Das Bürgerliche Gesetzbuch: Band 1 Allgemeiner Teil. Recht der Schuldverhältnisse. Sachenrecht [Reprint 2020 ed.] 9783112360903, 9783112360897


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Das Bürgerliche Gesetzbuch: Band 1 Allgemeiner Teil. Recht der Schuldverhältnisse. Sachenrecht [Reprint 2020 ed.]
 9783112360903, 9783112360897

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{Kommentar von {Reicbsgeticbfscäten

II. L. Lebald Nürnberg und Leipzig

Das

Bürgerliche ßefehbucb mit besonderer Berücksichtigung decRechtsprechung der Reichsgerichts erläutert von

Georg fioffmann, Scücknec, Lclec, Suclage, ßuftb, Dr. Ldbecke, {Riehl, Schaffest und Schmitt Reicksgerichtscäten

I. Sand

Rilgemeinec Lei!.

Recht dec Schuldveckältnisse. Sachenrecht.

D. L. Sebald Dürnberg und Leipzig

-------------------------------- «- Gedruckt bei *--------------------------------

n mehreren Vorstandsmitgliedern und zwischen den Vorstandsmitgliedern und einem eren Vertreter (§ 30) derart geteilt werden, daß ein jeder nur für einen Bestimmten Ge­ schäftszweig vertretungsberechtigt ist. Eine nicht durch SatzungsBeschluß auferlegte Beschränkung (z. B. eine von der Mitgliederversammlung für einen einzelnen FaN erteilte Anweisung) hat gegen den Dritten keine Wirkung. Nicht beschränkbar ist die Befugnis zur Entgegennahme von Willenserklärungen (vgl. § 28 A 2). Durch Verfügungen, die außer­ halb des Rahmens des Vereinszweckes liegen, kann der Vorstand den Verein nicht verpflichten.

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Die Bestellung des Borstandes erfolgt durch Beschluß der Mitglieder­ versammlung'). Die Bestellung ist jederzeit widerruflich»), unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung ans den Fall beschränkt werden, daß ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Auf die Geschäftsführung b) des Borstandes finden die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwendung. E I 44 Abs 2 und 3 II 26 M 1, 95 ff. P 1, 509 ff., 552 ff.; 2, 377 ff. 1. Die Vorschrift des § 27 Abs 1 ist durch die Satzung abänderlich ($ 40). Die Bestellung deS Vorstandes oder das Borschlagsrecht kann deshalb auch einem andern Bereinsgliede, z. B. dem Aussichtsrat oder bestimmten Mitgliedern oder einem Dritten übertragen werden, der dann bei Ausübung dieser Befugnis als Glied des Vereins handelt. Auch die Satzung selbst kann eine bestimmte Person zum Vorstände bestellen oder ihr ein Recht auf Bestellung einräumen. Einem mehrgliedngen Vorstände kann das Recht der Selbstergänzung gewährt werden. In Ermangelung einer anderen Bestimmung hat die Mitgliederversamm­ lung den Vorstand au wählen. Das Recht der Vertretung erlangt der Vorstand kraft der Bestellung, die ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft bildet, während er die Geschäftssührungspflicht, falls nicht ein besonderer Vertrag mit ihm geschlossen ist, erst durch die Annahme der Bestellung überkommt. Eine Verpflichtung hierzu kann der beschränkt Geschäftsfähige nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters Übernehmen. Daß der Vorstand ein Bereinsmitglied ist, ist nicht erforderlich (a. A. Hölder A 1). 2. Das WtderrufSrecht steht in der Regel derselben Stelle zu, welche den Vorstand zu Bestellen hat. Daß daneben auch die Mitgliederversammlung zum Widerruf berechtigt wäre (so Staudinger A 9), ist aus dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Zulässigkeit des Widerrufs kann auf den Fall, daß ein wichtiger Grund vorliegt (vgl. $$ 671, 712), beschränkt, nicht aber in weiterem Maße ausgeschlossen werden, da sonst der Vorstand zum unbeschränkten Herren des Vermögens gemacht würde (vgl. RS 3, 129). Für den Anspruch des Vor­ standsmitglieds auf Fortbezug der Vergütung kommt es darauf an, ob das Bertrags­ verhältnis (A 3) wirksam beendet ist. 8. Der Vertrag zwischen dem Vereine nnd Vorstande ist, wenn der Borstand eine Vergütung erhält, nach den Regeln des Dienstvertrages, sonst nach den Regeln des Auftrags zu beurteilen. Hierbei ist allerdings der Eigenart des Verhältnisses, daß der Vorstand eine selb­ ständigere Stellung einnimmt, wie sonst der Beauftragte oder Dienstverpflichtete, Rechnung zu tragen, ohne daß aus diesem Grunde mit der herrschenden Meinung ein besondersartiger sozialrechtlicher Vertrag angenommen zu werden braucht. Hinsichtlich der Geschäfts­ führung sind in Ermangelung einer anderen Vereinbarung die (nach $ 713 auch bei der Gesellschaft geltenden) Bestimmungen der $$ 664 bis 670 entsprechend anwendbar, die 5$ 665 und 666 natürlich nur insoweit, als in der fraglichen Beziehung ein Unterordnungs­ verhältnis des Vorstandes besteht. Diese Bestimmungen verhalten sich darüber, daß die Ausführung des Auftrags und der Anspruch des Auftraggebers auf diese Ausführung im

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§§ 26—29

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Zweifel nicht übertragbar ist, $ 664. Der Beauftragte darf nach $ 665 von den Weisungen des Auftraggebers nur abweichen, wenn er aus dessen Billigung rechnen kann. Er ist nach $ 666 zur Auskunfterteilung und Rechenschaftslegung, gemäß $$ 667, 668 zur Heraus­ gabe und, falls er das herauszugebende Geld für sich verwendet hat, zur Verzinsung ver­ pflichtet. Der Auftraggeber hat ihm nach § 669 auf sein Verlangen Vorschuß zu leisten und nach $ 670 ihm die Aufwendungen, die er für erforderlich halten durfte» zu ersetzen. Die Kündigung ist dem Borstandsmitgliede und dem Vereine, wenn ein dauerndes Dienst­ verhältnis mit festen Bezügen vorliegt, ohne Einhaltung der vertragsmäßigen Kündigungs­ frist nur aus wichtigem Grunde (§§ 626, 627), sonst unbeschränkt, nur nicht zur Unzeit (§§ 627, 671, 675) gestattet. Ms ein grobes Verschulden des Vorstandes, das ihn Dritten gegenüber ersatzpflichtig machen kann, ist es anzusehen, wenn er Veröffentlichungen in Bereinsangelegenheiten unter seinem Namen, ohne den Inhalt geprüft zu haben, zuläßt l«G 16. 3. 06 II 351/05).

8 28 Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so erfolgt die Beschluß­ fassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vor­ schriften der 88 82, 84')»). Ist eine Willenserklärung dem Vereine gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglieds des Vorstandes')'). E I 44 Abs 5 u. 6 H 27 M 1, SS ff. P 1, 512 ff.; 6, 114 ff.

1. Die Anwendbarkeit der §§32 und 34 ergibt, daß die Beschlußfass««- des mehr-ltedrigen Vorstandes, falls nicht sämtliche Mitglieder schriftlich ihre Zustimmung zu dem Beschlusse erllären, nur in einer Sitzung erfolgen kann, zu der sämtliche Vorstandsmitglieder in dieser ihrer Eigenschaft unter Mitteilung des Gegenstandes der Beschlußfassung eingeladen sind. Der Beschluß ist nach Stimmenmehrheit der erschienenen und an der Abstimmung sich beteiligenden Mitglieder zu fassen, wobei die Stimmen der persönlich interessierten Mitglieder (§ 34) nicht mitzuzählen sind. Dem Dritten gegenüber wird der Beschluß erst wirksam, wenn er ihm von den Vorstandsmitgliedern, oder doch von dem Vorsitzenden, der hierzu kraft seiner Geschäftsleitungsbefugnis als befugt gelten muß, mitgeteilt wird (vgl. Oertmann Id ttß, der jedoch die Fassung eines Beschlusses mit sofortiger Außen­ wirkung für möglich hält). Die Ungültigkeit des Beschlusses kann durch die Mitteilung insofern geheilt werden, als darin eine neue gültige Beschlußfassung zu sehen ist. Die Vorschriften der §§28 und 32 sind abänderlich (§ 40). Andersartig ist die Kollektivvertretung gestaltet, wie sie namentlich bei Handelsgesellschaften, Aktiengesellschaften usw. vorkommt. Es genügt hier, daß die Willenserllärung des einen Vertreters mit Ermächtigung oder nach­ träglicher dem Dritten gegenüber zu erllärender Genehmigung des andern Vertreters erfolgt (RG IW 05, 527*; 08, 151"). Bei andern Handlungen als Willenserllärungen kann übrigens von der Notwendigkeit des Zusammenwirkens der Vorstandsmitglieder nicht die Rede sein. Die juristische Person haftet deshalb gemäß § 31, wenn auch nur der eine Vertreter innerhalb seines Geschäftskreises bewußt unwahre Auskunft erteilt hat (RB 2. 12. 07 VI 79/07, vgl. RG 57, 94). 2. Die Vorschrift des Abs 2 über Willenserklärungen gegenüber dem Vereine, die dem Dritten die Berechtigungsprüfung abnehmen will, enthält zwingendes Recht (§40). Eine Anwendung des gleichen Grundsatzes findet sich in § 171 ZPO. Die Zustellung an einen Vorsteher genügt, auch wenn dieser satzungsmäßig nicht zur Vertretung befugt sein sollte (RG IW 06, 47"). v 8. Für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat § 28 keine Geltung (vgl. § 86 A 2). Über die Willenserklärungen eines Schulvorstandes s. RG 58, 62, über Vertretung einer Betriebskrankenkasse RG Gruch 52, 1175.

§29 Soweit die erforderlichen Mitglieder deS Vorstandes fehlen, find fie in dringenden Füllen für die Zeit bis zur Hebung deS Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgerichte zu bestellen, in deffen Bezirke der Verein feinen Sitz hat'). S I M Abs 6 II 28 SR 1, 100 P 1, 515 ff.

1. Die Vereine unterstehen nicht der gerichtlichen Aussicht. Ausnahmsweise hat aber daS Amtsgericht auf Antrag eines Beteiligten zur Hebuug eine» BertretungSmangel». mögen nun die satzungsmäßig erforderlichen Vorstandsmitglieder nicht vorhanden oder aus

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tatsächlichen oder Rechtsgründen (§§ 34, 28) verhindert sein, bei Vorliegen eines dringenden Bedürfnisses einzugreifen. Die von ihm bestellten Vorstandsmitglieder bleiben so lange im Amt, bis der Verein in anderer Weise für die Vertretung gesorgt hat. Doch kann auch die Bestellung von vornherein nur für eine bestimmte Handlung oder eine bestimmte Zeit erfolgen. Zu weiteren Maßregeln (vgl. § 1846) ist das Amtsgericht nicht befugt. Nur wird es, um eine zur Übernahme des Amtes geneigte Person zu finden, eine für den Verein verbindliche Ab­ machung über den Betrag der Vergütung, der nötigenfalls von dem Antragsteller vorzu­ schießen ist, treffen können. Der Beschluß wird wirksam mit der Mitteilung an den Antragsteller (§16 FGG). Die vom Amtsgericht ausgehende Bestellung hat ebenso wie die Bestellung eines Vormundes (vgl. § 1774 A 2) rechtsgestaltende Wirkung. — § 29 findet auch Anwendung auf die juristischen Personen des Handelsrechts (KGJ 34 A 55). Die Anwendbarkeit aus Gesellschaften m. b. H- ist anerkannt vom RG 68, 180. Auf Gesell­ schaften und nichtrechtsfähige Vereine ist die Bestimmung nicht auszudehnen.

§ 30 Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß neben dem Borstande für gcwiffe Geschäfte besondere Pertreter zu bestellen find. Die Vertretungs­ macht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugcwiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt'). E II 29 P 1, 520 ff.

1. Regelmäßig bildet der Vorstand den Mittelpunkt für die Verwaltung aller Angelegenheiten des Vereins. Es ist aber auch zulässig, besondere Vertreter zu bestellen, denen unbeschadet der Unterordnung unter den Vorstand in allgemeinen Angelegenheiten für einen größeren Geschäftskreis eine selbständige Stellung übertragen ist. Daß die Satzung ausdrücklich die Bestellung eines besonderen Vertreters vorsieht, ist nicht erforderlich, es genügt, daß sie in den Bestimmungen der Satzung ihren Grund hat (RG IW 70, 118; a. A. StauNnger A 3a und 3b). Von dem zugewiesenen Wirkungskreise, nicht von dem Belieben des Vereins hängt es ab, ob ein Vertreter als ein solcher im Sinne der §§ 30, 31 anzusehen ist (RG 9.7.06 VI 580/05). Die besonderen Vertreter bilden in gleicher Weise wie der Vorstand ein Glied des Vereins und haben innerhalb ihres Geschäftsbereichs die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die über die Bestellung des Vorstandes gegebenen Vorschriften sind mit Ausnahme des § 29 auf sie entsprechend anzuwenden. Als ein besonderer Vertreter ist namentlich je nach Lage des Falles der Leiter einer Zweigniederlassung (§ 24 A 2), wozu auch der Prokurist gehören kann, anzuerkennen (vgl. RG 14. 1. 07 VI 200/06; 11. 7. 07 VI 497/06; Warn 08 Nr 572). Auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts können einen besonderen gesetzlichen Vertreter haben (vgl. RG 64, 403 und § 89 A 2).

§ 31 Der Verein ist für de» Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig bernfener Ver­ treter') durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, znm Schadensersätze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt3)3)4). E I 48 II soM 1, 102 ff. P 1, 521 ff.; 6, 144.

1. Der § 31 ordnet die Verantwortlichkeit detz Vereins für die Handlungen seiner Vertreter. Als solche kommen, im Gegensatz zu den bloßen Angestellten, in Betracht die Vorstandsmitglieder und „verfassungsmäßig berufenen Vertreter", welche Bezeichnung das­ selbe besagt wie der in § 30 gebrauchte Ausdruck „besonderer Vertreter". Es sind dies die Personen, die, ähnlich wie die natürliche Person über das ihr gehörige Vermögen, über das Vermögen der juristischen Person verfügen (vgl. Vorbem 1 vor § 21). Durch die innerhalb ihres Geschäftskreises vorgenommenen unerlaubten Handlungen (§§823 ff.) wird, deshalb das Vermögen der juristischen Person gerade so belastet, wie das Vermögen der natürlichen Person durch die von dieser vorgenommenen Handlungen. Für die uner­ laubten Handlungen der Angestellten hat dagegen die juristische Person nur ein­ zustehen, wenn die Pflichtverletzung eines ihrer Vertreter hinzukommt. Die Haftbarkeit kann nach § 831 dadurch begründet sein, daß der verfassungsmäßige Vertreter bei Auswahl des Angestellten oder Beschaffung der Einrichtungen oder bei Leitung der Verrichtung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet hat, daß er insbesondere versäumt hat, die nötigen Sicherheitsmaßregeln vorzukehren, die erforderlichen Anwei­ sungen über deren Handhabung zu erlassen oder daß er die allgemeine Dienstaufsicht

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unterlassen hat (RG 9. 7. 06 VI 615/05, IW 06, 42713). Auch wenn die besondere Aufsicht über den Angestellten durch einen höheren Angestellten geführt wird, darf fich die juristische Person der allgemeinen Aufsicht über beide Angestellte durch einen ver­ fassungsmäßigen Vertreter nicht entschlagen. Hat der gefahrbringende Zustand einer Ein­ richtung längere Zeit hindurch bestanden, so darf angenommen werden, daß der ver­ fassungsmäßige Vertreter seine Pflicht zur Aufsichtsführung nicht gehörig erfüllt hat (RG 15.11.06 VI 81/06). Der Namhaftmachung des betreffenden Vertreters bedarf es nicht, wenn nach der Sachlage das Verschulden irgend eines Vertreters vorliegen muß (RG 13.10. 04 VI 141/04, Warn 10 Nr 189). Desgleichen haftet die juristische Person, wenn unter den Augen ihrer Vertreter ein Mißbrauch eingerissen ist (RG IW 06, 547"). Ist die Schadensersatzpflicht an das Halten eines Tieres (§ 833), den Einsturz eines Werkes oder die Ablösung von Teilen (§ 836) oder den Betrieb eines gefährlichen Unternehmens (HastpslG v. 7. 6.71 in der Fassung des Art 42 EG) angeknüpft, so ist die Haftung der juristischen Person in gleicher Weise gegeben wie die der natürlichen Personen. Die Haftung der juristischen Person wird selbst­ verständlich dadurch nicht ausgeschlossen, daß zugleich eine Schadensersatzpflicht des ver­ fassungsmäßigen Vertreters besteht. Ausnahmsweise findet nach den für die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft m. b. H. und die Genossenschaft bestehenden besonderen Grundsätzen im Interesse der Erhaltung des den Gläubigern verhafteten Gesellschastsvermögens die Haftung der juristischen Person nicht statt, wenn der Beitritt eines Mitgliedes durch Betrug des Vorstandes veranlaßt oder das Ausscheiden eines Genossen durch Schuld des Vorstandes nicht angemeldet ist (RG 54, 128; 68, 344, 72, 293). 2. Die Haftung der juristischen Person setzt voraus, daß die Handlung des Vertreters in den ihm zugewiescnen Geschäftsbereich fällt, sie beruht nicht darauf, daß er im einzelnen Falle zur Vertretung berechtigt war, wie denn überhaupt von einer Berechtigung, in Vertretung der juristischen Person eine unerlaubte Handlung zu begehen, nicht wohl die Rede sein kann. Die Haftung der juristischen Person kann deshalb nicht aus dem Grunde verneint werden, weil der Vorstand bei Vornahme der Handlung nicht die Absicht der Vertretung hat, sondern das ihm als Vertreter der juristischen Person übergebene Geld für sich unterschlagen will (vgl. RG 44, 306). Nicht haftbar ist die juristische Person, wenn der Vertreter nur bei Gelegenhe i t der Ausführung seiner Verrichtungen eine unerlaubte Handlung begeht, die mit der be­ treffenden Verrichtung in keinem Zusammenhänge steht. 3. In Bertragsverhältnissen haftet die juristische Person nicht nach § 31, sondern nach § 278, und sie hat demgemäß das Verschulden der Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient, unbedingt zu vertreten (RG IW 04, 52). Eingegangen werden können rechtsgeschästliche Verpflichtungen für die juristische Person immer nur von demjenigen, welcher zu ihrer Vertretung befugt ist, ohne daß es hierbei auf den Unterschied Zwischen den verfassungsnläßigen Vertretern und den Angestellten ankommt. 4. Der Grundsatz des § 31 hat Geltung für alle juristischen Personen, auch diejenigen des öffentlichen Rechts (§ 89 A 1). Auf nicht rechtsfähige Vereine findet er keine An­ wendung.

§ 32 Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vor­ stand oder einem andern Bereinsorgane zu besorgen sind, durch Beschluß­ fassung i» einer Versammlung der Mitglieder geordnet*). Zur Gültigkeit3) des Beschlusses ist erforderlich, daß der Gegenstand bei der Berufung bezeich­ net wird2). Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der erschienenen Mitglieder3). Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluß gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschlusse schriftlich erklärens. ® I 48 tos 1 bis 3 II 31 Abi 1 u. 2 M 1, 105 ff. P 1, 524 ff.

1. Der Mitgliederversammlung steht die Beschlußfassung insoweit zu, als nicht der Vorstand oder ein anderes Vereinsorgan zuständig ist. Nicht entzogen werden kann ihr das Recht, die Auflösung des Vereins zu beschließen (§ 41 A 1 — a. A. Staudinger A III). Auch die Bestimmungen der §§ 36, 37 können nicht durch die Satzung ausgeschlossen werden. Die von der Mitgliederversammlung gefaßten Beschlüsse sind von dem Vorstande zur Ausführung zu bringen. Die Mitgliederversammlung kann aber auch, soweit dies mit der Satzung verträglich ist, die Ausführung sich selbst Vorbehalten. Im übrigen gebühr: die Ver­ tretung nach außen dem Vorstande oder besonderen Vertreter (§§ 26 Abs 2, 29). Der Mitgliederversammlung kann diese Befugnis (falls die Mitglieder nicht zugleich den Vorstand bilden), nicht übertragen werden. Mit Rücksicht hierauf erscheint der Vorstand, wenn schon

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er an sich der Mitgliederversammlung untergeordnet ist, als das wichtigere Glied des Vereins. Über das Recht zur Bestellung und Entlassung des Vorstandes j. § 27 A1 und 2, über Ausschließungsbeschlüsse s. § 39 A 2. 2. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, daß die Mitglieder in gehöriger Weise zu der Versammlung einberufen sind. Es genügt nicht, wenn die aus anderem Anlaß ver­ sammelten Mitglieder darüber einig sind, daß die Versammlung als eine richtig einberufene gelten soll. Ist über die Form der Berufung in der Satzung eine Bestimmung getroffen, so ist diese Bestimmung zu beobachten. Die Satzung kann eine öffentliche Bekanntmachung genügen lassen. Hat satzungsgemäß die Einladung eingeschrieben zu erfolgen, so reicht es zum Nach­ weise der gehörigen Einladung aus, daß die Postscheine über die Einlieferung der Einladungs­ schreiben vorgelegt werden. Zur gehörigen Einberufung gehört auch — welche Bestimmung auf nicht rechtsfähige Vereine nicht ausgedehnt werden darf, RG 26. 6. 02 IV 110/02 — daß der Gegenstand der Beschlußfassung, soweit die Satzung nichts anderes vorschreibt, bei der Einberufung bezeichnet wird. Welche Anforderungen in bezug auf die G e n a u i g k e i t der Bezeichnung zu stellen sind, ist aus dem Zweck der Vorschrift, die Mitglieder vor Über­ raschungen zu schützen und ihnen die Möglichkeit der Vorbereitung zu geben, zu entnehmen (RG IW 08, 675*; vgl. auch IW 97,246"; 01, 659*«; 08, 113" und 346*°). Bei der Be­ zeichnung darf davon ausgegangen werden, daß den Vereinsmitgliedern die früheren Beschlüsse bekannt sind (RG 10. 5. 06 IV 529/05). Die Mitteilung des Namens des auszuschließenden Mitgliedes ist nicht unbedingt erforderlich (RG IW 08, 675*). Zu der Versammlung ist auch der Auszuschließende zu laden. Unter Umständen kann es, wenn die Satzung keine gegenteilige Bestimmung enthält, genügen, daß er von der Versammlung Kenntnis hat (RG Warn 09 Nr 123). — Ungültig ist ferner der Beschluß, wenn die Versammlung satzungswidrig sich nicht unter der Leitung des Vorstandes, sondern eines von ihr selbst gewählten Vorsitzenden befunden hat (RG IW 09, 411*). 3. Die Stimmen werden beim Fehlen einer anderen Satzungsbestimmung nach Köpfen, nicht nach dem Anteil am Bereinsvermögen gezählt (vgl. §§ 38, 40). Es kommen hierbei nur die erschienenen Mitglieder in Betracht, deren Beschlüsse die Ausgebliebenen sich gefallen lassen müssen. Der Mehrheitsgrundsatz ist also wesentlich abweichend von den für die Gemeinschaft geltenden Bestimmungen der §§ 744, 745 durchgeführt. Es entscheidet regelmäßig die unbedingte Mehrheit, nicht bloß (bei Bertretensein von mehr als zwei Meinungen) die verhältnismäßige Mehrheit. Ist nur ein Mitglied erschienen, so kann dieses gültig Beschlüsse fassen. Über Unvertretbarkeit des Stimmrechts s. § 38 A 1. 4. Ist die Versammlung nicht gehörig einberufen, so ist eine Beschlußfassung in Ermangelung einer anderen Satzungsbestimmung ($ 40) nur auf dem Wege des Abs 2 möglich, daß sämtliche Mitglieder zu dem Beschlusse ihre Zustimmung in schriftlicher Form — wozu hier auch die Briefform und telegraphische Form zu rechnen ist (vgl. § 126) — erklären. Diese Form ist auch zu beachten für die ohne Zusammenkunft gefaßten Beschlüsse. 5. Die Ungültigkeit des Beschlusses, mag sie nun in der Nichtbeachtung der in A 2 bezeichneten Bestimmungen oder in anderen Umständen ihren Grund haben, kann von einem jeden Beteiligten, insbesondere einem jeden Mitgliede, klageweise oder einwandweise geltend gemacht werden (vgl. $ 256 ZPO). Die ergehende Entscheidung hat jedoch nur Wirkung unter den Parteien. Der Vorstand ist vor Ausführung des Beschlusses verpflichtet, seine Gültigkeit zu prülen. Eine ihm hierbei zur Last fallende Fahrlässigkeit macht ihn ersatzpflichtig.

§ 33 3« einem Beschlusse, der eine Änderung der Satzung enthält, ist eine Mehrheit von drei Bierteilen der erschienenen Mitglieder erforderlich. Znr Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder mutz schrift­ lich erfolgen?) Beruht die Rechtsfähigkeit des «ereius auf Verleihung, so ist zu jeder Änderung der Satzung staatliche Genehmigung oder, falls die Verleihung durch den Bundesrat erfolgt ist, die Genehmigung des Bundesrats erforderlich.2) 8 1 48 tos 5 II 82 $1 1, 108 P 1, 52? ff.

1. Eine jede Satzungsänderung, die nicht offensichtlich in einer bloßen F a s s u n g s. anderung besteht, bedarf ohne Rücksicht auf die größere oder geringere Erheblichkeit der Ändemngder Zustimmung von drei Vierteilen der erschienenenMitglieder. Bei der Berufung der Versammlung ist anzugeben, in welchen Richtungen die Sitzung abgeändert werden soll (vgl. ## IW 08,346“). Zulässig ist auch die Änderung der Satzungs­ bestimmung über den BereinSzweck, ohne daß die Gläubiger hiergegen Widerspruch

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§§ 32—35

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erheben dürfen und ohne daß ein Liquidationsverfahren sich anzuschließen hat. Diese Ände­ rung ist aber nur zulässig mit Zustimmung der' sämtlichen Mitglieder. Ein jeder, der dem Vereine beitritt, darf sich darauf verlassen, daß der Verein nicht durch Änderung des Vereins­ zwecks ein vollständig anderer wird. Als eine solche Änderung ist es nicht anzusehen, wenn zur besseren Erreichung des von vornherein bestimmten Zweckes der Wirkungskreis des Vereins nur eine Erweiterung erfährt. Dagegen liegt zweifellos eine Änderung des Zweckes vor, wenn z. B. ein eigennütziger Verein in einen gemeinnützigen umgewandelt wird. Die Er­ langung der Zustimmung der sämtlichen Mitglieder ist dadurch erleichtert, daß die Zustimmung schriftlich (vgl. § 32 Abs 2) erteilt werden kann. In dieser Weise können auch die­ jenigen, welche in der Versammlung gegen den Beschluß gestimmt haben, noch nachträglich ihre Zustimmung geben. In allen diesen Beziehungen kann die Satzung gemäß § 40 andere Bestimmungen treffen. Sie kann die Änderung des Bereinszwecks gänzlich aus­ schließen, sie kann anderseits einen mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßten Beschluß für genügend erklären und kann die Bestimmung über Annahme eines anderen, ausreichend spezialisierten Bereinszwecks dem Vorstande oder einem sonstigen Bereinsorgane (a. A. Hölder A 2) übertragen. Über Ungültigkeit des Beschlusses s. § 32 A 4. 2. Vgl. § 22 A 3. Auch diese Vorschrift kann durch die von der verleihenden Be­ hörde genehmigte Satzung geändert werden. Selbstverständlich kann ohne Genehmigung der Behörde die Satzung auch nicht dahin geändert werden, daß es zu weiteren Satzungs­ änderungen der Genehmigung der Behörde nicht mehr bedürfen soll.

§ 34 Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlußfassung die Bor­ nahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Vereine betrifft1). E I 48 Ws 4 II 31 Ws 3 M 1,107 P 1, 627.

1. In eigener Angelegenheit ist ein Mitglied des Vereins oder eines Bereinsorgans (vgl. 8 28 A 1) von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen. Der Be­ griff der eigenen Angelegenheit ist in wesentlicher Übereinstimmung mit 8 181 dahin formali­ siert, daß es sich um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts — worunter die Vornahme einer Wahl nicht fällt (RG 68, 179) — oder die Führung eines Rechtsstreits mit dem Verein handeln muß. Darauf, ob sachlich ein Interessengegensatz besteht, kommt es nicht an. Eben­ sowenig vermag das Bestehen eines Interessengegensatzes über 8 34 hinaus die Stimm­ berechtigung auszuschließen. Besteht der Vorstand nur aus einer Person, so bedarf es nicht erst der Bestimmung des 8 34, da schon der Grundsatz des 8 181 Platz greift. Eine Verletzung des 8 34 hat die Ungültigkeit des Beschlusses nur zur Folge, wenn er hierauf beruht. Dies ist nicht der Fall, wenn er zweifellos zuungunsten des nicht stimmberechtigten Mitgliedes ergangen ist oder wenn auch unter Abrechnung der ungültigen Stimme eine genügende Mehr­ heit für den Beschluß verbleibt.

8 35 Sonderrechte1)2) eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmnng durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden. E II 33 M 1, 109 P 1, 629 ff.

1. Das Sonderrecht, das dem Mitgliede um seiner selbst willen, nicht im Interesse des Vereins als ein von den Rechten der andern Mitglieder verschiedenes Recht eingeräumt ist (vgl.RG 49,151), kann ihm wider seinen Willen nicht entzogen werden. Als ein solches Sonderrecht erscheint nicht bloß das Recht auf einen bestimmten erhöhten Gewinnanteil oder age Borzugsleistungen, sondern auch das Recht einer besonderen Teilnahme an der Bermg (erhöhtes Stimmrecht, dauernde Zugehörigkeit zum Vorstände, Notwendigkeit der Zustimmung zu bestimmten Berwaltungshandlungen usw.). Auch das Recht, zu Beiträgen in geringerem Maße herangezogen zu werden, kann als Sonderrecht gewährt werden. Das Mitgliedschaftsrecht als solches stellt dagegen ebensowenig ein Sonderrecht im Sinne des 8 35 dar, wie die aus der Mitgliedschaft hervorgehenden, dem Einzelnen mit den anderen Mitgliedern gemeinsamen Rechte auf Anteil an den Nutzungen, Ausübung des Stimmrechts usw. (a. A. Planck A 1; Oertmann A4 — für die handelsrechtlichen Gesellschaften gellen in dieser Beziehung andere Grundsätze, RV 68,211). Wohl aber erwächst aus der Mitgliedschaft in Ermangelung einer anderen Satzungsbestimmung einem jeden Mitglieds ein Recht darauf, daß er in bezug auf Rechte und Pflichten nicht ungünstiger gestellt werde wie die übrigen Mitglieder. Dieser Grundsatz schließt nicht aus, daß die Berechtigungen und Ver­ pflichtungen wegen der bestehenden tatsächlichen Verschiedenheiten eine ungleiche Wirkung

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haben (vgl. RG 47, 149). Die formelleRechtSgleichheit darf aber nicht dadurch verletzt werden, daß einzelnen Mitgliedern größere Lasten auferlegt werden oder geringere Rechte gewährt werden wie den andern. Ungültig ist auch ein Beschluß, der darauf hinaus­ läuft, daß ein Teil der Mitglieder seine Mitgliedschaft vollständig verliert. Die Ungültig­ keit derartiger Beschlüsse kann auch von denjenigen Mitgliedern, die durch den Beschluß nicht beeinträchtigt sind, durch Feststellungsklage geltend gemacht werden, da auch sie zum Zwecke der Herstellung geordneter Rechtszustände ein Interesse an Aufdeckung der Ungültig­ keit haben. Über Ausschließung eines Mitgliedes s. § 39 A 2. Verschieden von den Sonderrechten sind die sogenannten Individualrechte, welche einer Mnderheit die Befugnis geben, im Interesse des Vereins eine sonst den Bereinsorganen obliegende Tätig­ keit vorzunehmen. Hierzu gehört das in § 37 bezeichnete Recht, die Berufung der Mitglieder­ versammlung zn verlangen, das nach § 40 ebenfalls durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden kann. 2. Die Mitglieder können durch Abschluß von Rechtsgeschäften usw. mit dem Verein in besondere Rechtsverletzungen treten. Es kann dies z. B. auch dadurch geschehen, daß die Mitglieder bei dem Verein gegen bestimmte Schäden versichert sind. Das hierdurch erworbene Recht unterliegt nicht der Einwirkung des Vereins. Ein unentziehbares Gläubigerrecht er­ langen die Mitglieder auch dadurch, daß der satzungsgemäß ihnen zukommende Anteil am Gewinn oder am Vermögen des Vereins durch Beschluß der Mitglieder­ versammlung oder des sonst zuständigen Organs endgültig festgestellt wird. Immerhin handelt es sich im letzteren Falle um ein aus der Mitgliedschaft entsprungenes, nicht um ein durch be­ sonderes Rechtsverhältnis begründetes Gläubigerrecht. Dies wird im Falle des Konkurses von Bedeutung, wo diese Mitgliederrechte hinter die Rechte der anderen Gläubiger zurück­ treten müssen.

8 36 Die Mitgliederversammlung ist in den dnrch die Satzung bestimmten Fällen sowie dann zu berufens, wenn daS Interesse des Vereins es erfordert. E II 34 P 1, 532 ff.

1. Die schuldhafte Verletzung der EinverufrrngSpflicht macht den Vorstand oder das sonst zuständige Bereinsorgan dem Verein gegenüber verantwortlich. Das einzelne Mitglied hat aber, abgesehen von dem in § 37' bezeichneten Wege, nicht das Recht, die Berufung der Versammlung zu erzwingen.

8 37 Die Mitgliederversammlung ist z« berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder*) die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann daS Amtsgericht, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat, die Mitglieder, welche daS Verlangen ge­ stellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigens «nd über die Führung deS Vorsitzes in der Versammlung Bestimmung treffen. Auf die Ermächtigung mutz bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden. E II 35 $ 1, 532 ff.; 6, 115.

1. Der zehnte Teil oder der sonst in der Satzung bestimmte Teil der Mitglieder hat das Recht (vgl. § 35 A 1), die Berufung der Mitgliederversammlung zu verlangen, wenn ein schriftlicher Antrag hierauf bei dem Vorstände gestellt wird und der Antrag die Angabe des Zweckes und der Gründe enthält, aus denen die Berufung für geboten erachtet wird. Eine Nachprüfung der Gründe steht dem Vorstände nicht zu (a. A. Staudinger II 2). Zur Ablehnung des Antrags ist er nur berechtigt, wenn die Befugnis aus § 37 m i ß b r ä u ch l i ch ausgeübt wird (a. A. Planck Alb, der den Vorstand unbedingt zur Berufung für ver­ pflichtet hält). 2. Bei Wlehnung des Antrags findet nicht ein eigentlicher Prozeß statt. Die Antrag­ steller können sich vielmehr in diesem Falle die gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung er­ teilen lassen und haben sich zu diesem Zwecke an das zuständige Amtsgericht zu wenden. Dieses hat, nachdem der Vorstand des Vereins, soweit tunlich, gehört ist (Z160FGG), im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit darüber zu entscheiden, ob der Antrag begründet ist. Es ist

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hierbei auch die sachliche Berechtigung des Antrags zu prüfen la. A. Oertmann A 3). Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig, $ 160 FGG. Wird dem Anträge stattgegeben, so werden die Antragsteller ermächtigt, die Berufung an Stelle des Vorstandes unter Hinweis auf den Beschluß (dessen Rechtskraft abgewartet werden muß) selbst zu bewirken, worin zugleich die Vollziehung des Beschlusses liegt (vgl. § 887 ZPO). Das Amtsgericht kann außerdem, da die Besorgnis begründet sein kann, der Vorstand werde den mit der Be­ rufung verfolgten Zweck durch die Art der Leitung der Versammlung vereiteln, wegen des Vorsitzes in der Versammlung besondere Bestimmung treffen. Das gleiche Verfahren findet auch statt, wenn der Minderheitsantrag, einen bestimmten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, abgelehnt ist.

8 38 Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Aus­ übung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem anderen überlasten werden *)2). EII 36 Abs 1 P 1, 534 ff.

1. Die (nach § 40 abänderliche) Regel ist, daß die Mitgliedschaft an die Person des als Mitglied Aufgenommenen gebunden ist. Die Mitgliedschaft und das aus ihr folgende Recht der B e t ä t i g u n g in Bereinsangelegenheiten ist weder veräußerlich noch vererblich, noch durch einen Dritten ausübbar. Damit ist indes die Ausübung durch den gesetzlichen Vertreter nicht ausgeschlossen. Dieser Grundsatz gllt nicht bloß für Jdealvereme, sondern auch für wirtschaftliche Vereine, da auch diese der Regel nach nicht ausschließlich private Ver­ mögensinteressen verfolgen werden. 2. Zur Erlangung der Mitgliedschaft, falls diese nicht durch Abschluß des Errichtungs­ vertrags erworben wurde, ist die Aufnahme durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder des sonst zuständigen Vereinsgliedes erforderlich. Die Satzung kann für die Beitritts­ erklärung eine bestimmte Form vorschreiben, sie kann den Erwerb und die Fortdauer der Mit­ gliedschaft von gewissen Erfordernissen abhängig machen und kann anordnen, daß bei Er­ füllung dieser Erfordernisse die Aufnahme nicht verweigert werden darf. Was die Rechte der Mitglieder am Bereinsvermögen betrifft, so können diese niemals so weit gehen, daß die Mitglieder das Miteigentum erhalten (vgl. Vordem 1 vor § 21). Nicht unzulässig ist eS, den Mitgliedern als solchen Gerechtsame an den Bereinsgrundstücken einzuräumen, die wie dingliche Rechte gegen Dritte geschützt werden, nicht aber die Befriedigung der Gläubiger aus dem ihnen verhafteten Bereinsvermögen ausschließen. Den Mitgliedern kann durch die Satzung oder einen die Satzung abändernden Beschluß die Verpflichtung zur Leistung von ordentlichen oder außerordentlichen Beiträgen sowie eine aushilfsweise oder gesamt­ schuldnerische, unbeschränkte oder beschränkte Haftung für die Bereinsverbindlichkeiten auferlegt werden.

§ 39 Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Bereine berechtigt. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß der Austritt nur am Schluste eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre betragen *)2). « II 86 «blL P 1, 534 ff.

1. Der Austritt aus dem Bereine wird wirksam durch die einem Borstandsmitgliede (§ 28 Abs 2) oder dem sonst zuständigen Organ gemachte Austrittsanzeige. Über $ 39 hinaus kann die Freiheit des Austritts weder durch Einführung einer Form (a. A. Hölder A1, falls nicht die Formvorschrift gerade den Z w e ck hat, den Austritt zu erschweren), noch durch Festsetzung einer Vertragsstrafe beschränkt werden. Der Austritt ist oft das einzige Mistel, das dem Mitglied übrig bleibt, um einer schlechten Verwaltung oder einer erhöhten Bertragspflicht sich zu entziehen. Die Möglichkeit des Austritts hat für den Einzelnen die­ selbe Bedeutung, wie die Möglichkeit der Auflösung des Vereins für die Mitgliederver­ sammlung. 2. Die Ausschließung eines Mitglieds kann aus wichtigem Grunde, ohne daß dies in der Satzung ausdrücklich bestimmt zu sein braucht, beschlossen werden (a. A. RG 73, 187). Sind über die Ausschließung in der Satzung bestimmte Vorschriften enthalten, denen die Mitglieder durch ihren Beitritt zum Verein sich unterworfen haben, so kann zwar auch hier der Ausschließungsbeschluß im Rechtswege angefochten werden. Die Prüfung des Gerichts ist aber, da in die Selbständigkeit des Vereins in dieser Beziehung nicht ein­ gegriffen werden darf, darauf beschränkt, ob das vorschriftsmäßige Verfahren eingehalten ist. Die sachliche Richtigkeit des Beschlusses kann nicht nachgeprüft werden (RG 49, 150;

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IW 00,417"; 03 Beil 3’ und 4088; 06, 4161), auch nicht, wenn die Satzung die Berufung gegen den Ausschließungsbeschluß an ein anderes Vereinssiied zuläßt (RG 17, 11. 02 IV 226/02). Zur Ausschließung ist der Verein nicht mehr berechtigt, wenn der Auszuschließende zur Zeit der Beschlußfassung nicht mehr Mitglied des Vereins ist (RG 51,66; IW 05, 3151). Sn der über die Ausschließung beschließenden Mitgliederversammlung ist dem Auszu­ schließenden, falls die Sitzung nichts anderes vorschreibt, Gelegenheit zu geben, sich gegen die ihm gemachten Borwürfe zu verteidigen.

8 40 Die Vorschriften des § 27 Abs. 1,3, des § 28 Abs. 1 und der §§ 32,33,38 finden insoweit keine Anwendung, als die Satzung ein anderes bestimmt1). E I 44 Abs 7, 48 Abs 6 II 37 M 1, 94 ff., 105 ff. P 6, 115.

I. Unabänderlich sind die Vorschriften der §§ 26, 27 Abs 2, 28 Abs 2, 29, 31, 34 bis 37 und 39.

§41 Der Verein kann durch Beschluß der Mitgliederversammlung ausgelöst1)2) werden. Zu dem Beschluß ist eine Mehrheit von drei Vierteilen der erschienenen Mitglieder erforderlich, wenn nicht die Satzung ein anderes bestimmt. E II 38 P 1, 538 ff.

1. Das Recht, die Auflösung deS Vereins zu beschließen, das der Mitgliederversammlung als äußerste Maßregel verbleibt, wenn eine bessere. Verwaltung nicht zu erreichen ist, kann ihr durch die Satzung nicht entzogen werden (vgl. § 39 A 1). Als Auslösungsbeschluß ist es auch anzusehen, wenn die Bereinigung des Vereins mit einem fortbestehenden andern Verein beschlossen wird. Mit der Auflösung tritt, falls das Bereinsvermögen nicht an den Fiskus fällt, das in 88 48 ff. vorgesehene Liquidationsverfahren ein, wobei der Verein, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert, nach § 49 Abs 2 als fortbestehend gilt. Die dem Interesse der Gläubiger dienende Liquidation muß auch dann durchgeführt werden, wenn die Mitglieder­ versammlung gemäß § 45 Abs 2 beschließen sollte, das Vermögen dem aus den bisherigen Mtgliedern zu bildenden nicht rechtsfähigen Vereine zuzuwenden. Dem Tode einer natürlichen Person im Sinne der von der Unterbrechung des Verfahrens handelnden 8$ 239, 246 ZPO kann die Auflösung des Vereins, die eine Gesamtnachfolge nicht nach sich zieht, nicht gleichgestellt werden (vgl. RG IW 04,119"). 2. Der Verein wird ferner ausgelöst durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit oder Eintritt der in ihr festgesetzten auflösenden Bedingung. Daß die Zahl der Mitglieder bis auf eines sinkt, hat — abgesehen von § 73 — die Auflösung des Vereins nicht zur Folge, s. für die Gesellschaft m. b. H. RG 68,174. Das verbleibende eine Mitglied hat die Macht, Mitgliederversamnüungsbeschlüsse zu fassen und kann auch sich selbst (vgl. § 34 A 1) zum Vorstände wählen. Dagegen wird durch den Fortfall sämtlicher Mitglieder (infolge Todes oder Austritts) die Auflösung herbeigeführt. Der Auflösung steht in gewisser Hinsicht gleich die Nichtigkeit des Vereins. Auch in diesem Falle muß eine Liquidation stattfinden und ver­ bleibt dem nichtigen Verein die Rechtsfähigkeit, soweit dies zum Zweck der Liquidation er­ forderlich ist (vgl. für die Gesellschaft m. b. H. RG IW 05, 184").

§ 42 Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit durch die Eröffnung des Kon­ kurses^. Der Vorstand hat im Falle der Überschuldung?) die Eröffnung deS Kon­ kurses zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamt­ schuldner. E I 47 II 39 M 1, 104 P 1, 523 ff., 539; 6, 118.

1. Die Eröffnung deS Konkurses läßt trotz des Wortlauts des § 42 die Rechtsfähigkeit des Vereins insoweit bestehen, als es zum Zwecke der konkursmäßigen Liquidatiorterforderlich ist (8 49 Abs 2). Die Rechte des Vereins werden innerhalb dieser Grenzen von dem Kon­ kursverwalter ausgeübt. Wird der Eröffnungsbeschluß auf Beschwerde wieder auf­ gehoben, so gilt die Entziehung der Rechtsfähigkeit als nicht erfolgt, unbeschadet jedoch der

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Gültigreit der in der Zwischenzeit von dem Konkursverwalter vorgenommenen Rechtshand­ lungen. Wird das Konkursverfahren gemäß $ 202 KO infolge Zustimmung sämtlicher Konkursgläubiger eingestellt, so erhält der Verein die Rechtsfähigkeit unbeschränkt zurück (a. A. Staudinger A 8; Planck A 2). Auch über einen nichtigen Verein kann das Konkurs­ verfahren eröffnet werden, s. für die Gesellschaft m. b. H. RG IW 04, 503". Über Verlust der Rechtsfähigkeit im Falle der Verlegung des Sitzes in das Ausland s. § 24 A 1. Der Verlust der Rechtsfähigkeit hat — im Gegensatz zur Auflösung — nicht ohne weiteres die Folge, daß der Verein auch in der Eigenschaft als nicht rechtsfähiger Verein aufhört (bestr.). 2. Der Vorstand hat im Interesse der Hlänbiger auf die E r b a l t u n g des zu ihrer Befriedigung erforderlichen Bereinsvermögens Bedacht zu nehmen. Er wird ihnen haftbar, wenn er schuldhaft ihre Befriedigung dadurch schmälert, daß er Bereinsvermögen unter die Mitglieder aufteilt oder die zur Schuldentilgung benötigten Beiträge von den Mitgliedern nicht erhebt oder arglistig die Gläubiger in sonstiger Weise schädigt. Ist Überschuldung ein­ getreten, worüber er nötigenfalls durch Aufnahme einer Bilanz sich zu vergewissern hat, so ist es seine Pflicht, die Konkurseröffnung zu beantragen. Hat die Verzögerung des Antrags zur Verkürzung der Gläubiger geführt, so können diese die Vorstandsmitglieder, die schuldhaft gehandelt haben, als Gesamtschuldner in Anspruch nebmen. Die Verpflichtung zur An­ meldung des Konkurses besteht nach $ 53 auch für die Liquidatoren.

8 43 Dem Vereine kann die Rechtsfähigkeit entzogen werdens, wenn er durch einen gesetzwidrigen Beschluß der MiWiederversammlung oder durch gesetz­ widriges Verhalten des Vorstandes dich Gemeinwohl gefährdet ^). Einem Vereine, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaft­ lichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, w«m er einen solchen Zweck verfolgt»). Einem Vereine, der nach der Satzung einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Itveck nicht hat, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt8). Einem Vereine, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung bestimmten Zweck verfolgt»). E II 40 Ws 1 bU » P 1, 573 ff.; 6, 116,1U.

1. Während nach $ 2 des RBerG v. 19. 4. 08 ein jeder Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, polizeilich aufgelöst werden kann, ist auf privatrechtlichem Gebiete nur die Entziehung der Rechtsfähigkeit zulässig. Das Fortbestehen des Vereins als eines nicht rechtsfähigen (vgl. § 42 A 1) kann nicht gehindert werden. Die Entziehung der Rechtsfähigkeit hat zwar in gleicher Weise wie die Auflösung die Folge, daß (abgesehen von $ 46) die Liquidation erfolgen muß, §§ 45, 47. Die Behörde hat aber keine Zwangsmittel, um die Durchführung der Liquidation und die Ausantwortung des Der Mögens an die Anfallberechtigten zu erzwingen. 2. Die Gefährdung deS Gemeinwohls genügt nicht zur Entziehung der Rechtsfähigkeit. Es muß noch eine gesetzwidrige Handlung oder Unterlassung des Vereins hinzukommen, wo­ durch die Gefährdung verursacht ist (sachlich übereinstimmend $ 81 GenG, § 62 GmbHG, § 97 Nr 3, 104 k Nr 3 GewO betreffs der Innungen und Jnnungsverbände, Art 4 Pr. AGzHGB betreffs der Aktiengesellschaften und Aktienkommanditgesellschaften). Die Ge­ setzwidrigkeit kann begangen werden durch Beschlüsse der Mitgliederversammlung, namentlich insofern, als die Beschlüsse ihre Zuständigkeit überschreiten, und durch das Verhalten des Vor­ standes, mag dieser nun selbst gesetzwidrig handeln oder das gesetzwidrige Verhalten der An­ gestellten dulden. Unter den Begriff der Gesetzwidrigkeit fällt auch die Satzungswid­ rig k e i t und die Verletzung privatrechtlicher Gesetze, wennschon hierdurch eine Gefährdung des Gemeinwohls nur selten herbeigeführt werden wird. 3. Besteht die Gesetzwidrigkeit darin, daß der Verein andere alS die zulässigen Zwecke verfolgt, so kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, ohne daß die Gefährdung des Gemein­ wohls festgestellt zu werden braucht (ebenso die in A 2 angeführten Bestimmungen des GmbHG und der GewO). Doch ist hier ein Unterschied zu machen zwischen den Vereinen, denen die Rechtsfähigkeit verliehen ist, und den eingetragenen Vereinen. Den ersteren kann, da die Verleihung wesentlich darauf beruht, daß die Angabe über den Vereins­ zweck richtig ist, die Rechtsfähigkeit schon dann entzogen werden, wenn sie ganz oder teilweise BGB. Kommentar von Reichsgerichtsräten.

I. Band.

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einen anderen Zweck verfolgen. Bei den eingetragenen Vereinen kommt es dagegen darauf an, ob sie bei Angabe des später verfolgten Zweckes die Eintragung erlangt hätten. Es macht deshalb nichts aus, wenn statt des in der Satzung angegebenen idealen Zweckes ein anderer idealer Zweck verfolgt wiro. Wohl aber ist die Entziehung der Rechts­ fähigkeit zulässig, wenn der vom Verein später verfolgte Zweck auf einen wirtschaftlichen Ge­ schäftsbetrieb gerichtet ist, da dies die Eintragung ausgeschlossen haben würde, oder wenn dieser Zweck ein politischer, sozialpolitischer oder religiöser ist (vgl. § 61 A 3), da in solchem Falle die. Verwaltungsbehörde die Eintragung durch Einspruch hätte verhindern können, oder wenn ein andersartiger politischer usw. Zweck verfolgt wird, dessen Angabe zur Erhebung des Ein­ spruchs hätte führen können (anders in letzterer Hinsicht Staudinger III 3; Planck A 2c). Das bloß gelegentliche Verfolgen eines politischen usw. Zweckes, ohne daß die grundsätzlichen Bestrebungen des Vereins geändert sind, ist ohne Bedeutung.

§ 44 Die Zuständigkeit und das Verfahren bestimmen sich in den Fällen des § 43 nach den für streitige Verwaltnngssachen geltenden Borfchriften der 2sttti>e§gefefce'). Wo ein Verwaltungsstreitverfahren nicht besteht, finden die Borfchriften der §§ 20,21 der Gewerbeordnung Anwendung ?); die Entscheidung erfolgt in erster Instanz durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Verein feinen Sitz hat'). Beruht die Rechtsfähigkeit ans Verleihung durch den Bundesrat, so er­ folgt die Entziehung durch Beschluß des Bundesrats^). E U 40 Abs 4 P 1, 672 ff.

1. Nach den landesrechtlichen Bestimmungen richtet es sich, ob das Berwaltungsstreitverfahren (wie in Preußen) bereits in erster Instanz, oder (wie z. B. in Sachsen) erst in zweiter Instanz oder endlich (wie z. B. in Bayern) erst noch vorheriger Entscheidung der Verwaltungsbehörde zweiter Instanz stattfindet. 2. Besteht landesrechtlich ein BerwaltungSstreitverfahren nicht, so entscheidet in dem durch §§ 20, 21 GewO geregelten Verfahren die höhere Verwaltungsbehörde, gegen deren Entscheidung binnen zwei Wochen Rekurs eingelegt werden kann. In erster oder zweiter In­ stanz muß die Entscheidung durch das Kollegium nach mündlicher und öffentlicher Verhandlung erfolgen; der Rekursbescheid ist mit Gründen zu versehen. In Elsaß-Lothringen hat in der Rekursinstanz der Kaiserliche Rat zu entscheiden (8 4 B. v. 6. 12. 99). 8. Ist die Rechtsfähigkeit von dem Bundesrat verliehen, so hat dieser, ohne daß über das Verfahren Vorschriften gegeben sind, auch über die Entziehung zu befinden.

§45

Mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der RechtssShigkett fällig das Vermögen an die in der Satzung bestimmten Personen'). Durch die Satzung kann vorgefchrieben werden, daß die Anfallberechtigten durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder eines anderen Bereinsorgans bestimmt werden. Ist der Zweck deS Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die Mitgliederversammlung auch ohne eine solche Vorschrift das Vermögen einer össentlichen Stiftung oder Anstalt zu­ weifen'). Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das Ver­ mögen, wenn der Verein nach der Satzung ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder diente, an die zur Zeit der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu gleichen Teilen, anderenfalls an den Fiskus des Bundesstaats, in dessen Gebiete der Verein seinen Sitz hatte'), e I M «st 1 IUI K 1,109 ff. P 1, 689 ff.

