Das Gold-Plating europäischer Richtlinien: Zum Vergleich der Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich [1 ed.] 3161625307, 9783161625305

Anna Charlotte Kümpers widmet sich dem Umsetzungsverfahren unionsrechtlicher Richtlinien in nationales Recht. Am Beispie

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German Pages [164] Year 2023

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
I. Gründe der Mitgliedstaaten für eine „No-Gold-Plating-Politik“
II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten
1. Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition im politischen Umfeld in Frankreich
a) Definition der Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise
b) Definition der Commission des lois constitutionnelles, de la législation et de l’administration générale de la Re´publique
c) Der Rapport d’information fait au nom de la commission des affaires européennes et de la délégation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatifs europe´ens en droit interne
aa) Über die im europäischen Rechtsakt festgelegten Mindestanforderungen hinausgehende Umsetzungen
(1) Festlegung einer anspruchsvolleren Anwendungsschwelle
(2) Verstärkung von Verpflichtungen durch ergänzende nationale Anforderungen
(3) Eine ambitionierte Spezifizierung von in der Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen
bb) Nachteilige bzw. ungünstige Behandlung der in der Richtlinie enthaltenen Optionen
(1) Verwendung einer durch die Richtlinie eröffneten nationalen Option in einem verbindlichen Sinne
(2) Nichtnutzung einer in der Richtlinie enthaltenen Option
(3) Wahl eines weiten Anwendungsbereiches
cc) Einführung von Bestimmungen des nationalen Rechts im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Richtlinie
(1) Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Richtlinie
(2) Einführung weiterer nationaler Bestimmungen
(3) Beibehaltung nationaler Verpflichtungen trotz harmonisierter Umsetzungsmaßnahmen
d) Zwischenergebnis
2. Verwendung des Begriffes Gold-Plating im politischen Umfeld in Deutschland
3. Kritik an der Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition aus Literatur und Rechtsprechung
a) Begriffsverständnis des Conseil d’État und in der französischen Literatur
b) Begriffsverständnis in der deutschen Literatur
c) Kritische Würdigung der Verwendung des Begriffes Gold-Plating in einem umfassenden Verständnis
aa) Aktives und passives Gold-Plating
bb) Umsetzungsoptionen, Bandbreiten und Wahlvorschriften
4. Eigenes Begriffsverständnis und Begriffsverwendung in der Arbeit
III. Die verschiedenen Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings
1. Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung
a) Mindestharmonisierende Richtlinien
b) Vollharmonisierende Richtlinien
2. Richtlinien mit dem Erfordernis eines tatsächlichen Handelns der Mitgliedstaaten
a) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln
b) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreening-und Berichterstattungspflichten
3. Auswirkungen der Art der Richtlinie auf das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
a) Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung
aa) Mindestharmonisierende Richtlinien
bb) Vollharmonisierende Richtlinien
b) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln
c) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreenings
4. Ergebnis
B. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland und Frankreich
I. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich
1. Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich und ihre Auswirkungen auf die Umsetzung von Richtlinien
a) Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich
aa) Die loi
bb) Der décret
cc) Die circulaire
dd) Die ordonnance
b) Auswirkung auf die Umsetzung von Richtlinien in Frankreich
2. Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Frankreich
a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses
aa) Die fiche d’impact simplifiée und fiche d’impact stratégique
bb) Stellungnahme des Conseil d’E´ tat
b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht
aa) Umsetzung der Richtlinie durch eine loi
(1) Der comite´ de liaison
(2) Die task force
bb) Umsetzung der Richtlinie durch ein re`glement
c) Zwischenergebnis
3. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit
b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
aa) Der Conseil national d’évaluation des normes
(1) Arbeitsweise des Conseil national d’évaluation des normes
(2) Kompetenzen und Aufgaben des Conseil national d’évaluation des normes
(3) Kompetenz des Conseil national d’évaluation des normes hinsichtlich der Überprüfung von Gold-Plating
(4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Conseil national d’évaluation des normes in der Praxis
bb) Die circulaires du Premier ministre
(1) Circulaire du 17 février 2011 rélarive à la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivités territoriales
(2) Circulaire du 17 juillet 2013 relative à la mise en oeuvre du gel de la réglementation
(3) Circulaire du 26 juillet 2017 relative à la maiˆtrise du flux des textes réglementaires et de leur impact
cc) Projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives européennes en droit franc¸ais
dd) Proposition de loi constitutionnelle visant à lutter contre la sur-réglementation
4. Ergebnis
II. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland
1. Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Deutschland
a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses
b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht
2. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit
b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf Bundesebene
aa) Der Nationale Normenkontrollrat
(1) Arbeitsweise des Nationalen Normenkontrollrates
(2) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates
(3) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates in Bezug auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings
(4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Nationalen Normenkontrollrat in der Praxis
bb) Begründung von Gesetzesvorlagen
(1) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung
(2) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages
(3) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen des Bundesrates
(4) Zwischenergebnis
c) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf Länderebene
aa) Kooperation der Länder bei der Umsetzung von Richtlinien
bb) Äquivalent zum Nationalen Normenkontrollrat in den Bundesländern
cc) Begründung von Gesetzesentwürfen
3. Ergebnis
III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich
1. Gemeinsames politisches Ziel der Vermeidung von Gold-Plating
2. Vorgaben im Rechtsetzungsprozess hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings
3. Betrauung einer Institution mit der Überprüfung von Gold-Plating
4. Ergebnis
IV. Gemeinsame Bestrebungen Frankreichs und Deutschlands für eine bessere und harmonisierte Umsetzung von Richtlinien
V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene
1. Europäische Kommission
2. Europäisches Parlament
3. Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenvertreter im Bereich Verwaltungslasten
4. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
5. Zwischenergebnis
C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“
I. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Verträge der Europäischen Union
1. Artikel 5 Abs. 4 EUV – kompetenzrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
a) Grundsatz und materielle Anforderungen
aa) Legitimes Ziel
bb) Geeignetheit
cc) Erforderlichkeit
dd) Angemessenheit/Proportionalität
b) Kontrolle der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
2. Primärrechtliche Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union
a) Vertrag über die Europäische Union
b) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
aa) Primärrechtliche Öffnungsklauseln und Schutzverstärkungsklauseln
bb) Allgemeine Aussagen hinsichtlich eines hohen Schutzniveaus
c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union
II. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund einer kooperativen Gesetzgebung in der Europäischen Union
III. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Rechtsklarheit
1. Anforderungen an die Rechtsklarheit in Deutschland und Frankreich
2. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Rechtsklarheit
IV. Ergebnis
Ergebnis und Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Das Gold-Plating europäischer Richtlinien: Zum Vergleich der Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich [1 ed.]
 3161625307, 9783161625305

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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung herausgegeben von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

94

Anna Charlotte Kümpers

Das Gold-Plating europäischer Richtlinien Zum Vergleich der Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

Mohr Siebeck

Anna Charlotte Kümpers, geboren 1995; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Münster; 2019 Erstes Juristisches Staatsexamen; 2022 Promotion; Referendariat am Kammergericht Berlin. orcid.org/0009-0007-5858-3412

Zugleich Dissertation der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, 2023 D6 ISBN 978-3-16-162530-5 / eISBN 978-3-16-162614-2 DOI 10.1628/978-3-16-162614-2 ISSN 1861-5449 / eISSN 2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über https://dnb.de abrufbar. © 2023  Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und dort gebunden. Printed in Germany.

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2022 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Juli 2022 berücksichtigt. Ich danke meinem Doktorvater Prof. Dr. Gernot Sydow herzlich für die engagierte Betreuung des Promotionsvorhabens, die stets bereichernden Anregungen und ein für Fragen immer offenes Ohr. Herrn Prof. Dr. Petersen danke ich für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich ebenfalls Herrn Lambert, Präsident des Conseil national d’e´valuation des normes, für das Interesse an meiner Arbeit und den hilfreichen deutsch-französischen Austausch. Abschließend danke ich meiner Familie und meinen Freunden für die Begleitung und Unterstützung während meiner Promotionszeit. Berlin, Juli 2023

Anna Charlotte Kümpers

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Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . .

3

Gründe der Mitgliedstaaten für eine „No-Gold-Plating-Politik“ . . . . .

3

II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Die verschiedenen Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

I.

I.

Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

II. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich

99

IV. Gemeinsame Bestrebungen Frankreichs und Deutschlands für eine bessere und harmonisierte Umsetzung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . .

105

V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . .

107

C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ . . . . .

113

I.

Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Verträge der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . .

113

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VIII

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Inhaltsübersicht

II. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund einer kooperativen Gesetzgebung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

III. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Rechtsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . .

3

Gründe der Mitgliedstaaten für eine „No-Gold-Plating-Politik“ . . . . .

3

I.

II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition im politischen Umfeld in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition der Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise b) Definition der Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique . . . . . . . c) Der Rapport d’information fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatifs europe´ens en droit interne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Über die im europäischen Rechtsakt festgelegten Mindestanforderungen hinausgehende Umsetzungen . . . . . . (1) Festlegung einer anspruchsvolleren Anwendungsschwelle . . . . . . . . . . . . . . (2) Verstärkung von Verpflichtungen durch ergänzende nationale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eine ambitionierte Spezifizierung von in der Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachteilige bzw. ungünstige Behandlung der in der Richtlinie enthaltenen Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwendung einer durch die Richtlinie eröffneten nationalen Option in einem verbindlichen Sinne . . . . . . .

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8 8 8 11 12 12 13

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X

2. 3.

4.

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Inhaltsverzeichnis

(2) Nichtnutzung einer in der Richtlinie enthaltenen Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wahl eines weiten Anwendungsbereiches . . . . . . . . . . . . . cc) Einführung von Bestimmungen des nationalen Rechts im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Richtlinie . . . . . . . (1) Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Richtlinie (2) Einführung weiterer nationaler Bestimmungen . . . . . . . . (3) Beibehaltung nationaler Verpflichtungen trotz harmonisierter Umsetzungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung des Begriffes Gold-Plating im politischen Umfeld in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik an der Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition aus Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsverständnis des Conseil d’E´tat und in der französischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffsverständnis in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Würdigung der Verwendung des Begriffes Gold-Plating in einem umfassenden Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aktives und passives Gold-Plating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umsetzungsoptionen, Bandbreiten und Wahlvorschriften Eigenes Begriffsverständnis und Begriffsverwendung in der Arbeit

III. Die verschiedenen Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . a) Mindestharmonisierende Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollharmonisierende Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtlinien mit dem Erfordernis eines tatsächlichen Handelns der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln . . . . . b) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreeningund Berichterstattungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Art der Richtlinie auf das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung . . . . . . . . . . aa) Mindestharmonisierende Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vollharmonisierende Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln . . . . . c) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreenings . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

B. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. 1.

2.

3.

Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich und ihre Auswirkungen auf die Umsetzung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die loi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der de´cret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die circulaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die ordonnance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkung auf die Umsetzung von Richtlinien in Frankreich Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses . . . aa) Die fiche d’impact simplifie´e und fiche d’impact strate´gique bb) Stellungnahme des Conseil d’E´tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umsetzung der Richtlinie durch eine loi . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der comite´ de liaison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die task force . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umsetzung der Richtlinie durch ein re`glement . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des GoldPlatings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Conseil national d’e´valuation des normes . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitsweise des Conseil national d’e´valuation des normes (2) Kompetenzen und Aufgaben des Conseil national d’e´valuation des normes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kompetenz des Conseil national d’e´valuation des normes hinsichtlich der Überprüfung von Gold-Plating . . . . . . . . (4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Conseil national d’e´valuation des normes in der Praxis . . . . . . . . . . bb) Die circulaires du Premier ministre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Circulaire du 17 fe´vrier 2011 re´larive a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Circulaire du 17 juillet 2013 relative a` la mise en œuvre du gel de la re´glementation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

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XII

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Inhaltsverzeichnis

(3) Circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la surre´glementation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses . . . b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des GoldPlatings auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Nationale Normenkontrollrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitsweise des Nationalen Normenkontrollrates . . . . . (2) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates in Bezug auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Nationalen Normenkontrollrat in der Praxis . . . . . . . . . . bb) Begründung von Gesetzesvorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des GoldPlatings auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kooperation der Länder bei der Umsetzung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Äquivalent zum Nationalen Normenkontrollrat in den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 74 75 76 76 76 78 81 81 82 82 85 85

87 88 90 90 91 92 92 93 93 95

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XIII

cc) Begründung von Gesetzesentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 97

III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich 1. Gemeinsames politisches Ziel der Vermeidung von Gold-Plating . . . 2. Vorgaben im Rechtsetzungsprozess hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betrauung einer Institution mit der Überprüfung von Gold-Plating 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 99 100 102 103

IV. Gemeinsame Bestrebungen Frankreichs und Deutschlands für eine bessere und harmonisierte Umsetzung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . .

105

3.

Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . Europäische Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenvertreter im Bereich Verwaltungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 107 109

C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ . . . . .

113

V. 1. 2. 3. 4. 5.

I. 1.

2.

Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Verträge der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . Artikel 5 Abs. 4 EUV – kompetenzrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz und materielle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Angemessenheit/Proportionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . Primärrechtliche Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertrag über die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union . . . . . . . . aa) Primärrechtliche Öffnungsklauseln und Schutzverstärkungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeine Aussagen hinsichtlich eines hohen Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 111 112

113 113 113 115 115 115 117 117

118 119 119 119 119 120

121

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XIV

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Inhaltsverzeichnis

II. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund einer kooperativen Gesetzgebung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Rechtsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Rechtsklarheit in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Rechtsklarheit . . . . . . . . . . .

121 122 122 123

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128

Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

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Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. ADF AEUV AJDA al. ALJ AMF Ann. Art. Aufl. AJCT BB Bd. BGBl. BLANO BR-Drs. BT-Drs. BVerfGE BVerwGE BVT CAA CE CEFRES CDU CNEN Const. cons. Constitutions CR Critique internationale

andere Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Assemble´e des de´partements de France Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Actualite´ Juridique: Droit Administratif (Zeitschrift) aline´a Austrian Law Journal (Zeitschrift) Association des maires de France Annexe Artikel/Article Auflage Actualite´ Juridique: Collectivite´s Territoriales (Zeitschrift) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bundesgesetzblatt Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes beste verfügbare Techniken Cour administrative d’appel Conseil d’E´tat Centre franc¸ais de recherche en sciences sociales Christlich Demokratische Union Deutschlands Conseil national d’e´valuation des normes Conseil constitutionnel Constitutions. Revue de droit constitutionnel applique´ Computer und Recht (Zeitschrift) Critique internationale. Revue comparative de sciences sociales (Zeitschrift)

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XVI CSU D DDADUE ders. dies. DILA dms DNG DÖV Drs. DStR DVBl. EC EG EGV E.L. Rev. EU EuGH EuR EURL EUV EuZW EWG f. ff. FDP FS GewA GeoZG GG GGO GO GPR GRUR hal HGB HM Hrsg. HS. IFG IPrax i. V. m. JA JCP A JRP

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Abkürzungsverzeichnis

Christlich-Soziale Union in Bayern Recueil Dalloz (Zeitschrift) Diverses dispositions d’adaptation au droit de l’Union europe´enne derselbe dieselbe Direction de l’information le´gale et administrative der moderne staat (Zeitschrift) Datennutzungsgesetz Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) European Community Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Law Review (Zeitschrift) Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europarecht (Zeitschrift) Entreprise unipersonelle a` responsabilite´ limite´e Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Seite folgende Seiten Freie Demokratische Partei Festschrift Gewerbearchiv (Zeitschrift) Geodatenzugangsgesetz Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Geschäftsordnung Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Archive ouverte pluridisciplinaire HAL (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Her Majesty’s Herausgeber Halbsatz Informationsfreiheitsgesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) La Semaine juridique Administrations et Collectivite´s territoriales (Zeitschrift) Journal für Rechtspolitik (Zeitschrift)

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Abkürzungsverzeichnis JuS JZ Kap. KJ LAWA Leviathan lit. MEGA NKRG no NOR Nr. NVwZ NZA NZG NZS NZV OECD ÖGfE PACTE Pouvoirs RdA RDC RDP RevDH Rev. UE Rev. soc. RFAP RFDA RFDC RIW RJE RMCUE Rn. Rs. RTD civ. RTD com. RTD eur. RMCUE SARL SGAE SGCI SPD st. Rspr.

XVII

Juristische Schulung (Zeitschrift) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kapitel Kritische Justiz (Zeitschrift) Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser Leviathan (Zeitschrift) Buchstabe Master of European Governance and Administration Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates nume´ro syste`me normalise´ de nume´ration Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Österreichische Gesellschaft für Europapolitik Loi relative a` la croisannce et la transformation des entreprises Pouvoirs, Revue franc¸aise d’e´tudes constitutionnelles et politiques (Zeitschrift) Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recueil des Cours de l’Acade´mie de Droit International (Zeitschrift) Revue du droit public (Zeitschrift) La Revue des droits de l’hommes (Zeitschrift) Revue du droit de l’Union europe´enne (Zeitschrift) Revue des socie´te´s (Zeitschrift) Revue franc¸aise d’administration publique (Zeitschrift) Revue franc¸aise de droit administratif (Zeitschrift) Revue franc¸aise de droit constitutionnel (Zeitschrift) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revue Juridique de l’environnement (Zeitschrift) Revue du Marche´ commun et de l’Union europe´enne (Zeitschrift) Randnummer Rechtssache Revue trimestrielle de droit civil (Zeitschrift) Revue trimestrielle de droit commerciale et de droit e´conomique (Zeitschrift) Revue trimestrielle de droit europe´en (Zeitschrift) Revue du Marche´ commun et de l’Union europe´enne (Zeitschrift) Socie´te´ a` responsabilite´ limite´e Secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes Secre´tariat ge´ne´ral du comite´ interministe´riel pour les questions de coope´ration e´conomique europe´enne Sozialdemokratische Partei Deutschlands stetige Rechtsprechung

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XVIII Sypred TLQ u. a. UAbs. UIG UmwRG UPR Urt. v. vgl. VIG VuR VwGO VwVfG WiVerw ZAR z. B. ZEuP ZEuS ZfRV ZG ZHR Ziff. ZJS ZLR ZPB ZRP z. T. ZUR ZVertriebsR

Abkürzungsverzeichnis Syndicat des professionels du recyclage, de la valorisation, de la re´ge´neration et du traitement des de´chets dangereux The Lawyer Quarterly (Zeitschrift) unter anderem Unterabsatz Umweltinformationsgesetz Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Umwelt und Planungsrecht (Zeitschrift) Urteil vom vergleiche Verbraucherinformationsgesetz Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Europarechtliche Studien (Zeitschrift) Zeitschrift für Europarecht, Int. Privatrecht und Rechtsvergleichung (Zeitschrift) Zeitschrift für Gesetzgebung (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Ziffer Zeitschrift für das Juristische Studium (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Politikberatung (Zeitschrift) Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Vertriebsrecht (Zeitschrift)

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Einleitung Europäische Richtlinien i. S. d. Artikels 288 Abs. 3 AEUV bedürfen der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht und belassen den Mitgliedstaaten dabei die Wahl der Form und Mittel sowie zum Teil auch inhaltliche Umsetzungsspielräume.1 Dies soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, auf die Besonderheiten des eigenen nationalen Rechts einzugehen und die Regelungen der europäischen Richtlinie systematisch stringent in ihr nationales Recht eingliedern zu können. In der Vergangenheit neigten viele Mitgliedstaaten dazu, die Vorgaben der europäischen Richtlinien inhaltlich strenger in ihr nationales Recht umzusetzen, den Anwendungsbereich der Regelungen auszuweiten oder in der Richtlinie enthaltene Bandbreitenregelungen, Optionsregelungen und Wahlvorschriften – hinsichtlich einer besonders ambitionierten Umsetzung – voll auszunutzen, sodass das nationale Recht über das von europäischer Ebene geforderte Maß hinausging. Diese Umsetzungspraxis, bei der die Mitgliedstaaten die europäischen Richtlinien auf eine sehr ambitionierte Weise umsetzen, wird oft, insbesondere im politischen Umfeld, mit dem negativ konnotierten Begriff Gold-Plating beschrieben. Setzten die Mitgliedstaaten europäische Richtlinien in der Vergangenheit oft noch sehr ambitioniert und über das minimal erforderliche Maß hinaus um, hat sich mittlerweile ein Trend in die Richtung einer sogenannten „No-Gold-PlatingPolitik“ entwickelt.2 Diese Politik beschreibt das Bestreben der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung europäischer Richtlinien jegliche Umsetzung in ihr nationales Recht, die über die zwingenden minimalen Anforderungen einer Richtlinie hinausgeht, zu vermeiden. Zu den Mitgliedstaaten, die sich einer „No-Gold-PlatingPolitik“ verschrieben haben, gehören unter anderem auch Deutschland und Frankreich. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen beschäftigt sich diese Arbeit mit der als Gold-Plating beschriebenen Umsetzungspraxis und dem Umgang mit der Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Frankreich.

1 Zum Charakter des Rechtsinstrumentes Richtlinie: Xefteri, La directive europe´enne, instrument juridique des autorite´s administratives nationales, S. 42 ff. 2 Sommermann, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/ders. (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 321, 325; Xefteri, La directive europe´enne, instrument juridique des autorite´s administratives nationales, S. 563.

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Einleitung

In Teil A werden dazu zunächst die Gründe der Mitgliedstaaten für die Vermeidung von Gold-Plating, das heißt für das Betreiben einer „No-Gold-PlatingPolitik“ – in Deutschland auch als Eins-zu-eins-Umsetzung3 bezeichnet – herausgearbeitet. Anschließend werden die Umsetzungsarten, die in Deutschland und Frankreich mit dem Begriff Gold-Plating beschrieben werden, dargestellt und unter der Einbeziehung von Aussagen in der Literatur wird das Phänomen des Gold-Platings kritisch hinterfragt. Anschließend wird darauf eingegangen, zwischen welchen Richtlinienarten zu unterscheiden ist und wie sich die verschiedenen Arten der Richtlinie auf das Gold-Plating auswirken. In Teil B wird die Umsetzung europäischer Richtlinien in Deutschland und Frankreich dargestellt. Hierbei werden vor allem die Maßnahmen, die die beiden Mitgliedstaaten zur Verhinderung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings eingeführt haben, beleuchtet und anschließend verglichen. Außerdem werden die Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings beleuchtet. In Teil C wird abschließend die politische Entscheidung Deutschlands und Frankreichs sowie weiterer europäischer Mitgliedstaaten zu einer „No-GoldPlating-Politik“ unter anderem vor dem Hintergrund des Unionsrechts und mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsklarheit kritisch beleuchtet.

3 Eine Eins-zu-eins-Umsetzung von Richtlinien liegt dann vor, wenn die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nicht über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht, sondern vielmehr die Richtlinienanforderungen eins zu eins in nationales Recht übernommen werden.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings I. Gründe der Mitgliedstaaten für eine „No-Gold-Plating-Politik“ In der Diskussion um die Vermeidung von Gold-Plating bei der Umsetzung von europäischem Recht, insbesondere von Richtlinien, werden in den Mitgliedstaaten verschiedene Gründe angebracht, weshalb die Umsetzungspraxis des GoldPlatings verhindert werden sollte.1 Einer der am häufigsten angesprochenen Gründe für eine „No-Gold-Plating-Politik“ ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen.2 So erklärte Angela Merkel in ihrer Regierungsansprache im Jahr 2005 das angestrebte Ziel einer konsequenten Eins-zu-eins-Umsetzung europäischer Richtlinien damit, dass Deutschland ohne die Eins-zu-eins-Umsetzung europäischen Rechts keine fairen Chancen gegenüber den europäischen Mitbewerbern habe.3 Auch in den Koalitionsverträgen der letzten Legislaturperioden wird vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit von inländischen Unternehmen klargestellt, dass die Regierung europäisches Recht eins zu eins umsetzen will.4 Auch in Frankreich wird in Bezug auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen durch zu hohe inländische Anforderungen an die Unternehmen als Argument für die Vermeidung einer solchen Umsetzungspraxis angeführt.5 Neben dem Argument der Wettbewerbs1

Siehe dazu auch: Kra´l, TLQ 2015, 300–307. Dieser Argumentation stehen einige Stimmen in der Literatur und Praxis kritisch gegenüber: Krohn, ZUR 2018, 385, 386; Landros-Fournale`s, D 2019, 2360, 2361; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 207; Schroeder, JRP 2018, 227, 229; Sypred, Observations du Sypred relatives aux ,sur-transpositions‘ franc¸aises dans la re´glementation relative aux de´chets, S. 5. 3 Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor dem Deutschen Bundestag am 30. November 2005 in Berlin, Bulletin Nr. 93-1. 4 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Deutschlands Zukunft gestalten, 18. Legislaturperiode, S. 12; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Gemeinsam für Deutschland, 16. Legislaturperiode, Zeilen 3605 f. 5 Clavagnier, Juris associations 2018, 3, 3; Januel, Dalloz actualite´, 22 de´cembre 2017; Expose´ des motifs du projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L; Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 15 ff. 2

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

fähigkeit inländischer Unternehmen reiht sich ein weiteres sowohl von der deutschen als auch von der französischen Regierung oft genanntes Argument ein: die Senkung von Verwaltungslasten, Kosten und der Abbau von Bürokratie.6 Ferner wird angeführt, dass durch eine konsequente Eins-zu-eins-Umsetzung von europäischem Recht sowohl die Rechtssicherheit verbessert als auch die Normenvielfalt im Vergleich zu der Umsetzungspraxis des Gold-Platings verringert wird.7 Letztlich wird darauf verwiesen, dass eine konsequente „No-Gold-Plating-Politik“ zu einer Vereinfachung des Rechtsetzungsverfahrens führe, was wiederum die Gefahr von Vertragsverletzungsverfahren verhindere.8 Mit Blick auf diese Argumente und politischen Ziele lassen sich die Bestrebungen hin zu einer konsequenten „No-Gold-Plating-Politik“ bei der Umsetzung europäischer Richtlinien somit in eine allgemeine Politik der besseren Rechtsetzung, der Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung einordnen, die sowohl von Deutschland9 als auch von Frankreich10 schon lange angestrebt wird.

6 BT-Drs. 19/22840, S. 1; Arnold, IPrax 2011, 313, 315; Hitzer/Hauser, NZG 2016, 1365, 1369; Kra´l, E.L. Rev. 2016, 220, 238; Kra´l, TLQ 2015, 300, 306; Expose´ des motifs du projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L; kritisch dazu: Clavagnier, Juris associations 2018, 3, 3; Lafarge/Neframi/Mangeot, RFAP 2013, 697, 730; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 210 f.; Schroeder, JRP 2018, 227, 229; Treib, Critique internationale 2006, 27, 34. 7 BT-Drs. 19/22840, S. 1; circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact, NOR: PRMX1721468C; Kahia, Atelier clinique juridique, Februar 2019, 1, 1; Expose´ des motifs du projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L; Hitzer/Hauser, NZG 2016, 1360, 1366. 8 Kra´l, E.L. Rev 2016, 220, 232; Schwarze, Europarecht, S. 361 f.; z. T. kritisch: Payrhuber/ Stelkens, EuR 2019, 190, 212 ff. 9 Arbeitsprogramm Bessere Rechtsetzung 2014, S. 7; Arbeitsprogramm Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau 2018, S. 2; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und der SPD, Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land, 19. Legislaturperiode, Zeilen 393–398, 2535 ff. 10 Circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact, NOR: PRMX1721468C; Makowiak, RJE 2018, 667, 667 ff.; E´tude d’impact du projet de loi portant suppression des sur-transpositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939/Bleue-1; Lecourt, Rev. soc. 2019, 139, 140, 146; SaulnierCassia, L’impact du „Mieux le´gife´rer“ sur l’inte´gration du droit de l’Union e´urope´enne dans les E´tats Membres, in: Rubio (Hrsg.), La fabrication du droit de l’Union europe´enne dans le contexte du „Mieux le´gife´rer“, S. 129, 138 ff.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten Der Begriff Gold-Plating wird im politischen Umfeld sowohl in Frankreich als auch in Deutschland sehr negativ behaftet verwendet und steht in diesem Zusammenhang für eine Vielzahl verschiedener Umsetzungsarten und Umsetzungsmöglichkeiten, die die europäischen Richtlinien für die Umsetzung in das nationale Recht eröffnen. Dieses verallgemeinernde Zusammenfassen verschiedener Umsetzungsarten unter einem Begriff wird von der Literatur und zum Teil von der Rechtsprechung kritisiert und als nicht sachgerecht beurteilt.

1. Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition im politischen Umfeld in Frankreich In Frankreich ist die Umsetzungspraxis des Gold-Platings ein aktuell politisch und rechtlich diskutiertes Thema. Es wird nicht nur die zukünftige Vermeidung dieser Umsetzungspraxis angestrebt, sondern auch die Streichung beziehungsweise Änderung von Normen, die ein Gold-Plating einer bereits in das nationale Recht umgesetzten Richtlinie darstellen. Von dem Begriff Gold-Plating wird in Frankreich zur Beschreibung einer Umsetzungspraxis, die über das minimal erforderliche Maß bei der Umsetzung einer europäischen Richtlinie hinausgeht, in der Regel weniger Gebrauch gemacht. Vielmehr wird inFrankreich (fast) ausschließlich der französische Begriff surtransposition verwendet, um dasselbe Phänomen zu beschreiben. a) Definition der Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise Die Kommission zur Aufwertung der französischen Sprache (Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise) hat sich mit dem Begriff surtransposition11 beschäftigt und eine Definition des Begriffes veröffentlicht. Die Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise12 ist eine Kommission, die sich aus fünf-

11 Französisches Synonym für den Begriff „Gold-Plating“. Teilweise auch mit der folgenden Schreibweise: „sur-transposition“. 12 Bis 2015: Commission ge´ne´rale de terminologie et de ne´ologie, siehe: de´cret no 2015-341 du 25 mars 2015 modifiant le de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a` l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB1430182D.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

zehn Mitgliedern13 zusammensetzt und dem Premierminister unterstellt ist.14 Sie arbeitet mit Terminologie- und Neologiegremien in französischsprachigen Ländern, internationalen Organisationen und Normungsgremien zusammen.15 Ihr kommt die Aufgabe zu, die Bereicherung der französischen Sprache zu fördern, ihre Verwendung, insbesondere im Wirtschaftsleben, in der wissenschaftlichen Arbeit sowie in technischen und rechtlichen Aktivitäten, weiterzuentwickeln und an der Verbreitung der Sprache zu arbeiten. Um diese Ziele zu erreichen, kann die Kommission neue Begriffe und Ausdrücke vorschlagen und definieren.16 Diese Begriffe werden nach Einholung einer Stellungnahme der Acade´mie franc¸aise17 und des betreffenden Ministers im Amtsblatt (Journal officiel de la Re´publique franc¸aise) veröffentlicht und müssen in Dekreten (de´crets), Anordnungen (arreˆte´s), Rundschreiben (circulaires), Anweisungen (instructions) und Richtlinien von Ministern (directives des ministres) und in anderen Korrespondenzen und Dokumenten jeglicher Art, die von öffentlichen Diensten und Einrichtungen des Staates stammen, anstelle gleichwertiger Begriffe und Ausdrücke, etwa anderer Sprachen, verwendet werden.18 Den Begriff surtransposition definiert die Kommission wie folgt: „Transposition d’une directive qui en e´tend les dispositions au-dela` de ce qui est expresse´ment pre´vu.“19

Die Kommission zeigt fernerauf, dass der Begriff surtransposition mit dem Begriff Gold-Plating gleichzusetzen ist.20 13

Darunter der Generaldelegierte für die französische Sprache und die Sprachen Frankreichs, der ständige Sekretär der Acade´mie franc¸aise oder ein von ihm benanntes Mitglied, einer der ständigen Sekretäre der Acade´mie des sciences oder ein von ihm benanntes Mitglied der Acade´mie des sciences, ein vom Generalsekretär benannter Vertreter der Organisation internationale de la francophonie sowie weitere Mitglieder, die zum Beispiel vom für Kultur zuständigen Minister auf Vorschlag der für Justiz, Außenpolitik, Kultur, Kommunikation, nationale Bildung, Wirtschaft und Industrie, Hochschulbildung, Forschung und Frankophonie zuständigen Minister ernannt wurden; Art. 2 du de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a´ l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB9600333D. 14 Art. 2 du de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a´ l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB9600333D. 15 Art. 1 du de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a´ l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB9600333D. 16 Art. 1 du de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a´ l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB9600333D. 17 Die Acade´mie franc¸aise ist eine französische Gelehrtengesellschaft, die ihren Sitz in Paris hat. Ihre Hauptaufgabe ist es, die französische Sprache zu vereinheitlichen und zu pflegen, https://www.academie-francaise.fr/linstitution/les-missions, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 18 Art. 11 du de´cret no 96-602 du 3 juillet 1996 relatif a´ l’enrichissement de la langue franc¸aise, NOR: MCCB9600333D. 19 Vocabulaire du droit (liste de termes, expressions et de´finitions adopte´s), NOR: CTNX1328341K; in das Deutsche übersetzt: Umsetzung einer Richtlinie, die deren Bestimmungen über das hinaus erweitert, was ausdrücklich vorgesehen ist. 20 Vocabulaire du droit (liste de termes, expressions et de´finitions adopte´s), NOR: CTNX1328341K.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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b) Definition der Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique Die Kommission für Verfassungsgesetze, Gesetzgebung und allgemeine Staatsverwaltung (Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique) hat sich ebenfalls mit dem Begriff surtransposition und seiner Bedeutung für die Umschreibung bestimmter Umsetzungsmöglichkeiten befasst. Die Kommission verweist zunächst auf die von der Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise verwendete Definition, äußert sich jedoch dahingehend kritisch, dass diese Definition schnell zu Missverständnissen führen könne, welche Umsetzungsarten mit dem Begriff surtransposition beschrieben werden sollen. Die Definition könne dazu führen, dass bestimmte Umsetzungsvarianten bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien, die nach dem politischen Verständnis zu vermeiden seien, nicht von dem Begriff umfasst würden. Damit ein zu enges Verständnis dahingehend, dass der Begriff surtransposition lediglich die Ausweitung des Anwendungsbereiches umfasse, verhindert werde,21 schlägt die Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique deshalb die folgende Definition vor: „La surtransposition est l’adoption ou le maintien de mesures le´gislatives ou re´glementaires allant au-dela` des exigences minimales d’une directive.“22

Die Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique ist einer von acht ständigen Ausschüssen der Assemble´e nationale. Die ständige Kommission hat die Kompetenz für Verfassungsgesetze, organische Gesetze, Verordnungen, das Wahlrecht, grundlegende Rechte, öffentliche Freiheiten, Sicherheit, zivile Sicherheit, Verwaltungsrecht, öffentlichen Dienst, Gerichtsorganisation im Zivil-, Handels- und Strafrecht, allgemeine und territoriale Verwaltung des Staates sowie lokale Behörden.23 Im Rahmen dieser Kompetenzen hat sich die Kommission auch mit der Analyse und der Gesetzgebung zum Thema surtransposition beschäftigt.

21 Vgl. Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 14. 22 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot Warsmann, S. 14, ins Deutsche übersetzt: Unter Übererfüllung versteht man die Verabschiedung oder Beibehaltung von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, die über die Mindestanforderungen einer Richtlinie hinausgehen. 23 Art. 36 no 8 du re`glement de l’Assemble´e nationale.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

c) Der Rapport d’information fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatifs europe´ens en droit interne In Frankreich wurde im Rahmen der Diskussion um das Thema Gold-Plating durch den Se´nat eine Analyse des französischen Rechts zu bereits umgesetzten europäischen Richtlinien und daraus resultierenden Normen, die ein Gold-Plating der Anforderungen des europäischen Rechts darstellen, vorgenommen.24 Als Grundlage dieser Analyse wird unter anderem dargestellt, welche Umsetzungsformen als Gold-Plating europäischen Rechts verstanden werden. Aus dem Dokument geht hervor, dass in Frankreich viele verschiedene Umsetzungsformen als eine Art des Gold-Platings verstanden werden und somit vermieden beziehungsweise aus dem französischen Recht gestrichen werden sollten. Das Dokument fasst die folgenden Umsetzungsformen unter dem Begriff Gold-Plating zusammen: (1) eine Umsetzung, die über die im europäischen Rechtsakt festgelegten Mindestanforderungen hinausgeht, (2) eine Umsetzung, welche die in den europäischen Richtlinien enthaltenen Optionen ambitioniert umsetzt und (3) die Einführung weiterer nationaler Normen, die nicht der Umsetzung der europäischen Richtlinie dienen, aber mit ihr inhaltlich in einem Zusammenhang stehen. aa) Über die im europäischen Rechtsakt festgelegten Mindestanforderungen hinausgehende Umsetzungen Bei einigen Umsetzungsrechtsakten stehen die nationalen Rechtsnormen, die die Richtlinie umsetzen, zwar im Einklang mit dem europäischen Recht, sodass sie europarechtskonform sind und der Mitgliedstaat kein Vertragsverletzungsverfahren befürchten muss, sie sind aber verbindlicher oder strenger ausgestaltet als vom europäischen Text verlangt. Die Möglichkeit einer verbindlicheren oder strengeren Ausgestaltung ist den Mitgliedstaaten dann möglich, wenn der Richtlinientext nur eine Mindestharmonisierung vorgibt oder den Mitgliedstaaten durch verschiedene Instrumente Umsetzungsspielräume belässt. Die folgenden Umsetzungsmöglichkeiten werden deshalb im politischen Umfeld Frankreichs als Gold-Plating verstanden: (1) Festlegung einer anspruchsvolleren Anwendungsschwelle Das oben erwähnte Dokument erkennt es als eine Form des Gold-Platings an, wenn im nationalen Recht anspruchsvollere Anwendungsschwellen festgelegt werden als dies durch den europäischen Rechtssatz gefordert ist. Eine solche Umsetzungspraxis liegt dann vor, wenn ein Mitgliedstaat beim Erlass nationaler Regelungen einen ambitionierteren Schwellenwert festlegt als von der Richtlinie 24 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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gefordert wird. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass mit der Überschreitung des Schwellenwertes einhergehende Verbote oder Verpflichtungen nach nationalem Recht früher anwendbar sind als dies vom Richtlinientext gefordert ist.25 Um diese Umsetzungspraxis praktisch zu verdeutlichen, kann die Richtlinie 2013/34/EU26 angeführt werden. Nach Artikel 34 Abs. 1 der Richtlinie 2013/34/EU müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Jahresabschlüsse von Unternehmen von einem oder mehreren Abschlussprüfern beziehungsweise Prüfungsgesellschaften geprüft werden. Die Pflicht zur Durchführung einer Abschlussprüfung erstreckt sich unter anderem auf mittlere und große Unternehmen. Was unter mittleren und großen Unternehmen zu verstehen ist, ist für Artikel 34 Abs. 1 der Richtlinie aber nicht verbindlich festgelegt. Allerdings legt Artikel 3 der Richtlinie für Artikel 36 der Richtlinie verbindlich fest, ab welchen Schwellenwerten es sich um Kleinstunternehmen, kleine Unternehmen, mittlere Unternehmen und große Unternehmen handelt. Für Artikel 34 Abs. 1 der Richtlinie existieren solche verbindlichen Schwellenwerte jedoch nicht, sodass die Mitgliedstaaten nicht an die Werte aus Artikel 3 der Richtlinie gebunden sind und von diesen Werten abweichen können. Diese Möglichkeit hatte Frankreich bis zur Umsetzung der sogenannten loi PACTE27 im Jahr 2019 wahrgenommen. Bis zur Änderung durch die loi PACTE galt die Pflicht zur Bestellung eines Wirtschaftsprüfers für die Rechtsform der Socie´te´ a` responsabilite´ limite´e (SARL)28 sowie für die Rechtsform der Entreprise unipersonnelle a` responsabilite´ limite´e (EURL)29 bereits dann, wenn zwei der folgenden drei Schwellenwerte überschritten wurden: 1,550 Millionen Euro Bilanz, 3,1 Millionen Euro Umsatz ohne Steuern und 50 Mitarbeiter.30 In Frankreich bestand somit bereits ab einem niedrigen Schwellenwert die Pflicht zur Bestellung

25 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 23. 26 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG, ABl. L 182/19. 27 Loi no 2019-486 du 22 mai 2019 relative a` la croissance et la transformation des entreprises, NOR: ECOT1810669L. 28 Die Rechtsform SARL entspricht der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Deutschland. 29 Die Rechtsform EURL hat im Vergleich zur Rechtsform SARL nur einen Gesellschafter ist aber ansonsten mit der SARL und somit auch mit der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichbar. 30 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 23.

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eines Abschlussprüfers.31 Mit der loi PACTE32 wurde der Schwellenwert an die von der Richtlinie in Artikel 3 benannten, für Artikel 36 der Richtlinie nicht verbindlichen Richtwerte angepasst.33 Anders als Frankreich hat sich Deutschland bei der Umsetzung der Richtlinie dazu entschieden, einen Schwellenwert festzulegen, der über den Werten aus Artikel 3 der Richtlinie liegt, sodass Unternehmen länger als kleine Unternehmen beurteilt werden und somit die Pflicht zur Bestellung eines Abschlussprüfers entfällt. In Deutschland gilt somit auch nach der in Frankreich in Kraft getretenen loi PACTE ein Schwellenwert, der als unternehmensfreundlicher eingeordnet wird.34 Auch am Beispiel der Richtlinie 2010/75/EU35 kann die Praxis der Festlegung anspruchsvollerer Schwellenwerte bei der Umsetzung europäischer Richtlinien aufgezeigt werden. In der Richtlinie ist ein Genehmigungserfordernis für die Oberflächenbehandlung von Metallen oder Kunststoffen durch ein elektrolytisches oder chemisches Verfahren ab einem Wirkbädervolumen von 30 m3 vorgesehen.36 Der Code de l’environnement sah in Frankreich bereits ab einem wesentlich geringeren Wirkbädervolumen, namentlich ab einem Volumen von 1,5 m3, ein Genehmigungserfordernis vor.37 Das französische Recht forderte somit durch die Beibehaltung des Schwellenwertes von 1,5 m3 einen anspruchsvolleren Schwellenwert in Bezug auf das Genehmigungserfordernis. Inzwischen wurde der Code de l’environnement angepasst und der Schwellenwert auf 30 m3 angehoben,38 sodass die Richtlinie nun eins zu eins umgesetzt wird. 31 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 23. 32 Loi no 2019-486 du 22 mai 2019 relative a` la croissance et la transformation des entreprises, NOR: ECOT1810669L. 33 Art. 1 de la loi no 2019-486 du 22 mai 2019 relative a` la croissance et la transformation des entreprises, NOR: ECOT1810669L, der Art. D. 221-5 du Code de commerce einführt und die folgenden Schwellenwerte bestimmt: 4 Millionen Euro Bilanzsumme, 8 Millionen Euro Umsatzerlöse ohne Steuern, 50 Arbeitnehmer. 34 So regelt § 267 Abs. 1 HGB, bis wann es sich um kleine Kapitalgesellschaften handelt: Das ist der Fall, wenn zwei der drei genannten Schwellenwerte nicht überschritten werden: 6 Millionen Euro Bilanzsumme, 12 Millionen Euro Umsatzerlöse ohne Steuern und 50 Arbeitnehmer. Für kleine Kapitalgesellschaften entfällt die Pflicht zur Durchführung einer Abschlussprüfung nach § 316 Abs. 1 HGB. 35 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334/17. 36 Anhang I lit. b Nr. 2.6 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334/17. 37 Annexe a` l’Art. R. 122-2 du Code de l’environnement, version en vigueur du 01 janvier 2019 au 12 avril 2019, Zeile 2565 Nr. 2 lit. a. 38 Annexe 2 a` l’Art. R. 511-9 du Code de l’environnement, Zeilen 2565 und 3260; de´cret no 2019-292 du 9 avril 2019 modifiant la nomenclature des installations classe´es pour la protection de l’environnement, NOR: TREP1835510D.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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(2) Verstärkung von Verpflichtungen durch ergänzende nationale Anforderungen Sofern im Rahmen der Umsetzung europäischer Richtlinien zusätzlich zu den umzusetzenden Anforderungen der Richtlinie weitere ergänzende nationale Anforderungen erlassen werden, sodass Inhalt und Umfang der europäischen Verpflichtung dadurch erweitert werden, ordnet die Analyse des Se´nat diese Umsetzungspraxis ebenfalls als eine Unterform der Umsetzungspraxis des Gold-Platings ein.39 Als ein Beispiel für diese Umsetzungspraxis wird unter anderem die Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge40 in französisches Recht aufgeführt. Die Richtlinie legt fest, welche Informationen in der Werbung für Verbraucherkredite enthalten sein müssen.41 Der Code de la consommation legt hingegen für die Werbung von Verbraucherkrediten darüber hinausgehende Informationen fest, die in Werbung enthalten sein müssen.42 Als weiteres Beispiel lässt sich die Umsetzung des Artikels 67 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe43 nennen. Artikel 67 der Richtlinie sieht vor, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Bestimmung des wirtschaftlich besten Angebots auch die Bewertung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses einfließen lassen kann. Die Richtlinie legt außerdem fest, nach welchen Kriterien das Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet werden kann. Dazu können unter anderem Kriterien wie die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des für die Ausführung des Auftrages eingesetzten Personals gehören. Zusätzlich zu diesen Kriterien erlaubt Artikel 57 des de´cret n° 2016-36044, der die Regelung in das französische Recht umsetzt, dem öffentlichen Auftraggeber, die Namen und beruflichen Qualifikationen der Personen zu erfragen, die der Auftragnehmer mit der Ausführung des Auftrages zu betrauen beabsichtigt. Es werden somit einerseits dem öffentlichen Auftraggeber mehr Rechte eingeräumt als in der Richtlinie vorgesehen und andererseits dem Auftragnehmer zusätzliche Pflichten zur Preisgabe von Informationen auferlegt.

39 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 24. 40 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG, ABl. L133/66. 41 Art. 4 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG, ABl. L 133/66. 42 Art. L. 312-5 a` L. 312-11 du Code de la consommation. 43 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. L 94/65. 44 De´cret no 2016-360 du 25 mars 2016 relatif aux marche´s publics, NOR: EINM1600 207D.

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(3) Eine ambitionierte Spezifizierung von in der Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen In einigen europäischen Richtlinien sind Regelungen enthalten, die es den Mitgliedstaaten erlauben, die in der Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen zu spezifizieren oder in einer breiteren Weise für anwendbar zu erklären. Eine Form des Gold-Platings liegt nach dem vom Se´nat erstellten Dokument somit vor, sofern ein Mitgliedstaat bei der Spezifikation einer Regelung eine Leseart oder einen Ansatz wählt, der im Gegensatz zu anderen Spezifikationsmöglichkeiten verbindlicher ist als andere von der Richtlinie erlaubte Möglichkeiten.45 Artikel 78 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU46 legt beispielsweise fest, dass im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe der Auftraggeber objektive Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Bietern oder Bewerbern festlegen kann. Diese Vorschriften und Kriterien müssen den interessierten Wirtschaftsteilnehmern bekannt sein. Einschränkungen, welche Nachweise und Dokumente für die Beurteilung der beruflichen und fachlichen Eignung verlangt werden können, enthält die Richtlinie hingegen nicht. Artikel 3 des arreˆte´ du 29 mars 201647 setzt die Richtlinie 2014/25/EU um und enthält eine Liste, die abschließend bestimmt, welche Dokumente und Nachweise der Auftraggeber zur Beurteilung der Fähigkeiten verlangen kann. Durch die abschließende Formulierung der Liste ist es dem Auftraggeber nicht möglich, andere Nachweise oder Dokumente für die Beurteilung der beruflichen und fachlichen Eignung zu verlangen. Der französische Gesetzgeber hat sich somit bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/25/EU dazu entschieden, die zum Nachweis der Erfüllung der Vorschriften und Kriterien geeigneten Nachweise und Dokumente zu beschränken und somit eine verbindlichere Umsetzung gewählt als dies in dem europäischen Rechtssatz gefordert war.48 bb) Nachteilige bzw. ungünstige Behandlung der in der Richtlinie enthaltenen Optionen Sofern europäische Richtlinien als vollharmonisierende Richtlinien ausgestaltet sind, kommen den Mitgliedstaaten in der Regel kaum Möglichkeiten zu, vom 45 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 26. 46 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/ EG, ABl. L 94/243. 47 Arreˆte´ du 29 mars 2016 fixant la liste des renseignements et des documents pouvant eˆtre demande´s aux candidats aux marche´s publics, NOR: EINM1600215A. 48 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 26.

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europäischen Rechtssatz abzuweichen.49 Aber auch vollharmonisierende Richtlinien können verschiedene Regelungen enthalten, die den Mitgliedstaaten trotz des vollharmonisierenden Charakters der Richtlinie gewisse Umsetzungsspielräume, oft in Form von optionalen Regelungen, eröffnen.50 Je nachdem auf welche Art und Weise die Mitgliedstaaten diese optionalen Regelungen in das nationale Recht umsetzen, ordnet die vom Se´nat vorgenommene Analyse zur Umsetzungspraxis des Gold-Platings die Umsetzung als eine Form des Gold-Platings ein. (1) Verwendung einer durch die Richtlinie eröffneten nationalen Option in einem verbindlichen Sinne Eine Form dieser Umsetzungspraxis liegt nach dem Verständnis des Se´nat vor, wenn der nationale Gesetzgeber Optionen, die die europäische Richtlinie für die Umsetzung eröffnet, nicht als optionale Umsetzungsmöglichkeiten erkennt, sondern die optionale Regelung in einem verbindlichen Sinne missversteht und diese Regelung deshalb in das nationale Recht umsetzt.51 So enthält zum Beispiel Artikel 13 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2303/EU über Pauschalreisen52 die Option, dass die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen festlegen können, dass auch der Reisevermittler für die Erbringung der vertraglichen Pauschalreiseleistung haftet. In Frankreich wurde die Haftung des Reisevermittlers durch die ordonnance no 2017-171753 beibehalten.54 Frankreich hat somit eine in der Richtlinie enthaltene optionale Haftungsregelung übernommen, obwohl dies von der Richtlinie nicht verpflichtend vorgegeben war.

49 Genauer zu der Möglichkeit, von vollharmonisierenden Richtlinien abzuweichen, siehe unter Punkt A. III. 3. a) bb). 50 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 27. 51 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 27. 52 Richtlinie 2015/2303/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung 2006/2004/EG und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG, ABl. L 326/1. 53 Ordonnance no 2017-1717 du 20 de´cembre 2017 portant transposition de la directive (UE) 2015/2302 du Parlement europe´en et du Conseil du 25 novembre 2015 relative aux voyages a` forfait et aux prestations de voyage lie´es, NOR: ECOI1727619R. 54 Art. L. 211-1, Art. L. 211-16 a` L. 211-17-1 du Code du tourisme.

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(2) Nichtnutzung einer in der Richtlinie enthaltenen Option Als weitere Form des Gold-Platings wird vom Se´nat das Nichtausnutzen von Optionen, die der Richtlinientext zugunsten weniger strengerer Regelungen eröffnet, genannt. Die Richtlinie 2000/60/EG55, die sogenannte Wasserrahmenrichtlinie, verpflichtet die Mitgliedstaaten, Zeitpläne für die Erreichung des Ziels eines guten ökologischen Zustands der Wasserkörper aufzustellen. Artikel 4 Abs. 4 der Wasserrahmenrichtlinie sieht vor, dass die nach Absatz 1 vorgesehenen Zeitspannen zum Zweck der stufenweisen Umsetzung der Ziele unter bestimmten Bedingungen verlängert werden können. Nach Artikel 4 Abs. 4 lit. c der Wasserrahmenrichtlinie dürfen die Verlängerungen nicht über den Zeitraum von zwei weiteren Aktualisierungen des Bewirtschaftungsplans für das Einzugsgebiet hinausgehen, es sei denn, die Ziele lassen sich aufgrund der natürlichen Gegebenheiten nicht innerhalb dieses Zeitraums erreichen. Die Richtlinie begrenzt somit die Verschiebung der Fristen auf grundsätzlich zwei Aktualisierungen, nennt im letzten Halbsatz aber die Möglichkeit, dass ausnahmsweise – aufgrund natürlicher Gegebenheiten – weitere Aktualisierungen möglich sein können. Bis zum 27. Juli 2019 war diese weitere Ausnahme in Artikel L. 212-1 des Code de l’environnement nicht enthalten,56 dieser wurde aber durch die loi no 2019-77457 mittlerweile um diese Ausnahmeregelung ergänzt. (3) Wahl eines weiten Anwendungsbereiches Die europäischen Richtlinientexte überlassen es teilweise den Mitgliedstaaten, auf der Grundlage von Auswahlkriterien selbst zu bestimmen, für welchen Adressatenkreis oder welche Produkte die Richtlinienbestimmungen gelten sollen. Sofern durch den Mitgliedstaat dieser Freiraum dazu genutzt wird, einen möglichst weiten Anwendungsbereich der Bestimmungen festzulegen, wird dies in dem Dokument des Se´nat als eine Form des Gold-Platings eingeordnet. Beispielhaft kann die Umsetzung der Richtlinie 2011/62/EU58 genannt werden, die bestimmt, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel die in Artikel 54 lit. o der Richtlinie aufgeführten Sicherheitsmerkmale tragen müssen. Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt die Richtlinie es den Mitglied-

55 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327. 56 Art. L. 212-1 du Code de l’environnement, version en vigueur du 10 aouˆt 2016 au 27 juillet 2019. 57 Art. 61 de la loi no 2019-774 du 24 juillet 2019 relative a` l’organisation et a` la transformation du syste`me de la sante´, NOR: SSAX1900401L. 58 Richtlinie 2011/62/EU zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette, ABl. L 174/74.

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staaten frei, auch diese Arzneimittel – durch die Aufnahme in eine dafür vorgesehene Liste – dieser Pflicht zu unterstellen, sofern in Bezug auf das Arzneimittel ein Fälschungsrisiko festgestellt wurde. Der französische Gesetzgeber hat durch den de´cret no 2012-156259 diese Möglichkeit wahrgenommen und neben den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch alle weiteren erstattungsfähigen Arzneimittel der Kennzeichnungspflicht unterzogen. Der französische Gesetzgeber hat somit den in der Richtlinie optionalen weiteren Anwendungsbereich in nationales Recht umgesetzt. cc) Einführung von Bestimmungen des nationalen Rechts im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Richtlinie Dem Dokument des Se´nat nach beruhen einige Fälle des Gold-Platings darauf, dass Bestimmungen des nationalen Rechts den Anwendungsbereich der sich aus der Umsetzung der Richtlinie ergebenden Bestimmungen ausdehnen. Auch die mit dem Umsetzungsakt zeitgleiche Einführung nationaler Bestimmungen, die aber grundsätzlich keinen Bezug zu der Richtlinie aufweisen, erfassen die Berichterstatter als Gold-Plating. (1) Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Richtlinie Europäische Richtlinien definieren in der Regel ihren persönlichen, räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich. Regelmäßig können die Mitgliedstaaten diesen Anwendungsbereich aber ausweiten, da die Richtlinie außerhalb ihres Anwendungsbereiches keine Vorgaben für die Rechtsetzung in den Mitgliedstaaten macht. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie ist der nationale Gesetzgeber somit in seiner legislativen Entscheidung frei.60 Ein Beispiel für die Anwendung der Regelungen einer Richtlinie außerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereiches ist die Umsetzung der Richtlinie 2014/25/EU61 in das französische Recht. Artikel 21 lit. c der Richtlinie schließt unter anderem Rechtsdienstleistungen der Vertretung durch einen Rechtsanwalt in außergerichtlichen, gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren und der Beratung im Hinblick auf die Vorbereitung eines solchen Verfahrens von ihrem Anwendungsbereich aus. Für diese Dienstleistungen trifft die Richtlinie somit keine Bestimmungen hinsichtlich des Vergabeverfahrens. Der französische Gesetzgeber hat diesen Ausschluss vom Anwendungsbereich jedoch nicht über-

59 Art. 1 no 4 du de´cret no 2012-1562 du 31 de´cembre 2012 relatif au renforcement de la se´curite´ de la chaıˆne d’approvisionnement des me´dicaments et a` l’encadrement de la vente de me´dicaments sur internet, NOR: AFSP1240709D. 60 Siehe dazu näher Punkt A. III. dieser Arbeit. 61 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/ EG, ABl. L 94/243.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

nommen, sodass nach französischem Recht auch für die oben aufgeführten juristischen Dienstleistungen eine Ausschreibung durchgeführt werden muss, wenn auch nach einem angepassten Verfahren.62 Der französische Gesetzgeber hat somit die Bestimmungen der Richtlinie über den Anwendungsbereich hinaus für in Frankreich anwendbar erklärt und somit den Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeweitet. (2) Einführung weiterer nationaler Bestimmungen Es wird auch als eine Form des Gold-Platings verstanden, wenn im Rahmen der Umsetzung einer europäischen Richtlinie neben den die Richtlinie umsetzenden Bestimmungen weitere Bestimmungen eingeführt werden, die keinen direkten Bezug zu den Bestimmungen der Richtlinie aufweisen.63 So hat Frankreich zum Beispiel anlässlich der Umsetzung der Vergaberichtlinie64 im Jahr 2014 eine zusätzliche Verpflichtung in das nationale Vergaberecht eingeführt, wonach seit Oktober 2018 der Auftraggeber die wesentlichen Daten des Zuschlags in einem offenen und frei verfügbaren Format (Open Data) zur Verfügung stellen muss, wenn der Auftragswert den europäischen Schwellenwert von 25.000 Euro überschreitet.65 Auch im Zuge der Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/11/EG66 hat Frankreich im Rahmen des Umsetzungsgesetzes weitere nationale Bestimmungen eingeführt: Während die Richtlinie die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet, Einleitungsgrenzwerte für die Einleitung bestimmter Schadstoffe in Gewässer festzulegen, wurde die Umsetzung der Richtlinie in Frankreich zum Anlass genommen, für bestimmte genehmigungspflichtige Anlagen eine Begrenzung des Wasserverbrauchs zu normieren.67 Die Begrenzung des Wasserverbrauchs war hingegen vom europäischen Richtlinientext nicht gefordert.

