pour les actes et effets postérieurs, sans que la loi nouvelle puisse rétroagir sur ce qui a été fait en vertu de ces droits, ni sur aucun des effets qu'ils ont produits, sous Vempire et en vertu des dispositions de la loi ancienne {pag. 378). Die hier-

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Den Ideen von den Menschenrechten, der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stand die Rechtseinrichtung der Fideicommisse im Wege. hergehörigen Gesetze sind folgende: loi du 4 (6) juin 1793 „La convention nationale décrète que les enfans nés hors le mariage succéderont à leur père et mère dans la forme qui sera déterminée." (lois eiv. interm. T. I. pag. 357). Dieses Dekret enthielt ein großes Versprechen, ähnlich wie sich in vielen Verfassungen derartige in unbestimmte Ausdrücke gekleidete Versprechungen vorfinden. Trotzdem begannen natürliche Kinder ihre Ansprüche geltend zu machen, bevor das versprochene Gesetz erlassen wurde. Da der Gesetzgeber über den Inhalt eines solchen nicht schlüssig werden konnte, so erließ er eine besondere Verfügung, um die erhobenen Rechtsstreitigkeiten auszusetzen: loi d. 31. juillet 1793: „La contention nationale décrète que tous les procès entre les enfans naturels et leurs pnrens ou autres à raison de succession, sont et demeurent suspendus" (lois civ. interm. T. I. pag. 374). Ein Gesetz v. 12. brum. II. regelte endlich mit restitutiver Ausschließlichkeit das Erbrecht der natürlichen Kinder. Art. 1: „Lea enfans actuellement existons, nés hors du mariage, seront admis aux successions de leurs pèr-richtet worden", durch die Nichtaufstellung einer allgemeinen Regel in demselben Sinne habe aufheben oder ihr die Anerkennung habe versagen wollen." Dagegen ,,g) Der Inhalt eines Testaments ist nach den Gesetzen des Wohnorts des Erblassers m/r Zeit seines Todes zu beurtheilen," s. S. 371. Das Obertribunal hat sich also keineswegs widersprochen. Das erste Urteil gehört dem i n t e r t e m p o r a l e n , das zweite dem i n t e r n a t i o n a l e n Privatrecht an. Allerdings ist das letztere nicht ganz korrekt. Das Gericht hätte sagen sollen: „ Was den Inhalt des Testamentes anbelangt, so ist derselbe nach den Gesetzen des Wohnortes des Erblassers zur Zeit der Errichtung des Testamentes zu beurtheilen", statt: Was den Inhalt u. s. w. nach dem Wohnorte des Erblassers xur Zeit seines Todes zu beurtheilen." — Ferner Urteil der Prätur zu Triest v. 23. Juli 1869. Samml. 8. Nr. 3764, S. 121: „Nach § 576 a. b. G.B. wird ein anfänglich tmgütiger letzter Wille durch die später erfolgte Aufhebung des Hindernisses nicht giltig. Nun wurde X. durch das Gesetz vom 15. Nov. 1867. Nr. 131 (§§ 6 und 7) zur Zeugensehaft bei Testamenten wieder befähigt, allein nur jene letxtwilligen Anordnungen, bei welchen er nach eingetretener Wirksamkeit des citirten Gesetzes v. 15. Nov. 1867 als Zeuge verwendet wird. Die Rehabilitation desselben erstreckt sich daher nicht auf das in Frage stehende, vor jenem, Zeitpunkt errichtete Testament."