1. Der Auffassung, daß dar Vermögen der juristischen Person keinen Eigentümer hat (vgl. Vordem 1 vor $ 21), würde es, was die Person deS Ansallberechtigen betrifft, entsprechen, daß mit Auflösung deSBereinS (Entziehung der Rechtsfähigkeit) das Vermögen dem Fiskus zufiele. Dar BGB weicht jedoch hiervon darin ab, daß es bei einem selbstnützigen Verein (der satzungsmäßig ausschließlich den Interessen der Mit«

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§§ 43—48

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glieder dient) das Vermögen an die Mitglieder fallen läßt (Abs 3), daß eS ferner bei dem Jdealverein, der nicht gerade ein gemeinnütziger zu sein braucht, der Mitglieder­ versammlung auch ohne Satzungsbestimmung gestattet, das Vermögen einer öffentlichrechtlichen Stiftung oder Anstalt (vgl. Vordem 2 vor § 21) zuzuwenden und daß in jedem Falle durch die S a tz u n g (auch durch einen die Satzung abändernden Beschluß) unmittel­ bar oder mittelbar, indem letzterenfalls die Verfügung der Mitgliederversammlung oder einem aigen Vereinsgliede übertragen wird, über den Verbleib des Vermögens Bestimmung ge[en werden kann. Die hiernach maßgebende Bestimmung muß spätestens bei Auflösung des Vereins erfolgen. Mehrere Anfallberechtigte können in der Weise berufen werden, daß der zweite erst berufen ist, wenn der erste die Zuwendung nicht annehmen kann oder will. Aufrecht erhalten sind durch Art 85 EG die landesrechtlichen Vorschriften, nach welchen an Stelle des Fiskus das Vermögen einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts zufällt. Wegen Anfall des Stiftungsvermögens s. § 88 A 1. 2. Die Art deS Anfalls ist eine verschiedene. Ist der Fiskus der Anfallberechtigte, so vollzieht sich der Bermögensübergang, da der Fiskus nach § 46 die Stellung deS Erben hat, durch Gesamtnachfolge. In gleicher Weise ist der Übergang, wenn andere Personen die Anfallberechtigten sind, nicht geregelt. Es bleibt deshalb nur übri,, ihnen einen schuldrechtlichen Anspruch auf Ausantwortung des Vermögens zu geben, der gegen die Liquidatoren gerichtet ist. 8 «

Fällt das Bereinsvermögen an den Fiskus, so finden die Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft entsprechende Anwendung x). Der Fiskus hat daS vermögen tunlichst in einer den Zwecken deS Vereins entsprechenden Weise z« verwendens. S I 49 AbsS Satz 1 und 2 H 42 Abs 1 M 1, 109 ff. P 1, 545 ff.; 6, 116.

1. Der FtskttS erwirbt das Vermögen durch Gesamtnachfolge ($ 1922 Abs 1), ohne daß er den Erwerb ausschlagen kann (§ 1942 Abs 2). Er haftet in allen Fällen nur mit dem Vereinsvermögen (§ 2011 BGB, § 780 ZPO). Seine Inanspruchnahme ist davon abhängig, daß zuvor das Nachlaßgericht, d. i. das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hatte (§§72, 73 FGG), sein Anfallrecht festgestellt hat (§1966 BGB, §78FGG). Handelt es sich um einen ausländischen, vom Bundesrat anerkannten Verein, so ist nach $ 73 Abs 3 FGG jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk sich Bereinsgegenstände befinden, bezüglich aller im Jnlande befindlichen Bereinsgegenstände zuständig. 2. Die dem Fiskus auferlegte BerwendungSpslicht, die nur für gemeinnützige Vereine in Betracht kommt (§ 45 Abs 3), ist eine öffentlich rechtliche, auf deren Erfüllung namentlich von der Volksvertretung gedrungen werden kann. Sie liegt in gleicher Weise den nach Art 85 EG (§45 911) an die Stelle des Fiskus tretenden öffentlichen Verbänden und Anstalten ob.

§47 Fällt das Bereinsvermögen nicht an denFiskus, so mutz eine Liquidation stattsinden*). E ! 49 Abs 2 Satz 3 II 42 Abs 2 M 1, 113 P 1, 546.

1. Die Mußvorschrift des § 47 wird dadurch verwirllicht, daß mit der Auflösung, der Entziehung oder dem Verlust der Rechtsfähigkeit (abgesehen von dem Falle der §§ 42 und 46) die Vorstandsmitglieder, falls nicht besondere Liquidatoren bestellt sind, ohne weiteres die Stellung eines Liquidators erhalten, dessen Befugnis zur Vertretung des Vereins gemäß § 49 Abs 1 beschränkt ist. In gleichem Umfange beschränkt sich gemäß § 49 Abs 2 die Rechts­ fähigkeit des Vereins, der zum Liquidationsverein wird.

§48 Die Liquidation erfolgt durch den Borstand. Z« Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; sür die Bestellung sind die für die Be­ stellung deS Vorstandes geltenden Vorschriften m1). Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung deS Vorstandes, soweit sich nicht auS dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt?).

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Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist für ihre Beschlüsse Über­ einstimmung aller erforderlich, sofern nicht ein anderes bestimmt ist2). E l 60 II 43 M 1, 113 ff. P 1, 647 ff.

1. Falls in der Satzung öder durch Beschluß des zuständigen Bereinsgliedes nicht andere Liquidatoren bestellt sind, fällt dem Borstande die Aufgabe zu, die Liquidation durchzu­ führen. Die Mitgliederversammlung, die durch die Auflösung nicht beseitigt wird, bleibt jedoch befugt, einen Liquidator nach § 27 Abs 2 abzuberufen und an seiner Stelle einen anderen zu bestellen. Eine Abberufung durch das Gericht findet nicht statt, sofern nicht für Vereine mit verliehener Rechtsfähigkeit in der Satzung etwas anderes festgesetzt ist. Fehlen die erforderlichen Liquidatoren, so kann nach § 29 in dringenden Fällen das Amts­ gericht eingreifen. 2. Die Liquidatoren haben innerhalb ihres Wirkungskreises (§ 49 Abs 1) in gleicher Weise wie der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (§26 Abs 2). Sie sind der Mitgliederversammlung insofern untergeordnet, als sie dieser über ihre Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen haben und von ihr Entlastung erhalten. Die Stellung der Liquidatoren unterscheidet sich aber darin von der des Vorstandes, daß sie unmittelbar den Gläubigern gegenüber für richtige Durchführung des Liquidationsverfahrens verantwortlich sind (§53) und daher insoweit, als die Interessen der Gläubiger in Frage kommen, an Weisungen der Mitgliederversammlung nicht gebunden werden können. Abweichend ist ferner, daß mehrere Liquidatoren, falls nicht in der Satzung oder durch Beschluß der Mitglieder­ versammlung etwas anderes bestimmt ist, den Verein — wodurch den Gläubigern eine größere Sicherheit gegeben ist — nur gemeinschaftlich vertreten können. Der Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren kann nur insoweit beschränkt werden, als dies mit dem Liquidationszweck verträglich ist (bestr.).

8 49 Die Liquidatoren Haden die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzufetzen, die GWubiger zu befriedigen««-den Überschuh den Ansallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung fchwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Ge­ schäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen fowie die Vmfetznng deS übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, foweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Überschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich finb1)2). Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, foweit der Zweck der Liquidation es erfordert2). E I S1 ll 44 M 1, US, 116 P 1, 648 ff.; 6, 136 ff.

1. Die Liquidatoren haben, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Aus­ einandersetzung der Anfallberechtigten erforderlich ist, das Vereins vermögen zu verwerten. In diesem Interesse liegt ihnen auch ob, die l a u f e n d e n G e s ch ä f t e zur Klarstellung des Bermögensstandes zu beendigen, was durch Kündigung, Erfüllung, Vergleich usw. geschehen kann. Zu diesem Zwecke können auch neue Geschäfte, sogenannte Abwicke­ lungsgeschäfte, eingegangen werden (vgl. § 149 HGB). Forderungen sind, falls nicht nach Ermessen der Liquidatoren besondere Gründe für eine andere Art der Ver­ wertung vorliegen, einzuziehen. Nicht unzulässig ist es, die Verwertung in der Weise vorzu­ nehmen, daß das von dem Verein betriebene Geschäft im ganzen veräußert wird. 2. Nur auf die zu 1 bezeichneten Liquidationsgeschäfte erstreckt sich die BertretnngSmacht der Liquidatoren. Dritte, die sich mit ihnen in Verhandlungen einlassen, haben daher zu prüfen, ob die Grenzen der Vertretungsmacht nicht überschritten sind. Es kann ihnen jedoch, wenn nach der objektiven Sachlage das Geschäft geeignet ist, als Liquidations­ geschäft zu dienen, daraus kein Nachteil entstehen, daß im besonderen Falle, ohne daß ihnen dies bekannt sein konnte, das Geschäft zu anderen als Liquidationszwecken ab­ geschlossen ist. Darüber, daß er der Erkundigungspflicht genügt hat, hat der Dritte sich auszuweisen. S. Das Fortbestehen deS Vereins wird nur für die Zwecke der Liquidation aner­ kannt. Deshalb ist in gleicher Weise wie die Vertretungsmacht der Liquidatoren auch die Rechtsfähigkeit des Vereins nach eingetretener Liquidation nur eine beschränkte. Es ist jedoch nicht zu bezweifeln, daß der Verein auch nach diesem Zeitpunkte die Fähigkeit behält, Zuwendungen, welche die Mittel zur Tilgung von Verbind­ lichkeiten gewähren, anzunehmen.

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§§ 48—52

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Die Auflösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die Be­ kanntmachung erfolgt durch das in der Satzung für Beröfsentlichungen bestimmte Blatt, in Ermangelung eines solchen durch dasjenige Blatt, welches für Bekanntmachungen deS Amtsgerichts bestimmt ist, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hatte. Die Bekanntmachung gilt mit dem Abläufe deS zweiten Tages nach der Einrückung oder der ersten Einrückung als bewirtt. Bekannte Gläubiger find durch besondere Mitteilung zur Anmeldung aufznfordern'). S I 52 II 45 P 1, 550.

1. Die öffentliche Aufforderung der Gläubiger dient nicht dazu, die sich nicht meldenden Gläubiger auszuschließen, sondern soll nur ein Mittel sein, die Gläubiger und ihre Forderungen zu erfahren. Auch an die bekannten Gläubiger ergebt eine besondere Auf­ forderung, da es möglich ist, daß der Stand der Forderung sich geändert hat. Meldet sich ein unbekannter Gläubiger innerhalb des Sperrjahres (§ 51 A 1) nicht, so wird er tat­ sächlich insofern ausgeschlossen, als er die bis zur späteren Meldung bewirkten Berteilungen an Gläubiger oder Anfallberechtigte nicht anfechten kann. Nur aus der noch unverteilten Masse kann er Befriedigung beanspruchen. Werden die Gläubiger schon vor Ablauf des Sperrjahres ganz oder teilweise befriedigt, so geschieht dies in der selbstverständlichen Voraussetzung, daß nicht nachträglich vor Ablauf des Sperrjahres weitere Gläubiger sich 'melden, zu deren gleichmäßiger Befriedigung das Bereinsvermögen nicht ausreicht. DaS hiernach zuviel Gezahlte können die Liquidatoren zurückfordern.

8 61 Das Vermögen darf den Anfattberechttgten nicht vor dem Ablauf eines Fahrest) nach der Bekanntmachung der Anslösnng des Vereins oder der Ent­ ziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werdens. S l 53 n 46 M 1, 116 P 1, 550.

1. Während des SperrjahreS, das nach § 50 mit Ablauf des zweiten Tages nach der Einrückung der öffentlichen Aufforderung an die Gläubiger beginnt — vgl. $ 301 Abs 1 HGB betreffs der Aktiengesellschaft, ebenso $ 73 GmbHG und § 90 GenG —, darf das Bereinsvermögen nicht zum Nachteil der Gläubiger den Anfallberechtigten ausgeant­ wortet werden, widrigenfalls die Liquidatoren nach § 53 schadenersatzpflichtig und die Anfallberechtigten nach § 812 herausgabepflichtig sind. Die Gläubiger, die durch die Ausantwortung verhindert sind, ihre Befriedigung aus dem bereiten Bereinsvermögen zu er­ langen, haben jedoch nicht nötig, vor der Inanspruchnahme der Liquidatoren sich an die Anfallberechtigten zu halten (a. A. Staudinger § 53 A 5; Planck § 53 A 3, letzterer von dem Gesichtspunkt aus, daß noch Bereinsvermögen vorhanden sei, indem der Verein ein Rückforderungsrecht gegen die Anfallberechtigten habe). Aber auch nach Ablauf des Sperrjahres darf das Vermögen vor Befriedigung oder Sicherstellung der bekannten Gläubiger — auch wenn diese erst nach Ablauf des Sperrjahres sich gemeldet haben — bei Vermeidung der Schadensersatzpflicht der Liquidatoren den Anfallberechtigten nicht aus­ geantwortet werden. Der Ansallberechtigte bleibt in Höhe der noch vorhandenen Bereiche­ rung den Gläubigern unbedingt aus 8 812 verhaftet la. A. Staudinger A 2; Planck; 53 A4). 2. Mit der A u s a n t w o r t u n g ist regelmäßig die Liquidation beendet. Stellen sich später weitere Gegenstände als zum Bereinsvermögen gehörig heraus (wie z. B. ein Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand), so ist die Liquidation wieder aufzunehmen und lebt insoweit auch die Rechtsfähigkeit des Vereins wieder auf.

8 62 Meldet fich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschnldete Bettag, wenn die Berechtigung znr Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegens.

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Personen

Ast die Berichtigung einer Verbindlichkeit znr Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, fo darf das Vermögen den Ansallbercchtigten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist2). E l 54 H 47 M 1, 116 ff. P 1, 551; 4, 568 ff., 607; 6, 116 und 117.

1. Von den bekannten Verbindlichkeiten wird der Verein rr.cht dadurch frei, daß der Gläubiger sich nicht meldet. Der Verein hat bezüglich der ihm bekannten oder durch Anmeldung bekannt gewordenen Verbindlichkeiten die Pflicht, sie zu erfüllen oder bei Vorhandensein eines Hinterlegungsgrundes — Annahmeoerzug des Gläubigers oder nicht verschuldete Ungewißheit über die Person des Berechtigten, §§ 372 ff. — den Schuldbetrag zu hinterlegen. Dadurch, daß der bekannte Gläubiger sich nicht meldet, wird bei einer Brmgschuld der Annnhmeverzug noch nicht begründet. Bei Verzug des Gläubigers in Annahme einer nicht hinterlegungsfähigen beweglichen Sache kann nach §§ 383 ff. verfahren werden. 2. An Stelle der Erfüllungs- oder Hinterlegungspflicht tritt die Pflicht der Sichcrhettsleistung, wenn die Verbindlichkeit st r e i t i g ist oder die Berichtigung wegen Bedingt­ heit der Förderung, Ungewißheit der Dauer eines Rechtsverhältnisses ufw. zur Zeit nicht ausführbar ist (ebenso § 301 Abs 3 HGB). Auch der Umstand, daß der Verein zur Hinterlegung berechtigt sein würde, der geschuldete Gegenstand aber nicht hinterlegungs­ fähig ist, kann zur Sicherheitsleistung führen. Ist eine Forderung noch nicht fällig, so braucht nur derjenige Betrag hinterlegt zu werden, der mit Hinzurechnung der Hinter­ legungszinsen bis zur Fälligkeit den geschuldeten Betrag ergibt. Durch Sicherheitsleistung kann der Regel nach diese Hinterlegungspslrcht nicht abgewendet werden. Die Art der Sicher­ heitsleistung bestimmt sich nach §§ 232 ff. Sicherheitsleistung kann nur insoweit verlangt werden, als das Vereinsvermögen Mittel hierzu gewährt.

8 53 Liquidatoren, welche die ihnen nach dem § 42 Abf. 2 und den §§ 50 bis 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor der Befriedigung der Gläubiger Vermögen den Ansallbercchtigten ausantworten, find, wenn ihnen ein Ver­ schulden znr Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich'); sie haften als Gesamtschuldner. E l 56 H 48 M 1, 117 P 1, 551.

1. Die hier bezeichneten Verpflichtungen sind den Liquidatoren im Interesse der Gläubiger auferlegt. Diese haben deshalb gegen die Liquidatoren im Falle, schuldhafter Zu­ widerhandlung unmittelbar einen Anspruch aus Schadensersatz, auf den die Mitgliederver­ sammlung nicht etwa verzichten kann und dem die Liquidatoren nicht mit dem Einwand, daß sie auf Anweisung der Mitgliederversammlung gehandelt hätten, begegnen können (vgl. § 48 A 2). llber die Frage, ob vorher die Anfallberechtigten in Anspruch genommen werden müssen, s. § 51 A 1.

§ 54 Auf Vereine'), die nicht rechtsfähig find, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäfte, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, hastet2) der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. E U 676 P 1, 553 ff.; 2, 452 ff.; 6, 117, 206, 209.

1. Die Gesellschaft erscheint als Verein, wenn sie körperschaftlich gebildet ist und satzungsgemäß vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist (RG 80, 96, SeuffA 62, 129). Sie kann — abgesehen von andern Vereinsorganen — die Führung der Geschäfte einem Vor stände übertragen, der nicht notwendig ein Vereins­ mitglied zu sein braucht. Sie kann auch für die allgemeine Leitung der Vereinsangelegen ­ heiten und Wahrnehmung der Rechte der Mitglieder eine durch Mehrheitsbeschluß entscheidende Mitgliederversammlung einführen (§§ 709 bis 712, 716, 721). Die Bestimmung, daß die Vereinigung trotz Wechsels der Mitglieder fortbestehen soll, kann auch ohne ausdrückliche Festsetzung aus dem Gesamtinhalt der Satzung entnommen werden. In dieser Beziehung kann namentlich der Gebrauch des Ausdrucks „Verein" von Bedeutung sein. Der nicht rechtsfähige Verein unterscheidet sich, wennschon die Vorschriften über die Gesellschaft anwendbar bleiben, dadurch von einer Gesellschaft, daß er nach außen hin als ein e i n h e i t l i ch e s Ganze auftreten will, zu welchem Zwecke er sich regelmäßig einen besondren Namen beilegen wird (vgl. z 12 A 1 ). Die Einheit-

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lichkeit kann aber, weil die Vereinigung nicht als juristische Person anerkannt wird, nur un­ vollkommen erreicht werden. Inhaber des Gesellschaftsvermögens, Träger der Rechte und Verbindlichkeiten sind die Mitglieder dieses Vereins (vgl. RG IW 04, 6117). Die Eingehung von Rechtsgeschäften ist zwar dadurch erleichtert, daß die Mitglieder unter der Vereins­ bezeichnung zusammengefaßt werden können. Immerhin ergeben sich aus dem Mangel der Rechtsfäbigkeit für die Rechtsbctätigung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Kommt es zur K l a g e a n st e ll u n g, so müssen die Mitglieder als Kläger auftreten. Der Vorstand kann trotz der Satzungsbestimmung, daß er den Verein in allen Rechtsstreitigkeiten vertritt, nicht für Rechnung des Vereins, sondern nur namens der einzeln aufzuführenden, zur Zeit der Klagezustellung vorhandenen Mitglieder klagen (RG 57, 90, IW 03, 48). Nb er seine Bestellung als Prozeßbevollmächtigter hat er demgemäß nach § 80 ZPO sich aus­ zuweisen, wozu indes schon die Einreichung der Satzung genügen kann, ohne daß eine formelle Bollmachtsurkunde vorgelegt zu werden braucht (RG 57, 90). Jnr Grundbuch können Rechte des Vereins nicht auf dessen Namen, sondern nur auf den Namen der Mitglieder eingetragen werden, wobei nach § 48 GBO zu vermerken ist, daß ihnen das Recht nur als Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins zusteht. Dem Verein als solchen kann ferner weder eine Erbschaft noch ein Vermächtnis zugewendet werden. Möglich ist nur, daß die Zuwendung — in welcher Weise die Verfügung regelmäßig auszulegen ist — den Vereinsmit. liebern mit der Auflage gemacht wird, das Zugewendete dem Verein zu übertragen (abw. Planck A 3 f, der das Zugewendete schon durch E werb der Mitglieder Vereinsvermögen werden läßt). Die für juristische Personen geltenden Erwerbsbeschränkungen (Vordem 2 vor § 21) greifen hier nicht Platz. Eine beschränkte Rechtsfähigkeit ist dagegen dem nicht rechtsfähigen Verein insofern beigelegt, als er als solcher gemäß § 50 Abs 2 ZPO verklagt werden kann (Parteifähigkeit), als demgemäß nach § 735 ZPO Zwangsvollstreckung gegen ihn stattfinoet und nach § 213 KO das Konkurs­ verfahren über ihn eröffnet werden kann. Der Verein wird in diesen Beziehungen gerade so behandelt wie ein rechtsfähiger Verein, woraus folgt, daß der Vorstand die ihm sonst nicht gebührende Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat. Als rechtsfähig gilt der Verein auch indem Verfahren über die gegenüber der Klage von ihm geltend gemachten Rechtsbehelfe (Widerklage, Widerspruchsklage, Kostenerstattungsanspruch usw.) und diese Rechtsfähigkeit muß auch demjenigen zustatten kommen, der Forderungen des Vereins auf Grund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Drittschuldner geltend macht (RG 54, 300). Als Gesellschaften mit bloß formeller Rechtsfähigkeit, nicht als juristische Per­ sonen stellen sich dar die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft (§§ 124, 161 Abs 2 HGB), sowie nach § 22 der Preußischen Jagdordnung v. 15. 7. 07 die Jagdgesell­ schaft von nicht beschränkter Mitgliederzahl hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus Pachtung der Jagd. Nicht ausgeschlossen ist, daß ein einem größeren Verein angehörender Zweig­ verein zugleich einen selbständigen Verein bildet, sodaß die Organe des Vereins danach eine Doppelstellung einnehmen (RG IW 10, 1823). über Ungültigkeit des Errichtungs­ vertrags vgl. 8 25 A 2. 2. Was die Haftung Dritten gegenüber betrifft, so haben nach den. Vorschriften über die Gesellschaft für die durch Rechtsgeschäft des Vorstandes begründeten Ver­ bindlichkeiten die V e r e i n s m i t g l i e d e r persönlich als Gesamtschuldner zu hasten (§$ 714, 427). Diese Haftung (die bei einem Vereine mit wechselndem Mitglieder­ bestände den Verhältnissen wenig entspricht) kann aber durch die Satzung auf die Anteile der Mitglieder am Vereinsvermögen beschränkt werden und diese Beschränkung hat Wirkung gegen Dritte, die bei Abschluß des Geschäfts davon Kenntnis hatten (RG 63, 65). Es darf sogar bei einem solchen Vereine — worüber allerdings in der Rechtslehre sehr verschiedene Auffassungen herrschen — ohne weiteres angenommen werden, daß die Mit­ glieder nur zu den satzungsmäßigen Beiträgen, nicht zu einer weitergehenden persönlichen Haftung sich verpflichten wollen, unv es darf ebenso davon ausgegangen werden, daß der Dritte, der, wie ihm bekannt, mit einem Vereine abschließt, mit diesem Willen der Vereinsmitglieder rechnet und deshalb auch ohne genauere Kenntnis die Haftungsbeschränkung gegen sich gelten lassen muß (RG IW 07, 13616 und hinsichtlich eines Ausstellungsvereins 1Ö, 2271). Wegen dieser beschränkten Haftung der Mitglieder ist in § 54 Abs 2 die besondere Vorschrift getroffen, daß, wer im Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins Rechtsgeschäfte vornimmt, mag er nun zur Vertretung berechtigt sein oder nicht und mag der andere Teil den Mangel der Rechtsfähigkeit gekannt haben ooer nicht (RG Gruch 46, 848 ff.), damit die persönliche Haftung übernimmt. Auf Vereinsmitglieder, die mit dem Abschluß sich nur einverstanden erklärt, nicht aber den Vertreter ermächtigt haben, auf ihren persönlichen Kredit das Rechts­ geschäft einzugehen, ist diese Haftung nicht zu erstrecken. Für nicht rechtsfähige Vereine gilt somit in dieser Beziehung ein anderer Grundsatz als für Aktiengesellschaften und Gesell­ schaften m. b. H., in deren Namen vor der Eintragung gehandelt ist (vgl. RG 55, 302; 72, 401; IW 09, 23180)

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2. Eingetragene Vereine §55

Die Eintragung eines Vereins der tat § 21 bezeichneten Art in das Bereinsregister hat bei dem Amtsgerichte zu geschehen, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat^). E II 49 P 1, 498 ff., 504.

1. Die Eintragungspflicht kommt bei den nicht wirtschaftlichen Vereinen (vgl. § 21 A 2) in verschiedener Bedeutung vor. Einzutragen sind 1. der Verein (§§ 21, 64 — die Rechtsfähigkeit wird nur durch Eintragung erlangt), 2. eine jede Änderung der S a tz u n g, §71 — die Wirksamkeit der Änderung ist durch die Eintragung bedinct —. 3. die V o r st a n d sMitglieder und Liquidatoren, sowie die das Vertretungsrecht beschränkenden Beschlüsse (§§ 64, 67 bis 70, 76; vgl. auch §§ 74, 75). Die Nichteintragung der Änderung hat zur Folge, daß sie dem gutgläubigen Dritten nicht entgegengesetzt werden kann. Die Namen der M i t g l i e d e r brauchen nach § 72 nicht eingetragen oder angemeldet zu werden. 2. Wegen des Sitzes des Vereins s. § 57 Abs 1. Außer über die Z u st ä n d i g k e i t des Amtsgerichts enthält dieser Ab'fchnitt Vorschriften über das Verfahren, die Fest­ setzung von Ordnungsstrafen, das Recht der Beschwerde und über die Öffentlichkeit des Vereins­ registers (§§ 59, 60, 66, 77 bis 79). Ergänzt werden diese Vorschriften durch die nach § 159 FGG anwendbaren Bestimmungen der §§ 127 bis 130, 142, 143 und (hinsichtlich des Ordnungs­ strafverfahrens) der §§ 132 bis 139 dieses Gesetzes. Die nähere Einrichtung des Vereins­ registers ist Landessache. Es gelten hierfür die auf Vereinbarung der Bundesstaaten beruhenden, vom Bundesrat genehmigten und vom Reichskanzler am 12. 11. 98 veröffent­ lichten Bestimmungen, die nebst ergänzenden Vorschriften von den einzelnen Bundesstaaten eingeführt sind.

§ 56 Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder min­ destens siebens beträgt. E H 50 P 1, 554 ff.

1. Durch diese Bestimmung über die Mindestzahl der Mitglieder soll dem vor­ gebeugt werden, daß Vereine, die ihrer Mitglieder zahl nach nur eine geringe Bedeutung haben, in das Bereinsregister eingetragen werden und Rechtsfähigkeit erlangen. Bei Zählung der Mitglieder sind natürlich nur diejenigen einzurechnen, die rechtswirksam die Mitgliedschaft erlangt haben. Zur Ermöglichung der Kontrolle ist in § 59 bestimmt, daß die Satzung von mindestens 7 Mitgliedern unterschrieben werden soll. Die Nichtbeachtung der Sollvorschrift des § 56 hat zwar nicht die Ungültigkeit der Eintragung zur Folge, wohl aber hat das Registergericht, wenn es durch falsche Angaben des Vorstandes über die Mitgliederzahl zur Eintragung bestimmt war, von Amts wegen die Eintragung, soweit nicht inzwischen Die erforderliche Mitgliederzahl erreicht ist, wieder zu löschen. Über den Fall der Verminderung der Mitgliederzahl s. § 73.

§ 67

Die Satzung mutz den Zwecks, den Namenx) und den Sitz*) des Vereins enthalten und ergeben, datz der Verein eingetragen werden foU3). Der Name soll sich von den Namen der an demselben Orte oder in der­ selben Gemeinde bestehenden eingetragenen Vereine deutlich unterscheidenx). E H 51 P 1, 555 ff.; 6, 117.

1. Zur unterscheidenden Bezeichnung des Vereins ist nicht bloß die Angabe seines Namens, sondern auch seines Sitzes nötig, da nach Abs 2 Vereine, die ihren Sitz nicht in der­ selben, aus einem oder mehreren Orten bestehenden Gemeinde haben, — unbeschadet der Vorschrift des § 26 UnlWG vom 7. 6. 09 — den gleichen Namen führen können. Name und Sitz muß deshalb aus der einzureichenoen Satzung zu ersehen sein und in das Ber­ einsregister mit eingetragen werden (§ 64). Wegen der Wahl des Namens sind in § 57 keine besonderen Vorschriften gegeben. Allgemeinen Grundsätzen entspricht es, daß der Register­ richter anstößige oder auf Täuschung berechnete Namen n.cht zulassen darf. Dem Namen ist nach § 65 der Zusatz „eingetragener Verein" beizufügen. Wegen dieses Zusatzes unter­ scheidet sich der Verein bereits genügend von einem nicht eingetragenen Verein. ES genügt deshalb ein Name, der die Gefahr der Verwechselung mit andern ein-

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getr agenen Vereinen desselben Ortes ausschließt. Die Unterscheidung muß eine deutliche sein. Namensunterschiede, die dem Leser oder Hörer leicht entgehen können, genügen nicht. Wegen des Namensschutzes f. $ 12 21 1. 2. Die Angabe des Zweckes ist nötig zur Beurteilung der Eintragungsfähigkeit des Vereins (§§ 21, 22, 61). Der Vereinszweck ist ferner für die Eigenart des Vereins von solcher Bedeutung, daß seine Änderung regelmäßig die Zustimmung aller Mitglieder erfordert (vgl. § 33 A 1). Die Eintragung des Zweckes in das Bereinsregister ist nicht vorgeschrieben. 8, Vgl. § 59 21 1.

§ 58

Die Satzung soll Bestimmungen enthaltens: 1. über den Eintritt «nd Austritt der Mitglieder; 2. darüber, ob und welche Beitrüge von den Mitgliedern zu leisten sind; 8. über die Bildung des Borstandes; 4. über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die Form der Berufmy «nd über die Beurkundung der Beschlüsse. E II 52 P 1, 556 ff.

1. Die Satzung soll über die Verfassung deS Vereins, was Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft, Bildung des Vorstandes, Berufung der Mitgliederversammlung und Beur­ kundung der von ihr gefaßten Beschlüße betrifft, sich aussprechen. Sie soll ferner bestimmen, inwieweit die Mitglieder zu Beiträgen herangezogen werden können, worunter nicht bloß Geldleistungen, sondern auch sonstige Leistungen für den Bereinszweck und etwaige Ver­ tragsstrafen zu verstehen sind. Eine Beitragspflicht kann auch ohne ausdrückliche Satzungs­ bestimmung aus dem Zwecke des Vereins sich ergeben. Die Nichtbeachtung des $ 58 ver­ pflichtet den Richter zur Ablehnung der Eintragung, zieht aber die Ungültigkeit der einmal geschehenen Eintragung nicht nach sich. Enthält die Satzung keine Bestimmungen, so greifen Oie allgemeinen Grundsätze der §§ 26, 27, 32, 36 und 37 Platz. Die Befugnis zur Auf­ nahme oder Ausschließung von Mitgliedern wird im Zweifel, da es sich um eine grundlegende Änderung handelt, der Mitgliederversammlung, nicht dem Vorstände zugestanden werden müssen (a. A. Staudinger A II1). Werden über die in § 58 bezeich­ neten Gegenstände erst nachträglich Bestimmungen getroffen, so muß der von der Mitglieder­ versammlung zu fassende Beschluß den Erfordernissen eines Satzungsbeschlusses entsprechen.

§ 59 Der Borstand hat den Berein zur Eintragung anzumelden *). Der Anmeldung find -eizufügen: 1. die Satzung in Urschrift «nd Abschrift?); 2. eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung des Borstandes?). Die Satzung soll von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet sein und die Angabe des Tages der Errichtung enthalten«). E II 53 P 1, 557 ff.; 6, 382.

1. Die Eintragung kann nur auf Anmeldung deS Vorstandes erfolgen. Er ist zu dieser Handlung schon vor Entstehung des rechtsfähigen Vereins befugt (vgl. $ 21 211) und würde sich bei Unterlassung des Antrags gegenüberden Mitgliedern der bereits bestehenden Vereinigung verantwortlich machen (a. A. Oertmann A 1 b). Zur Eintragung ist weiter erforderlich, daß der Antrag in Übereinstimmung mit der Satzung steht. Aus der Satzung muß nach § 57 hervor gehen, daß der Verein eingetragen werden soll. Fehlt es an diesen Er­ fordernissen, so ist die Eintragung ungültig (a. 21. Planck A 1, der die Eintragung für gültig hält, wenn der Wille der Mitglieder auf Eintragung gerichtet war, vgl. über Ungültigkeit der Eintragung auch § 21 21 3). Ohne Einfluß auf die Gültigkeit ist es dagegen, ob die in $ 77 bestimmte Form der Anmeldung gewahrt ist. Die dem Vorstand obliegende Anmeldung ist von sämtlichen Vorstandsmitgliedern zu bewirken, wobei eine Vertretung durch Bevollmächtigte nicht ausgeschlossen ist. Durch die Satzung kann nicht bestimmt werden, daß Anmeldungen zum Bereinsregister nur der Unterschrift eines Teiles der Mitglieder bedürfen sollen (RIA 9, 47). Die Anmeldenden sind dem Berein und dritten Personen gegenüber für die Richtigkeit der Anmeldung verantworllich. 2. Die Satzung muß, um als Unterlage der Eintragung zu dienen, schriftlich abgefaßt werden. Die Einreichung zweier Exemplare, der Urschrift und einer Abschrift, ist

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zu dem in § 66 Abs 2 bezeichneten Zwecke vorgeschrieben. Über die Schriftform s. im übrigen § 25 A 2. Einzureichen sind, falls Bestimmungen über die Verfassung in beson­ dere Urkunden ausgenommen sind, auch diese Urkunden. Die Eintragung der Satzungs­ bestimmungen findet nur in dem durch $ 64 Satz 2 bestimmten Umfange statt. 3. In eine Prüfung, ob der Vorstand gehörig bestellt ist, braucht regelmäßig der Registerrichter nur insofern einzutreten, als er etwaige Mängel, tue aus der einzureichenden Abschrift der Bestellungsurkunde sich ergeben, zu berücksichtigen hat. Entsteht Streit über die Gültigkeit der Bestellung, so ist hierüber im Prozeßwege zu entscheiden. Die Klage ist nicht gegen das einzelne Vorstandsmitglied, sondern gegen den gesamten Vorstand zu richten. 4. Zu dem dem Registerrichter zu führenden Nachweise der Errichtung deS Vereins genügt es, daß die Sitzung von mindestens 7 Mitgliedern (der in § 56 bestimmten Mindestzahl der Mitglieder) unterzeichnet und der Tag der Errichtung angegeben ist. Darüber, ob es zu einer vorschriftsmäßigen Errichtung gekommen ist, hat bei Vorhandensein von Zweifeln der Registerrichter Ermittelungen anzustellen, § 12 FGG. Sobald einmal die Eintragung stattgefunden hat, kann hierüber nur im Prozeßwege, auf Klage des Be­ teiligten gegen den Vorstand, entschieden werden. Die Entscheidung hat an sich zwar nur Bedeutung für die Parteien. Doch kann der Registerrichter hieraus Anlaß nehmen, die Ein­ tragung von Amts wegen zu löschen (§§ 159, 142, 143; vgl. auch § 127 FGG).

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Die Anmeldung ist, wenn den Erfordernissen der §§ 56 bis 59 nicht ge­ nügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe zurüüzuweisen*). Gegen einen zurückweisenden Beschluß findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt2). • II 53 P 1, 558 ff.; 6, 117.

1. Die Zurückweisung der Anmeldung ist auch dann geboten, wenn der Verein nicht eintragungsfähig ist, weil er die Rechtsfäbigkeit nur durch Verleihung (§21, vgl. auch § 22 A 2) oder nur durch Gesetz erlangen kann (s. betreffs der Religionsgesellschaften und geistlichen Gesellschaften Art 84 EG und § 61 A 3). Ebenso wenn der 'Errichtungsvertrag ganz ober teil­ weise ungültig ist. Dies ist der Fall, wenn der Zweck des Vereins gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§§ 134, 138) oder wenn sich in der Satzung Bestimm­ ungen finden, die nach den zwingenden Vorschriften der §§26 ff. unzulässig sind. Für die Frage, ob der Verein unerlaubt ist, kommt auch das öffentliche Bereinsrecht (vgl. §61 912) in Betracht (a. A. Hölder A 1). Durch die Eintragung wird in diesen Fällen die Ungültigkeit nicht beseitigt und die Rechtsfähigkeit — abgesehen von dem Falle unrichtiger Beurteilung, ob der Verein als ein nichtwirtschaftlicher anzusehen ist (§21 91 3) — nicht beschafft. Die Eintragung kann gemäß §§ 142, 143 FGG von Amtswegen gelöscht werden. 2. Das Recht der Beschwerde ist abweichend von dem Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aeordnet. Es gelten hier lediglich die Vorschriften der ZPO, und zwar auch dann, wenn die Zurückweisung aus einem anderen als dem in § 60 Abs 1 an­ geführten Grunde erfolgt (RG47, 386, IW 03 Beil 113M*). Weitere Beschwerde ist hiernach nur bei Vorhandensein eines neuen selbständigen Beschwerdegrundes statthaft und gegen eine in der Beschwerdeinstanz ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts gänzlich aus­ geschlossen (§ 568 ZPO). §61 Wird die Anmeldung zugelassen, so hat daS Amtsgericht sie der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen *). Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung Einspruch erheben, wenn der Verein nach dem öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten werden tarnt2) oder wenn er einen polittfchen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt2). (i II 54, 55 Abs 1 P 1, 558 4s.

1. Bei der Entscheidung über die Eintragung hat die Verwaltungsbehörde insofern m i t z u w i r k e n, als nur ihr die Entscheidung zusteht, ob der Verein, der einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt, zur Eintragung zuzulassen ist. Diese Mitwirkuna findet in der Form statt, daß die Verwaltungsbehörde, der das Gericht die von ihm zugelassene Anmeldung unter Beifügung der Satzung (§ 59) mitzuteilen hat, Einspruch erheben kann. Der Einspruch kann auch darauf gegründet werden, daß der Verein nach öffentlichem Bereinsrecht unerlaubt ist. AuS diesem Grunde hat das Gericht, auch ohne daß

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Einspruch eingelegt wird, die Eintragung von Amts wegen zu versagen (vgl. z 60 A 1). Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach Landesrecht. 2. Das öffentliche Bereinsrecht ist jetzt durch RGes. v. 19. 4. 08 einheitlich ge­ regelt. Nach § 2 dieses Ges sind unerlaubt nur solche Vereine, mögen sie politische oder nicht­ politische sein, deren Zwecke den Strafgesetzen znwiderlaufen. Im übrigen können Vereine wegen ihres politischen Charakters nicht verboten werden. Über die Ungültigkeit der Eintragung eines unerlaubten Vereins s. § 60 A 1. S. Für die Prüfung, ob der Verein emen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt, kommt es hauptsächlich auf die Bestimmung in den Satzungen an, wobei jedoch auch das bisherige tatsächliche Verhalten des Vereins mit herangezogen werden kann (bestr. —vgl. Pr. OVG 44, 368), Verfolgt der Verein demnächst abweichend von der Satzung einen der vorbezeichneten Zwecke, so kann nach § 43 Abs 3 die Rechtsfähigkeit wieder entzogen werden (vgl. § 43 A 3). Der Verein verfolgt einen politischen Zweck, wenn er eine Einwirkung auf die Tätigkeit des Staates, auf die Gesetzgebung oder die Handhabung der Verwaltung, sei es in den inneren oder äußeren Angelegenheiten des Staates erstrebt (vgl. $ 3 RBerG — a. A. namentlich Oertmann A 5 r, der eine Einwirkung auf oie politische Gesetzgebung im Gegensatz zu technischen Gesetzen erfordert). Verschieden hiervon sind Ver­ einigungen, die sich mit politischen Angelegenheiten nur zum Zwecke des Studiums oder zum Zweck der juristisch-technischen Fortbildung des Rechts (wie der deutsche Juristentag) be­ schäftigen oder allgemein die Förderung vaterländischer Gesinnung bezwecken. Eine Unterart des politischen Vereins bil en Vereine mit sozialpolitischem Zweck (s. Prot 1, 559 und 563). Eine solche Zweckbestimmung ist nicht ohne weiteres anzunehmen bei Vereinen, die es sich zur Aufgabe machen, das Ansehen oder die wirtschaftliche Macht bestimmter Gesell­ schaftsgruppen zu stärken. Maßgebend ist auch hier der auf Inanspruchnahme staatlicher Tätigkeit gerichtete Zweck (a. A. insbesondere Hölder A 2 b, der hierher Vereine rechnet, die eine Gesellschaftsgruppe auf Kosten der anderen heben wollen, ähnlich Pr. OVG. 41,397). Eine Einschränkung ähnlicher Art ist dagegen nicht gerechtfertigt bei religiösen Ver­ einen. Zu diesen sind in weitestem Umfange alle Vereine zu rechnen, welche die Förderung des inneren oder äußeren religiösen Lebens sich zur Aufgabe gemacht haben, auch Vereine zur Errichtung von Pfarrkirchen (Bay. OLG v. 1. 2. 04 im Recht 04,191). Selbst solche Vereine, deren Zweck in der Bekämpfung der Religion besteht, sind hierher zu rechnen, nicht aber Ver­ eine, die auf konfessioneller Grundlage andersartige Zwecke erstreben. Nicht betroffen werden durch § 61 die Religions- und geistlichen Gesellschaften, die nach dem öffentlichen Recht der einzelnen Bundesstaaten die Rechtsfähigkeit nur durch Gesetz oder — was durch Art 84 EG nicht ausgeschlossen ist — durch Verleihung (vgl. Bay. Religionsedikt v. 26.5.18) erlangen. Auf anderem als dem hier vorgejchriebenen Wege können sie die Rechtsfähigkeit nicht erwerben, also nicht durch Eintragung in das Bereinsregister, auch nicht durch Gründung einer Gesell­ schaft m. b. H. (OLG 9, 371).

§ 62 Erhebt die Verwaltungsbehörde Einspruchs, so hat das Amtsgericht den Einspruch dem Borstande mitznteilen. Der Einspruch kann im Wege des Berwaltungsstreitberfahrens') oder, wo ein solches nicht besteht, im Wege des Rekurses») nach Maßgabe der 88 26, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden. E tt 55 Abs 2, 3 P 1, 558 ff., 564 ff.; 6, 144.

1. Über Einlegung des Einspruchs s. § 61A1. Die Gründe des Einspruchs brauchen — entgegen der Regel des j 60 A 1 — dem Amtsgericht und damit auch dem Verein nicht mitgeteilt zu werden (anders nach Kais. B. v. 6.12.99 für Elsaß-Lothringen). 2. Der Verein hat das Recht, den Einspruch anzusechten, für welches Verfahren er als parteifähig anzusehen ist. § 62 gestattet zu diesem Zweck die Benutzung des Verwaltung-streitverfahrenS, in welchem nur die Gesetzmäßigkeit, nicht die Angemessenh e i t des Einspruchs nachzuprüfen ist. Auf die im Einspruch angeführten Gründe ist die Nachprüfung nicht beschränkt. Welches Berwaltungsgericht zuständig ist, in welcher Frist und Form die Anfechtung zu erllären ist, bestimmt das Landesrecht. Nicht ausgeschlossen ist eine landesrechtliche Anordnung, daß dem Berwaltungsstreitverfahren ein Beschwerdeverfahreu vorherzugehen bat.

3. Über den Rekur» s. §44 A2.

§ 63 Die Eintragung darf, sofern nicht die Verwaltungsbehörde dem Amts­ gerichte mitteilt, daß Einspruch nicht erhoben werde, erst erfolgen, wenn feit

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der Mitteilung der Anmeldung an die Berwattungs-ehörde sechs Wochen ver­ strichen sind*) und Einspruch nicht erhoben oder wenn der erhobene Einspruch endgültig aufgehoben ist. E II 56 Ms 1 P 1, 560, 565 ff.

1. Die Eintragung darf mit Rücksicht auf die Möglichleit des Einspruchs frühestens nach Ablauf von 6 Wochen leit Mitteilung der Anmeldung an die Verwaltungsbehörde (§ 61 Abs 1) erfolgen. Der Einspruch aber ist auch nach Ablauf dieser Frist noch zuläs'ig, solange nicht die Eintragung vorgenommen ist. Ist die Eintragung vor Ablauf der Frist erfolgt, so hat das Gericht das Versehen dadurch wieder gut zu machen, daß es, sofern nicht die Möglichkeit des Einspruchs inzwischen fortgefallen ist, die Eintragung von Amts wegen löscht (§§ 159, 142, 143 FGG). Bis zur Löschung wird dann allerdings der eingetragene Verein, da die Nichteinhaltung der Frist leine nach außen hin wirkende Ungültigkeit erzeugt, als rechtsfähig anerkannt werden müssen (bestr.).

§ 64 Bei der Eintragung*) sind der Name «nd der Sitz des Vereins, der Tag der Errichtung der Satzung sowie die Mitglieder des Vorstandes im Vereins­ register anzugeben. Bestimmungen, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken oder die Beschlußfassung des Vorstandes abweichend von der Vorschrift des § 28 Abs. 1 regeln, sind gleichfalls einzutragen. E H 56 Ms 2 P 1, 560, 565 ff.

1. Die Rechtsfähigkeit des Vereins ist dadurch bedingt, daß er in das Vereinsregister eingetragen wird, und zwar muß der Verein hierbei so bezeichnet sein, daß er von anderen unterschieden werden kann. Meist wird hierzu außer der Angabe des Namens auch die Angabe des Sitzes nötig sein. Die weiteren über den Inhalt der Eintragung in § 64 gegebenen Vorschriften haben nur die Bedeutung von Ordnungsvorschriften. Uber die Eintragung der Vorstandsmitglieder und der die Vertretung regelnden Bestimmungen s. 8 67 A 1.

§ 65

Mit der Eintragung erhält der Name des Vereins den Zufatz „ein­ getragener Verein"*). E H 58 Ms 1 P 1, 566 ff.

1. Die Rechtsfähigkeit ist an die Eintragung, nicht an die Aushändigung der mit der Bescheinigung der Eintragung versehenen Urschrift der Satzung (§ 66 Abs 2) geknüpft. Die Führung des Zusatzes „eingetragener Verein" ist nicht bloß ein Recht, sondern auch eine Pflicht des Vereins, deren mißbräuchliche Unterlassung Schadensersatzansprüche aus § 826 nack sich ziehen kann (a. A. Oertmann A 2, der nur das Vorhandensein einer öffentlichrechtlichen Pflicht anerkennt). Für den Rechtsverkehr mit Dritten ist es gleichgültig, unter welcher Bezeichnung der Verein auftritt, wenn nur der Dritte weiß, mit welchem Verein er es zu tun hat. Wegen Unkenntnis der Rechtsfähigkeit des Vereins wird eine Anfechtung des Rechtsgeschäfts nur unter ganz besonderen Umständen im FaNe arglistiger Täuschung möglich sein. Über die Umwandlung des Vereins in einen rechtsfähigen s. § 21 A 1.

§ 66

Das Amtsgericht hat die Eintragung durch das für seine Bekannt­ machungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen*). Die Urschrift der Satzung ist mit der Bescheinigung der Eintragung z« versehen «nd zurückzugeben. Die Abschrift wird von dem Amtsgerichte beglaubigt und mit den übrigen Schriftstücken aufbewahrt?). E H 57 Abs 2 P 1, 567.

1. Die Veröffentlichung ist durch Ordnungsvorschrift angeordnet, deren Nicht­ befolgung jedoch, da sie zum Schutze Dritter gegeben ist, nach § 839 schadensersatzpflichtig macht. Die Nichtveröffentlichung kann dafür, ob der Dritte als gutgläubig anzusehen ist (vgl § 68), von Bedeutung sein. 2. Die mit der Bescheinigung der Eintragung versehene Urschrift der Satzung erhält der Verein zurück, um einen Ausweis über seine Rechtsfähigkeit in Händen zu haben. Dem

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Verein ist es unbenommen, auch eine beglaubigte Abschrift der Eintragung sich erteilen zu lassen. Die von dem Amtsgericht zu beglaubigende Abschrift der Satzung bleibt als Beleg bei den Bereinsakten (§ 15 Mg. Vf. des Pr. IM. v. 6.11.99, vgl. § 55 A 2) zurück, zu denen auch die sonstigen als Beleg einzurerchenden Urkunden (§§59 Abs 2. 71 Abs 1, 76 Ab s 2) zu nehmen sind.

§ 67 Jede Änderung deS Vorstandes sowie die erneute Bestellung eines VorstandSmitgliedS ist von dem Vorstände zur Eintriwung anzumclden^). Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die Änderung oder die «mente Bestellung beizufügen«). Die Eintragung gerichtlich bestellter BorstandSmitglieder erfolgt von Amts wegen ^). e ii 59 # 1, 5es ff. 1. Die Anmeldung der Vorstandsmitglieder und zwar sowohl der ursprünglich (§ 64) als der später bestellten — nicht auch der in § 30 erwähnten besonderen Vertreter — ist borgeschrieben, weil alle diejenigen, welche mit dem Verein in Verbindung treten wollen, ein großes Interesse haben, die Namen der Vertreter zu erfahren. Auf die Eintragung dürfen sich aller­ dings Dritte, einschließlich der Mitglieder, die in rechtsgeschäftlichen Verkehr mit dem Verein treten — abgesehen von § 69 — nicht unbedingt verlassen. Nur insofern sind sie nach $ 68 ge­ schützt, als eine nicht eingetragene Änderung ihnen gegenüber, ihre Gutgläubigkeit vorausgesetzt, keine Wirkung hat. Es gilt auch nicht der Rechtssatz, daß der Dritte die stattgehabte Eintragung als bekannt gegen sich gelten lassen muß. Es kommt vielmehr hier darauf an, ob dem Dritten trotz der Eintragung und etwaigen Veröffentlichung die Eintragung ohne sein Verschulden unbekannt bleiben konnte. Der Eintragung in das Vereins­ register kommt somit die gleiche Bedeutung zu wie der Eintragung in das Handelsregister (§ 15 Abs 1 und S HGB, ebenso § 29 GenG). Ausgedehnt sind diese Vorschriften durch § 70 auf Bestimmungen, welche die Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken ober an das Zustandekommen des 'Borstandsbeschlusses bei einem aus mehreren Mtgliedern bestehenden Borstamde w ei ter geh end e als die in §$ 28, 32, 34 bestimmten An­ forderungen stellen. Zu beachten ist hierbei, daß diejenigen Beschlüsse, welche eine Änderung der Satzung enthalten, nach $ 71 erst durch Eintragung Wirksamkeit gewinnen, so daß es hier des Schutzes des gutgläubigen Dritten überhaupt nicht bedarf. Geschützt ist in allen diesen Fällen nur der rechtsgeschäftliche Verkehr (wobei Rechtshandlungen den Rechts­ geschäften gleichzustellen sind) und der Erwerb von Rechten durch Eintragung in das Grund­ buch, auch wenn die Rechte im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt sind. 2. Über das Anmeldungsverfahren s. § 59 A 1 und 4. Ist aus der Urkunde ersicht­ lich, daß die Bestellung vorschriftswidrig ist, daß z. B. die satzungsmäßige Ladungsfrist nicht eingehalten ist, so ist die Eintragung abzulehnen. Die Einreichung der die gehörige Ladung nachweisenden Urkunden kann der Registerrichter ohne besonderen Grund nicht verlangen. 3. Die gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern ist vorgesehen in $ 29. Die Eintragung ist auch in anderen Fällen, in denen der einzutragende Rechtsakt unter Mitwirkung des Gerichts stattgefunden hat, von Amts wegen herbeizuführen (vgl. §§ 74 Abs 3, 75, 76 Abs 3). Da die Verrichtungen aus $ 29 und die Verrichtungen des Registerrichters nach der Geschäftsverteilung wohl ausnahmslos in der Hand desselben Richters sich befinden werden, bedarf es im Falle des § 29 zur Herbeiführung der Ein­ tragung nicht erst einer dem Registerrichter zu machenden Anzeige.

8 68 Wird zwifchen den bisherigen Mtgliedern deS Borstandes und einem Dritten ein Rechtsgefchäst vorgenommen, fo kann die Änderung des Vorstandes dem Dritten nur entgegengefetzt werden, wenn fie zur Zeit der Vornahme deS Rechtsgeschäfts im VereinSregister eingetragen oder dem Dritten bekannt ist. Ist die Änderung eingetragen, fo braucht der Dritte fie nicht gegen sich gelten zu lassen, wem er fie nicht kennt, feine llnk«mtnis auch nicht anf Fahrlässigkeit beruht). E II SO Abs 1 P 1, 569.

1. S. § 67 A 1.

Allgemeiner Teil

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Personen

8 69 Der Nachweis, daß der Borstand aus den im Register eingetragenen Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein Zeugnis ') des Amts­ gerichts über die Eintragung geführt. « II «o «dl 9 P 1, 569.

1. Nur den Behörden wird durch das EintragungSzeugnis eine Erleichterung der Berechtigungsprüfung gewahrt und zwar auch für den Fall, daß sie mit dem Verein in einen privatrechtlichen Verkehr eintreten. Auf die Richtigkeit der Eintragung dürfen die Behörden übrigens auch dann sich verlassen, wenn das in § 69 vorgesehene Zeugnis nicht erteilt ist. Privatpersonen haben dagegen, soweit nicht die §§ 67, 68, 71 ihnen zu­ statten kommen, die Berechtigung selbständig zu prüfen und zu diesem Zwecke die gehörige Bestellung des Vorstandes sich von dem Vereine nachweisen zu lassen.

8 70 Die Vorschriften des § 68 gelten auch für Bestimmungen, die den Umfang der Bertretungsmacht des BorstandeS beschränken oder die Beschlußfassung des Vorstandes abweichend von der Borschrist des § 28 Abf. 1 regeln'). « II 60 Abs 9 P 1, 569.

1. S. 8 67 A 1.

8 71 Änderungen der Satzung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in daS BeretnSregister'). Die Änderung ist von dem Borstande zur Eintragung anzumelden 2). Der Anmeldung ist der die Änderung enthaltende Beschluß in Urschrift und Abschrift -eizufügen. Die Borschristen der §§ 60 bis 64 und des § 66 Abf. 2 finden entsprechende Anwendung. E II 61 % 1, 669 ff.