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Art. R. 2123-8 du Code de la commande publique. Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 34. 64 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. L 4/243. 65 Art. 56 de l’ordonnance no 2015-899 du 23 juillet 2015 relative aux marche´s publics, NOR: EINM1506103R; Art. 107 du de´cret no 2016-360 du 25 march 2016 relatif aux marche´s publics, NOR: EINM1600207D. 66 Richtlinie 2006/11/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. Februar 2006 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer, ABl. L 64/52, seit 21. Dezember 2013 nicht mehr in Kraft. 67 Art. 15 de l’arreˆte´ du 30 juin 2006 relatif aux prescriptions ge´ne´rales applicables aux installations relevant du re´gime de l’autorisation au titre de la rubrique no 3260 de la nomenclature des installation classe´es pour la protection de l’environnement, NOR: DEVP0650366A. 63

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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(3) Beibehaltung nationaler Verpflichtungen trotz harmonisierter Umsetzungsmaßnahmen Als eine Form des Gold-Platings zählt das vom Se´nat angefertigte Dokument außerdem die Praxis auf, dass nationale Verpflichtungen im Zuge der Umsetzung europäischer Richtlinien nicht abgeschafft, sondern durch den französischen Gesetzgeber beibehalten werden und neben die auf der Richtlinie basierenden Verpflichtungen treten.68 In Frankreich bestanden beispielsweise vor der Umsetzung der Richtlinie 2016/97/EU über den Versicherungsvertrieb69 bereits die folgenden Verpflichtungen: einerseits die Pflicht, ein Informationsblatt zur Verfügung zu stellen, in dem die Ausschlüsse und Verpflichtungen des Versicherten genau beschrieben werden, und andererseits die Bereitstellung eines Informationsblattes, in dem Preis- und Deckungsinformationen anzugeben sind.70 Mit der Umsetzung der Richtlinie über den Versicherungsvertrieb ist ein weiteres standardisiertes Informationsblatt hinzugekommen, das bei jedem Versicherungsprodukt – Lebensversicherungen ausgenommen – erstellt werden muss.71 Dadurch, dass das neue Informationsblatt die anderen obligatorischen Informationsblätter nicht ersetzt, sondern ergänzend hinzutritt, müssen nach französischem Recht nun regelmäßig drei Informationsblätter erstellt werden.72 Bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/23/EU73 hat Frankreich ebenfalls eine bereits bestehende Verpflichtung beibehalten, die nun parallel zu der auf der Richtlinie beruhenden Verpflichtung zu erfüllen ist: Die Richtlinie legt fest, dass Bekanntmachungen über Konzessionen und Konzessionsvergaben, sofern die festgelegten Schwellenwerte erreicht werden, vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union veröffentlicht werden. Auch der Inhalt dieser Bekanntmachungen wird durch die Richtlinie festgelegt.74 In Frankeich war vor der Umsetzung der Richtlinie eine nationale Veröffentlichung der Bekanntmachungen

68 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 35. 69 Richtlinie 2016/97/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über den Versicherungsvertrieb, ABl. L 26/19. 70 Art. L. 112-2 du Code des assurances. 71 Artikel 20 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2016/97/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über den Versicherungsvertrieb, ABl. L 26/19; Art. 1 de l’ordonnance no 2018-361 du 16 mai 2018 relative a` la distribution d’assurances, NOR: ECOT1734966R. 72 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 35. 73 Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. L 94/1. 74 Art. 30 ff. der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. L 94/1.

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verpflichtend.75 Diese Verpflichtung wurde im Zuge der Richtlinienumsetzung nicht aufgehoben, sodass die Veröffentlichungspflichten auf europäischer Ebene und nationaler Ebene nun nebeneinanderstehen,76 wobei der Inhalt der nationalen Veröffentlichung an die Richtlinienvorgaben angepasst wurde.77 d) Zwischenergebnis In Bezug auf die Verwendung des Begriffes surtransposition im politischen Umfeld in Frankreich lässt sich festhalten, dass dieser Begriff dem englischen Begriff Gold-Plating gleichsteht und somit als Synonym gebraucht wird. Im politischen Umfeld werden, wie insbesondere das dargestellte Dokument des Se´nat verdeutlicht, viele verschiedene Arten der Umsetzung in das nationale Recht unter dem Begriff surtransposition zusammengefasst. Die Begriffe werden im politischen Umfeld in Frankreich somit in einem sehr weiten Verständnis gebraucht. Ferner lässt sich festhalten, dass der Begriff surtransposition und sein Synonym GoldPlating vor allem vor dem Hintergrund einer zu vermeidenden Umsetzungspraxis verwendet werden.

2. Verwendung des Begriffes Gold-Plating im politischen Umfeld in Deutschland Im politischen Umfeld in Deutschland wird vor allem der englische Begriff GoldPlating verwendet, um eine Umsetzungspraxis, die über die minimalen Anforderungen einer europäischen Richtlinie hinausgeht, zu beschreiben. Anders als in Frankreich gibt es in Deutschland keine Dokumente, die die verschiedenen Formen des Gold-Platings so detailliert analysieren und darstellen. Aus verschiedenen Dokumenten lässt sich jedoch entnehmen, dass auch in Deutschland durch die Verwendung des Begriffes Gold-Plating im politischen Diskurs eine Umsetzungspraxis beschrieben wird, die über die minimalen europäischen Anforderungen hinausgeht.78 Zwar werden die verschiedenen Formen der Umsetzungen, die als Gold-Plating einzuordnen sind, in Deutschland nicht ausdrücklich benannt, aus verschiedenen Dokumenten geht jedoch hervor, dass auch in Deutschland die Bezeichnung Gold-Plating für viele verschiedene Arten von Umsetzungen und wohl in einem ähnlich weiten Sinne verwendet wird, wie es in Frankreich der Fall ist.79 Wird von der Umsetzungspraxis des Gold-Platings gesprochen, ist dies 75 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 35. 76 Art. R. 3122-2 du Code de la commande publique. 77 Art. R. 3122-5 du Code de la commande publique. 78 BT-Drs. 19/22840; Röttgen/Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau in Deutschland, S. 40 f. 79 BT-Drs. 19/22840; Röttgen/Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau in Deutschland, S. 40 f.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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in der Regal negativ konnotiert und wird insbesondere dazu verwendet, widerzuspiegeln, dass mit einer ambitionierten Umsetzungspraxis der Mitgliedstaaten eine finanzielle und/oder bürokratische Mehrbelastung einhergeht.80

3. Kritik an der Verwendung der Begriffe Gold-Plating und surtransposition aus Literatur und Rechtsprechung Für die Beschreibung der Übererfüllung von Richtlinien bei der Umsetzung in nationales Recht gibt es in der rechtswissenschaftlichen Literatur keine etablierten, allgemeingültigen Begriffe81, welche konsequent Anwendung finden. Es hat sich in der Literatur vielmehr eine Vielzahl von Begriffen mit unterschiedlichen Tragweiten herausgebildet.82 a) Begriffsverständnis des Conseil d’E´tat und in der französischen Literatur Der französische Staatsrat (Conseil d’E´tat), der in Frankreich sowohl die Funktion des obersten Verwaltungsgerichtes83 als auch die eines beratenden Gremiums der Regierung in Rechtsfragen84 innehat, weist darauf hin, dass die Begriffe surtransposition und Gold-Plating häufig zu allgemein dazu verwendet werden, eine Umsetzungspraxis zu beschreiben, die dazu führt, dass die Bestimmungen des nationalen Rechts über die in der europäischen Richtlinie festgelegten Verpflichtungen hinausgehen.85 Diese verallgemeinernde Begriffsverwendung wird durch den Conseil d’E´tat kritisiert: Durch die Verwendung eines verallgemeinernden Begriffes würden die unterschiedlichen Umsetzungsarten, die dieser Begriff im Rahmen seiner politischen Verwendung umfassen soll, nicht hinreichend widergespiegelt werden.86 Die Kritik des Conseil d’E´tat kann somit so verstanden werden, dass verschiedene Umsetzungsarten unzutreffend als ein und dieselbe Umsetzungspraxis dargestellt werden.

80 BT-Drs. 19/22840; Röttgen/Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau in Deutschland, S. 40 f.; Schollmeyer, NZG 2021, 589, 589. 81 So auch: Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197 ff. 82 Siehe dazu auch die Darstellung bei: Leidenmühler, EuR 2009, 383, 385 f. und bei: Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, S. 157 f. 83 Art. L. 331-1 du Code de justice administrative. 84 Art. 38, 39 Const.; der Conseil d’E´tat ist nach Art. R. 123-2 bis R. 123-11 du Code de justice administrative außerdem für die Verwaltung der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit verantwortlich. 85 Conseil d’E´tat, Directives europe´ennes, S. 21; Conseil d’E´tat, Avis no 395785 sur un projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais, Rn. 5. 86 Conseil d’E´tat, Directives europe´ennes, S. 21; Conseil d’E´tat, Avis no 395785 sur un projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais, Rn. 5.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

Der Conseil d’E´tat zeigt insbesondere auf, dass nicht von Gold-Plating gesprochen werden sollte, wenn eine Richtlinie den Mitgliedstaaten ausdrücklich mehrere Optionen eröffnet, die Möglichkeit zum Erlass von Ausnahmeregelungen vorsieht oder ihnen die Wahl eines Wertes innerhalb einer Bandbreite zugesteht. Ist eine europäische Richtlinie derart formuliert, liegt es in der Natur der Ausgestaltung der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten aus verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten eine Umsetzungsmöglichkeit wählen müssen. Die Wahl einer bestimmten Umsetzungsweise stelle somit einen wesentlichen Bestandteil der Umsetzung in das nationale Recht dar und könne deshalb nicht mit dem Begriff Gold-Plating, wie er im Rahmen seiner ihm im politischen Umfeld zugedachten Bedeutung verwendet wird, beschrieben werden.87 Auch in der französischen Literatur wird kritisiert, dass die weite Verwendung des Begriffes Gold-Plating den verschiedenen Umsetzungsarten nicht gerecht wird und insbesondere die Wahl einer bestimmten Umsetzungsweise im Rahmen von Optionsregelungen und Bandbreitenregelungen nicht mit anderen vom Begriff surtransposition beschriebenen Umsetzungsarten gleichgestellt werden sollte.88 b) Begriffsverständnis in der deutschen Literatur In der deutschen Literatur wird ein Hinausgehen über die Richtlinienanforderungen im nationalen Recht nicht nur mit dem verallgemeinernden Begriff GoldPlating beschrieben, sondern es haben sich vor allem zwei verschiedene Begriffsverwendungen herausgebildet, die die verschiedenen Umsetzungsarten widerspiegeln sollen. Einige Stimmen in der Literatur verwenden den Begriff „überschießende Richtlinienumsetzung“ in einem engen Verständnis, sodass der Begriff ausschließlich die Umsetzungspraxis der Ausweitung des Anwendungsbereiches auf Sachverhalte oder Personenkreise außerhalb des Anwendungsbereiches der europäischen Richtlinie beschreiben soll.89 Eine inhaltliche Übererfüllung innerhalb des Anwendungsbereiches der europäischen Richtlinie soll der Begriff überschießende Richtlinienumsetzung hingegen, um Verallgemeinerungen zu ver-

87 Conseil d’E´tat, Directives europe´ennes, S. 21; Conseil d’E´tat, Avis no 395785sur un projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais, Rn. 5. 88 Landros-Fournale`s, D 2019, 2360–2361; Makowiak, RJE 2018, 667, 667 ff.; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split 2020, 43, 49 f. 89 Kuhn, EuR 2015, 216, 216; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ders. (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131; für die Übererfüllung i.S.d. Ausweitung des Anwendungsbereiches werden außerdem die Begriffe „autonome Übernahme“, „erweiterte Rechtsangleichung“, „freiwillige Rechtsanpassung“, „erweiternde Umsetzung“ oder „autonome Harmonisierung“ verwendet, siehe dazu: Leidenmühler, EuR 2019, 383, 387, sowie die Begriffsverwendung bei Riehm, JZ 2006, 1035, 1036, 1045.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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meiden, nicht widerspiegeln.90 Um diese Art der Richtlinienumsetzung zu beschreiben, haben sich in der Literatur die Begriffe „modifizierende Umsetzung“91 oder „inhaltliche Übererfüllung“92 herausgebildet. Andere verwenden die Begriffe überschießende Richtlinienumsetzung und Gold-Plating als Synonyme93 und im Sinne eines umfassenderen Verständnisses. Die Begriffe überschießende Richtlinienumsetzung und Gold-Plating sollen dann sowohl die Umsetzungspraxis, bei der eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der Richtlinie stattfindet, als auch eine Umsetzungspraxis, die zu einer inhaltlichen Übererfüllung der Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereiches führt, beschreiben.94 Diejenigen, die die Begriffe überschießende Richtlinienumsetzung und Gold Plating in einem umfassenden Verständnis verwenden, unterscheiden zwischen der Umsetzungspraxis der Ausweitung des Anwendungsbereiches und der Umsetzungspraxis des Hinausgehens über die Anforderungen der Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereiches, indem sie von „echtem“ und „unechtem“ Gold-Plating sprechen.95 Dabei soll mit dem Zusatz „echt“ die Übererfüllung einer europäischen Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereiches widergespiegelt werden. Wird von einem „unechten“ Gold-Plating gesprochen, so soll damit die Ausweitung des Anwendungsbereiches der Richtlinienregelungen auf einen nicht umfassten Sachverhalt oder Personenkreis umschrieben werden.96 c) Kritische Würdigung der Verwendung des Begriffes Gold-Plating in einem umfassenden Verständnis Insbesondere in Bezug auf einige bestimmte Umsetzungsarten, die sowohl in Frankreich als auch in Deutschland von der Politik als Gold-Plating bezeichnet werden, wird vor allem von der Literatur die Einordnung dieser Umsetzungsarten unter den Begriff Gold-Plating kritisiert. Die einheitliche Verwendung des Begriffes trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung der europäischen Richtlinien und der damit verbundenen unterschiedlichen Vorgaben für die Umsetzung der

90 Siehe dazu: Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 914; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 387; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 547 f. 91 Perner, ZfRV 2011, 225, 225; Riehm, JZ 2006, 1035, 1036, 1045. 92 Habersack/Mayer, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 14 Rn. 10 ff. 93 So zum Beispiel bei Litten, BB 2021, 1223, Fn. 10; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4; Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 746 ff.; siehe dazu auch: Leidenmühler, EuR 2009, 383, 385, der dieses Begriffsverständnis kritisch betrachtet. 94 Siehe dazu die Begriffsverwendung bei: Beland, EuZW 2014, 885, 885; Burmeister/Staebe, EuR 2009, 444, 445; Hemeling, ZHR 181 (2017), 595, 601; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 194 f.; Payrhuber/Stelkens, NVwZ 2018, 195, 196. 95 Diese Terminologie wird zum Beispiel verwendet von: Beckmann/Buchsteiner, DVBl. 2016, 675, 676 f.; Burmeister und Staebe in: Burmeister/Staebe, EuR 2009, 444, 445; Payrhuber und Stelkens, etwa in: Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 195. 96 Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 195; Burmeister/Staebe, EuR 2009, 444, 445.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

europäischen Richtlinie sei nicht sinnvoll und sachgerecht. Mit einer derart weiten Begriffsverwendung würden die verschiedenen Phänomene unpassend und unübersichtlich unter einen Oberbegriff zusammengefasst. Die Kritik bezieht sich dabei vor allem auf die folgenden Richtlinienausgestaltungen und die damit zusammenhängenden Umsetzungsarten: aa) Aktives und passives Gold-Plating Insbesondere aus den oben dargestellten französischen Dokumenten geht hervor, dass unter dem Begriff Gold-Plating auch ein passives Überschreiten der Anforderungen der europäischen Richtlinie verstanden wird.97 Unter einem passiven Überschreiten der Richtlinienanforderungen ist dabei die Beibehaltung von bereits existierenden nationalen Normen zu verstehen, die bereits Teil der nationalen Rechtsordnung sind, aber aufgrund ihres Inhaltes dazu geeignet sind, die Richtlinienanforderungen in nationales Recht umsetzen. Gehen diese Normen über die Anforderungen der europäischen Richtlinie hinaus, liegt nach dem Verständnis in der Politik eine Umsetzungspraxis vor, die als Gold-Plating bezeichnet werden kann.98 Dieses Verständnis wird in der Literatur teilweise kritisiert: Sofern bereits strengere Normen im nationalen Recht vorhanden seien, die zufälligerweise in den Anwendungsbereich einer neuen Richtlinie fallen und diese deshalb überschießend umsetzen, stelle der europäische Rechtssatz gerade nicht den kausalen Ausgangspunkt der nationalen Regelung dar. Vielmehr stammten diese ausschließlich vom nationalen Gesetzgeber, ohne dass eine europäische Richtlinie den Mitgliedstaat zum gesetzgeberischen Tätigwerden veranlasst habe.99 bb) Umsetzungsoptionen, Bandbreiten und Wahlvorschriften Enthält eine Richtlinie sogenannte Umsetzungsoptionen, ist es den Mitgliedstaaten nach den Bestimmungen der Richtlinie selbst überlassen, ob sie die infrage stehende Regelung in ihr nationales Recht einführen wollen oder nicht.100 97 So stellt es auch ein britisches Dokument dar: HM Government, Transposition Guidance. 98 Assemble´e nationale, Rapport d’informations no 532 sur les moyens de lutter contre la Surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 9; Se´nat, Rapport no 96 fait au nom de la commission spe´ciale sur le projet de loi portant suppression de sur-transposition de directives europe´ennes en droit franc¸ais, pre´sente´ par Cadic et de Cidrac, S. 11. 99 Haas, „Gold Plating“ versus „1:1-Umsetzung“, S. 17; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 389; oft wird jedoch das passive Gold-Plating auch in die Begriffsdefinition des Gold-Platings mit einbezogen, insbesondere dann, wenn es um den Abbau von Bürokratisierung und Kosten geht: Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Was Europa besser machen kann, 2011, S. 38, 80; Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Auswirkungen von Subsidiarität und Gold Plating auf Wirtschaft und Beschäftigung“, ABl. C 440/28, Rn. 4.1.1. 100 Art. 39 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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Durch die Verwendung von Bandbreiten, insbesondere bei der Festlegung von Schwellenwerten und Grenzwerten, oder Wahlvorschriften in der Ausgestaltung des Richtlinientextes, dürfen die Mitgliedstaaten den durch die Richtlinie festgelegten Bereich zwar weder unter- noch überschreiten, es wird ihnen jedoch im Rahmen dieser Bandbreiten und Wahlvorschriften die Freiheit zugestanden, einen für das nationale Recht geeigneten Wert innerhalb der festgelegten Bandbreite beziehungsweise eine für den jeweiligen Mitgliedstaat passende Wahlvorschrift selbst zu bestimmen.101 Nach dem politischen Verständnis in Deutschland und in Frankreich liegt bei der Umsetzung von Bandbreiten und Wahlvorschriften bereits dann ein Fall von Gold-Plating vor, wenn der Mitgliedstaat sich nicht für die Normierung des untersten noch zulässigen Wertes beziehungsweise der am wenigsten strengen Wahlvorschrift entscheidet, sondern einen strengeren Schwellenwert aus dem vorgegebenen Bereich beziehungsweise eine strengere Wahlvorschrift in das nationale Recht aufnimmt.102 Von Gold-Plating wird in der Politik auch dann gesprochen, wenn Richtlinien Optionsregelungen enthalten, das heißt die europäische Richtlinie es den Mitgliedstaaten freistellt, ob sie die Regelung in ihr nationales Recht umsetzen, und ein Mitgliedstaat die Option der Nichtregelung nicht ergreift, sondern trotz ihm obliegender Wahlfreiheit die optionale Regelung in das nationale Recht mit aufnimmt.103 Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. 94/65; Art. 13 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2015/2303/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung 2006/2004/EG und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates, ABl. L 326/1; Art. 24 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, ABl. L 312/3; Lutter, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. I, S. 765, 769; Niessen, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. II, S. 971, 999; Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 37. 101 So gibt etwa der Durchführungsbeschluss 2017/1442/EU der Kommission vom 31. Juli 2017 über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates für Großfeuerungsanlagen, ABl. L 212/1, in Tabelle 1 des Anhangs einen BVT-assoziierten Emissionswert für die direkte Einleitung von Schadstoffen aus der Abgasbehandlung in ein Aufnahmegewässer für Fluorid (F) einen Wert von 10–25 mg/l an; Niessen, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. II, S. 971, 998 f.; Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 36. 102 BT-Drs. 19/22840; HM Government, Transposition Guidance, S. 8; Krohn, ZUR 2018, 385, 386; Se´nat, Rapport no 96 fait au nom de la commission spe´ciale sur le projet de loi portant suppression de sur-transposition de directives europe´ennes en droit franc¸ais, pre´sente´ par Cadic et de Cidrac, S. 12; sich gegen eine Einordnung als Gold-Plating aussprechend: Conseil d’E´tat, Avis no 395785 sur un projet de loi portant suppression des surtransposition des directives europe´ennes den droit franc¸ais, Rn. 5. 103 BT-Drs. 19/22840; HM Government, Transposition Guidance, S. 8; Krohn, ZUR 2018,

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

Dieses Verständnis wird sowohl in der französischen als auch in der deutschen Literatur kritisiert. Bei in Richtlinien enthaltenen Bandbreiten stelle sowohl die Wertuntergrenze als auch die Wertobergrenze der Bandbreite eine Umsetzung der Richtlinie dar, die die ausdrücklichen Anforderungen der Richtlinie wahrt und somit weder einen Fall der Ausweitung des sachlichen oder persönlichen Anwendungsbereiches der Richtlinie noch einen Fall der inhaltlichen Übererfüllung innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie darstelle.104 Diese Auffassung wird auch vom Conseil d’E´tat und vom Nationalen Normenkontrollrat vertreten.105 Auch bei der Umsetzung von Wahlvorschriften in das nationale Recht stelle sowohl die Übernahme der Vorschrift „A“ als auch die alternative Übernahme der Vorschrift „B“ eine Umsetzung der europäischen Richtlinie dar, die im Rahmen der Umsetzungsanforderungen der europäischen Richtlinie bleibe, sodass weder die Wahl der Vorschrift „A“ noch die Wahl der Vorschrift „B“ einen Fall des Gold-Plating darstelle.106 Gleiches gelte für Optionsklauseln: Übernehme der Mitgliedstaat die in der Richtlinie enthaltene Regelung in das nationale Recht, handele er genauso im genauen Anforderungsbereich der Richtlinie, wie bei der Nichtübernahme der optionalen Regelung in das nationale Recht.107 Es sei gerade der Charakter der Richtlinie, den Mitgliedstaaten in einem zweistufigen Rechtsetzungsverfahren108 die Möglichkeit zu eröffnen, die Anforderungen der Richtlinie den Gegebenhei385, 386; Se´nat, Rapport no 96 fait au nom de la commission spe´ciale sur le projet de loi portant suppression de sur-transposition de directives europe´ennes en droit franc¸ais, pre´sente´ par Cadic et de Cidrac, S. 12; sich gegen eine Einordnung als Gold-Plating aussprechend: Conseil d’E´tat, Avis no 395785, sur un projet de loi portant suppression des surtransposition des directives europe´ennes den droit franc¸ais, Rn. 5. 104 Krohn, ZUR 2018, 385, 386; Lutter, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.) FS Everling, Bd. I, S. 765, 769 f., der bei verpflichtenden Wahlmöglichkeiten von einem Alternativmodell spricht; Makowiak, RJE 2018, 667, 667 f.; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split 2020, 43, 50; a.A. Haas, „Gold Plating“ versus „1:1-Umsetzung“, S. 16 f.; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 388. 105 Conseil d’E´tat, Avis no 395785 sur un projet de loi portant suppression des surtransposition des directives europe´ennes den droit franc¸ais, Rn. 5; Conseil d’E´tat, Directives europe´ennes, S. 21 f.; Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2011, S. 75, der darauf hinweist, dass es der Regelfall ist, dass bei der Richtlinienumsetzung mehrere Handlungsalternativen eine Eins-zu-eins-Umsetzung darstellen können. 106 Makowiak, RJE 2018, 667, 667 f.; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split 2020, 43, 50. 107 Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, S. 41 (der jedoch ein TeilOpt-out als Gold-Plating einordnet); Krohn, ZUR 2018, 385, 386; Makowiak, RJE 2018, 667, 667 f.; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split 2020, 43, 50. 108 EuGH, Urt. v. 29. Juni 1993, Rs. C-298/89, ECLI:EU:C:1993:267 Rn. 16 – Gibraltar/ Rat; von Danwitz, JZ 2007, 697, 698; Husmann, NZS 2010, 655, 658; Klein, in Due/Luther/ Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. I, S. 641, 650; Mittwoch, JuS 2010, 767, 760; Payrhuber/ Stelkens, EuR 2019, 190, 197; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 144.

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II. Der Begriff Gold-Plating und die damit beschriebenen Umsetzungsarten

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ten des eigenen Mitgliedstaates und seiner nationalen Rechtsordnung anzupassen.109 Diese Anpassungsmöglichkeit werde unter anderem durch die Verwendung von Bandbreiten und Wahlvorschriften sowie durch die Aufnahme von optionalen Regelungen in den Richtlinieninhalt erreicht, die oft das Resultat von Kompromissen im Gesetzgebungsprozess seien.110 Sie beließen den Mitgliedstaaten legislative Spielräume und ermöglichten es, einen konsensfähigen Rechtssatz zu entwickeln, der die Divergenzen zwischen den europäischen Mitgliedstaaten berücksichtige.111

4. Eigenes Begriffsverständnis und Begriffsverwendung in der Arbeit Die Verfasserin schließt sich der dargestellten Kritik an der Verwendung des Begriffes Gold-Plating in einer umfassenden und verallgemeinernden, verschiedene in der Umsetzungspraxis vorkommende Phänomena zusammenfassenden Art und Weise, die insbesondere im politischen Umfeld in Frankreich und Deutschland verwendet wird, an. Die Verfasserin teilt insbesondere die Kritik in Bezug auf in Richtlinien enthaltene Wahlvorschriften, Optionsregelungen und Bandbreiten: Die Umsetzung einer Richtlinie, die Bandbreitenregelungen enthält, sollte nach Ansicht der Verfasserin nicht bereits dann einen Fall der Umsetzungspraxis des Gold-Platings darstellen, wenn nicht der am wenigsten strenge beziehungsweise ambitionierte Wert in nationales Recht umgesetzt wird. Gleiches gilt für Wahlvorschriften, bei denen die Vorschrift gewählt wird, die als strenger einzuordnen ist. Auch für die Verwendung von Optionsklauseln bleibt festzuhalten, dass nicht schon dann ein Fall der Umsetzungspraxis des GoldPlatings angenommen werden sollte, wenn ein Mitgliedstaat die ihm zugesprochene Entscheidungsmacht, eine Regelung nur optional in das nationale Recht 109 So u.a. Classen, in: Oppermann/ders./Nettesheim (Hrsg.), Europarecht, § 32 Rn. 33; Petersen, EG-Richtlinienumsetzung und Übergangsgerechtigkeit, S. 130; von Danwitz, JZ 2007, 697, 698; Krohn spricht insoweit von einer flexibilitätssichernden Ausdifferenzierung unionsrechtlicher Regelungen: Krohn, ZUR 2018, 385, 385; kritisch zu der Funktion der Richtlinie als kompetenzschonendes Rechtsetzungsinstrument: Sydow, JZ 2009, 373, 374 f.; sich kritisch zu der Verwendung von Kompromissen äußernd: Möllers, Die Rolle des Rechts im Rahmen der europäischen Integration, S. 19. 110 Dzida und Granetzny sprechen hinsichtlich Art. 7 Abs. 2 der EU-WhistleblowingRichtlinie von einer Kompromissformel: Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203, und Kindler und Horstmann bezeichnen die EU-Übernahmerichtlinie als einen „europäischen Kompromiss“: Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866–873; die Probleme und Chancen, die sich aus einer Kompromissfindung ergeben können, besprechen: Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, S. 38; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 60 ff.; 89 ff.; Zolynski spricht von der „langage du compromis“: Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 215. 111 Zu den in den Mitgliedstaaten bestehenden Divergenzen und der Mindestharmonisierung als Reaktion auf diese bereits: Pfeiffer, in: Hohloch (Hrsg.), Richtlinien in der EU und ihre Umsetzung in Deutschland und Frankreich, S. 9, 17 ff.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

zu übernehmen, nicht ausnutzt. Sind Wahlvorschriften, Bandbreiten und Optionsklauseln in einer Richtlinie enthalten, sollte ihre Umsetzung – egal in welcher europarechtskonformen Weise – keinen Fall des Gold-Platings darstellen. Diese Auffassung lässt sich zudem aus (unions-)rechtlicher Sicht stützen, wie im abschließenden Teil dieser Arbeit noch zu zeigen sein wird.112 Trotz der Kritik, die die Verfasserin in Bezug auf die Verwendung des Begriffes Gold-Plating im politischen Umfeld in Deutschland und Frankreich mit der Literatur teilt, ist es für das Ziel der Arbeit – den Umgang mit der Umsetzung europäischer Richtlinien insbesondere in Bezug auf die Vermeidung von GoldPlating zu untersuchen – sinnvoll, die weitere Untersuchung vor dem Hintergrund der Verwendung des Begriffes Gold-Plating in der Politik der beiden Mitgliedstaaten durchzuführen. Nur so ist es möglich, den praktischen Umgang repräsentativ darzustellen und anschließend zu vergleichen. Auch die rechtliche Bewertung soll sich schließlich auf die tatsächliche Umsetzungspraxis der beiden Mitgliedstaaten beziehen.