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Urteil des O . L . G r , zu Prag vom 2 4 . Juli 1 8 7 6 . Samml. 1 5 , Nr. 6 4 8 8 , S. 2 0 8 : „Nach dem Willen des Fideicommißstifters sind (worin auch leide Teile übereinstimmen) die eheliehen männlichen weltliehen Deseendenten des Philipp Nervus Qrnf Koloiorat Krakowsky secundum ordinem et naturae primogeniturae berufen und es hat, nachdem beide Theile die Nachfolge auf Grund der Abstammung ron dem Genannten in Anspruch nehmen, der Kläger das Vorhandensein dieser Successionserfordernisse in seiner Person und den Mangel derselben in der Person des Beklagten xu beweisen. Der Stifter hat xur Suecessionsfähigkeit in das Fideicommiß die „eheliche Abstammung des Erben von dem Aeltesten der Grafen Kolowrat Krakowsky gefordert und es war die „ausdrückliehe" Ausschließung der unehelichen Descendenx darum nicht nöthig, weil der Mangel der xur Succession geforderten positiven Eigenschaften des Erben für diesen schon an und für sich die Unfähigkeit xur Erbfolge begründet. Auch genügt es nicht, daß der den Erbanfall erlebende Descendent blos für seine Person ehelich sei, weil der Begriff der ehelichen Abstammung in linea recta in sich faßt, daß jeder Vorfahr des betreffenden Deseendenten ehelich gewesen sein müsse. Der vom Stifter gebrauchte Ausdruck „ehelich" ist aus dem Testamente als Speeialgesetx nach seiner etymologischen Bedeutung und nach der klaren Absicht des Testators und Fideicommißstifters nur in dem Sinne auszulegen, daß darunter die „ehelich geborene" Descendenx verstanden wird, nicht auch die unehelich geborenen, wenn auch per subsequens matrimonium ihrer JSrxeuger legitimirten Kinder, welche unter den Begriff der ehelichen Abstämmlinge um so weniger xu subsumiren sind, als der Fideicommißstifter die nach dem xu seiner Zeit bestandenen Gesetxe von den ehelichen ganx verschieden gestellten legitimirten Kindern, welche kein Intestaterbrecht besaßen, sog'ir ex testamento keine Immobilien erben konnten und überhaupt unfähig waren landtäfliche Güter xu erwerben und xu besitxen unmöglich unter den „ehelichen" Kindern verstanden haben konnte, und er vielmehr, wenn er auch legitimirten Kindern jener berufenen Erben die Succession sichern wollte, dieselben ganx ausdrücklich xur Nachfolge hätte berufen müssen. Dem Testamente des Fideicommißstifters, welches hinsichtlich des darin aufgestellten Erfordernisses der „eheliehen Abstammung" des Erben nichts Gesetxwidriges enthält, und welches daher befolgt werden muß, würde geradexu entgegengesetxt gehandelt werden, wenn xur Fideicommißnachfolge ein Erbe XMgelassen wird, dem dieses Erforderniß abgeht, weil einer seiner Ascendenten unehelich geboren war." — Dieses Urteil ist intertemporal vollständig zutreffend. Wer zur Succession berufen werden soll, bestimmt sich lediglich nach dem Stifter Willen und dieser ist nach dem Rechte seiner Zeit zu beurteilen. Der Oberste Gerichtshof war der gegenteiligen Ansicht, a. a. O., S. 210: „. . . Für die Beurtheihmg dieser Frage ist nicht die xur Zeit der Errichtung des Fideicommisses bestandene, seither als Geselx längst außer Kraft gesetzte rerneuerte königlieh böhmische Landesordnung, sondern sind die xur Zeit der Geburt des Vaters des Beklagten und der Eheschließung der Eltern desselben, also die in den Jahren 1789 und 1790 in Wirksamkeit gewesenen und die jetzt geltenden Gesetxe maßgebend. . . . Auch das jetxt geltende allgemeine bürgerliche Gesetzbuch hat dem Grundsatxe der Gleichstellung durch die nachgefolgte Ehe der Eltern legitimirter Kinder mit den ehelich geborenen in den §§ 161 und 752 Ausdruck gegeben. Dieses Gesetx, enthält in dem § 565 aber auch die Bestimmung, daß die Erbfähigkeit — und um diese handelt es sich im vorliegenden Falk — nur nach dem Zeitpunkte des wirklichen Erbanfalles xu beurtheilen ist." — Die Meinung von P F A F F U . H O P M A N N über die Richtigkeit des Urteils des Obersten Gerichtshofes ist geteilt; doch neigt er sich ohne triftigen Grund der Bejahung zu. Er sagt a. a. 0. S. 268: „Dieser Entscheidung stimmen wir darin zu, daß die Frage, ob Jemand ein eheliches Kind'sei, nach den Gesetzen zurZeit seiner Geburt beurteilt werden muß. Andererseits ist es — in Anbetracht der damaligen Anschauungen und des

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Die Rechtsprechung unter der Herrschaft der älteren Kegel.