1. Eine jede Änderung der Satzung, die offensichtlich nicht bloß eine reine Fassungs­ änderung ist, mutz eingetragen werden, widrigenfalls sie in jeder Beziehung, sowohl für das Rechtsverhältnis nach innen wie nach außen, der Wirksamkeit entbehrt. Die Eintragung ge­ schieht nach Maßgabe der von dem Bundesrat genehmigten Bestimmungen über die Führung des Bereinsregisters (§12 der AVf des Pr. IM. v. 6. 11. 99, vgl. §55 A 2) in der Weise, daß, sofern nicht die Änderung die in §§64 und 76 Abs 1 bezeichneten Bestimmungen betrifft, eine kurze Bezeichnung des Gegenstandes einzutragen ist, was mit § 71 nicht im Widerspruch steht (a. A. Staudinger A 5). Der nähere Inhalt ist aus dem bei den Bereinsakten befindlichen Beschlusse zu ersehen. Einzutragen ist auch der Tag des die Satzung ändernden Beschlusses. 2. Das Änmeldungsverfahren bestimmt sich nach den für die Anmeldung der Er­ richtung des Vereins gegebenen Vorschriften (§§60 bis 64, 66 Abs 2, vgl. auch § 59). Nicht erforderlich ist, daß der Beschluß selbst von dem Vorstände unterzeichnet ist. Hatte der Verein bereits nach der bisherigen Satzung die Verfolgung politischer, sozialpolitischer oder religiöser Zwecke sich zur Aufgabe gemacht, so kann nicht jede Satzungsänderung von der Ver­ waltungsbehörde durch Einlegung des Einspruchs beanstandet werden, sondern nur eine solche, welche dem Vereine, wenn auch sein Charakter als Jdealverein unverändert bleibt, einen andersartigen Zweck gibt (bestr. — vgl. §43 A3). Die Veröffentlichung der Satzungsänderung (vgl. § 66 Abs 1) ist nicht vorgeschrieben.

8 72 Der Borstand hat dem Amtsgericht aus dessen Verlangen jederzeit eine von ihm vollzogene Bescheinigung über die Zahl der Bereinsmitglieder einzureichen*). 1. Durch § 22 des RBerG v. 19. 4.08, dessen § 3 die politischen Vereine zur Ein­ reichung eines Mitgliederverzeichnisses nicht mehr verpflichtet, ist die ursprüngliche Fassung des § 72, wonach die Einreichung eines Verzeichnisses der Bereinsmitglieder gefordert werden könnte, dahin geändert worden, daß nur die EinreichuiH einer Bescheinigung über die Zahl der Mitglieder (vgl. § 73) verlangt werden kann (RGBl 08, 156).

Juristische Personen

§5 69—75

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8 78 Sinkt die Zahl der Bereinsmitglieder ««ter drei herabT), so hat das Amts­ gericht auf Antrag deS Borstandes und, wenn der Antrag nicht binnen drei Monaten gestellt wird, von Amts wegen nach Anhörung des Borstandes dem Vereine die Rechtsfähigkeit zu entziehen. Der Beschluß ist dem Bereine zuzu­ stellen. Gegen den Beschluß findet die sofortige Beschwerde nach den Bor­ schriften der Zivilprozeßordnnng statt. DerBerein verliert die Rechtsfähigkeit mit der Rechtskraft des Befchlusses. E H 63 P 1, 570, 571.

1. Eine jede Verminderung der in $ 56 zur Bereinserrichtung vorgeschriebenen Min­ destzahl von 7 Mitgliedern hat denBerlust der Rechtsfäbigkeit noch nicht zur Folge, da sonst ein von 7 Mitgliedern errichteter Verein jeden Augenblick Gefahr laufen würde, die Rechts­ fähigkeit wieder einzubüßen. Mit der Entziehung der Rechtsfähigkeit kann erst vorgegangen werden, wenn weniger als 8 Mitglieder vorhanden sind. Auch bat das Amtsgericht, falls nicht die Auflösung von dem Vorstände beantragt wird, eine Frist von 3 M o n a t e n abzu­ warten, um dem Bereine Zeit zu lassen, die Zahl wieder auf mindestens 3 Mitglieder zu er­ höhen, und hat erst dann nach Anhörung des Vorstandes die Entziehung der Rechtsfähigkeit auszusprechen, falls auch in diesem Zeitpunkt die Mindestzahl nicht erreicht ist. Ist der dem Borstande — der nötigenfalls unter entsprechender Anwendung von § 29 von Amts wegen au bestellen ist — zuzustellende Beschluß rechtskräftig geworden, so schließt sich nach § 47 oas Liquidationsverfahren an. Für das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gelten auch hier wie in den Fällen des j 60 Abs 2 die Vorschriften der ZPO.

8 74 Die Auflösung*) des Vereins sowie die Entziehung der Rechtsfähigkeit«) ist in daS Bereinsregister einzutragen. Im Falle der Eröffnung des Konkurses unterbleibt die Eintragung. Wird der Verein durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder durch den Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der Borstand die Auflösung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist im ersteren Falle eine Abschrift des Auflösungsbeschlusses beizufügen *). Wird dem Verein aus Grund deS 8 48 die Rechtsfähigkeit entzogen oder wird der Verein auf Grund des öffentlichen Bereinsrechts aufgelöst, so erfolgt die Eintragung aus Anzeige der zuständigen Behörde^). « II 64 P 1, 576 ff.

1. Wird die Auflösung des Vereins von der Mitgliederversammlung beschlossen, so ist dieser Beschluß, und zwar auch in dem Falle, daß ein Liquidationsverfahren nicht eintritt ($ 46), in das Vereinsregister emzutragen. Dem Vorstande liegt es ob, die Eintragung unter Beifügung einer Abschrift des Beschlusses zu beantragen. Der Vorstand hat auch, wenn der Verein durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeitdauer oder aus anderen Gründen (s. $ 41912) aufgelöst ist, die Eintragung zu beantragen. Nötigenfalls ist zu diesem Zwecke, da die Gntragung von Amts wegen nicht zulässig ist (a. A. Hölder A 2; Oertmann A 2 a), ein Vor­ stand nach $ 29 vom Gericht zu bestellen (vgl. § 73 A 1). Die Vorschrift des § 50 über die Pflicht der Liquidatoren zur öffentlichen Bekanntmachung der Auflösung bleibt unberührt. 2. Der Auflösung des Vereins ist, was die Eintragungspflicht betrifft, die Entziehung der Rechtsfähigkeit ($ 43) gleichgestellt. Die Eintragung ist von der Behörde, welche die Ent­ ziehung ausgesprochen hat, durch Anzeige bei dem Registerrichter herbeizuführen. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn der Verein nach öffentlichem Bereinsrecht (vgl. § 61 A2) polizeilich aufgelöst ist. Im Falle der Konkurseröffnung wird diese Tat­ sache bereits gemäß $ 75 und zwar, da es sich um ein amtliches Verfahren handelt, von Amts wegen eingetragen, so daß es der Eintragung der Rechtsfolge des Verlustes der Rechtsfähig­ keit (vgl. $ 42 91 1) nicht bedarf.

8 75 Die Eröffnung des Konkurses ist von Amts wegen einzutragen. Gleiche gllt von der Aufhebung des Erösfnungsbeschlusses *). t 11 65 $ 1, 576 ff.; 6, 118.

1. Vgl. $ 74 91 2

Das

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Personen

8 76

Die Liquidatoren sind in das Bereinsregister einzutragen. Das Weiche gilt von Bestimmungen, welche die Beschlußfassung der Liquidawren abweichend von der Vorschrift des § 48 Ms. S regel«. Die Anmeldung *) hat durch den Borstand, bei Mieren Änderungen durch die Liquidawren zu erfolgen. Der Anmeldung der durch Beschluß der Mit­ gliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Mschrift des Beschlusses, der Anmeldung einer Bestimmung über die Beschlußfassung der Liquidatoren eine Abschrift der die Bestimmung enthaltenden Urkunde beizufügen. Die Eintragung gerichtlich bestellter Liquidatoren geschieht von Amts wegen'). E H ee P 1, 676 ff.

1. Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstandes (§ 48 Abs 2). Hinsichtlich der Eintragungspflicht gilt deshalb das Gleiche, was für die Vorstandsmitglieder be­ stimmt ist (s. § 67 A 1). Die Bertretungsmacht der Liquidatoren ist — abweichend von der des Vorstandes (s. § 48 91 2) — nicht beschränkbar. Wird die Vorschrift des § 48 Abs 3, daß mehr^re Liquidatoren gemeinschaftlich handeln müssen, durch Satzungsbestimmung geändert, wodurch die Vertretungsmacht erweitert wird, so soll dies eingetragen werden, auch wenn es sich nicht um eine nach § 71 unbedingt einzutragende Änderung der Satzung handelt. 2. Über das Anmeldungsverfahren vgl. § 59 91 1 und 4. Die Anmeldung der ersten Liquidatoren und des vor Beginn des Liquidationsverfahren über Änderung des § 48 Abs 3 gefaßten Beschlusses gehört noch zu den Aufgaben des Vorstandes. 3. Vgl. § 67 91 3.

§ 77

Die Anmeldungen znm Bereinsregister sind von den Mitgliedern des Borstandes sowie von den Liquidawren mittelst öffentlich beglaubigter Er­ klärung zu bewirken.*) E H 67 P 1, 676 ff.; 5, 163, 164.

1. § 77 entspricht der Bestimmung des § 12 HGB. Ms öffentlich beglaubigte ErMrung (vgl. $ 129) ist nach §§ 159, 128 FGG auch die Erklärung anzusehen, die zu Protokoll des Gerichtsschreibers des Registergerichts erfolgt. Wird die Erllärung von einem Bevoll­ mächtigten abgegeben, so hat dieser durch Vorlegung einer öffentlich beglaubigten Voll­ macht sich auszuweisen. Der die Beglaubigung bewirkende Notar gilt nach §§ 159, 129 FGG als ermächtigt, die in der Erllärung bezeichnete Eintragung zu beantragen.

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78

Das Amtsgericht kann die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung der «orschristen des § 67 Abs. 1, des § 71 Abs. 1, des § 72, des § 74 Abs. 2 und des § 76 durch Ordnungsstrafen*) anhalten. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen. In gleicher Weise können die Liquidawren zur Besorgung der Vorschriften des § 76 angehalten werden. 6 II 68 $ 1, 577 ff.

1. Die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder und Liquidatoren, die erforderlichen Eintragungen zu beantragen, sowie die Verpflichtung der ersteren zur Ausstellung der in § 72 bezeichneten Bescheinigung wird durch Ordnungsstrafen im Höchstbetrage von 300 Mk. für den einzelnen Fall erzwungen. Das Verfahren bestimmt sich gemäß § 159 FGG nach den §§ 132 bis 139, 127 daselbst. Wird der unter Androhung von Ordnungsstrafe gemachten Auflage nicht fristzeitig entsprochen, auch nicht innerhalb dieser Frist Einspruch erhoben, so wird die angedrohte Strafe festgesetzt und die Aufforderung unter Androhung neuer Ordnungs­ strafe wiederholt. Das Ordnungsstrafverfahren richtet sich nicht gegen den Vorstand als solchen, sondern gegen die einzelnenMitglieder, die persönlich verantwortlich find.

Juristische Personen

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$$ 76—80

§ 79

Die Einsicht des Bereinsregisters sowie der von dem Vereine -ei dem Amtsgericht eingereichten Schriftstücke ist jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist ans Verlangen z« beglaubigen^). E II es P 1, 578; 6, 118, 182.

1. Die Einsicht deS Bereinsregisters ist wie die des Handelsregisters ($ 9 HGB) un­ beschränkt gestattet, ebenso die Einsicht der als Beleg zu den Bereinsakten eingereichten Ur­ kunden. Das Recht der Ansicht kann auch durch einen Bevollmächtigten oder unter Zuziehung eines Beistandes ausgeübt und zur Anfertigung von Notizen benutzt werden. Anerkannt ist auch das Recht, eine einfache oder beglaubigte Abschrift der Eintragungen und ein Zeugnis über Nichtvorhandensein einer bestimmten Eintragung ($ 162 FGG) zu fordern. Eine Abschrift der Urkunden kann dagegen nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. z 9 Abs 2 HGB) nur verlangt werden, wenn ein berechtigtes Interesse dargetan wird.

II. Stiftungen 8 80 Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung*) ist außer dem Stiftungs­ geschäftes die Genehmigung') deS Bundesstaats erforderlich, in dessen Ge­ biete die Stiftung ihren Sitz haben soll«). Soll die Stiftung Ihre« Sitz nicht in edlem Bundesstaate haben, so ist die Genehmig««- deS Bundesrats erforder­ lich. Ms Sitz der Stiftung gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwalt««- geführt wird. E I 58 Satz 1, 59, 62 Abs 1 II 70 M 1, 118 ff. P 1, 585 ff.

1 Die rechtsfähige Stiftung (vgl. über den Begriff Vordem 1 vor § 21) besitzt die Fähigkeit, selbständig Träger von Rechten und Verbindlichkeiten zu sein und unterscheidet sich hierdurch von der fiduziarischen Stiftung, bei welcher das Vermögen einer juristischen Person (Stadtgemeinde, Kirche usw.) mit der Auflage zugewandt ist, es zu dem stiftungsmäßigen Zwecke zu verwenden. Es kann hierbei, ohne daß die Stiftung den Charakter einer fiduziarischen verliert, auch bestimmt sein, daß dieses Vermögen von dem sonstigen Vermögen der juristischen Person getrennt zu halten und besonders zu verwalten ist. Die juristische Person ist schuldrecht­ lich verbunden, die Auflage zu erfüllen (vgl. $ 2194). Das Rechtsverhältnis kann aber auch so gestaltet sein, daß in dieser Beziehung nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, die dem Zuwender als genügende Sicherheit erscheinen kann. — Zu unterscheiden ist ferner von der Stiftung das aus Beiträgen einer Mehrheit von Personen gebildete SammelvermSgen, das zur Erfüllung einer vorübergehenden Aufgabe, wie zur Errichtung eines Denkmals, zur Ver­ wendung für Unterstützungen in einem bestimmten Unglücksfalle, einem Ausschuß oder einem einzelnen Treuhänder anvertraut wird. Die zusammengebrachten Mittel gehören der. aus den Beitragsleistern bestehenden Bereinigung, ohne daß diese jedoch hierüber verfügen kann (bestr., vgl. namentlich Oertmann Borbem b vor § 80, RS 62, 391). Die Ver­ waltung liegt in den Händen des Ausschusses (Treuhänders), von dem regelmäßig die Auf­ forderung zu Beiträgen ausgehen wird. Die Sammlung kann aber auch schon vor Vor­ handensein eines Ausschusses in dem Sinne veranstaltet werden, daß ein später sich bildender Ausschuß (Zentralausschuß) die Verwaltung übernimmt oder den Beitragsleistern die Befugnis zur Wahl des Ausschusses Vorbehalten bleibt. Soweit es zur Erreichung des bestimmungsmäßigen Zweckes erforderlich, ist der Ausschuß befugt, Schuldverbindlichkeiten einzugehen, durch die das Sammelvermögen als solches belastet wird. Sind die zur Ver­ waltung und Verwendung berufenen Personen weggefällen, so kann für diese Zwecke nach § 1914 ein Pfleger bestellt werden. 2. Über das StiftungSgeschäft s. § 81 A 1. 8. Zur Entstehung der Stiftung kann die staatliche Genehmigung nicht entbehrt werden, da der Wille des Stifters (abgesehen von $ 87) unabänderlich die für die Verwaltung maßgebende Norm bildet, das Vermögen somit für alle Zukunft festgelegt wird. Infolge der Notwendigkeit der Genehmigung hat der Staat es in der Hand, nur solche Stiftungen zuzu­ lassen, deren Zwecke mit dem Allgemeininteresse in Einklang sind und die hinreichend mit Vermögen ausgestattet sind. Ausnahmsweise hat bei Familienstiftungen (die BSV, Kommentar von ReichSgerichtsräten. I. Band.

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Personen

ausschließlich dem Interesse der Familienmitglieder dienen, vgl. RG Gruch 49, 1143) nach Art 1 Pr. AG das die Genehmigung erteilende Gericht nur formell zu prüfen, ob die Stiftungsurkunde deutlich und bestimmt gefaßt ist und ausreichende Bestimmungen über die Bestellung eines Vorstandes enthält. Die Erteilung der staatlichen Genehmigung setzt voraus, nicht nur daß ein Stiftungsgeschäft vorhanden ist, sondern auch daß ein Antrag auf Genehmigung von dem Stifter oder mit dessen Willen gestellt ist. Ohne einen solchen Antrag — dessen Mangel derjenige zu beweisen hat, der ihn behauptet — iß die erteilte Genehmigung unwirksam. Mit der Berw eigerung der staatlichen Genehmigung wird das Stiftungsgeschäft hinfällig. Dies schließt aber bei einer Stiftung unter Lebenden nicht aus, daß der Stifter die formell gültige Stiftungserllärung dazu benutzen kann, um später von neuem die Genehmigung nachzusuchen. Wird die Genehmigung er­ teilt, so wird hierdurch und zwar in dem Augenblicke, wo die Genehmigung dem Antragsteller mitgeteilt wird, die Stiftung begründet (vgl. § 81 Abs 2). Ausnahmsweise ist in z 84 aus praktischen Gründen eine Rückziehung in gewissem Umfange vorgeschrieben. Die Genehmigung hat nicht die Bedeutung, daß etwaige dem Stiftungsgeschäft anhaftende Mängel hierdurch geheilt werden. 4. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung ist der Bundesstaat, in dessen Gebiet nach Inhalt der Stiftungsurkunde die Stiftung ihren Sitz haben oder, wodurch der Sitz eben­ falls bestimmt wird, die Verwaltung der Stiftung geführt werden soll. Die in dem Bundes­ staat zuständige Stelle bestimmt sich nach Landesrecht. Die Genehmigung ist — abgesehen von den in A 3 erwähnten Familienstiftungen — regelmäßig von dem Landesherrn oder dem Minister zu erteilen.

8 81 DaS Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf der schriftlichen Form. Bis zur Erteilung der Genehmigung ist der Sttfter zum Widerrufes be­

rechtigt. Ist die Genehmigung bei der zuständigen Behörde nachgesucht, so kann der Widerruf nur dieser gegenüber erklärt werden-). Der Erbe des Stifters ist zum Widerrufe nicht berechtigt, wenn der Stifter das Gesuch bei der zu­ ständigen Behörde eingereicht oder im Falle der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Stistungsgeschäfts das Gericht oder den Notar bei oder nach der Beurkundung mit der Einreichung betraut hat"). « I 58 Satz 1 und 2, 62 Abs 2 tt 71 Absl und 2 M 1, 118 ff. P 1, 591 ff.; 4, 258; 5, 443 ff.; 6,118.

1. Das StiftungSgeschäft ist die auf Begründung der Stiftung gerichtete Willenserllärung des Stifters. Sie muß deutlich erkennen lassen, daß eine rechtsfähige Stiftung ge­ schaffen werden soll, muß in genügender Weise den Zweck der Stiftung bezeichnen und über die Person des Vorstandes wenigstens insofern Bestimmung treffen, als der Weg für Bestellung des Vorstandes anzugeben ist ($ 86 m Verb, mit § 26; a. A. Rehbein A 3 L.zu §§ 80 ff ). Mit dem Stiftungsgeschäft pflegt die Bermögenswidmung verbunden zu werden. Notwendig ist dies aber nicht, wenigstens nicht bei Errichtung einer Stiftung unter Lebenden (a. A. namentlich Planck A 3). Die Stiftung kann, wennschon sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe auf den Besitz von Mitteln angewiesen ist, auch ohne diese als ein vermögensfähiges Rechtssubjekt zur Entstehung kommen, das die erforderlichen Mittel erst durch Zuwendungen dritter Personen erhallen soll. Erst wenn jede Aussicht hierauf weggefallen ist, erlischt die Stiftung. Dagegen wird für die durch Verfügung von Todes wegen errichtete Stiftung daran sestzuhalten sein, daß ihr gleichzeitig Vermögen zu­ gewandt werden muß. Tas Stiftungsgeschäft bildet die notwendige Unterlage für die staat­ liche Genehmigung und bedarf deshalb — wenn es nicht in einer letztwilligen Verfügung enthalten ist, in welchem Falle die hierfür vorgeschriebene Form zu wahren ist — der schriftlichen Form. Die Rechtsregeln der Schenkung können, was das Rechts­ verhältnis zwischen Zuwender und Stiftung betrifft, auf das Stiftungsgeschäft, das ein Rechtsgeschäft besonderer Art ist, keine Anwendung finden, insbesondere nicht die Vor­ schriften der §§ 519 bis 524 über die mildere Haftung des Schenkers (a. A. Planck z 82 A 3, vgl. auch RG 54, 400). Es greifen. vielmehr die allgemeinen Gmndsätze über Schuldverbindlichkeiten Platz. Die Ungültigkeit der Bermögenszuwendung hat bei einer Stiftung unter Lebenden nicht ohne weiteres die Ungültigkeit des Stiftungsgeschäfts zur Folge. Die Frage, ob jemand durch Vertrag einem Dritten gegenüber zur Er­ richtung einer Stiftung sich verpflichten kann, wird zu verneinen sein. Zulässig ist es dagegen, an die Zuwendung von Vermögen die Auflage zu knüpfen, daß es demnächst zur Begründung einer Stiftung verwendet werden muß.

Juristische Personen

§§ 80—83

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2. Das WiderrusSrecht verbleibt dem Stifter bei Stiftungen unter Lebenden auch nach Einreichung des Gesuchs um Genehmigung. Zur Wirksamkeit des Wider­ rufs ist in diesem Falle erforderlich, daß er vor Mitteilung der Genehmigung an den Antrag­ steller (vgl. $ 80 A 3) zur Kenntnis der Behörde gebracht wird und zwar, soweit landes­ rechtlich nicht andere Zuständigkeitsvorschriften gegeben sind, zur Kenntnis derjenigen Be­ hörde, welche über die Genehmigung zu entscheiden hat, oder, wenn die Entscheidung in der Hand des Landesherren liegt, zur Kenntnis der mit der Bearbeitung der Angelegenheit befaßten Behörde. 3. Dem Erben des Stifters steht nach Einreichung des Gesuchs das Widerrufsrecht nicht zu. Der Einreichung steht es gleich, wenn der Stifter das Gericht oder den Notar, die das Stiftungsgeschäft beurkundet haben, mit der Einreichung beauftragt hat (vgl. § 1753 Abs 2). Bor Einreichung des Gesuchs erfolgt der Widerruf durch formlose, nicht einpfangsbedürftige Erklärung. Der Widerruf hat hier fast nur theoretische Bedeutung, da weder eine Gebundenheit des Stifters, noch der Erben oder des einzelnen Miterben besteht. Trotz des Widerrufs kann das Stiftungsgeschäft von dem Stifter oder dem Erben, der dann allerdings, falls der Widerruf vom Erblasser ausgegangen war, selbst als Stifter erscheint, zur Nachsuchung der Genehmigung benutzt werden. — Beruht die Stiftung auf letztwilliger Verfügung, welcher Fall in $ 81 Abs 2 nicht behandelt wird, so kann das Stiftungsgeschäft in derselben Weise wie die letztwillige Verfügung widerrufen werden. Die Erben sind zum Widerruf (wenn ihnen dieses Recht nicht ausdrücklich in der letzt­ willigen Verfügung Vorbehalten ist) nicht berechtigt. Ein solches Widerrufsrecht würde mit der in § 83 getroffenen Regelung im Widerspruch stehen.

8 82 Wird die Stiftung genehmigt, fo ist bet Stiftet verpflichtet, das in dem Stiftnngsgefchiiste zugeficherte Vermögen auf die Stistung zu übertragens. Rechte, zu bete« Übertragung der Abtretungsvertrag genügt, gehen mit der Genehmigung auf die Stiftung über, fvfern nicht aus dem Stistungsgefchüfte sich ein anderer Wille des Stifters ergibt. E I 58 Satz 3, 4 II 71 Abs 3 M 1, 120 P 1, 593.

1. Mit der Entstehung erwirbt die Stiftung den Anspruch auf Übertragung der ihr zugewendeten Rechte. Eine Gesamtnachsolge findet — abgesehen von dem FaNe der Erb­ einsetzung der Stiftung — nicht statt. Ist für die dingliche Übertragung eine bestimmte Form vorgeschrieben (Eintragung ins Grundbuch, Besitzübertragung usw.), so muß diese Form auch für die Übertragung an die Stiftung eingehalten werden. Das Stiftungsgeschäft darf aber so ausgelegt werden, daß diejenigen Rechte, die durch bloßen Abtretungsvertrag über­ tragen werden können, o h n e w e i t e r e s mit der Entstehung der Stiftung auf diese übergehen sotten. Und diese Auslegung sott Platz greifen, wenn nicht aus dem schriftlichen Siftungsgeschäft das Gegenteil erhettt. Über die Haftung des Stifters s. z 81 A 1.

8 83 Besteht das Stiftungsgeschäft in einet Verfiigung von Todes wegen, fo hat daS Rachlatzgericht') die Genehmignng einzuholen, fofetn sie nicht von dem Etben oder dem Testamentsvollsttecket nachgefucht wird. E I 59 II 72 Abs 1 M 1, 120 ff. P 1, 586 ff., 594 ff.

1. Die Stiftung kann durch Verfügung von TodeS wegen (vgl. § 81 A 1) nur in der Weise errichtet werden, daß sie zugleich als Erbe eingesetzt wird oder mit einem Vermächt­ nisse bedacht oder zu ihren Gunsten eine Auflage angeordnet wird. Die Erbeseinsetzung kann auch darin bestehen, daß die Stiftung eingesetzt wird als Mit erbe (die Erbteilung ist bis zur Entscheidung über die Genehmigung der Stiftung auszusetzen, vgl. $ 2043), als Borerbe (der Eintritt des Nacherbfatts hat das Aufhören der Stiftung nicht notwendig zur Folge), als Nach erbe (die Genehmigung kann schon vor Eintritt des Nacherbfalls erteilt werden). Den Erben liegt es ob, die hinsichtlich der Stiftung von dem Erblasser getroffene Verfügung durch Nachsuchung der staatlichen Genehmigung zur Ausführung zu bringen. Ist ein Testamentsvollstrecker bestellt, so ist dieser gemäß $ 2203 hierzu verpflichtet. Für alle Fälle hat aber auch das Nachlaßgericht wegen der in Betracht kommenden verschiedenartigen Interessen dritter Personen, die sonst schutzlos bleiben würden, sich der Stiftung anzunehmen und die staatliche Genehmigung herbeizuführen. Die Fürsorge des Nachlaßgerichts wird insbesondere dann nötig, wenn die Stiftung der atteinige Erbe ist und ein Testamentsvollstrecker nicht bestellt ist.

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Personen

8 84 Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters genehmigt, so gilt sie für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tode entstanden 2)2). E l 62 Abs 3 H 72 M 1, 123 ff. P 1, 594 ff.; 6, 883 ff.

1. Ohne die Bestimmung des § 84 würde die durch Verfügung von Todes wegen errichtete Stiftung im Falle der Erbeinsetzung nur Nacherbe sein können und würde ein Vermächtnis ihr erst zu der Zeit der Entstehung der Stiftung anfallen können, §§ 2101 Abs 2, 2178. Nach § 84 soll es aber hinsichtlich der Zuwendungen des Stifters, mögen sie in derselben oder einer späteren letztwilligen Verfügung enthalten sein — nicht hinsichtlich der Zuwendungen anderer Personen — so angesehen werden, als wenn die spater genehmigte Stiftung schon vor dem Tode des Stifters entstanden wäre. Es fällt danach der Stiftung unter der Voraussetzung ihrer späteren Genehmigung die Erbschaft, die bis dahin durch einen Nachlaßpfleger zu verwalten ist (§ 1960), sofort mit dem Tode des Erblassers an (§ 1922). Ebenso fällt ihr das Vermächtnis in diesem Zeitpunkte an und gebühren ihr bereits seit dieser Zeit die Erträge des vermachten Gegenstandes, §§ 2176, 2184. Es findet somit, um die Nachteile einer verspäteten Genehmigung zu beseitigen, eine dem Willen des Stifters entsprechende Rückziehung statt. 2. Der Grundsatz des § 84 ist aber auch für die Zuwendungen des Stifters — nicht anderer Personen — an eine bereits unter Lebenden errichtete Stiftung zur Anwendung zu bringen. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters genehmigt, so ist es so anzusehen, als wenn sie bereits vor dessen Tode entstanden wäre, so daß die Verpflichtung zur Übertragung der der Stiftung zugewendeten Bermögensgegenstände als eine bereits bei Lebzeiten des Stifters entstandene unbedingte Verbindlichkeit behandelt wird und die Abtretung derjenigen Rechte, zu deren Übertragung der Abtretungsvertrag genügt (§ 82), bereits bei Lebzeiten des Stifters als geschehen gilt.

8 85 Die Berfassung einer Stiftung wird, soweit sie nicht auf Reichs- oder Landesgesetz2) beruht, durch das Stiftungsgeschäft2) bestimmt. E I 60 H 73 M 1, 121 P 1, 596.

1. Der LandeSgesehgebung ist damit die Ermächtigung gegeben, über die Verfassung der Stiftung, soweit reichsrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, Bestimmungen zu treffen und zwar nicht bloß ergänzende, sondern auch zwingende. Bestimmungen letzterer Art finden sich z. B. in Artt 2 und 4 des Pr. AG über Änderung der Verfassung oder Aufhebung einer Familienstiftung durch Familienschluß und betreffs anderer Stiftungen durch Beschluß des Vorstandes mit hinzukommender staatlicher Genehmigung. Hinsichtlich des Erfordernisses der Einstimmigkeit des Familienschlusses greift das Reichsrecht insofern ein, als auf Grund des § 226 auf Zustimmung zu dem Familienschluß geklagt werden kann, wenn die Zustimmung in der offenbaren und ausschließlichen Absicht verweigert wird, den Mitbeteiligten Schaden zuzufügen (RG 22. 2. 06 IV 415/05). Der landesrechtlichen Regelung unterliegt insbesondere die staatliche Aufsicht über die Stiftungen (s. Vordem 2 vor § 21). 2. Aus dem Stiftungsgeschäft ist zu entnehmen, ob und inwieweit den Stiftungs­ interessenten ein klagbares Recht auf die Stiftungsbezüge zusteht. Ein Klagerecht ist nicht anzuerkennen, wenn die Berechtigung des einzelnen von Voraus­ setzungen abhängig gemacht ist, die nicht sicher feststellbar sind, über deren Vorhandensein vielmehr der Vorstand nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls zu entscheiden hat (RG SeufsA 56 Nr 216; vgl. auch die frühere Entscheidung RG 9, 207). Es kann in diesem Falle bei pflichtwidrigem Verhalten des Vorstandes nur die Aufsichtsbehörde angegangen werden. In einem näheren Verhältnis zum Stiftungsvermögen stehen bei Familienstiftungen die nutzungs­ berechtigten Familienglieder (vgl. RG 61,36), denen deshalb, wenn sie das Recht haben, die Verwaltung der Stiftung zu überwachen, auch ein dementsprechendes Klagerecht einzuräumen ist (RG IW 09, 1605). Den Beteiligten kann in der Stiftungsurkunde auch das Recht verliehen werden, Satzungsänderungen, die den Anforderungen der Stiftungs­ urkunde nicht entsprechen, im Klagewege anzufechten (RG 27. 3. 07 IV 361/06). Besteht Streit über die Wählbarkeit zu dem Amte eines Stiftungsverwalters, so kann hierüber im Prozesse entschieden werden (RG 5. 1.10 IV 111/09). — Etwaige Lücken des Stiftungs­ geschäfts sind im Wege der Auslegung aus dem Zusammenhang aller darin enthaltenen Bestimmungen auszufüllen (RG 10. 5. 07 VII 384/06).

Juristische Personen

§§ 84—87

53

§ 86 Die Vorschriften des § 26, des § 27 Abs. 3 und der §§ 28 bis 311), 42°) finden ans Stiftungen entsprechende Anwendung, die Vorschriften des § 27 Abs. 3 und des § 28 Abs. 1 jedoch nur insoweit, als sich nicht ans der Verfassung, insbesondere daraus, daß die Verwaltung der Stiftung von einer öffentlichen Behörde3) geführt wird, ein anderes ergibt. Die Vorschriften des § 28 Abs. 2 und des § 29 finden auf Stiftungen, deren Verwaltung von einer öffentlichen Behörde geführt wird, keine Anwendung. E l 61 u 74 M 1, 121 P 1, 599 ff.; 6, 144.

1. Die Stiftung muß ebenso wie der Verein einen ein- oder mehrgliedrigen Vorstand haben (vgl. § 81 A 1), welcher die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat und durch die innerhalb seines Bertretungsbereichs von ihm vorgenommenen, zu Schadensersatz ver­ pflichtenden Handlungen die Stiftung haftbar macht (§§ 26, 27 Abs 3, 28, 29, 31). Neben dem Vorstande können besondere Vertreter im Sinne der §§ 30, 31 bestellt werden. Was die in § 27 Abs 3 vorgesehene Anwendbarkeit der §§ 664 bis 670 betrifft, so ist als Auftraggeber im Sinne des § 665 der Stifter, dessen Wille in der Stiftungsurkunde niedergelegt ist, im Sinne der §§ 666 und 667 die Aufsichtsbehörde (vgl. A 2) anzusehen. 2. Die Verwaltung der Stiftung kann — was für Vereine nicht gilt — von dem Stifter einer öffentlichen Behörde übertragen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Geschäfts­ führung und die Art der Beschlußfassung der aus mehreren Mitgliedern bestehenden Behörde nach den für die Amtsführung geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Es entfällt mithin die Anwendbarkeit der §§ 27 Abs 3 und 28 Abs 1, desgleichen des § 29 über die gerichtliche Ergänzung des Vorstandes und des mit den Befugnissen des Vorsitzenden einer Behörde nicht im Einklang stehenden § 28 Abs 2 über die Abgabe von Willenserklärungen gegenüber dem Vorstände. Auch bei Übertragung der Verwaltung an den Bor st and eines Vereins, einer Aktiengesellschaft usw. wird regelmäßig gewollt sein, daß statt der vorerwähnten Vor­ schriften die" für die Geschäftsführung des Vorstandes in Vereinsangelegenheiten gelten­ den Bestimmungen zur Anwendung kommen. Über die Aufsichtsbehörde bestimmt das Landesrecht (vgl. Vordem 2 vor § 21). Nach öffentlichem Recht hat die Aufsichtsbehörde insbesondere die Befugnis, den Verwalter der Stiftung wegen Pslichtwidrigkeit zu entsetzen. Die Vorschrift des § 27 Abs 2 erfährt hierdurch eine Änderung. 8. Über den Verlust der Rechtsfähigkeit durch Eröffnung des Konkurses s. § 42 A 1. Der Fortfall des Vermögens hat sonst nicht ohne weiteres das Erlöschen der Stiftung zur Folge, sondern erst dann/wenn keine Aussicht bestebt, daß die Stiftung wieder zu Vermögen kommt. Die Stiftung erlischt ferner durch Ablauf der in der Stiftungsurkunde bestimmten Zeit, Eintritt der darin festgesetzten auflösenden Bedingung, Erledigung der der Stiftung gestellten Aufgabe oder Zurücknahme der Genehmigung, wenn ausnahmsweise mit Einverständnis des Stifters der Widerruf der Genehmigung, was gesetzlich zulässig ist, Vor­ behalten ist.

§ 87 Ist die Erfüllung des Stistungszwecks unmöglich geworden oder gefährdet sie das Gemeinwohlx), so kann die znständige Behörde3) der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie ausheben. Bei der Umwandlung des Zweckes3) ist die Absicht des Stifters tunlichst zu berücksichtigen, insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß die Erträge des SttftnngSvermögens dem Personenkreise, dem sie zustatten kommen sollten, im Sinne des Stifters tunlichst erhalten bleiben. Die Behörde kann die Ver­ fassung der Stiftung ändern, soweit die Umwandlung des Zweckes es erfordert. Vor der Umwandlung des Zweckes und der Änderung der Verfassung soll der Vorstand der Stiftung gehört werden. E H des EG Art 85.

1. Der Stiftungszweck ist derart wesentlich für das Bestehen der Stiftung, daß mit dem Fortfalle des Zwecks, wenn seine Erreichung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (Unerlaubtheit) unmöglich geworden ist, die Stiftung, falls sie nicht umgewandelt wird, der Aufhebung verfallen muß. Dieselbe Folge tritt ein, wenn die weitere Verfolgung des Stistungszwecks sich als schädlich für das Gemeinwohl erweist oder doch die Gefahr

54

Allgemeiner Teil

Personen

der Schädigung besteht. Daß die St'ftung sich überlebt hat, der StistungSzweck unnütz ge­ worden ist, berechtigt noch nicht zur Aufhebung der Stiftung. Eine Schädlichkeit kann jedoch dann sich ergeben, wenn durch die Stiftung in größerem Umfange einer verkehrten Tätigkeits­ richtung oder dem Müßiggänge Vorschub geleistet wird. Weitergehend gestattet Art 4 des Pr. AG ganz allgemein die Aufhebung oder Änderung der Verfassung der Stiftung durch Beschluß des Vorstandes, welcher der staatlichen Genehmigung bedarf. Eine solche landes­ rechtliche Vorschrift ist zulässig, da $ 87 nicht die ganze Materie der Aufhebung der Stiftung regeln will, sondern nur einen einzelnen Fall ordnet. 2. Handelt es sich um eine ausländische Stiftung, so ist der Bundesrat zuständig (§ 80). Im übrigen entscheidet das Landesrecht. Zuständig ist regelmäßig der Landesherr oder das Ministerium, in Bayern bezüglich einer allgemeinen öffentlichen Stiftung der Landes­ herr mit Zustimmung der Kammern und, sofern die Aufhebung oder Umwandlung aus anderen als den in § 87 bezeichneten Gründen erfolgt mit Zustimmung der „Beteiligten". Auch in Württemberg bedarf es zur Aufhebung (nicht zur bloß?n Umwandlung) der Stiftung meist eines Gesetzes. 8. Darüber, ob die Aushebung der Stiftung oder als mildere Maßnahme die Um­ wandlung des Stiftungszwecks (nebst den hierdurch gebotenen weiteren Änderungen der Ver­ fassung) eintreten soll, hat die zuständige Stelle (vgl. A 2) nach freiem Ermessen zu befinden. Bei der Umwandlung ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Absicht des Stifters oder doch seine Hauptabsicht möglichst erreicht wird, worüber der Vorstand zu hören ist. Der Absicht des Stifters wird es entsprechen, daß die Stiftungsbezüge möglichst demselben Personenkreise wie früher (Verwandte, Einheimische, Angehörige eines bestimmten Bekenntnisses usw.) zugute kommen.

§ 88 Mit dem Erlöschen der Stiftung fällt das Vermögen an die in der Ver­ fassung bestimmten Personen1). Die Vorschriften der §§ 46 bis 53 finden ent­ sprechende Anwendung 2). E I 61, 62 Abs 1 II 75 SOI 1, 124 P 1, 605 ff.

1. Die Bestimmung darüber, an wen daS StiftungSvermögen fällt, ist in Ermangelung einer privatrechtlichen Bestimmung des Reichsrechts der Stiftungsurkunde und dem Landes­ recht überlassen. Nach den ergänzenden Vorschriften des Landesrechts ist anfallsberechtigt meist der Fiskus, für Preußen, falls die Stiftung von einer Gemeinde oder sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts verwaltet wird, diese Körperschaft, für Elsaß-Lothringen die gesetzlichen Erben des Stifters. 2. Die Liquidation erfolgt nach den §§ 47 bis 53. Bei Anfall an den Fiskus — oder nach Art 5 Pr. AG an eine öffentliche Körperschaft — findet eine Liquidation nach § 46 nicht statt. Die nach § 46 für den Fiskus bestehende Berwendungspflicht gilt nach Art 6 Pr. AG auch für die öffentliche Körperschaft. Für Sachsen (8 7 Abs 2 AB) unterliegt die Verwendung des Stiftungsvermögens der Bestimmung des Ministers.

III. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes 8 89 Die Vorschrift des § 312)3) findet auf den Fiskus sowie aus die Körper­ schaften, Sttftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes *) entsprechende An­ wendung. DaS Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes der Konkurs zulässig ist, von derBorschrift des ß42Abs.2*). EI 63 II § 77 M 1, 124 ff. P 1 535 ff., 607 ff.; 6, 144.

1. Über die juristischen Personen deS öffentlichen Rechts s. Vordem 2 vor $ 21. 2. Bei der Anwendung des § 31 auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts bietet der Begriff des „verfassungsmäßigen Vertreters" gewisse Schwierigkeiten. An Stelle der Satzung, in der bei den juristischen Personen des Privatrechts die Bestellung eines solchen Vertreters ihren Grund haben muß (§ 30 A 1), treten hier die die Verwaltungs­ organisation regelnden Bestimmungen (RG 53, 280; 62, 36; 70, 118; IW 09, 682*). Dem Vertreter muß ferner ein bestimmter Berwaltungszweig zur selbständigen Erledigung überlassen sein. Die juristische Person hastet, wenn die von einem solchen Vertreter — der früher als „Willensorgan" bezeichnet zu werden pflegte — begangene unerlaubte Hand­ lung in seinen Amtsbereich fällt (vgl. § 31 A 2). Als verfassungsmäßige Vertreter hat die Rechtsprechung deS RG anerkannt:

Juristische Personen

§§ 87—90

55

bei der Stadtgemeinde: den Vorsteher des Bauamts (fR® 70,118; 21.12. 07 V 271/07), den für Tiefbauangelegenheiten bestellten Vertreter (RG ZW 06,5394, 30.3.08 VI 177/07), die dem Magistrat untergeordnete Baudeputation, zu deren Geschäften die Beaufsichtigung des baulichen Zustandes der Straßen und deren Instandhaltung gehört (RG 24. 6. 07 VI 482/06), den Markthalleninspektor (RG IW 09, 682'), die zur Berwalürng der Sparkasse eingesetzte städtische Deputation (RG 64, 403), nicht den Straßen­ kontrolleur (RG IW 03 Beil 118-"); bei dem Kreise: den vom Kreisausschuß in Preußen angestellten Kreisbaumeister (RG 62, 3/), bei der Iustizverwaltung: die Borstandsbeamten des Landgerichts, Land­ gerichtspräsident und erster Staatsanwalt, hinsichtlich der Beaufsichtigung des Gerichtsge­ bäudes (RG IW 03 Beil 132 294, 22. 5. 05 VI 426/04), desgleichen den aufsichtführenden Amtsrichter (RG Gruch 49, 635), nicht den Obersekretär oder Kastellan; bei der Unterrichts Verwaltung: den Gymnäsialdirektor hinsichtlich der baulichen Beaufsichtigung des Gymnasiums (RG 21.1. 09 IV 227/08), nicht den Schuldiener (RG IW 06, 427"); bei der Eisenbahnverwaltung: die Betriebsinspektoren der Großh. Badisch. Staatseisenbahnen (RG 26.11.06 VI 96/06), die Vorstände der in der Verwaltungsordnung für die Pr. Staatseisenbahnen v. 17.12. 94/jetzt 24. 5.07 bezeichneten Betriebsinspektionen usw. (RG 53, 276), nicht den Bahnmeister (RG 53, 276; 55,229), auch nicht den Stations­ vorsteher («6 IW 03 Beil 117-"); bei der P o st v e r w a l t u n g: nicht den Postassistenten (RG IW 06, 706'), nicht den Hausmeister, mag auch seine Bestellung durch die Berwaltungsbestimmungen des Post­ fiskus vorgesehen sein (RG IW 04, 1658); bei der Forstverwaltung: den preußischen Oberförster (RG IW 04,548'); bei der Heeresverwaltung: den Regimentskommandeur und Garnison­ kommandanten, der nicht für genügende Absperrung der verseuchten Pferde des Regiments gesorgt hat (RG Warn 08 Nr 589), nicht aber den mit Prüfung von Materialien (Glühzünder) beauftragten Offizier (RG 55, 171). 3. Die Haftung deS Staates, der Gemeinden und anderen SommunalvervSnde ist ausgeschlossen auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen, welche durch Art 77 EG auf­ recht erhalten sind, in verschiedenen Bundesstaaten, namentlich in Preußen und Sachsen, für den Fall, daß der Beamte in Ausübung von Hoheitsrechten des Staates gehandelt hat. Vgl. über den Unterschied zwischen Ausübung des Militärhoheitsrechts und militärfiskalische Anord­ nungen RG 55,174. Die Stadtgemeinde haftet nicht für Schäden, die in Ausübung der Polizeigewalt verursacht sind (RG IW 04, 2338). Sie hat nicht für das Verschulden des Betriebsinspektors der städtischen Gasanstalt aufzukommen, dem zugleich Verrichtungen der Wohlfahrtspolizei übertragen sind, wenn das Verschulden auf letzterem Gebiete liegt (RG 55,364). Der Staat ist nicht haftbar für den einem Strafgefangenen bei dem Arbeitsbetrieb durch einen Strafanstaltsbeamten zugefügten Schaden (RG 56,215). Für Preußen ist jetzt durch G. v. 1. 8. 09 bestimmt, daß, soweit nicht durch Reichsgesetz oder Landesgesetze besondere Ausnahmen gemacht sind, an Stelle des Beamten, der in Ausübung der öffent­ lichen Gewalt seine Amtspflicht verletzt hat, der Staat oder Kommunalverband haftet, der wieder gegen den Beamten seinen Rückgriff nehmen kann. In ähnlicher Weise ist die Haftung des Reichs für seine Beamten und die Personen des Soldatenstandes sowie die Haftung der Schutzgebiete durch G. v. 22. 5. 10 geregelt. 4. Durch Art IV EG v. 17.5. 98 zur KO sind die landesgesetzlichen Vorschriften betr. Unzulässigkeit des Konkurses über eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine unter Verwaltung einer öffentlichen Behörde stehende juristische Person aufrecht erhalten.

Zweiter Abschnitt Sachen § 90

Sachen*) im Sinne deS Gesetzes sind nnr körperliche*) Gegenstände"). E I 778 II 77a M 3, 82 P 3, 1.

1. Der Begriff der Sache ist als ein begrenzte- Stück der den Menschen umgebenden Natur zu bestimmen. Nach dem Sprachgebrauche de- BGB ist eine Sache ein Nnterbegrisf von „Gegenstand" (s. A 3). — In der Regel beziehen sich die Vorschriften des BGB nur auf

Juristische Personen

§§ 87—90

55

bei der Stadtgemeinde: den Vorsteher des Bauamts (fR® 70,118; 21.12. 07 V 271/07), den für Tiefbauangelegenheiten bestellten Vertreter (RG ZW 06,5394, 30.3.08 VI 177/07), die dem Magistrat untergeordnete Baudeputation, zu deren Geschäften die Beaufsichtigung des baulichen Zustandes der Straßen und deren Instandhaltung gehört (RG 24. 6. 07 VI 482/06), den Markthalleninspektor (RG IW 09, 682'), die zur Berwalürng der Sparkasse eingesetzte städtische Deputation (RG 64, 403), nicht den Straßen­ kontrolleur (RG IW 03 Beil 118-"); bei dem Kreise: den vom Kreisausschuß in Preußen angestellten Kreisbaumeister (RG 62, 3/), bei der Iustizverwaltung: die Borstandsbeamten des Landgerichts, Land­ gerichtspräsident und erster Staatsanwalt, hinsichtlich der Beaufsichtigung des Gerichtsge­ bäudes (RG IW 03 Beil 132 294, 22. 5. 05 VI 426/04), desgleichen den aufsichtführenden Amtsrichter (RG Gruch 49, 635), nicht den Obersekretär oder Kastellan; bei der Unterrichts Verwaltung: den Gymnäsialdirektor hinsichtlich der baulichen Beaufsichtigung des Gymnasiums (RG 21.1. 09 IV 227/08), nicht den Schuldiener (RG IW 06, 427"); bei der Eisenbahnverwaltung: die Betriebsinspektoren der Großh. Badisch. Staatseisenbahnen (RG 26.11.06 VI 96/06), die Vorstände der in der Verwaltungsordnung für die Pr. Staatseisenbahnen v. 17.12. 94/jetzt 24. 5.07 bezeichneten Betriebsinspektionen usw. (RG 53, 276), nicht den Bahnmeister (RG 53, 276; 55,229), auch nicht den Stations­ vorsteher («6 IW 03 Beil 117-"); bei der P o st v e r w a l t u n g: nicht den Postassistenten (RG IW 06, 706'), nicht den Hausmeister, mag auch seine Bestellung durch die Berwaltungsbestimmungen des Post­ fiskus vorgesehen sein (RG IW 04, 1658); bei der Forstverwaltung: den preußischen Oberförster (RG IW 04,548'); bei der Heeresverwaltung: den Regimentskommandeur und Garnison­ kommandanten, der nicht für genügende Absperrung der verseuchten Pferde des Regiments gesorgt hat (RG Warn 08 Nr 589), nicht aber den mit Prüfung von Materialien (Glühzünder) beauftragten Offizier (RG 55, 171). 3. Die Haftung deS Staates, der Gemeinden und anderen SommunalvervSnde ist ausgeschlossen auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen, welche durch Art 77 EG auf­ recht erhalten sind, in verschiedenen Bundesstaaten, namentlich in Preußen und Sachsen, für den Fall, daß der Beamte in Ausübung von Hoheitsrechten des Staates gehandelt hat. Vgl. über den Unterschied zwischen Ausübung des Militärhoheitsrechts und militärfiskalische Anord­ nungen RG 55,174. Die Stadtgemeinde haftet nicht für Schäden, die in Ausübung der Polizeigewalt verursacht sind (RG IW 04, 2338). Sie hat nicht für das Verschulden des Betriebsinspektors der städtischen Gasanstalt aufzukommen, dem zugleich Verrichtungen der Wohlfahrtspolizei übertragen sind, wenn das Verschulden auf letzterem Gebiete liegt (RG 55,364). Der Staat ist nicht haftbar für den einem Strafgefangenen bei dem Arbeitsbetrieb durch einen Strafanstaltsbeamten zugefügten Schaden (RG 56,215). Für Preußen ist jetzt durch G. v. 1. 8. 09 bestimmt, daß, soweit nicht durch Reichsgesetz oder Landesgesetze besondere Ausnahmen gemacht sind, an Stelle des Beamten, der in Ausübung der öffent­ lichen Gewalt seine Amtspflicht verletzt hat, der Staat oder Kommunalverband haftet, der wieder gegen den Beamten seinen Rückgriff nehmen kann. In ähnlicher Weise ist die Haftung des Reichs für seine Beamten und die Personen des Soldatenstandes sowie die Haftung der Schutzgebiete durch G. v. 22. 5. 10 geregelt. 4. Durch Art IV EG v. 17.5. 98 zur KO sind die landesgesetzlichen Vorschriften betr. Unzulässigkeit des Konkurses über eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine unter Verwaltung einer öffentlichen Behörde stehende juristische Person aufrecht erhalten.

Zweiter Abschnitt Sachen § 90

Sachen*) im Sinne deS Gesetzes sind nnr körperliche*) Gegenstände"). E I 778 II 77a M 3, 82 P 3, 1.