III. Die verschiedenen Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings Die europäische Richtlinie i. S. d. Artikels 288 Abs. 3 AEUV als Handlungsform der Europäischen Union dient nicht nur als Instrument zur mitgliedstaatlichen Rechtsangleichung, sondern kann auch für die Erreichung weiterer Ziele und Zwecke eingesetzt werden. Der Charakter einer Richtlinie ist für die Behandlung der Thematik des Gold-Platings von maßgeblicher Bedeutung, da er entscheidend dafür ist, ob ein Gold-Plating der europäischen Richtlinie überhaupt möglich oder von vornherein ausgeschlossen ist. Bedeutendes Abgrenzungskriterium für die Frage nach der Umsetzungsbedürftigkeit der jeweiligen Richtlinienbestimmung ist das von der Richtlinie verfolgte Ziel. Je nach Zielrichtung lassen sich Richtlinien beziehungsweise ihre Bestimmungen in zwei Gruppen unterteilen: einerseits in rechtsangleichende Bestimmungen, die der Rechtsangleichung in den Mitgliedstaaten dienen und andererseits in Bestimmungen, die sich ausschließlich an die Mitgliedstaaten richten und auf ein tatsächliches Handeln der Mitgliedstaaten gerichtet sind und keine Begründung subjektiver Rechte des Bürgers erzielen wollen.113 Während rechtsangleichende Richtlinien im Fokus der Umsetzungspraxis des Gold-Platings stehen, besteht bei Richtlinien, die nicht auf eine Rechtsangleichung ausgerichtet sind, erst gar nicht die Möglichkeit, über 112

Siehe dazu die Darstellung unter Punkt C. Mit einem ähnlichen Ansatz: Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 190; dazu, dass zwischen den Verpflichtungen, die die Richtlinien den Mitgliedstaaten auferlegen können, große Unterschiede bestehen können und die Pflichten somit differenziert zu behandeln sind: EuGH, Urt. v. 30. November 2006, Rs. C-32/05, ECLI:EU:C:2006:749 Rn. 37 ff. – Kommission/Luxemburg. 113

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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die Bestimmungen der europäischen Richtlinie – wie im Folgenden genauer erläutert wird – hinauszugehen.

1. Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung Die Richtlinie wird in den meisten Fällen als Instrument der Rechtsangleichung der Rechtsordnungen in den europäischen Mitgliedstaaten verwendet.114 Sofern eine Richtlinie das Ziel der Rechtsangleichung verfolgt, soll durch die Umsetzungsgesetze eine Angleichung der in den einzelnen Mitgliedstaaten normierten Regelungen im Anwendungsbereich der Richtlinie – zum Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist – erreicht werden.115 Hinsichtlich der von der Richtlinie verfolgten Harmonisierung kann zwischen dem Umfang der Harmonisierung und der Intensität der Harmonisierung unterschieden werden. Während der von der Richtlinie definierte Anwendungsbereich den Umfang der Harmonisierung, das heißt die Breite der Harmonisierung bestimmt, bestimmt die Intensität der Harmonisierung die Tiefe der verfolgten Harmonisierung.116 Sowohl Richtlinien mit dem Ziel der Mindestharmonisierung als auch vollharmonisierende Richtlinien sind darauf ausgerichtet, die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einander anzugleichen. Die beiden Unterformen der rechtsangleichenden Richtlinien unterscheiden sich charakteristisch zwar nicht hinsichtlich der Breite der Harmonisierung, jedoch in Bezug auf die Tiefe der Harmonisierung: Während vollharmonisierende Richtlinien eine vollständige Harmonisierung anstreben, verfolgen mindestharmonisierende Richtlinien eine geringere Tiefe der Harmonisierung in Form einer teilweisen Harmonisierung.117 Der Grad der Harmonisierung wirkt sich auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings unterschiedlich aus, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt. a) Mindestharmonisierende Richtlinien Richtlinien, die das Ziel einer sogenannten Mindestharmonisierung verfolgen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie, als Sekundärrechtsakte der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten Mindeststandards vorgeben, an denen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen ausrichten müssen. Es steht den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Umsetzungsgesetzes jedoch frei, weitergehende Regelungen – etwa in Form von strengeren Schwellenwerten – zu normieren.118 114

Ähnlich auch: Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197; Sydow, JZ 2009, 373, 373. Zum Begriff der Rechtsangleichung siehe näher: Herrnfeld, in: Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 114 AEUV Rn. 29 ff. 116 Buchmann, Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien, S. 40. 117 Buchmann, Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien, S. 39 f. 118 Klamert, EuZW 2015, 265, 265; Remien, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 14 Rn. 43; Veil, in: Meyer/ders./Rönnau (Hrsg.), Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rn. 20; Xefteri, La directive europe´enne, instrument juridique des autorite´s administratives nationales, S. 444 ff. 115

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

Der Weg zu einem höheren als in der Richtlinie vorgegebenen Standard wird somit durch die Ausgestaltung als Mindestharmonisierungsrichtlinie bereits richtlinienimmanent ermöglicht.119 Teilweise ist die Ausgestaltung einer Richtlinie als Mindestharmonisierungsrichtlinie aber auch bereits primärrechtlich angeordnet120, namentlich bei Richtlinien zum Verbraucherrecht121 , zum Umweltrecht122, zum Sozialrecht123 sowie zum Teil bei Richtlinien zum Gesundheitsschutz124. Es ergibt sich somit schon aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, dass die Mitgliedstaaten strengere Schutzmaßnahmen beibehalten oder einführen dürfen. Die primärrechtliche Vorgabe, Richtlinien als Mindestharmonisierungsrichtlinien zu erlassen, ist typischerweise mit der Normierung sogenannter primärrechtlicher Öffnungsklauseln verknüpft, die für die oben genannten Sachbereiche im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt sind.125 Diese Öffnungsklauseln stellen für ihren Anwendungsbereich klar, dass die Mitgliedstaaten durch den Erlass einer mindestharmonisierenden Richtlinie zwar nicht daran gehindert sind, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, sie jedoch sicherstellen müssen, dass die strengeren Maßnahmen mit den Verträgen vereinbar sind.126 Neben den primärrechtlichen Öffnungsklauseln enthält der Richtlinientext in der Regel zusätzlich sekundärrechtliche Öffnungsklauseln. Diese legen ebenfalls fest, dass die Mitgliedstaaten dazu befugt sind – unter Sicherstellung der Vereinbarkeit mit den Verträgen – strengere Schutzmaßnahmen zu normieren. Deshalb lassen sich Richtlinien in der Regel auch deshalb als mindestharmonisierende Richtlinien erkennen, weil sie ausdrückliche sekundärrechtliche Öffnungsklauseln enthalten.127 Als Beispiel kann Artikel 1 Abs. 3 der Richtlinie 2016/680/EU128 genannt werden: 119 Leidenmühler, EuR 2019, 383, 393; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split 2020, 43, 50; Schroeder, JRP 2018, 227, 230 ff. 120 Klamert spricht insofern von einer „vertraglichen Mindestharmonisierung“, Klamert, EuZW 2015, 265, 267. 121 Art. 169 Abs. 2 lit. b i.V.m. Abs. 3, 4 AEUV. 122 Art. 192 Abs. 1 i.V.m. Art. 193 AEUV. 123 Art. 153 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4, 2. Spiegelstrich AEUV. 124 Art. 168 Abs. 4 lit. a AEUV; siehe zur primärrechtlichen Anordnung einer Mindestharmonisierung auch die Ausführungen bei: Klamert, EuZW 2015, 265, 267; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 86. 125 Leidenmühler, EuR 2019, 383, 397, der den Begriff primärrechtliche Schutzverstärkungsklausel verwendet; auch die Bezeichnungen Schutzklausel, Harmonisierungsdurchbrechungsklausel oder Opting-Out-Clause kommen in der Literatur vor. 126 Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV, Art. 153 Abs. 4 2. Spiegelstrich AEUV, Art. 168 Abs. 4 lit. a AEUV, Art. 169 Abs. 4 Satz 1 AEUV, Art. 193 Satz 1 AEUV. 127 EuGH, Urt. v. 25. November 1992, Rs. C-376/90, ECLI:EU:C:1992:457 Rn. 26 ff. – Kommission/Belgien; Reich, ZEuP 2010, 7, 14; Riehm, JZ 2006, 1035, 1035); Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4. 128 Richtlinie 2016/680/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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„Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden Garantien festzulegen, die strenger sind als die Garantien dieser Richtlinie.“

Oft enthalten die sekundärrechtlichen Öffnungsklausen zusätzlich den Passus, dass bei einer strengeren Umsetzung die Grenzen des Primärrechts einzuhalten sind. Beispielhaft kann auf Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie 2019/633/EU129 verwiesen werden: „Zur Sicherstellung eines höheren Schutzniveaus können die Mitgliedstaaten strengere als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken beibehalten oder einführen, sofern diese nationalen Vorschriften mit den Regeln für das Funktionieren des Binnenmarkts vereinbar sind.“

Durch die Öffnungsklauseln wird somit nicht nur ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in der Richtlinie enthaltenen Regelungen lediglich Minimalstandards darstellen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Umsetzungskompetenz überschritten werden dürfen, sondern sie statuieren gleichzeitig eine Obergrenze, die die Mitgliedstaaten bei der Richtlinienumsetzung trotz vorhandenen Umsetzungsspielraums wahren müssen:130 Auch Regelungen, die über die vorgegebenen Minimalstandards hinausgehen, müssen mit den Verträgen – insbesondere mit den Grundfreiheiten131 – vereinbar sein. b) Vollharmonisierende Richtlinien Vollharmonisierende Richtlinien zeichnen sich im Gegensatz zu den eben dargestellten Mindestharmonisierungsrichtlinien dadurch aus, dass sie dem nationalen Gesetzgeber keine beziehungsweise nur einzelne – in der Richtlinie explizit definierte – Umsetzungsspielräume offen lassen,132 sodass die Mitgliedstaaten die in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen regelmäßig nicht konkreti-

die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119/89. 129 Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2019/633/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette, ABl. L 111/59. 130 Jung/Stiegler, in: dies./Krebs/ders. (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in Europa, § 18 Rn. 26; Klamert, EuZW 2015, 265, 265; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 393; Reich, ZEuP 2010, 7, 14; Remien, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 14 Rn. 43. 131 Weitere Grenzen können etwa die europäischen Grundrechte sein, siehe dazu die Ausführungen bei: Ziegenhorn, NVwZ 2010, 803–808; auch der effet utile kann eine weitere Grenze darstellen, siehe dazu die Ausführungen bei: Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 199 ff. 132 Buchmann, Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien, S. 49; Riehm, JZ 2006, 1035, 1036; Xefteri, La directive europe´enne, instrument juridique des autorite´s administratives nationales, S. 444 ff.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

sieren, auslegen oder durch strengere Regelungen ersetzen können.133 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes134 liegt deshalb dann eine Vollharmonisierung vor, wenn „Richtlinien [...] die Harmonisierung der Maßnahmen vorsehen, die zur Verwirklichung des konkreten Ziels [...] erforderlich sind,“

das heißt, wenn die Rechtslage abschließend durch den europäischen Rechtsakt geregelt wird.135 Wie schon angeklungen, schließen einzelne in der Richtlinie nur punktuell enthaltene Optionsregelungen, Wahlvorschriften und Bandbreitenregelungen die Kategorisierung als vollharmonisierende Richtlinie nicht aus.136 Vielmehr kann bereits vom Fehlen einer für die Mindestharmonisierung typischen allgemeinen sekundärrechtlichen Öffnungsklausel auf die Intention der Vollharmonisierung geschlossen werden.137 Teilweise wird der vollharmonisierende Charakter der Richtlinie aber auch ausdrücklich in der Richtlinie benannt.138

133 Klamert, EuZW 2015, 265, 265, der die Vollharmonisierung deshalb auch als Antonym zur Mindestharmonisierung bezeichnet; Riehm, JZ 2006, 1035, 1036; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4; Veil, in: Meyer/ders./Rönnau (Hrsg.), Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rn. 20. 134 EuGH, Urt. v. 11. Mai 1999, Rs. C-350/97, ECLI:EU:C:1999:242 Rn. 24 – Wilfried Monsees; EuGH, Urt. v. 23. Mai 1996, Rs. C-5/94, ECLI:EU:C:1996:205 Rn. 18 – Hedley Lomas. 135 Klamert spricht davon, dass Schutzinteressen „unionisiert“ wurden: Klamert, EuZW 2015, 265, 267. 136 EuGH Urt. v. 25. April 2002, Rs. C-52/00, ECLI:EU:C:2002:252 Rn. 19 – Kommission/ Frankreich; Hitze/Hauser, NZG 2016, 1365, 1366; Riehm, JZ 2006, 1035, 1036; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4. 137 EuGH Urt. v. 25. April 2002, Rs. C-154/00, ECLI:EU:C:2002:254 Rn. 14 – Kommission/Griechenland; EuGH Urt. v. 25. April 2002, Rs. C-52/00, ECLI:EU:C:2002:252 Rn. 18 – Kommission/Frankreich. 138 Art. 4 der Richtlinie 2019/770/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. L 136/1; Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 der Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl. L 294/13; Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinie 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung 2006/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 149/22.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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2. Richtlinien mit dem Erfordernis eines tatsächlichen Handelns der Mitgliedstaaten Richtlinien dienen zwar in ihrer Hauptfunktion der Rechtsangleichung in den Mitgliedstaaten, sie können aber auch zur Erreichung anderer Ziele eingesetzt werden. Das Handlungsinstrument der Richtlinie enthält somit nicht immer Regelungen, die darauf ausgerichtet sind, das Verhalten Dritter zu beeinflussen, sondern es kann auch Regelungen treffen, die lediglich die Mitgliedstaaten selbst dazu verpflichten, tatsächliche Handlungen vorzunehmen oder ein bestimmtes Vorgehen zu unterlassen.139 Ob solche Regelungen auch einer Umsetzung in nationales Recht bedürfen, wird im Folgenden näher beleuchtet. a) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln Das Handlungsinstrument der Richtlinie wird auch dazu verwendet, das mitgliedstaatliche Verwaltungs- und Regierungshandeln zu vereinheitlichen und den Mitgliedstaaten ein bestimmtes tatsächliches Handeln vorzuschreiben.140 Dies geschieht unter anderem durch die Auferlegung von Berichts- und Kooperationspflichten für den europäischen Verwaltungsverbund, welche in einer Richtlinie geregelt werden.141 Im Unterschied zu Richtlinien mit dem Ziel der Rechtsangleichung, deren Regelungscharakter soeben besprochen wurde, verfolgen Richtlinien zur Vereinheitlichung von mitgliedstaatlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln eine andere Zielsetzung und Ratio: Während die rechtsangleichende Richtlinie als Instrument für eine gestufte und damit kompetenzschonende Rechtsetzung verstanden wird, die dem nationalen Gesetzgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum erhält,142 verfolgt die Richtlinie zur Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln das Ziel, das Zusammenwirken der mitgliedstaatlichen Behörden mit der Kommission sowie das Zusammenwirken der Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten untereinander zu regeln und zu organisieren.143 Anders als die rechtsangleichenden Richtlinien dienen diese Richt139 Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, S. 65; Peek, Richtlinienumsetzung: Europarechtliche Anforderungen und mitgliedstaatliche Praxis, S. 116. 140 Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197; Sydow, JZ 2009, 373, 373. 141 Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197; Sydow, JZ 2009, 373, 373. 142 EuGH, Urt. v. 29. Juni 1993, Rs. C-298/89, EU:C:1993:267 Rn. 16 – Gibralta/Rat; Husmann, NZS 2010, 655, 658; Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 57 AEUV Rn. 54; Krohn, ZUR 2018, 385, 385; Mittwoch, JuS 2010, 767, 760; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197; kritisch zur Funktion der Richtlinie als kompetenzschonendes Rechtsetzungsinstrument: Sydow, JZ 2009, 373, 374 f. 143 Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht Rn. 64.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

linien somit nicht als möglichst kompetenzschonendes Rechtsetzungsmittel, sondern sie nehmen eine andere Funktion ein: Als Handlungsinstrument, welches einer gestuften Rechtsetzung bedarf, entlastet die Richtlinie den europäischen Gesetzgeber, indem die Richtlinie die systematisierende Einordnung der Verfahrensregeln dem nationalen Gesetzgeber überlässt.144 Dieser Unterschied führt dazu, dass die Anforderungen, die an den ordnungsgemäßen Umgang mit der Richtlinie gestellt werden, unterschiedlich ausfallen: Während rechtsangleichende Richtlinien innerhalb der Umsetzungsfrist durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen und eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen möglich ist,145 spricht vieles dafür, Artikel 288 Abs. 3 AEUV so zu verstehen, dass Richtlinien zwar regelmäßig der Umsetzung bedürfen, es aber nicht ausgeschlossen ist, dass Richtlinien, die sich ausschließlich an mitgliedstaatliche oder europäische Behörden richten – wie das bei Richtlinien zur Vereinheitlichung des Verwaltungs- und Regierungshandelns regelmäßig der Fall ist – auch ohne Umsetzung und ohne besondere Voraussetzungen unmittelbar anwendbar sind.146 Für ein solches Verständnis spricht auch die oben dargestellte Funktion der Richtlinie zur Vereinheitlichung von mitgliedstaatlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln, die anders als bei der rechtsangleichenden Richtlinie nicht in einer Kompetenzschonung liegt. Der Europäische Gerichtshof hat – dieser Linie folgend – klargestellt, dass eine Bestimmung, die nur die Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und der Kommission betrifft, grundsätzlich nicht umgesetzt werden muss147 und somit ordnungsgemäß erfüllt ist, wenn die Mitgliedstaaten den ihnen auferlegten Pflichten tatsächlich nachkommen, ohne dass dies durch legislative Maßnahmen zwingend sichergestellt werden müsste.148

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Sydow, JZ 2009, 373, 377. Siehe zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit von rechtsangleichenden Richtlinien die Darstellung bei: Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 48–77. 146 Sydow, JZ 2009, 373, 379. 147 EuGH Urt. v. 29. März 2012, Rs. C-504/09 P, ECLI:EU:C:2012:178 Rn. 49 – Kommission/Polen; EuGH, Urt. v. 30. November 2006, Rs. C-32/05, ECLI:EU:C:2006:749 Rn. 35 – Kommission/Luxemburg; EuGH Urt. v. 24. Juni 2003, Rs. C-72/02, ECLI:EU:C:2003:369 Rn. 19 f. – Kommission/Portugal; EuGH Urt. v. 20. November 2003, Rs. C-296/01, ECLI: EU:C:2003:626 Rn. 92 – Kommission/Frankreich. 148 EuGH, Urt. v. 30. November 2006, Rs. C-32/05, ECLI:EU:C:2006:749 Rn. 35 – Kommission/Luxemburg; EuGH Urt. v. 29. März 2012, Rs. C-504/09 P, ECLI:EU:C:2012:178 Rn. 49 – Kommission/Polen; Gundel, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. IV, Art. 288 AEUV Rn. 20; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 197. 145

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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b) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreeningund Berichterstattungspflichten Richtlinien, die den Mitgliedstaaten die Überprüfung der nationalen Rechtsordnung auf die Vereinbarkeit mit europäischem Recht und gegebenenfalls auf die politische Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Einschränkungen auferlegen149 (Normenscreeningpflicht), wenden sich – wie die Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung des mitgliedstaatlichen Verwaltungs- und Regierungshandelns – allein an die Mitgliedstaaten und ihre Organe und begründen keine Rechtspositionen des Bürgers. Im Rahmen ihrer Untersuchungspflicht prüfen die Mitgliedstaaten beispielsweise, ob der im Anwendungsbereich der Richtlinie liegende nationale Normenbestand den Deregulierungspflichten der Richtlinie entspricht.150 Sofern dies nicht der Fall ist und auch kein Ausnahmetatbestand greift, muss der Mitgliedstaat die entsprechenden Normen aufheben oder anpassen, damit die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt wird.151 Über das Verfahren der Normendurchsicht und die daraus resultierenden Ergebnisse besteht in der Regel eine Berichterstattungspflicht an die Kommission, wodurch der Kommission die Möglichkeit gegeben wird, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.152 Für die Auferlegung von Screening- und Berichterstattungspflichten kann beispielhaft Artikel 4 Abs. 1 der Verhältnismäßigkeitsrichtlinie153 genannt werden: „Die Mitgliedstaaten nehmen vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den in der Richtlinie festgelegten Bestimmungen vor.“

Ferner können Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit154, Artikel 9 und Artikel 15 in Verbindung mit Artikel 39 der Dienstleistungsricht149 Adalid, Rev. UE 2017, 496, 497; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht Rn. 152a; Payrhuber und Stelkens sprechen von Richtlinien mit dem Ziel einer aktiven Deregulierung: Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 198 f. 150 Eine Überprüfungspflicht enthält zum Beispiel Art. 15 Abs. 1, 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36. 151 EuGH, Urt. v. 17. März 2015, Rs. C-533/13, ECLI:EU:C:2015:173 Rn. 30 – Auto-ja Kuljetusalan Työntekjäliitto AKT ry/Öljytuote ry; eine Aufhebungspflicht enthält zum Beispiel Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Dienstleistungsrichtlinie. 152 Lemor/Haake, EuZW 2009, 65, 70; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 199; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht Rn. 152a. 153 Richtlinie 2018/958/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. L 173/25; die in der Richtlinie enthaltenen Regelungen bespricht: Schäfer, EuZW 2018, 789–798; kritisch gegenüber der Verhältnismäßigkeitsrichtlinie äußert sich: Stöbener de Mora, EuZW 2017, 287–292. 154 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit, ABl. L 327/9.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

linie155 und Artikel 59 der Berufsanerkennungsrichtlinie156 genannt werden. Berichterstattungspflichten können sowohl als einmalige als auch als dauerhaft zu erfüllende Pflichten ausgestaltet sein,157 was aber nichts daran ändert, dass eine tatsächliche Umsetzung dieser Pflichten zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten genügt.

3. Auswirkungen der Art der Richtlinie auf das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings a) Die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung Bei Richtlinien, die von der Europäischen Union als Instrument der Rechtsangleichung eingesetzt werden, ist sowohl bei Mindestharmonisierungsrichtlinien als auch bei vollharmonisierenden Richtlinien eine Umsetzung in das nationale Recht, die als Fall des Gold-Platings eingeordnet wird, möglich. Insbesondere bei vollharmonisierenden Richtlinien ist die Möglichkeit, über die Anforderungen der Richtlinie hinauszugehen, jedoch stark eingeschränkt und begrenzt. aa) Mindestharmonisierende Richtlinien Wie oben dargestellt, zeichnen sich europäische Richtlinien mit dem Ziel der Mindestharmonisierung dadurch aus, dass der nationale Gesetzgeber nicht nur den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der umzusetzenden Richtlinienregelungen erweitern kann, ihm also diesbezüglich ein legislativer Gestaltungsspielraum zukommt (unechtes Gold-Plating), sondern er auch innerhalb 155 Zur Durchführung des Normenscreeningverfahrens in Deutschland: Lemor/Haake, EuZW 2009, 65, 68 f.; Ruge, Der Einheitliche Ansprechpartner, S. 56; zur Umsetzung der Richtlinie in Frankreich: Adalid, Rev. UE 2017, 496–502. 156 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255/22 und auch die nachfolgende Richtlinie: Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung 1024/2012/EU über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems, ABl. L 354/132; Art. 59 der Berufsanerkennungsrichtlinie ausführlich besprechend: Henssler/Schäfer, EuZW 2014, 927–932; zum Verfahren nach Art. 59 der Berufsanerkennungsrichtlinie sowie zur zeitgleich erlassenen Mitteilung der EU-Kommission zur Berufsreglementierung: Leisner, WiVerw 2014, 251–268; Stork, GewA 2015, 236–242; klarstellend, dass die Berufsanerkennungsrichtlinie lediglich formelle, aber keine materiellen Anforderungen enthält: Burgi, WiVerw 2018, 181, 237 f. 157 So auch: Prechal, Directives in EC law, S. 47; Art. 59 Abs. 4 der Berufsanerkennungsrichtlinie sieht etwa eine zweijährige Berichterstattungspflicht der Mitgliedstaaten an die Kommission darüber vor, welche Anforderungen sie gelockert oder aufgehoben haben. Die Verhältnismäßigkeitsrichtlinie trifft Regelungen über die Anwendung eines spezifischen Prüfungsmaßstabes bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Erlasses von Rechtsund Verwaltungsvorschriften im Anwendungsbereich der Berufsanerkennungsrichtlinie, die eine dauerhaft zu erfüllende Pflicht darstellt.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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des Anwendungsbereiches der Richtlinie inhaltliche Anpassungen – sofern sie zu einer Schutzverstärkung führen – vornehmen kann (echtes Gold-Plating). Während der nationale Gesetzgeber hinsichtlich der Ausweitung des Anwendungsbereiches einer Richtlinie sowohl in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht keine besonderen europarechtlichen Grenzen beachten muss,158 ist er bei der inhaltlichen Übererfüllung einer Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereiches in der Regel nicht gänzlich frei. Bei der inhaltlichen Übererfüllung von Richtlinien ist zwischen zwei verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden, bei denen verschiedene Anforderungen beachtet werden müssen: Handelt es sich bei der Normierung strengerer Regelungen um solche, die lediglich auf rein inländische Sachverhalte Anwendung finden, ist der nationale Gesetzgeber gänzlich frei, strengere Maßnahmen zu erlassen, ohne dabei an europarechtliche Grenzen gebunden zu sein. Eine Überprüfung anhand der Grundfreiheiten ist für rein innerstaatliche Tatbestände ausgeschlossen, da der Anwendungsbereich des Unionsrechts mangels grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht eröffnet ist.159 Diese Fälle kommen vor allem dann vor, wenn Richtlinien sogenannte Freiverkehrsklauseln enthalten, die dazu führen, dass die mitgliedstaatliche Befugnis, strengere Maßnahmen zu erlassen, auf rein inländische Sachverhalte beschränkt ist. Der Mitgliedstaat muss weiterhin Dienstleistungen oder Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die den Bestimmungen der Richtlinie genügen, zulassen.160 Ein Mitgliedstaat kann somit für grenzüberschreitende Sachverhalte keine höheren Anforderungen erlassen als in der Richtlinie enthalten sind. 158 Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, S. 29 ff.; Krebs/Jung, in: dies./ders./Stiegler (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in Europa, § 2 Rn. 200; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 386; Mittwoch, JuS 2017, 296, 296 f.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ders. (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 181 ff.; Schwarze betont jedoch richtigerweise, dass auch die Regelungen außerhalb des Anwendungsbereiches, die ein unechtes Gold-Plating darstellen, an den Grundfreiheiten – sofern diese im Einzelfall anwendbar sind – zu überprüfen sind; insoweit handelt es sich um eine „normale“ Prüfung nationalen Rechts anhand der Grundfreiheiten außerhalb des harmonisierten Bereiches: Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 750. 159 Die Fragestellung der europarechtlichen Grenzen bei überschießender Umsetzung für rein inländische Sachverhalte untersucht auch: Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 172 ff.; zum Grundsatz, dass eine Schlechterstellung von Inländern in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt unionsrechtskonform ist: Riese/Noll, NVwZ 2007, 516–521. 160 Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 19; Classen, in: Oppermann/ders./Nettesheim. (Hrsg.), Europarecht, § 32 Rn. 35; von Danwitz, in: Dauses/Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. I, B.II Rn. 124; Herrnfeld, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 114 AEUV Rn. 67; Schröder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 49 f.; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. III, Art. 114 AEUV Rn. 21; zur Freiverkehrsgarantie in der Tabakprodukt-Richtlinie: Koenig/ Engelmann, ZLR 2002, 395–410.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