damaligen Rechtes — zweifelhaft, ob der Stifter auch solche Descendenten zur Succession berufen wollte; und daß d i e s e m S t i f t e r w i l l e n das jeweilige Recht weicht, ist gewiß. Da der Stiftbrief keine ausdrückliche Ausschließung der Legitimirten enthält (die damals freilich entbehrlich schien), so kann man die Entscheidung rechtfertigen; doch ist sie nicht so selbstverständlich, als sie hingestellt wurde." Aus seinen Bedenken schimmert die richtige Ansicht durch. Ferner das Urteil des K. K. O.G. vom 3. Juli 1877. Samml. 15, Nr. 6511, S. 241: . . . Zwar behauptet er (der Beklagte) daß nach den §§ 160, 161 u. 162 a. b. O.B. die durch die nachfolgende Ehe legitimirten Kinder auch auf jenes Vermögen Anspruch habe, welches durch Familienanordnung der ehelichen Abstammung besonders vorbehalten ist, und daß hierdurch die erwähnte Anordnung des Fideicommißstifters aufgehoben worden sei. Allein mit Recht wurde geltend gemacht, daß diese Behauptung schon deshalb bedeutungslos ist, weil nach dem vierten Absätze des Kundmachtmgspatentes xum a. b. O.B., dann nach § 5 des a. b. O.B. dasselbe nicht zurückwirkt, daher auf vorhergegangene Handlungen keinen Einfluß hat, wie dies auch insbesondere in Betreff der vor der Wirksamkeit des a. b. O.B. errichteten letztm Willenserklärungen durch das erläuternde Hofdecr. v. 16. Nov. 1814, J.O.S., Nr. 1111, ausdrücklich ausgesprochen worden ist. Durch das a. b. O.B. konnte eine Verfügung nicht unwirksam werden, welche von dem Stifter eines Fideicommisses auch gegenwärtig unzweifelhaft gültig getroffen werden könnte." . . . Auch PFÄFF u. HOFMANN, EXC. S. 269, 4, finden dies Urteil „gewiß richtig." — Urteil des K. K. O.G. vom 22. August 1878. Samml. 16, Nr. 7117, S. 422: . . . Ad. 3. Daß die Frage, ob der katholischen Mission in Schottland der Charakter einer juristischen Person zukomme, nicht nach dem jetzt geltenden, sondern nach gemeinem Rechte zu beurtheilen ist, ka/n/n nicht bezweifelt werden. . . ." Das oberste Gericht wies auch die Behauptung des Klägers zurück, daß „die Pietät einer bedingt instituirten pia causa nur nach den Oesetzen des Ortes tmd der Zeit beurtheilt werden könne, wo und wann das bedingte Legat durch Eintritt der Bedingung rechtswirksam geworden ist und zur Ausführung kommen, soll; daß demnach nur das zwr Zeit des Erbanfalles, d. i. am 14. Järmer 1861, in England und höchstens die zur selben Zeit in Oesterreich, wo das Vermögen liegt, geltenden Gesetze und Rechtsanschauungen in Anwendung z/u kommen haben." Es sagt: „In Erwägung aber, daß, wie die Kläger in der Appellationsbeschwerde selbst anführe, die Pietät des bedachten causa die Voraussetzung und Bedingung ihrer Erbfähigkeit ist und daß die Letztere nach gemeinen Rechten zu beurtheilen kommt. . . ." Bemerkenswert ist noch der Satz: „Wenn die Revisionsbewerber behaupten, daß nicht das canonische Recht, sondern der zur Zeit der Testamentserrichtung herrschende gemeine Sprachgebrauch dafür maßgebend sei, was man u/nter Mission zu verstehen habe, so muß daran erinnert werden, daß auch der allgemeine Sprachgebrauch mit dem Ausdruck „Mission" die Thätigkeit für die Bekehrung überhaupt bezeichnet." Nicht von intertemporaler Rechtsbedeutung, wohl aber von privatrechtlicher sind die Ausführungen des Gerichtes (Landesgerichts), daß für die piae eausae nach justinianischem Rechte keine staatliche Genehmigung zur Erteilung der juristischen Persönlichkeit erforderlich gewesen sei; S. 424. — PFAFF U. HOFMANN, EXC. S. 269, 5 meinen, dieser Rechtsfall zeige, wie bedenklich es ist, daß auch der Inhalt eines Testamentes durchaus nach dem Rechte der Errichtungszeit beurteilt werden soll (Hofdecret von 1814). „Wie leicht kann etwas erst sehr löblich, und dann unzulässig erscheinen, z. B. die Ausbreitung einer Ronfession in einem befreundeten Staate gegen den Willen desselben; wie gründlich kann sich in Jahrhunderten das Verhältnis zweier Staaten zu einander geändert haben!" Das sind doch höchst seltene Ausnahmen und wenn sie vorkommen, hilft die neuere Rechtsregel besonders in der Umgestaltung im 19. Jahrh. als Sicherheitsventil, wonach der Zweck der Gesetze die Auschlußklausel über-

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Die intert. Rechtsprechung im Gebiete des preuß. u. österr. Rechtes.