1. Der Begriff der Sache ist als ein begrenzte- Stück der den Menschen umgebenden Natur zu bestimmen. Nach dem Sprachgebrauche de- BGB ist eine Sache ein Nnterbegrisf von „Gegenstand" (s. A 3). — In der Regel beziehen sich die Vorschriften des BGB nur auf

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Allgemeiner Teil

Einzelsachen. Von ihnen zu unterscheiden ist die Sachgesamtheit. Eine solche liegt vor, wenn eine Mehrheit von selbständigen Sachen, die nicht im Verhältnis von Hauptsache und Zu­ behör stehen, infolge eines gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Zweckes im Verkehr als wirt­ schaftliche Einheit behandelt wird. In der Regel ist auch ein gemeinschaftlicher Name für diese Sachenmehrheit gebräuchlich (z. B. Warenlager, Heerde, Gemäldesammlung, Bücherei). Das BGB spricht aber nur von Rechten an Sachen. Eine bloß wirtschaftliche Einheit ist leine Sache. Darum können nach dem BGB Gegenstand von Rechten nur die zu der Gesamtheit gehörigen einzelnen Sachen sein. Ein von dem Recht an diesen Einzel­ sachen gesondertes Recht an der Gesamtheit besteht nicht. Z. B. ist ein Eigentums- oder Pfandrechtserwerb an der Sachgesamtheit nur in der Weise möglich, daß die einzelnen Sachen übereignet bezw. verpfändet werden (RG 53, 219; IW 06, 2247; str.). Dies könn jedoch unter der verkehrsüblichen zusammenfassenden Benennung der Gesamtheit ge­ schehen (RG 53, 220). — Da ein Recht an der Sachgesamtheit als solcher nicht besteht, so erlangt der Erwerber derselben nicht ohne weiteres das Eigentum an den nach der Über­ eignung vom Veräußerer an geschassten Sachen. Diese müssen vielmehr besonders übereignet werden (RG 53,220). Doch kann bei einer Pfandbestellung (z. B. an einem Warenlager) im voraus vereinbart werben, daß die später angeschafften Sachen dem Pfand­ recht unterliegen sollen (RG 53, 220). Ebenso kann bei einer Eigentumsübertragung gemäß § 930 (durch Besitzkonstitut) vereinbart werden, daß die vom Besitzer an Stelle veräußerter Sachen neu angeschafften Sachen Eigentum des Erwerbers werden sollen (RG Warn 08 Nr 62). — Soll ein Teil einer Sachgesamtheit übereignet oder verpfändet wer­ den, so müssen die betreffenden Sachen je einzeln für sich bezeichnet werden, da sonst nicht eine Einigung über bestimmte Sachen vorliegt (vgl. RG 52, 390; Gruch 51, 616). — Ob ein Recht an einer Sachgesamtheit gültig erworben ist, kann für jede ein­ zelne Sache unter Umständen verschieden beantwortet werden; z. B. kann ein Eigen­ tumserwerb in gutem Glauben an einigen Sachen ausgeschlossen sein, weil diese gestohlen usw. sind. Daher muß, wer ein Recht an der Sachgesamtheit behauptet, grundsätzlich den Erwerb des Rechts an jeder Einzelsache beweisen. Doch wird vielfach, wenn der Erwerb einer Sachgesamtheit im ganzen nachgewiesen ist, kein Grund zur Annahme eines besonderen Rechtsverhältnisses an einzelnen nun dazu gehörigen Sachen gegeben sein. Im Wege der Klage kann ebenfalls nur die Herausgabe der einzelnen Sachen, nicht der Sachgesamtheit als solcher verlangt werden. Ein Unterschied kann auch nicht für den Fall gemacht werden, daß der Beklagte gesetzlich zur Herausgabe eines „Inbegriffs" von Sachen verpflichtet ist, z. B. nach §§ 1035, 2018, 2371 (str.). Regelmäßig hat in solchen Fällen der Kläger die Mög­ lichkeit, nach § 260 ein Bestandsverzeichnis zu erlangen und damit die einzelnen Sachen zu erfahren. Doch wird, wenn kein Zweifel bestehen kann, eine zusammenfassende Bezeich­ nung mit dem Gesamtnamen ziüässig sein. — Eine besondere rechtliche Bedeu­ tung kommt der Sachgesamtheit dagegen in folgenden Fällen zu: Der Besitz an einer Sachgesamtheit ist zwar rechtlich nur als Besitz an den einzelnen Sachen aufzu­ fassen. Da jedoch bei einer wirtschaftlichen Einheit die tatsächlichen Verhältnisse (im Gegen­ satze zur Rechtslage) für alle Stücke die gleichen sind, so erstreckt sich der Besitz an einer Sach­ gesamtheit mit Notwendigkeit auf alle dazu gehörigen Sachen. Ein Sonderbesitz an einzelnen Stücken kann nur in der Weise begründet werden, daß diese entweder aus der Sach­ gesamtheit ausgeschieden oder doch einzeln so bestimmt bezeichnet werden, daß der Sonder­ besitz (in diesem Falle als Mitbesitz neben dem des Gesamtbesitzers) tatsächlich an ihnen ausgeübt werden kann. Eine bloße Bezeichnung der Zahl oder Menge nach genügt nicht zur Übertragung des Besitzes (RG 52, 385; Gruch 51, 616). Ferner hat das Gesetz durch einzelne Sondervorschriften der wirtschaftlichen Bedeutung der Sachgesamtheit Rechnung getragen. Vgl. §§ 92 Abs 2 (Verbrauchbarkeit der zu einem Sachinbegriffe gehörigen Sachen), 260 (Verpflichtung zur Vorlegung eines Bestandsverzeichnisses), 587 ff., 1048 (Inventar eines Grundstücks), 1035 (Nießbrauch an einer Sachgesamtheit), auch § 254 ZPO. Ebensowenig wie die Sachgesamtheiten sind die sog. Rechtsgesamtheiten, d. h. wirt­ schaftliche Einheiten von Sachen, Rechten und sonstigen Gütern des Rechtsverkehrs, Sachen im Sinne des BGB. Auch ist die Rechtsgesamtheit als solche nicht ein „Recht" oder ein „Gegen­ stand" eines dinglichen Rechts (vgl. dazu A 3). Beispiele von Rechtsgesamtheiten sind das Vermögen einer Person, die verschiedenen, vom Rechte ausgebildeten Sondervermögen (ein­ gebrachtes Vermögen, Vorbehaltsgut der Frau, Gesamtgut der Ehegatten, Kindesvermögen, Gesellschaftsvermögen, Erbschaft u. a.) und das geschäftliche Unternehmen. Im allgemeinen gelten in allen diesen Fällen dieselben Grundsätze wie bei der Sachgesamtheit. An der Gesamtheit als solcher können Rechte nicht begründet werden. Ihre VerÄußerung z. B. kann nur dadurch erfolgen, daß die einzelnen Sachen und Rechte, aus denen sie besteht, besonders übertragen werden, und diese Übertragung muß nach den für die betreffenden Einzelgegenstände jeweils geltenden Vorschriften (z. B. §§ 398 ff.,

Sachen § 90

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929 ff.) geschehen (RG 68, 49; 70, 228, 231). Ebenso unterliegen der Zwangsvoll­ streckung nur die einzelnen Sachen und Rechte. Deshalb kann z. B. die Veräußerung eines Handelsgeschäfts nicht nach dem Anfechtungsgesetz oder der Konkurse dnung an­ gefochten werden. Nur die Übertragung der zur Zeit der Veräußerung vorhandenen Einzelgegenstände kann anfechtbar sein, nicht die der nachträglich angeschafften (RG 70, 226). — Für eine Reihe von Sondervermögen gilt allerdings der Grundsatz des dinglichen Ersatzes (Surrogation): das durch die Veräußerung von Vermögens­ gegenständen Erlangte tritt an ihre Stelle. Dies ist aber kein allgemeiner Grundsatz, viel­ mehr gilt er nur für die Fälle, für die er im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist, z. B. §§ 1370, 1381, 1382, 1440, 1473, 1486, 1524, 1526, 1554, 2019, 2041, 2111 (RG 70, 233). Auch ist die Ausgestaltung des Grundsatzes in den einzelnen Fällen verschiedenartig. — Ferner läßt das Gesetz für gewisse Fälle einen einheitlichen Übergang der Rechte an der Gesamtheit zu, so z. B. bei der Rechtsnachfolge des Erben (§ 1922), der Veräußerung des Anteils eines Milerben (§ 2033), der Begründung der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1438) und bei der Übertragung des Vermögens einer Aktiengesellschaft auf eine andere Aktiengesellschaft oder den Staat (§§ 304, 306 HGB). — Weiter sind einheitliche schuld­ rechtliche (obligatorische) Rechtsgeschäfte über Rechts- und Sachgesamtheiten zulässig (vgl. auch A 3). Es ist dann durch Auslegung im einzelnen Falle zu ermitteln, welche Gegenstände nach dem Willen der Parteien zu der Gesamtheit gehören sollen. Für der­ artige Verträge über ganze Vermögen oder Vermögensteile gibt das Gesetz besondere Vor­ schriften in den §§ 310 (Nichtigkeit der Verpflichtung zur Übertragung des künftigen Ver­ mögens), 311 (Form des Vertrags auf Übertragung des gegenwärtigen Vermögens), 419 (Haftung des Übernehmers eines Vermögens), 1822 Nr 1 (vormundschaftsgerichtliche Ge­ nehmigung für Vermögensübertragungsverträge), 2371 ff. (Erbschaftskauf), HGB 22 ff. (Erwerb eines Handelsgeschäfts). Eine besondere Stellung unter den Sachen nehmen die sog. vertehrSunsähigen Sachen ein. Dazu gehören zunächst die allen Menschen gemeinschaftlichen Sachen: die Luft, die fließende Wasserwelle, das offene Meer. Sie sind der privatrechtlichen Herr­ schaft durch ihre Natur entzogen; die beiden ersteren können nicht einmal als Sachen im Sinne des BGB betrachtet weiden, da ihnen die feste Begrenzung fehlt. Wenn dagegen Teile der Luft oder des Wassers in besondere Behältnisse gebracht werden, können sie Gegenstand von Rechten sein. Vom fließenden Wasser selbst ist der von ihm durchflossene Raurn^ der Wasserlauf, Fluß, Teich, See zu unterscheiden (RG 53, 98). Ob hieran Privatrechte bestehen können, richtet sich nach Landesrecht (Art 65 EG). — Nicht Sachen im Sinne des BGB sind auch der menschliche Körper und seine Teile, da sie nicht zu der den Menschen umgebenden Natur gehören. Am lebenden Körper besteht nur ein Persönlichkeitsrecht des Menschen, aber nicht ein irgendwie geartetes Vermögensrecht. — Der menschliche Leichnam ist Sache im Sinne des BGB, aber in gewisser Weise dem Verkehr entzogen (vgl. RG SeuffA 59 Nr 308). — Verkehrsunfähig können ferner Sachen sein, die für öffentliche oderreligiöse Zwecke bestimmt sind oder dem Gemeingebrauchs dienen. Die Berkehrsunfähigkeit beruht hier aber auf öffentlichem Rechte und ist daher nach Landesrecht zu beurteilen (Art 55 EG). Auch die Regelung der Eigentumsverhältnisse an derartigen Sachen muß der Landesgesetzgebung überlassen bleiben, da sie aufs engste mit den sonstigen Rechtsver­ hältnissen an ihnen zusammenhängt. Reichsrechtlich steht der Zulassung eines Privateigentums an diesen Sachen nichts im Wege. Ebenso wird die Frage, ob dem einzelnen ein Privat­ recht aus den Gemeingebrauch gegen den Eigentümer öffentlicher Sachen zusteht, nach Landes­ recht zu entscheiden sein, da sie sich von der Ordnung der össentlichrechtlichen Verhältnisse an den Sachen nicht trennen läßt (str., vgl RG 70, 81, jedoch auch RG 53, 384). Das Landesrecht kann die Rechte an öffentlichen Sachen ganz verschiedenartig gestalten, und dementsprechend müssen auch die Ansprüche auf den Gemeingebrauch verschiedenartig ge­ staltet sein. Aus dem BGB ergeben sich derartige Ansprüche nicht, aber sie sind auch nicht ausgeschlossen. Über die Einteilung der Sachen ist folgendes zu bemerken: Das BGB unterscheidet nur zwischen Grundstücken und beweglichen Sachen. Andere unbewegliche Sachen als Grundstücke kennt das BGB nicht (RG 59, 20). Daher gelten für alle Sachen, die nicht Bestandteile von Grundstücken sind, die Vorschriften über bewegliche Sachen (f. 8 95 A 1). Vgl. jedoch § 926 (Eigentumserwerb am Zubehör eines Grundstücks). Nur für gewisse Rechte gelten die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften, und zwar nach BGB für das Erbbaurecht (§ 1017), nach Landesrecht auf den diesem vorbehaltenen Gebieten auch für andere Rechte, z. B. Bergwerkseigentum, Kohlenabbaugerechtigkeit (f. hierüber § 903 A 2). Nur einmal, im § 1551 (Fahrnisgemeinfchaft) spricht das BGB von „unbeweglichem Vermögen". Ferner kennt die ZPO eine Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (§§ 864 ff.). — Über vertretbare und verbrauchbare Sachen vgl. §§ 91, 92, über G a t t u n g s s a ch e n 8 243, teilbare Sachen 8 752.

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Allgemeiner Teil

2. Rur körperliche, also nach menschlicher Vorstellung den Raum ausfüllende Gegen­ stände sind im Sinne des BGB Sachen; nicht Rechte oder sonstige Bermögensgegenstände (vgl. A 3). Außer festen können auch flüssige und gasförmige Körper Sachen sein. Daher ist z. B. der Vertrag über Zuleitung von Wasser und Leuchtgas in Röhren als Kauf beweg­ licher Sachen zu behandeln. Dagegen ist die Elektrizität von der Naturwissenschaft bisher nicht als ein Stoff anerkannt worden; sie ist daher auch keine Sache im Sinne des BGB (str.; RGSt 32, 165). Bon dieser Auffassung geht auch das RG v. 9.4. 00, betr. die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit, aus. Hiernach ist Elektrizität rechtlich nicht anders zu behandeln wie jede sonstige Kraft, die zu Arbeitsleistungen zwecks Herbeiführung eines bestimmten Erfolges verwendet wird. Der Elektrizitätslieferungsvertrag wird danach als Werkvertrag aufzufafsen sein lstr.). Urkunden sind körperliche Gegenstände, also Sachen. Hinsichtlich des Erwerbs von Rechten an ihnen werden sie aber verschieden behandelt. Man mnn unterscheiden: bloße Beweisurkunden; Schuldscheine und gleich zu behandelnde Papiere; Inhaber- und Order­ papiere. Die Beweisurkunden ($. B. Familienstammbücher, Ausfertigungen von Urteilen, Sachverständigengutachten) weisen keine Besonderheiten auf. Der Eigentumserwerb daran bestimmt sich nach $$ 929 ff. Dienen sie zum Beweise einer Forderung, so ist nach § 402 im Falle der Abtretung der bisherige Gläubiger lediglich schuldrechtlich verpflichtet, sie dem neuen Gläubiger zu übergeben. — Über die Urkunden der zweiten Art vgl. $ 952 nebst A dazu. Hervorzuheben ist hier: An ihnen sind besondere Rechte nicht möglich, sie folgen lediglich dem Rechte an der Forderung. Sie sind aber darum doch Sachen. Insbesondere ist ein vertragliches oder gesetzliches Zurückbehaltungsrecht daran möglich. —- Bei den Jnhaberpapieren folgt das Recht aus dem Papiere dem Rechte am Papiere. Die Über­ tragung und Verpfändung geschieht nach sachenrechtlichen Grundsätzen (5$ 929 ff., ins­ besondere 935, $ 1293). Über die Befriedigung aus dem verpfändeten Papiere s. aber § 1294. — Bei Orderpapieren wird durch vie eigentümliche Form des Indossaments sowohl das Recht am Papiere wie da- in ihm verbriefte Recht übertragen. Im Falle einer einfachen Abtretung des Rechts gilt $ 952. — Über Wertpapiere vgl. $ 793 nebst A. 8. Eine Begriffsbestimmung für Gegenstand enthält das BGB nicht. Aus den ver­ schiedenen Vorschriften aber, in denen der „Gegenstand" genannt wird, ergibt sich jedenfalls soviel, daß sein Begriff weiter geht als der der Sacke. Da es sich bei einer Reihe solcher Vorschriften um Verfügungen über einen Gegenstand handelt, hat man versucht, die Berfügbarkeu als Begriffsmerkmal für den Gegenstand hinzustellen. Zu einer derartigen Be­ schränkung liegt aber kein Grund vor; denn in andern Vorschriften (z. B. $$ 256, 260, 273, 292, 504, 581, 2374) handelt es sich lediglich um schuldrechtliche Geschäfte über Gegenstände, und hierunter ist alles zu begreifen, was Bestandteil des Vermögens einer Person sein kann, also außer Sachen und Vermögensrechten auch rein tatsächliche Verhältnisse, sofern sie einen Bermögenswert haben, z. B. gewerbliches Unternehmen, Kundschaft, Geschäftsgeheimnis, Zeitungstitel, ärztliche Praxis (soweit Ge­ schäfte hierüber nicht gegen die guten Sitten verstoßen), Pensionsbetrieb (RG 63, 57; 67, 86; 68, 54, 55 ; 69, 429; 70, 20, 220; Warn 09 Nr 5, auch 528; SeuffA 56 Nr 307). Insbesondere ist anzunehmen, daß derartige Vermögenswerte Gegenstand eines Kaufvertrags sein können (vgl. die obigen Entscheidungen, Prot 2, 51). Auch sind auf solche Verträge die Vorschriften üoer Sachmängel mit Recht entsprechend angewendet worden (RG 63, 57 ; 67, 86; 69, 429). Der Betrieb des Inseratenteils einer Zeitung ferner kann verpachtet werden. Gegenstand des Pachtvertrags im Sinne des § 581 ist hier ein Teil des Zeitungsunter­ nehmens, das Jnseratengeschäft (RG 70, 20). Vgl. weiter $ 1822 Nr 3 BGB, § 22 Abs 2 HGB. Auch Jmmaterialgüterrechte sind Gegenstände (RG 62, 321). Nicht Gegenstände sind dagegen Persönlichkeit- und Familienrechte, sowie Handlungen, auch nicht Kräfte (Elektrizität); bei den letzteren insbesondere kommt rechtlich nur die Arbeits­ leistung in Betracht (s. A 2). — Eine andere Bedeutung aber hat der „Gegenstand" aller­ dings in den lediglich Verfügungen betreffenden Gesetzesvorschriften (z. B. §§ 135, 161, 185, 816, 2040). Hier handelt es sich darum, was Gegenstand eines dinglichen Rechts sein kann. Dies sind nur Sachen und Vermögensrechte, niemals aber die oben erwähnten sonstigen Rechtsgüter. Allerdings wird auch ihr Genuß, z. B. der eines eingerichteten Gewerbebetriebes, gegen widerrechtliche Eingriffe nach Maßgabe des $ 823 geschützt (RG 56, 271; 58, 24; 64, 53, 155; IW 06, 1637). Auch steht dem Inhaber eines Gewerbebetriebs eine der Eigentumsfreiheitsklage entsprechende (quasinegatorische) Klage auf Unterlassung gegen rechtswidrige Störungen seines Betriebes zu (RG 60, 6; 61, 366; IW 07, 505'; 08, 133'). Mein die durch solche Rechtsbehelfe geschützte Rechtsstellung ist nicht ein übertragbares Recht am Rechtsgute, sondern lediglich die Folge der tatsächlichen Jnnehabung des Rechtsgutes, also ganz entsprechend der Rechtsstellung des Besitzers einer Sache ($$ 854 ff.). Daher kann ein gewerbliches Unternehmen als solches (z. B. ein Zeit­ schriftenverlag) nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein (RG 68, 491). Auch das Recht auf

Sachen

$$ 90—92

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einen Zeitschriftentitel ist nicht verpfändbar (RG 68, 55). Ebenso unterliegt die Veräußerung eines Handelsgeschäfts nicht der Gläubigeransechtung (RG 70, 226; s. A 1). Den dinglichen Rechten wird weiter das ehemännliche Verwaltung- und Nutznießungsrecht gleichzustellen sein. Der Ehemann darf also ohne Zustimmung der Ehefrau ein von dieser betriebenes Er­ werbsgeschäft nicht selbst weiterführen (fit.; RG 59, 25). Allerdings unterliegen die einzelnen zu dem Geschäfte gehörigen Sachen und Rechte seinem Berwaltungs- und Nutznießungs­ rechte (KGJ 32 A 191); er kann daher mit ihnen ein eigenes, von dem der Frau ver­ schiedenes Gewerbe betreiben. Aber ihm fehlt die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung des Gewerbebetriebs der Frau, wenn diese ihre Zustimmung zur Fortführung des Gewerbes durch ihn versagt (RG 59, 32, vgl. § 1367 A 5). Bei der elterlichen Nutznießung liegt dies anders, da hier dem Vater auch die Sorge für die Person des Kindes und die Ver­ tretung des Kindes in allen Angelegenheiten zusteht (§ 1630). — Weder Gegenstände im weiteren, noch im engeren Sinne sind für sich allein die sog. Ge st altungsrechte (Anfechtungs-, Kündigungs-, Rücktrittsrechte), da sie keinen selbständigen Bermögenswert haben (vgl. RG 30, 74, HW 09, 657'). Auch das Recht auf Annahme eines Ver­ tragsantrags ist mcht übertragbar, außer wenn der Antragende dies bestimmt hat; es ist daher nicht pfändbar und kann vom Konkursverwalter und Ehemanne nicht ausgeübt werden (vgl. RG Gruch 53, 835).

8 »1 Vertretbare Sachen») im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen"), die im Verkehres nach Zahl, Matz oder Gewichts bestimmt zn werden pflegen. E I 779 II 77b MS, SS P S, 2.

1. Der im z 91 bestimmte Begriff der vertretbaren Sachen ist verwendet z. B. in den $$ 607, 651, 700, 706, 783. Auch in §§ 363, 381, 406, 419 HGB und » 592, 688, 794 Nr 5 ZPO wird er in demselben Sinne gebraucht. 2. Nur bewegliche Sachen (s. § 90 911) können vertretbare Sachen sein, also niemals Grundstücke. Wohl aber können Grundstücke unter Umständen (z. B. bei mehreren Trennstücken gleicher Größe und Lage) kraft Parteiwillens Gegenstand einer Gattungsschuld im Sinne des § 243 sein. 8. Nur, wenn Sachen allgemein und regelmäßig im Verkehre nach Zahl,. Maß oder Gewicht bestimmt werden, sind sie vertretbar. Auf die Anschauung und den Willen der Par­ teien im einzelnen Falle kommt es also nicht an. Zu beachten ist aber, daß in einigen der Vorschriften, die sich auf vertretbare Sachen beziehen, nach dem Sinne des Gesetzes nicht nur vertretbare Sachen geschuldet, sondern diese auch lediglich der Gattung nach bestimmt sein müssen (Gattungsschuld), z. B. in §§ 607 (Darlehen), 783 (Anweisung). Werden also in diesen Fällen bestimmte Stücke der Gattung ausgesondert, so sind die betreffenden Vor­ schriften nicht anwendbar (vgl. RG 10, 341). Bei der Gattungsschuld kommt es umgekehrt in erster Linie auf den Parteiwillen an (s. A 4). 4. Die Sachen müssen im Verkehre nach Zahl, Maß oder Gewicht und, waS als selbstverständlich weggelassen ist, im übrigen nach Gattungsmerkmalen bestimmt werden. Derartige Sachen sind z. B. Getreide, Wertpapiere, Geld. Jedoch hangt es bei dem letz­ teren von der Währungsordnung ab, ob die einzelnen Geldsorlen an Stelle anderer Sorten in Zahlung genommen zu werden brauchen (z. B. Scheidemünzen an Stelle von Gold; vgl. RMünz G. v. 1. 6. 09). Auch Maschinen sind vertretbare Sachen, wenn sie nach Preis­ listen gehandelt und nicht einem bestimmten Betriebe oder Raume angepaßt oder sonst nach besonderen Zeichnungen für den einzelnen Fall angefertigt sind (RG Gruch 48, 1070). — Da eS zum Wesen der vertretbaren Sachen gehört, daß sie im Verkehre nur der Gattung nach bestimmt werden, sind sie auch regelmäßig Gegenstand einer Gattungsschuld (§ 243). Doch müssen sie eS nicht notwendig sein, da es den Parteien freisteht, vertretbare Sachen im einzelnen Falle (im Gegensatz zu der allgemeinen BerkehrSanschauung) nach Sonder­ merkmalen zu bestimmen.

8 »2 Verbrauchbare Sachen») im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen"), deren bestimmungsmätziger Gebrauchs in dem Verbrauchs oder in der Veräutzerung besteht"). Ms verbrauchbar gelten") auch bewegliche Sachen, die zu einem Waren­ lagers oder r« einem sonstigen Sachinbegriffe °) gehören, defsen bestimnmngsmStziger Gebranch in der Versicherung der einzelnen Sachen besteht. « I 780 II 77c S» 3, 84 * 3, 2.

1. Der Begriff der verbrauchbare« Sache« wird vom Gesetz in den §§ 706, 1067, 1075, 1084, 1086, 1376, 1377, 1392, 1411, 1540, 1653, 1659, 2116, 2325 verwendet.

Allgemeiner Teil

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2. Wegen der beweglichen Sachen vgl. § 90 A 1, 8 91 A 2. 3. Darin, daß der bestimmungsmäßige Gebrauch in dem Verbrauch oder der Ver­ äußerung bestehen muß, liegt einmal, daß es nur auf die allgemeinen Verkehrsanschauungen über die Verbrauchbarkeit der Sachen ankommt, und sodann, daß der Verbrauch gerade der verfolgte Zweck des verkehrsüblichen Gebrauchs, nicht eine, wenn auch notwendigerweise, nebenher eintretende Folge desselben sein, und daß die leichte Veräußerlichkeit aus dem Wesen der Sache folgen, nicht aus zufälligen besonderen Umständen beruhen muß. 4. Der bestimmungsmäßige Gebrauch besteht in dem Verbrauch z. B. bei Lebens­ mitteln, Brennstoffen; nicht aber bei Kleidungsstücken, auch wenn sie nur kurze Zeit benutzbar sind (str.). 5. In der Veräußerung besteht vor allem beim Gelde der bestimmungsmäßige Gebrauch. Ferner bei Banknoten und andern geldähnlichen Papieren. Auch börsengängige Wertpapiere, die in der Regel zu Spekulationszwecken verwendet werden, wird man hierher rechnen müssen; nicht aber sog. Anlagepapiere (z. B. Deutsche Reichsanleihe, preußische Konsols). Die Grenze läßt sich in allen diesen Fällen nicht scharf ziehen. 6. AlS verbrauchbar gelten die Sachen, hinsichtlich deren die Voraussetzungen des Abs 2 erfüllt sind, ohne Rücksicht darauf, ob die Sachen sonst nach der Berkehrsanschauung gemäß Abs 1 als verbrauchbar anzusehen wären. 7. Warenlager ist ein Inbegriff von Gegenständen des Handelsverkehrs, die zu dem Zwecke zusammengebracht worden sind, um veräußert zu werden. 8. Über Sachinbegriffe s. 8 90 A 1 bei „Sachgesamtheit".

§ »3 Bestandteiles einer Sache-), die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere-) zerstört«) oder in seinem Wesen verändert-) wird (wesentliche Bestandteile)-), können nicht Gegenstand be­ sonderer Rechte sein'). 6 I 782 II 77d M 3, 40 P 3, 4.

1. Bestandteile sind die durch mechanische (nicht chemische) Zerlegung oder (bei Grund­ stücken) räumliche Abgrenzung zu gewinnenden Teile einer Sache (eine Erweiterung des Begriffs enthält 8 96). In diesem Sinne sind alle Sachen teilbar. Aber der wirtschaft­ liche Erfolg der Teilung ist verschieden. Mit Rücksicht hierauf unterscheidet das BGB, wie 8 93 ergibt, zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen. Über die wesentlichen Bestandteile s. A 3 ff. — Die unwesentlichen Bestandteile unterscheiden sich von den wesent­ lichen dadurch, daß sie auch während ihrer Verbindung mit der Sache Gegen st and be­ sonderer dinglicher Rechte sein können. Daher erlöschen Rechte an Sachen nicht, wenn diese mit einer andern Sache derart verbunden werden, daß sie nur unwesentliche Be­ standteile bilden. Auch während ihrer Verbindung kann der Eigentümer der ganzen Sache an ihnen besondere dingliche Rechte bestellen. Sie werden, solange besondere Rechte daran bestehen, hinsichtlich der Befugnisse des Berechtigten wie selbständige Sachen zu behandeln sein. Daher kann sie z. B. ihr Eigentümer oder der Pfand gläubiger, der letztere, wenn er zum Verkauf berechtigt ist, von der Hauptsache abtrennen. Das Eigentum daran wird (außer bei Flächenteilen eines Grundstücks) nach den 88 929 ff. erworben, selbst wenn sie Be­ standteile eines Grundstücks sind. Auch Erwerb im guten Glauben nach 8 932 kann an ihnen stattfinden. Dieser Erwerb tritt aber erst mit der Übergabe, nicht etwa schon mit der Auf­ lassung des Grundstücks ein, zu dem sie gehören. — Alles dies hat jedoch nur als Aus­ nahme zu gelten. Grundsätzlich teilen auch unwesentliche Bestandteile das Schicksal der Hauptsache. Wenn also keine besonderen Rechte an ihnen bestehen, erstreckt sich das Recht an der Hauptsache auch auf sie, und bei einer Veräußerung jener wird das Eigentum an ihnen miterworben, ohne daß hinsichtlich ihrer eine besondere Einigung und Übergabe stattzufinden braucht. Auch ist in diesem Falle eine besondere Zwangsvollstreckung in sie nicht zulässig. Unwesentliche Bestandteile eines Grundstücks unterliegen vielmehr lediglich der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Das ergibt sich schon daraus, daß die ZPO in 8 865 nur über die Zwangs­ vollstreckung in getrennte Bestandteile (wesentliche uud unwesentliche) Vorschriften gibt. Desgleichen ist eine besondere Pfändung unwesentlicher Bestandteile beweglicher Sachen ausgeschlossen. 2. Eine Sache ist ein körperlicher Gegenstand ($ 90), ein begrenztes körperliches Stück der den Menschen umgebenden Natur (s. 8 90A1). Jede Sache setzt sich aus Bestandteilen zusammen. Bestandteil kann daher nur das sein, was Teil einer ein­ heitlichen Sache ist, nicht, was selbst eine Sache unter den mehreren selbständigen Sachen ist, die ein wirtschaftliches Ganzes bilden (RG 63, 172; 67, 35; 69, 120, 152; M 09, 267*,

Sachen

§§ 92, 93

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483*; Warn 10 Nr 97, 190). Dies gilt auch von den wesentlichen Bestandteilen. Es muß also, ehe festgestellt werden kann, daß etwas im Sinne des § 93 (für die Fälle des § 94 s. A 1 dort) wesentlicher Bestandteil ist, entschieden sein, daß es überhaupt Bestandteil einer einheitlichen Sache ist (RG 63, 173; 67, 30). — Die einzelnen Bestandteile setzen sich wieder aus Bestandteilen zusammen. Die letzteren sind natürlich immer auch Bestandteile der ganzen Sache. Jedoch mit einem Unterschiede: wenn sie außer zu dem Bestandteile auch in einem körperlichen und wirtschaftlichen Verhältnis zu der ganzen Sache stehen, werden sie auch in erster Linie Bestandteile dieser sein; sie können aber auch zunächst lediglich Unterbestandteile eines Bestandteils der Sache bilden, so Haß sie deren Bestandteile nur in zweiter Linie sind (vgl. RG 67, 33; 69, 152). Im letzteren Falle ist es möglich, daß sie wesentliche Bestandteile des Bestandteils, dieser dagegen nicht wesentlicher Bestand­ teil der ganzen Sache ist. Die Feststellung dessen, waS eine einheitliche Sache (eine Einzelsache im Verhältnis zu der umfassenderen wirtschaftlichen Gesamtheit) ist, beruht im wesentlichen auf der Abgrenzung von den bloß wirtschaftlichen Einheiten. Aus dem Gesetze ergibt sich für diese Abgrenzung nichts weiter, als daß die Sacheinheit ein zusammenhängendes körperliches Stück der Natur sein muß, der Bestandteil rechtlich nicht als s e l b st ä n d i g e Sache gewertet werden darf. Im übrigen muß die natürliche Anschauung, die Verkehrsauffassung, maßgebend sein (RG 67, 30; 69, 121, 153). Sachbestandteile sind also Sachstücke, die ent­ weder von Natur zusammen einen körperlichen Gegenstand bilden oder ihre frühere Eigen­ schaft als selbständige Sachen durch Verbindung miteinander dergestalt verloren haben, daß sie fortan, solange die Verbindung dauert, nach der Verkehrsauffassung insgesamt als ein einziger körperlicher Gegenstand erscheinen (RG 63, 173, 418; 67, 32), und zwar kommt es in letzterer Hinsicht auf die allgemeine Verkehrsauffassung an, nicht auf die Meinung einzelner beteiligter Kreife (RG 67, 33; vgl. jedoch 69,153). — Von Natur eine Einheit bildet z. B. ein Tier, ein Stein. Ihnen find die sog. künstlichen Einheitssachen, bei denen die Bestandteile unter sich gleichartig und gegeneinander nicht irgendwie abgegrenzt sind (z. B. ein Goldbarren, ein Stück Butter, auch ein Haufen Getreide), gleichzustellen. Hier wird die Feststellung dessen, was eine Sache ist, selten Schwierigkeiten machen. — Diesen Sachen gegenüber stehen die sog. z u s a m m e n g e s e tz t e n Sachen, die aus unter sich ungleichartigen Bestandteilen bestehen. Hier muß jedenfalls zunächst ein körperlicher Zusammenhang unter den Teilen bestehen. Es genügt also nicht ein gewisses räumliches Verhältnis wie beim Zubehör (RG 69, 152). Dieser Zusammenhang kann verschiedenartig sein: a) Bei einer fest en Verbindung wird man eine einheitliche Sache anzunehmen haben, falls nicht die Verkehrsauffassung denl entgegensteht. § 94 Abs 1 wird als An­ wendungsfall dieses allgemeinen Grundsatzes zu betrachten sein. Darüber, was als feste Verbindung anzusehen ist, s. § 94 A 2. Zu betonen ist hier aber besonders: die Verbindung muß eine derartige sein, daß nach der Verkehrsauffassung das Verbundene als in den betreffen­ den körperlichen Gegenstand aufgegangen, lediglich als dessen Teil erscheint, b) Unter Um­ ständen genügt auch"eine nur loseBerbindung (RG 50, 243; 62, 250; 63, 173; 67, 34; 69, 152; IW 04, HO4; 08, 2951, 322*). Sie kann nach Lage des Falles sogar in einem bloßen Auseinanderliegen der Teile (RG 62, 250) oder darin bestehen, daß der eine Gegen­ stand in den andern lose hineingepaßt ist (z. B. Schublade und Tisch). Dann muß aber noch mehr vorliegen als die Verbindung, um das Ganze als einheitliche Sache erscheinen zu lassen. Notwendig wird hier zunächst ein allen Teilen gemeinsamer (in der Regel wirtschaftlicher) Zweck sein. Auch dies reicht aber trotz des körperlichen Zusammenhanges dann nicht aus, wenn die verbundenen Gegenstände eine größere Zahl besonderer Merk­ male besitzen (anders z. B. Eisenstangen). Denn das Verbundene wird in einem solchen Falle nicht als Sachteil, sondern als eine trotz der Verbindung für sich selbst bestehende Sache anzusehen sein. Dagegen wird das Verbundene trotz nur loser Verbindung als Sachteil (Sachstück) erachtet werden können, wenn es einesteils durch die Ver­ bindung erst.seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wird, und es andernteils auf die Gestalt und das Wesen der betreffenden Sache einen derartigen Einfluß ausübt, daß die bcstimmungsgemäße Benutzung der ganzen Sache während der Dauer der Verbindung erst durch das Verbundene ermöglicht wird und die Sache nach etwaiger Trennung der Ergänzung durch einen dem Verbundenen gleichen oder doch ganz ähnlichen Gegenstand bedürftig ist oder durch die Trennung wertlos wird. Das ist z. B. der Fall bei: den Preßluftreisen eines Kraftwagens oder Fahrrads, abschraubbaren Maschinen­ teilen, dem Rad eines Wagens, einer Tischplatte, Glocke und Zylinder einer Stubenlampe, dem Altar einer Kirche. Auch die Ofen für Wohnhäuser wird man, soweit nicht, wie in einzelnen Gegenden, die Verkehrsauffassung entgegensteht, hierher rechnen müssen, da ihr Wesen darin besteht, daß sie zur Erwärmung der Räume eines Hauses dienen. Ist aber die Verbindung eine mehr äußerliche und beeinflußt ihr Zweck das Wesen des Ganzen nicht bestimmend, sodaß im Falle einer Trennung das,

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Allgemeiner Teil

zu dem das Verbundene hinzugekommen war, auch in anderer Art als gerade mittels einer solchen Verbindung verwendet werden kann (z. B. bei der Verbindung einer Lokomobile mit einer Dreschmaschine, die auch durch andere Triebkräfte in Bewegung gesetzt werden kann, oder bei Aufstellung einer Akkumulatorenbatterie in einem Hause), so wird anzunehmen sein, daß die vereinigten Gegenstände trotz der Verbindung selbständige Sachen geblieben sind (vgl. RG 56, 290). Ferner wird in Anwendung des $ 95, der allerdings nur von Grundstücken und Gebäuden spricht, aber einen allgemeinen Rechts­ gedanken enthält, zu verlangen sein, daß die Verbindung zu einem dauernden Zwecke erfolgt ist. Doch verlieren Gegenstände nicht dadurch den Charakter als Bestandteile, daß sie zeitweise von der Sache (z. B. zu Zwecken der Reinigung) entfernt werden (OLG 10, 60). Die Frage, ob Bestandteile oder selbständige Sachen vorliegen, ist besonders wichtig geworden sür Maschinen (zu einem Fabrikbetrieb bestimmte Gerätschaften, s. § 98 Nr 1), die in einem Fabrikgebäude aufgestellt sind. Von vornherein ist zu verneinen, daß Maschinen Bestandteile einer Fabrik a n l a g e sein können. Eine Fabrikanlage ist nicht ein einziger körperlicher Gegenstand, als dessen Sachteile (Sachstücke) die Maschinen in Betracht kommen könnten: vielmehr besteht sie aus einer Mehrheit von selbständigen Sachen, die nur zu einem wirtschaftlichen Zweck vereinigt sind (RG 62, 408; 63, 172; 67, 35; Gruch 52, 913). — Ferner können Maschinen als Bestandteile eines Fabrikgebäudes nur dann erachtet werden, wenn sie nach der Verkehrsauffassung als körperlich unselbständige Gebäudeteile (Gebäude­ stücke) gelten (RG 67, 32; 69, 121). Letzteres wird nur gegeben sein, wenn die Maschinen zur Herstellung gerade dieses Gebäudes eingesügt sind, das Gebäude also durch die Vereinigung mit ihnen eine besondere Eigenart als Baulichkeit erlangt hat, oder wenn die Maschinen mit dem Gebäude derart wirklich fest verbunden sind, daß sie für den Verkehr nicht als körperlich selbständige Maschinen, sondern nur noch als Gebäudestücke in Betracht kommen. Im ersteren Falle folgt die Eigenschaft als Bestand­ teile, und zwar als wesentliche Bestandteile, nicht sowohl aus § 93 als vielmehr aus § 94 Abs 2 (s. 8 94 A 7). Eine Einfügung zur Herstellung des Gebäudes wird aber in der Regel nur bei solchen Maschinen in Frage kommen können, die eigens für das betreffende Ge­ bäude angesertigt worden sind (s. 8 94 A 7). Nach Preislisten gehandelte Maschinenwaren, wie namentlich Lokomobile, Motore und ähnliche Betriebsmaschinen, werden wohl kaum jemals in dieser Weise eingesügt werden und sie werden daher nicht als Bestandteile des Gebäudes zu erachten sein, es sei denn, daß sie im vorgenannten Sinne mit dem Gebäude fest verbunden sind (RG 67, 34; 69, 122; IW 08, 322-; 08, 738-, 4; Warn 09 Nr 58; 09 Nr 59; 09 Nr 173; 09 Nr 174; 09 Nr 337; 10 Nr 97; 10 Nr 190). Der oben aus­ gestellte Grundsatz, daß unter Umständen auch eine nur lose Verbindung die Bestandteilseigenschaft begründen kann, wird für das Verhältnis von Maschinen zu einem Fabrik­ gebäude, in der Regel wenigstens, nicht zur Anwendung kommen können, namentlich nicht bei nach Preislisten gehandelten Maschinenwaren; denn bei der Verschiedenheit des Wesens eines Gebäudes und einer Maschine werden beide Sachen im Falle einer nur losen Verbindung nach der Verkehrsauffassung nicht als zu einem einzigen körperlichen Gegenstand vereinigt, sondern als eine Mehrheit selbständiger, nur für einen wirtschaftlichen Zweck zu­ sammengebrachter Sachen erscheinen (vgl. RG 67, 34; 69, 122). — An sich nicht völlig gleich mit dem Vorstehenden ist die Frage zu behandeln, ob Maschinen Bestandteile einer Fabrik sein können. Nach 8 98 Nr 1 ist unter Fabrik ein für einen Fabrikbetrieb dauernd ein­ gerichtetes Gebäude zu verstehen und sind Baulichkeit und Einrichtung zum Fabrikbetriebe zusammen als eine Sache aufzufassen. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß Maschinen als Einrichtungsgegenstände Bestandteile der Fabriksache seien. Vielmehr sind nach 88 97, 98 Nr 1 die zu dem Betriebe bestimmten Maschinen Zubehör der Fabrik, wenn sie zu dieser in einem dem Betriebszweck entsprechenden räumlichen Verhältnisse stehen, vorausgesetzt, daß sie nicht Bestandteile sind. Wenn auch hieraus nicht zu entnehmen ist, daß nach dem Willen des Gesetzes Maschinen regelmäßig als Zubehör der Fabrik anzusehen sein sollen (RG 69, 153), so ergibt doch die ZubehörbesUmmung, daß außer dem bezeichneten räumlichen Verhältnisse zwischen Maschinen und Fabrik noch ein weiterer Umstand gegeben sein muß, um die Annahme der Bestandteilseigenschaft zu rechtfertigen. Dieser Umstand aber kann auch hier nur darin gefunden werden, daß die Maschinen zur Herstellung des zum Fabrikbetriebc dauernd eingerichteten Gebäudes eingefügt oder damit in obigem Sinne fest verbunden sind (vgl. RG 67, 33; 69, 120). — Anders verhält es sich, wenn die Maschinen mit dem Grund und Boden fest verbunden sind. Dann sind sie nach 8 94 Abs 1 Bestandteile, und zwar wesentliche Bestandteile, unmittelbar des Grundstückes selbst. Ob etwas Bestandteil oder selbständiger Gegenstand ist, ist, insbesondere auch hin­ sichtlich der Maschinen, Tatfrage (RG 67, 36; IW 07, 128* u. 7). Rechtsfrage ist nur die richtige Anwendung der Grundsätze, nach denen das Vorhandensein der Bestandteils­ eigenschaft festzustellen ist. — Aus der neueren Rechtsprechung sind folgende Beispiele

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anzusühren: Nicht als Bestandteile sind angesehen worden: eine Steindruckpresse in einer Bilderbücherfabrik (RG IW 07, 1287); Schnellpresse und Maschinen in einer Druckerei (RG IW 08, 322*; 09, 159*); Maschinen in einer Stickereifabrik (RG Warn 08 Nr 491); Webstühle und Maschinen in einer Spinnerei (RG IW 09, 267*; 09, 483*); eine Saug­ gasmotoranlage in einem Mühlengebäude (RG Warn 09 Nr 68); Pendelsäge, Kreissäge, Bandsäge, Schnellbohrmaschine, Schmirgelschlcifmaschine, Hobelmaschine, Motore zur Lichtund Kraftanlage usw. in einer Holzbearbeitungsfabrik (RG Gruch 52, 913); ein Motor in einer Fleischwarenfabrik (RG 69, 117); eine Lokomobile in einem an ein Fabrikgebäude angebauten Schuppen (RG Warn 10 Nr 97); eine in einem Kesselhaus aufgestellte Lokomobile, obwohl diese die einzige treibende Kraft einer Mühle bildete und das Kesselhaus den Größenverhältnissen der Lokomobile angepaßt worden war (RG Warn 09 Nr 59; 10 Nr 190); ebenso Maschinen, die zwar für den Fabrikationsbetrieb von wesentlicher Bedeutung, trotzdem aber nicht Gebäudeteile geworden waren (RG67, 30; 69,117); Gleis­ anlage eines Fabrikgrundstückes (RG Warn 08 Nr 114). Als B e st a n d t e i l ist dagegen behandelt worden: die elektrische Kraftanlage eines Kokswerks (RG 69, 150); die Automateneinrichtung eines Automaten-Restaurationsgebäudes (RG Gruch 53, 897, allerdings unter dem Gesichtspunkte der Einfügung zur Herstellung des Gebäudes; richtiger, weil einheitliche Sache nach § 93, s. 8 94 A 7). Heizungs- und Beleuchtungsanlagen in herrschaftlichen Wohnhäusern und in Hotels werden ebenso wie die Ofen als Bestandteile insoweit anzusehen sein, als die einzelnen Einrichtungen nur zu einer derartigen Verwendung für die Zwecke des Hauses bestimmt sind. Sie brauchen aber deshalb noch nicht wesentliche Bestandteile zu sein (vgl. RG 58, 338; IW 09, 130*; Gruch 46, 856, s. A 5). Gleiches wird von Badeeinrichtungen anzunehmen sein, wenn sie mit Wasseranschlußröhren versehen und in besonderen Badezimmern eines herrschaftlichen Hauses angebracht sind (RG Gruch 45, 1006; IW 01, 362). 8. Bestandteile sind wesentlich, wenn der eine oder der andere durch die Tren­ nung zerstört oder in seinem Wesen verändert werden würde. Es kommt also allein auf die Zerstörung oder Veränderung der B e st a n d t e i l e, nicht etwa der ganzen Sache an (RG 62, 409; IW 04, 354*; Warn 08 Nr 114). Sind die Bestandteile noch in der bisherigen Art wirtschaftlich auszunutzen, sei es auch, daß sie zu diesem Zwecke erst wieder mit andern Sachen verbunden werden müssen, so sind sie nicht wesentliche Bestandteile. Daher sind der Stein am Ring, Rad und Deichsel am Wagen, der Rahmen des Bildes in der Regel (Aus­ nahmen s. A 5) nicht wesentliche Bestandteile (vgl. Prot 3, 5). 4. Unter Zerstören ist die völlige Umänderung der bisherigen körperlichen Be­ schaffenheit des Bestandteils, nicht die Aufhebung seiner wirtschaftlichen Bedeutung zu ver­ stehen. Die letztere kommt nur bei der Frage der Wesensveränderung in Betracht (str.). Wesentliche Bestandteile sind danach z. B. die Tapeten, da sie beim Abnehmen von der Wand zerrissen werden. 5. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Bestandteil durch die Trennung in seinem Wesen verändert wird, müssen vor allem wirtschaftliche Rücksichten maßgebend sein, da auf ihnen überhaupt die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestand­ teilen beruht (RG 58, 338). Daher ist Wesensveränderung vor allem Verlust oder Ver­ ringerung der bisherigen wirtschaftlichen Bedeutung oder des Wertes. Zum „Wesen" eines Gegenstandes gehören also alle Eigenschaften, die seine wirtschaftliche Bedeutung begründen. Die Verkehrsanschauung ist auch hier von Einfluß. Jedoch kann man als wesentlich nicht solche Eigenschaften bezeichnen, die nur von untergeordneter Art sind. Eine im Verhältnis zum Werte des ganzen Bestandteils nicht sehr erhebliche Minderung des Wertes und nicht bedeutende Änderung in der wirtschaftlichen Ausnutzungs­ möglichkeit ist belanglos (RG IW 09, 130*). Daher können von diesem Gesichtspunkte aus Beleuchtungsanlagen eines Wohnhauses oder Hotels je nach Lage der Umstände wesentliche oder unwesentliche Bestandteile sein (RG 58, 338; IW 09, 130*; Gruch 46, 856, s. A 2). — Die Verminderung der wirtschaftlichen Bedeutung der ganzen Sache kommt zwar nicht in Betracht (s. A 3); in den Fällen jedoch, in denen der eine B e st a n d t e i l als Hauptsache im Sinne des § 947 Abs 2 zu betrachten ist, fällt der wirtschaftliche Zweck der ganzen Sache mit dem des Hauptbestandteils zusammen (vgl. RG 62, 409). Wenn daher zu einem Fabrikbetrieb bestimmte Gerätschaften (Maschinen) Bestandteile eines Fabrik­ gebäudes sind (s. A 2), so sind sie wesentliche Bestandteile, falls der Fabrikbetrieb durch die Entfernung der Maschine unmöglich werden würde (RG 67, 30; 69, 152). Die Be­ einträchtigung darf aber auch hier keine unerhebliche sein. Das Gebäude muß deshalb für einen ganz bestimmten Fabrikbetrieb eingerichtet sein und gerade diesem Betriebe müssen auch die Gerätschaften dienen, da sonst die Entfernung der Gerätschaften nicht als erhebliche Schädigung angesehen werden kann (RG 50, 242; IW 04, 354*; 05, 387*; 07,

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Allgemeiner Teil

1287). — Ofen eines Wohnhauses werden in der Regel dessen wesentliche Bestandteile sein, da sie für Wohnzwecke unentbehrlich sind. 6. Die einzelnen gesetzlichen Merkmale des Begriffs der wesentlichen Bestandteile sind in den A 2—5 behandelt. Es gibt jedoch noch einige Arten von Bestandteilen, auf die jene Merkmale nicht genau zutreffen. So hat die Unterscheidung von wesentlichen und nicht wesentlichen Bestandteilen überhaupt nur für zusammengesetzte Sachen (s. A 2) Wert. An Bestandteilen von Einheitssachen ls- A 2) können keine besonderen Rechte bestehen, da diese eine feste Begrenzung des Bestandteils voraussetzen. Me Bestandteile einer Einheitssache sind daher wesentlich (str.). — Wesentliche Bestandteile müssen ferner die Teile des Erdbodens sowie die Teile des Luftraumes über einem Grundstück sein. Dagegen sind die einzelnen Flächenteile eines Grundstücks unwesentliche Bestandteile. Sie können mit besonderen Rechten belastet werden. Doch sollen sie nach der Ordnungsvor­ schrift des $ 6 GBO vorher abgeschrieben werden. Eine für sich allein auf einem Grund­ buchblatt stehende Liegenschaft (vgl. §§ 3, 5 GBO), ist eine selbständige Sache, niemals Bestandteil (oder Zubehör) eines anderen Grundstücks (RGJW 10, 60*). Bgl. auch $873 A 4 sowie $$ 890,1131. Über Anlandungen, entstehende Inseln und verlassene Flußbette vgl. Art 65 EG. 7. Das Gesetz bestimmt zwingend (RG 62, 410), daß wesentliche Bestandteile nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können. Es können also weder während der Verbindung eines wesentlichen Bestandteils mit der Sache am Bestandteil ein vom Eigentum an der Sache verschiedenes Eigentum oder andere dingliche Rechte begründet werden, noch bleiben solche Rechte bestehen, wenn ein bisher selbständiger Gegenstand zum wesentlichen Bestandteil einer Sache wird. Für den letzteren Fall bestimmen die $$ 946—949, welches die Rechtsfolgen einer derartigen Verbindung sind. Danach ist insbesondere ein Eigentumsvorbehalt an einem Gegenstände, der zum wesentlichen Bestandteil einer Sache wird, unwirksam (RG 50, 241; 62, 410; 63, 420; 69, 153; IW 04, 138«, 548«; 09, 484’). Die Verbindung eines unter Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenstandes mit einer Sache kann auch nicht als eine nur zu einem vorübergehenden Zwecke erfolgte ($ 95) angesehen werden (RG 62, 410; 63, 421; IW 06, 189’). Das vorbehaltene Eigentum geht vielmehr unter. Selbst dann, wenn es an dem Bestandteile durch Zeichen kenntlich gemacht worden ist (RG IW 04, 138’). Ferner erstreckt sich die Hypothek auf die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, auch wenn an ihnen fremdes Eigentum Vorbehalten war und trotz Kenntnis des Hypothekengläubigers vom Vorbehalt (RG IW 04, 138’). Beim Verkauf eines Grundstücks kann sich der Ver­ käufer nicht das Eigentum an einem darauf stehenden Gebäude Vorbehalten (KGJ 25 A 139). Im Falle der Zwangsversteigerung eines Grundstücks erwirbt der Ersteher das Eigentum an den wesentlichen Bestandteilen auch dann, wenn hinsichtlich ihrer ein Eigentumsvorbehalt bestand, und selbst wenn der Zuschlagsbeschluß die Bestandteile ausdrücklich von dem Zu­ schläge ausnimmt oder bezüglich ihrer das Verfahren eingestellt worden ist (RG 67, 30; IW 09, 484’). Doch kann dem Ersteher die persönliche Verpflichtung auferlegt werden, die Bestand­ teile an den Berechtigten herauszugeben (vgl. RG IW 09,484’). Im Konkurse begründet ein Eigentumsvorbehalt und persönlicher Anspruch auf Abtrennung eines wesentlichen Bestand­ teils kein Aussonderunasrecht (RG IW 06, 417’). — Ferner kann an stehenden Bäumen nicht das Eigentum übertragen oder ein anderes dingliches Recht daran begründet werden; auch die Bestellung sowie die Eintragung einer im Grundbuche eingetragenen „Abholzungs­ gerechtigkeit" ist unwirksam (RG 60, .317). — Weiter ist ein Sondereigentum an einem Stockwerk eines Gebäudes nach den $$ 93, 94 ausgeschlossen. Das zur Zeit des Inkrafttretens des BGB nach einigen Rechten bestehende Stockwerkseigentum bleibt aber gemäß Art 182 EG bestehen. — Zulässig dagegen ist die Begründung der lediglich per­ sönlichen Verpflichtung, einen wesentlichen Bestandteil von einer Sache abzutrennen (RG 63, 307; Gruch 52, 919); wie überhaupt auch wesentliche Bestandteile Gegenstand schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte (z. B. Kauf, Miete) sein können. Ebenso ist ein Sonder besitz an wesentlichen Bestandteilen einer Sache möglich (vgl. $ 865; Befugnis des Besitzers zur Abtrennung, $ 997). — Früchte auf dem Halm unterliegen nach $ 810 ZPO ausnahmsweise der Pfändung.

8 M Zu de« wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehörens di« mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen«), insbesondere Gebäude"), sowie die Erzeugnisse des Grundstücks4), solange sie mit dem Boden Zusammen­ hängen. Samen") wird mtt dem Aussäen, eine Pflanze«) wird mit dem An­ pflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

Sachen

§§ 93, 94

65

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehörens die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen'). E I 783, 784 II 77e M 3, 42 P 3, 6.