Will ein Mitgliedstaat auch für grenzüberschreitende Sachverhalte über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinausgehen und die umzusetzende Richtlinie enthält keine Freiverkehrsklausel, die eine solche Umsetzungspraxis verbietet, hat der nationale Gesetzgeber bestimmte europarechtliche Grenzen bei der Umsetzung zu beachten und einzuhalten: Die oben bereits erwähnten Öffnungsklauseln161, die sowohl im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union162 (primärrechtliche Öffnungsklauseln) als auch in den Richtlinien selbst (sekundärrechtliche Öffnungsklauseln) enthalten sein können,163 schränken die legislative Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers dahingehend ein, dass Regelungen, die über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinausgehen, mit den Verträgen, das heißt mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag über die Europäische Union, vereinbar sein müssen. Von den Mitgliedstaaten sind beim Gold-Plating einer Richtlinie somit insbesondere die Grundfreiheiten zu berücksichtigen.164 Fehlt es sowohl an einer sekundärrechtlichen als auch an einer primärrechtlichen ausdrücklichen Klarstellung, dass im Rahmen des Gold-Platings die Grenzen des Unionsrechts einzuhalten sind – so etwa mangels primärrechtlicher Normierung für Binnenmarktrichtlinien165 – ist fraglich, ob die Regelungen, die über die Minimalstandards hinausgehen, ebenfalls an den Verträgen, insbesondere an den Grundfreiheiten, zu messen sind oder ob mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung keine Überprüfung anhand der Verträge erfolgt.166 Zunächst ist festzuhalten, dass die Auffassung, dass ohne primärrechtliche Öffnungsklauseln eine über die Mindeststandards hinausgehende Umsetzung der Richtlinie rechtlich nicht möglich sei, da ohne bestehende Öffnungsklauseln nur vollharmonisierende Richtlinien erlassen werden können, zu kurz greift.167 Der Argumentation, den Vertragsparteien werde ansonsten unterstellt, sie hätten die Regelungsbereiche, die keine Öffnungsklauseln enthalten, nicht für bedeutsam genug gehalten, 161 Auch als Schutzklausel, Schutzverstärkungsklausel, Harmonisierungsdurchbrechungsklausel oder Opting-Out-Clause bezeichnet. 162 Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV, Art. 153 Abs. 4 2. Spiegelstrich AEUV, Art. 168 Abs. 4 lit. a AEUV, Art. 169 Abs. 4 Satz 1 AEUV, Art. 193 Satz 1 AEUV. 163 Zum Verhältnis von primären und sekundären Öffnungsklauseln siehe die Darstellung bei: Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 156 ff. 164 Klamert, EuZW 2015, 265, 267; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 393; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 277; bei der Frage des Einflusses des Primärrechts insbesondere auf die Grundfreiheiten eingehend: Heiderhoff, ZEuP 2001, 276, 282; Heiderhoff, ZJS 2008, 25, 27 f.; Köndgen/Mörsdorf, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 27 ff. 165 Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV gilt nur für vollharmonisierende Richtlinien. 166 So findet sich für binnenmarktrechtliche Richtlinien keine vergleichbare Normierung, dass Schutzverstärkungen an den Verträgen zu messen sind (Art. 114 Abs. 1 AEUV). Diese Frage wird ausführlich besprochen bei: Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 269 ff. 167 So auch: Lutter, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. I, S. 765, 771.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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um für sie vergleichbare Regelungen – wie etwa beim Umweltschutz – zu normieren,168 kann entgegengehalten werden, dass die Öffnungsklauseln die ohnehin bestehende Möglichkeit, Richtlinienbestimmungen überschießend umzusetzen, nur für bestimmte Bereiche nochmals ausdrücklich unter Klarstellung der unionsrechtlichen Grenzen benennen.169 Denn die Möglichkeit, mindestharmonisierende Richtlinien zu erlassen, folgt bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.170 Liegt somit eine mindestharmonisierende Richtlinie vor, für die weder primärrechtlich noch sekundärrechtlich ausdrücklich bestimmt ist, dass bei der Einführung strengerer Maßnahmen in das nationale Recht die Grenzen der Verträge zu wahren sind, ergibt sich das Erfordernis der Vereinbarkeit mit den Verträgen – insbesondere mit den Grundfreiheiten – bereits aus dem Grundsatz des allgemeinen Anwendungsvorrangs des Unionsrechts:171 Es ist anerkannt, dass die Grundfreiheiten im Anwendungsbereich des Unionsrechts unmittelbar Geltung entfalten und sie als Verbotsnormen in den Mitgliedstaaten anwendbar sind.172 In Verbindung mit dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts173 folgt daraus, dass mitgliedstaatliches Recht, das in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und das gegen die Grundfreiheiten verstößt, aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar ist.174 Da der Europäische Gerichtshof den Anwendungsbereich des Unionsrechts so weit definiert, dass dieser auch Gesetze umfasst, die eine Umsetzung jenseits zwingender Richtlinienvorgaben darstellen,175 sind auch Normen, die eine Richtlinienbestimmung 168

Burmeister/Staebe, EuR 2009, 444, 450. Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 749. 170 So auch: Streinz, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung im Europäischen Binnenmarkt, S. 9, 27 f. 171 Ausführlich zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts: Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf/ders. (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 1 AEUV Rn. 71 ff. 172 Erstmals durch: EuGH, Urt. v. 5. Februar 1963, Rs. 26/62, ECLI:EU:C:1963:1 S. 25 ff. – van Gend&Loos/NiederländischeFinanzverwaltung; Pache, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 10 Rn. 8; für Art. 34 AEUV: Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 34 AEUV Rn. 20; für Art. 45 und 49 AEUV: Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 45 AEUV Rn. 229, Art. 49 AEUV Rn. 69; für Art. 63 AEUV: Ukrow/Ress, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 63 AEUV Rn. 133; ausführlich zur unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts: Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 25–32. 173 Grundlegende Entscheidung des EuGH zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts: EuGH, Urt. v. 15. Juli 1964, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 S. 1270 – Costa/ENEL; zum Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts: Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 16–24; explizit zum Anwendungsvorrang der Grundfreiheiten vor nationalem Recht: Pache, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 10 Rn. 10 f. 174 Zum Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts: Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 16–24. 175 EuGH, Urt. v. 27. Juni 2006, Rs. C-540/03, ECLI:EU:C:2006:429 Rn. 104 ff. – Parlament/Rat. 169

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

überschießend umsetzen, anhand der Grundfreiheiten zu messen und bei einem Verstoß gegen diese sind sie – aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts – unangewendet zu lassen.176 Auch der Grundsatz der Unionstreue als allgemeiner Rechtsgrundsatz177 und Verfassungsstrukturprinzip178 der Europäischen Union, der seine Ausprägung vor allem in Artikel 4 Abs. 3 EUV findet,179 spricht für dieses Ergebnis. Nach dem Grundsatz der Unionstreue sind die Mitgliedstaaten unter anderem dazu verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.180 Mitgliedstaatliches Recht darf deshalb nicht die uneingeschränkte und einheitliche Anwendung des Unionsrechts beeinträchtigen.181 Im Zusammenhang mit der legislativen Umsetzung von europäischem Recht folgt aus dem Grundsatz der Unionstreue somit die Pflicht der Mitgliedstaaten, namentlich der nationalen Gesetzgeber, im nationalen Recht die Konsequenzen aus der Zugehörigkeit zur Union zu ziehen.182 Das Primärrecht, insbesondere die Grundfreiheiten, stellen also auch ohne ausdrückliche primärrechtliche oder sekundärrechtliche Aufforderung zur Einhaltung der Verträge die unionsrechtlich zulässige Grenze des Gold-Platings für die Mitgliedstaaten dar.183 Auch der Grundsatz der Normenhierarchie184 spricht für ein solches Verständnis: Der Vorrang des Primärrechts vor dem Sekundärrecht ist ebenfalls anerkannt185 und führt dazu, dass innerhalb des Unionsrechts das Primärrecht über

176 Die Reichweite des Anwendungsbereiches des Unionsrechts vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte besprechend: Ziegenhorn, NVwZ 2010, 803, 806 f. 177 Böringer/Marauhn, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 7 Rn. 16; Calliess/Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 97, 106; Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip in der Europäischen Union, S. 36 ff.; Unruh, EuR 2002, 41, 61 f. 178 Böhringer/Maurahn, in: Schulze/Janssen/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 7 Rn. 12; Calliess/Kahl/Puttler, in: ders/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34. 179 Deshalb wird Art. 4 Abs. 3 AEUV auch als „Geschäftsgrundlage“ des europäischen Integrationskonzepts bezeichnet: Calliess/Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 4 AEUV Rn. 97; Neframi, Rev. UE 2012, 197, 201. 180 Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 EUV. 181 EuGH, Urt. v. 15. Juli 1964, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 S. 1270 – Costa/ENEL; Hatje, in: Schwarze/Becker/ders./Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 4 EUV Rn. 32 ff. 182 EuGH, Urt. v. 08. Februar 1973, Rs. 30/72, ECLI:EU:C:1973:16 Rn. 11 – Kommission/ Italien; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 109. 183 Der gleichen Auffassung sind auch: Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, S. 40 f; Schroeder, JRP 2018, 227, 230; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 271; Lutter spricht davon, dass Richtlinien deshalb Obergrenzen immanent sind: Lutter, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. I, S. 765, 780. 184 Zur Normenhierarchie innerhalb des Unionsrechts: Nettesheim, EuR 2006, 737–772; das Verhältnis zwischen Primär- und Sekundärrecht in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie besprechend: Schiff, EuZW 2015, 899–904. 185 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/ders. (Hrsg.), Europararecht, § 10 Rn. 38.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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dem Sekundärrecht und somit über dem Handlungsinstrument der Richtlinie steht. Aufgrund dieser Hierarchieebenen müssen die Vorgaben und Grenzen der Verträge bei der Verabschiedung von Sekundärrecht gewahrt werden und der Sekundärrechtsakt anhand des Primärrechts ausgelegt werden.186 Durch die Zweistufigkeit der Rechtsetzung, die der Richtlinie immanent ist, müssen die Verträge konsequenterweise auch bei der Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht beachtet werden, sodass eine inhaltliche Übererfüllung der Richtlinienvorgaben durch die Mitgliedstaaten nicht dazu führen darf, dass die nationalen Regelungen dem europäischen Primärrecht zuwiderlaufen. Für binnenmarktrechtliche Richtlinien führt Schultze vor dem Hintergrund der Wichtigkeit der Angleichung des Binnenmarktes zudem – richtigerweise – an, dass die Möglichkeit von Gold-Plating bei der Umsetzung in das nationale Recht erst recht an den Verträgen zu prüfen sein muss.187 Abschließend lässt sich somit festhalten, dass alle überschießenden Maßnahmen, die seitens der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen in nationales Recht getroffen werden und bei denen es sich weder um die Ausweitung des sachlichen oder persönlichen Anwendungsbereiches noch um die Regelung rein inländischer Sachverhalte handelt, mit den Verträgen – insbesondere mit den Grundfreiheiten – vereinbar sein müssen. Ob dies der Fall ist, wird in der Praxis188 durch eine mit der über die Vereinbarkeit einer nationalen Norm im nicht harmonisierten Bereich vergleichbaren Prüfung189 beurteilt.190 Es findet somit insbesondere eine Prüfung der Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten statt.191 An diese Prüfung schließt sich als Schranken-Schranke eine Verhältnismäßigkeitsprüfung an, die verlangt, dass die nationale Regelung, die eine Beschränkung der Grundfreiheit darstellt, nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.192 Bei Normen, die über die Mindestanforderungen einer Richtlinienbestimmung hinausgehen, findet somit eine Abwägung zwischen binnenmarktrechtlichen und

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Nettesheim, in: Oppermann/Classen/ders. (Hrsg.), Europararecht, § 10 Rn. 38. Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 270 f. 188 EuGH, Urt. v. 23. Mai 1990, Rs. C-169/89, ECLI:EU:C:1990:227 – Gourmetterie. 189 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge vom 20. März 1990, Rs. C-169/89, ECLI: EU:C:1990:227, Rn. 7 f. – Gourmetterie. 190 Siehe zum Prüfungsumfang im nicht harmonisierten Bereich die Darstellung bei: Sauer, JuS 2017, 310, 314 ff. 191 Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, S. 353; Schultze, Europarechtliche Grenzen für die nationale Gesetzgebung im Bereich des Electronic Commerce, S. 262. 192 St. Rspr.: EuGH, Urt. v. 09. Dezember 2010, Rs. C-421/09, ECLI:EU:C:2010:760 Rn. 34 – Humanplasma; EuGH, Urt. v. 26. April 2012, Rs. C-456/10, ECLI:EU:C:2012:241 Rn. 45 – ANETT; EuGH, Urt. v. 23. Dezember 2015, Rs. C-333/14, ECLI:EU:C:2015:845 Rn. 33 – Scotch Whisky Association; EuGH, Urt. v. 19. Oktober 2016, Rs. C-148/15, ECLI: EU:C:2016:776 Rn. 34 – Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. 187

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

den mit der überschießenden Umsetzung verfolgten Zielen statt. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung stützt sich dabei auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Rang des Primärrechts anerkannt ist.193 Für Mindestharmonisierungsrichtlinien lässt sich somit festhalten, dass die Mitgliedstaaten sowohl bei der Ausweitung des Anwendungsbereiches (unechtes Gold-Plating) als auch bei der Normierung strengerer Maßnahmen, die sich allein auf inländische Sachverhalte erstrecken, die uneingeschränkte legislative Gestaltungsfreiheit haben. Auch bei der Umsetzung strengerer Maßnahmen innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie (echtes Gold-Plating) kommt den Mitgliedstaaten eine legislative Gestaltungsfreiheit zu. Diese ist jedoch nicht uneingeschränkt, sondern durch die Pflicht, die europarechtlichen Grenzen einzuhalten, die sich insbesondere aus der Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten ergeben, begrenzt. bb) Vollharmonisierende Richtlinien Bei vollharmonisierenden Richtlinien ist es vor dem Hintergrund des weitestgehend abschließenden Regelungsanspruchs der Richtlinie komplizierter zu beurteilen, ob bei dieser Harmonisierungstiefe die Umsetzungspraxis des GoldPlatings durch die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Unionsrechts rechtlich möglich ist. Auch bei der Umsetzung von vollharmonisierenden Richtlinien ist zwischen der Ausweitung des Anwendungsbereiches einer Richtlinie und dem Erlass strengerer Maßnahmen innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie zu unterscheiden. Wie auch bei Mindestharmonisierungsrichtlinien ist eine Ausweitung des Anwendungsbereiches (unechtes Gold-Plating) bei vollharmonisierenden Richtlinien ohne zusätzliche Einschränkungen möglich, da sich in Bezug auf die Ausweitung des sachlichen oder persönlichen Anwendungsbereiches einer Richtlinie die charakteristischen Unterschiede zwischen mindest- und vollharmonisierenden Richtlinien nicht auswirken: Vollharmonisierende Richtlinien enthalten zwar abschließende Regelungen für den von ihnen bestimmten Anwendungsbereich, beschränken sich jedoch auf genau diesen. Außerhalb der durch die Richtlinien geregelten Anwendungsbereiche liegt die Entscheidungsmacht, die europäischen Regelungen zur Regelung eines anderen Sachbereiches zu übernehmen, somit ausschließlich auf nationaler Ebene.194 Die Beurteilung, ob bei vollhar193 Brigola, in: Dauses/Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. I, C.I Rn. 314; Kischel, EuR 2000, 380, 382. 194 Niessen, in: Due/Luther/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, Bd. II, S. 971, 972 f.; zur Zulässigkeit von unechtem Gold-Plating bei vollharmonisierenden Richtlinien siehe die Entscheidungen: EuGH, Urt. v. 06. November 2003, Rs. C-101/01, ECLI:EU:C:2003:596 Rn. 98 – Bodil Lindqvist; EuGH, Urt. v. 12. Juli 2012, Rs. C-602/10, ECLI:EU:C:2012:443 Rn. 38 ff. – SC Volksbank Romaˆnia SA; sofern die Grundfreiheiten anwendbar sind, sind die Regelungen außerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie aber ebenfalls an den Grundfreiheiten zu messen.

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monisierenden Richtlinien auch die Umsetzungspraxis des echten Gold-Platings rechtlich möglich ist, ohne dass der Mitgliedstaat gegen seine Umsetzungspflicht verstößt und damit gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren195 befürchten muss, muss detailliert und unter Beachtung der verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Richtlinie erfolgen. Eine pauschalisierte Aussage, vollharmonisierende Richtlinien könnten innerhalb ihres sachlichen und persönlichen Anwendungsbereiches nicht überschießend umgesetzt werden, ist deshalb verfehlt und trägt den rechtlichen Nuancen bei der Richtlinienausgestaltung und -umsetzung nicht hinreichend Rechnung.196 Es ist zwar richtig, dass der vollharmonisierenden Richtlinie charakteristisch ein abschließender Regelungscharakter zukommt, jedoch entfällt der vollharmonisierende Charakter der Richtlinie nicht schon deshalb, weil – wie oben aufgezeigt – einzelne Regelungsoptionen enthalten sind. Nach dem politischen Begriffsverständnis, das auch das Ausnutzen von Regelungsoptionen als einen Fall des Gold-Platings einordnet, können auch vollharmonisierende Richtlinien, sofern sie Optionsklauseln, Wahlvorschriften oder Bandbreitenregelungen enthalten, inhaltlich – in dem begrenzten Bereich dieser Regelungen – überschießend umgesetzt werden und damit einen Fall von GoldPlating darstellen.197 Zudem besteht auf der Grundlage primärrechtlicher „Schutzverstärkungsklauseln“198 für die Mitgliedstaaten auch bei vollharmonisierenden Richtlinien die Möglichkeit – unter engen Voraussetzungen – strengere Vorschriften in das nationale Recht einzuführen beziehungsweise bereits bestehende strengere Vorschriften des nationalen Rechts beizubehalten. Die primärrechtlichen Schutzverstärkungsklauseln finden sich – für Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarkts199 im Sinne des Artikel 26 AEUV – in Artikel 114 Abs. 4 und 5 AEUV und eröffnen auch für Richtlinienbestimmungen mit abschließendem Regelungscharakter die Möglichkeit, strengere Anforderungen als die in der Richtlinie normierten Anforderungen zu erlassen, sofern die erhöhten Anforderungen an die Abweichungsmöglichkeiten erfüllt werden. Die zu erfüllenden Voraussetzungen werden im Folgenden kurz dargestellt, um zu verdeut-

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Art. 258 AEUV. So aber etwa: Habersack/Mayer, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 14 Rn. 17; Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, S. 62; Riehm, JZ 2006, 1035, 1036, 1045. 197 So auch: Riehm, JZ 2006, 1035, 1036; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4; Veil, in: Meyer/ders./Rönnau (Hrsg.), Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rn. 22. 198 Schröder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 52; ebenfalls den Begriff Schutzverstärkung verwendend: Herrnfeld, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 114 AEUV Rn. 93; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 14; von Schutzergänzungsklauseln spricht Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. III, Art. 114 AEUV Rn. 81. 199 Zum Regelungsziel der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarktes: Classen, in: Oppermann/ders./Nettesheim (Hrsg.), Europarecht, § 32 Rn. 9 ff. 196

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

lichen, dass bei vollharmonisierenden Richtlinien zwar ebenfalls die Einführung strengerer Maßnahmen innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie rechtlich möglich ist, die Mitgliedstaaten aber wesentlich höhere Hürden überwinden müssen, um von den Richtlinienvorgaben rechtlich abweichen zu dürfen. Die Schutzverstärkungsklauseln der Absätze 4 und 5 finden im Anwendungsbereich des Artikels 114 Abs. 1 AEUV200 Anwendung. Danach können die Mitgliedstaaten auch bei vollharmonisierenden Richtlinien abweichende Regelungen zugunsten eines höheren Schutzniveaus treffen, sofern die Voraussetzungen der Schutzverstärkungsklauseln gegeben sind. Während Absatz 4 die Beibehaltung strengerer Normen regelt, setzt Absatz 5 Voraussetzungen für die nachträgliche Einführung abweichender, strengerer Normen fest. Gemeinsame Voraussetzungen von Absatz 4 und 5 sind das Vorliegen einer Harmonisierungsmaßnahme im Sinne des Absatzes 1, das Abweichen des Mitgliedstaates hin zu einem höheren Schutzniveau und die Verhältnismäßigkeit der Abweichungen vom Harmonisierungsrechtssatz. Im Rahmen von Absatz 4 und 5 sind alle Mitgliedstaaten berechtigt – sofern die Voraussetzungen der Schutzverstärkungsklauseln vorliegen – abweichende Regelungen zu treffen, egal wie im Abstimmungsprozess der Richtlinie durch den Staat abgestimmt wurde.201 Im Rahmen des Absatzes 4 muss neben den gemeinsamen Voraussetzungen von Absatz 4 und Absatz 5 noch ein in Artikel 114 Abs. 4 AEUV genannter Rechtfertigungsgrund vorliegen. Nach Absatz 4 stellen unter anderem die wichtigen Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 AEUV einen Rechtfertigungsgrund dar. Ein Rückgriff auf alle zwingenden Erfordernisse im Sinne der Cassis-deDijon-Rechtsprechung ist hingegen im Rahmen des Artikels 114 Abs. 4 AEUV nicht möglich, sodass Artikel 114 Abs. 4 AEUV nur die in Artikel 36 AEUV explizit genannten zwingenden Erfordernisse meint.202 Ferner stellen der Schutz der Arbeitsumwelt und der Umweltschutz Rechtfertigungsgründe im Sinne des Artikels 114 Abs. 4 AEUV dar. Ein Verweis auf das unterschiedliche Schutzniveau verschiedener Harmonisierungsmaßnahmen reicht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union nicht als Rechtfertigungsgrund für eine nationale Schutzverstärkung aus.203 Auch im Rahmen des Absatzes 5 muss zusätzlich zu den oben beschriebenen Voraussetzungen ein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Ein wichtiges Erfordernis 200 Zu den Anwendungsvoraussetzungen des Art. 114 Abs. 1 AEUV: von Danwitz, in: Dauses/Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. I, B.II Rn. 112 ff. 201 Ausführlich zu den gemeinsamen Voraussetzungen der Absätze 4 und 5: Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 99 f. 202 Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 107; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.) Frankfurter Kommentar, Bd. III, Art. 114 AEUV Rn. 85; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 114 AEUV Rn. 170. 203 EuGH, Urt. v. 20. März 2003, Rs. C-3/00, EU:ECLI:C:2003:167 Rn. 60 – Dänemark/ Kommission; Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 107; a.A. Bücker/Schlacke, NVwZ 2004, 62, 65 f.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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im Sinne des Artikels 36 AEUV reicht jedoch anders als für die Beibehaltung strengerer Normen als Rechtfertigungsgrund nicht aus. Die Gründe für die Einführung strengerer Bestimmungen dürfen vielmehr allein im Schutz der Umwelt oder Arbeitsumwelt liegen.204 Der mitgliedstaatliche Wille zur Einführung der strengeren Regelungen muss zudem auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen205 sowie auf einem spezifischen Problem für den Mitgliedstaat206, welches sich erst nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat,207 beruhen. Insofern stellt Artikel 114 Abs. 5 AEUV außerordentlich strenge Anforderungen an das Abweichen von vollharmonisierenden Richtlinien im Anwendungsbereich des Artikels 114 AEUV auf. Neben diesen inhaltlichen Anforderungen bedürfen die Abweichungen auf Verfahrensseite der begründeten Mitteilung an die Europäische Kommission sowie eines sich anschließenden Kommissionsbeschlusses, der die mitgliedstaatliche Abweichung genehmigt.208 Die kurze Darstellung der Anforderungen, die die Schutzverstärkungsklauseln des Artikel 114 AEUV aufstellen, damit die Mitgliedstaaten trotz angestrebter Vollharmonisierung vom europäischen Rechtssatz abweichen können, verdeutlicht, dass den Mitgliedstaaten bei vollharmonisierenden Richtlinien sehr hohe Hürden gesetzt werden, um strengere Regelungen einführen zu können. Nach überwiegender Meinung sind die Anforderungen zudem aufgrund eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses restriktiv auszulegen,209 was die Möglichkeit, von einer vollharmonisierenden Richtlinie abzuweichen, zusätzlich einschränkt. Es ist somit festzuhalten, dass im Rahmen des Artikels 114 AEUV zwar die rechtliche Möglichkeit besteht, von den Regelungen der vollharmonisierenden Richtlinien abzuweichen, diese Möglichkeit im Gegensatz zu derjenigen im Rahmen von mindestharmonisierenden Richtlinien jedoch deutlich erschwert und begrenzt ist.

204 Näher zu den Rechtfertigungsgründen im Sinne des Absatzes 5: Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 234 ff. 205 Dazu, wann neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen: Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 103 f. 206 Näher zur Spezifität des Problems: Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 105 f. 207 Zum Begriff der Nachträglichkeit: Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 107. 208 Näheres zu den verfahrensrechtlichen Vorschriften bei: Khan, in: Geiger/ders./Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 27 ff. 209 Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 209; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. III, Art. 114 AEUV Rn. 81; ein solches Regel-Ausnahmeverhältnis ablehnend: Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 87–89.

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A. Das Phänomen der Umsetzungspraxis des Gold-Platings

b) Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln Wie dargestellt wurde, bedürfen Richtlinien mit dem Ziel der Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln in der Regel nicht eines mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes in nationales Recht, um den Umsetzungsanforderungen der Richtlinie zu genügen. Die Mitgliedstaaten sind vielmehr zu einem tatsächlichen Handeln aufgrund der Richtlinie verpflichtet.210 Mangels Umsetzungsverpflichtung in nationales Recht findet sich das Phänomen des Gold-Platings von Richtlinienanforderungen bei der Umsetzung in das nationale Recht somit nicht bei dieser Art von Richtlinien wieder. c) Richtlinien als Ausgangspunkt von Normenscreenings Auch bei Richtlinienbestimmungen, die den Ausgangspunkt von Normenscreenings- und Berichterstattungspflichten bilden, wird von den Mitgliedstaaten nicht die Umsetzung in nationales Recht verlangt, sondern vielmehr ein tatsächliches Handeln in Form einer Normendurchsicht, Dokumentationspflicht und einer sich regelmäßig anschließenden Berichtserstattungspflicht an die Europäische Kommission. Auch bei dieser Richtlinienart fehlt es somit an der Umsetzungsverpflichtung in das nationale Recht, was dazu führt, dass das Phänomen des Gold-Platings auch hier keine Bedeutung hat.

4. Ergebnis Es lässt sich abschließend festhalten, dass das Handlungsinstrument der Richtlinie nicht nur zu Rechtsangleichungszwecken in den europäischen Mitgliedstaaten eingesetzt wird, sondern auch weitere Funktionen übernehmen kann. Hervorzuheben sind Richtlinienbestimmungen als Ausgangspunkt für Normenscreenings und die anschließende Berichterstattung an die Europäische Kommission und Richtlinienbestimmungen zur Vereinheitlichung von mitgliedschaftlichem Verwaltungs- und Regierungshandeln. Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche europäischer Richtlinien führen dazu, dass sich das Phänomen des Gold-Platings ausschließlich bei Richtlinien zeigt, die der Umsetzung in nationales Recht bedürfen, namentlich bei der Umsetzung rechtsangleichender Richtlinien. Ferner dürfen auch die Richtlinien zum Zwecke der Rechtsangleichung nicht pauschal unter dem Begriff der rechtsangleichenden Richtlinien verallgemeinert werden, sondern es muss vor dem Hintergrund der unterschiedlich hohen Harmonisierungsgrade der Richtlinien beurteilt werden, wann die Umsetzungspraxis des Gold-Platings überhaupt rechtlich möglich ist. Während sich für die Ausweitung des Anwendungsbereiches einer Richtlinie keine Unter-

210 Bedenken gegenüber einer fehlenden Umsetzungsverpflichtung äußernd: Peek, Richtlinienumsetzung: Europarechtliche Anforderungen und mitgliedstaatliche Praxis, S. 116 ff.

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III. Verschiedene Arten der Richtlinie und ihre Auswirkungen

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schiede zwischen mindest- und vollharmonisierenden Richtlinien ergeben, werden den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien höhere Hürden gesetzt, sofern sie innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie Richtlinienbestimmungen strenger ausgestalten wollen als in der Richtlinie vorgesehen. Auch für Mindestharmonisierungsrichtlinien ist festzuhalten, dass ein Gold-Plating der Richtlinienanforderungen innerhalb des Anwendungsbereiches nicht grenzenlos möglich ist und die Einführung strengerer Maßnahmen immer im Einklang mit dem europäischen Primärrecht stehen muss. Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse wird im weiteren Untersuchungsgang dieser Arbeit ausschließlich die klassische Verwendungsart der Richtlinie in ihrer Funktion als Rechtsangleichungsinstrument eine Rolle spielen. Sofern im Folgenden der Begriff (europäische) Richtlinie verwendet wird, ist deshalb immer die Richtlinienart der rechtsangleichenden Richtlinien gemeint, sofern nicht ausdrücklich auf eine anderweitige Verwendung hingewiesen wird.