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falles maßgebend.1 — Die neue und negative Rechtsordnung läßt ein flüssig machen kann. Derwegen aber ist das Prinzip des Hofdekretes keineswegs bedenklich zu nennen; anderenfalls i s t j e d e r R e c h t s s a t z b e d e n k l i c h ! — Eine andere Entscheidung des K. K. O.G., welche sich nach einer Rechtsordnung des 17. Jahrhunderts richten mußte, ist diejenige vom 9. Februar 1887, die ein Testament vom 25. März 1642 hinsichtlich eines Fideikommisses auszulegen hatte. Samml. 25, Nr. 11441, S. 104. Der Inhalt des Urteils ist sonst intertemporalrechtlich ohne Erheblichkeit. 1 Urteil des Preuß. Obertribunals vom 13. Dez. 1867. Archiv 69, Nr. 39, S. 228: „Nach allgemeinen Grundsätzen — Allg. Landrecht 1. 9, §§ 367, 368. — tritt aber die Smeession durch Verordnung mit dem Tode des Erblassers, mit dem Tode des letzten Besitzers, die mit dem ErbfaU ein. Die Zeit des Erbfalls entscheidet auch nach allgemeinen, Grundsätzen über die beim Wechsel der Gesetzgebung in Betreff der gesetzlichen Erbfolge in Anwendung zu bringender Gesetze, — ... Von diesen Grundsätzen ist weder in dem Gesetze von 1836, noch in der Verordnung v. 18. Dez. 1848 abgewichen. . . . Es liegt in der Natur der Sache, daß das ganze Gesetz nur beim Dasein mehrerer Miterben, also nur, wenn oder insofern Platz greifen kann, als eine Erbtheilung unter den mehreren Erben stattfindet. Da sieh diese Erbtheilung aber, dem allgemeinen Erbfolgegesetxen gemäß, nach dem Zeitpunkte des Erbanfalls richtet, so kann auch für die Succession in das Bauerngut nur der, nach der gewöhnlichen Erbfolge sich bestimmende Erbanfall maßgebend sein. . . . Dieses Vorzugsrecht kann immer nur in der Erbfolge, in den Erbanfall, seinen Entstehungsgrund finden; keineswegs aber von dem, von vielen Zufälligkeiten abhängigen Zeitpunkte der vollzogenen Erbtheilung als erst entstanden betrachtet werden." — Verwandt damit ist auch die Entech. des K. K. O.G. vom 11. Febr. 1863. Samml. 6, Nr. 3210, S. 511: „Da M. noch unter der Herrschaft des französischen Gesetzes im Krakauer Gebiet gestorben ist, so sind für die Erbfolge die Bestimmungen jenes Gesetzes maßgebend (Art. 81b, 326, 827 des Code Napoleon) und denselben entsprechend erfolgte auch im Jahre 1861 die gerichtliche Einantwortung der Bauermvirthsehaft und zwar nicht an B. allein mit der Verpflichtung zur Abfertigung der übrigen Descendenten, sondern an alle Nachfolger des M. zu gleichen Theilen. Die vom O.L.G. angerufene Ministerialverordnung v. 2. Nov. 1855 kam nach ihrer ausdrücklichen Fassung nur auf die künftigen nicht auf vorangegangene Todesfälle angewendet werden. Damit alle Erben des M. gemeinschaftliche Tkeilhaber der Bauernwirthschaft sind, so steht jedem von ihnen nach § 830 a. b. G.B. das Reeht zu, die Aufhebung der Gemeinschaft durch den licitatorischen Verkauf derselben herbeizuführen— Im Gegensatz zu diesem Urteil entschied der K. K. oberste Gerichtshof am 28. Jan. 1869, daß die Erbfolge nach dem zur Zeit der Einantwortung geltenden Rechte zu beurteilen sei. (Samml. 7, Nr. 3264, 8. 40): „Der Nachlaß des am 22. Februar 1839 verstorbenen M. wurde im Jahre 1865 eingeantwortet, als das Patent v. 2. Nov. 1855, Nr. 1, R.G.B., bezüglich der Erfolge in Bauerngütern im Gebiete von Krakau in Wirksamkeit war. Wenn also auch in dem Einantivortimgsdeerete nicht ausgesprochen wurde, wem die Nachlaßrealität zuzufallen habe, so müssen bei Vertheilung des Nachlasses die bei der Erbfolge in Bauerngütern geltenden Vorschriften beobachtet werden, so daß der Grund dem- ältesten Sohne xuzur faUen hat und eine Vertheilung der Liegensehaft unter die einzelnen Theilnehmer an der Erbsehaft unzulässig ist." — Mit Recht sagen P F A F F U. HOFMANN, Kommentar, S. 164, Anm. 135a, daß diese Entscheidung im Widerspruche stehe mit der, die wir zuerst angeführt haben. — Den richtigen Standpunkt vertritt auch die Entseh. des K. K. O.G. vom 14. Mai 1858 (Samml. 2, Nr. 565, S. 82): „Die (vorhin erwähnten) Bestimmungen in Capitel 27 u. 48 des 4. Buches der Statuten von Ragusa sind Gesetze über das Erbrecht, iceiche nur in jenen Fällen zur Anwendung kommen können, wo der Tod des Erblassers noch unter ihrer Herrschaft

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Die Rechtsprechung unter der Herrschaft der älteren Regel.