1. Au den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks bezw. Gebäudes gehören die in $ 94 genannten Sachen ohne Rücksicht darauf, ob auf sie die Voraussetzungen des § 93 Lutreffen. $ 94 gibt nicht Beispiele zu §93, sondern erweitert den Kreis der wesent­ lichen Bestandteile. — Indem $94 bestimmte Sachen für wesentliche Bestandteile erklärt, fagt er auch, daß sie überhaupt Bestandteile sind. Es darf also nicht erst gefragt werden, ob eine Pflanze, ein Gebäude oder eine zur Herstellung eines Gebäudes eingefügte Sache Bestand­ teil des Grundstücks oder Gebäudes geworden ist; anders wie in § 93, wo die BestandteilsEigenschaft als eines der Merkmale des Begriffs der wesentlichen Bestandteile aufgestellt ist es Hauptschuldners (RG Gruch 52, 925; IW 06, 131). (Die Richtigkeit dieser Annahme kanm jedoch zweifelhaft sein). Es kommt darauf an, in welcher Richtung man die Worte „der Person" in Abs 2 versteht. Ebenso ist beachtlich der Irrtum der Braut über den Vermögensbesitz des Bräutigams (RG 61, 86). Bei Verträgen, nach denen die Leistung vom Vertragsgegner in Person oder doch unter seiner persönlichen Verant­ wortlichkeit gefordert ist, können die Sachkunde und die persönliche Vertrauenswürdigkeit des Verpflichteten eine wesentliche Molle spielen (RG 62, 284), so insbesondere bei Abschluß eines Gesellschaftsvertrages (RG 2.1-0.07 I 586/06); ferner das Vorleben eines Chefarztes bei dessen Anstellung (RG Warn 09„ 2). Irrtum über den Gesundheitszustand bei der Invaliden­ versicherung begründet für die Versicherungsgesellschaft kein Anfechtungsrecht (RG Gruch 50, 643). Im allgemeinen ist iim übrigen zu sagen, daß bei einer Sachleistung die Person

102

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

des Verpflichteten in der Regel keine entscheidende Rolle spielt. Unzulässig ist es daher auch, einen Irrtum über die Leistungsfähigkeit eines Unternehmers, der sich überdies als Irrtum erst durch die mangelhafte Art der Erfüllung herausgestellt hat, als Anfechtungsgrund zu benutzen (RG IW 06, 131). Als Eigenschaften einer Sache kommen in erster Linie in Betracht: der Stoff und die Herkunft (Echtheit). In weiterem Sinne sind als Eigenschaften auch anerkannt die Bebau­ barkeit eines Grundstückes (RG 61, 86: vgl. auch die dort weiter ausgeführten Fälle' aber nicht die „Baureife", RG Warn 08, 593), ferner die Ertragsfähigkeit eines Grundstücks, sowie dessen Belastung mit öffentlichen Lasten (RG 2. 5. 06 V 458/05); bei einem Erwerbsgeschäft, dessen Kundenkreis oder der Jahresumsatz (RG Warn 09, 383), bei einem Hause dessen Be­ nutzung als Schlupfwinkel für ein unsittliches Treiben (RG 2. 5. 06 V 458/05), bei Kuxen die Freiheit von Zubußen (RG Warn 08, 592). — Der Wert einer Sache selbst bildet keine Eigen­ schaft, wohl aber sind es in gewissem Umfange die für ihn in Betracht kommenden Umstände (RG 59, 242 zu § 459), zu denen jedoch etwa der Selbstkostenpreis nicht gehört (RG Warn 09, 309). — Wird Winterweizen statt Sommerweizen geliefert, so ist § 459 anwendbar (RG IW 03 Beil 69). — Die Zusicherung der Unkündbarkeit einer Hypothek enthält nicht die Zu­ sage einer Eigenschaft, und zwar weder des Grundstücks noch der Hypothek (RG Warn 09, 134; vgl. auch RG 30, 288). Die verabredeten Zahlungsbedingungen treffen nicht die Hypo­ thek unmittelbar. — Anderseits ist bei der Zusicherung, daß eine Hypothek „gut sei", die Zu­ sage einer Eigenschaft angenommen (RG Gruch 48, 343). Hier handelt es sich unmittelbar um die Beschaffenheit der Hypothek selbst. Dementsprechend müßte § 119 Abs 2 auch an­ wendbar sein, wenn sich der Irrtum auf diejenigen Umstände erstreckt hat, von denen die Sicher­ heit der Hypothek abhängt (vgl. das oben angezogene Urteil RG 59, 242). 6. über die Anfechtungserklärung vgl. § 143, über ihre Wirkung § 142, über die An­ fechtungsfrist § 121. Grundsätzlich ist Voraussetzung für die Anfechtung wegen Irrtums, daß die Leistung noch nicht ganz oder zum Teil bewirkt worden ist; denn in solchen Fällen greifen die Bestimmungen über die Folgen von der vertragswidrigen Erfüllung Platz (RG 62, 285). Berechtigt zur Anfechtung ist immer nur der Erklärende, der sich geirri hat; dagegen nicht auch sein etwaiger Bertragsgenosse oder der Vcrtragsgegner (RG IW 05, 111). Vgl. auch A 1 und das dort angezogene Urteil RG Warn 08, 276. Wenn mehrere zur Anfechtung eines gemeinschaftlichen Geschäftes berechtigt sind, kann jeder einzelne von ihnen das Recht zu seinen Gunsten ausüben (RG 56, 424). 7. Die BeweiSlast hat der den Irrtum Behauptende. Er muß insbesondere auch dar­ legen, wie er bei richtiger Kenntnis der Sachlage anders gehandelt haben würde. Indizien­ beweis ist zulässig (RG IW 05, 5251). Die Behauptung jedoch, daß er gegebenenfalls anders gehandelt haben würde, kann überhaupt nicht Gegenstand eines Beweises sein; über sie kann vielmehr, wie über die Frage des ursächlichen Zusammenhanges überhaupt, nur das richter­ liche Ermessen entscheiden. Der Richter darf sich aber nicht auf eine wortwidrige Auslegung der Erklärung stützen (RG 27. 11. 07 V 127/07). Der ursächliche Zusammenhang ist als gegeben anzusehen, wenn anzunehmen, daß der Erklärende bei Kenntnis der richtigen Sachlage die Erklärung nicht abgegeben haben würde (RG Warn 08, 196). 8. Über die Anfechtbarkeit von prozessualen Rechtshandlungen vgl. Vordem 8 vor § 104. Irrt sich der Bevollmächtigte bei der Abgabe einer Willens­ erklärung für seinen Vollmachtgeber über dessen wahre Willensmeinung, so begründet das nicht die Anfechtbarkeit der Erklärung (RG Gruch 49, 1049 und 7. 1. 08 VII 382/07). Vgl. auch § 166 A 2. 9. Ausgeschlossen ist die Anfechtung wegen Irrtums, wenn der andere den Irrtum erkannt hatte; denn ein Widerspruch zwischen dem wirklichen Willen und dem erklärten Willen ist unter solchen Umständen nicht anzunehmen (RG 66, 429). Ausgeschlossen ist ferner die Anfechtung aus § 119 Abs 2, wo das Wandlungsrecht aus den §§ 459, 462 Platz greift. Es sollte durch diese Bestimmungen zur Verkehrssicherheit für eine glatte Abwickelung der Kauf­ geschäfte in kurzer Frist vorgesorgt werden, und dazu hat das Gesetz die bezeichneten Fälle in den Grundsätzen von der Gewährleistung erschöpfend geregelt. Daher kann auch dann, wenn das Wandlungsrecht bereits verjährt ist, nicht mehr auf die Anfechtung zurückgegangen werden (RG 61, 171 ff.; 62, 285; 70, 429). Wohl aber dann, wenn der Fehler schon zur Zeit des Kaufabschlusses vorhanden war, ein Wandlungsanspruch jedoch noch nicht bestand, weil die Sache noch nicht übergeben war (RG Gruch 53, 939). Zulässig ist die Anfechtung neben der Wandlung stets, wenn es sich nicht um einen Fehler im Sinne des § 459 handelt und die Eigen­ schaft — Freiheit des Grundstückes von der ©trofcenfriulcift — auch nicht zugesichert war (KG 2. 5. 06 V 458/05). Handelt es sich nicht um einen Sachmangel, sondern um einen Mangel im Recht (§§ 434, 439 BGB), so sind die Gewährleistungsansprüche der §§ 462 ff. nicht ge­ geben, und daher kann hier neben den Rechten aus §§ 320—327 das Anfechtungsrecht nach § 119 bestehen (RG IW 09, 132). Regelmäßig beseitigt der vertragsmäßige Ausschluß der Gewährleistung für Mängel in entsprechendem Umfange regelmäßig auch das Anfechtungsrecht

Willenserklärung

§§ 119—121

103

wegen Irrtums (tR6 21.12. 04 V 266/04; 18. 4. 05 II 373/04; vgl. aber auch StG IW OS, 655). — Ausgeschlossen ist die Anfechtung eines Versicherungsvertrages seitens des Ver­ sicherers, wenn der Irrtum einen Umstand betraf, an den durch Gesetz oder Vertrag die Berwirkungsfolge geknüpft ist, falls sich nämlich der Versicherungsnehmer der Berwirkungseinrede des Versicherers gegenüber entschuldigen kann (§ 157 A 3), weil er dieses Vorteils im Falle der Anfechtung des Vertrages durch den Versicherer verlustig gehen würde (RG SeuffA 65, 191). — Falls der Verkäufer nur das fordert, was der Käufer nur geboten haben will, hat der letztere kein Interesse an der Anfechtung (RG 1. 5. 06 II 466/05).

8 120 »)Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittelung») ver­ wendete Person oder Anstalt») unrichtig Übermittelt») worden ist, kann unter der gleichen BorauSsetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung»)»). L I 101 II 95 M 1, 208 ff. P 1, 116 ff.

1. Irrtum bei Übermittlung von SSiNenSerklSrungen.

Der $ 120 beruht auf der Voraussetzung, daß sich der eine Teil dem anderen gegenüber nicht persönlich, sei eS mündlich oder schriftlich, sondern durch die Vermittlung eines anderen erklärt, und dieser andere die ihm aufgegebene Erklärung unrichtig wiedergibt. Das Ergebnis ist hier eine Nichtübereinstimmung zwischen dem Willen des Erklärenden und der dem Empfänger zugegangenen ErNärung, und auch diesen Fall will das Gesetz so angesehen wissen, als wäre der Widerstreit zwischen Wille und Erklärung durch einen Irrtum des Erklärenden bei einer eigenen ErNärungshandlung verursacht worden. Der Fall des § 120 ist daher genau nach Maßgabe des entsprechenden Falles aus 8 119 zu behandeln. 2. Es handelt sich hier lediglich um eine Vertretung in der Erklärung, nicht im Willen. Der letztere Fall ist im $ 166 geregelt. Die Mittelsperson muß die Erklärung erkennbar namens des Auftraggebers abgegeben haben. Hat sie in eigenem Namen gehandelt und das Geschäft für sich selbst abgeschlossen, so ist dieses für den Auftraggeber ein fremdes und seinerseits nicht anfechtbar. 8. Der Bote, wie gegebenenfalls die vermittelnde Anstalt — Telegraphenanstalt, Berkehrsanstalt — müssen von dem Erklärenden selbst verwendet sein, mithin in seinem Auf­ trage gehandelt haben. Ob die Übermittlung mündlich, telephonisch, schriftlich oder tele­ graphisch geschieht, ist gleichgültig. 4. Eine unrichtige Übermittlung der Willenserklärung liegt nicht vor, wenn die Mittels­ person etwas erklärt hat, was sachlich überhaupt nicht mehr als die Willenserklärung des Ge­ schäftsherrn aufgefaßt werden kann. Hat dieser beispielsweise ein Kaufangebot übermitteln lassen wollen und sein Bote erklärt für ihn ein Mietangebot, so handelt es sich nicht um eine unrichtige Übermittlung seiner Erklärung, vielmehr ist eine andere Erklärung abgegeben. Der Vertrag wäre wegen mangelnder Willenseinigung überhaupt nicht zustande gekommen. Die unrichtige Übermittlung muß auch auf Versehen der Mittelsperson beruht haben (a. A. Planck). Denn Voraussetzung ist, daß sie dem Geschäftsherrn als Werkzeug gedient hat, und das trifft nicht zu, wenn sie absichtlich eine auftragswidrige ErNärung abgegeben hat. 5. Die BewetSlast hat der Anfechtungskläger.

8 121 Die Anfechtung») muß in den Fällen der 88 U®, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)») erfolgen, nachdem der Anfechttmgsberechtigte von dem AnfechtungSgrunde Kenntnis erlangt hat»). Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die AnfechtungSerklärung unverzüglich abgefendet worden ist»). Die Anfechtung ist auSgeschloffen, wenn feit der Abgabe der WillenSerMrnng dreißig Jahre verstrichen find»)»). L II SS P 1, 112 ff.; 6, 122 ff., 290 ff.

1. Die Anfechtung ist eine formlose, empfangsbedürftige, unwiderrufliche ErNärung, die unzweideutig sein muß (RG IW 03, 107). Sie dient als Mittel, die Willenserklärung zu vernichten, und zwar mit der Wirkung der Nichtigkeit von Anfang an (§ 142). Das Nähere bei § 143. Die Anfechtung wegen Betrugs enthält zugleich die wegen Irrtums (RG 57, 358; Warn 08, 278); daher keine Klageänderung (RG 22. 12. 06 I 921/05; Warn 08. 278).

104

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

2. „Unverzüglich" will besagen im Interesse des Anfechtungsgegners ohne schuldhaftes Verzögern (RG 64, 161). Als objektiver Maßstab hierfür gilt ein nach den Umständen zu be­ messendes schleuniges Handeln. Schuldhaftes Zögern liegt auch dann vor, wenn der Anfechtungsberechtigte das Interesse des andern nicht genügend berücksichtigt. Es liegt über­ haupt nicht vor, wenn die Verzögerung auch bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unabwendbar war. Die Frage der Unverzüglichkeit ist eine in der Revisionsinstanz zu prüfende Rechtsfrage (RG 64, 161). 3. Die Frist beginnt, sobald der Anfechtungsberechtigte von dem AnfechtungSgrunde, mithin von den seinen Irrtum ergebenden Umständen eine Kenntnis erlangt, die ihm ver­ nünftigerweise einen die bloße Vermutung ausschließenden sicheren Schluß gewährt. Der Irrtum muß daher erst aufgedeckt sein und gegebenenfalls kann der Anfechtungsberechtigte auch erst die Beweisaufnahme abwarten, bevor er die Anfechtung erklärt (RG Warn 08, 116). Aber Kenntnis ist nicht gleich Überzeugung (RG 29. 5. 07 V 608/06). Wirkliche Kenntnis wird verlangt. Nichtkennen aus Fahrlässigkeit (§ 276) schadet also nicht, und Zweifel stehen der Kenntnis nicht gleich. Wird der Irrtum erst im Prozesse aufgedeckt, so kann die Anfechtung auch noch im Prozesse erklärt werden (RG 13. 11. 07 V 72/07). Die Bestimmung des Satz 1 greift auch dann Platz, wenn der Anfechtungsgegner den Irrtum erkannt hatte (streitig). 4. Die Anfechtungserklärung wird unter Abwesenden wirksam nicht erst mit ihrem Zugänge (§ 130), sondern sie ist bereits „erfolgt" mit der Absendung, falls diese unverzüglich geschah, sodaß die Gefahr von Verzögerungen während der Beförderung der Anfechtungs­ gegner trägt. 5. Das Anfechtungsrecht erlischt unbedingt mit Ablauf der AuSschlußfrist von 30 Jahren. 6. Zu beweisen hat der Anfechtende die Voraussetzungen der Anfechtung, der Gegner die Nichtrechtzeitigkeit, indem er nachweist, daß der Anfechtende die Kenntnis schon in einem früheren Zeitpunkte, als er angegeben, erhalten hatte (RG IW 04,196 und 21.11.05 11 133/05). § 122 )Jst eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten, fo hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Drittens den Schaden z« ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat-). Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen mufcte4)8)6). E I 97 Abs 3, 499 Abs 2, 3; 101; 146 II 97 M 1, 194, 200, 202 ff., 281 P 1, 98 ff., 116 ff.

1. Schadensersatzpflicht. Der § 122 beruht auf der Voraussetzung, daß die Nichtigkeit im Falle des § 118, sowie die Anfechtbarkeit des Geschäfts im Falle der §§ 119, 120 allein in der Person des Erklärenden ihren Grund hat (im Gegensatze dazu § 117), und hält es daher für billig, dem andern Teile, der zufolge der Vornahme des Geschäftes zu Schaden kommt, zur Genugtuung zu verhelfen (§ 119 A 1). Auf ein Verschulden des Erklärenden kommt eS hier nicht an; vielmehr genügt die Tatsache, daß er den Schaden des andern veranlaßt hat, und es ist daher der Veranlassungs-, nicht aber der Verschuldungs­ grundsatz zur Geltung gebracht (RG 60, 345). 2. Ersetzt wird nur das negative Interesse. Der Geschädigte kann deshalb Schadlos­ haltung (und zwar gemäß § 249) überhaupt nur insoweit verlangen, als seine Vermögenslage gerade durch die von ihm im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung getroffenen Maß­ nahmen verschlechtert worden ist. Innerhalb dieser Grenze kann er freilich nicht minder Ersatz des entgangenen Gewinns als des wirklichen Schadens (§ 252) beanspruchen. Die Forderung darf jedoch ihrem Umfange nach niemals über die Höhe des Erfüllungsinter­ esses hinausgehen. Das Ersüllungsinteresse als solches kann um deswillen überhaupt nicht in Frage kommen, weil das Geschäft gegebenenfalls nichtig wird und deswegen ein Erfüllungsanspruch an sich ausgeschlossen ist. Wenn der Geschäftsgegner beispielsweise im Vertrauen aus das ihm gemachte Angebot ein anderweitiges Angebot ausschlägt, kann er im Falle der Anfechtung des ersten Angebots zwar alles ersetzt verlangen, was er durch Ab­ lehnung des zweiten Angebots eingebüßt hat, einschließlich dessen, was ihm an Gewinn ent­ gangen ist, aber alles das unbedingt nur bis zur Höhe dessen, was er gehabt haben würde, wenn das angefochtene Geschäft zur Erfüllung gekommen wäre, während die Geltendmachung des Erfüllungsinteresses selbst unzulässig ist. Über die Berechnung des negativen Interesses

Willenserklärung

§§ 121—123

105

vgl. RG IW 04, 447. Danach ist die abstrakte Berechnungsart zulässig. Beispielsweise kann der Käufer, der im Vertrauen auf die Gültigkeit des Kaufes den Abschluß anderer Käufe zu der gegebenen Zeit unterlassen hat, den Schaden ersetzt verlangen, der aus der Unterlassung hervorgegangen ist. 3. Ersatzberechtigt ist nur derjenige, für den die Willenserklärung bestimmt war; daher bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nur derjenige, an den die Erklärung gerichtet war; bei nicht empfangsbedürftigen dagegen (vgl. Vordem 1 vor § 116) jeder Dritte, der von der Erklärung in der Folge betroffen wurde; wie z. B. bei der Auslobung oder der Preisgabe. 4. Folgerichtig ist es demnach (A1), daß derjenige Ersatz zu fordern nicht berechtigt ist, der seine Maßnahmen ergriffen hat, wiewohl ihm der Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund bekannt war, oder, wiewohl er diese Kenntnis bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276) hätte haben müssen. Denn gegebenenfalls liegt der Eintritt der schädlichen Folge an ihm selber und daher hat er sie auch selbst zu verantworten. Die Kenntnis oder die Fahrlässigkeit hat der Anfechtungs­ berechtigte zu beweisen. 5. Das Anwendungsgebiet des § 122 ist beschränkt auf die Fälle eines BermögenSschadens. Sonderregelung bei Anfechtung einer Ehe wegen Irrtums in den §§ 1345, 1346. 6. Der wegen Irrtums Anfechtende kann aus Grund dessen, abgesehen vom Er­ sätze des negativen Schadens, nur noch Rückgabe der Bereicherung verlangen, dagegen einen weiteren Schadensersatzanspruch weder aus § 276 noch aus § 823 erheben, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anfechtungsgegner den Irrtum fahrlässig hervorgerufen hat; denn dem BGB ist ein Grundsatz der allgemeinen Haftung für fahrlässig verursachten Vermögensschaden fremd, es muß vielmehr stets eine widerrechtliche Rechtsverletzung hinzukommen. Wohl aber ist es möglich, daß der Geschäftsgegner aus dem Gesichtspunkte des § 307 haftet, falls er nämlich wußte oder wissen muhte, daß der Vertrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet war (RG 51, 93).

8 123 4)Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung') oder widerrechtlich durch Drohung') bestimmt worden ist, kann dieErtlärung anfechten *). Hat ein Dritterdie Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte. Soweit ein anderer4) als derienige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung r mi telbar eilt Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte4)6)6). E I 103 H 98 M 1, 2O4 ff. P 1, 118 ff.; 6, 128 ff.

1. Anfechtung wegen Täuschung und Drohung. Dem unfreien Willen will da- Gesetz keine größere Tragweite beimessen als dem unbewußten Scheinwillen (§ 119). Er reicht an sich zwar aus, rechtserzeugend zu wirken, aber wer sich im Zustande der seelischen Unfreiheit entschlossen hat, soll es ebenfalls in der Hand haben, seine Erklärung durch Anfechtung nichtig zu machen. Auf dieser Auffassung beruht der § 123. Aber nur um den Fall der Unfreiheit deS Willens, nicht auch den der Unfähigkeit zur Entschließung handelt es sich hier. Der Ge­ setzesfall liegt also insbesondere nicht vor, wenn eine solche zwangsweise Einwirkung statt­ gefunden hat, daß der Betroffene gar nicht in der Lage war, sich entschließen zu können. Als­ dann war sein Tun überhaupt nicht das Ergebnis seines Willens; es fehlte ihm vielmehr der Geschäftswille (Suggestion, gewaltsames Führen der Hand bei Herstellung einer Unterschrift). — In Betracht kommen Willenserklärungen jeder Art (§ 119 A1). Auch wenn ein Rechtsgeschäft allein aus dem Grunde unzulässiger Wittensbeeinflussung gegen die guten Sitten verstößt, ohne daß letzteres zugleich hinsichtlich des Geschäftszweckes und Geschäftsinhaltes zuträfe, ist daS Rechtsgeschäft nur anfechtbar, nicht aber nichtig (RG IW 08, 710; § 138 A 1). Der Verkauf eines eigenen Gesellschaftsanteils seitens einer Gesellschaft m. b. H. ist wegen einer von ihrem Geschäftsführer gegen den Käufer verübten arglistigen Täuschung anfecht­ bar (RG 68, 309). — Bewirkt werden kann Willensunfreiheit durch Täuschung und Drohung. — Die Anfechtungsfrist bestimmt der § 124, die Vollziehung der An­ fechtung regelt § 143. — Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, die in einem dem Prozeßbevollmächtigten des Gegners zugegangenen Schriftsätze erklärt ist, wirkt grundsätzlich für und gegen die Partei auch außerhalb des Prozesses (RG 63, 411). — Ausgeschlossen ist die Anfechtung nach § 123, wenn wegen arglistigen Verschweigens eines Fehlers die Wandlungsklage nach §§ 480, 459 gegeben ist (RG 70, 429; vgl. auch § 119 A 9).

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Mgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

2. Die Täuschung dient zur Hervorrufung eines Irrtums im Sinne von § 119 (RG IW 09, 308). Die Täuschungshandlung muß somit zu solcher Wirkung geeignet sein. Das kann nur rutreffen, wenn der Getäuschte über die für seinen Willensentschluß maßgebenden Voraus­ setzungen in Irrtum versetzt worden ist; dagegen nicht, falls der Erklärende nur persönliche Auf­ fassungen oder Urteile ausspricht; denn dadurch wird die Freiheit der Entschließung dem Er­ klärungsgegner nicht genommen. Die Täuschung muß, um als solche gelten zu können, auch beabsichtigt worden sein. Dies trifft nicht zu, wenn der Täuschende selbst nur aus Irrtum gehandelt hat, selbst wenn der Irrtum, beispielsweise das Nichtkennen eines Fehlers (§ 460) auf Fahrlässigkeit beruht (RG IW 04, 359). In diesem Falle könnten nur die Grund­ sätze des Irrtums Platz greifen. Die Absicht muß im Sinne des Gesetzes auch eine arglistige sein, was voraussetzt, daß die Täuschung als Mittel benutzt ist, auf den Entschluß des Erklärenden zu dessen Nachteil bestimmend einzuwirken. Es genügt anderseits aber für den Vorsatz schon, wenn der Täuschende das Bewußtsein gehabt hat, daß der andere den Vertrag nicht geschlossen haben würde (RG 5. 6. 07 V 367 /06). Vgl. noch § 443 A 1 und § 439 A 1. Ausgeschlossen ist Arglist allemal auch dann, wenn der Täuschende zum Besten des andern hat handeln wollen. Der Fall arglistiger Täuschung i. S. des Gesetzes liegt aber auch dann nicht vor, wenn das Verhalten des Täuschenden nur dazu dienen sollte, einen vom anderen Teile erhobenen Anspruch zu beseitigen; denn niemand ist verpflichtet, den Anspruch des Gegners begründen zu helfen, weder im Prozesse, noch sonst (RG 58, 355). Hier hatte die uneheliche Mutter gegenüber dem Er­ zeuger des Kindes, der die Anerkennung der Vaterschaft anfechten wollte, fälschlich behauptet, es habe ihr sonst niemand beigewohnt (vgl. auch IW 98, 369 und RGSt 23, 244). — Die Täuschungshandlung kann begrifflich bestehen sowohl in einer Vorspiegelung un­ richtiger (beispielsweise arglistigen Anpreisungen, empfehlenden Zusicherungen, RG IW 07, 473), wie in einem Verschweigen wahrer Tatsachen (RG IW 08, 476). Bloßes Verschweigen liegt vor, ist aber als Tatbestandsmerkmal auch ausreichend, wenn das Schweigen den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspricht und der andere also nach der Verkehrsanschauung (RG Warn 09, 3) die erhebliche Mitteilung unter den gegebenen Umständen (§ 242, nicht auch nach der guten Sitte, § 138, wie Staudinger A VI annimmt) erwarten durfte (RG 69, 15). Eine allgemeine Offenbarungspflicht besteht nicht (RG 62, 150 und die dort angeführten Urteile). Zur Anfechtung genügt es aber nicht, wenn der Gegner nur die Absicht verheimlicht hat, nicht erfüllen zu wollen (RG 48, 282). Ein Irrtum über das künftige Verhalten des-Vertragsgegners kann niemals zur Anfechtung des Vertrages genügen (RG Warn 08, 590). — Unterdrückung ist das Verschweigen, wenn der Täuschende durch positive Tätigkeit, Anwendung täuschender Mittel, einen erheb­ lichen Umstand verdeckt (RG 62 a. a. O.). Sie setzt voraus eine Rechtspflicht zur Offen­ barung, die entweder auf Gesetz oder Vertrag beruht (RGSt 37, 62; 31, 210 und die hier angeführten Urteile). Die Täuschung muß für die Entschließung des Getäuschten von ursächlicher Wirkung gewesen sein, was nach richterlichem Ermessen zu entscheiden ist. Die Probe dafür bietet die Frage, ob die Willenserklärung auch ohne die Täuschung abgegeben worden wäre. — Eine ohne Erfolg gebliebene Arglist ist bedeutungslos (RG Warn 08, 33). Besteht der ursäch­ liche Zusammenhang, dann ist es unwesentlich, welchen Umstand die Täuschung betraf, ob den Inhalt der Erklärung oder den Beweggrund. Anders als im Falle des § 119 (A 1 das.) ist der durch eine arglistige Täuschung hervorgerufene Irrtum auch dann beachtlich, wenn er den Beweggrund betrifft (RG 69,15, wo es sich um die Kreditwürdigkeit des Käufers handelte; 55, 86, betreffend Täuschung über die Eigenschaft als Vollkaufmann). (RG IW 03 B 106.) Zum Begriffe der Täuschung gehört nicht die Absicht oder das Bewußtsein der Vermögens­ beschädigung (RG IW 03 Beil 40 und Warn 09, 440). Dadurch unterscheidet sie sich vom Betrüge im Sinne des § 263 StGB. Zu erwägen ist im Einzelfalle, daß, wenn die An­ fechtung wegen Betrugs versagt, eine solche wegen Irrtums gegeben sein kann und daß die Anfechtung wegen Betrugs zugleich die wegen Irrtums enthält (§121 A 1). 3. Drohung. Die Drohung besteht in der Ankündigung eines Übels für den Fall, daß der Bedrohte nicht so handelt, wie es der Drohende begehrt. Sie muß also unbedingt über einen bloßen Vergleichsvorschlag hinausgehen. Falls der Drohende nicht zugleich ein gewisses Tun erzwingen will, ist der Tatbestand nicht erfüllt (RG 59, 353; 64, 59 ff.). Welcher Art das angedrohte Übel, ist gleichgültig (vgl. z. B. SeuffA 64, 307). Es kann materieller oder ideeller Arr sem (RG 10. 4. 06 III 57/05). Nötig ist nur, daß es überhaupt geeignet war, den Bedrohten in seiner Entschließung entscheidend zu beeinflussen. Ob eine solche Drohung anzunehmen, ist gegebenenfalls einerseits nach dem objektiven Maßstabe vernünftigen Er­ messens zu beurteilen. Anderseits ist aber auch die Eigenart des Bedrohten zu berücksichtigen. Begrifflich erforderlich ist nicht, daßdas Übel unmittelbar den Bedrohten selbst treffen soll; nur muß dieser die Verwirklichung des etwa einem anderen (Ehe­ gatten, einem Kind, auch dem Androhenden selbst) zugedachten Übels als ein,solches auch für sich selbst ansehen (RG 60, 373). Wesentlich ist endlich auch nicht, daß da§ Übel unmittelbar

Willenserklärung

§ 123

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von dem Androhenden selbst verwirklicht werden soll. Es genügt, wenn der Bedrohte zu erkennen gibt, daß er einen Drillten dazu veranlassen werde (RGSt 15, 336; 27, 307). Ohne eine solche Ankündigung würde nur die Voraussage eines künftigen Übels vorliegen. Die Drohung mit dem Fortbestehen.lassen eines Übels reicht aus, falls das Ergebnis von der Tätigkeit des Drohenden abhängst (RGSt 14, 265). Es erfüllt aber den Tatbestand der Drohung nicht, wenn die schon bestehenden Verhältnisse von selbst ein künftiges Übel er­ warten lassen, und der Drohende nur darauf hinweist. Es muß vielmehr die Beeinflussung durch ein von dem Willen des Drohenden abhängiges, irgendwie durch seine positive Tätig­ keit in Bewegung zu setzendes Übel in Aussicht gestellt sein'(RG IW 05, 200). — Widerrecht­ lich muß die Drohung als Mittell benutzt sein. Das Gesetz setzt dagegen seinem klaren Wortlaute nicht voraus, daß scho n die Drohung an und für sich eine widerrechtliche ist. Ent­ scheidend ist danach also nicht, o-b das angedrohte Übel ein widerrechtliches war, oder ob der Androhende an sich das Recht gehabt hat, das zu verwirklichen, was er als Übel androhte, sondern allein, ob es unstatthaft uvar, die Androhung eines solchen Tuns als Mittel zu benutzen, um den anderen in seiner Entschließung zu bestimmen (RG 59, 349 und IW 05, 134; 06, 82; 09,11). Die widerrechtliche Absicht bei der Drohung ist für die Anfechtung erforderlich (RG IW 07, 5). — Sieht demnach das Gesetz die Verwendung der Drohung als Mittel zur Willensbeugung unbedingt als eine Widerrechtlichkeit an? Das ist nicht der Fall; andernfalls wäre die Beifügung „widerrechtlich" zum Merkmale des Bestimmens überflüssig. Nach der allgemeinen Bedeutung des Beg riffs „widerrechtlich" kann somit die Tätigkeit des Drohenden dann nicht eine widerre chtliche sein, wenn dertzandelnde zu ihr ein Recht hatte. Das Re cht zur Drohung kann nun entweder auf einer allgemeinen Regel der Rechtsordnung oder auf einem besonderen Rechtsansprüche des Drohenden beruhen. Der letztere Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Drohende einen Anspruch auf Abgabe einet Willenserklärung hatte; nach RG 64, 59 auch dann, wenn ein Verein von Arbeitnehmern bei einer Koalitionsbestrebung i. S. des § 153 GewO nach seinen Satzungen dem Mitgliede, das die Beteiligung am Kampfe ver­ sagt, die Ausschließung aus d-em Vereine androht. Grundsätzlich statthaft sodann ist das Verhalten des Drohenden, wenn er nur das Recht der Selbsthilfe (§§ 226 ff.) ausüben will, oder den Gebrauch einer sonst jedermann nach der Rechtsordnung zusteh enden Befugnis androht, wie die, zu klagen, die Zwangsvollstreckung herbeizuführen, eine Strafanzeige zu erstatten. Selbstverständ­ lich aber kann auch die Verwendung solcher Mittel immer nur dann erlaubt sein, wenn sie auch einem zulässigen Zwecke dienen sollen. Wer sie zur Er­ reichung eines unstatthaften Zweckes oder zur Erreichung eines Erfolges, den herbeizu­ führen er überhaupt kein Recht hatte, gebrauchen will, handelt zweifellos widerrechtlich (RGSt 14, 391). Es darf daher kein Mißbrauch einer an sich gegebenen Befugnis vor­ liegen (§ 226). Zur Strafanzeige ist der Verletzte berechtigt und wer nur ankündigt, daß er von dieser Befugnis Gebrauch machen werde, handelt an sich noch nicht widerrechtlich. Aber wer es tut, um einen Vorteil zu erlangen, auf den er keinen Anspruch hatte (RG IW 05, 134«), oder wer eine Strafanzeige lediglich aus dem Grunde erstattet, um den andern zur Strafe zu bringen (RG Gruch 48, 1128), oder wer ohne erkennbares Interesse handelt, der beabsichtigt überhaupt nicht, berechtigte Interessen wahrzunehmen und handelt also widerrechtlich. Auch eine an sich erlaubte Handlung schließt somit die widerrechtliche Drohung nicht unbedingt aus (RG IW 00,418). Nach alledem folgt also: Die Drohung als Mittel zur Abgabe einer Willenserklärung ist nur dann statthaft, wenn sowohl die angedrohte Handlungsweise an sich wie auch der verfolgte Zweck erlaubt waren (RG IW 06, 82). Wer aber das Vorhandensein dieser Voraussetzungen behauptet, beruftsich auf einen Aus­ nahmefall und hat ihn mithin zu beweisen. — Da das Gesetz nur die Willensfreiheit des Bedrohten schützen will, kommt es nicht darauf an, ob der Drohende sich der Widerrechtlich­ keit seines Tuns bewußt war (MG 28. 6. 06 IV 159/06), auch nicht darauf, ob ihm die Drohung wegen seiner persönlichen Eigenschaften überhaupt zugerechnet werden kann. Daher ist auch die Drohung eines Handlungsunfähigen zur Erfüllung des Tat­ bestandsmerkmals geeignet (streitig.). — Auch die Ernstlichkeit einer Drohung und ihre Ausführbarkeit durch den Drohenden ist kein Erfordernis. Nur muß der Bedrohte die erstere wie die letztere als vorhanden angenommen haben, sonst könnte er durch die Be­ drohung nicht bestimmt worden sein. 4. Gehen Täuschung oder Drohung von einem Dritten aus, nicht vom Geschästsgegner, so gelten im einzelnen noch folgende Regeln: a) Im Falle der Drohung ist es für das Anfechtungsrecht gleichgültig^ wer die Willenserklärung erzwungen hat, ob also der Er­ klärungsempfänger oder ein Dritter; d)im Falle der Täuschung besteht das An­ fechtungsrecht dem Erklärurngsempfänger gegenüber dann, wenn dieser selbst der Täuschende war, oder wenn er wenigstens die durch einen Dritten verübte Täuschung kannte oder nur aus Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (§ 122 Abs 2); gegenüber einem

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Rechtsgeschäfte

Dritten sodann besteht das Anfechtungsrecht unter der Voraussetzung, daß der Dritte auS der dem Erklärungsgegner gegenüber abgegebenen Erklärung unmittelbar selbst ein Recht erworben hat, und zwar unter der weiteren Bedingung, daß der Dritte die Täuschung kannte oder nur aus Fahrlässigkeit nicht gekannt hat; — AnwendungsfäNe bei Verträgen zugunsten eines Dritten (§ 328), und bei einem Rechtserwerb durch unmittelbare Stell­ vertretung, falls der Vertreter die Täuschung beging und der Vertretene durch daS Ge­ schäft unmittelbar ein Recht erwarb. Dritter im Sinne des Abs 2 Satz 1 kann nur ein anderer sein als der Empfänger derjenigen Willenserklärung, zu deren Abgabe der Getäuschte bestimmt worden ist, also nur ein bei dieser Erklärung Unbeteiligter. Wer ernen Vertrag als Vertreter abschließt und hierbei den Bertragsgegner arglistig täuscht, ist daher nicht ein Dritter im Sinne des Gesetzes; hinsichtlich der Anfechtung liegt alsdann viel­ mehr der Regelfall des Abs 1 vor. Dies trifft auch dann schon zu, wenn bei einem Kaufverträge der Täuschende nur insoweit mit der Vertretung der einen Vertragspartei betraut war, daß er (mündlich) die Bedingungen des Vertrages zu vereinbaren hatte und die Bindung der Vertragspartei demnächst von ihrer Genehmigung abhängen sollte; war in solchem Falle die andere Vertragspartei an die getroffenen Abreden ihrerseits gebunden, dann ist für sie der Vertrag gemäß § 123 Abs 1 auch dann anfechtbar, wenn der Vertrag dem­ nächst durch die Partei selbst oder durch einen anderen Vertreter noch förmlich zum Abschlüsse gebracht worden ist; dagegen greift der Abs 2 Platz, wenn die Täuschung von jemand aus­ ging, der nur zur Vorbereitung des Vertragsabschlusses, zur Ermittelung eines Käufer- und zur Vermittelung beaustragt gewesen war (RG 72, 133 und Warn 09, 178). 5. Zwang und 'Betrug können, abgesehen vom Anfechtungsrechte, einen Anspruch auf Schadensersatz begründen. Das regelt sich nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 823 ff., insbesondere nach § 823 Abs 2, wofern die strafrechtlichen Bestimmungen (85 263, 240, 253 StGB) als Schutzgesetze Platz greifen. Das Nähere bei § 823. Ebenso bleiben An­ sprüche aus der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff., 852 Abs 2) bestehen. Zu bemerken ist hier noch folgendes: a) Bei Verträgen ist der Anspruch auf Schadensersatz nicht da­ von abhängig, daß der Berechtigte den Vertrag an ficht. Er besteht vielmehr auch dann, wenn der Ansechtungsberechtigte den Vertrag aufrecht erhält (RG 59, 157; 63, 111, 112 und die hier aufgeführten Urteile). Wegen arglistiger Täuschung über Eigenschaften der Kaufsache kann der Käufer unter entsprechender Anwendung des § 463 Schadensersatz in der Weise verlangen, daß ihm der Minderwert in Geld ersetzt wird; er braucht sich auch nicht mit Herabsetzung des Kaufpreises zu begnügen, wenn dieser erst später fällig wird (RG 2. 10. 07 V 8/07). d) Im Falle der Anfechtung kann der Betrogene nach § 249 Wieder­ herstellung des Zustandes verlangen, wie dieser ohne den Vertrag bestehen würde; imFalle der Nichtanfechtung kann er das Erfüllungsinteresse geltend machen und Herstellung des Zustandes verlangen, der bestehen würde, wenn der Betrug nicht vorgefallen wäre, z. B. kann er. aus diesem Gesichtspunkte Minderung des Kaufpreises fordern (RG 62, 278; 63, 112). Nach § 463 kann ein Käufer, der über das Vorhandensein von Eigenschaften arglistig getäuscht worden ist, auch das Erfüllungsinteresse geltend machen (RG 66,337), mithin fordern, daß er so gestellt wird, wie er im Falle des Vorhandenseins der Eigenschaften gestellt wäre. Falls ein Dritter beim Betrüge mitgewirkt hat, haftet er ebenfalls für den positiven Schaden. (Anders dieser Fall, als wenn der Dritte den Betrug allein verübt hat (RG 61, 250; ferner RG 22. 3. 07 II 466/06).) c) Das Erlöschen des Anfechtungsrechte- nach § 124 schließt auch den Anspruch auf Aufhebung des Vertrages aus dem Gesichtspunkte deSchadensersatzes nach 8 249 aus (RG 61, 171; 63, 270). Dagegen ist nicht anzunehmen, daß damit auch der Einwand des Betrugs oder der Drohung beseitigt wird. Die Grund­ sätze der 88 853, 821 müssen auch bjer entsprechende Anwendung finden (vgl. RG 58, 356 und 71, 435 über die Geltung der ex^ptio doli generalis im BGB, ferner Prot 1, 239 über die Beseitigung des Einwandes der Verjährung durch die replica doli generalis; RG 64, 222). Der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß niemand aus einer unerlaubten Handlung einen Vorteil haben kann (8 35 I, 3 Pr. ALR), muß immer seine Geltung behalten, d) Die Anfechtung eines Kaufs wegen Betrugs ist auch dann noch möglich, wenn die Kaufsache nicht mehr zurückgegeben werden kann. Das Gesetz verordnet bei der Anfechtung die Rückgabepflicht nicht, wie es im Falle der Wandlung (8 467) und im Falle vertragsmäßigen Rücktritt­ rechtes die 88 350, 353 tun (RG 59, 93). Für den Fall, daß Wiederherstellung des früheren Zu­ standes im Wege der Schadensersatzklage gefordert wird, sind gegebenenfaNs die Grundsätze von der Borteilsausgleichung (vgl. Vorbem 6 vor 8 249) zu berücksichtigen (RG Warn 09, 178). e) Die Frage der Kausalität ist lediglich nach der Sachlage z. Z. des Bertrags­ schlusses zu beurteilen (RG 19. 10. 07 I 486/06). Der Erklärende muß durch den durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum bestimmt worden sein (RG Warn 08, 196). 6. Sonderbestimmungen: bei Willensmängeln im Falle der Stellvertretung (8 166), bei der Eheschließung (88 1334, 1335), bei letztwilligen Verfügungen (8 2078), bei Erbverträgen (8 2281).

Willenserklärung

jz 123—126

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§ 124 Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgens. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpnntt, in welchem der Anfechtnngsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört3). Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Borfchriften des § 203 Abf. 2 und der §§ 200, 207 entsprechende Anwendung3). Die Anfechtung ist anSgefchloffen, wenn feit der Abgabe der WillenserkMrung dreißig Jahre verstrichen find«). d I 104 II 99 SR 1, 204 ff. P 1, 120 ff.; 6, 129, 290 ff.

1. Der Anfechtungsberechtigte soll im Falle des § 123 besser gestellt sein als im Falle der ll 119, 120. Die Anfechtungsfrist ist hier daher auf ein Jahr bemessen, mit der Maßgabe jedoch, daß nach Ablauf von 30 Jahren die Anfechtung unbedingt unzulässig ist (Abs 3). Die Frist ist keine Verjährungsfrist, sondern eine Ausschlußfrist (vgl. § 186 A 1). Über die Fristberechnung vgl. $$ 186 ff.; über die Rechtsfolgen und die Vollziehung der Anfechtung die $§ 142, 143. Der Ablauf der Anfechtungsfrist schließt die Einrede aus $ 853 nicht auS lvgl. § 123 A 5). 2. Die einjährige Frist beginnt im Falle: a) des Betrugs mit dem Zeitpunkte, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, mithin sowohl die objektive Unrichtigkeit der bestimmenden Tatsache, wie auch die subjektive Voraussetzung der Täuschungsabsicht erkannt hat (RG 65, 89; 59, 94). Nichtkennen aus Fahrlässigkeit kommt nicht in Betracht. Nach dem Wortlaute des Gesetzes beginnt die Frist mit der Kenntnis, daher aber nicht erst mit Beschaf­ fung der nötigen Beweismittel, b) Im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkte, in dem die Zwangslage aufhört. Die Wirkung der Drohung darf also nicht mehr fortdauern. Da­ träfe beispielsweise schon dann zu, wenn eine angedrohte Strafanzeige bereits von anderer Seite erfolgt oder sonst ein Umstand eingetreten wäre, der dem Bedrohten die Furcht vor dem angedrohten Übel benahm (RG 60, 373). 8. Zugunsten des Berechtigten werden die Grundsätze der Verjährung angewendet, soweit sie bestehen hinsichtlich: a) der Hemmung durch höhere Gewalt (§ 203 Abs 2); b) der Hinderung des Ablaufs der Frist bei Geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit Be­ schränkten (§ 10 6), sowie in Ansehung von Ansprüchen, die zu einem Nachlasse gehören oder sich gegen einen solchen richten (§ 207; — das Nähere dort). 4. Beweislast. Daß die Anfechtung nicht rechtzeitig erfolgt ist, hat der Anfechtungs­ gegner zu beweisen (RG Gruch 48, 334; vgl. auch § 121 A 6).

8 125

*Mn Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt 2), ist nichtig ^). Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Richtigkeit zur Solge4)6)6)7). d I 91 Ws 2 II 104 M 1, 178 ff. P 1, 87 ff.; 6, 130 ff.

1. Die Richtigkeit, ihre Bedeutung im allgemeinen und ihre Folgen, a) Der Begriff Nichtigkeit ist im Sinne des BGB für alle Fälle, in denen er überhaupt in Frage kommt, ein feststehender und gleichmäßiger, ungeachtet der Mehrgestaltigkeit der Nichtigkeitsgründe. Mag die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes also eintreten aus Gründen, die in der Person des Geschästsurhebers liegen, insbesondere in seiner Geschäftsunfähigkeit (§§ 104, 105), oder wegen Formmangels (§§ 125 ff.), oder wegen des Geschäftsinhaltes (§§ 134 ff.), die Bedeutung der Nichtigkeit an und für sich ist immer die nämliche. Es wird sich daher empfehlen, die Nichtigkeit und ihre Folgen, soweit angängig, hier erschöpfend zu behandeln. Der Begriff Nichtigkeit, auf ein Rechtsgeschäft angewandt, besagt, daß die rechtsgeschäftlich beabsichtigten Folgen wegen Vorhandensein- eine- Nichtigkeitsgrundes schlechterdings nicht eintreten können. Mögen sich daher auS der Vornahme des Geschäfts unter Umständen auch sonst gewisse Rechts­ folgen ergeben — z. B. wegen Vorhandenseins einer unerlaubten Handlung —, so sind es doch niemals die gewollten, und das ist das Entscheidende (vgl. Vordem 1 vor § 104 und Vordem 1 vor $ 116). Die Sache liegt gegebenenfalls vielmehr so, als wäre ein RechtSg e s ch S f 1 überhaupt nicht vorgenommen worden, und die äußeren Geschehnisse, welche daRechtsgeschäft zur Entstehung bringen sollten, können lediglich als tatsächliche Vor­ gänge von Bedeutung sein. AuS einem nichtigen Kaufgeschäfte dürfen daher auch keine Ge­ währleistung-ansprüche hergeleitet werden (RG 71, 433). Ist mithin de n nichtigen Recht--

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Rechtsgeschäfte

geschäfte als solchem jede Rechtswirksamkeit versagt, so ist es nur folgerichtig: daß der Richter die Nichtigkeit von Amts wegen berücksichtigen muß, und ein Verzicht auf Geltendmachung der Nichtigkeit wirkungslos ist (RG 61, 267); ferner, daß sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts jeder berufen kann, der em Interesse daran hat (RG IW 09,696),—beispielsweise also im Falle der Bestellung einer nichtigen Hypothek auch der jedesmalige Nachfolger des Bestellers (RG 11. 3. 08 V 236/07). Ist wegen einer Schuld aus einem nichtigen Rechtsgeschäfte ein Anerkenntnis­ urteil ergangen, so können sich Dritte, denen gegenüber das Urteil keine Rechtskraft hat, doch auf die Nichtigkeit der Schuld berufen (RG IW 09,131). Weiter folgt, daß das nichtige Rechts­ geschäft der Rechtswirksamkeit grundsätzlich ein für alle Male entkleidet ist, und die Möglichkeit einer Heilung des Mangels, insbesondere durch Anerkenntnis oder Vergleich (auch gericht­ lichen, RG 27. 6. 04 V 10/04; 9. 2. 07 VI 348/06), begrifflich als ausgeschlossen gelten muß (wegen der Ausnahmefälle vgl. unten A 5); endlich aber folgt, daß das nichtige Rechtsgeschäft auch nicht als Grundlage für Nebenrechte wie Bürgschaft, Pfand, Vertragsstrafe (§ 344) dienen Kmn. Soweit das Gesetz in der Bestätigung (§ 141) und in der Umwandlung (§ 140) Mittel zur Aufrechterhaltung eines nichtigen Geschäfts gewähren will, verläßt es doch nicht den grundsätzlichen Standpunkt, daß das nichtige Geschäft aus sich selbst Rechtswirkungen nicht zu erzeugen vermag (Näheres hierüber bei den §§ 141 und 140). b) Der Ausgleich zwischen den Beteiligten gestaltet sich, wenn die Leistung auf Grund eines nichtigen Geschäftes bewirkt worden ist, verschieden, je nach der Art der Rechtsfolgen der Leistung und nach dem Rechtsgebiete, dem das Verhältnis angehört. Hat die Leistung eine Vermögensverschiebung nicht bewirkt, ist vielmehr der Leistungsgegenstand trotz des Bollzugsgeschäftes im Vermögen des Leistenden verblieben, dann muß dessen Rechts­ behelf notwendig ein anderer sein, als wenn jener Gegenstand in sein, des Empfängers, Vermögen übergegangen wäre. Hat beispielsweise jemand auf Grund eines nichtigen Geschäftes dem anderen eine Sache zu Eigentum gewähren wollen und hat der andere das Eigentum auch erworben, dann ist eine Vermögensverschiebung eingetreten; hat dagegen die ding­ liche Verfügung (Vordem 7 vor § 104) den beabsichtigten Rechtserfolg nicht erzielt, weil auch sie nichtig war, so ist die Bermögensverschiebung ausgeblieben. In diesem Falle müssen mithin nach den hier eingreifenden Rechtsgrundsätzen ($ 985) andere Rechtsbehelfe Platz greifen als im Falle der eingetretenen Bermögensverschiebung (§ 812). Um verschiedene Rechtsbehelfe muß es sich naturgemäß aber auch dann handeln, wenn einerseits eine sachenrechtliche Leistung in Frage steht, und anderseits eine solche, die dem Gebiete der Schuld­ verhältnisse angehört. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn jemand dem anderen auf Grund eines nichtigen Geschäftes eine Forderung überträgt (§ 398), oder wenn er zu­ gunsten des anderen eine Forderung erläßt (§ 397), oder ein ihn selbständig verpflich­ tendes Schuldversprechen abgegeben hat (§§ 780, 781). Im einzelnen gilt dem­ gemäßfolgendes: Ist eine Sache geleistet worden und ist das Rechtsvollzugsgeschäft ebenfalls nichtig, dann steht dem Leistenden in erster Linie die Eigentumsklage aus § 985 zur Seite und für das Gebiet des Liegenschaftsrechtes der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches gemäß § 894. Hat dagegen das Leistungsgeschäft, der Nichtigkeit des Grund­ geschäftes ungeachtet, die Vermögensverschiebung bewirkt, weil es von jener Nichtigkeit nicht mitbetroffen wird, dann ist der Leistende von vornherein auf den Bereicherungs­ anspruch gewiesen (§§ 812 ff.). Auf diesen Rechtsbehelf ist aber der Leistende auch dann be­ schränkt, wenn die Leistung selbst zwar nichtig gewesen war, die Vermögensverschiebung jedoch nachträglich dadurch eintritt, daß der Empfänger der Sache diese weiter veräußert, oder endlich dadurch, daß die Sache untergeht. Die Annahme Staudingers (§ 812 A I 4 dF), daß dem Leistenden jedesmal die freie Wahl zwischen der dinglichen Klage und der Bereicherungsklage zustehe, muß abgelehnt werden, weil die letztere Klage unbedingt eine Bermögensverschiebung zur Voraussetzung hat, und von einer solchen keine Rede sein kann, solange der Leistende die noch vorhandene Sache von ihrem Empfänger kraft seines Eigen­ tums zurückfordern kann. Gehörte das Leistungsgeschäft dem Gebiete der Schuldverhältnisse an und ist es wirkungslos, dann besteht zur Ausgleichung überhaupt kein Anlaß. Denn wie der Leistende nichts einbüßt, so erlangt der andere Teil nichts. Im Falle der Nichtigkeit der Abtretung bleibt das Gläubigerrecht bei seinem früheren Inhaber und im Falle eines beabsichtigten Erlasses verbleibt die zu erlassende Forderung im Vermögen des Erklärenden; im Falle endlich der Abgabe eines nichtigen Schuldversprechens gelangt eine Verpflichtung nicht zur Entstehung. Der Erklärende hat demnach in Men jenen Fällen höchstens Anlaß zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage nach $ 256 ZPO, um einer Gefährdung seiner Rechtslage vorzubeugen. Im Falle einer Forderungs­ übertragung ist es indessen auch hier denkbar, daß noch nachträglich eine Bermögensverschiebung eintritt, indem nämlich der Zessionar über die Forderung weiter verfügt (§§ 407—409). Unter diesen Umständen wäre die Ausgleichung wiederum nach $$ 812 ff. zu suchen. DaS trifft nun überhaupt so oft zu, als die Leistung die nach der Art des Schuldverhältnisses beab­ sichtigte Wirkung erzielt hat. — In allen Fällen der erörterten Art steht dem Leistenden

Willenserklärung

§ 125

111

schließlich von vornherein auch ein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn sich der andere Teil eine unerlaubte Handlung hat zu schulden kommen lassen (§§ 823, 826), und er kann alsdann nach den Grundsätzen der §§ 249 ff. zum giele kommen. c) Verhältnis dcS Erfüllungsgeschäftes zum Srnndgeschäfte. Grundsätzlich sind die Erfüllungsgeschäfte von der Rechtsbeständigkeit der Grundgeschäfte unabhängig (vgl. Borbem 5 vor § 104). Es liegt das eben daran, daß sie vermöge ihrer selbständigen Natur—und zwar bei den sachenrechtlichen Geschäften auf Grund des in der Einigung bestehenden dinglichen Ver­ trages (§§ 925, 929), bei den Rechtsgeschäften im Gebiete der Schuldverhältnisse ebenfalls schon zufolge der bloßen Willenseinigung (§§397, 398, 780,781) — selbständig zur Entstehung gelangen und somit das Vorhandensein eines rechtsgültigen Grundgeschäftes begrifflich über­ haupt nicht zur Voraussetzung haben. Diese Auffassung entspricht der allgemeinen Ansicht (RS 63, 184 ff; 68, 98 ff.). Der Regel nach könnte daher die Nichtigkeit des Grundgeschäftes die durch das Leistungsgeschäft bezweckte Bermögensverschiebung niemals hindern. Mein unter Umständen wird das Erfüllungsgeschäft dennoch von der Nichtigkeit des Grundgeschäftes mit ergriffen. Das trifft zu, wenn die Parteien das Erfüllungsgeschäft von der Rechtsbeständigkeit des Grundgeschäftes selbst haben abhängig machen wollen, insofern als hierin die Aufstellung einer Bedingung läge (RS 57, 96 ff.). Eine solche Annahme wird aber tatsächlich am ehesten der Parteiabsicht gerecht werden, sodaß der strenge Grundsatz für das praktische Ergebnis erheblich an Bedeutung verlieren muß. Die Fälle, daß die Parteien ein dingliches Leistungs­ geschäft unabhängig von einem Kausalgeschäfte haben vornehmen wollen, werden im Ver­ kehre in der Tat sehr selten sein. Die bezeichnete Ausnahme trifft ferner da zu, wo der Nich­ tigkeitsgrund wie dem Grundgeschäfte so ohne weiteres — oder vorzüglich (RS Warn 10, 102) — auch dem Erfüllungsgeschäfte anhaftet, was beispielsweise der Fall ist, wenn eine Veräußerung gegen ein unbedingtes Berbotsgesetz vorgenommen (§134) oder gemäß §138 Abs 2 ein wucherisches Geschäft erfüllt wird (§ 138 A 3). Weiter ist der Ausnahmefall auch da ge­ geben, wo das nichtige Schuldverhältnis und das Leistungsgeschäft zusammenfallen (RS 66, 385), wie etwa unter der Voraussetzung, daß ein Geschäftsunfähiger schenkungshalber eine Sache hat übereignen wollen, oder wenn bei selbständigen Rechtsgeschäften im Gebiete der Schuldverhältnisse mit der Vornahme eines solchen Leistungsgeschäftes zugleich eine obli­ gatorische Verpflichtung hat begründet werden sollen (RS 63, 187). Endlich überall, wenn derselbe Willensmangel dem Verpflichtungs- wie dem Erfüllungsgeschäfte anhaftet, und beide alsdann angefochten werden (RS 69, 13; IW 09, 45). Handelt es sich um den Nichtigkeitsgrund der Geschäftsunfähigkeit, so kommt es darauf an, ob sie auch noch im Zeit­ punkte des Bollziehungsgeschäftes vorhanden war (RS 72, 64). In RS 70, 57 ist angenom­ men, daß bei einer Vertragspartei, die zum Abschlüsse des Kaufvertrages durch arglistige Täuschung seitens der anderen Partei bestimmt worden ist, dieser Betrug im Zweifel auch noch bei Vornahme des Erfüllungsgeschäftes bestimmend fortwirkt, und daß unter solchen Um­ ständen die Anfechtung des Kaufvertrages auch die Nichtigkeit des dinglichen Übereignungs­ vertrages herbeiführt, falls nicht besonders festzustellen ist, daß die anfechtungsberechtigte Vertragspartei das Erfüllungsgeschäft ohne Rücksicht auf die Täuschung hat vornehmen wollen. Damit ist der starre Grundsatz, daß das Bollzugsgeschäft von der Nichtigkeit des Ärundgeschäftes nicht mitergriffen wird, im Sinne der diesseits vertretenen Anschauungen zugunsten der wirklichen Lebensverhältnisse entsprechend gemildert worden. 2. Die §§ 125—129 behandeln den Mangel der Form alS RichtigkeitSgrund. Im allgemeinen steht das Gesetz auf dem Standpunkte der Formfreiheit. Das Formerfordernis besteht insofern, als das Gesetz ausnahmsweise entweder eine Form selbst besonders vorschreibt, oder als es den Parteien die Befugnis einräumt, eine Form von Fall zu Fall ihrerseits vorzusehen. Die Vertragsfreiheit ist hier im übrigen soweit gewahrt, daß es den Beteiligten zugleich überlassen ist, auch die Art der Form zu bestimmen. — Die Grundsätze von der unbedingten Nichtigkeit wegen Formmangels erleiden insoweit eine Einschränkung als Platz greift: a) gemäß § 139 die Möglichkeit einer nur teilweisen Nichtigkeit (RS 63. 27); b) gemäß § 140 die Regel von der Aufrechterhaltung des Geschäfts in einer anderen Gestalt (Konversion); c) der Ausnahmefall des § 566 sowie des § 1154; d) in den Fällen der §§ 313, 766, 518,2301 — aber auch nur in diesen Fällen — der Grundsatz der Heilbarkeit der Nichtigkeit durch Erfüllung und im Falle des § 1324 Abs 2 durch Zeitablauf. In den Fällen zu d) wirkt die Heilung ex tune. Die Bestätigung im Sinne des § 141 hat grundsätzlich keine rück­ wirkende Kraft. — Die Eintragung in das Handelsregister heilt den Mangel der Formlosigkeit des Vertrages nicht (RS 54, 418). 3. Im Ergebnisse sind die Fälle des gesetzlichen (auch durch Landesgesetz angeordneten) und des gewillkürten FormzwangS sich gleichgestellt. Wo nämlich ein solcher überhaupt besteht, gilt die Regel, daß die Verabsäumung der Form die NichtigkeitSfolge hat, und zwar nach den bei § 139 unter A 1 entwickelten Grundsätzen hinsichtlich des' gesamten Geschäfts, soweit es auf einem einheitlichen Bertragsabkommen beruht, selbst wenn der Nichtigkeits­ grund nur einen Teil des Vertrages trifft (RS 63, 27; Warn 08, 25). Indessen auch di^gesetz-