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B. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland und Frankreich In Frankreich und in Deutschland beschäftigen sich sowohl die Politik als auch die rechtswissenschaftliche Literatur mit der Praxis des Gold-Platings bei der Umsetzung europäischer Richtlinien. Anders als in Frankreich ist die sogenannte „No-Gold-Plating-Politik“ in Deutschland schon länger im Fokus der Regierung. Dies veranschaulichen die Koalitionsverträge der vergangenen drei Legislaturperioden, die – unabhängig von der jeweiligen politischen Zusammensetzung – das Bestreben einer möglichst weitreichenden Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Richtlinien anstreben.1 Inwieweit in Deutschland dieses Bestreben auch weiterhin durch die neue Regierung verfolgt wird, lässt sich bisher nicht beurteilen. Insbesondere lässt der Koalitionsvertrag der 20. Legislaturperiode keine eindeutige Linie hinsichtlich der Umsetzung europäischen Rechts erkennen.2 In Frankreich ist das Thema Gold-Plating bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in den letzten Jahren stark im Fokus, was einerseits anhand des politischen Diskurses um das Phänomen des Gold-Platings und andererseits an der aktuellen Befassung mit diesem Thema in der Literatur deutlich wird.3

1 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Gemeinsam für Deutschland, 16. Legislaturperiode, Zeilen 3605 f., 6233 ff.; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, Wachstum. Bildung. Zusammenhalt, 17. Legislaturperiode, S. 115; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Deutschlands Zukunft gestalten, 18. Legislaturperiode, S. 12; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land, 19. Legislaturperiode, Zeilen 396, 2547 ff., 2910, 6455. 2 Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Mehr Fortschritt wagen, 20. Legislaturperiode. 3 Clavagnier, Juris associations 2018, 3; Landros-Fournale`s, D 2019, 2360–2361; Makowiak, RJE 2018, 667–669; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split, Vol. 57, Issue 1, 43–52; Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi; Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

I. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich 1. Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich und ihre Auswirkungen auf die Umsetzung von Richtlinien Dieser Abschnitt dient vor allem dem besseren Verständnis der Rechtsetzung und der Rechtsquellen in Frankreich und hat in dieser Funktion lediglich darstellenden Charakter, um die späteren Ausführungen zum Umgang Frankreichs mit der Umsetzung europäischer Richtlinien besser nachvollziehen zu können. a) Rechtsquellen und Rechtsetzung in Frankreich In Frankreich steht in der Normenhierarchie der Verfassungsblock (Bloc de Constitutionnalite´) bestehend aus der Verfassung der Fünften Französischen Republik von 1958 (Constitution de la Cinquie`me Re´publique), der Präambel der Verfassung von 1946 (Pre´ambule de la Constitution de 1946), der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 (De´claration des Droit de l’Homme et du Citoyen de 1789) und der Umweltcharta von 2004 (Charte de l’environnement)4 an oberster Stelle.5 Die verfassungsausführenden Gesetze (lois organiques) sind eine besondere Art von Parlamentsgesetzen (lois). Sie präzisieren die Modalitäten der Organisation und Funktionsweise der öffentlichen Hand in den von der Constitution de la Cinquie`me Re´publique abschließend aufgezählten Bereichen. Sie stehen in der Normenhierarchie oberhalb der einfachen lois.6 In der Normenhierarchie unter dem Bloc de Constitutionnalite´ angesiedelt sind die ratifizierten internationalen Abkommen (Bloc de Conventionnalite´), wozu etwa die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 oder die UN-Kinderrechtskonvention von 1990 gehören.7 Auch das Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union wurden früher als Recht aus internationalen Abkommen im Sinne des Artikel 55 Const. angesehen. Mittlerweile wird das Unionsrecht jedoch als integrativer Teil der französischen Rechtsordnung anerkannt.8 Artikel 55 Const. besagt insoweit, dass internationalen Abkommen mit ihrer Veröffentlichung eine dem Gesetz übergeordnete Stellung zukommen. 4

Pre´ambule de la Constitution de la Cinquie`me Re´publique. Chre´tien/Chifflot/Tourbe, Droit administratif, S. 137 ff.; Hamon/Troper, Droit constitutionnel, S. 725; Neumann/Berg, Einführung in das französische Recht, § 2 Rn. 15; Vilain, in: Marsch/ders./Wendel (Hrsg.), Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, § 1 Rn. 132. 6 Courbe/Berge´, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 54; Hamon/Troper, Droit constitutionnel, S. 65; die Stellung der lois organique kritisch hinterfragend: Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/ Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 163. 7 Art. 55 Const.; Neumann/Berg, Einführung in das französische Recht, § 2 Rn. 18. 8 Bonnet, Les rapports entre droit constitutionnel et droit de l’Union europe´enne, de l’art de l’accommodement raisonable, in: Conseil constitutionnel (Hrsg.), Dossier – De l’integration des ordres juridiques: droit constitutionnel et droit de l’Union europe´enne, Titre VII No 2, S. 11–21, abrufbar unter: https://www.conseil-constitutionnel.fr/publications/titre-vii/l 5

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I. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich

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Die lois nehmen die nächste Hierarchiestufe ein. Nach geltendem Recht ist der Erlass der lois allerdings nicht für alle Regelungsbereiche zulässig, sondern darf sich nur auf die in Artikel 34 Const. aufgeführten Materien beziehen.9 Aus diesem Grund nehmen Rechtsnormen mit Verordnungsrang, das heißt Rechtsnormen der exekutiven Gewalt, in Frankreich zumindest theoretisch einen hohen Stellenwert ein.10 Zu diesen Rechtsnormen mit Verordnungsrang gehören vor allem die Regierungsverordnungen (re`glements). Je nachdem, wer für den Erlass eines re`glement zuständig ist, wird zwischen de´crets und arreˆte´s unterschieden.11 Die de´crets werden entweder vom Premierminister oder vom Staatspräsidenten erlassen und dienen der Ausführung der lois oder der Regelung von Bereichen, die nicht von Artikel 34 Const. gedeckt sind.12 Die arreˆte´s können etwa von einzelnen Ministern, aber auch von anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erlassen werden.13 Circulaires können durch die jeweiligen Leiter einer Verwaltungseinheit, durch einen Minister und auch durch den Premierminister erlassen werden. Sie dienen in der Regel als interne Auslegungs- und Ermessensausübungshilfe, aber auch der Organisation der Verfahren innerhalb der Verwaltungseinheiten.14 Eine besondere Form der Rechtsetzung stellt die Rechtsetzung per gesetzesvertretender Verordnung (ordonnance) dar. Auf ihre eigene Initiative hin, kann

es-rapports-entre-droit-constitutionnel-et-droit-de-l-union-europeenne-de-l-art-de-l-accom modement, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023; Chavrier, Droit de l’Union et des Communaute´s europe´ennes et contentieux administratif, in: Dalloz (Hrsg.), Re´pertoire du contentieux administratif, Rn. 71–101; Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 177 f.; Mathieu, RFDC 2007, 675–693; Neumann/Berg, Einführung in das französische Recht, § 2 Rn. 17. 9 Chre´tien/Chifflot/Tourbe, Droit administratif, S. 194 f.; Gaudemet, Droit administratif, S. 318; Art. 34 Const. wird durch den Conseil constitutionnel allerdings sehr weit ausgelegt, sodass dem Parlament trotz der enumerativen Aufzählung für fast alle wichtigen Bereiche eine Gesetzgebungskompetenz zukommt. Zudem führt eine Kompetenzüberschreitung auch nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes; ausführlich zum Anwendungsbereich von Gesetzen: Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 921 ff.; Direction de l’information le´gale et administrative (DILA), Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 44 f.; Assemble´e nationale, Fiche de synthe`se no 31: Le domaine de la loi, abrufbarunter:https://www2.assemblee-nationale.fr/decouvrir-l-assemblee/role-et-pouvoirsde-l-assemblee-nationale/les-fonctions-de-l-assemblee-nationale/les-fonctions-legislatives/ledomaine-de-la-loi, zuletzt abgerufen am 28. April 2022. 10 Dieser hohe Stellenwert hat durch die weite Auslegung des Art. 34 Const. an Wichtigkeit eingebüßt; ausführlich dazu: Mathieu, Pouvoirs 2005, 73–87; Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/ Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 946 f., 994 f. 11 Ausführlich zu den verschiedenen Arten des re`glement und ihrem Rang untereinander: Plessix, Doit administratif ge´ne´ral, S. 744 ff. 12 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 56 f. 13 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 57; Neumann/Berg, Einführung in das französische Recht, § 4 Rn. 99. 14 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 57; Classen, in: Sonnenberger/ders. (Hrsg.), Einführung in das französische Recht, S. 109; Gaudemet, Droit administratif, S. 331.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

die Regierung nach Artikel 38 Const. durch den Gesetzgeber, namentlich durch Erlass eines Ermächtigungsgesetzes, dazu ermächtigt werden, durch ein re`glement Normen zu erlassen, die nach Artikel 34 Const. eigentlich in die Kompetenz der lois fallen würden. Im Ermächtigungsgesetz muss diese Befugnis der Rechtsetzung per ordonnance zeitlich und sachlich genau begrenzt werden und der Geltungszeitraum der ordonnance ebenfalls auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt werden.15 Die ordonnance tritt mit Ablauf dieses Geltungszeitraumes außer Kraft.16 Das Außerkrafttreten kann durch Einbringung eines Ratifikationsgesetzes beim Parlament verhindert werden, sodass die ordonnace weiterhin Geltung entfaltet.17 Wird die ordonnance nach Einbringung des Ratifikationsgesetzes durch das Parlament ratifiziert, so erhält sie rückwirkend die Stellung einer loi.18 Vor der Ratifizierung nimmt sie hingegen die Stellung eines re`glement ein.19 aa) Die loi Der Anwendungsbereich der lois ist in Frankreich nach Artikel 34 Const. beschränkt. Allerdings wird Artikel 34 Const. durch die Rechtsprechung sehr weit ausgelegt, sodass der Anwendungsbereich legislativer Rechtsetzung weiter geht als dies dem Wortlaut des Artikel 34 Const. zu entnehmen ist. Für die lois kommt in Frankreich sowohl der Regierung als auch dem Parlament ein Initiativrecht zu.20 Die unterschiedliche Herkunft der Gesetzesentwürfe wird im französischen Recht zudem begrifflich gekennzeichnet: So werden Entwürfe der Regierung als Gesetzesentwürfe (projet de loi) bezeichnet, während Entwürfe des Parlamentes als Gesetzesvorlagen (proposition de loi) bezeichnet werden. Die projets de loi werden entweder der Nationalversammlung (Assemble´e nationale) oder dem Senat (Se´nat) zur Stellungnahme übermittelt.21 Handelt es sich um eine proposition de loi, so wird eine von einem Senator vorgelegte proposition de loi im Se´nat eingereicht, während eine proposition de loi, die von einem Abgeordneten vorgelegt wird, in die Assemble´e nationale eingereicht wird.22 Die loi ist dann angenommen, wenn beide Kammern, das heißt die Assemble´e nationale und der Se´nat, dem Text der loi zu denselben Bedingungen zustimmen.23 Das Pendelverfahren, was dabei zwischen den beiden Kammern entsteht, wird 15

Zoller/Mastor, Droit constitutionnel, S. 513. Art. 38 Const. 17 Art. 38 al. 2 Const. 18 CE, 23 octobre 2002, no 232945. 19 von Bogdandy spricht von einer „Zwitterstellung“ der circulaire: von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 300. 20 Art. 39 Const. 21 Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 952. 22 Siehe dazu auch die ausführlichen Darstellungen bei: Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/ Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 953 ff. 23 Art. 45 Const. 16

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navette genannt.24 Wird keine Einigung zwischen den beiden Kammern erreicht, so kommt der Assemble´e nationale auf Anfrage der Regierung die Entscheidungskompetenz zu.25 Die loi wird schließlich im Journal officiel de la Re´publique franc¸aise veröffentlicht.26 Sowohl die projets de loi als auch die propositions de loi müssen gemäß Artikel 7 der loi organique no 2009-40327 verpflichtend eine Gesetzesbegründung (expose´ de motifs) enthalten. Der expose´ de motifs soll gewährleisten, dass die am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe über die Bedeutung und Tragweite des Entwurfs der loi aufgeklärt werden. Ferner soll der expose´ de motifs der Hervorhebung des Interesses an der Annahme des Entwurfs dienen.28 Der expose´ de motifs soll demnach in einfacher und prägnanter Form die Gründe für den Entwurf der loi, die Hintergründe des Entwurfs, die verfolgten Ziele und die mit dem Entwurf zusammenhängenden rechtlichen Änderungen darstellen.29 In der Praxis besteht der expose´ de motifs in der Regel aus zwei Teilen: Im ersten, allgemeinen Teil wird der Kontext, also vor allem die historischen, internationalen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Hintergründe, dargestellt. Im zweiten Teil werden die enthaltenen Bestimmungen einzeln, das heißt Artikel für Artikel, erläutert.30 bb) Der de´cret Die wichtigsten exekutiven Rechtsakte sind die oben bereits genannten de´crets, das heißt die Verordnungstexte der Regierung. Das französische Recht unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von de´crets: den einfachen Dekreten (de´crets simples), den Dekreten im Ministerrat (de´crets en Conseil des ministres) und den Dekreten im Staatsrat (de´crets en Conseil d’E´tat).31 Während die de´crets en Conseil des ministres vom Staatspräsidenten unterzeichnet werden,32 fallen die de´crets simples und die de´crets en Conseil d’E´tat nach Artikel 21 Const. in den Kompetenzbereich des Premierministers.33 Unter einem de´cret simple versteht 24 Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 965 f. 25 Siehe dazu ausführlich: Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 967. 26 Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 972. 27 Loi organique no 2009-403 du 15 avril 2009 a` l’application des articles, 34-1, 39 et 44 Const., NOR: PRMX0827219L. 28 Cons. const., 9 avril 2009, no 2009-579 DC. 29 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 263. 30 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 263. 31 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 56; Delvolve´, Conseil d’E´tat, in: Dalloz (Hrsg.), Re´pertoire du contentieux administratif, Rn. 202–225; ausführlich zu den verschiedenen Arten: DILA, Guide de le´gistique, 3e`me edition 2017, S. 58 ff. 32 Art. 13 Const.; Zoller/Mastor, Droit constitutionnel, S. 514. 33 CE, 27 avril 1962, no 50032.

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man ein de´cret, das weder der Beratung im Conseil des ministres bedarf noch dem Conseil d’E´tat vorgelegt werden muss.34 Ein de´cret en Conseil des ministres wird im Conseil des ministres beraten und anschließend durch den Staatspräsidenten ausgefertigt.35 Wann ein de´cret im Conseil des ministres beraten werden muss, ist nicht durch allgemeine Regelungen festgeschrieben, sondern kann auf bestimmten verfassungs- und einfachgesetzlichen Normen beruhen, sowie auf einer loi oder auf einem re`glement.36 Ein de´cret en Conseil d’E´tat ist ein de´cret, für das die Constitution de la Cinquie`me Re´publique37, eine loi oder ein re`glement vorsehen, dass der Entwurf dem Conseil d’E´tat vorgelegt werden muss. Daneben können die Regierung und der Conseil d’E´tat außerdem für den infrage stehenden Entwurf vereinbaren, dass dieser aufgrund seines Ziels oder seiner Bedeutung der Vorlage vor dem Conseil d’E´tat bedarf.38 De´crets werden nach dem folgenden Verfahren erlassen: Das zuständige Ministerium muss zunächst gewährleisten, dass der de´cret rechtlich einwandfrei ist und die Maßnahmen im Vergleich zum angestrebten Ziel angemessen sind. Dazu verläuft das Verfahren anhand der folgenden Etappen: (1) Innerhalb des Ministeriums wird der Textentwurf samt Erläuterungen (notice explicative) und, falls erforderlich, der Folgenabschätzung (fiche d’impact) vorbereitet und anschließend dem Generalsekretariat der Regierung vorgelegt (secre´tariat ge´ne´ral du gouvernement). (2) Die Ministerien, die zur Unterschrift aufgefordert werden oder deren Stellungnahmen nützlich sein können, werden angehört. (3) Sofern die Stellungnahme weiterer Institutionen oder Stellen erforderlich oder angebracht ist, sind diese zu konsultieren. (4) Der de´cret wird schließlich im Journal officiel de la Re´publique franc¸aise veröffentlicht.39 cc) Die circulaire Die in Frankreich sogenannten circulaires sind interne Vorschriften und Anweisungen, die einerseits als Auslegungs- und Anwendungshilfen zu den lois oder den de´crets dienen und andererseits die interne Organisation von Behörden fest-

34 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 245; Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 56; Delvolve´, Conseil d’E´tat, in: Dalloz (Hrsg.), Re´pertoire du contentieux administratif, Rn. 211 ff.; Plessix, Droit administratif ge´ne´ral, S. 744. 35 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 56; Delvolve´, Conseil d’E´tat, in: Dalloz (Hrsg.), Re´pertoire du contentieux administratif, Rn. 211. 36 Z.B.: Art. 13, Art. 36 Const., Art. 13 de la loi organique no 2001-692 du 1er aouˆt 2001, NOR: ECOX0104681L, Art. L. 231- 5 du Code des relations entre le public et l’adiministration, Art. 1 du de´cret no 59-178 du 22 janvier 1959 relatif aux attributions des ministres, JORF du 23 janvier 1959; vgl. DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 58. 37 Art. 37 al. 2 Const. 38 Chre´tien/Chifflot/Tourbe, Droit administrative, S. 274; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 60; Plessix, Droit administratif ge´ne´ral, S. 401, 744. 39 Eine detaillierte Darstellung der Verfahren zum Erlass der verschiedenen Arten der de´crets findet sich bei: DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 245 ff.

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legen können.40 Sie sind an die jeweiligen Verwaltungsleitungen gerichtet.41 Neben den Ministern und anderen Verwaltungsleitungen kann auch der Premierminister circulaires erlassen. Diese richten sich an die Ministerien und basieren auf der dem Premierminister nach Artikel 21 Const. übertragenen Regelungsbefugnis.42 Bei den Rundschreiben des Premierministers (circulaires du Premier ministre) handelt es sich in der Praxis vor allem um Anweisungen an die Ministerien in Bezug auf die Art und Weise ihrer Regierungstätigkeiten.43 Circulaires können jedoch nie notwendige Bedingungen für das Inkrafttreten einer loi oder eines de´cret festlegen.44 Die circulaires du Premier ministre müssen nach Artikel R. 312-8 des Code des relations entre le public et l’administration im Internet auf einer der Verantwortung des Premierministers unterliegenden Seite veröffentlicht werden.45 Circulaires unterliegen dem recours pour exce`s de pouvoir, einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz für jedermann, der auf die Aufhebung der circulaire gerichtet ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die circulaire erhebliche Auswirkungen auf die Rechte oder die Situation anderer Personen als der Beamten haben müssen.46 dd) Die ordonnance Die gesetzesvertretenden Verordnungen (ordonnances) im Sinne des Artikels 38 Const. erlauben es der Regierung auch im Anwendungsbereich der loi nach Artikel 34 Const. einen exekutiven Rechtssatz zu erlassen, sofern ihr diese Befugnis zuvor durch Ermächtigungsgesetz übertragen wurde.47 Ordonnances werden im Conseil des ministres erlassen und müssen vom Staatspräsidenten unterzeichnet werden.48 Die ordonnances treten mit ihrer Veröffentlichung in der Gestalt eines re`glement in Kraft.49 Um zu gewährleisten, dass die ordonnance nicht mit Ablauf 40 Courbe, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 57; Gaudemet, Droit administratif, S. 331 f.; Classen, in: Sonnenberger/ders. (Hrsg.), Einführung in das französische Recht, S. 109. 41 Schmidt-Aßmann/Dagron, ZaöRV 2007, 395, 401. 42 CE, 26 de´cembre 2012, no 358226; Bourgeois-Machureau, RFDA 2013, 233, 233 f. 43 CE, 26 de´cembre 2012, no 358226; Bourgeois-Machureau, RFDA 2013, 233, 234. 44 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 100. 45 Art. R. 312-8 du Code des relations entre le public et l’administration; Die Website ist unter folgender Adresse abrufbar: www.circulaires.gouv.fr, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023; ausführlich zum Rechtsinstrument der circulaire: DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 99 ff. 46 CE, 12 juin 2020, no 418142; Renard/Pechillon, AJCT 2020, 523, 523; Chre´tien/Chifflot/ Tourbe, Droit administratif, S. 234; diese Voraussetzung erfüllen vor allem Dokumente, die verbindlich sind (impe´ratif) oder den Charakter von Leitlinien haben; zur Unterscheidung zwischen impe´ratif und non-impe´ratif: Koubi, RDP 2004, 499–544. 47 Art. 38 al. 1 Const. 48 Art. 13, 38 al. 2 Const.; Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 985. 49 Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 988.

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ihrer Befristung außer Kraft tritt, muss die Regierung ein Ratifizierungsgesetz ins Parlament einbringen. Wird die ordonnace vom Parlament ratifiziert, so erhält die ordonnance die Stellung einer loi.50 Bei Ablehnung durch das Parlament tritt die ordonnace außer Kraft.51 Die Rechtsform der ordonnance wird seit 2001 dazu verwendet, europäische Richtlinien in das nationale Recht umzusetzen. Diese Umsetzungspraxis ist in Frankreich bis heute üblich.52 Hintergrund dieser Umsetzungspraxis war vor allem die Einhaltung der Umsetzungsfristen, bei der Frankreich in der Vergangenheit Schlusslicht in der Statistik der europäischen Mitgliedstaaten war.53 b) Auswirkung auf die Umsetzung von Richtlinien in Frankreich Der in Frankreich nicht zu unterschätzende, wenn auch etwas minimierte Stellenwert der re`glements spiegelt sich auch in der Umsetzungspraxis von europäischen Richtlinien in Frankreich wider: Zwischen 2002 und 2018 wurden europäische Richtlinien zu 51 Prozent durch arreˆte´s, zu 30 Prozent durch de´crets, zu 14 Prozent durch lois und zu 5 Prozent durch ordonnances umgesetzt.54 Für das Jahr 2016 entfielen 30 Prozent der an die Europäische Kommission gemeldeten Umsetzungsmaßnahmen auf den Bereich der lois, während 70 Prozent der noti50

Art. 39 al. 2 Const.; Zoller/Mastor, Droit constitutionnel, S. 513. Auf die Komplexität der Natur der ordonnance hinweisend: Favoreu/Gaı¨a/Ghevontian/ Mestre/Pfersmann/Roux/Scoffoni, Droit constitutionnel, S. 980 ff. 52 Ordonnance no 2020-866 du 15 juillet 2020 portant diverses disposition d’adaption au droit de l’Union europe´enne dans le domaine de l’e´nergie et du climat, NOR: TRER2014558R; ordonnance no 2020-1642 du 21 de´cembre 2020 portant transposition de la directive (UE) 2018/1808 du Parlement europe´en et du Conseil du 14 novembre 2018 modifiant la directive 2010/13/UE visant a` la coordination de certaines dispositions le´gislatives, re´glementaires et administratives des Etats membres relatives a` la fourniture de services de me´dias audiovisuels, compte tenu de l’e´volution des re´alite´s du marche´, et modifiant la loi du 30 septembre 1986 relative a` la liberte´ de communication, le code du cine´ma et de l’image anime´e, ainsi que les de´lais relatifs a` l’exploitation des œuvres cine´matographiques, NOR: MICE2031585R; ordonnance no 2021-580 du 12 mai 2021 portant transposition du 6 de l’article 2 et des articles 17 a` 23 de la directive 2019/790 du Parlement europe´en et du Conseil du 17 avril 2019 sur le droit d’auteur et les droits voisins dans le marche´ unique nume´rique et modifiant les directives 96/9/CE et 2001/29/CE, NOR: MICB2106674R; siehe dazu auch: Courbe/Berge´, Introduction ge´ne´rale au droit, S. 59; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 493; kritisch zur Richtlinienumsetzung durch gesetzesvertretende Verordnung: Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 332–338. 53 Se´nat, Expose´ des motifs du projet de loi no 473 portant habilitation du Gouvernement a` transposer, par ordonnance, des directives communautaires et a` mettre en œuvre certaines dispositions du droit communautaire, pre´sente´ par Ve´drine; Monnier, RFDC 2006, 849, 857; Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 330–340; siehe im Allgemeinen zur Inflation der Rechtsetzung durch gesetzesvertretende Verordnungen: de Montalivet, RDP 2017, 37, 41; zu den näheren Gründen einer verspäteten Umsetzung: Zolynski, Me´thode de transposition des directives communautaires, S. 311–319. 54 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 11 f. 51

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fizierten Umsetzungsmaßnahmen in den Bereich der re`glements fielen.55 Ordonnances, die der Umsetzung von Unionsrecht dienten, machten in den Jahren 2007 bis 2012 zwischen 15 und 29 Prozent aller in diesen Jahren erlassenen ordonnances aus.56 Sofern die Umsetzung von Richtlinien in den Kompetenzbereich der lois fällt, ist es in Frankreich außerdem üblich, die Umsetzung verschiedener Richtlinien durch eine sogenannte loi DDADUE57 in das nationale Recht umzusetzen.58 Dabei weisen die gemeinsam in einer loi DDADUE umgesetzten Richtlinien oft keinen thematischen Zusammenhang zueinander auf.59 Hintergrund für die Verwendung dieser lois DDADUE ist die einzuhaltende Umsetzungsfrist bei der Umsetzung europäischer Richtlinien, mit der Frankreich in der Vergangenheit oft Probleme hatte.60 Es lässt sich somit festhalten, dass europäische Richtlinien in Frankreich zu einem Großteil, in den Jahren 2002 bis 2018 zu 86 Prozent,61 durch die Exekutive umgesetzt werden. Auch das im französischen Recht enthaltene Gold-Plating unterstreicht den Stellenwert, den die re`glements bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in Frankreich einnehmen: So zeigt sich die Mehrzahl der Normen, die ein Gold-Plating enthalten, auf der Ebene der re`glements, wie die vom Se´nat

55 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 13; der 2005 veröffentliche Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes spricht sogar von einem Verhältnis von 20 Prozent zu 80 Prozent zugunsten der re`glements: Secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes (SGAE), Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9, 11; teilweise wird sogar von einem Verhältnis von 10 Prozent zu 90 Prozent gesprochen: Monnier, RFDC 2006, 849, 856; Türk, Les commissions parlementaires permanentes et le renouveau du Parlement sous la Ve Re´publique, S. 558. 56 Se´nat, Les ordonnances prises sur le fondement de l’article 38 de la Constitution, abrufbar unter: https://www.senat.fr/fileadmin/Seance/Controle/Suivi des ordonnances/etu de ordonnances.pdf, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023, S. 52. 57 DDADUE steht für „diverses dispositions d’adaptation au droit de l’Union europe´enne“. 58 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 18; Denizot, RTD civ. 2021, 211, 212. 59 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 18; Denizot, RTD civ. 2021, 211, 212. 60 Enfert, RTD eur. 2005, 671, 675; kritisch zur Verwendung der „DDADUE“-Gesetze: Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 18; Denizot, RTD civ. 2021, 211, 212. 61 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 12.

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aufgestellte Statistik zeigt: 49 Fälle des Gold-Platings zeigten sich in re`glements, 34 in lois und fünf in nicht ratifizierten ordonnances.62

2. Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Frankreich Beim Rechtsinstrument der Richtlinie lassen sich zwei Phasen der Rechtsetzung unterscheiden: einerseits die Phase der Rechtsetzung auf europäischer Ebene und andererseits die Phase der Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht durch die Mitgliedstaaten. Für beide Phasen sind in Frankreich Verfahren und Maßnahmen vorhanden, die in Phase 1 die Teilhabe am europäischen Rechtsetzungsprozess und in Phase 2 die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht strukturieren sollen. a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses In Frankreich wurden verschiedene Maßnahmen eingeführt, die auf nationaler Ebene den europäischen Rechtsetzungsprozess begleiten.63 Die circulaire du Premier ministre du 27 septembre 200464 reichert das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien durch verschiedene Maßnahmen und Verfahrensschritte an und strukturiert dieses. aa) Die fiche d’impact simplifie´e und fiche d’impact strate´gique Die circulaire du Premier mininstre du 27 septembre 200465 sieht vor, dass das federführende Ministerium auf Anfrage des Generalsekretariats für europäische Angelegenheiten (secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes),66 nach Absprache 62 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 22. 63 Siehe näher zur Beteiligung Frankreichs: OECD, Mieux le´gife´rer en Europe: France 2010, S. 162 ff. 64 Circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; zu den Vorgängerrundschreiben: Stanat, Die französische Nationalversammlung und die Europäische Union, S. 288 f.; Rideau, L’ade´quation du syste`me institutionnel et juridique franc¸ais a` l’appartenance a` l’Union europe´ene, in: Mink/Grondin/ Liba´nsky (Hrsg.) Cahiers du CEFRES No 27f, Le droit communautaire de la consommation et sa transposition dans les Etats membres et dans les pays candidats (les exemples franc¸ais et tche`que), 25–31; Lagelle, RFDC 2011, 25, 53 f. 65 Circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C. 66 Das SGAE ersetzt seit 2005 das Generalsekretariat des interministeriellen Ausschusses für die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (secre´tariat ge´ne´ral du comite´ interministe´riel pour les questions de coope´ration e´conomique europe´enne [SGCI]), siehe Art. 4 du

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mit dem Parlament, verschiedene Dokumente zur Folgenabschätzung zu erstellen hat.67 Die sogenannte vereinfachte Folgenabschätzung (fiche d’impact simplifie´e) enthält unter anderem eine kurze Beschreibung des Richtlinienvorschlages und eine Darstellung, wie sich der Richtlinienvorschlag in das nationale Rechtssystem einfügen würde. Auch die gesetzliche Grundlage und das Verfahren auf europäischer Ebene sollen im Rahmen der fiche d’impact simplifie´e dargestellt werden.68 Die fiche d’impact simplifie´e muss dem Se´nat und der Assemble´e nationale innerhalb von drei Wochen nach Übermittlung des Richtlinienvorschlags durch die Europäische Kommission nach dem in Artikel 88-4 Const. festgelegten Verfahren vorgelegt werden.69 Mit dem Voranschreiten der Verhandlungen über den Entwurf des zu verabschiedenden Richtlinientextes auf europäischer Ebene wird die fiche d’impact simplifie´e mit verschiedenen Informationen angereichert und so zu der sogenannten strategische) Folgenabschätzung (fiche d’impact strate´gique) weiterentwickelt.70 Die fiche d’impact strate´gique enthält eine detailliertere Analyse der Auswirkungen des Richtlinientextes auf das nationale Recht sowie eine vorläufige Entsprechungstabelle (tableau de correspondance pre´coce), die eine erste Einschätzung der für die Umsetzung zu verabschiedenden beziehungsweise anzupassenden Normen enthält.71 Ferner sollen in dem Dokument die durchzuführenden Konsultationen sowie die voraussichtlichen finanziellen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Richtlinie aufgeführt werden.72 Auch die Auswirkungen der Richtlinie auf die Regionalkörperschaften sowie die französischen Unternehmen sollen angesprochen werden. Hierzu soll insbesondere ein Rückgriff auf die in der circulaire du Premier ministre du 17 fe´vrier 201173 vorgesehene de´cret no 2005-1283 du 17 octobre 2005 relatif au comite´ interministe´riel sur l’Europe et au secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes, NOR: PRMX0508766D. 67 Annexe I, no II.a de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C. 68 Annexe I, no II.a de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 5; eine Vorlage der vereinfachten Folgenabschätzung findet sich in Anhang 1. 69 Annexe I, no II.a de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; näher zum Verfahren nach Art. 88-4 Const.: Blanc, Rev. UE 2017, 462, 464. 70 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 484. 71 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 5 f. 72 SGAE, Annexe II du Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011. 73 Circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C.