bereits bestehendes Recht auf erblose Verlassenschaften unberührt. 1 — Eine bereits begonnene Verjährung ist nach der Rechtsordnung zu beurteilen, welche im Zeitpunkte des Beginnes derselben gegolten hat. 2 — eingetreten ist, da es in der Natur der Sache liegt, daß das Erbrecht nach dm zur Zeit des Todes des Erblassers geltenden Gesetzen beurtheilt werden muß. Es ist daher die Frage, ob der Klägerin das angesprochene Erbrecht an dem Vermögen ihres Großvaters zustehe, nach dem österreichischen Oesetxe allein xu entscheiden, welches ihr jenes Recht (§§ 733 u. 734 a. b. O.B.) denn auch einräumt." Ueber dieses Urteil vgl. P F A F F U . H O F M A N N , EXC. S. 2 4 9 . Folgendes nehmen auch wir richtig an: Die Enkelin erbt iure repraesentations, nicht iure proprio. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach den Gesetzen zur Zeit des Todes des Erblassers; aber der Erbvevzicht als Willensthatbestand nach der zur Zeit seiner Errichtung. Im vorliegenden Falle ist kein solcher vorhanden. Dagegen sind wir der Ansicht, daß die Kollation nach der Rechtsordnung des Erbfalls beurteilt werden muß, nicht nach der Bestellung, weil es sich um Pflichtteilrecht handelt; s. oben § 55, S. 3 9 0 n. 1. 1 Urteil des Preuß. Obertribunals vom 23. März 1846, E. 13, Nr. 39, S. 446: „Bestand aber 8. das streitige Recht noch bei Einführimg des Allg. Landreekts in Schlesien, so kann es auch durch dieses nicht als aufgehoben angesehen werden. Denn wenn auch das Allg. Landrecht nach § 1 des Publicationspatcnts sowohl das Römische, als auch das Sachsenreeht aufhob, um an deren Stelle xu treten, so schützte es doch nach § 8 jeden, welcher sich zur Zeit der Publication in einen nach bisherigen Gesetzen gültigen und xu Recht beständigen Besitze irgend einer Sache oder eines Rechts befand, dabei gegen Jedermann. Es traten also auch dessen Vorschriften über den Umfang der Regalien da nicht ein, wo bisher andere Vorschriften gegolten hatten, so daß also aueh jetzt noch nach diesen die Frage zu entscheiden ist, ob irgend ein Gegenstand zu den Regalien gehöre. ..." 8 Vgl. Entscheid, des O.T. v. 9. Okt. 1840, E. 6, S. 319: „Diese Bestimmung {§ 12 des Patentes v. 9. Sept. 1814) stellt hiemach im Allgemeinen den Grundsatz auf, daß eine vor dem ersten, Januar 1815 angefangene, aber erst später vollendete Verjährung lediglich nach dm Vorschriften des A.L.R. beurtheilt werden, läßt es jedoch unentschieden, nach welchen Gesetzen in diesem Falle die Frage: ob die Verjährung angefangen habe, zu beurtheilen sei, ob nach den Vorschritfen des älteren Rechtes oder nach denen des A.L.R.? Man muß daher auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze zurückgehen und nach diesen kann es keinem Zweifel unterliegm, daß jene Frage nur nach den, vor dem ersten Januar 1815 geltend gewesenen Gesetzen entschieden werden darf; Einleitung «um A.L.R. § 14. In Ansehung des Theiles der Verjährungsfrist, welches in die Zeit vor Einführung des A.L.R. fällt, können daher die Vorschriften' des letzteren erst dann Anwendung finden, wenn zuvor die Voraussetzung des § 12 des Patents, daß die Verjährung bereits vor dem ersten Januar 18l5 angefangen hatte, auf Grund der älteren Gesetze festgestellt worden war."' Siehe ferner Entsch. v. 10. Sept. 1849, E. 18, S. 145 ufg.: „ . . . „Es wird dabei übersehen, daß diebetreffenden Paragraphen der Publikati