IIS

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lichen Formvorschriften sind auslegungsfähig (RG 73, 74). Die Nichtigkeit wegen $orm* mangels ist eine so unbedingte, daß auch die Grundsätze von Treu und Glauben den Form­ vorschriften gegenüber versagen (RG 2. 6. 02 IV 111/02; 15. 11. 07 IV115/07; RG 72, 343), und auch nicht einmal ein Anspruch auf formgemäße Vollziehung besteht. Ebensowenig darf der Bereicherungsklage desjenigen, der auf Grund eines formlosen Rechtsgeschäftes geleistet hat, der Einwand aus § 814 entgegengesetzt werden, daß die Leistung einer Anstandspflicht entsprochen habe (Prot 2, 696); wohl aber der Einwand, daß der vorbehaltlos Leistende ge­ wußt habe, es bestehe für ibn eine Leistungspflicht deswegen nicht, weil der Vertrag nichtig sei (RG 30.10. 02 VI 209/02). Wer schuldhaft das Zustandekommen der Schriftform gehindert hat, haftet wie aus einem schriftlichen Vertrage (RG Warn 08, 38). 4. Für den Fall der Verabredung einer Geschäftsform geht das Gesetz nicht davon aus, daß eine solche Parteibestimmung immer den eigentlichen Formzwang begründen wolle. Nach seiner Auffassung kann vielmehr auch nur beabsichtigt sein, die Form Beweiszwecken dienstbar zu machen. Alsdann soll aber ihre Wahrung auch nicht zugleich Bedingung für die (rechtsgültige) Entstehung des Rechtsgeschäfts sein. In welchem Sinne nun eine rechtsgeschäft­ liche Formbestimmung im Einzelfalle zu verstehen ist, ist an sich zwar Sache der Auslegung. DaS Gesetz gibt indessen mit Satz 2 eine allgemeine Auslegungsregel, indem es die Vermutung aufstellt („im Zweifel"), es fei der Formzwang gewollt (RG Gruch 52, 928). Danach ergibt sich für alle Fälle entsprechender Art zugleich die Beweisregel, daß hinsichtlich der Absicht der Beteiligten derjenige Teil beweispflichtig ist, der behauptet, es sei nur der Beweiszweck gewollt. — Ist die Aufstellung des Formerfordernisses (soweit nicht der gesetzliche Formzwang besteht) überhaupt ins Parteibelieben gestellt, so muß diesem ein Spielraum auch insoweit eingeräumt sein, als die Parteien zu bestimmen vermögen, auf welche Bestandteile des Rechtsgeschäftes sich der Formzwang erstrecken soll, ob mithin nur auf die wesentlichen Bestandteile, ohne welche das Rechtsgeschäft überhaupt nicht bestehen kann, oder auch auf die an sich nicht wesentlichen Nebenumstände, wie Erfüllungs­ zeit, Erfüllungsort und Bedingungen, die sog. Nebenabreden (vgl. unten A 6). Im allge­ meinen läßt sich hier nun annehmen, daß das durch Parteiabrede vorgesehene Formerfordernis vermutlich auch diejenigen Nebenumstände mitumfaßt und mitumfassen soll, denen nach Lage des Falles, sei es wegen der Natur des Geschäfts, sei es zufolge der besonderen Partei­ absicht, doch eine bestimmende Bedeutung beigemessen ist — die sog. relativ wesent­ lichen. Das trifft stets zu bei Bedingungen; beispielsweise aber auch bei einer Zeit­ bestimmung betreffs der Dauer einer Bürgschaft oder eines Mietverhältnisses (RG 3. 4. 06 III 32/06). — Anlangend das Formerfordernis beim Vorverträge vgl. Vordem 2 vor § 145. — Auf die Art des Rechtsgeschäfts, durch welches ein Formzwang ausgemacht wird, kommt es nicht an. Er kann wie durch Verträge, so durch einseitige Rechts­ geschäfte bestimmt werden, insbesondere auch durch eine letztwillige Verfügung. Das Formerfordernis kann auch stillschweigend vereinbart werden, z. B. notarielle Form in der Weise, daß der eine Teil einen Vertragsentwurf, in dem solche Form vorgesehen ist, dem anderen Teile zusendet, und dieser vorbehaltlos antwortet: „nehme Vertrag fest an" (RG Warn Nr 08 Nr 9). — Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Aktien­ gesellschaft für Beschlüsse der Generalversammlung über den § 259 HGB hinaus noch eine weitere Form vor, so ist insoweit der § 125 Satz 2 nicht anwendbar, weil der § 259 eine unbedingte Vorschrift gibt; ein Beschluß der Generalversammlung, der die Form des § 259 wahrt, ist daher wegen Formmangels auch nicht anfechtbar (RG 65, 91). — Zwei gegeneinander ausgetauschte Vertragsurkunden bilden eine rechtliche Einheit (RG Warn 08, 25). 5. Formarien. Das Gesetz unterscheidet folgende Formen: a) Schriftform und zwar nur einseitig erforderliche, insbesondere nach den §§ 32, 37, 81, 368, 409, 416, 761, 766, 780, 781, 783, 784, 792, 1154, oder zweiseitig erforderliche (§§ 566, 581, Abs 2); b) amtliche Beurkundung in § 128; c) die öffentliche Unterschristsbeglaubigung (§ 129), d) die amtliche Beurkundung unter gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien (§§ 925, 1015; 1434, 1750, 1770, 2276, 2290); e) die Anwesenheit von Zeugen in § 1318, der aber nur eine Ordnungsvorschrift darstellt. 6. Von praktischer Wichtigkeit ist die Frage der mündlichen Nebenabreden. Der schriftliche — nicht minder der gerichtlich oder notariell beurkundete — Vertrag hat die tat­ sächliche Vermutung für sich, daß in ihm der endgültige und maßgebende Vertragswille nieder­ gelegt ist: „Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit" (RG 52, 23; 65, 46; 28. 1. 07 V 285/06; 7. 2. 07 VI 290/06). Aus dem Schweigen über einen wesentlichen Punkt ist unter Umständen zu entnehmen, daß hierüber keine Verabredung getroffen ist; aber denkbar sind doch auch gültige mündliche Nebenabreden (RG 21.10.02 VII 239/02). Ob solche, nicht beurkundete, nur mündlich getroffene Abreden neben dem schriftlichen Vertrage Geltung haben sollen, hängt vom Parteiwillen ab. Wer solche Nebenabreden behauptet, muß daher

auch den entsprechenden Parteiwillen beweisen (RG 27.10. 03 VII 246/03; Warn 09, 3401

Willenserklärung

§§ 125,

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Es müssen besondere Umstände oder Gründe nachgewiesen werden, wegen deren die mündliche Abrede nicht in die Urkunde ausgenommen worden ist (RG 68, 15). Im Zweifel ist auch anzunehmen, daß nur solche Abreden neben dem schriftlichen Vertrage Geltung haben sollen, die bei oder unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vertrages getroffen sind, und daß etwaige frühere Abreden wieder fallen gelassen wurden (RG 26. 6. 03 III 85/03 und 10. 10. 03 V 140/03). Auf Abreden, die nach der Beurkundung getroffen sind, bezieht sich die Vermutung von der Vollständigkeit und Nichtigkeit des schriftlichen Vertrages naturgemäß überhaupt nicht (RG IW 09, 452). Soweit ein Formzwang bestand, sind die nur formlos getroffenen Nebenabreden nichtig (vgl. auch RG 65, 48 ff.). Ob aber zufolge dieser teilweisen Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes auch der formgerecht abgeschlossene Teil vernichtet wird, hängt davon ab, ob das Geschäft nach dem Parteiwillen nur so Geltung haben sollte, wie es sich nach den gesamten Abreden darstellt, oder ob die Parteien es auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen haben würden (§ 139, RG 52, 4; 65, 393). Der nichtige schriftliche Vertrag hat ersteren Falles nur die Bedeutung einer Beweis urtunde. Je nachdem es sich um einen gesetzlichen oder einen nur gewillkürten Formzwang handelt, besteht dabei folgender Unterschied: Im ersteren Falle ergreift der Formzwang notwendig den ganzen Vertrag, und daraus folgt, daß auch jede einzelne, sei es nur nach der Natur des Geschäftes, sei es nur nach dem Willen der Parteien wesentliche Abrede von dem Formzwange ergriffen wird; im Falle des gewillkürten Formzwanges besteht ein Formzwang überhaupt nur insoweit, als es die Parteien wollen (oben A 4), und daher steht auch das in ihrer Willkür, ob die neben dem schriftlichen Vertrage nur mündlich getroffene Abrede nicht trotzdem um deswillen Geltung haben sollen, weil sich auf sie der Formzwang überhaupt nicht hat erstrecken sollen. Im Falle gesetzlichen Formzwanges stellt daher eine formlose Nebenabreve die Wirksamkeit des ganzen Vertrages unter den an­ gegebenen Voraussetzungen notwendig in Frage (RG 65, 393); im Falle gewillkürten Form­ zwanges nur „im Zweifel" (RG 52, 23ff.; 65, 49; 9. 12. 03 V 443/03, betreffend die nur mündliche Zusicherung einer Eigenschaft III 32/06; 16. 2. 04 III 341/03, betreffend Miet­ verträge, und 19. 1. 06 III 241/05, betreffend ein Garantieversprechen). Möglich ist auch, daß eine Nebenabrede sich als ein selbständiger Nebenvertrag darstellt (RG 65, 49). — über­ dies greift für den Fall, daß die Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet war, auch die Bestimmung des 8 154 Abs 2 mit der Wirkung Platz, daß die Vermutung gegen den Abschluß des Vertrags besteht, solange nicht der gesamte Vertragsinhalt beurkundet worden ist. — Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines schriftlichen Vertrages hat endlich allgemein zur Voraussetzung, daß das, was die Parteien schriftlich vereinbart haben, klar und zweifelsfrei ist. Falls solches nicht zutrifft, der Vertrag mithin auslegungsbedürstig ist, muß die Vermutung weichen, und es steht hier vielmehr gemäß § 133 die Ermittlung des wahren Parteiwillens auf Grund aller, auch außerhalb der urkundlichen Erklärung liegenden Umstände, sowie der Zweifel in Frage, ob der Vertrug anders niedergeschrieben worden, als er verabredet war (RG 59, 219; 62, 49 ff.; 13. 2. 06 VII 243/05; vgl. auch unten § 133 A 1). — Der Einwand, daß man die Urkundenverlesung überhört oder das Selbstlesen versäumt habe, ist in der Regel nicht zuzulassen (RG 13. 4. 07 V 378/06). Die Grundsätze von den Nebenabreden zu einem schriftlichen Vertrage greifen im allgemeinen auch insoweit Platz, als das Gesetz nur einseitige Schriftform verlangt; ferner bei Bestätigungsschreiben nach RG 23. 2 07 III 409/06, und bei Schlußscheinen eines Ver­ mittlers nach RG 2. 2. 06 VII 502/05. — Im Falle der Heilung der Nichtig­ keit durch Erfüllung werden die z. Z. der Erfüllung noch aufrecht erhaltenen formlosen Nebenabreden geheilt, daher aber auch diejenigen, von welchen eine Partei bereits zuvor zurückgetreten war, was sie jederzeit einseitig tun konnte (RG 54, 109; 52, 4). 7. Statutenkollision. a) Örtlich: Nach Art 11 EG bestimmt sich die Form des Rechtsgeschäfts nach den Gesetzen des Ortes, nach welchen das Rechtsverhältnis selbst zu beurteilen ist; unbedingt genügt jedoch die Beobachtung des Gesetzes des Abschlußortes. Bei Rechtsgeschäften über Sachen ist allein das Gesetz der belegenen Sache (rei sitae) maß­ gebend. b) Zeitlich: Entscheidend ist das z. Z. der Vornahme des Rechtsgeschäfts geltende .Gesetz (Artt 170, 198, 214).

§ 126 Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben'), so mutz die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig^) durch Namensunterschrift^) oder mittelst -gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werdens. Bei einem Vertrage mutz die Unterzeichnung der Parteien aus derselben Urkunde erfolgen*). Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende BGB, Kommentar von Reichsgerich'tsraten.

I. Band.

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Mgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet ferner der Seemannsordnung vom 2. 6. 02, insbes. §§ 27—83; der Strandungsordnung vom 17. 5. 74, insbes. §§ 4—25, §§ 36—41; des Gesetzes über die privatrechtlichen Verhält-, nisse der Binnenschiffahrt vom 20. 5. 98, insbes. §§ 7—20 über den Schiffer, §§ 21—25 über die Schiffsmannschaft, §§ 92—101 über Bergung und Hilfeleistung; des Gesetzes betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15. 6. 95, insbes. §§ 1—16 über den Floß­ führer, §$ 17—21 über die Floßmannschaft, §§ 24—29 über Berge- und Hilfslohn; ferner der Gewerbeordnung in der Fassung vom 26. 7. 00 (nebst Abänderung im EG z. BGB Art 36)

456

Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Vorvertrag, nicht anwendbaren §§ 320—327 Anwendung finden. Über den Darlehnsvorvertrag„als gegenseitigen Vertrag s. Bem 5 vor § 607. 2. Übertragbarkeit. Der Anspruch auf die Darlehnshingabe ist regelmäßig nicht abtretbar (§ 399) und daher auch nicht pfändbar (§ 851 ZPO), weil es nicht in der Macht des Darlehnsempfängers liegt, den Gläubiger ohne dessen Willen einen andern Schuldner unterzuschieben; doch kann auch das Gegenteil ausgemacht sein oder aus dem Vertrage als gewout sich ergeben (RG 66, 359). Die Unübertragbarkeit des Anspruchs aus dem DarlehnSvorvertrage entfällt, wenn die Zahlung an den Nachgläubiger (Zessionar) nicht diesen, son­ dernden Vorgläubiger (Zedenten) und Bersprechensempfänger zum Schuldner des Darlehens machen soll (RG 68,355 und IW 08,676°; 09,309-). Hier liegt im Grunde nur eine Anweisung an den DarlehnSgeber vor, für Rechnung des Darlehnsnehmers dem Dritten eine gleiche Summe auszuzahlen (§ 787 Abs 1), deshalb ist beim Baugelderdarlehen die Übertragbarkeit der einzelnen Baugelderraten in diesem Sinne an sich anzunehmen (RG 66, 359; 38, 308). Maßgebend ist hier jedoch, daß durch die Abtretung die Baugelder dem Zwecke des Baugelddarlehens entsprechend der Förderung des Baues zugewendet werden; außerhalb dieses Zweckes ist jede Abtretung und Anweisung auch hinsichtlich der einzelnen Darlehnsraten unzulässig (s. auch RG IW 09,309-); insbesondere ist die Abtretung noch nicht fälliger Baugelderraten aus diesem Grunde unzulässig (RG 29. 3. 09 VI 209/08). 3. Da § 321 auf den Darlehnsvorvertrag bei dessen einseitig verpflichtender Natur nicht anwendbar ist, gibt § 610 eine entsprechende Vorschrift, die indessen („im Zweifel") nur als Auslegungsregel zu gelten hat. Der Widerruf ist kein Rücktritt im Sinne des § 346 RG 52, 5). Er ist im übrigen wie die Kündigung eine einseitige empsangsbedürstige Willens­ erklärung nach §§ 130 ff. und kann auch im Prozesse erfolgen. 4. Das Widerrufsrecht setzt eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensver­ hältnisse des Entleihers seit der Abgabe des Darlehnsversprechens voraus. Bei der Ver­ gleichung sind nicht nur die Bermögensstücke und Schulden, sondern auch die Kreditverhältnisse in Rechnung zu ziehen (RG 12. 7. 06 VI 589/05 (zu § 775). Ist die Verschlechterung gerade erst durch Borenthaltung des versprochenen Darlehens eingetreten, so kann sich der Dar­ leiher auf § 610 nicht berufen (replica doli; RG 7. 10. 07 VI 541/06). Die Rück­ erstattung ist nicht gefährdet, wenn der Darlehnsgläubiger durch Pfänder oder Bürgschaft hinlänglich gesichert ist, und die Gefährdung wird durch Anbietung solcher Sicherung beseitigt, die nach Treu und Glauben nicht abgelehnt werden darf (vgl. § 321).

SechsterTitel Dienstvertrag 1. Begriff und rechtliche Ratnr: Gegenseitiger Vertrag, nach welchem der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere zur Gewährung der vereinbarten Ver­ gütung verpflichtet ist. Er unterscheidet sich vom Werkvertrag dadurch, daß dieser nicht auf die Dienste an sich, sondern auf deren Erfolg gerichtet ist (RG 72, 179; s. auch Vordem 1 vor § 631), von dem Auftrag vor allem durch dessen Unentgeltlichkeit. Eigen­ tümlich ist dem Dienstvertrag, daß bei ihm auch sozialpolitische Rücksichten auf den Dienstpflichtigen, als den wirtschaftlich Schwächeren, hervortreten, worauf namentlich diet z w i n g e n d e n Vorschriften in §§ 617, 618, 619, 624, 629, 630 zurückzuführen sind. — Von der auf Vertrag beruhenden Dienstpflicht ist zu unterscheiden die g e s e tz l i ch e Dienstpflicht der Ehefrauen § 1356 Abs 2 und der Kinder § 1617 (RG 25. 2.10 III 148/09) gegenüber dem Ehemann und den Eltern. 2. Geltungsbereich der Vorschriften deS BGB. Dieselben werden ausgeschlossen oder beschränkt: a) Durch eine Reihe von privatrechtlichen Bestimmungen der Reichs- und Landesgesetze, insbesondere des HGB §§ 59 bis 83 über die Handlungsgehilfen und HandlungSlehrlinge, §§ 84—92 über die Handlungsagenten, §§ 511—555 über die Schiffer, §§ 740 bis 753 über die Bergung und Hilfeleistung in Seenot — zu welchen Vorschriften noch die­ jenigen des Abänderungsgesetzes vom 2. 6. 02 §§ 547, 548, 549, 553, 5531, 553b, 749 treten-•> ferner der Seemannsordnung vom 2. 6. 02, insbes. §§ 27—83; der Strandungsordnung vom 17. 5. 74, insbes. §§ 4—25, §§ 36—41; des Gesetzes über die privatrechtlichen Verhält-, nisse der Binnenschiffahrt vom 20. 5. 98, insbes. §§ 7—20 über den Schiffer, §§ 21—25 über die Schiffsmannschaft, §§ 92—101 über Bergung und Hilfeleistung; des Gesetzes betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15. 6. 95, insbes. §§ 1—16 über den Floß­ führer, §$ 17—21 über die Floßmannschaft, §§ 24—29 über Berge- und Hilfslohn; ferner der Gewerbeordnung in der Fassung vom 26. 7. 00 (nebst Abänderung im EG z. BGB Art 36)

Dienstvertrag

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und späteren Zusatzbestimmungen, insbes. §§ 105—139 m über die gewerblichen Arbeiter, d. h. Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter (vgl. auch das Abänderungsgesetz vom 28. 12. 08; RGBl 667); namentlich in betreff der Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern; ingleichen der Landesgesetze über das Gesinderecht gemäß EG Art 95, wiewohl unter Fortgeltung der Vorschriften des BGB in §§ 617—619, 624; sodann auch über die Dienstverhältnisse im Bergrecht EG Art 67 Abs 1. Alle diese Vorschriften gehen auf dem Gebiete des Dienstvertrages denjenigen in §§ 611 ff. vor; doch ist, wo sie nicht ausreichen, eine entsprechende Anwendung der letzteren nicht ausgeschlossen. — Die §§ 611 ff. werden ferner zum großen Teil außer Kraft gesetzt b) durch öffentlichrechtliche Vorschriften der Reichs- und Landesgesetze, so namentlich über die Dienstverhältnisse der Staats- und Gemeindebeamten und der ihnen hierin gleichgestellten Geistlichen, sowie der Lehrer an öffentlichen Schulen, ingleichen über die Pensionsverhältnisse der Hinterbliebenen aller dieser Angestellten (wozu nach § 98 des Jnvalidenversicherungsgesetzes vom 13. 7. 99 auch die Beamten der Invalidenversicherung, dagegen nach § 48 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes in der Fassung vom 5. 7. 00 n i ch t die Beamten der Unfallversicherung zu rechnen sind (RG 7. 2. 08 III 457/07). Für die Dienst­ verhältnisse der genannten Anaestellten mit dem ihnen eigentümlichen Zwangs- und Ge­ waltsverhältnis des Staates und der Gemeinde, sowie mit der Gehorsams- und Dienstpflicht der Angestellten gelten vor allem die vorerwähnten öffentlichrechtlichen Vorschriften (RG 28, 85; 53, 429) und es bleiben namentlich auch die landesgesetzlichen Vorschriften über die vermögensrechtlichen Ansprüche und Verbindlichkeiten der Beamten, der Geistlichen und der Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten aus dem Amts- oder Dienstverhältnis mit Einschluß der Ansprüche der Hinterbliebenen, sowie die landesgesetzlichen Vorschriften über die Übertragbarkeit aller dieser Ansprüche, sowie über die Zulässigkeit der Aufrechnung gegen dieselben nach Artt 80, 81 EGzBGB fortdauernd in Geltung. Wie aber auch aus öffentlichrechtlichen Titeln vermögensrechtliche Ansprüche fließen können (RG 22, 288; 57, 353), so werden die vermögensrechtlichen Ansprüche der angeführten Angestellten auf Gehalt, Reichs­ kostenentschädigung und sonstige Dienstbezüge, sowie auf Pension, ingleichen auf Beschaffung geeigneter Arbeitsräume und Arbeitsgeräte, soweit sie sich auf ein bestehendes Dienstver­ hältnis stützen (also nicht die Ansprüche auf Gewährung einer dienstlichen Stellung, RG 12, 70; 49, 1), der Regel nach als vertragsähnliche (quasikontraktliche), auf dem Rechtswege verfolgbare anerkannt und auf dieselben, soweit nicht die oben erwähnten Reichs- und Landes­ gesetze Platz greifen, die Vorschriften des Dienstvertrages zur entsprechenden An­ wendung gebracht (Reichsbeamtenges v. 31. 3. 73 §§ 149 ff.; RG 18, 173; RG 27. 3. 06 II 362/05; RG Gruch 48, 346). Anderseits ist aber auch der Beamte dem Staate usw. für einen bei Ausübung seines Amtes angerichteten Vermögensschaden privatrechtlich haftbar (RG IW 06, 551"). — Ein öffentlicher Beamter ist ferner der Gerichtsvollzieher, der nach §155 GVG zur Vornahme von Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen berufen ist (vgl. auch das Ges. v. 1. 6. 09 betr. Änderungen des GVG. Eigentümlich aber ist für seine Stellung, daß er — abgesehen von den von Amts wegen angeordneten Geschäften — im Auftrag und im Interesse einer Partei tätig wird, und daß in der Regel von dieser auch die Gebühren für seine Tätigkeit zu entrichten sind (vgl. ZPO §§ 753, 754, 755, 826, 827; GebO f. GVollz. §§ 19, 20). So nimmt der Gerichtsvollzieher eine Doppelstellung ein. Dem Dritten, insbesondere auch dem zu pfändenden Schuldner gegenüber hat er lediglich die Stellung des Beamten, haftet auch bei Verletzung seiner Amtspflicht lediglich nach § 839. Der ihn beauftragenden Partei gegenüber kommt zunächst ebenfalls seine Beamtenstellung insoweit in Betracht, als seine Tätigkeit durch allgemeine Gesetze oder durch die Gerichtsvollzieher-Ordnungen und Geschäftsanweisungen gereaelt ist. Im übrigen aber bestimmt sich sein Verhältnis und seine Haftpflicht dem Auftraggeber gegenüber, dessen Weisungen, soweit sie gesetzmäßig sind, er nachzukommen hat, nach den privatrechtlichen Grundsätzen des eine Geschäftsbesorgung betreffenden Dienstvertrages (§§ 611, 675; RG 9, 363; 16, 396; 17, 332; 18, 389; RG 18. 2. 08 III 385/07; RG YW 01, 783; RG Gruch 44, 1199,1204), während der gänzliche oder teilweise Ausschluß der Haftpflicht durch mitwirkendes Verschulden der Partei nach $ 254 zu beurteilen ist (RG 6. 4. 09 III 326/08). So ist auch in neueren Entscheidungen des RG die Haftpflicht des Gerichtsvollziehers seinem Auftraggeber gegenüber und zwar nicht bloß die aushilfsweise des § 839, sondern die unmittelbare anerkannt bei unterlassener Beglaubigung der Be­ rufungsschrift und der auf deren Abschrift befindlichen Terminsbestimmung (RG 26. 3. 09 III 551/08), hier jedoch mitwirkendes Verschulden des Anwalts der Partei beachtlich; bei mangelhafter Protesterhebung (RG 5. 2. 07 III 273/06), bei verzögerter Ver­ steigerung von Pfandstücken und bei Unterlassung einer zulässigen weiteren Pfändung (RG 14. 12. 06 III 189/06); bei Pfändung von gesetzlich (ZPO § 811 Nr 1) unpfänd­ baren und Nichtheranziehung von noch vorhandenen pfändbaren Sachen des Schuldners (RG 19. 11. 09 III 566/08); anderseits wurde aber auch eine nach den angeführten privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende Verbindlichkeit der beauftragenden Partei zur

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Erstattung von Lagerkosten dem Gerichtsvollzieher gegenüber angenommen (RG 30.1. 06 III 303/05. — Eine ähnliche Doppelstellung wie der Gerichtsvollzieher nimmt der Notar ein. Der­ selbe ist zunächst ein Beamter, und zwar ein Staatsbeamter, dem die öffentliche Beurkundung (vgl. RG Warn 09 Nr 206) im Dienste von Privatpersonen obliegt (BGB §§ 126—129, §§ 518, 2231 ff.; RGes über die freiw. Gerichtsbark. v. 17.5.98, zehnter Abschnitt: gerichtliche und notarielle Urkunden; A. D. W. O. Artt 87 ff.; RStBG § 359). Anderseits aber wird er, wie schon aus obiger Begriffsbestimmung hervorgeht, regelmäßig nur auf Ersuchen einer Partei tätig, zu der er demgemäß in ein privatrechtliches Verhältnis tritt. Nach außenh i n und Dritten, insbesondere auch dem Wechselprotestaten gegenüber, kommt nur seine öffentlichrechtliche Stellung mit Haftung nach § 839 in Betracht, so z. B. im Fall unrichtiger Beurkundung eines Vertrages (RG 23.1.06 III 400/06). Auch auf sein Verhältnis zur Partei ist seine öffentlichrechtliche Stellung, insoweit sie durch Regulative und Anweisungen geordnet ist, von Einfluß. Im übrigen aber kommen in dieser Stellung, wie beim Gerichts­ vollzieher, die Vorschriften über Dienstvertrag und.Geschäftsbesorgung mit unmittelbarer Haftung für etwaige Versehen zur Anwendung, so z. B. in Betreff seiner Schadenspslicht bei versäumter oder ungültiger Protesterhebung (RG 49, 26; RG 6. 2. 06 III 275/05; 29. 5. 06III 334/05); bei der Aufnahme eines formell ungültigen Testamentes (RG 21. 12. 09 III 38/09); bei der Abfassung einer zuweitgehenden Löschungsbewilligung (RG 4.1.10 III 65/09). — Die Berufsstellungen der Rechtsanwälte und der approbierten Ärzte werden in geringerem Maße, als diejenigen der Beamten vom öffentlichen Rechte beeinflußt und namentlich ihre Beziehungen zu den ihren Beistand in Anspruch nehmenden Privat­ personen durch das Vertragsrecht des BGB bestimmt. Allerdings wird zunächst die Stellung des Rechtsanwalts in mehrfacher Hinsicht durch öffentlichrechtliche Vorschriften der RAO v. 1.7.78, insbes. §§ 3—25, §§ 26—36, 39, 40, sowie der Prozeßordnungen be­ stimmt, sodaß bei seinem Beruf, wie auch bei dem des Arztes „nicht sowohl die Ausübung des wirtschaftlichen Erwerbes als vielmehr die Betätigung geistiger Kräfte im Dienste des Gemeinwohles in den Vordergrund tritt" (vgl. RG 39, 137; 55,169 und yamentlich 66, 150). Insoweit er aber von einer Privatperson zu deren Beistand zugezogen wird, liegt ein reines Vertragsverhältnis vor, welches in der Regel als ein Dien st vertrag, unter Umständen — bei Auskunstserteilung, Erstattung von Gutachten — auch als Werkvertrag erscheint (a. M. Staudinger, „allgemeiner Arbeitsvertrag"; Vordem IV lc vor § 611). Auch in der Rechtsprechung ist eine privatrechtliche Haftpflicht des Rechtsanwalts bei Ver­ letzung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeiten angenommen worden, so bei unrichtiger Angabe der Hypothekenverhältnisse eines vom Auftraggeber anzukaufenden Gutes (RG 2.2.06 III 270/05), bei ungenügender Information über die Hypothekenverhältnisse eines Grundstücks vor dessen Zwangsversteigerung RG 15.5.08 III 496/07), bei unterlassener Fürsorge für die Aufnahme eines im Zwangsversteigerungstermine abgegebenen Gebotes in das Protokoll (RG 11.12. 08 III 106/08), bei Beschaffung und Benutzung eines ungültigen Wechselprotestes (RG 20. 2. 06 III 295/05), bei Verzögerung einer an sich begründeten Klage­ anstellung bis nach Ablauf der dafür bestehenden Verjährungsfrist (RG 9. 3. 09 III 208/08), bei vorzeitiger Stellung von Vollstreckungsanträgen, jedoch unter Mithaftung der Partei nach § 254 (RG 3. 4. 06 III 376/05), wegen unrichtigen Rates über das von einer Partei einzuhaltende Verfahren, wenn zwischen ihr und dem Anwalt ein Bertragsverhältnis besteht (RG 5.1. 05 III 264/04; 18. 2.10 III 154/09); dagegen keine Haftpflicht wegen solchen Rates bei nicht bestehendem Bertragsverhältnis (RG 16. 3. 06 III 342/05). Die Vorschriften des Dienstvertrages finden endlich auch Anwendung auf daS Ver­ hältnis des Arztes zu seinem Patienten. Allerdings ist auch der Arzt, namentlich insofern nach GewO § 29 zur Bezeichnung und Anerkennung als „Arzt" ein Befähigungsnachweis und eine staatliche „Approbation" erfordert, ihm auch durch weitere Bestimmungen (StGB § 300; RG 53, 315) die Wahrung des Berufsgeheimnisses und bei gewissen ansteckenden Krank­ heiten eine Anzeigepflicht auferlegt wird, dem öffentlichen Recht unterworfen. Vgl. außer­ dem noch StGB §§ 209, 277, 278; GVG § 35, 85; StPO § 52 Abs 1 Nr 3; ZPO § 383 Nr 5; KO § 61 Nr 4; Personenstandsges § 18 Nr 3, § 58; RGes betr. die Bekämpfung gemeingefähr­ licher Krankheiten v. 30. 6. 00 § 2. Im übrigen aber beruht seine Tätigkeit — mag man nun darin mit dem Urteil des RG 39, 137 und gemäß §§ 29, 144 Abs 2 GewO die Ausübung eines Gewerbes erblicken oder solche Auffassung mit RG 66, 144 ablehnen — auf einem aus­ drücklichen oder stillschweigenden Abkommen mit dem Kranken oder dessen Angehörigen und Vertretern, die ihn zugezogen haben und an ddren Entschließung auch der Arzt mehrfach ge­ bunden ist, so namentlich in dem Falle, wo es sich um Vornahme einer Operation handelt, die nicht gefahrlos und dabei in ihrem Ergebnis ungewiß erscheint (RGSt 25, 375: SeuffA Bd 46 Nr 189, Bd 48 Nr 262). 3. Inhalt deS Dienstvertrages. Auch der Dienstvertrag unterliegt den Grundsätzen von Treu und Glauben (8 242) und darf nicht gegen die guten Sitten (§138) verstoßen. Ein solcher Verstoß liegt z. B. dann vor, wenn ein Handlungsgehilfe nach seinem

Dienstvertrag

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AnstellungSvertrage in gleicher Weise am Gewinn und Verlust des Geschäfts Anteil haben und das Entgelt für seine Dienste sich lediglich nach dem Ergebnis der Gewinn- und Verlust­ rechnung bemessen, eintretendenfalls also ein Entgelt ihm überhaupt nicht zu­ kommen soll (RG 26.11.09 III 11/09). Ebenso Unzulässigkeit der zeitlich unbegrenzten Aussperrung eines Arbeiters durch einen Arbeitgeberverband, wenn dadurch dem Arbeiter in weitgehender Weise die Erlangung von Arbeit erschwert und ihm gegenüber eine unbillige Härte betätigt wird (RG 57, 418). Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt aber z. B. dann nicht vor, wenn ein Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Arbeiter mit Rücksicht auf den unter den Arbeitern eines andern Arbeitgebers ausgebrochenen Streik nach vorgängiger ordnungsmäßiger Kündigung entläßt (RG 54, 255). Gegen die guten Sitte:: verstößt auch nicht die Nebenbestimmung eines Arbeitsvertrages, daß ein Angestellter, der einen an sich auskömmlichen festen Gehalt, sowie außerdem gewisse Nebenbezüge an Provision und Tan­ tiemen erhält, keinen Anspruch auf diese Nebenbezüge haben soll, wenn bei deren Fälligkeit der Vertrag bereits gekündigt ist (RG 58, 361). Die erwähnten Grundsätze aus §§ 242, 138 gelten auch für die Vereinbarung, durch welche dem Dienstverpflichteten bei Meidung einer bestimmten Strafe für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses eine Beschränkung in der Verwertung seiner Arbeitskraft auferlegt wird (Konkurrenzklausel). Der Verletzung einer'solchen Bestimmung steht ein auf deren Umgehung gerichtetes Verhalten gleich (RG 22. 2.10 III 165/09). Bei unverhältnismäßiger Höhe der Strafe ist $ 343 maßgebend. Der Dienstberechtigte kann nach 8 340Abs1 Sah 2 neben der Vertragsstrafe nicht auch zugleich Vertragserfüllung (Einhaltung des Konkurrenzverbotes) fordern, der Verpflichtete aber sich von der ihm auferlegten Beschränkung dann freimachen, wenn die Strafe ihrer Höhe nach dazu bestimmt erscheint, dem Berechtigten das volle Interesse an der Vertragserfüllung zu ersetzen (RG 33, 141; 40, 100; 2.4.09 III 329/08). Für Handlungsgehilfen gelten ferner die Vorschriften in 88 74, 75 HGB und 8 75 ist im Wege der Auslegung auch auf Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker (GewO 8 133a) aus­ gedehnt (RG 59, 76). Für gewöhnliche Dien st vertrüge sind derartige aus­ drückliche Vorschriften im BGB nicht enthalten, auch nicht in dem Maße, wie bei Handlungs­ und gewerblichen Gehilfen nötig. Die in derartigen Dienstverträgen enthaltenen, den Dienst­ pflichtigen übermäßig beschränkenden Konkurrenzklauseln sind daher nur insoweit zu bean­ standen, als sie den Grundsätzen von Treu und Glauben oder den guten Sitten zuwiderlaufen (vgl. RG 7. 6. 04 III 107/04; RG 7. 4. 08 III 315/07). Als den guten Sitten zuwiderlaufend ist insbesondere die von (deutschen) approbierten Ärzten und Zahnärzten (wie auch von Rechtsanwälten) mit ihren seitherigen Assistenten vereinbarte Konkurrenzklausel anzu­ sehen (RG 66, 143). Diese Beschränkung gilt jedoch nicht für eine derartige Vereinbarung zwischen den nicht approbierten Zahntechnikern und ihren Assistenten, da diese Personen lediglich Gewerbetreibende sind und ihre Zahnheilpraxis als ein gewerbliches Unter­ nehmen betrachten (RG 70, 339). Zulässigkeit des Verkaufes der Praxis eines Zahntechnikers an einen Zahnarzt (RG Warn 09 Nr 5). 4. Verfolgung der Ansprüche aus Dienstvertragen. Regelmäßig hat der Dienst­ berechtigte einen klagbaren Anspruch nur (positiv) auf Leistung der versprochenen Dienste, ohne jedoch in dieser Richtung einen gerichtlichen Zwang geltend machen zu können (ZPO 8 888 Abs 2). Dagegen hat nach dem Gesetze der Berechtigte keinen (negativen) Anspruch dahin, daß der Verpflichtete während seiner Vertragszeit bei keinem andern Arbeitgeber Dienste nehme. Doch kann auch in dieser Beziehung infolge besonderer Vereinbarung ein Anspruch des Prinzipals, seinem Bediensteten die Dienstleistung bei einem andern Prinzipal zu verbieten, sich ergeben (RG 72, 393, Plenarentscheidung), und in diesem Falle wird sich auch der gerichtliche Zwang rechtfertigen lassen; so ist z. B. gegen­ über einem Schauspieler, der sich verpflichtet hat, nur auf einer bestimmten Bühne aufzu­ treten, ein gerichtliches Strafverbot im Falle des Auftretens auf einer Konkurrenzbühne für zulässig erachtet worden (RG 29.1. 04 III 517/03). Im übrigen kommen aus dem Prozeß­ recht für die Verhältnisse des Dienstvertrages zur Anwendung ZPO 8 850, sowie Bundesges v. 21.6. 69 und RGes v. 17.5.98 Art III (Beschränkung der Beschlagnahme von Arbeits­ oder Dienstlohn), KO §§ 22, 27, 61 Nr 1, 4 (rechtliche Stellung und Befriedigung der Dienst­ verpflichteten im Konkurse des Dienstberechtigten), ZVG 8 10 Nr 2, 155 (Befriedigung der Ansprüche gewisser Dienstverpflichteten und Angestellten bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks des Dienstberechtigten). Von ganz besonderer Bedeutung sind hier für die Zuständigkeitsfrage das Gewerbegerichts­ gesetz in der Fassung v. 29. 9. 01, insbes. 88 4 und 6, sowie das Ges. bett, die Kaufmannsgerichte v. 6. 7. 04, insbes. §§ 5 und 6. In letzterer Beziehung ist insbesondere die Frage, ob die Zu­ ständigkeit des ordentlichen Gerichts oder des Kaufmannsgerichts begründet sei, noch in der Revisionsinstanz nachzuprüfen (RG 26. 11. 09 III 24/09). 5. Eine besondere Form ist für den Abschluß des Dienstvertrages nicht vorgeschrieben (RG 24. 5. 09 III 253/08). 6. Die Übergangsvorschrift s. in EG Art 171.

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Einzelne Schuldverhältnisse

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Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienstes, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Bergütung verpflichtet^). Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art feilt8). C I 559 II 51 9)1 2, 455—460 P 2, 276 ff.

1. Hanptleistnng deS Dienstpflichtigen; die versprochenen Dienste. Der Regel nach hat er dabei nur die gewöhnliche Sachkunde zu gewähren (OLG 6, 83). — Ob der mit der Dienstleistung verbundene Aufwand, die erforderlichen Geräte, Fahrzeuge usw. vom Dienst­ pflichtigen oder vom Dienstberechtigten zu beschaffen sind, hängt von den Umständen, ins­ besondere von der Natur der zugesagten Dienste ab (s. unten Z 618 A 2). — Macht der Dienst­ pflichtige aus Grund der zugesagten Tätigkeit eine Erfindung, so gehört dieselbe dem Dienstberechtigten (RG 19. 9. 00 I 170/30; 4. 3. 03 I 361/02). Dagegen fällt sie dem Dienst­ pflichtigen zu, wenn die zur Erfindung führende Tätigkeit aus dem Nahmen der übernommenen Verpflichtung herausfällt (RG SeuffA 60 Nr 196). Vgl. aber den Vorschlag der Komm, des 29. deutschen Juristentages Bd. 5 S 802: „Die Erfindung gehört dem Angestellten, sofern nicht durch Vertrag das Gegenteil bestimmt ist". — Anspruch auf Annahme der ver­ sprochenen Dienste, wenn eine dahin gehende Vereinbarung getroffen ist (RG 9.12.02 III 278/02; bei Gruch 47, 400). R ü ck t r i t t s r e ch t des Dienstherrn bei beharrlicher Ab­ weichung des Dienstpflichtigen von einer ihm für eine Geschäftsbesorgung erteilten Anweisung (RG 57, 392). Bei Unmöglichkeit der Dienste, mögen sie in der Person des Pflichtigen oder des Berechtigten oder in sonstigen Ereignissen liegen, f. §§ 323—325; bei zeitweiser Un­ möglichkeit infolge eines in der Person des Dienstpflichtigen liegenden Umstandes s. § 616. Bei gleichzeitiger Verpflichtung gegenüber mehreren Berechtigten geht von letzteren derjenige vor, welcher seinen Anspruch zuerst gerichtlich geltend macht; im Gesinderecht geht nach den landesgesetzlichen Gesindeordnungen in der Regel derjenige vor, dem sich der be­ treffende Dienstbote zuerst verpflichtet hat (s. Staudinger § 611 Erl X). — Im übrigen: Dienstvertrag eines Minderjährigen § 113. Dienstvertrag einer Ehefrau § 1358. Erfüllungs­ ort § 269. Erfüllungszeit §§ 242, 271, 193. Fixgeschäfte § 361. Haftung für Gehilfen § 278. — Nebenleistungen, insbesondere: Unterlassung jeder, der versprochenen Leistung zuwiderlaufenden Tätigkeit (RG 20.9.07 III 59/07), auch einer Konkurrenztätigkeit s. o. Vorbem 3, Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse, Verpflichtung zur Treue, Achtung, Berichterstattung über die übernommenen Geschäfte. 2. Hauptleitung des Berechtigten: die vereinbarte Vergütung. Die Bergütung kann in Geld oder in der Zuwendung anderer Vermögensvorteile (freier Wohnung, Bekösti­ gung, auch Gegendienste) oder auch in einem Anteil am Gewinn bestehen — sog. partiarisches Geschäft, ohne daß deshalb ein Gesellschaftsvertrag vorzuliegen braucht (RG 9.12.02 III 278/02; 30.5.07 VI 342/06; s. jedoch auch Vorbem 3 und GewO §§ 115, 133a). Verstoß gegen die guten Sitten, wenn der Dienstpflichtige die Leistung der Dienste verweigert, bis ihm ein besonderer Vermögensvorteil versprochen wird (RG IW 08, 7102). Bei unent­ geltlich übernommenen Diensten kommen nicht die Vorschriften des Dienstvertrages, sondern diejenigen des Auftrags oder des Schenkungsversprechens zur entsprechenden An­ wendung. — Sind die Dienste aus bloßer Gefälligkeit zugesagt, so liegt überhaupt kein Vertragsverhältnis vor, sodaß eintretendenfalls höchstens nur eine Haftpflicht aus unerlaubter Handlung des die Dienste schuldhaft Verrichtenden gegeben ist (RG 65, 17; RG 22. 10. 06 VI 75/06). Zurückbehaltungsrecht des Dienstberechtigten bei Erfüllungsverzug des Dienstverpflichteten (RG 3. 1. 05 III 256/04). — Zweijährige Verjährungsfrist für die Ansprüche auf Dienstlohn usw. nach § 196 Nr 7—15. — Nebenleistungen: vgl. zunächst unten §§ 617, 618; Ersatz von etwaigen Aufwendungen, dagegen keine privatrechtliche Verpflichtung des Berechtigten, sofern sie nicht ausdrücklich oder stillschweigend übernommen ist, zur Verwendung der Marken, welche für die Invalidenversicherung der bei ihm beschäftigten Arbeiter erforderlich sind (RG 63, 55; a. M. Dernburg II § 306 Anm 9). Ebensowenig hat der in dem Fuhrwerksbetriebe eines kaufmännischen Geschäfts angestellte und in diesem Betrieb zu schaden gekommene Arbeiter einen Entschädigungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber, weil derselbe die nach öffentlichem Recht gebotene Anmeldung deS Ge­ schäfts zum Handelsregister unterlassen habe, welche nach § 1 Ziff. 7 GewUnfVersGes vom 6. 7. 00 eine Voraussetzung für die Gewährung der Unfallrente bildet (RG IW 10, 232e). 8. Dienste jeder Art. Sowohl höhere Dienste (Arzt, Rechtsanwalt, Lehrer, Privatbeamter, Künstler, Schauspieler), als niedere (Feld- und Gartenarbeiter, Ge­ hilfe im Hauswesen); anderseits sowohl auf Anstellung, mit Überordnung des Dienstberechtigten über den Dienstverpflichteten als auf freier Vereinbarung gleichstehender Vertragsparteien beruhend. — Im BGB sind namentlich hervorgehoben: dauernde Dien st verhält-

Dienstvertrag

§§ 611, 612

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nisse §§ 617, 629, 630; Dienstverhältnisse mit Aufnahme des Verpflichteten in die häus­ liche Gemeinschaft des Berechtigten §§ 617,618 Abs 2; ferner Dienstverhältnisse der zur Leistung höherer Dienste Bestellten §§ 622, 627; und namentlich in § 675 die in Geschäftsbesorguna bestehenden Dienste (rechtsgeschäftlicher Natur oder mit vermögensrechtlichem Interesse für den Empfänger) mit entsprechender Anwendbarkeit der zunächst für den Auf­ trag gegebenen Vorschriften der §§ 663, 665—670, 672—674 und unter Umständen des § 671 Abs 2. Aus diesen Vorschriften ist diejenige des § 663 wegen der Verpflichtung gewisser Per­ sonen zur unverzüglichen Kundgebung einer Ablehnung von Dienstaufträgen hervorzuheben, womit auch die RAO § 30 übereinstimmt. Im übrigen nach dem BGB keine Verpflich­ tung zur Übernahme dienstlicher Verrichtungen. Vgl. dagegen für öffentlich-recht­ liche Dienstleistungen das Reichspostgesetz v. 28.10. 71 § 3 und die Eisenbahnverkehrsordnung v. 23.12. 08 § 3, das TelegraphenG v. 6. 4. 92 § 5. Kein eigentlicher Dienstvertrag (sondern in der Regel ein Werkvertrag) ist der auf Beschaffung von Diensten gerichtete (Impresario-) Vertrag (OLG 3, 22; SeuffA 56 Nr 221 und 222). Kein Dienstvertrag ist auch die schieds­ richterliche Tätigkeit (RG 59, 248). — Eine besondere Art des Dienstvertrages ist der Bühnen­ engagementsvertrag für regelmäßigen Theaterbetrieb, während er sich bei Gastspielen als Werkvertrag gestaltet. — Dienstvertrag ist auch das Engagement eines Artisten (Illusionisten) für eine Reihe von Vorstellungen (RG 8. 5. 08 III 364/07). Ein Dienstvertrag liegt ferner vor, wenn sich die eine Partei verpflichtet, die T h e a t e r m u s i k für das Theater der andern mit einer Kapelle auszuführen, während letztere den Kapellmeister stellt (RG Warn 10 Nr 15). Den Vorschriften des Dienstvertrages (je nach der Sachlage auch des Werkver­ trages) unterliegt ferner der Agenturvertrag, der nur die Eigentümlichkeit hat, daß hier dem Dienstverpflichteten in der ihm obliegenden Vermittelung der Geschäfte für den Geschäftsherrn eine gewisse Selbständigkeit zukommt (RG IW 08,1388), außerdem regel­ mäßig die Gefahr ergebnisloser Bemühungen zufällt, und daß auch ein auf längere Zeit ab­ geschlossener Agenturvertrag von dem Geschäftsherrn bei Unmöglichkeit eines lohnenden Fortbetriebes seines Geschäfts vorzeitig gekündigt werden kann (RG 9.3.09 III 2707/08). Im übrigen Haftpflicht des Agenten, der dem von ihm abgeschlossenen Vertrage zuwider Geschäfte für eine Konkurrenzfirma seines Auftraggebers vermittelt hat (RG 23.11. 09 III 559/08). Wegen der besonderen Verhältnisse der Versicherungsagenten vgl. §§43 ff. des Gesetzes über den Versicherungsvertrag v. 30. 5. 08. S. auch unten Vordem 2 vor § 652. — Eine hervorragende Bedeutung hat endlich im modernen Verkehrsleben der Tarifvertrag (Arbeitsnormenvertrag) erlangt, d. h. der Vertrag, der von einer Vereinigung von Arbeit­ gebern (oder auch von einem Arbeitgeber) einerseits mit einer Vereinigung von Arbeitnehmern anderseits über die Lohn- und Arbeitsbedingungen künftiger Einzelarbeitsverträge ihrer Mitglieder abgeschlossen wird. Aus der großen Zahl der deutschen Tarifverträge s. ins­ besondere als den ältesten den Tarifvertrag der deutschen Buchdrucker, aus neuerer Zeit den Tarifvertrag der deutschen Holzarbeiter von 1905 und zu letzterem RG IW 10, 1847 (unmittel­ bares Klagerecht einzelner Mitglieder des Arbeitgeberverbandes aus dessen Tarifvertrag). — Vgl. auch Verh. des 29. Deutschen Juristentags Bd. 2 S. 201—240, Bd. 5 S. 20—112; 826-834.

§ 612 Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistnng den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist2). Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmiißige Vergütung2), in Ermangelung einer Taxe die übliche Ver­ gütung als vereinbart anzusehen*). E l 559 Abs 2 II 652 M 2, 459 P 2, 277.

1. Die Vergütung kann in Stücklohn oder in Zeitlohn bestehen. Sie wird regelmäßig in Geld gewährt. 2. Maßgebend ist dabei namentlich, ob die betr. Dienstleistung nach der BerkehrSsitte oder nach ihrer GewervSmaßigkeit regelmäßig gegen Entgelt erfolgt, auch wenn der Dienstberechtigte hiervon nichts gewußt hat (s. jedoch §§ 119 ff.). — Verbot und Einschrän­ kung des Trucksystems, d. i. der Gewährung des Arbeitslohnes in Waren statt in barem Gelde an die gewerblichen Arbeiter, sowie an die Arbeiter in Bergwerken, Salinen, Auf­ bereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben (GewO §§ 115—119, § 154a Abs 1). 8. Vgl. namentlich GewO §§ 76—79. 4. Die (obrigkeitliche) Taxe oder die Üblichkeit ist von dem die Vergütung hiernach Fordernden zu erweisen (Oertmann § 612 Bem 3; SeuffA 65 Nr 73), während dem in An­ spruch Genommenen der Beweis der abweichenden Vereinbarung einer geringeren Vergütung obliegt. — Beim Mangel von Taxe oder Üblichkeit kommen §§ 315,316 BGB zur Anwendung.

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

§ 613 Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten1). Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar1). T II 654 III 606 M 2, 456 P 2, 278.