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Folgenabschätzung hinsichtlich der Regionalkörperschaften und Unternehmen erfolgen.74 ´ tat bb) Stellungnahme des Conseil d’E Sofern sich bei der Vorlage des Entwurfs eines Richtlinientextes oder während der Verhandlung eines solchen Textes herausstellt, dass die Umsetzung des Richtlinientextes in französisches Recht innerstaatliche Rechtsfragen aufwerfen wird, kann der Conseil d’E´tat um Stellungnahme gebeten werden.75 Außerdem hat die Regierung auf Ersuchen des Se´nat oder der Assemble´e nationale zu prüfen, ob das Einholen einer Stellungnahme des Conseil d’E´tat ratsam ist.76 b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht Sobald die Richtlinie auf europäischer Ebene verabschiedet wurde, wird der Richtlinientext vom secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes an den federführenden Minister, an die anderen betroffenen Ministerien und an das secre´tariat ge´ne´ral du gouvernement weitergeleitet.77 In jedem Ministerium sind zwei sogenannte Umsetzungskorrespondenten für die Festlegung der Vorgehensweise des Ministeriums bei der Umsetzung von Richtlinien und ihrer Überwachung zuständig. Es wird jeweils ein Umsetzungskorrespondent in den Dienststellen und ein Umsetzungskorrespondent im Büro des Ministers ernannt.78 Der Umsetzungskorrespondent in den Dienststellen hat die Einhaltung der Fristen sicherzustellen und übernimmt die Koordinierung der Ansprechpartner innerhalb der verschiedenen Abteilungen des Ministeriums, die für die Erstellung der Umsetzungstexte zuständig sind. Der Umsetzungskorrespondent im Ministerbüro sorgt ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Umsetzungskorrespondenten in den Dienststellen und dem secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes dafür, dass die Fristen eingehalten werden und die Abteilungen des Ministeriums die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie durchführen.79 74 SGAE, Annexe II du Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011; siehe zur circulaire du Premier ministre du 17 fe´vrier 2011genauer: Punkt B. I. 3. b) bb) (1). 75 Annexe I, no II.c de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C. 76 Annexe, no III.2 de la circulaire du 21 juin 2010 relative a` la participation du Parlement national au processus de´cisionnel europe´en, NOR: PRMX1013690C. 77 Annexe III, no I de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 484. 78 Article, no 3, Annexe II de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C. 79 Article, no 3, Annexe II de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de

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Innerhalb einer Frist, die vom secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes bestimmt wird, aber maximal drei Monate beträgt, arbeitet jedes an der Umsetzung beteiligte Ministerium einen Umsetzungsplan (plan de transposition) aus und übermittelt diesen dem secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes.80 Der plan de transposition besteht aus drei Teilen und umfasst (1) einen Zeitplan für die Verabschiedung der Umsetzungstexte, die in den Kompetenzbereich des Ministeriums fallen, (2) eine endgültige Entsprechungstabelle (tableau de concordance de´finitif), aus der sich die umzusetzenden Bestimmungen eindeutig ergeben und (3) die Zusammensetzung des Projektteams.81 Nach Übermittlung des plan de transposition kommen das Projektteam, das mit der Umsetzung der Richtlinie betraut ist, und das secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes zusammen, um einen finalisierten Umsetzungszeitplan zu vereinbaren, der einerseits einen Zeitplan für die Ausarbeitung der Umsetzungstexte und andererseits einen Zeitplan für die Verabschiedung der Texte festlegt. Die Zeitpläne sind für die Ministerien verbindlich.82 Zur Überprüfung der Einhaltung der Zeitpläne durch die Ministerien finden in regelmäßigen Abständen interministerielle Sitzungen statt, die vom secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes einberufen werden.83 Zudem wurde 2004 die hochrangige Gruppe zur Umsetzung von Richtlinien (groupe a` haut niveau) eingerichtet, deren Aufgabe es ist, Schwierigkeiten, die im Rahmen der interministeriellen Sitzungen zur Überwachung der Umsetzung durch das secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes festgestellt werden, zu lösen. Die groupe a` haut niveau trifft sich hierzu vierteljährig unter der Leitung des secre´tariat ge´ne´ral du gouvernement und des secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes mit den Umsetzungskorrespondenten der Ministerien und gegebenenfalls dem Direktor für Rechtsangelegenheiten.84 transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 482. 80 Annexe III, no I de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 484 f.; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 7 f. 81 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 484; eine beispielhafte Tabelle findet sich bei: SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 8. 82 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 8. 83 Annexe III, no II de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des institutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485. 84 Annexe III, no II de la circulaire du 27 septembre 2004 relative a` la proce´dure de transposition en droit interne des directives et de´cisions-cadres ne´gocie´es dans le cadre des insti-

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Das weitere Verfahren zur Umsetzung europäischer Richtlinien ist davon abhängig, ob die Umsetzung in den Kompetenzbereich der lois oder in den Kompetenzbereich der re`glements fällt.85 aa) Umsetzung der Richtlinie durch eine loi Sofern während des Verfahrens auf europäischer Ebene bereits absehbar ist, dass die Umsetzung des Richtlinientextes voraussichtlich durch eine loi erfolgen wird, kann das secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes den Richtlinientext schon vor Verabschiedung der Richtlinie auf die Tagesordnung der groupe a` haut niveau setzen und einen frühzeitigen plan de transposition anfordern.86 Das Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien folgt dem Grunde nach dem üblichen Verfahren zum Erlass einer loi und endet mit der Veröffentlichung des Umsetzungsgesetzes im Journal officiel de la Re´publique franc¸aise und der Übermittlung des Textes an das secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes, das die Umsetzungsmaßnahme der Europäischen Kommission mitteilt.87 Obwohl die Umsetzung europäischer Richtlinien durch eine loi grundsätzlich dem üblichen Verfahren zum Erlass von lois folgt, gibt es für die Ausarbeitung von Umsetzungsgesetzen zu europäischen Richtlinien weitere ergänzende Verfahrensschritte. (1) Der comite´ de liaison Für die Umsetzung von Richtlinien wurde der comite´ de liaison eingerichtet. Dieser Ausschuss steht unter dem Vorsitz des secre´tariat ge´ne´ral du Gouvernement und des secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes und kommt vierteljährlich zusammen.88 Dem Ausschuss sitzen Vertreter des Se´nat und der Assemble´e nationale und Vertreter der jeweils betroffenen Ministerien bei.89 Sofern nötig, trifft sich der Ausschuss auf höherer Ebene, das heißt mit dem secre´tariat ge´ne´ral du Gouvernement, dem secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes und den Vorsitzenden der Ausschüsse für europäische Angelegenheiten der Assemble´e nationale und des Se´nat.90 Der Ausschuss ist für die Antizipation und Planung der legislativen Arbeiten zur Umsetzung von europäischen Richtlinien, wie etwa die

tutions europe´ennes, NOR: PRMX0407654C; DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9, 11. 85 Siehe dazu auch die separate Darstellung in SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9, 11. 86 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 484. 87 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 48. 88 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9. 89 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9. 90 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9.

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Wahl des richtigen legislativen Instruments und die Aufnahme von Vorschlägen als Tagesordnungspunkt des Parlamentes, zuständig.91 (2) Die task force Die Einberufung einer task force, die mit der Umsetzung einer Richtlinie betraut ist, kann durch das ministerielle Projektteam, welches für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist, eingerichtet werden.92 Auf Vorschlag des comite´ de liaison kann die task force auch die Assemble´e nationale und den Se´nat in ihre Arbeit einbeziehen.93 bb) Umsetzung der Richtlinie durch ein re`glement Sofern die Umsetzung der Richtlinie durch ein re`glement erfolgt, sind allein die Ministerien für die Umsetzung der Richtlinie zuständig und die Entwürfe der Rechtstexte werden vom Projektteam des Ministeriums/der Ministerien innerhalb des vom plan de transposition definierten Zeitplans erstellt.94 Am Ende des Umsetzungsprozesses werden die Umsetzungsmaßnahmen im Journal officiel de la Re´publique franc¸aise veröffentlich und durch das federführende Ministerium dem secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes übermittelt, damit die Umsetzungsmaßnahmen der Europäischen Kommission mitgeteilt werden können.95 c) Zwischenergebnis Für das Umsetzungsverfahren von europäischen Richtlinien in Frankreich lässt sich festhalten, dass es sowohl bereits während des Rechtsetzungsprozesses auf europäischer Ebene als auch im darauffolgenden Umsetzungsprozess auf nationaler Ebene Verfahrensschritte gibt, die das rein nationale Rechtsetzungsverfahren anreichern und den Besonderheiten der Umsetzung europäischen Rechts Rechnung tragen. Die bisher dargestellten Maßnahmen sind jedoch nicht ausdrücklich darauf ausgelegt, die Umsetzungspraxis des Gold-Platings zu erkennen und diese zu vermeiden.96 Vielmehr sind die dargestellten Verfahrensschritte als

91 DILA, Guide de le´gistique, 3e`me e´dition 2017, S. 485; SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9, 11. 92 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 9. 93 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 10. 94 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 11. 95 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 11. 96 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 23 ff.

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Reaktion Frankreichs auf die schlechte Bilanz bei der Einhaltung der Umsetzungsfristen von Richtlinien einzuordnen. Mittlerweile wurden jedoch einige weitere Vorgaben für die Umsetzung europäischer Richtlinien in das französische Recht – insbesondere durch verschiedene circulaires – festgelegt, die sich explizit auf die Vermeidung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings beziehen.

3. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings hat sich in Frankreich im Laufe der Jahre gewandelt. Während in Frankreich früher hauptsächlich das Problem der nicht fristgerechten Umsetzung von europäischen Richtlinien im Fokus stand, steht heute eine die Umsetzungspraxis des Gold-Platings möglichst vermeidende Umsetzung europäischer Richtlinien in das nationale Recht im Mittelpunkt. a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit In Frankreich wurde lange Zeit weniger Wert auf die qualitative Umsetzung von Richtlinien gelegt. Vielmehr lag ein besonderes Augenmerk auf der Einhaltung der Umsetzungsfristen bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien.97 Diese besondere Aufmerksamkeit resultierte daraus, dass Frankreich zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehörte, die Schlusslichter bei der Einhaltung der Umsetzungsfristen waren.98 Dies führte unter anderem dazu, dass die Umsetzung per ordonnance praktiziert wurde – was immer noch vermehrt der Fall ist –99 und die Umsetzungspraxis mittels der lois DDADUE entstanden ist.100

97 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 23; ausführlich zu den französischen Maßnahmen, um der verspäteten Umsetzung von europäischen Richtlinien entgegenzuwirken: Enfert, RTD eur. 2005, 671–686. 98 Astaix, Dalloz actualite´, 06 aouˆt 2006; Basilien-Gainche, RMCUE 2010, 310, 310 f.; Enfert, RTD eur. 2005, 671, 673; Philip, AJDA 2003, 1841–1849; Sauron, in: Hohloch (Hrsg.), Richtlinien der EU und ihre Umsetzung in Deutschland und Frankreich, S. 35, 36 f. 99 Enfert, RTD eur. 2005, 671, 675; Se´nat, Expose´ des motifs du projet de loi no 473 portant habilitation du Gouvernement a` transposer, par ordonnance, des directives communautaires et a` mettre en œuvre certaines dispositions du droit communautaire, pre´sente´ par Ve´drine; siehe im Allgemeinen zur Inflation der Rechtsetzung durch ordonnances: de Montalivet, RDP 2017, 37, 41. 100 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 17; Denizot, RTD civ. 2021, 211, 212.

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b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings Seit 2011 ist das Phänomen des Gold-Platings von europäischen Richtlinien ein in Frankreich politisch behandeltes Thema. Das Ziel der Vermeidung von GoldPlating im französischen Recht wird seit 2011 von den jeweiligen amtierenden Regierungen bekräftigt und es wurden auch Maßnahmen ergriffen, um dieses Ziel zu erreichen.101 Vorgaben zur Umsetzung von Richtlinien vor dem Hintergrund der Vermeidung von Gold-Plating wurden vor allem durch den Erlass verschiedener circulaires du Premier ministre aufgestellt. Die zu diesem Zweck erlassenen circulaires stammen aus den Jahren 2011, 2013 und 2017. Neben diesen circulaires zeigt außerdem der projet de loi portant suppression de sur-transposition de directives en droit franc¸ais102 aus dem Jahr 2018, dass der Vermeidung von Gold-Plating bei der Umsetzung europäischen Rechts auch weiterhin rechtspolitische Bedeutung zukommt. Auch der Nationalrat für die Bewertung von Normen (Conseil national d’e´valuation des normes) beschäftigt sich mit der Vermeidung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings. aa) Der Conseil national d’e´valuation des normes Der Conseil national d’e´valuation des normes wurde durch Gesetz103 zum 3. Juli 2014 eingesetzt und löste damit die Beratende Kommission für die Evaluation von Normen (Commission consultative d’e´valuation des normes) ab, die eine spezialisierte Einrichtung des örtlichen Finanzausschusses (comite´ des finances) war.104 Der Conseil national d’e´valuation des normes ist anders als die ihm vorangehende Commission consultative d’e´valuation des normes nicht dem comite´ des finances unterstellt und somit in seiner Tätigkeit sowie finanziell unabhängig.105 Der Conseil national d’e´valuation des normes setzt sich aus insgesamt 36 Mitgliedern zusammen, darunter 23 Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (collectivite´s territoriales), zwei Vertreter der Assemble´e nationale, zwei Vertreter des Se´nat und neun Vertreter der staatlichen Behörden.106 Die Mitglieder werden für eine Periode von drei Jahren gewählt.107 Der Präsident des Conseil national d’e´valuation des normes sowie die beiden Vize-Präsidenten werden von den Mitgliedern des Conseil national d’e´valuation des normes gewählt.108 101 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 39. 102 Projet de loi portant suppression de sur-transposition de directives en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L. 103 Loi no 2013-921 du 17 octobre 2013 portant cre´ation du Conseil national d’e´valuation des normes applicable aux collectivite´s territoriales et a` leurs e´tablissements publics, NOR: INTX1303213L. 104 De Montecler, AJDA 2014, 950, 950. 105 Pontier, JCP A 2014 no 2294, hal-02119507, 1, 1; Lutton, Constitutions 2017, 153, 155. 106 Art. L. 1212-1 du Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales. 107 Art. L. 1212-1 du Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales. 108 Art. 2 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes.

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(1) Arbeitsweise des Conseil national d’e´valuation des normes Der Conseil national d’e´valuation des normes kommt mindestens zwölfmal im Jahr zusammen. Der Präsident des Conseil national d’e´valuation des normes legt die Termine dieser Sitzungen in einem semesteriellen Sitzungskalender fest und kann zudem außerordentliche Sitzungen einberufen.109 Zu den Sitzungen können Personen, die der Debatte durch ihre Kenntnisse dienlich sind – ohne Stimmrecht –, eingeladen werden.110 Die Tagesordnung der Sitzungen wird durch den Präsidenten des Conseil national d’e´valuation des normes festgelegt. Die Tagesordnung kann aus den folgenden drei Punkten bestehen: Abschnitt 1: Textentwürfe, bei denen es vor der Abgabe einer Stellungnahme noch einer Debatte mit der für den Textentwurf zuständigen Stelle bedarf; Abschnitt 2: Textentwürfe, die dem Conseil national d’e´valuation des normes ohne weitere Aussprache in der Sitzung zur Stellungnahme vorgelegt werden und Abschnitt 3: Gutachten, die sich auf bereits geltende Normen beziehen.111 Bei Textentwürfen, die sich in Abschnitt 1 der Tagesordnung befinden, erstattet der für den Textentwurf verantwortliche Minister oder Abgeordnete den Mitgliedern des Conseil national d’e´valuation des normes Bericht über den Textentwurf.112 Der Conseil national d’e´valuation des normes fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.113 Bei der Abgabe von Stellungnahmen wird der Conseil national d’e´valuation des normes von den drei wichtigsten Vertretungen der lokalen Mandatsträger unterstützt (associations nationales repre´sentatives des e´lus locaux).114 Der Conseil national d’e´valuation des normes schickt dazu den Textentwurf an die drei oben genannten Vertretungen und bittet um Antwort, ob und welche Schwierigkeiten sich aus den neuen Regelungen ergeben könnten. Auf Basis dieser Antworten und der Debatten in den Sitzungen gibt der Conseil national d’e´valuation des normes anschließend seine Stellungnahme ab.115 Die Stellungnahmen werden auf der Website des Conseil national d’e´valuation des normes veröffentlicht.116

109 Art. 2 du re`glement inte´rieur du Conseil national d`e´valuation des normes; der Sitzungskalender ist einsehbar unter http://www.cnen.dgcl.interieur.gouv.fr/articles/seances-etcalendrier-h1a3.html, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 110 Art. 7 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes. 111 Art. 12 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes. 112 Art. 14 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes. 113 Art. R. 1213-22 du Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales; Art. 16 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes. 114 Association des maires de France (AMF); Assemble´e des de´partements de France (ADF); Re´gions de France. 115 So die Auskunft von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021. 116 Art. 16 du re`glement inte´rieur du Conseil national d’e´valuation des normes; die Stellungnahmen sind einsehbar unter http://www.cnen.dgcl.interieur.gouv.fr/articles/deliberatio ns-h1a12.html, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023.

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(2) Kompetenzen und Aufgaben des Conseil national d’e´valuation des normes In den Kompetenzbereich des Conseil national d’e´valuation des normes fallen solche lois und re`glements, die die collectivite´s territoriales betreffen. In diesem Zuständigkeitsbereich ist es die Aufgabe des Conseil national d’e´valuation des normes, die Entwürfe der lois und re`glements hinsichtlich ihrer technischen und finanziellen Auswirkungen zu bewerten und eine anschließende Einschätzung abzugeben. Artikel L. 1212-2 des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales legt fest, wann der Conseil national d’e´valuation des normes zu konsultieren ist und wann eine freiwillige Konsultation möglich ist. Ferner kommt dem Conseil national d’e´valuation des normes nach Artikel L. 1212-2 des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales ein Initiativrecht zur Kontrolle von Normen zu. Bei der Schaffung oder Änderung von für die Regierung geltenden Normen ist eine Konsultation des Conseil national d’e´valuation des normes nach Artikel L. 1212-2-I des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales verpflichtend. Auch bei Entwürfen, mit denen Normen für die collectivite´s territoriales und ihre öffentlichen Einrichtungen geschaffen oder geändert werden, ist dem Conseil national d’e´valuation des normes der Entwurf zur Abgabe einer Stellungnahme verpflichtend zu übermitteln. Auf Ersuchen der Regierung nimmt der Conseil national d’e´valuation des normes außerdem zu Entwürfen von Rechtsakten der Europäischen Union Stellung. Die Zuständigkeit nach Artikel L. 1212-2-I des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales ist zu verneinen, sofern die einzuführende Norm unmittelbar durch den Schutz der nationalen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Artikel L. 1212-2-II des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales kann der Präsident einer parlamentarischen Versammlung dem Conseil national d’e´valuation des normes eine proposition de loi vorlegen, wenn das vorlegende Mitglied der parlamentarischen Versammlung keine Einwände dagegen erhebt. Dem Conseil national d’e´valuation des normes kommen außerdem noch weitere in den Artikeln L. 1212-2-III bis L. 1212-2-V des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales genannten Aufgaben zu. Der Conseil national d’e´valuation des normes hat eine Ausfertigungsfrist von sechs Wochen ab der Übermittlung des Rechtssatzentwurfes gemäß Artikel L. 1212-2-I des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales beziehungsweise ab dem Gesuch um Stellungnahme gemäß Artikel L. 1212-2-II/III des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales einzuhalten. Die Frist kann einmalig durch Beschluss des Präsidenten des Conseil national d’e´valuation des normes verlängert werden, in Ausnahmefällen aber auch durch Antrag des Premierministers oder des Präsidenten einer parlamentarischen Versammlung, auf dessen Vorschlag die Befassung mit dem Gesetzestext erfolgt, auf zwei Wochen verkürzt werden.117 Auf begründeten Beschluss des Premierministers ist ausnahmsweise auch eine Verkürzung auf 72 Stunden möglich. 117

Art. L. 1212-2-VI du Code ge´ne´rale des collectivite´s territoriales.

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Erfolgt keine Stellungnahme durch den Conseil national d’e´valuation des normes, wird das Ausbleiben der Stellungnahme wie eine positive Stellungnahme gewertet. Bei ablehnender Stellungnahme zu einem Textentwurf im Sinne des Artikels L. 1212-2-I-1 des Code ge´ne´ral des collectivite´s territoriales muss die Regierung dem Conseil national d’e´valuation des normes einen zweiten, geänderten Entwurf oder ergänzende Angaben im Hinblick auf eine zweite Beratung übermitteln. (3) Kompetenz des Conseil national d’e´valuation des normes hinsichtlich der Überprüfung von Gold-Plating Im Rahmen der Bewertung der technischen und finanziellen Auswirkungen überprüft der Conseil national d’e´valuation des normes auch, ob der ihm vorliegende Entwurf über die Anforderungen der europäischen Richtlinien hinausgeht und somit Gold-Plating enthält.118 Die Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Gold-Plating ist zwar nicht explizit gesetzlich festgelegt, der Conseil national d’e´valuation des normes geht im Rahmen seiner Stellungnahmen aber dennoch auf das Vorliegen von Gold-Plating ein, sofern er die Gefahr einer solchen Umsetzungspraxis sieht.119 Aufgrund des Vorliegens von Gold-Plating hat der Conseil national d’e´valuation des normes im Jahr 2018 eine ablehnende Stellungnahme abgegeben.120 (4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Conseil national d’e´valuation des normes in der Praxis In der Praxis nimmt der Conseil national d’e´valuation des normes also immer dann zum Vorliegen von Gold-Plating Stellung, wenn er in dem Textentwurf die Gefahr einer solchen Umsetzungspraxis sieht. Aus dem öffentlichen Tätigkeitsbericht des Conseil national d’e´valuation des normes (Rapport publique d’activite´) des Jahres 2018 geht außerdem hervor, dass das Gold-Plating von europäischen Richtlinien einen der Hauptgründe für die Abgabe einer ablehnenden Stellung-

118 So die Auskunft von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021; vor diesem Hintergrund hat der Conseil national d’e´valuation des normes auch in einem Bericht vorgeschlagen, dass zur besseren Identifikation von Gold-Plating rein nationale Regelungen und Regelungen zur Umsetzung von europäischen Richtlinien in unterschiedlichen Rechtsakten verabschiedet werden sollten: Conseil national d’e´valuation des normes, Rapport relatif a` l’intelligibilite´ et a` la simplification des normes applicables aux collectivite´s territoriales au service de la transformation de l’action publique, S. 28, abrufbar unter: https://medias.vie-publique.fr/data storage s3/rapport/pdf/278764.p df, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 119 So die Auskunft von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021 120 Conseil national d’e´valuation des normes, Rapport public d’activite´ 2018, S. 34, abrufbar unter: http://www.cnen.dgcl.interieur.gouv.fr/inlinedocs/0e6530666d359dfe7266fbc 0132b487f/rapport-d-activite-2018.pdf, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023.

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nahme darstellt.121 Der Conseil national d’e´valuation des normes gibt allerdings nicht immer, wenn Gold-Plating in dem Textentwurf vorhanden ist, eine ablehnende Stellungnahme ab. Der Conseil national d’e´valuation des normes begründet dies damit, dass das Instrumentarium der ablehnenden Stellungnahme nicht wegen exzessiver Verwendung an Bedeutung verlieren solle. Ferner könne der Conseil national d’e´valuation des normes nicht immer auf alle Schwächen des Textes hinweisen, sondern müsse sich auf die elementarsten Gründe für die Abgabe einer ablehnenden Stellungnahme beschränken.122 Wenn der Conseil national d’e´valuation des normes zum Gold-Plating Stellung nimmt, weist er zunächst auf die Norm hin, die das Gold-Plating verkörpert, stellt das Vorliegen von Gold-Plating dar und spricht Probleme an, die aus der über die Richtlinienanforderungen hinausgehenden Umsetzung resultieren können. Sodann appelliert der Conseil national d’e´valuation des normes an die für den Entwurf zuständige Stelle, die Regelung an die europäische Regelung anzugleichen oder zumindest die Verhältnismäßigkeit des im französischen Recht vorgenommenen Gold-Platings infrage zu stellen.123 Neben der auf die konkrete Regelung des Textentwurfs bezogenen Stellungnahme macht der Conseil national d’e´valuation des normes teilweise auch allgemeine, insbesondere kritische Aussagen zur Umsetzungspraxis des Gold-Platings: Dazu appelliert er an die Regierung, auf die Risiken beim Gold-Plating von europäischen Richtlinien zu achten. Hierzu stellt der Conseil national d’e´valuation des normes dar, welche Probleme aufgrund dieser Umsetzungspraxis auftreten können und nennt etwa das Vorantreiben der normativen Inflation, die Entstehung von komplexen Rechtsvorschriften, die Verursachung von Mängeln der Normenqualität sowie die Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs.124 Ferner nimmt der Conseil national d’e´valuation des normes in seinen Stellungnahmen Bezug auf seine Empfehlung zur Verbesserung der Umsetzung europäischer Richtlinien durch Einführung einer neuen Umsetzungsmethode.125 Diese Umsetzungsmethode soll vorsehen, dass europäische Richtlinien, sofern über diese im nationalen Recht hinausgegangen werden soll, in zwei separaten Umsetzungsmaßnahmen umgesetzt werden: Ein Text soll der Eins-zu-einsUmsetzung der Richtlinie dienen, während ein weiterer Text die zusätzlichen nationalen Regelungen einführen soll. Ist dies nicht möglich, soll das Gold-Pla121 Conseil national d’e´valuation des normes, Rapport public d’activite´ 2018, S. 34, abrufbar unter: http://www.cnen.dgcl.interieur.gouv.fr/inlinedocs/0e6530666d359dfe7266fbc 0132b487f/rapport-d-activite-2018.pdf, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 122 So die Auskunft von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021. 123 Conseil national d’e´valuation des normes, Se´ance du 29 juillet 2021, De´libe´ration commune no 21-07-12-02591/02592, no 7. 124 Conseil national d’e´valuation des normes, Se´ance du 29 juillet 2021, De´libe´ration commune no 21-07-12-02591/02592, no 9. 125 Conseil national d’evaluation des normes, Se´ance du 13 septembre 2018, De´libe´ration no 18-09-01761.

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ting zumindest in den fiches d’impact und den expose´s des motifs ausdrücklich begründet werden. Diese Umsetzungsmethode soll dazu dienen, eine bessere Transparenz zwischen europäischem und nationalem Recht zu erreichen.126 Es lässt sich somit festhalten, dass der Conseil national d’e´valuation des normes im Rahmen seiner Stellungnahmen sowohl explizit auf ein im Textentwurf enthaltenes Gold-Plating hinweist, als auch seine Stellungnahmen dazu nutzt, im Allgemeinen auf das als negativ bewertete Phänomen des Gold-Platings aufmerksam zu machen und gleichzeitig Lösungsansätze vorschlägt, die zu einer besseren Transparenz und Vermeidung von Gold-Plating bei der Umsetzung europäischer Richtlinien beitragen könnten. Der Präsident des Conseil national d’e´valuation des normes betont insoweit, dass dem Conseil national d’e´valuation des normes die Verhinderung von Gold-Plating bei der Umsetzung europäischer Richtlinien und eine transparente Rechtsetzung besonders wichtig sind.127 bb) Die circulaires du Premier ministre (1) Circulaire du 17 fe´vrier 2011 re´larive a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales128 Die erste circulaire, die sich mit der Verhinderung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auseinandersetzt, wurde im Jahr 2011 erlassen. In dieser circulaire du Premier ministre wird zur Vereinfachung von Normen, die Unternehmen und Kommunen betreffen, gefordert, dass Lösungen gesucht werden, die zu einer möglichst geringen Belastung von Unternehmen und Kommunen führen. In der circulaire heißt es, dass bei der Ausgestaltung von Maßnahmen zur Umsetzung europäischer Richtlinien jede Maßnahme ausgeschlossen ist, die über das hinausgeht, was zur Umsetzung des Richtlinientextes erforderlich ist.129 Dazu sollen die zu verabschiedenden Normen einer Vorabbewertung (e´valuation pre´alable) un-

126 Conseil national d’evaluation des normes, Se´ance du 29 juillet 2021, De´libe´ration commune no 21-07-12-02591/02592, no 7, no 21-07-29-02606/02607/02608/02609/02610, no 18. 127 So die Auskunft von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021. 128 Circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C. 129 Circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C; Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 39.