1. In Person. Nach dieser Auslegungsregel erlischt, wenn nichts anderes vereinbart ist, das Dienstverhältnis nach den Grundsätzen über die Unmöglichkeit der Erfüllung durch den Tod des Dienstverpflichteten, der zur Bestellung eines Vertreters weder berechtigt noch verpflichtet ist, während ihm die Annahme eines Gehilfen, § 278, regelmäßig ge­ stattet ist, sofern solche mit der ihm obliegenden persönlichen Dienstleistung vereinbar erscheint. Die Bestimmung, daß beim Tode eines der Vertragsteile der Vertrag auf Verlangen der Erben aufgehoben sein soll und auch von der Gegenpartei sofort gekündigt werden kann, ist daher mit der Natur des Dienstvertrages vereinbar (RG 9. 12. 02 III 278/02). 2. Unübertragbarkeit des Anspruchs auf die Dienste; demgemäß nach ZPO § 851 Abs 1 im Zweifel auch deren Unpfändbarkeit. Die gleichwohl bewirkte Übertragung kann unter Umständen einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 626 für den Dienstver­ pflichteten abgeben (RG 12. 7. 04 111 119/04). — Die Vorschrift der Unübertragbarkeit findet keine Anwendung in den öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnissen (RG 20. 4. 06 III 396/05; RG 17. 1. 08 II I 248/07: Übergang eines Gemeindebeamten in den Dienst der erweiterten Stadtgemeinde, in welche die Anstellungsgemeinde ausgenommen ist). Durch den Tod des Berechtigten wird das Dienstverhältnis nicht unbedingt und ausnahmslos be­ endigt (RG 9. 12. 02 III 278/02). Denn die Vererblichkeit des Anspruchs ist an sich zulässig, sofern nicht die Leistung durch den Eintritt eines andern als des ursprünglichen Gläubigers eine Veränderung ihres Inhalts erfährt, sodaß sie in der vereinbarten Weise unmöglich wird (vgl. § 399). Es kann auch durch den Tod des Berechtigten für dessen Erben ein Kündigungs­ recht nach § 626 entstehen (RG 58, 256).

§ 614 Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zn entrichten1). Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Abläufe der ein­ zelnen Zeitabschnitte z« entrichten1). 6 I 560 II 555 M 2, 461 P 2, 279.

1. Also in der Regel, wenn nichts anderes vereinbart oder sonst (durch die VerkehrSsitte, durch Polizeivorschrift oder durch die Art der Vergütung) festgesetzt ist, Vorleistung des Dienstverpflichteten, wie bei der Miete einer Sache § 551. — Auch bei der vom Dienst­ pflichtigen übernommenen Verwaltung eines Landgutes muß die (nach § 675) damit ver­ bundene Rechnungslegung vor Beanspruchung der Vergütung für die Verwaltungstätig­ keit erfolgen (RG IW 07, 479"). Jedoch Zurückbehaltung der Dienstleistung bei Vermögensverfall des Berechtigten (§ 321) oder bei Rückstand von bereits fälligen Lohn­ zahlungen (§ 273). Auch § 320 Abs 2 (Gegenleistung bei verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils der Dienstleistung) kann in Betracht kommen. — Die Aufrechnung gegen die Lohnforderungen des Verpflichteten ist, sofern letztere der Pfändung nicht unter­ worfen ist, nach BGB § 394, ZPO § 850 Nr 1 ausgeschlossen, nicht aber das Zurück­ behaltungsrecht (§ 273) gegen eine unpfändbare Lohnforderung (vgl. oben § 611 A 2 und Staudinger Erl. 2, 2 b; Dernburg II § 307 III; a. M. Staub, HGB § 59 Nr 5 Anm 45). — Über vertragsmäßige Lohneinbehaltungen der Gewerbsunternehmer s. GewO i 119 a). 2. Wegen etwaiger Lohnvorschüsse f. §§ 607, 812.

§ 615 ^Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste d»e vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein1). Er mutz sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er in­ folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt1) oder zu erwerben böswillig unterlätzt1). E I 561 II 556 M 2, 461—463 P 2, 279.

1. Der Anspruch aus § 615, welcher eine Einschränkung des 5 614 enthält, ist nicht ein Entschädigung--, sondern ein Erfüllungsanspruch, setzt ein Verschulden auf feiten des

Dienstvertrag

§§ 613—617

463

Dienstberechtigten nicht notwendig voraus und führt an sich nicht zur Aufhebung des Ver­ tragsverhältnisses, erfordert aber, daß sich der Dienstpflichtige, und zwar nicht bloß beim An­ tritt der Dienste, sondern auch nach einer vorübergehenden Unterbrechung der bereits be­ gonnenen Dienste, zur Dienstleistung dem Dienstberechtigten gegenüber bereit erklärt (RG Warn 09 Nr 286); dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Berechtigte den Verpflichteten aus dem Hause gewiesen hat, in welchem er die Dienste zu verrichten hatte (RG IW 09, 72212). 2. Bei Annahmeverzug des Dienstberechtigten bleibt der Anspruch des Ver­ pflichteten auf die Vergütung für die infolge des Verzuges nicht geleisteten Dienste bestehen, statt dessen ist auch ein Anspruch des Verpflichteten auf Schadensersatz möglich. 3. Für die Anrechnung des Erwerbes wird vorausgesetzt, daß dieser Erwerb durch Ver­ wendung der dem Berechtigten zugesagten Arbeitskraft gemacht ist (RG 12. 6. 03 III 60/03). Anrechnung der in e i n e m T e i l e der Vertragsdauer gemachten, besonders hohen anderweiten Verdienstes auf die für die g a n z e Vertragszeit anfällig gewordene Vergütung (RG 58, 402). — Für diese Anrechnung trifft den Dienstberechtigten die Beweislast (RG SeuffA 61 Nr 79). 4. Böswillig, d. i. um den Gegner zu schaden, insbesondere durch Zurückweisung einer sich ihm darbietenden guten Arbeitsgelegenheit. Dagegen ist der Verpflichtete im übrigen zu einer positiven Tätigkeit behufs Verwertung seiner Dienste während der Verzugszeit nicht verpflichtet (RG 24. 1. 05 III 508/04).

8 61« >)Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Ver­ gütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erheb­ liche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Gründ ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert toirb2). Er muß sich jedoch den Betrag an­ rechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer ans Grund gesetzlicher Verpflichtung2) bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zu­ kommt^). (8 I 562 II 557 M 2, 463 P 2, 280.

1. Zeitweilige Verhinderung deS Verpflichteten. Diese Vorschrift setzt aus sozial­ politischen Gründen eine Ausnahme von § 323 fest, schließt indessen eine abweichende Ver­ einbarung nicht aus. — Für Handlungsgehilfen usw. kommt HBG § 63, für gewerbliche Be­ triebsbeamte, Werkmeister. Techniker GewO § 133 c Abs 2 in Betracht, neben welchen Vor­ schriften beim Nichtvorhandensein ihrer besonderen Voraussetzungen übrigens auch die aus­ hilfsweise Anwendung des § 616 zulässig erscheint. 2. Der Berhindernngsgrund (Krankheit, militärische Übungen, Tod eines nahen Verwandten) kommt sowohl bei Zeitlohn als bei Stücklohn und nicht bloß bei einem dauern­ den Dienstverhältnis in Betracht. Beruht er auf einem n i ch t in der Person des Verpflich­ teten liegenden zufälligen Ereignis (z. B. Feuersbrunst), so wird wenigstens die entsprechende Anwendung des § 616 gerechtfertigt sein, wenn dieses Ereignis auf die Person des Dienst­ pflichtigen zurückwirkt (vgl. RG 3, 179). 3. Unter gesetzlicher Verpflichtung ist auch die durch Ortsstatut begründete zu ver­ stehen (KrankVersGes v. 10. 4. 92 § 51 Abs 2, § 54). 4. Ni chtanrechnung der aus privaten Versicherungsverhält­ nissen (sofern für dieselben vertragsmäßig nichts anders bestimmt ist) oder auch aus der Invalidenversicherung fließenden Unterstützungen; ebenso wird der Dienst­ berechtigte von seiner Zahlungspflicht durch das Vorhandensein von Ansprüchen des Verpflich­ teten gegen einen Dritten nicht befreit. — Abweichend von obiger Vorschrift HGB § 63 Abs 2.

§ «17 *)Jst bei einem dauernden Dienstverhältnisfe, welches die Erwerbstätig­ leit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft ausgenommen, so hat der Dienst­ berechtigte ihm im Falle der Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die Beendigung deS Dienstverhältnisses hinaus, zu gewähren, sofern nicht die Erkrankung von dem Verpflichteten vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt worden ist2). Die Verpflegung und ärztliche Behandlung kann

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

durch Aufnahme des Verpflichteten in eine Krankenanstalt gewährt werdens. Die Kosten können auf die fiir die Zeit der Erkrankung geschuldete Vergütung angerechnet werden«). Wird daS Dienstverhältnis wegen der Erkrankung von dem Dienstderechtigten nach § 626 gekündigt, fo bleibt die dadurch herbei­ geführte Beendigung des Dienstverhältnisses außer Betracht.') Die Verpflichtung des Dienstberechtigtcn tritt nicht ein, wenn für die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine Versicherung oder durch eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege Vorsorge getroffen ist"). P 2, 284—289.

1. Fürsorge im Krankheitsfälle. Zwangsvorschrifi mit Rücksicht auf die Lage des wirtschaftlich Schwächeren. — Nach Art 95 EG auch auf das Gesindever­ hältnis, unter Vorbehalt der aus dessen besonderen Vorschriften sich etwa ergebenden Mehransprüche, anwendbar. — Ebenso ist die Anwendbarkeit, in Ermangelung besonderer Vorschriften des HGB und der GewO, für Handlungsgehilfen usw. sowie für gewerbliche Arbeiter begründet. Vgl. auch Seemannsordnung vom 2. 6. 02 §§ 59 ff. Haftung des Dienst­ berechtigten über den § 617 hinaus aus vollen Schadensersatz wegen eines v o n i h m z u vertretenden Umstandes, insbesondere wegen Verletzung der ihm nach § 618 obliegen­ den Pflichten. 2. Voraussetzungen dieser Verpflichtung des Dienstberechtigten, also: dauerndes Dienstverhältnis mit vollständiger oder hauptsächlicher Inanspruchnahme des Verpflichteten und mit Aufnahme desselben in die häusliche Gemeinschaft (Wohnung und Kost) des Be­ rechtigten, Ausbruch der Krankheit nach Aufnahme in diese Gemeinschaft. —. Hierauf er­ streckt sich die BeweiSlast des Verpflichteten, während der Berechtigte die Ausschlußgründe: vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführung der Krankheit durch den Verpflichteten, Fürsorge durch Versicherung oder eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege, nachzuweisen hat. 8. Wahlrecht des Dienstberechtigten, ob er die Fürsorge im Hause oder in einer Krankenanstalt gewähren will. Der Verpflichtete hat außer dem Anspruch auf Fürsorge oder auf Schadensersatz auch im Falle eigener Deckung der Kosten den Ersatzanspruch an den Berechtigten und kann nach $ 626 fristlos kündigen. 4. Ob für diese Zeit überhaupt eine Vergütung zu entrichten ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 323, sowie nach § 616. 5. Wird das Dienstverhältnis wegen der Erkrankung von dem Dienstberechtigten nach $ 626 gekündigt, so bleibt der in Satz 1 angeführte Anspruch des Verpflichteten auf Ver­ pflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die vereinbarte Dauer des Dienstverhältnisses hinaus, bestehen. 6. Vgl. das SrankenversicherungSgesetz in der Fassung vom 10. 4. 92, §§ 1, 2a, 4 Abs 2, sowie das Gewerbeunfallversicherungsgesetz §z 8—12; das Unfallversicherungsgesetz für Land- und Forstwirtschaft §§ 7, 8 und das Bauunsallversicherungsgesetz z 10, diese drei sämtlich vom 30. 6. 00.

§ 618 «)Der Dienstberechtigte hat Räumet, Vorrichtungen oder Gerätschaften'), die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat«), so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter feiner Anordnung oder feiner Leitung vorzunehmen find, fo zu regeln, daß der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet»). Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft ausgenommen, fo hat der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn- und SchlasraumS«), der Ver­ pflegung, sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlich­ keit und die Religion des Verpflichteten erforderlich find. Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersätze die fiir unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der 88 842 bis 846') entsprechende Anwendung')'), e II 668 TOf 1; III 610 «r, 1M r, 460 P r, 888 ff. 1. Geltungsbereich und rechtliche Ratur der (ZwangS-)Borschrift. Dieselbe ist auch für daS Gesindeverhältnis (EG Art 96), unter Umständen auch für den Werk-

Dienstvertrag

§§ 617, 618

465

Vertrag maßgebend, dagegen für die Handlungsgehilfen usw. durch HGB § 62, fü die gewerblichenArbeiter durch GewO §§ 120a bis 120c ersetzt (vgl. RG 27. 10. 0 III 9/08). — Auch den öffentlichen Beamten gegenüber besteht eine privat rechtliche Verpflichtung des Staates und der Gemeinde zur Beschaffung geeigneter Arbeit* räume und Werkzeuge (RG 18,173; RG 8.12. 08 III 55/08), sowie zur Erteilung der erfordeilichen Anweisungen (RG 31. 3. 08 III 312/07). — Die hier dem Dienstherrn auferlegte Pflich ist zwar dem Kreise der aus dem Dienstverhältnis entspringenden Pflichten zuzwechuen, beruht jedoch nicht ausschließlich auf dem Arbeitsverhältnisse. Deshalb ist für einen 2lnfprucb aus § 618 nicht das Gewerbegericht, sondern das ordentliche Gericht zuständig (RG SeuffA 55 Nr 34; RG 12.3.09 III 239/08). 2. Räume. Die Vorschrift gilt auch für Höfe, Treppen, Gänge, sowie für Zugänge zur Arbeitsstätte (RG IW 10, 14810), sowie zu den Arbeitsräumen, z. B. zu einer Fahrstuhlöffnung (RG Warn 08 Nr 624), zum Souffleurkasten eines Theaters (RG 26.11.03 VI 112/03: 1.10.07 III 89/07; 28.1.08 III 277/07), ingleichen für Flure (RG 21.1.08 III 242/07), daneben auch für den Zugang zum Abort (RG Gruch 48, 346), zum Keller (RG IW 10, 280°), nicht aber für öffentliche Wege und sonstige Zugänge, auf denen der Dienstpflichtige außerhalb des seine Arbeitsstätte enthaltenden Grund­ stücks zu dieser gehen muß (RG 12. 5. 02 VI 69/02; RG Gruch 46/931). Kein Anspruch des Dienstpflichtigen wegen Artsgleitens auf einer ordnungsmäßigen, aber am Morgen (z. Zt. des Unfalles) noch nicht gesäuberten Treppe (RG IW 10, 282°). 3. Vorrichtungen oder Gerätschaften: Vorrichtungen beim Fensterputzen: Tritt, Fensterstuhl, milwirkendes Verschulden des Dienstboten (RG 11. 4. 04 VI 552/03; 5. 1. 06 III 220/05; 21. 2. 07 III 327/06). — Mangelhaftes Gel änd er (RG 25. 1. 07 III 327/06). — Mangelhafte Leiter (RG 14. 2. 05; 5. 1. 06 III 202/05; 21. 12. 06 III 223/06). (Kein eigenes Verschulden des abgestürzten Dienstboten, der mit Kenntnis der Schadhaftigkeit der Leiter dieselbe auf besonderes Geheiß des Dienstherrn besteigt.) Ferner: Schutzbrille (RG 5, 101; 11, 23). Mangelnde Schutzvorrichtung beim Läutender K i r ch e n g l o ck e n (RG IW 04, 383). 4. Voraussetzung ist, daß der Dienstberechtigte zur Beschaffung der Räume und Ge­ rätschaften ü b e r h'a u p t verpflichtet ist. Hierfür aber ist maßgebend, ob nach den An­ forderungen eines ordnungsmäßigen Verkehrs im betr. Falle eine solche Einrichtung erforder­ lich ist und diese Fraae ist zunächst vom Arbeitgeber zu prüfen (RG 12, 130; 19, 191; RG IW 01, 21319; RG 7. 11. 05 III 137/05; RG Gruch 48, 910). Hierher gehört auch die Verpflichtung des Dienstberechtigten zur Sorge für die ordnungsmäßige Beschaffenheit von Dien st Wohnungen und seine Haftpflicht, wenn dem Inhaber durch die gesundheits­ gefährliche Beschaffenheit einer solchen Wohnung ein Schaden erwächst (RG 71, 243; RG IW 09, 43948). — Die Haftung selbst ist eine vertragsmäßige und daher auch der § 278 anwendbar. 5. Verpflichtung des Dienstberechtigten auch zur Erteilung der erforderlichen An­ weisung (Warnung, Instruktion) für den Gebrauch der Schutzvorrichtungen (RG 4, 23), sowie zum Hittweis auf die Gefährlichkeit der dem Dienstverpflichteten obliegenden Verrichtung (RG IW 08, 44914). — Mithaftung des Dienstherrn für den Unfall eines Dienst­ boten beim Fensterputzen, wenn dieses mit Wissen des Dienstherrn vom äußeren Fenster­ brett ausgeführt worden ist (RG 14. 5. 09 III 387/09). Haftung des Lehrmeisters bei Ver­ letzung des Lehrlings unter der Obhut eines mit der erforderlichen Anweisung nicht versehenen Gesellen (RG 34,1) oder wegen unvorsichtigen Handelns seines Vertreters bei Beaufsichtigung des Lehrlings (RG IW 09, 685'). 6. Haftung des Dienstherrn auch für die ordnungsmäßige Beschaffenheit des Zugangs zu den Schlafränrnen des Dienstboten (RG 20. 1. 05 III 290/04; 29. 5. 06 III 532/05) und für dessen ordnungsmäßige, nach den örtlichen Verhältnissen nötige Beleuchtung (RG 24. 3. 05 III 562/04). 7. Rechtliche Natur und Umfang der Ersatzpflicht. Vgl. hierzu unten §§ 842—846. — Neben diesem Schadensanspruch auch Kündigungsrecht des Verpflichteten nach § 626. Ein­ fluß des mitwirkenden Verschuldens des Verletzten nach § 254, welches jedoch nicht ohne weiteres in der Übernahme einer gefährlichen Arbeit zu erblicken ist (RG 6.12. 04 III 396/04). 8. Auf den Umfang und die Geltendmachung seiner Schadensersatzpflicht sind aber die Arbeiterversicherungsgesetze von Einfluß, a) Beschränkt wird dieselbe zunächst durch die Unsallversicherungsgesetze, insbesondere durch § 135 GewUBersG und durch § 146 LWUVetsG, insofern danach die versicherten Personen und deren Hinterbliebene, auch wenn sie einen Anspruch auf Rente nicht haben, einen Anspruch auf Ersatz des infolge eines Unfalles erlittenen Schadens gegen den Betriebsunternehmer, dessen Bevoll­ mächtigte Fder Repräsentanten, Betriebs- oder Arbeiteraufseher nur dann und zu dem durch Abs 2 jener §§ 135, 146 bestimmten Betrag geltend machen können, wenn durch strafgeri änliches Urteil sestgestellt ist, daß der in Anspruch Genommene den Unfall vorsätzlich herbeigesührt hat BGB.Kommentar von Reichsgerichtsräten.

I. Band.

Sst

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

(RG 60, 36). b) Durch die Kranken- und Invalidenversicherung ist der Dienstverpflichtete an sich an der Geltendmachung der ihm nach § 618 an den Dienstberech­ tigten zustehenden Ansprüche nicht behindert; wohl aber geht nach § 57 KrankBersG, sowie nach $ 54 JnvVGes in dem Falle, wenn'die Krankenkasse oder die Versicherungsanstalt dem nach § 618 zum Anspruch auf Entschädigung berechtigten dienenden Teile Unter­ stützung oder Rente geleistet hat, dieser Anspruch in der Höhe der geleisteten Unterstützung oder Rente auf die Kasse oder Anstalt über, während der Entschädigungsberechtigte nur den Mehrbetrag seines Schadens gegen den Dienstherrn geltend machen kann (s. Planck § 618 Erl 5). 9. Neben den vorstehenden, auf dem Vertrage beruhenden Ansprüchen können auch weitergehende außervertragliche eintreten, wie z. B. der Anspruch des Dienstboten gegen den Dienstherrn als Tierhalter nach § 833 (RG 50, 249; vgl. auch 58, 410).

§ 619 Die dem Dienstberechtigten nach den §§ 617, 618 obliegenden Verpflich­ tungen können nicht im voraus durch Vertrag ausgehoben oder beschränkt werdens. 6 II 558 Abs 2 III 610 P 3, 290, 293.

1. Inhalt. Durch diese zwingende Vorschrift wird verboten, einmal, daß der Dienstverpflichtete auf Geltendmachung des ihm nach §§ 617, 618 eingeräumten Rechtes auf Schutz gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit im voraus, d. h. vor Ablauf des Dienstverhältnisses verzichte und sodann, daß er die Schadensersatzpflicht des Dienstherrn aus §§ 617, 618 i m voraus, d. h. vor Eintritt des Schadens, durch Vertrag aufhebe oder beschränke; erst wenn solche Ersatzansprüche nach Entstehung und Tragweite gegeben sind, kann darauf nach allgemeinen Grundsätzen verzichtet werden (KB 1976).

8 620 Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die eS ein­ gegangen ist1). Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen-)*). E I 563 II 659 M 2, 464 P 2, 295.

1. Endigung deS Dienstverhältnisses. Seine Zeitdauer kann nicht nur durch be­ stimmte Vereinbarung, sondern auch durch den Zweck und die Beschaffenheit der zu leistenden Arbeit festgestellt werden, so daß, abgesehen von §§ 626, 627, z. B. vor Ablieferung einer gewissen nach Stücklohn zu berechnenden Arbeit, keine Endigung deS Dienstverhältnisses eintreten kann. — Jederzeitige Kündbarkeit eines probeweise, ohne Festsetzung einer bestimmten Probezeit, eingegangenen Dienstverhältnisses. 2. Über die Natur und Form der Kündigung s. oben §§ 130, 542 A 2; über ver­ spätete und bedingte Kündigung s. § 565 A 4. Angabe des Kündigungsgrundes bei der Kündigung auch hier nicht erforderlich. — Die Kündigungsfristen können für beide Teile in verschiedener Dauer vereinbart werden (IW 04, 2234), sofern eine solche Vereinbarung nicht gegen § 138 verstößt (RG IW 04,233°). Besondere (teilweise abweichende) Kündigungsfristen für Handlungsgehilfen im HGB §§ 66—69, für Handlungslehrlinge im HGB §§ 77, 78, für gewerbliche Gehilfen in der GewO § 122, für das gewerbliche Lehrlings­ verhältnis in der GewO § 127b, für Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker in der GewO § 133a, für das Gesinde in den verschiedenen landesgesetzlichen Gesindeordnungen. S. Über den Einfluß des TodeS des Dienstberechtigten und des Dienstverpflichteten s. § 613. Über die beim Konkurs des Dienstberechtigten beiden Teilen mit gesetzlicher Kündigungsfrist zustehende Kündigung s. KO § 22. — Fortgeltung der Bestimmungen über die Unmöglichkeit der Leistung in §§ 323—325. Insbesondere kein Anspruch des Dienst­ pflichtigen auf Vergütung, wenn ein zufälliges Ereignis ihm die Leistung der Dienste voll­ ständig, nicht bloß vorübergehend unmöglich macht und daS Vertragsverhältnis aufhebt. Anders dagegen, wenn der Dienstpflichtige die Dienste leisten kann und will, der Dienstherr aber infolge eines zufälligen Ereignisses (z. B. Brand oder Explosion in seiner Fabrik) keinen Gebrauch davon machen kann: Kündigungsrecht des Dienstherrn nach § 626 mit Verpflich­ tung desselben zur Leistung der dem Pflichtigen bis zur Kündigung etwa erwachsenen Vergütung ($ 628).

8 621 *)Jst die Vergütung nach Tagen bemessen, so ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag zulässig. Ist die Vergütung nach Wochen bemessen, so ist die Kündigung nnr für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig; sie hat spätestens am ersten Werk­ tage der Woche zu erfolgen. Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten be­ messen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nnr unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zulässig, s I 663 II 560 M 2, 464 P 2, 296. 1. Ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist. — Abweichende Fest­ setzung der Kündigungsfrist durch Parteivereinbarung ist zulässig und auch aus der Bezeichnung einer einen längeren Zeitraum umfassenden Diensttätigkeit (z. B. einjährige Kündigungs­ frist bei dem als „Lebensstellung" bezeichneten Dienstverhältnis eines Arztes RG 9. 4. *07 III 337/06) zu entnehmen.

§ 622 Das Dienstverhältnis der mit festen Bezügen zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten, deren Erwerbstätigkeit durch das Dienstverhältnis vollständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen wird, insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen, kann nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden, auch wenn die Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist1). E I 663 II 661 M 2, 464 P 2, 296.

1. Diese besondere KündigungSvorschrist für Dienste höherer Art, bei welcher also die „Bemessung" der Vergütung nicht in Betracht kommt, entspricht den für Handlungs­ gehilfen und gewerbliche Betriebsbeamte geltenden Bestimmungen des HGB § 66 und der GewO § 133a und kann gleich jenen durch Parteivereinbarung abgeändert werden.

§ 623 »)Jst die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so kann das Dienstverhältnis jederzeit gekündigt werden; bei einem die Erwerbstätigkeit deS Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis ist jedoch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten $ I 663 II 662 M 2, 464 P 2, 296.

1. Auch diese ein Dienstverhältnis von unbestimmter Dauer betreffende Vorschrift kann durch Parteivereinbarung abgeändert werden. 2. Die Z w e i w o ch e n f r i st beruht auf B i l l i g k e i t s r ü ck s i ch t e n, um diesen Dienstverpslichteten die nötige Frist zur Aufsuchung eines andern Dienstes zu geben.

8 624 i)Jst das Dienstverhältnis für die Lebenszeit einer Persons oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, fo kann es von dem Verpflichteten nach dem Abläufe von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. E I 563 II 663 M 2, 465 ff. P 2, 299.

1. Kündigung bei einem für die Lebenszeit einer Person oder auf länger alS fünf Jahre eingegangenen Dienstverhältnis. Die Vorschrift ist aus sozialen Gründen zwingen­ der Natur und äußert rückwirkende Kraft auch gegenüber einem unter der Herrschaft des früheren Rechts geschlossenen Vertrage (RG 3.12. 07 III 180/07). Sie ist nach dem EG

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Art 95 auch für das Gesindeverhältnis maßgebend. Die Kündigung steht nur dem B erpflichteten zu. Im übrigen bleibt der Vertrag zu Recht bestehen (RG Warn 08 Nr 142). Verstößt aber die Länge der Dienstzeit gegen die guten Sitten, so tritt nach § 138 Nichtigkeit des ganzen Vertrages ein. 2. Für die Lebenszeit „einer Person", also entweder für die eigene Lebenszeit des Verpflichteten oder für diejenige des Dienstberechtigten oder für diejenige eines Dritten.

§ 625 Wird das Dienstverhältnis nach dem Ablaufe der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des andern Teiles fortgesetzt *), so gilt es als auf unbestimmte Zeit?) verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht b). E I 565 II 564 M 2, 468 P 2, 301.

1. Die stillschweigende Verlängerung des Dienstverhältnisses ist hier insofern anders tote bei der Sachmiete in § 568 geordnet, als sie durch unverzüglichen Widerspruch ($ 121) ausgeschlossen wird. Auch hier bleibt aber für das fortgesetzte Dienstverhältnis der gesamte Vertragsinhalt, mit Ausnahme der auf die Beendigung bezüglichen Vereinbarung, bestehen. Wenn der Verpflichtete das Dienstverhältnis fortsetzt, gibt er zugleich seine hierauf gerichtete Willensmeinung zu erkennen, sodaß es für die Verlängerung nur noch auf die hierauf ge­ richtete Willensmeinung des Berechtigten ankommt. 2. Verlängerung auf unbestimmte Zeil, also nicht bloß auf die Zeit der tatsächlichen Verlängerung. Es gilt hiernach für das verlängerte Verhältnis die gesetzliche Kündigung nach §§ 621 bis 623 (RG 14.1. 08 III 261/07). — § 625 ist auch aus den Agenturvertrag an­ wendbar (RG 14. 1. 08 III 201/07). 3. Wegen der Beweislast s. § 568 A 2.

§ 626 Das Dienstverhältnis kann von jedem Teile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund *) vorliegt2)2). E I 566 II 565 M 2, 468 P 2, 301.

1. Die außerordentliche Kündigung wegen eines wichtigen Grundes ist beim Vor­ handensein von Umständen gegeben, unter denen dem vom Vertrage Zurücktretenden die Fort­ setzung des Verhältnisses nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann (RG 6. 5. 04 III 470/03), auch von solchen Umständen — Tod, Änderung der Geschäftsverhältnisse und dergl. —, die von dem andern Teile nicht zu vertreten sind (GewO § 133b; RG 58, 256; IW 04, 421"; s. jedoch RG IW 03, ll9). Die Frage nach dem Vorhandensein solcher Um­ stände ist tatsächlicher Natur (RG IW 01, 209"; RG 9. 4. 07 III 337/06). Eine grundlose oder vorzeitige Kündigung kann unter Umständen für den, dem sie zugeht, einen Antrag auf Aufhebung des Dienstverhältnisses oder einen begründeten Anlaß abgeben, nunmehr seiner­ seits zu kündigen. — Als wichtige Gründe sind in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,ins­ besondere anerkannt worden: a) zugunsten des Dien st pflichtigen: andauernde Kränkung und soziale Schädigung von feiten des Arbeitgebers (RG 24.3.05 III 8/05). Nichtzahlung des Gehalts (RG 1.11. 04 III 399/03). — "Dagegen ist es kein wichtiger Kündigungsgrund für die auf längere Zeit angestellten Ärzte einer Ortskrankenkasse, wenn einige von dieser Kasse auf kürzere Zeit angenommene Kollegen streiken und dadurch die Arbeit der Ersteren vorübergehend vermehrt wird (RG 12. 2. 07 III 318/06). — Beachtung des Kündigungsgrundes auch dann, wenn der vertragswidrig behandelte Gehilfe den Dienst nicht sofort, sondern unter Einhaltung der Kündigungsfrist verläßt (HGB § 75 Satz 1; RG 56, 372). b) Zugunsten des Dien st berechtigten: Erkrankung des Dienstpflichtigen; Unsittliches und Ärgernis gebendes (Konkubinats-) Verhältnis eines Fabrikdirektors (RG 38, 116), desgl. eines Handlungsgehilfen (RG 27.11.00 III 240/00, dagegen nicht, wenn durch das Konkubinatsverhältnis (eines Gutsverwalters) kein Ärgernis und keine Einbuße an Autorität entsteht (RG 6. 5. 04 III 470/03). — Vorwurf betrügerischen Verhaltens des Bienstherrn im Verhältnis zu seinen Angestellten (RG 10.1. 08 III 239/07). Dagegen kein Grund beim Vorwurf betrügerischen Verhaltens des Dienstherrn, wenn dieser Vorwurf vom Dienstpflichtigen zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht wird und erweislich wahr ist (RG 24. 3. 06 III 389/04). Auch kein Grund zur fristlosen Kündigung gegenüber dem Kassenarzt einer Ortskrankenkasse wegen einer ihm zur Last gelegten Verfehlung in einem vereinzelten Falle (RG 1.2.10 III 142/09). Bei der Beurteilung von Entlassungsgründen können beim Hinzutritt neuer Verfehlungen des Dienstpflichtigen auch ältere Vorkommnisse, denen der Dienstherr einstweilen ein größeres Gewicht nicht beigelegt hatte, herangezogen

Dienstvertrag

§§ 624—628

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werden. Regelmäßig werden nur die bei oder nach Abschluß des Dienstvertrages vorgekommenen Tatsachen in Betracht kommen, unter Umständen aber auch solche Gründe, welche schon vor Abschluß des Dienstvertrages entstanden waren, aber nach dieser Zeit fortgedauert haben und dem Kündigungsberechtigten bekannt geworden sind (RG 24. 4. 06 III 581/05). Beachtung auch eines nach der Kündigung eingetretenen Kündigungsgrundes für die Zeit von seinem Eintritt ab (vgl. RG 32, 249). — Für die Kündigung wegen eines wichtigen Grundes gelangen beim handelsrechtlichen Dienstverhältnis die Vorschriften im HGB §§ 70 bis 72, beim gewerblichen Dienstverhältnis die Vorschriften der GewO § 133 b, c und d, im Gesinderecht die Vorschriften der landesgesetzlichen Gesindeordnungen zur An­ wendung. 2. Ob und inwieweit auf die Kündigung wegen eines wich­ tigen Grundes im voraus verzichtet werden kann, ist streitig. Dernburg § 308 V 1, Neumann § 626 Erl. 6 für die Zulässigkeit, Planck § 626 Erl. 1 und 3, Oertmann § 626 dagegen. Mit den Letzteren wird indessen anzunehmen sein, daß auf das Recht, jedes unter das Bürgerliche Gesetzbuch fallende Dienstverhältnis fristlos aus wichtigem Grunde zu kündigen, nicht im voraus verzichtet werden kann. Denn die Vorschrift des § 626 soll die Erwerbs- und Geschäftsfreiheit der Beteiligten wahren und ist daher absoluter Natur. So auch RG 69, 365. Dagegen erscheint ein nachträglicher, auch stillschweigender, Verzicht zulässig, insbesondere dann, wenn der Kündigungsgrund bereits eingetreten und von dem zu dessen Geltendmachung Berechtigten trotz davon erlangter Kenntnis längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist (RG 38,116;RG30.11. 06 III 286/06); sofortige Geltendmachung ist nicht vorgeschrieben (vgl. HGB §§ 70, 75; RG 56, 373; RG 21.12. 09 III 619/08). 3. Das für gegenseitige Verträge nach §§ 325 ff. bestehende allgemeine Rück­ tritt s r e ch t (wegen Unmöglichkeit der Leistung) bleibt neben § 626 in Kraft, wird aber in seiner Anwendung durch letztere Vorschrift erheblich zurückgedrängt.

§ 627 Hat der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienst­ verhältnisse mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegens, so ist die Kündigung auch ohne die im § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig-). Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, daß sich der Dienst­ berechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorlicgt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen-). E II 565 III 618 P 2, 302.

1. Kündigung bei Diensten höherer Art, z. B. Diensten als Arzt, Lehrer, Rechts­ anwalt, Künstler, Hebamme. Nicht auf Schiedsrichter anwendbar (RG 29.11. 04 VI 192/04). Bei einem dauernden Dienstverhältnisse dieser Art mit festen Bezügen gilt für die sofortige Kündigung die Vorschrift des § 626. 2. Das Kündigungsrecht steht beiden Teilen zu, die indessen, anders wie beim § 626, auf dessen Geltendmachung vorher verzichten können (s. das angef. Urteil des RG 69, 365). 3. Vgl. § 671 Abs 2, 3. Im übrigen ist diese unzeitige Kündigung nicht unwirksam.

§ 628 *)Wird nach dem Beginne der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen-). Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des andern Teiles dazu veranlaßt zu sein, oder veranlaßt er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des andern Teiles, so steht ihm ein Anspruch aus die Ver­ gütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den andern Teil kein Interesse haben3). Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 347

Recht der Schuldverhältnisse

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Einzelne Schuldverhältnisse

oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Borschristen über die Herausgabe einer ungerecht­ fertigten Bereicherung zuriiüzuerstatten*). Wird die Kündigung durch vertragswidriges Berhalten des andern Teiles veranlaßt, so ist dieser zum Ersätze des durch die Aushebung des Dienst­ verhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet °). C I 566 II 566 M 2, 468—470 P 2, 301 ff.

1. Der § 628 behandelt im Abs 1 als verzichtbare Vorschrift den Anspruch deS Ver­ pflichteten auf Vergütung bei der außerordentlichen Kündigung nach § 626 oder § 627, mag diese Kündigung vom Berechtigten oder vom Verpflichteten erfolgt sein. Doch wird dabei vorausgesetzt, daß diese Kündigung, besonders ivenn sie vom Verpflichteten ausgeht, eine nach den angeführten Paragraphen gerechtfertigte war. War sie im Fall des § 626 in Ermangelung eines wichtigen Grundes ungerechtfertigt, so steht dem andern Teile, da dadurch das Vertragsverhältnis nicht beendigt ist, ein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz zu, und namentlich die Bestimmung in Satz 2 des Abs 1 kann nicht zur Anwendung gelangen. Bei Unmöglichkeit der Erfüllung greift nicht § 628, sondern §§ 323 bis 325 Platz. 2. Die Teilvergtttung, die namentlich auch bei Kündigung des Dienstverhältnisses einer Ehefrau durch den Ehemann (§ 1358) praktisch wird, ist zugleich mit Berücksichtigung der für die Dienstleistung notwendig gewordenen Auslagen, bei Zeitlohn wesentlich nach der bereits verwendeten Zeit, bei Stü^ohn nach dem Verhältnis der geleisteten Arbeit zu berechnen. — Besondere Vorschriften für die Rücknahme des einem Rechtsanwalt erteilten Auftrages vor Beendigung der Instanz in GO f. RA § 50. 3. In den beiden hier angegebenen Fällen der vorzeitigen Kündigung steht dem Dienstpflichtigen ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den andern Teil kein Interesse haben. Ein Beispiel: Ein Musik­ direktor in einem Badeorte nimmt für die Sommermonate einen Sologeiger zur Mitwirkung bei den Kurkonzerten gegen eine monatliche Vergütung von 400 Mk. an. Nachdem der Geiger zunächst eine Woche lang in Konzertproben mitgewirkt hat, muß er wegen plötzlicher Erkran­ kung das Bertragsverhältnis kündigen. Ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil der monatlichen Vergütung steht ihm nicht zu, da seine auf die Proben beschränkten Leistungen ür den Konzertgeber kein Interesse gehabt haben. — Beweislast im Fall dieses Abs 2 ür den D i e n st p f l i ch t i g e n dahin, daß die Dienstleistung bis zur Kündigung erfolgt ei und die geforderte Vergütung ihr entspreche; für den Dien st berechtigten dahin, daß der Dienstpflichtige ohne vertragswidrigen Anlaß von feiten des Berechtigten gekündigt oder seinerseits durch vertragswidriges Verhalten dessen Kündigung veranlaßt und die bis­ herige Dienstleistung infolge der Kündigung für den Berechtigten kein Interesse habe. 4. Wie beim Mietvertrag. Vgl. § 543 A 3 und 4. 6. Abs 2 gibt bei vertragswidrigem, d. i. schuldhaftem Verhalten des Gegners des Kündigenden, mag dies der Berechtigte oder der Verpflichtete sein, dem Kündigenden einen Anspruch auf Schadensersatz, bei einem gemeinsamen schuldhaften Verhalten mehrerer mit Haftung derselben als Gesamtschuldner (s. § 840 Abs 1 und RG 47, 246; a. M. Staudinger Erl. III 3). Bei vertragswidrigem Verhalten des Dienstberechti g t e n (insbesondere auch bei Nichtzahlung des Gehalts) kann der Verpflichtete den vollen Lohn auf die Dienstzeit, unter Anrechnung des von ihm in der betreffenden Zeit etwa ge­ machten Nebenverdienstes, gemäß § 615 Satz 2, als Schadensersatz beanspruchen. Vgl. ins­ besondere wegen des Schadensersatzanspruches eines auf längere Zeit über See angestellten Handlungsgehilfen RG 1.11.04 III 399/03, und wegen des Schadensanspruches im Kon­ kurse des Dienstberechtigten bei Kündigung durch den Verwalter KO 5 22 Abs 2.

§ 629 Rach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte dem Verpflichteten auf Berlangen angemessene Zeit zum Aus­ suchen eines andern Dienstverhältnisses zu gewähren*). KB 1978.

1. Gewährung von Zeit zum Aufsuchen eines andern Dienstes. Zwingende Vor­ schrift, die auch in dem Falle entsprechende Anwendung findet, wenn ohne Kündigung, nur durch Z e i t a b l a u f, das Dienstverhältnis demnächst zu Ende gehen wird. Es ist dabei einerlei, wer gekündigt hat. Die Vergütung wird auch für die zum Auf­ suchen eines andern Dienstes erforderliche, nicht übermäßige Zeit in der Regel weiter zu zahlen sein. Vgl. $ 616.

Werkvertrag

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§ 630 l)8ei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses3) kann der Verpflichtete von dem andern Teile ein schriftliches Zeugnis3) über das Dienst­ verhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangens aus die Leistungen und die Führung im Dienste zu erstrecken4). E II 568 III 620 P 2, 307.

1. Diese zwingende Vorschrift ist auch für das Gesinderecht maßgebend, sofern die einzelnen Gesindeordnungen nicht, wie dies wohl meist der Fall sein wird, besondere Vor­ schriften enthalten. — Auf Grund dieser Forschrift kann auch ein gewöhnlicher Arbeiter, der nur einen Tag als Vorarbeiter bei dem seitherigen Dienstherrn beschäftigt war, von diesem ein Zeugnis über letztere Tätigkeit verlangen (RG 9.5.05 III 4/05). Vgl. für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge HGB §§73 und 80, für ge­ werbliche Arbeiter GewO § 113, für Schiffsleute Seemannsordnung § 19. 2. Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, nicht schon von der Kündigung ab (SeuffA 57 Nr 15). 3. DaS schriftliche Zeugnis braucht nicht beglaubigt zu sein. Jedenfalls geschieht die Beglaubigung — abweichend von den Bestimmungen HGB §§ 73, 80, GewO § 114, in der Seemannsordnung § 20 — nicht kostenfrei, sondern, sofern der Verpflichtete sie verlangt, auf dessen Kosten. 4. Wird dies Verlangen nicht gestellt, so darf die Erstreckung nicht stattfinden (RG IW 97, 35017). — Der Dienstpflichtige hat Anspruch auf A b ä n d e r u n g des ausgestellten Zeugnisses, wenn demselben unwahre oder wissentlich falsche Tatsachen zugrunde gelegt sind, wofür den Dienstpflichtigen die Beweislast trifft (OLG 5, 271). Wissentlich unwahre Angaben von Tatsachen mit dem Bewußtsein der Möglichkeit schädlicher Folgen verpflichten den Dienstberechtigten auch zum Schadensersatz gegenüber einem späteren Dienstherrn des Verpflichteten (RG IW 05, 3698).

Siebenter Titel Werkvertrag 1. Begriff: Verpflichtung des Unternehmers zur entgeltlichen Herstellung oder Veränderung einer Sache oder zur Herbeiführung eines andern, durch Arbeit oder Dienstleistung zu bewirkenden Erfolges. Aus diesem Begriff ergibt sich der Unterschied a) vom Dienst­ vertrag, bei welchem die entgeltliche Dienstleistung als solche, ohne Rücksicht auf das Ergebnis, von den Parteien ins Auge gefaßt wird (s. o. Vordem 1 vor § 611); b) vom Kauf­ vertrag, der die entgeltliche Lieferung einer bereits fertigen Sache, ohne Rücksicht auf den Gang ihrer Herstellung betrifft (RG 16.12. 04 II 318/03), c) vom Auftrag, der die unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, und endlich d) von der Miete, welche in der entgeltlichen Gewährung des Gebrauches einer Sache besteht, wie z. B. auch die Überlassung eines Schiffes mit Bemannung (RG 25, 208; 48, 89), oder die zeitweise Über­ lassung eines zu erbauenden Zirkus (RG 13, 209). Vielfach sind jedoch die genannten Ver­ träge miteinander verbunden — wie z. B. Werkvertrag und Kaufvertrag (RG 11, 263). Vgl. auch $ 651, ebenso Verbindung von Werkvertrag und Miete beim Eisenbahntransport mit Platzkarte — oder gehen je nach den Umständen ineinander über, wie z. B. der Bühnen­ engagementsvertrag, wenn es sich um ein einzelnes Gastspiel handelt, als Werkvertrag, außer­ dem aber als Dienstvertrag und ferner die Lieferung einer Maschine, wenn sie schlechthin erfolgt, als Kaufvertrag, in dem Falle aber, wenn die Art ihrer Herstellung, die Anpassung an einen bestimmten Raum oder Betrieb, vereinbart ist, als Werkvertrag sich darstellen kann. Dagegen kein privatrechtlicher Anspruch gegen den Staat auf Vornahme oder Unterlassung von Akten des staatlichen Hoheitsrechts oder der Ländesverwaltung, insbesondere auf Zu­ lassung des Studierenden einer technischen Hochschule zur Diplomprüfung (RG 14.5. 09 III 583/08). — In einem Werkvertrags- (nicht in einem Dienstvertrags-) Verhältnis steht insbesondere derjenige, welcher aus dem ihm von einem Dritten zu liefernden Ton Ziegelsteine herzustellen, dabei für eigene Rechnung die hierfür erforderlichen Arbeiter anzunehmen und für die hergestellte Ware die Gefahr bis zur Abnahme zu tragen hat —bei welcher Sachlage das Werkvertragsverhältnis auch dann nicht ausgeschlossen ?ft, wenn er von dem Dritten „als Ziegelmeister" angenommen worden ist (RG 72, 281). 2. Der Geltungsbereich der Vorschriften des BGB über den Werkvertrag wird be­ grenzt durch eine Reihe von andern reichsgesetzlichen oder auch landesgesetzlichen Bestim­ mungen für gewisse Arten von Werkverträgen, insbesondere: a) für den Fracht- und

Werkvertrag

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§ 630 l)8ei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses3) kann der Verpflichtete von dem andern Teile ein schriftliches Zeugnis3) über das Dienst­ verhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangens aus die Leistungen und die Führung im Dienste zu erstrecken4). E II 568 III 620 P 2, 307.

1. Diese zwingende Vorschrift ist auch für das Gesinderecht maßgebend, sofern die einzelnen Gesindeordnungen nicht, wie dies wohl meist der Fall sein wird, besondere Vor­ schriften enthalten. — Auf Grund dieser Forschrift kann auch ein gewöhnlicher Arbeiter, der nur einen Tag als Vorarbeiter bei dem seitherigen Dienstherrn beschäftigt war, von diesem ein Zeugnis über letztere Tätigkeit verlangen (RG 9.5.05 III 4/05). Vgl. für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge HGB §§73 und 80, für ge­ werbliche Arbeiter GewO § 113, für Schiffsleute Seemannsordnung § 19. 2. Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, nicht schon von der Kündigung ab (SeuffA 57 Nr 15). 3. DaS schriftliche Zeugnis braucht nicht beglaubigt zu sein. Jedenfalls geschieht die Beglaubigung — abweichend von den Bestimmungen HGB §§ 73, 80, GewO § 114, in der Seemannsordnung § 20 — nicht kostenfrei, sondern, sofern der Verpflichtete sie verlangt, auf dessen Kosten. 4. Wird dies Verlangen nicht gestellt, so darf die Erstreckung nicht stattfinden (RG IW 97, 35017). — Der Dienstpflichtige hat Anspruch auf A b ä n d e r u n g des ausgestellten Zeugnisses, wenn demselben unwahre oder wissentlich falsche Tatsachen zugrunde gelegt sind, wofür den Dienstpflichtigen die Beweislast trifft (OLG 5, 271). Wissentlich unwahre Angaben von Tatsachen mit dem Bewußtsein der Möglichkeit schädlicher Folgen verpflichten den Dienstberechtigten auch zum Schadensersatz gegenüber einem späteren Dienstherrn des Verpflichteten (RG IW 05, 3698).

Siebenter Titel Werkvertrag 1. Begriff: Verpflichtung des Unternehmers zur entgeltlichen Herstellung oder Veränderung einer Sache oder zur Herbeiführung eines andern, durch Arbeit oder Dienstleistung zu bewirkenden Erfolges. Aus diesem Begriff ergibt sich der Unterschied a) vom Dienst­ vertrag, bei welchem die entgeltliche Dienstleistung als solche, ohne Rücksicht auf das Ergebnis, von den Parteien ins Auge gefaßt wird (s. o. Vordem 1 vor § 611); b) vom Kauf­ vertrag, der die entgeltliche Lieferung einer bereits fertigen Sache, ohne Rücksicht auf den Gang ihrer Herstellung betrifft (RG 16.12. 04 II 318/03), c) vom Auftrag, der die unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, und endlich d) von der Miete, welche in der entgeltlichen Gewährung des Gebrauches einer Sache besteht, wie z. B. auch die Überlassung eines Schiffes mit Bemannung (RG 25, 208; 48, 89), oder die zeitweise Über­ lassung eines zu erbauenden Zirkus (RG 13, 209). Vielfach sind jedoch die genannten Ver­ träge miteinander verbunden — wie z. B. Werkvertrag und Kaufvertrag (RG 11, 263). Vgl. auch $ 651, ebenso Verbindung von Werkvertrag und Miete beim Eisenbahntransport mit Platzkarte — oder gehen je nach den Umständen ineinander über, wie z. B. der Bühnen­ engagementsvertrag, wenn es sich um ein einzelnes Gastspiel handelt, als Werkvertrag, außer­ dem aber als Dienstvertrag und ferner die Lieferung einer Maschine, wenn sie schlechthin erfolgt, als Kaufvertrag, in dem Falle aber, wenn die Art ihrer Herstellung, die Anpassung an einen bestimmten Raum oder Betrieb, vereinbart ist, als Werkvertrag sich darstellen kann. Dagegen kein privatrechtlicher Anspruch gegen den Staat auf Vornahme oder Unterlassung von Akten des staatlichen Hoheitsrechts oder der Ländesverwaltung, insbesondere auf Zu­ lassung des Studierenden einer technischen Hochschule zur Diplomprüfung (RG 14.5. 09 III 583/08). — In einem Werkvertrags- (nicht in einem Dienstvertrags-) Verhältnis steht insbesondere derjenige, welcher aus dem ihm von einem Dritten zu liefernden Ton Ziegelsteine herzustellen, dabei für eigene Rechnung die hierfür erforderlichen Arbeiter anzunehmen und für die hergestellte Ware die Gefahr bis zur Abnahme zu tragen hat —bei welcher Sachlage das Werkvertragsverhältnis auch dann nicht ausgeschlossen ?ft, wenn er von dem Dritten „als Ziegelmeister" angenommen worden ist (RG 72, 281). 2. Der Geltungsbereich der Vorschriften des BGB über den Werkvertrag wird be­ grenzt durch eine Reihe von andern reichsgesetzlichen oder auch landesgesetzlichen Bestim­ mungen für gewisse Arten von Werkverträgen, insbesondere: a) für den Fracht- und

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Transportvertrag, die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern und Personen; im einzelnen: für die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen und sonstigen Binnen­ gewässern durch HBG §§425 bis 452; für die Beförderung von Gütern auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern auch durch das BinnenSchG. §§26 ff.; für die Beförderung von Gütern und Reisenden zur See durch HGB §§ 556 bis 678; für die Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen durch HGB §§ 453 bis 473, sowie durch die EisenbahnVO vom 23.12. 08; für die Beförderung von Gütern und Reisenden mittels der Post durch das PostG, die PostO und den WeltPV (vgl. HGB § 452); für die Beförderung von Auswan­ derern durch das AuswG, insbes. §§ 22 bis 48; b) für den Verlagsvertraa, der die Überlassung eines Werkes der Literatur oder der Tonkunst an den Verleger zur Vervielfäl­ tigung und Verbreitung für dessen eigene Rechnung betrifft, durch das VerlG vom 19. 6. 01, sowie durch die nach EG Art 76 zum BGB in Geltung befindlichen landesgesetzlichen Vor­ schriften. Aushilfsweise können für die unter a und b genannten Verhältnisse auch die Vorschriften des BGB über den Werkvertrag zur Anwendung gelangen. 3. Von allgemeinen Bestimmungen vgl. wegen des Erfüllungsortes §§ 269, 270, wegen der Erfüllungszeit § 271, wegen der Haftung für Gehilfen § 278, wegen der Über­ gangsbestimmungen EG Art 170; ferner aus der ZPO wegen Feststellung der Mängel eines Werkes (bedeutsam für die Unterbrechung der Verjährung) § 488, wegen vorläufiger Voll­ streckbarkeit gewisser Urteile aus Werkverträgen § 709 Nr 3.

§ 631 Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des ver­ sprochenen 9Bcrtc§1), der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Ver­ gütung^) verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellnng oder Ver­ änderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeiznsührcnder Erfolg fein. E I 567 Abs 1, 579 II 569 M 2, 470, 506 P 2, 309, 336.

1. Verpflichtung des Unternehmers: Herstellung des versprochenen Werkes, d. i. entweder die Herstellung oder Veränderung einer Sache, insbesondere die Herrichtung eines Bauwerkes, auch der Vertrag wegen Übernahme eines Bauwerkes (Bau-Entreprisevertrag, RG 66, 4); o d e r ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg, auch ein sog. immaterieller Erfolg; im einzelnen: der Transport von Sachen (RG 11.1.05 I 390/04); namentlich der Transport mittelst Fähre auf einem öffentlichen Flusse, auch von seiten des Staates (RG 72, 53); ebenso der Transport von Kähnen oder Schiffen mittels Schleppdampfern nach einem bestimmten Orte (RG 59, 305; 62, 210); die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mittels gewöhnlichen Fuhrwerks (RG 23, 91), mittels einer Motordroschke (RG 16. 3. 06 VII 323/05), mittels einer Straßenbahn (RG 66, 12; s. jedoch § 638 A 1 Abs 2), mittels eines Esels mit Treiber (RG 18. 5. 06 VII 434/05); während die gelegentliche Mit­ nahme eines Bekannten auf einem Fuhrwerke sich überhaupt nicht als ein Vertragsverhältnis, sondern als ein tatsächlicher Vorgang (Gefälligkeit) ohne rechtliche Bedeutung darstellen kann, bei welchem nur eine außervertragliche Haftpflicht — § 823 — eintritt (RG 65, 17). Ferner kann als Werkvertrag vorkommen: die Besorgung von Geschäften, also von Angelegenheiten, die das wirtschaftliche Interesse des Bestellers berühren (§ 675), ingleichen, soweit nicht bloßeDienstleistungen vorliegen, die Ausführung von wissenschaftlichen oder künstlerischen Unter­ nehmungen, die Erteilung von Auskunft über die Kreditfähigkeit einer Person. So wird auch die Aufführung eines Konzertes oder einer Theateraufführung als Werkvertrag erscheinen, unter Umständen verbunden mit der Miete eines bestimmten Platzes. S. jedoch § 611 A 3. — Nicht um einen Werkvertrag, sondern um die Besorgung fremder Geschäfte (§ 196 Nr 7) handelt es sich, wenn sich jemand gegen Entgelt verpflichtet, sich zu bemühen, eine Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen, die das Geschäft der andern Vertragspartei fortführen soll, ohne sich dafür haftbar zu machen, daß das Geschäft zustande kommt (RG 72, 179). Die dem Unternehmer obliegende Herstellung ist regelmäßig Vorleistung, bei beweglichen Sachen mit deren Überbringung, insbesondere an den Eigentümer, der dem Unternehmer die Sache zur Bearbeitung übergeben hat (RG 35, 137), verbunden. Für die Verpflichtung des Unternehmers zur Beschaffung des erforderlichen Stoffes ist der Inhalt des betreffenden Vertrages maßgebend; über den besondern Fall der Herstellung des ganzen Werkes aus einem vom Unternehmer zu beschaffenden Stoffe (Werklieferungs­ vertrag, s. § 651). — Die Herstellung durch den Unternehmer in Person wird, abweichend vom Dienstvertrag § 613, nur dann erforderlich sein, wenn nach Inhalt des Vertrages —

Werkvertrag

§§ 631, 632

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z. B- mit einem Künstler — seine persönliche Leistungsfähigkeit in Betracht kommt. Daher wird auch der Tod des Unternehmers in der Regel das Vertragsverhältnis nicht beendigen (f. § 649 A 2). — Bei unverschuldeter Unmöglichkeit der Leistung des Unternehmers gelten §§ 275, 323. — Unter den vertragsmäßigen Nebenverpflichtungen des Unternehmers ist die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Instandhaltung der für die Vertragsausführung erforderlichen Maschinen, Geräte und Räume, z. B. der Ab- und Zugänge zum Eisenbahnsteige (RG 55, 335; RG 5.10. 03 VI 367/03; 19. 5. 05 VII 603/04; 12. 3. 07 VII 275/06), zur Prüfung der zu verwendenden Transportmittel (RG 16. 3. 06 VII 323/05), zur Sorge für die körperliche Sicherheit der zu befördernden Personen (RG 66,17), zur Prüfung der Brauchbarkeit und Durchführbarkeit der dem sachverständigen Unternehmer vorliegenden Pläne und Kostenanschläge (§ 650 Abs 2; RG 18.10. 04 VII 139/04), zur Berichterstattung, Auskunft und Rechenschaftsablegung bei der eine Geschäftsbesorgung betreffenden Werkverdingung hervorzuheben. — Dagegen keine Haftpflicht der Eisenbahn aus dem Beförderungsvertrage in einem Falle, wo ein Reisender von einem Mitreisenden während der Fahrt ermordet wurde (RG 69, 361). — Schadensersatzansprüche aus einem Personenbeförderungsvertrage können ebenso wie solche aus §§ 823, 831 vertraglich ausgeschlossen werden, soweit nicht § 276 Abs 2 entgegensteht (RG 11. 2. 07 VI 232/06). 2. Verpflichtung des Bestellers: Entrichtung der vereinbarten Ver­ gütung. Daß sie nicht in einer Akkord- oder Pauschsumme, sondern nach Maßgabe der zur Herstellung des Werkes erforderlichen Einzelleistungen bestimmt ist, steht an sich dem Bestände eines Werkvertrages nicht entgegen (RG 30. 4. 07 VII 304/06). Der Besteller hat aber in diesem Falle keinen klagbaren Anspruch gegen den Unternehmer auf Erteilung einer Ab­ rechnung über die von diesem geleistete Arbeiten; vielmehr gehört eine solche zu der dem Unternehmer obliegenden Begründung seines Vergütungsanspruches, bei deren Unter­ lassung der Besteller zur Verweigerung der Vergütung berechtigt ist (RG 72, 477). Zur Entrichtung der Vergütung tritt nach § 640 als Hauptverpflichtung auch die Abnahme des vertragsmäßig hergestellten Werkes hinzu. — Als Nebenverpflichtungen des Bestellers kommen unter Umständen diejenigen zur Lieferung des Stoffes, § 645, zur Sorge für die ordnungsmäßige und gefahrlose Beschaffenheit der von ihm zu stellenden Arbeitsräume (RG IW 10, 14810), zur Erteilung der erforderlichen Anweisungen für die Ausführung und zur Mitwirkung bei derselben, §§ 642, 645, in Betracht; dagegen ist der Besteller dem Unter­ nehmer in der Regel zur Gestattung der Ausführung des Werkes nicht ver­ pflichtet. — Zur entsprechenden Anwendung kommen die für den Dienstvertrag ge­ gebenen Vorschriften des BGB §§ 618, 619 und der ZPO § 887.

§ 632 Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Wertes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist1). Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmiitzige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Ver­ gütung als vereinbart anznsehen^). E I 567 Abs 2 II 570 M 2, 471 P 2, 309.

1. Wegen der stillschweigend vereinbarten Vergütung übereinstimmend mit dem Dienstvertrag vgl. oben § 612 A 2. Ob ein über die Ausführung des Werkes angefertigter Ko.h.na nschlag oder eine Zeichnung besonders zu vergüten ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Hat insbesondere der Besteller, um sich über die Her­ stellung und die Kosten eines von ihm beabsichtigten Werkes zu unterrichten und darauf seine Entschließung über die Ausführung zu treffen, dem Unternehmer zur Einreichung von Kosten­ anschlag und Zeichnung Auftrag erteilt, so ist er zur Vergütung verpflichtet, auch wenn es nicht zur Ausführung des Werkes kommt. Hat dagegen der Unternehmer, vom Besteller zur^Abgabe von Geboten aufgefordert, in Verbindung mit diesen Zeichnung und Kostenanschlag eingereicht, damit sich der Besteller schlüssig machen kann, dann hat dieser, wenn er auf die Angebote nicht eingeht, eine weitere Vergütung nicht zu leisten (SeuffA 34 Nr 114; 47 Nr 25). So namentlich, wenn derartige Arbeiten im sog. Submissions­ verfahren von den Bewerbern ihren Geboten beigefügt und diese Angebote nachträglich nicht berücksichtigt werden. — Eine Änderung der Lohn- und Preisverhältnisse, die nach Ab­ schluß des Vertrages eintritt, begründet keine Änderung der bereits vereinbarten Vergütung. — BeNemem Bauwerk kommen im Falle nachträglicher Abweichungen von dem ursprünglichen Bauplane die Grundsätze der auftraglosen Geschäftsführung §§ 683 ff. zur Anwendung. 2. Beim Mangel von Taxe oder Üblichkeit steht die Bestimmung, wie beim §612, im Zweifel nach § 316 dem Unternehmer zu. — Ist nichts ausdrücklich über den Preis aus-

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

qemacht, so ist stillschweigende Verabredung des vom Unternehmer zu erweisenden, ortsüblichen öder angemessenen Preises anzunehmen. Bei der Berechnung von Honoraren der Architekten und Ingenieure für Pläne, Zeichnungen usw. können die Sätze der sog. „Hamburger Norm" als „üblicher Preis" im Sinne des § 632 gelten (RG IW 02, 441; 07, 175").

§ 633 Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk so herzustellen, daß es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder ntiitbetn1). Ist das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Besteller die Beseitigung des Mangels verlangens. Der Unternehmer ist berechtigt, die Beseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert3). Ist der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels im Verzüge, so kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen«). E I 569 Abs 1 Satz 1, Abs 2 II 572 M 2, 478 ff. P 2, 309 ff.

1. In den §§633—639 ist die Gewährleistungspflicht deS Unternehmers z. T. abweichend von den für den Verkäufer geltenden Vorschriften §§459 ff. geregelt. Begriff des „Fehlers": eine vom Normalzustand nachteilig abweichende Beschaffenheit des Werkes, insbesondere bei einer neu zu konstruierenden Maschine (RG Warn 08, Nr 208). Über die besonderen Verpflichtungen des Unternehmers bei den auftragsähnlichen Werkverträgen insbesondere zur rechtzeitigen Ablehnung eines Vertragsantrages für gewisse Unternehmer, s. §§ 675, 663. Im übrigen besteht nach dem BGB keine Verpflichtung des Unternehmers zur Übe rnähme eines ihm angetragenen Werkes. Vgl. dagegen § 611A 3. — An Stelle der in § § 633 ff. gegebenen Ansprüche kann der Besteller auch nach allgemeinen Grundsätzen beim Vorhanden­ sein der tatsächlichen Voraussetzungen einen Schadensanspruch wegen vertragwidrigen Ver­ haltens des Unternehmers während der Ausführung sowie die bei gegenseitigen Verträgen aus §§320 ff. hervorgehenden Rechte gegen den Unternehmer geltend machen. 2. In diesem Anspruch auf Beseitigung des Mangels (d. h. Herstellung des vertrags­ mäßigen Zustandes), dessen Verfolgung nach § 638 der kurzen Verjährung unterliegt, im übrigen aber an keine Frist gebunden ist, liegt ein wesentlicher Unterschied von den für die Mängel beim Kauf gegebenen Vorschriften. — Der Besteller kann auch die Beseitigung unerheblicher Mängel fordern, aber nicht die Herstellung eines neuen mangelfreien Werkes (RG 57, 275). 3. Unverhältnismäßig ist der vom Unternehmer zu leistende Aufwand, wenn der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, gegenüber dem für die Beseitigung erforderlichen Aufwand geringwertig ist, sodaß die Beseitigung sich nicht lohnt (RG 66, 167). — Verweigert der Unternehmer die Beseitigung, so kommt § 634 Abs 2 zur Anwendung. 4. Verzug des Unternehmers §§ 284 ff. entsprechend der Miete § 538 Abs 2. — Verzug des Bestellers § 642.

§ 634 Zur Beseitigung eines Mangels der im § 633 bezeichneten Art kann der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist mit der Erklärung be­ stimmen, daß er die Beseitignng des Mangels nach dem Ablaufe der Frist ab­ lehne. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes ein Mangel, fo kann der Besteller die Frist sofort bestimmen; die Frist muß fo bemessen werden, daß sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist ablänft^). Nachdem Ablaufe der Frist kann der Besteller Rückgängigmachung des Vertrags (Wan­ delung)3) oder Herabsetzung der Vergütung (Minderung)3) verlangen, wenn nicht der Mangel rechtzeitig beseitigt worden ist; der Anspruch auf Beseitigung des Mangels ist ausgeschlossen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder von dem Unternehmer verweigert wird oder wenn

Werkvertrag

$$ 632—634

475

die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder auf Min­ derung durch ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt toirb4). Die Wandelung ist ausgeschlossen, wenn der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert4). Auf die Wandelung und die Minderung finden die für den Kanf geltenden Borschriften der §§ 465 bis 467,469 bis 475 entsprechende Anwendung4). E I 569 II 572 M 2, 481 ff. P 2, 309 ff.

1. § 634 A 1. Die Ansprüche des Bestellers auf Wandelung oder Minde­ rung, ebenso der Anspruch auf Schadensersatz aus § 635 haben außer in den Fällen von § 634 Abs 2 zur Voraussetzung, daß dem Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Be­ seitigung detz Mangels bestimmt ist. Ist die Frist zu kurz bemessen und vom Besteller auch nicht eventuell eine längere Frist nachgelassen, so ist die Fristbestimmung wirkungslos, s. §§250, 496,510. Dieselbe hat hier nicht, wie beim § 326 den Verzug des Schuldners zur Voraussetzung; sie kann daher schon vor Eintritt der Fälligkeit erklärt werden, sofern nur die Frist nicht vor Eintritt der Fälligkeit abläuft (RG IW 10, 186®). — Über die Frage des Schadens­ ersatzes wenn der Unternehmer den einen und der Besteller den andern Teil einer An­ lage ausgeführt hat und jeder dieser Teile Mängel an sich trägt s. RG 69, 381. Nach allge­ meinen Grundsätzen liegt dem Unternehmer regelmäßig der Beweis der Mängel­ freiheit sowie des mangelnden Verschuldens, in dem Falle aber, wenn der Besteller das Werk nach § 640 abgenommen hat, nach § 363 dem Besteller der Beweis der Mängel ob. Auch in diesem Fall aber bleibt es bei der ersterwähnten Beweislast des Unternehmers, wenn und soweit derselbe für die ordnungsmäßige Beschaffenheit des Werkes Garantie ge­ leistet hat. 2. Wandelung f. §§ 465—471. Die Wandelung sowohl als die Minderung setzen ein Verschulden des Unternehmers nicht voraus. — Bei der im Wege der Wandelung endgültig erfolgten Ablehnung des Werkes kann der Besteller der Klage auf Zahlung der Ver­ gütung gegenüber nicht mehr die' Einrede des nicht erfüllten Vertrages vorschützen (RG 58, 176). Der Besteller muß sein Wandelungsverlangen auch dann begründen, wenn der Unter­ nehmer in einem Vorprozeß mit seinem Vergütungsanspruch auf Grund der Wandelungs­ einrede abgewiesen worden ist und der Besteller nunmehr die Rückerstattung einer vorher geleisteten Anzahlung begehrt (RG 69, 388). 3. Minderung s. §§ 465, 472—475. Dieselbe hat in der Regel die (rein tatsächliche Hinnahme des Werkes zur Voraussetzung (vgl. §638 Ms 1 Satz 2; RG 9. 2. 07 VII 334/06). Nach § 634 Abs 4 § 472 ist dabei die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der Wert eines mangelfreien Werkes der bestellten Art zu dem Werte eines Werkes von der mangel­ haften Art des ausgeführten gestanden haben würde. Streitig ist, ob bei dieser Wertfeststellung die Zeit des Vertragsabschlusses oder die Zeit der Abnahme oder Ablieferung des Werkes zugrunde zu legen ist. Für die erste Ansicht Planck § 634 A 4, für die zweite Dernburg II § 320 III, Oertmann § 134 Nr 4 b. Allerdings sprechen für die zweite Ansicht die §§ 634, 641 Abs 1, 644; gleichwohl wird man sich für die erste zu entscheiden haben, da nach § 634 Abs 4 auf die Minderung die für den Kauf geltenden Vorschriften der §§ 469 bis 475 entsprechende Anwendung finden sollen, nach § 472 Abs 1 aber bei der Min­ derung der Kaufpreis in dem Verhältnisse, in welchem zur Zeit des Verkaufes, also des Ver­ tragsabschlusses (nicht der Übergabe), der Wert der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werte gestanden haben würde, herabzusetzen ist und auch diese Auffassung zu einem praktisch annehmbaren Ergebnis führt. 4. Die Verweigerung der Beseitigung und damit die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist jedoch schon dann anzunehmen, wenn der Unternehmer, sei es auch erst im Laufe des Rechts­ streites, das Vorhandensein von Mängeln überhaupt bestreitet (RG 64, 294). 5. Beim Ausschluß der Wandelung trifft für dessen tatsächliche Voraussetzung den Unternehmer die Beweislast. Stellt sich alsdann nur ein unerheblicher Mangel heraus, so kann nach § 634 auf Herabsetzung der Vergütung erkannt werden. Der Ausschluß der Wan­ delung greift übrigens nur dann Platz, wenn ein positiver Fehler dem Werke an­ haftet, nicht auch dann, wenn mangels zugesicherter Eigenschaft das Werk sich als vertragswidrig erweist (RG 66, 169. Vgl. oben Ala. E., s. jedoch § 640 A 2). 6. Entsprechende Anwendung finden also hier die für den Kauf getroffenen Vor­ schriften über die Vollziehung der Wandelung oder Minderung, über die vom Verkäufer an den einen Mangel behauptenden Käufer zu richtende Aufforderung zur Erklärung, ob er Wandelung verlange, über die entsprechende Anwendung der für das vertragsmäßige Rück­ trittsrecht geltenden Bestimmungen (§§ 465—467); ferner über die Durchführung der Wande­ lung beim Verkauf mehrerer Sachen, sowie über die Durchführung der Minderung und über das einem Käufer, der wegen eines Mangels die Minderung erklärt hat, zustehende

476

Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Recht, wegen eines andern Mangels Wandelung oder von neuem Minderung zu verlangen (§§ 469—475). Die auf die Wandelungseinrede erfolgte Abweisung eines Teilanspruchs des Unternehmers aus dem Werkverträge enthält noch keine die Verjährung aus­ schließende „Vollziehung" der Wandelung im Sinne von § 465 und der darauf erfolgenden Rückforderung eines Teils des Werklohns steht daher die für die Wandelung geltende Ein­ rede der kurzen Verjährung nach §§ 638, 639 entgegen (RG 69, 385).

§ 635 Beruht der Mangel des Werkes auf einem Umstande, den der Unteinehmer zu vertreten Ijat1), so kann der Bestellers statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangens. E I 569 II 573 M 2, 481 P 2, 319 ff.

1. Ein vom Unternehmer zu vertretender Umstand kann auf einem Verschulden (Arglist oder Fahrlässigkeit) oder einem Garantieversprechen, also auf der Zusicherung, für die Vertragsmäßigkeit des Werkes einstehen zu wollen (RG 58, 180) beruhen. Bei Be­ urteilung des Verschuldens kann auch ein mitwirkendes Verschulden des Bestellers oder seiner Hilfspersonen gemäß § 254 in Betracht kommen (RG 62, 106; 69, 384). 2. Auch hier ist von feiten des Bestellers vorgängige erfolglose Bestimmung einer Frist (§ 634 A 1) zur Beseitigung erforderlich (RG 56, 81), sofern nicht einer der Ausnahme­ fälle des 8 634 Abs 2, insbesondere die Unmöglichkeit der Beseitigung, vorliegt (RG.2. 3. 09 III 197/08). Eine solche Fristbestimmung steht also dem Schadensanspruche keinenfalls ent­ gegen (RG IW 10, 146«). 3. Dieser Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, durch welchen zugleich der Anspruch des Unternehmers auf Vergütung beseitigt wird (RG 58,176), setzt außerdem voraus, daß es sich um einen unmittelbar durch die Mangelhaftigkeit des Werkes hervorgerufenen, demselben unmittelbar anhaftenden und in dem Zeitpunkt der Abnahme oder Vollendung des Werkes vorliegenden Schaden handelt. Dadurch werden übrigens andere, auf allgemeinen Grundsätzen beruhende Schadensansprüche nicht ausgeschlossen. S. RG 64, 41. — Verjährung eines solchen Schadensersatzanspruches nach § 638 (RG 71, 173).

§ 636 Wird das Werk ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig hergestellt*), so finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften des § 634 Äbs. 1 bis 3 ent­ sprechende Anwendung; an die Stelle des Anspruchs auf Wandelung tritt das Recht des Bestellers, nach § 327 von dem Vertrage zurückzutreten-). Die im Falle des Verzugs des Unternehmers dem Besteller zustehenden Rechte bleiben unberührt^). Bestreitet der Unternehmer die Zuliiffigkeit des erklärten Rücktritts, weil er das Werk rechtzeitig hergestellt habe, so trifft ihn die Beweislast4). E I 569 Abs 4 II 57 M 2, 481 ff. P 2, 310 ff.; 6, 384.

1. Bei nicht rechtzeitiger Herstellung des Wertes stehen dem Besteller schon nach allgemeinen Grundsätzen als Rechtsbehelfe zu: a) die Klage auf Vertragserfüllung oder nach 8 283 auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; b) die Einrede des nicht erfüllten Vertrages; c) der Schadensanspruch aus einem etwaigen Garantieversprechen des Unternehmers; d) nach 8 636 Abs 1 Satz 2 die Ansprüche aus einem etwaigen Verzug desselben. An die Stelle des Anspruchs auf Wandelung gewährt außerdem der 8 636 in Abs 1 Satz 1 ein Rücktrittsrecht (kein Minderungsrecht), welches ein Verschulden des Unternehmers nicht erfordert, sodaß derselbe auch durch höhere Gewalt, z. B. einen Arbeiter­ streik, nicht entschuldigt wird. Nur in gewissen Ausnahmefällen (z. B. Kürze der Lieferungs­ frist, Nichterlangbarkeit anderer Arbeiter innerhalb derselben u. dergl.) kann ein solcher Streik dem Unternehmer zur Entschuldigung dienen (RG 3. 12. 07 VII 109/07). 2. Die Vorschriften der Wandelung nach erfolgloser Fristsetzung (§ 634 Abs 1—3), finden entsprechende Anwendung; nur die Rechtsfolge ist nicht Wandelung, sondern Rücktritt. — Für d i e Erklärung des Rücktritts ist der Besteller, wenn er infolge eines besonderen Interesses an dessen sofortiger Geltendmachung nach 8 634 Abs 2 von Be­ stimmung einer Frist absehen darf, an eine bestimmte Frist oder an die Verjährung nicht gebunden, insbesondere nicht verpflichtet, den Rücktritt bereits im Zeitpunkt des Ab­ laufs der Lieferfrist oder doch der Entstehung des besonderen Interesses zu erklären. Vielmehr ist alsdann nur der Unternehmer befugt, nach 8 355 dem Besteller eine Frist zur Er­ klärung zu setzen (RG 52, 317).

Werkvertrag

§§ 634—638

477

3. Für den Verzug ist einerseits ein Verschulden des Unternehmers erforderlich (§285), anderseits aber auch die Wirkung (Schadensersatz) weiter erstreckt ( §§ 286, 326, 635). 4. Der Zurücktretende hat den Ablauf der Frist und die Erklärung des Rücktritts oder einen nach § 634 Abs 2 die Fristbestimmung erübrigenden Umstand zu beweisen.

§ 637

Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschweigt*). @ I 570 II 575 M L, 485, 486 P 2, 311.

1. Übereinstimmend bei Kauf und Miete. Vgl. §§ 476, 540. Im übrigen kann die Vertretungspflicht des Unternehmers durch freie Vereinbarung beliebig festgesetzt werden. Der Gewährleistungsanspruch nach § 637 ist beim Vorliegen mehrerer Mängel nicht in vollem Umfang nichtig, wenn nur e i n Mangel oder einzelne von den mehreren Mängeln arglistig verschwiegen sind (RG 62, 122).

§ 638 Der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung eines Mangels des Werkes, sowie die wegen des Mangels dem Besteller zustehenden Ansprüche auf Wan­ delung, Minderung oder Schadensersatz verjähren *), sofern nicht der Unter­ nehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat, in sechs Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre, bei Bauwerken?) in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes 3). Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werdens. E I 571, 579 Nr 2 II 576 M 2, 486, 508 P 2, 311.

1. Verjährung. Vgl. § 477. Dieselbe findet nur auf die genannten vier Ansprüche Anwendung. Sie greift nicht bloß bei Herstellung einer Sache, sondern auch bei einer Leistung nicht körperlicher Art, der Erzielung eines Erfolges, Platz und beginnt als­ dann mit der Vollendung der Leistung. Vorausgesetzt wird aber dabei, daß der Mangel der gelieferten Leistung unmittelbar anhaftet und im Zeitpunkt der Abnahme oder Vollendung hervortritt, also z. B. nicht bei einem durch eine unrichtige Wertschätzung nachträglich ver­ ursachten Schaden (RG 64, 43). Streitig ist, ob die kurze Verjährung auch bei einem Schadensanspruch eintritt, der sich nicht auf einen bei der Abnahme hervortretcnden Mangel des gelieferten Werkes, -sondern auf eine durch positives Zuwiderhandeln gegen die pflichtmäßige Sorgfalt bei Ausführung des noch nicht vollendeten Werkes begangene Rechtsverletzung gründet, insbesondere in dem Falle, wenn bei der Ausführung eines Transportverträges dem zu Lande oder zu Wasser beförderten Reisenden während des Transportes infolge mangelnder Fürsorge für seine Person, auch durch Senkung einer mangelhaft unter­ haltenen Eisenbahnanlage, als Ursache einer Zugsentgleisung, durch Verschulden des Trans­ portunternehmers oder seiner von ihm zu vertretenden Leute eine körperliche Verletzung erwachsen ist. Vgl. § 276 A 6. Diese Fürsorge ist nicht unmittelbar Gegenstand des Werk­ vertrages und der Abnahme; der auf Vernachlässigung der Fürsorge gegründete Anspruch unterliegt deshalb nicht der kurzen Verjährung (RG 62, 119; 64, 43; 66, 12; RG 13.1. 08 VI 189/07). — Auch die aus § 633 Abs 3, aus Verzug und aus sonstigen allgemeinen Grund­ sätzen sich ergebenden Ansprüche in einem Werkvertragsverhältnisse unterliegen der gewöhn­ lichen Verjährung von dreißig Jahren. 2. Bauwerk: eine unbewealiche durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache (RG 56, 41). Auch die von den mitwirkenden Bauhandwerkern eingefügten Einzelarbeiten gehören dazu (RG 57, 377). Ein Werkvertrag über eine maschinelle Einrichtung und Inbetriebsetzung betrifft nur dann ein Bauwerk, wenn der Unternehmer auch die Fundamentierung und die Verbindung mit den Fundamenten zu besorgen hat (RG 24.11.05 III 302/05; 17.12.09 III 590/08). — Ein artesischer Brunnen oder ein Pumpbrunnen ist daher in der Regel kein Bauwerk. Ausnahme jedoch bei hergestellter fester und dauernder Verbindung der Röhren und Maschinenanlagen mit dem Grundstück (RG IW 02 Beil S 219 Nr 70). Auch ein Betriebswasserkanal, der aus durch Mörtel miteinander verbundenen Zementrohren und aus gemauerten Einfallschächten (unbewegliche Sachen) besteht, mit denen die zwischen zwei Schächten liegenden einzelnen Teile der Rohrleitung unter Verwendung von Zement und Mörtel zusammengebaut sind, ist ein Bauwerk im Sinne des § 638 (RG IW 10, 148"). Kein Bauwerk ist dagegen die

478

Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

Errichtung einer mit Ketten am Ufer befestigten S ch i f f s m ü h l e (RG IW 08, 4314), sowie die Herstellung einer Drainage (RG IW 08, 657®; SeuffA 67 Nr 46; Gruch 53, 81). 8. Abnahme deS Werkes. Vgl. § 640 A 2. Ist die Abnahme ausgeschlossen (§ 646), so beginnt die Verjährung mit der Vollendung des Werkes. 4. Verlängerung der Verjährungsfrist abweichend von § 225. Ist für die Brauch­ barkeit eines Werkes Garantie übernommen, so beginnt die Verjährung nicht erst mit dem Ablauf der Garantiefrist; vielmehr bedeutet die Garantieübernahme, daß jeder innerhalb der Garantiefrist hervortretende Mangel geltend gemacht werden kann, jedoch so, daß von dem Hervortreten des Mangels bezw. von dem in § 639 Abs 2 erwähnten Zeitpunkte ab die gesetzliche Verjährung zu laufen beginnt (RG Gruch 53, 81).

§ 639 Auf die Verjährung der tut § 638 bezeichneten Ansprüche des Bestellers finden die für die Verjährung der Ansprüche des Käufers geltenden Vorschriften des § 477 Abs. 2, 31) und der §§ 478, 4792) entsprechende Anwendung. Unterzieht sich der Unternehmer im Einverständnisse mit dem Besteller der Prüfung des Vorhandenseins des Mangels oder der Beseitigung des Mangels, so ist die Verjährung so lange gehemmt, bis der Unternehmer das Ergebnis der Prüfung dem Besteller mitteilt oder ihm gegenüber den Mangel für befeitigt erklärt oder die Fortsetzung der Beseitigung verweigert2). E II 576 Abs 2 III 629 P 2, 312 ff.

1. Nach dem entsprechend angewendeten § 477 Abs 2, 3 wird die Verjährung durch den Antrag des Bestellers auf gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises eines Mangels unterbrochen und die eingetretene Hemmung oder Unterbrechung bezüglich der Verjährung eines der in § 638 aufgeführten Ansprüche auch auf die Verjährung der andern Ansprüche erstreckt (vgl. auch § 634 A 6). 2. Nach den entsprechend angewendeten §§ 478, 479 kann der Besteller schon durch rechtzeitige Anzeige des Mangels sich die Befugnis zur Verweigerung der Ver­ gütung, soweit er auf Grund der Wandelung oder Minderung dazu befugt sein würde, sowie die Aufrechnung des Schadensanspruches auch für die Zeit nach Vollendung der Verjährung erhalten. 3. Hemmung der Verjährung. Vgl. §§ 202 ff.

§ 640 *)Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen2), sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ansgeschlossen ist3). Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§ 633, 634 bestimmten Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehätt*)2). E I 572, 579 II 577 M 2, 489—492 P 2, 815 ff.

1. Die §§ 640—643 behandeln die Verpflichtungen des Bestellers: Abnahme, Ent­ richtung der Vergütung, und, soweit nötig, Mitwirkung bei der Herstellung des Werkes. 2. Die Abnahme, gleichbedeutend mit der Annahme der Erfüllung in § 341 Abs 3 und der Annahme der Erfüllung in § 363, ist nicht jede bloß äußerliche Hinnahme der Leistung, wip im Falle des § 433 Abs 2, erfordert vielmehr (vgl. „Abnahme des vertragsmäßig hergefk .den Werkes"), daß der Besteller bei und nach der Hinnahme ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gibt, daß er die Leistung als eine in der Hauptsache dem Vertrage entsprechende Erfüllung anerkenne (RG 57, 338; RG 10. 3. 08 III 374/07). Eine solche Anerkennung liegt z. B. dann vor, wenn der Besteller eine ihm gelieferte elektrische Maschinenanlage in Betrieb nimmt, oder wenn der Bauherr das bestellte Haus nach seiner Fertigstellung bezieht und dauernd bestimmungsgemäß benutzt (RG Warn 08 Nr 460), nicht aber dann, wenn er das Werk nur zum Zweck der Erprobung entgegennimmt (RG 7. 5. 07 III 486/06). — Dagegen enthält die Abnahme noch nicht die Anerkennung des Werkes als eines völlig vertragsgemäßen und schließt das Recht des Bestellers, Mängel des Werkes (die ihm noch unbekannt sind) später zu'Mgen, nicht aus (RG IW 07, 331*; 08, 432*; RG 17. 12. 09 III 590/06), sondern schränkt dasselbe nur soweit ein, als der Besteller die Mängel kannte. Im übrigen wird die Beweislast darüber, ob die Leistung dem Vertrage entspricht, umgekehrt und ferner der Beginn der Verjährung, § 638 Abs 1, festgelegt; auch geht die Gefahr von dem Unternehmer

Werkvertrag

§§ 638—642

479

auf den Besteller über, § 644 Abs 1. Auf die Abnahme, die auch wegen eines unerheblichen Mangels abgelehnt werden kann, ist ebenso wie auf die Entrichtung der Vergütung eine selb­ ständige Klage gegeben. Die Ko st en der Abnahme treffen regelmäßig den B estekler. — Abnahmeverzug des Bestellers und dessen Voraussetzungen s. §§ 294, 295. 3. Für die Abnahme ist regelmäßig dann kein Raum, wenn dem Werke die materielle Beschaffenheit und Körperlichkeit fehlt, außerdem auch, wenn der Besteller den Gegenstand, an welchem ein Werk hergestellt werden soll, schon in seinem Besitze hat (f. auch § 646). 4. Bei Abnahme deS Werkes in Kenntnis deS Mangels bedarf es zur Erhaltung der Ansprüche aus §§ 633, 634 (auf Beseitigung oder Wandelung oder Minderung) eines Vorbehalts. Auch durch einen vor der Annahme erklärten Vorbehalt werden die Rechte des Annehmenden gewahrt, wenn sie nur bei der Abnahme erkennbar aufrecht erhalten werden (RG IW 10, 889*). Dagegen bedarf es zur Erhaltung des Schadensanspruchs aus § 635 auch bei Kenntnis des Mangels keines Vorbehalts. A. M. Dernburg II § 320 VI, weil es Treu und Glauben widerspreche, wenn der Besteller, welcher den Mangel bei der Abnahme kennt und sich wegen desselben keine Ansprüche vorbehält, dennoch später Schadensersatz wegen Nichterfüllung beanspruche. Allein diese Meinung scheitert an der ausdrücklichen, nur die Ansprüche aus §§ 633, 634 erwähnenden Vorschrift des § 640. Für die Entbehrlich­ keit des Vorbehaltes kommt auch weiter in Betracht, daß der Anspruch nach § 635 auf einem vom Unternehmer zu vertretenden Um stände beruht. Demgegenüber läßt sich nicht ohne weiteres sagen, das Unterlassen des Vorbehalts verstoße gegen Treu und Glauben, zumal in der Abnahme des Werkes noch keine endgültige Billigung oder Gutheißung zu finden ist. Sollte freilich im einzelnen Falle eine Billigung oder sonst ein Umstand vorliegen, auf Grund dessen ein Verzicht auf die Schadensansprüche aus § 635 angenommen werden könnte, so würden diese bei mangelndem Vorbehalt nicht aufrecht zu erhalten sein. 5. Die Beweislast für die Kenntnis des Bestellers trifft den Unternehmer, für den Vorbehalt den Besteller.

8 641

Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zn entrichtens. Ist das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile vesttmmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei deffen Abnahme zu entrichten. Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist. E I 537 II 578 M 2, 492—494 P 2, 319 ff.

1. Fälligkeit der Vergütung. Die Herstellung des Werkes ist vom Unternehmer regelmäßig als Vorleistung zu bewirken, die schließliche Auslieferung des­ selben aber Zug um Zug gegen Entrichtung der Vergütung. Bis dahin ist der Unternehmer zur Zurückhaltung des Werkes befugt, welches Zurückhaltungsrecht im Falle des § 647 sich bis zu einem Pfandrechte an dem zurückbehaltenen Werke verstärken kann. An die Stelle der Abnahme (§ 640 A 2) tritt auch hier bei Ausschluß derselben nach § 646 die Voll­ endung des Werkes.

8 642

'M bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers er­ forderlich 2), so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unter­ lassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt2), eine angemessene Ent­ schädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, anderseits nach dem­ jenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. E I 575 II 579 Abs 1 M 2, 494 ff. P 2, 328 ff.

1. Die §§ 642, 643 regeln die Schadensersatzpflicht deS Bestellers und das Rücktrittsrecht des Unternehmers bei Annahmeverzug des ersteren. 2. Eine Handlung deS Bestellers, insbesondere Lieferung von Stoff oder Über­ lassung von Raum, Sorge für dessen gefahrlose Beschaffenheit, Erteilung von Anweisungen oder sonstige persönliche Mitwirkung des Bestellers bei der Ausführung. Gerät der Besteller durch Unterlassung solcher Handlung in Annahmeverzug, wozu ein Verschulden von seiner Seite nicht erforderlich ist, so hat der Unternehmer die in $§ 642, 643 enthaltenen Rechte. Durch diese Sondervorschriften ist in dem angegebenen Falle die Anwendung des $ 326, welcher

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Recht der Schuldverhältnisse

Einzelne Schuldverhältnisse

einen Verzug bei Annahme des fertiggestellten Werkes voraussetzt, ausgeschlossen (RG 53, 221). Im übrigen aber bleiben neben den in §§ 642, 643 bestimmten Rechten die aus allgemeinen Vorschriften sich ergebenden Ansprüche des Unternehmers auf Vergütung, sowie wegen Annahme-Verzuges, vertraglichen Verschuldens, Unmöglichkeit der Leistung, ingleichen die Einrede des nicht erfüllten Vertrages bestehen. 3. Annahmeverzug. Vgl. §§ 293 ff.

§ 643 Der Unternehmer ist im Falle des § 642 berechtigt, dem Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu be­ stimmen, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ab­ laufe der Frist vorgenommcn werde. Der Vertrag gilt als aufgehoben, wenn nicht die Nachholung bis zum Abläufe der Frist erfolgt^). @ II 539 Ms 2 III 633 P 2, 328.

1. Fristsetzung von selten detz Unternehmers. (Vgl. Fristsetzung des Bestellers § 634 A1). Erst vom F r i st a b l a u f ab, nicht mit rückwirkender Kraft, gilt der Vertrag als aufgehoben und nur der bis zu diesem Zeitpunkt erwachsene Schaden kann (gemäß § 642) erstattet verlangt werden. — Statt dessen auch Anspruch des Unternehmers auf einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung, sowie auf Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen nach § 645 Abs 1 Satz 2.

§ 644 *)Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes3). Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn ii6ct3). Für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Swfses ist der Unternehmer nicht verant­ wortlich^). Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers nach einem andern Orte als dem Erfüllungsorte, so finden die für den Kauf gelten­ den Vorschriften des § 447 entsprechende Anwendung6). E I 576 II 580 M 2, 497—500 P 2, 329.

1. Neben den hier gegebenen Sondervorschriften über die Gefahrtragung bleiben die in den §§ 323—325 enthaltenen Bestimmungen (bei Unmöglichkeit der Leistung, Ver­ schulden des Unternehmers oder Bestellers usw.) im wesentlichen bestehen, nicht minder die­ jenigen über die Folgen von Mängeln des Werkes nach §§ 634, 635, 640. Den Unternehmer trifft dabei regelmäßig die Beweislast dafür, daß er seinen Vertragspflichten nachgekommen sei. — An Stelle dieser Sondervorschriften kann übrigens die Gefahrtragung durch Verein­ barung der Beteiligten in anderer Weise geordnet werden. 2. Gefahrtragung des Unternehmers bis zur Abnahme (8 640 A 2). Der Besteller bleibt mithin beim Untergang des Werkes, auch wenn derselbe vom Unternehmer nicht verschuldet ist, von der Entrichtung der Vergütung befreit. Anderseits steht dem Be­ steller ein Anspruch auf Schadensersatz oder aus W i e d e r h e r st e l l u n g des Werkes nicht zu, wenn er nicht den Schadensersatzanspruch aus allgemeinen Vorschriften (A 1), den Herstellungsanspruch aus besonderen vertraglichen Bestimmungen ableiten kann, auch die Wiederherstellung noch möglich und für die Parteien von Interesse ist. Dies alles gilt auch beim Untergang des erst teilweise vollendeten (körperlichen oder unkörper­ lichen) Werkes. Tritt der Untergang nach der Abnahme oder der Vollendung ein, so behält der Unternehmer den Anspruch auf Vergütung, sofern solcher nicht durch einen von ihm zu vertretenden Umstand, insbesondere Mangelhaftigkeit des Werkes, ausgeschlossen wird. Vgl. § 646 A 1 a. E. 3. Gefahrübergang auf den Besteller im Falle des Annahmeverzugs (§§ 293 ff.). Wirkt aber während dieses Annahmeverzuges zu dem Untergang oder der Verschlechterung des Werkes ein nach § 300 vom Unternehmer zu vertretender Umstand mit, so bleibt es be: der dem Unternebmer obliegenden Tragung der Gefahr. Vgl. § 324 9lbs 2. 4. Die Gefahrtragung für den Stoff bleibt unter allen Umständen auf dem Besteller ruhen, wenn er ihn selbst geliefert hat. Bei Verzug des Unternehmers hat derselbe für den dadurch erwachsenden Schaden nach § 288 einzustehen. 5. Die Gefahr der Versendung geht nach § 447 auf den Besteller über, sobald der Unternehmer das fertige Werk der für die Versendung bestimmten Person oder Anstalt über­ liefert hat. Auch in diesem Falle hat aber der Unternehmer den Nachweis zu führen, daß er das Werk in abnahmesähiger Beschaffenheit und sachgemäßer Verpackung abgeschickt habe.

Werkvertrag

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§§ 642—64)

§ «45 Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Aus­ führung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten Ijut1), so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechendenTeil der Vergütung und Ersatz der in derBcrgütnng nicht inbegriffenen Auslagen verlangens. Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des § 643 aufgehoben wird'). Eine weitergehcnde Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt 4). ® I 577 II 580 M 2, 500 ff. P 2, 331.

1. BergntnngSanfpruch deS Unternehmers trotz Untergangs, Verschlechterung oder Unausführbarkeit des Werkes vor der Abnahme, wenn der Untergang ausschließlich auf den Besteller zurückzuführen ist, den jedoch hierbei ein Verschulden nicht zu treffen braucht. Unterläßt der Unternehmer die Prüfung des vom Besteller gelieferten Stoffes (sofern sie ihm, als Sachverständigen, obliegt) und den Hinweis auf etwaige Mängel desselben, so steht ihm ein Anspruch nach § 645 nicht zu. 2. Umfang deS Anspruchs, also die ganze Vergütung bei vollendetem, einen ent­ sprechenden Teil derselben bei teilweise ausgeführtem Werke (wie z. B. bei einer unterbrochenen Theatervorstellung). 3. Aushebung deS Vertrages bei Nichteinhaltung der dem Besteller vom Unternehmer gesetzten Frist zur Nachholung einer Handlung. 4. Weitergehende Haftung des Bestellers. Vgl. insbesondere § 324.

8 646 Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen'), so tritt in den Fällen der §§ 638,641,614,645 an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes. E I 579 Nr 1 II 582 M 2, 502 ff. P 2, 336.

1. Ausschluß der Abnahme, insbesondere bei einem nicht körperlichen, sondern künst­ lerischen oder wissenschaftlichen Werke oder bei einem bereits im Besitz des Bestellers befinolichen Werke. Hier tritt in bezug auf die Verjährung der Ansprüche des Bestellers (§ 638), die Entrichtung der Vergütung (§ 641), die Gefahrtragung (§ 644), den Untergang oder die Verschlechterung des Werkes (§ 645) an die Stelle der Übernahme die Vollendung des Werkes. Dasselbe gilt, wenn von einem Bauunternehmer an einem Hause einzelne Arbeiten, bezüglich deren eine förmliche Abnahme nicht stattzufinden pflegt, ausgeführt worden fittb und nach dieser Ausführung das Haus abgebrannt ist. Die Gefahr (§ 644) trifft in diesem Falle, da sie erst nach Vollendung der Arbeiten eingetreten ist, nicht mehr den Unternehmer (SeuffA 64 Nr 191), — Vollendung des Werkes bei einem Schleppvertrage, sobald sich der Kahn an dem Orte befindet, an den er geschleppt werden sollte (RG 62, 210).

§ 647 Der Unternehmer') hat für seine Forderungen ans dem Vertrag') ein Pfandrecht') an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers'), wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind.

oder sie zwar entstanden, aber wieder aufgehobenist (z. B. eine einstweilige Verfügung, mit Beräußerungsverbot, durch vollstreckbare Entscheidung. Die Vormerkung($ 883) und der Widerspruch ($ 899) entstehen erst durch Eintragung. Der Inhalt des Grundbuches ist daher trotz Fehlens ihrer Eintragung mit der wirklichen Rechtsläge im Einklänge, sodaß § 894 keine Anwendung findet. Gleiches gilt, wenn eine Vormerkung oder ein Widerspruch zu Unrecht gelöscht ist, oder wenn eine eingetragene Vormerkung oder ein eingetragener Widerspruch wegen Nichtbestehens de- gesicherten Anspruches bezw. degesicherten dinglichen Rechtes oder aus sonst einem Grunde hinfällig geworden ist. Im ersteren Falle bleibt die Vormerkung oder der Widerspruch nicht, wie ein dingliches Recht, bestehen, sondern erlischt, und im zweiten Falle ist zufolge der Hinfälligkeit, da die Vormerkung undder Widerspruch keine dinglichen Rechte am Grundstücke oder an einem das Grundstück belastenden Rechte sind, die „Rechtslage" des Grundstückes nicht geändert, sodaß in beiden Fällen da- Grundbuch nicht unrichtig ist. Die Wiedereintragung in dem ersten und die Löschung in dem zweiten Falle ist auf einem anderen Wege als dem des $ 894 herbeizuführen. Vgl. hierüber da- Nähere in $ 883 A 2, $ 886 A 2, 3.

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Sachenrecht

Ferner ist das Grundbuch nicht unrichtig, wenn für jemanden lediglich ein persönlicher schuldrechtlicher) Anspruch aus Einräumung eines dinglichen Rechtes am Grundstück oder an einer Grundstücksbelastung, oder ans Aufhebung eines solchen Rechtes besteht; denn eine Unrichtigkeit des Grundbuches liegt nur dann vor, wenn die Rechtslage hinsichtlich der dinglichen Rechte eine andere als nach dem Inhalte des Grundbuches ist (vgl. RG 53, 377; 60, 264; SeussA 61, 272, auch RG 65, 365). In derartigen Fällen kann nur auf Grund des Schuldverhältnisses mit der persönlichen Klage gegen den Verpflichteten die Herbeiführung der Eintragung bezw. der Löschung des Rechtes verfolgt werden. Vgl. hierüber das Nähere in § 875 A 4; § 925 A 6. Über den Fall einer dem § 46 GBO oder der Vereinbarung der Beteiligten nicht entsprechenden Rangeintragung vgl. § 879 A 4, 8. Hervorzuheben ist hier insbesondere hinsichtlich des Falles der Aufhebung eines Rechtes, daß, wenn die einer Eintragung zugrunde liegende (dingliche) Einigung (§ 873 Abs 1) an sich rechtsgültig und nur das (schuldrechtliche Grundrechtsgeschäft nichtig ist oder sonst kein Rechts­ grund für die Bestellung des Rechtes bestand, nicht etwa ein (dinglicher) Berichtigungsanspruch aus § 894 gegeben ist, sondern lediglich ein persönlicher Anspruch, namentlich wegen un­ gerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff., aus Beseitigung der Eintragung in Frage kommt (vgl. RG 51, 422; 63, 185; 66, 389; Gruch 52, 958; RIA 7, 278). Ferner wird durch Anfechtung aus Grund des Ans Ges oder der §§ 29 ff. KO das durch die anfechtbare Veräußerung an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechte er­ langte eingetragene Recht nicht aufgehoben, da die Anfechtung den Rechtserwerb nicht unwirksam macht (vgl. § 883 A 2) Daher wird das Grundbuch nicht unrichtig und ist somit ein Berichtigungsanspruch nicht gegeben ( RG 71, 178). Vgl. auch RG IW 01, 130" (keine Unrichtigkeit des Grundbuches, wenn der eingetragene Gläubiger eines verbrieften hypothekarischen Rechtes wirklicher Gläubiger ist, einem anderen nur ein persönliches Zurück­ behaltungsrecht an dem Briefe zusteht). Nicht um Berichtigung des Grundbuches im Sinne des § 894 handelt es sich, sondern um Richtigstellung der Einschreibung in das Grundbuch, wenn nachrichtliche Vermerke, tatsächliche Angaben im Sinne der A 3 § 891 und ähnliches, wodurch Inhalt, Umfang oder Wirksamkeit der eingetragenen Rechte nicht berührt wird, der Wirklichkeit entsprechend ge­ ändert werden (z. V. Beseitigung von bloßen Schreibfehlern, versehentlichen Bezeichnungen, unzutreffenden Beschreibungen; KGJ 25 A 104; OLG 8, 211; 8, 219; 8, 310; 15, 345; 16, 151; Richtigstellung des Erwerbsgrundes, RIA 9, 60). Die Beteiligten haben ein Recht aus diese Richtigstellung, weil das Grundbuch nichts Unrichtiges enthalten soll; aber es wird dadurch nicht das Grundbuch „mit der wirklichen Rechtslage" in Einklang gebracht. Wird zu einer Zeit, in der daS Grundbuch hinsichtlich eines eingetragenen Rechtes

unrichtig ist, von einem Dritten dieses Recht durch Rechtsgeschäft gutgläubig erworben (hat z. B. C, nachdem die Hypothek des B zufolge Befriedigung oder Nichtentstehens einer Forderung auf den Eigentümer A übergegangen war, die Hypothek von dem eingetragenen B durch Übertragungsgeschäft erworben, ohne daß er, C, von den Tatsachen Kenntnis hatte, aus denen die Nichtberechtigung des B folgte), so gilt nach § 892 Abs 1 Satz 1 zugunsten des Erwerbers das Recht als wirklich bestehend. Wird ferner zu einer Zeit, in der das Grundbuch deswegen unrichtig ist, weil ein außerhalb des Grundbuches bestehendes dingliches Recht nicht ein­ getragen steht, ein diesem Rechte entgegenstehendes Recht von einem Dritten durch Rechts­ geschäft gutgläubig erworben (hat z. B. C, nachdem eine dem A gehörende Parzelle irrtümlich aus dem Grundbuchblatte des B als diesem gehörig vermerkt worden war, von B das Eigen­ tum übertragen oder ein begrenztes dingliches Recht bestellt erhalten, ohne davon Kenntnis zu haben, daß die Parzelle dem A gehörte), so gilt nach § 892 Abs 1 Satz 1 das Recht zugunsten des Erwerbers als nicht bestehend. Daher steht das Grundbuch, soweit durch seine Unrichtigkeit an sich der Erwerber betroffen werden müßte, zufolge Fiktion der Richtigkeit mit der wirklichen Rechtslage nicht im Widersprüche und ist ein Berichtigungs­ anspruch desjenigen, dessen Recht zu Unrecht belastet, oder der der wahre Berechtigte ist, oder dessen Recht außerhalb des Grundbuches besteht, gegen den Erwerber nicht ge­ geben. Entsprechendes gilt nach § 893, wenn von einem Dritten gutgläubig an einen eingetragenen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt wird (z. B. wenn eine Buchhypothek an den als Gläubiger eingetragenen B, der von dem ursprünglichen Gläubiger A die Hypothek nicht rechtswirksam übertragen erhalten hat, von dem Eigentümer C bezahlt wird, der die Hypothek dadurch erwirbt) oder mit einem eingetragenen Nicht­ berechtigten ein anderes, eine Verfügung enthaltendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird (z. B. wenn mit dem nicht berechtigten B der Eigentümer C die Aufhebung eines das Grundstück belastenden Rechtes vereinbart, das in Wirklichkeit dem A zusteht). Vgl. hierüber § 892 A 2, 6, 7; § 893 A 1, 3, 4. Soweit danach das Recht des Berichtigungs­ berechtigten nicht überhaupt erlischt (es erlischt z. B., wenn, nachdem eine Hypothek des A auf dem Grundstück des B zu Unrecht gelöscht worden ist, C von B das Eigentum über­ getragen erhält, s. § 892 A 2), kann nur gegenüber anderen, die sich auf einen gutgläubigen

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken

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Erwerb nicht berufen können (z. B. im Falle unrechtmäßiger Löschung einer Hypothek gegen diejenigen nachstehenden Gläubiger, deren Hypotheken zur Zeit der Löschung bereits ein* getragen standen, s. §892 A 2), ein Berichtigungsanspruch geltend gemacht werden. — „Un­ richtig" ist das Grundbuch auch nicht, wenn die Eintragung nur undeutlich ist und ihr Sinn durch die zugrunde liegende Eintragungsbewilligung festgestellt werden kann (RG 53, 414; Warn 08, Nr 22; OLG 16, 171). Rechte, die von vornherein (nicht etwa zufolge unrechtmäßiger Löschung) ohne Ein­ tragung als dingliche mit voller Wirksamkeit bestehen, die aber nichl eintragungsfähig sind (wie z. B. die Überbau* und die Notwegrente, §§ 912—918), machen durch ihr Bestehen außerhalb des Grundbuches dieses nicht unrichtig, da das Grundbuch nur hinsichtlich des zu­ lässigen Inhaltes vollständig sein soll. Andere ebenfalls nicht eintragungsbedürftige, jedoch eintragungsfähige Rechte können, weil ein bestehendes dingliches Recht auch den Anspruch auf Eintragung gewährt, eingetragen werden. Für die vorJnkrafttreten des BGB entstandenen Grunddienstbarkeiten gewährt Art 187 EG ausdrücklich das Recht auf Eintragung. Aus gleichem Grunde können berichtigend zur Eintragung gebracht werden Rechte, die zwar ohne Eintragung entstehen, jedoch zurWirksa mkeit gegenüber gutgläubigen Erwerbern der Eintragung bedürfen, wie der Nießbrauch nach § 1075, die Sicherungshypothek aus § 1287 Satz 2 und aus ZPO § 848 Abs 2. Ferner können auch Rechte, die vor Inkrafttreten des BGB zwar ohne Eintragung entstanden sind, aber zur Wirksamkeit gegen Dritte, gleichviel ob sie diesen bekannt waren oder nicht, der Eintragung bedurften (vgl. für Preußen § 12 EEGes.), eingetragen werden (RG 55, 315; 56, 13; 66, 30; IW 04, 282*); jedoch ist, da di.se Rechte gemäß Art 184 EG nur in ihrem bisherigen un­ vollkommenen Rechtszustande bestehen geblieben sind (RG 66, 30), die Eintragung nicht mehr zulässig, wenn inzwischen das Eigentum auf einen, sei es auch bösgläubigen Erwerber, über­ gegangen ist (RG IW 04, 282*). Vgl. hierüber auch § 892 A 3. 2. Berichtigungsberechtigte sind nur die im § 894 als solche bezeichneten, bei der Unrichtigkeit des Grundbuches unmittelbar Beteiligten. In den Fällen, in denen das Grund­ buch mit der wirklichen Rechtslage deswegen nicht im Einklänge steht, weil ein, sei es von vorn­ herein, sei es zufolge unrechtmäßiger Löschung außerhalb des Grundbuches bestehendes ding­ liches Recht (Eigentum oder begrenztes Recht am Grundstück oder Recht an einem das Grundstück belastenden Rechte) nicht eingetragen ist (s. A la und a. E.), ist berichtigungs­ berechtigt derjenige, dessen dingliches Recht der Eintragung entbehrt. Ein anderer, mag ihm auch sonst ein dingliches Recht am Grundstücke zustehen, ist nicht legitimiert, die Eintragung jenes Rechtes zu betreiben. So z. B. kann der Eigentümer, wenn eine an sich bestehende Hypothek auf einen anderen als den als Gläubiger Eingetragenen (z. B. auf den früheren Eigentümer zufolge Befriedigung des Gläubigers) übergegangen ist, nicht von dem Gläubiger Zustimmung zu der Eintragung des anderen verlangen; vielmehr steht der Anspruch nur diesem zu (RG 60, 264). — Ist ein Recht nicht richtig eingetragen (s. A lc), so kann nur der Inhaber des Rechtes die Berichtigung des Inhaltes verlangen. Betrifft jedoch die unrichtige Eintragung das Eigentum und hat sie zur Folge, daß ein das Grundstück belastendes Recht nicht richtig oder nicht vollkommen eingetragen ist (z. B. wenn im Falle des Bestehens einer Hypothek an einem Miteigentumsanteile die Anteile der Miteigen­ tümer nicht gemäß § 48 GBO in Bruchteilen angegeben sind), so steht auch dem Inhaber des Rechtes der Anspruch auf Zustimmung zur Richtigstellung der Eigentumseintragung gegen den dadurch Betroffenen zu (vgl. RG 54, 85, auch § 895 A 1). Ist der eingetragene In­ haber des zu berichtigenden Rechtes nicht der wahre Inhaber, so fehlt ihm die sachliche Legitimation zur Geltendmachung des Berichtigungsanspruches; denn, wie er das Recht überhaupt nicht für sich geltend machen darf, so ist er auch nicht befugt, die Richtig­ stellung des Rechtes zu verfolgen (str.). Allerdings kann er sich im Falle der Klagerhebung aus Die Vermutung des § 891 für seine Berechtigung berufen. Wenn aber die Vermutung durch den Nachweis, daß er nicht der wahre Berechtigte ist, widerlegt wird, ist die Klage abzuweisen. — Wenn die Unrichtigkeit des Grundbuches darin besteht, daß ein eingetragenes Recht am Grundstücke oder an einem das Grundstück belastenden Rechte nicht rechtsbeständig ist