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terzogen werden.130 Den Rahmen hierfür geben die Anhänge II und III der circulaire vor. Bei Normen, die die Kommunen betreffen, ist die e´valuation pre´alable anhand des in Anhang II zur Verfügung gestellten Dokumentes vorzunehmen. Dieses enthält unter anderem eine Tabelle, die auszufüllen ist, wenn es sich bei dem Rechtssatzentwurf um einen Text zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie handelt.131 In der Tabelle sollen Normen, die über das hinausgehen, was die höherrangige Vorschrift unbedingt verlangt, analysiert und begründet werden. Insbesondere ist dabei auf die direkten Kosten, die Kosten für das Funktionieren der Kommunen und auf die durch die Maßnahmen erzielten Einsparungen einzugehen.132 Sofern die Umsetzung durch eine loi erfolgt, soll die e´valuation pre´alable nach Anhang II in die e´tude d’impact einfließen. Bei der Umsetzung durch ein re`glement soll die e´valuation pre´alable ebenfalls im Rahmen einer fiche d’impact erstellt werden.133 Für Normen, die Auswirkungen auf Unternehmen haben, enthält Anhang III ein Formular, das eine e´valuation pre´alable im Sinne der circulaire gewährleisten soll. Anders als in Anhang II ist in diesem Formular keine gesonderte Tabelle enthalten, die explizit auf Normen, die über den Text einer europäischen Richtlinie hinausgehen, anzuwenden ist. Allerdings ist in dem Dokument aus Anhang III für die Regelungen, die der Textentwurf enthält, jeweils durch Ankreuzen kenntlich zu machen, ob es sich bei dem Regelungsvorschlag (1) um eine Umsetzung einer Richtlinienbestimmung handelt und/oder (2) ob es sich um eine Regelung handelt, die nicht von der übergeordneten Regelung, das heißt in diesem Fall von der europäischen Richtlinie, gefordert ist.134 Die circulaire legt somit für Normen, die Auswirkungen auf die Kommunen oder auf die in Frankreich ansässigen Unternehmen haben, Verfahrensschritte fest, die gewährleisten sollen, dass ein eventuelles Gold-Plating einer europäi130 Circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C; Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 39. 131 Annexe I, Annexe II de la circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C, unter dem Punkt „autre e´le´ments d’appre´ciation“. 132 Annexe II de la circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C, unter dem Punkt „autre e´le´ments d’appre´ciation“. 133 Annexe II de la circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C. 134 Annexe III de la circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C, unter dem Punkt 1.6, Spalte 2 „Transposition d’une directive“ und Spalte 3 „Mesure non commande´e par la norme supe´rieure“.

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schen Richtlinie transparent gemacht wird und das Hinausgehen über die Anforderungen begründet wird. Dieses Ziel wird auch in der circulaire durch den Premierminister betont.135 Ebenfalls im Jahr 2011 wurde vom secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes ein Leitfaden für bewährte Praktiken bei der Umsetzung europäischer Richtlinien (guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes)136 veröffentlicht, der das Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in Frankreich darstellt und die besonderen Verfahrensschritte erläutert. Ergänzend zu der eben dargestellten circulaire nimmt dieser Leitfaden ebenfalls auf das Thema der Vermeidung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings Bezug.137 Dort heißt es, dass vorbehaltlich der Einschätzung der Regierung und des Parlamentes jede Maßnahme, die über das hinausgeht, was von der Richtlinie zwingendermaßen gefordert wird, verworfen werden soll und dass die Umsetzung europäischer Richtlinien nicht der Anlass sein sollte – abgesehen von dem, was die Richtlinienumsetzung erfordert –, das nationale Recht zu überarbeiten.138 In einigen Verfahren vor dem Conseil d’E´tat139 sowie vor dem verwaltungsgerichtlichen Berufungsgericht (Cour administrative d’appel)140 wurden Rechtsetzungsvorhaben aufgrund der Nichtbeachtung der in der oben dargestellten circulaire vorgesehenen Durchführung der e´valuation pre´alable gerügt. Die Gerichte haben jedoch festgestellt, dass die infrage stehende circulaire lediglich innerdienstliche Wirkung entfaltet und deshalb die Nichtbeachtung der in der circulaire festgelegten e´valuation pre´alable nicht dazu führt, dass das Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet.141 Insoweit sind die Vorgaben der circulaire lediglich als Leitlinien für die Organisation der Regierungsarbeit zu verstehen, die aber kein zwingendes Recht darstellen.142

135 Circulaire du 17 fe´vrier 2011 relative a` la simplification des normes concernant les entreprises et les collectivite´s territoriales, NOR: PRMX1104783C. 136 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011. 137 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 10, 11. 138 SGAE, Guide de bonnes pratiques concernant la transposition des directives europe´ennes, 2011, S. 10, 11. 139 CE, 17 juin 2015, no 375853, no 375866, no 384705; CE, 8 novembre 2017, no 408801; CE, 28 de´cembre 2017, no 404636; CE, 11 octobre 2018, no 412140. 140 CAA Paris, 10 avril 2018, no 16PA02900. 141 CE, 17 juin 2015, no 375853, no 375866, no 384705; CE, 8 novembre 2017, no 408801; CE, 28 de´cembre 2017, no 404636; CE, 11 octobre 2018, no 412140; CAA Paris, 10 avril 2018, no 16PA02900. 142 CE, 28 de´cembre 2017, no 404636, Rn. 2.

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(2) Circulaire du 17 juillet 2013 relative a` la mise en œuvre du gel de la re´glementation143 Eine in Frankreich im Jahr 2013 erlassene circulaire legt für die Umsetzung von Unionsrecht den folgenden Grundsatz fest: Alle anspruchsvolleren Regelungen, das heißt solche Regelungen, die über die Anforderungen des Richtlinientextes hinausgehen, sind explizit zu begründen und müssen im Rahmen der e´valuation pre´alable von Regulierungstexten validiert werden.144 Zusätzliche Verfahrensschritte, die neben solche der circulaire von 2011 treten würden, enthält die circulaire aus dem Jahr 2013 jedoch nicht. Die circulaire liest sich vielmehr als eine Bestärkung des Ziels der Vermeidung von Gold-Plating. Auch in Bezug auf die circulaire du Premier ministre aus dem Jahr 2013 hat der Conseil d’E´tat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die circulaire lediglich Richtlinien für die Organisation der Regierungsarbeit festlegt und die klagende Partei sich deshalb nicht darauf berufen kann, dass der infrage stehende Rechtsatz auf der Grundlage eines irregulären Verfahrens erlassen worden sei.145 (3) Circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact146 In der circulaire vom 26. Juli 2017 weist der Premierminister unter anderem darauf hin, dass bei der Umsetzung europäischer Richtlinien besondere Wachsamkeit an den Tag gelegt werden soll und jeder Erlass einer Maßnahme, die über die Mindestanforderungen einer Richtlinie hinausgeht, grundsätzlich verboten ist. Sofern sich Ausnahmen von diesem Grundsatz aufgrund politischer Entscheidungen auftun, müssen diese durch die Vorlage eines Dossiers, in dem die Maßnahme erläutert und begründet wird, dem Kabinett zur Entscheidung vorgelegt werden.147 Der secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes hat auf diese circulaire und ihre Auswirkungen auf den Prozess der Umsetzung europäischen Rechts Bezug genommen und angegeben, dass die durch die circulaire eingeführte Pflicht zur Vorlage eines Dossiers tatsächlich Auswirkungen bei der Richtlinienumsetzung

143 Circulaire du 17 juillet 2013 relative a` la mise en œuvre du gel de la re´glementation, NOR: PRMX1318687C. 144 Article, no 2 de la circulaire du 17 juillet 2013 relative a` la mise en œuvre du gel de la re´glementation, NOR: PRMX1318687C. 145 CE, 17 mars 2017, no 392865, Rn. 4; CE, 28 juillet 2017, no 394732, no 394735; CE, 25 octobre 2017, no 400412, Rn. 2. 146 Circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact, NOR: PRMX1721468C. 147 Art. 3 de la circulaire du 26 juillet 2017 relative a` la maıˆtrise du flux des textes re´glementaires et de leur impact, NOR: PRMX1721468C.

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gezeigt habe. Es sei etwa bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/95/EU148 ein Gold-Plating verhindert worden.149 Zwar hat der Conseil d’E´tat bisher noch nicht über die Wirkung der dargestellten circulaire aus dem Jahr 2017 entschieden, es ist jedoch aufgrund der Rechtsprechung zu den beiden vorangegangenen circulaires davon auszugehen, dass eine Missachtung der durch die circulaire eingeführten Vorlagepflicht eines Dossiers kein Verfahrensmangel begründet werden wird. cc) Projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais Am 3. Oktober 2018 hat der Minister für Europa und für auswärtige Angelegenheiten dem Conseil des ministres den projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais vorgelegt.150 Dem projet de loi geht ein am 28. Juni 2018 von einem Mitglied des Se´nat veröffentlichter Bericht151 voraus, der sich mit dem bereits vorhandenen Gold-Plating im französischen Recht beschäftigt und sich insbesondere auf die daraus resultierenden möglichen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen konzentriert.152 Der projet de loi wurde noch am selben Tag im Rahmen des beschleunigten Verfahrens dem Se´nat zugeleitet, der diesen am 7. November 2018 in erster Lesung angenommen hat.153 Mit dem projet de loi sollte nicht die Verhinderung der Entstehung von neuem Gold-Plating, sondern die Abschaffung von bereits im französischen Recht vorhandenem Gold-Plating bezweckt werden.154 Der projet de loi geht auf die bereits dargestellte circulaire du 26 juillet 2017 zurück,155 nach der auf der einen Seite jegliches Gold-Plating bei der Umsetzung von europäischem 148 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 330/1. 149 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 14. 150 Projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L. 151 Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi. 152 Kordeva, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 75, 85 f. 153 Landros-Fournale`s, D 2019, 2360, 2360; Lecourt, Rev. soc. 2019, 139, 139; Maupin, AJDA 2018, 1872, 1872. 154 Lecourt, Rev. soc. 2019, 139–146; Maupin, AJDA 2018, 1872, 1872; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split, Vol. 57, Issue 1, 43, 50 f. 155 Makowiak, RJE 2018, 667, 667; Maupin, AJDA 2018, 1872, 1872; Michel, Collected Papers of the Faculty of Law in Split, Vol. 57, Issue 1, 43, 50 f.

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Recht verhindert werden soll und auf der anderen Seite der Normenbestand in Frankreich auf das Vorliegen von Gold-Plating überprüft werden soll. Der projet de loi ist in vier Kapitel aufgeteilt, die die Abschaffung beziehungsweise Änderung verschiedener Normen und Regelungen beinhalten. Thematisch handelt es sich um Regelungen im Bereich der Wirtschaft (Kapitel 1), im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (Kapitel 2), im Bereich der Landwirtschaft (Kapitel 3) und im Bereich der Kultur (Kapitel 4).156 Der projet de loi wurde am 8. November 2018 an die Assemble´e nationale übermittelt und am 14. November 2018 an den Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten überwiesen.157 Seit der Zuleitung an den Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten ist das Verfahren jedoch zum Stillstand gekommen. Der Entwurf hängt somit seit nunmehr über drei Jahren beim Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten der Assemble´e nationale fest, und kann deshalb als gescheitert angesehen werden.158 Aufgrund des Stillstandes des Verfahrens wurden über die Hälfte der Änderungen aus dem eben dargestellten projet de loi in andere projets de loi integriert und somit die Änderungen und Abschaffungen von Normen, die ein Gold-Plating darstellen, auf anderem Wege realisiert.159 So enthält die sogenannte loi PACTE160 in Kapitel 1 verschiedene Maßnahmen zur Streichung von Bestimmungen des französischen Rechts, die über das hinausgehen, was die europäischen Richtlinien zwingend erfordern.161 Auch die sogenannte loi ASAP162 enthält in Kapitel 5 sechs Maßnahmen zur Streichung von Gold-Plating aus dem französischen Recht in den Bereichen Finanzen, öffentliches Auftragswesen, elektronische Kommunikation und Kultur.163 Insgesamt wurden bereits 22 der 27 Artikel des projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives

156 ´ Etude d’impact du projet de loi portant suppression des sur-transpositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L/Bleue-1. 157 https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/dossiers/suppression sur-transpositions d irectives, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 158 Landros-Fournale`s, D 2019, 2360, 2360; https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/d ossiers/suppression sur-transpositions directives, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 159 Conseil d’E´tat, Avis sur un projet de loi d’acce´le´ration et de simplification de l’action publique, NOR: ECOX1935404L/Verte-1, Rn. 53. 160 Loi no 2019-486 du 22 mai 2019 relative a` la croissance et la transformation des entreprises, NOR: ECOT1810669L. 161 Art. 22, 23, 29 de la loi no 2019-486 du 22 mai 2019 relative a` la croissance et la transformation des entreprises, NOR: ECOT1810669L; siehe dazu auch die Ausführungen im Expose´ des motifs. 162 Loi no 2020-1525 du 7 de´cembre 2020 d’acce´le´ration et de simplification de l’action publique, NOR: ECOX1935404L. 163 Siehe dazu die Ausführungen im Expose´ des motifs de la loi no 2020-1525 du 7 de´cembre 2020 d’acce´le´ration et de simplification de l’action publique, NOR: ECOX1935404L sowie die Ausführungen des Conseil d’E´tat, Avis sur un projet de loi d’acce´le´ration et de simplification de l’action publique, NOR: ECOX1935404L/Verte-1, Rn. 53.

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europe´ennes en droit franc¸ais, das diese Änderungen bündeln sollte, in andere Rechtsvorschriften aufgenommen und somit realisiert.164 Es bleibt festzuhalten, dass der projet de loi portant suppression des surtranspositions des directives europe´ennes en droit franc¸ais und die damit bezweckte gebündelte Streichung von Normen, die ein Gold-Plating europäischen Rechts darstellen, zwar nicht erfolgreich war, der Inhalt des projet de loi aber dennoch zum größten Teil verwirklicht wurde. dd) Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la surre´glementation Im Juli 2017 wurde die proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation165 auf den Weg gebracht, durch die die Constitution de la Cinquie`me Re´publique durch zwei weitere Artikel – Artikel 37-1 Const. und Artikel 37-2 Const. – ergänzt werden sollte.166 Nach dem vorgeschlagenen Artikel 37-1 Const. sollte jeder Rechtssatz, der eine neue, für Unternehmen verbindliche Norm einführt, durch die Aufhebung einer geltenden Norm kompensiert werden.167 Mit einem neuen Artikel 37-2 Const. sollte zudem verfassungsrechtlich verankert werden, dass Rechtstexte, die der Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht dienen, keine Anforderungen enthalten dürfen, die über die im europäischen Text festgelegten Anforderungen hinausgehen.168 Die proposition de loi constitutionnelle wurde der Kommission für Verfassungsgesetze, Gesetzgebung und allgemeine Verwaltung der Republik (Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique) zugeleitet, die die proposition de loi constitutionnelle im März 2019 ablehnte.169 Anhand der Diskussion, die innerhalb der Kommission geführt 164 Conseil d’E´tat, Avis sur un projet de loi d’acce´le´ration et de simplification de l’action publique, NOR: ECOX1935404L/Verte-1, Rn. 53; weitere Streichungen enthalten unter anderem die loi no 2019-1428 du 24 de´cembre 2019 d’orientation des mobilite´s (loi „LOM“), NOR: TRET1821032L und die loi no 2020-105 du 10 fe´vrier 2020 relative a` la lute contre le gaspillage et a` l’e´conomie circulaire, NOR: TREP1902395L, siehe dazu: Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 depose´ par la commission des affaires europe´ennes sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 27. 165 Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation, NOR: INPX1701306X. 166 Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation, NOR: INPX1701306X. 167 Art. 1 de la proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation, NOR: INPX1701306X. 168 Art. 2 de la proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation, NOR: INPX1701306X. 169 Assemble´e nationale, Rapport no 1817 fait au nom de la commission des lois constitutionnelles, de la legislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur la Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation (no 101), pre´sente´ par Cordier.

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wurde, wird deutlich, dass zwar grundsätzlich die Zielsetzung der proposition de loi constitutionnelle geteilt wird, die Erreichung der Ziele durch eine Verfassungsänderung jedoch infrage gestellt wird.170 Auch weist die Kommission darauf hin, dass das Gold-Plating europäischen Rechts durchaus auch positive Effekte haben könne und somit ein allgemeines Verbot dieser Umsetzungspraxis nicht Mittel der Wahl sei.171 Es wird zudem angebracht, dass die Regelungen zu starr seien und der nationale Gesetzgeber durch die Regelungen des vorgeschlagenen Artikels 37-2 Const. seine Souveränität aufgeben würde.172

4. Ergebnis Für den Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Frankreich lässt sich festhalten, dass in der Politik die klare Position geäußert wird, bei der Umsetzung europäischer Richtlinien Gold-Plating zu vermeiden. Dieses Bestreben hat dazu geführt, dass bereits mehrere circulaires zur Vermeidung von Gold-Plating durch den Premierminister erlassen wurden. Dies verdeutlicht einerseits, dass das Thema Gold-Plating in Frankreich sehr präsent ist und andererseits, dass das Instrumentarium der circulaire zur Vermeidung von GoldPlating in der Praxis nicht sehr durchgreifend und effektiv ist.173 Auch der projet de loi zur nachträglichen Abschaffung von bereits vorhandenem Gold-Plating im nationalen Recht sowie die proposition de loi constitutionnelle zur Änderung der Verfassung hinsichtlich eines Verbotes von Gold-Plating von Verfassungs wegen, unterstreichen die Wichtigkeit, die der Vermeidung von Gold-Plating in Frankreich zukommt. Auch der Conseil national d’e´valuation des normes, der sich trotz fehlenden expliziten gesetzlichen Auftrages mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings befasst, spiegelt die Aktualität der Diskussion wider. Es bleibt für Frankreich vor allem vor dem Hintergrund der Auskunft des Präsidenten des Conseil national d’e´valuation des normes festzuhalten, dass die bisherigen Maßnahmen und Ver-

170 Assemble´e nationale, Rapport no 1817 fait au nom de la commission des lois constitutionnelles, de la legislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur la Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation (no 101), pre´sente´ par Cordier, S. 35. 171 Assemble´e nationale, Rapport no 1817 fait au nom de la commission des lois constitutionnelles, de la legislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur la Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation (no 101), pre´sente´ par Cordier, S. 36. 172 Assemble´e nationale, Rapport no 1817 fait au nom de la commission des lois constitutionnelles, de la legislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur la Proposition de loi constitutionnelle visant a` lutter contre la sur-re´glementation (no 101), pre´sente´ par Cordier, S. 34, 36, 38. 173 So auch die Analyse von Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021.

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fahrensschritte, die für die Vermeidung von Gold-Plating in Kraft sind, bislang wohl keine besonders hervorzuhebende Wirkung zeigen.174

II. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland 1. Das Verfahren zur Verhandlung und Umsetzung von Richtlinien in Deutschland Im Hinblick auf das Rechtsinstrument der Richtlinie lassen sich zwei Phasen der Rechtsetzung unterscheiden: einerseits die Phase der Rechtsetzung auf europäischer Ebene und andererseits die Phase der Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht durch die Mitgliedstaaten. In beiden Phasen sind in Deutschland Verfahren und Maßnahmen vorhanden, die in Phase 1 die Teilhabe am europäischen Rechtsetzungsprozess und in Phase 2 die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht strukturieren sollen. a) Verfahren während des europäischen Rechtsetzungsprozesses Die Mitgliedstaaten können bereits im Rechtsetzungsprozess auf europäischer Ebene Einfluss auf die später umzusetzenden europäischen Richtlinien nehmen.175 Nach Angaben der Bundesregierung versucht Deutschland im Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene systematisch zum Entscheidungsprozess der Europäischen Kommission beizutragen und somit den Entscheidungsprozess auch mit Blick auf für Deutschland geeignete Optionsregelungen voranzutreiben.176 Zu einer aktiven Beteiligung Deutschlands während der Verhandlungsphase tragen auch die gesetzlichen Grundlagen bei, die dazu führen, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern auch das Parlament sowie der Bundesrat während der Verhandlungsphase auf europäischer Ebene in den Entscheidungsprozess einbezogen werden und sich mit dem zu erlassenden Rechtssatz beschäftigen. So sind sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat von der Bundesregierung frühestmöglich über jegliche Vorhaben der Europäischen Union zu informieren.177 An diese erste Informationspflicht178 knüpfen sich außerdem weitere Berichterstattungspflichten der Bundesregierung an, wie etwa die Übermittlung

174 So Alain Lambert (Präsident des CNEN) im Gespräch mit der Verfasserin vom 28. September 2021. 175 Siehe dazu: Beichelt, Deutschland und Europa, S. 52 ff. 176 OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 140. 177 Art. 23 Abs. 2 GG. 178 § 6 Abs. 1 EUZBBG, § 2 EUZBLG.

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eines Berichtsbogens179 sowie die Übermittlung einer umfassenden Beurteilung180, sofern es sich bei dem Vorhaben um einen Gesetzgebungsakt der Europäischen Union handelt und nicht um ein sonstiges Vorhaben der Europäischen Union. Die umfassende Bewertung des europäischen Rechtsaktes durch die Bundesregierung muss gem. § 6 Abs. 3 EUZBBG Angaben zur Zuständigkeit der Europäischen Union, zur Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie eine umfassende Abschätzung der Folgen für Deutschland in rechtlicher, wirtschaftlicher, finanzieller, sozialer und ökologischer Hinsicht machen. Zudem müssen Alternativen, Kosten, Verwaltungsaufwand und Umsetzungsbedarf dargestellt werden. Neben der so erfolgten Information an Bundestag und Bundesrat stellt das EU-ex-ante-Verfahren ein Verfahren dar, welches die Folgekosten, die durch europäische Rechtsakte für Deutschland entstehen, systematisch in den Blick nimmt. Im EU-ex-ante-Verfahren wird im Wesentlichen geprüft, inwieweit sich der neue Rechtsakt kostentechnisch auf Deutschland auswirken wird.181 Dieses Verfahren führt somit zu einer systematischeren Erfassung der Folgekosten, die aufgrund europäischer Rechtsakte entstehen. Ein mögliches Gold-Plating wird in diesem Verfahren hingegen noch nicht in den Blick genommen. Auch die frühzeitige Beteiligung von Bundestag und Bundesrat samt den oben benannten Informationsmaterialien führt dazu, dass eine Beteiligung der verfassungsrechtlichen Organe am europäischen Gesetzgebungsprozess gewährleistet ist. Eine konkrete Beschäftigung mit einer möglichen Umsetzungspraxis, die zu einem Gold-Plating der europäischen Richtlinie führt, findet hier allerdings ebenfalls nicht statt. Dies lässt sich auch damit erklären, dass es sich um Verfahren handelt, die noch vor dem eigentlichen Umsetzungsprozess in nationales Recht stattfinden. Es lässt sich somit festhalten, dass es zwar bereits während des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene nationale Verfahren gibt, die auf die Rechtsetzung auf europäischer Ebene Einfluss haben können und sich somit indirekt auf die Vermeidung von Gold-Plating auswirken könnten, diese Verfahren aber nicht auf die Verhinderung von GoldPlating ausgelegt sind, sondern vor allem der Vermeidung finanzieller Mehrbelastung dienen.

179 § 6 Abs. 2 EUZBBG; Anlage zu § 6 Abs. 2 EUZBBG; Anlage zu § 9 EUZBLG Ziff II Nr. 3; Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), Systematischer Kommentar zu den Lissabon-Begleitgesetzen, § 13 Rn. 38. 180 § 6 Abs. 3 EUZBBG; Anlage zu § 9 EUZBLG Ziff. II Nr. 3; Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), Systematischer Kommentar zu den Lissabon-Begleitgesetzen, § 13 Rn. 38. 181 Beschluss des stetigen Ausschusses für Europafragen vom 11. Januar 2016 zur Weiterentwicklung des EU-ex-ante-Verfahrens.

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b) Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht Die Zuständigkeit für die Umsetzung europäischer Richtlinien richtet sich nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes, sodass der Bund, die Länder oder Bund und Länder gemeinsam für die Umsetzung europäischer Richtlinien zuständig sein können.182 Sofern die Zuständigkeit beim Bund liegt, wird ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in der Regel durch die Bundesregierung, namentlich durch das zuständige Ministerium, ausgearbeitet.183 Obwohl neben der Bundesregierung auch dem Bundesrat und dem Bundestag ein Initiativrecht zur Einbringung von Umsetzungsgesetzen zusteht, ist es in der Praxis fast ausschließlich die Bundesregierung, die die Umsetzungsgesetze ausarbeitet und einbringt. In der 17. und 18. Legislaturperiode hat der Bundesrat lediglich vier Gesetzesentwürfe zur Umsetzung von europäischem Recht eingebracht.184 Das genaue Verfahren zur Umsetzung von Richtlinien auf Bundesebene durch die Ausfertigung eines Gesetzesentwurfes durch die Bundesregierung sieht wie folgt aus: Wurde die Richtlinie auf europäischer Ebene verabschiedet, so wird die Richtlinie in eine zentrale Datenbank der Europäischen Kommission eingespeist. Durch Schnittstellen mit Datenbanken der Mitgliedstaaten erfolgt sodann die Übermittlung der europäischen Richtlinie und ihrer Umsetzungsfrist an die Mitgliedstaaten. Für Deutschland stellt die Datenbank „EU-Richtlinien-Controlling“, kurz EURICO genannt, die Schnittstelle zur zentralen Datenbank dar. Sie wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verwaltet.185 Nach der Übermittlung der Richtlinie auf die deutsche Datenbank überprüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, welches Bundesministerium beziehungsweise welche Bundesministerien für die Umsetzung der Richtlinie zuständig ist/sind. Sofern die europäische Richtlinie in den Zuständigkeitsbereich mehrerer Bundesressorts fällt, wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein federführendes Bundesministerium bestimmt.186 Neben der

182 Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 171 f.; OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 141; Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Vorbemerkungen zu Artikel 70–74 GG Rn. 21. 183 Zwar kommt auch den weiteren Initiativorganen die Kompetenz zu, einen Gesetzesentwurf anzufertigen, dies ist in der Praxis jedoch sehr selten. 184 E-Mail-Kontakt mit Frau Claudia Reinhard vom 21. Juli 2021 (Referat Z4 Dokumentation); dies ist auch nachschlagbar unter: https://dip.bundestag.de/experten-suche?term= t:v%20and%20ds:%22Innerstaatliche%20Umsetzung%20von%20EU-Recht%22%20and%2 0vp:100/120&rows=25, zuletzt abgerufen am 28. April 2022. 185 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 311; Gröbe/Grohs/ Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 137; Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 171. 186 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 311; Kaeding, Journal of European Integration 2007, 325, 433; Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172.

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Prüfung der Zuständigkeit fungiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als zentraler Koordinator und als Überprüfungsinstanz im Falle von Verzögerungen der Richtlinienumsetzung.187 Sobald die zuständigen Bundesministerien bestimmt sind, wird der Umsetzungsauftrag an die Ministerien weitergeleitet und innerhalb des Ministeriums durch das EU-Koordinierungsreferat, welches in jedem Ministerium eingerichtet ist und wessen Referatsleiter in der Regel auch EU-Beauftragter ist, an das im Ministerium zuständige Fachreferat weitergeleitet.188 Innerhalb der folgenden zwei Wochen erstellt das zuständige Fachreferat unter Abstimmung mit den weiteren zuständigen Fachreferaten anderer Bundesministerien einen ressortübergreifenden Umsetzungsplan.189 Auch dieser wird in die Datenbank EURICO eingespeist und enthält die wichtigsten, fristgebundenen Meilensteine für die Umsetzung der Richtlinie.190 Anhand des Umsetzungsplans wird die Umsetzung der Richtlinie nachverfolgt und abgeschlossene Meilensteine werden im System als abgeschlossen gekennzeichnet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz kontrolliert anhand der im Umsetzungsplan enthaltenen fristgebundenen Meilensteine, ob die Umsetzung fristgerecht vorangeht. Sofern die Meilensteine nicht fristgerecht durch das zuständige Fachreferat als abgeschlossen gekennzeichnet werden, erfolgt eine automatisierte Warnung durch die Datenbank EURICO an das EU-Koordinierungsreferat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima sowie an das EU-Koordinierungsreferat des zuständigen Fachreferates.191 Für die fristgerechte und inhaltlich europarechtskonforme Umsetzung der Richtlinien sind die zuständigen Bundesministerien trotz der zentralen Koordi-

187 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 314 f.; Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172; Gröbe/Grohs/Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 137; Kaeding, Journal of European Integration 2007, 325, 431. 188 Gröbe/Grohs/Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 143; weiterführende Informationen zu dem EU-Koordinierungsreferat gibt: Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172, 227 f. 189 Beichelt, in: Böttger/Jopp (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Europapolitik, S. 105, 117; Beichelt, Deutschland und Europa, S. 284; Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 311, 313; Gröbe/Grohs/Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 139; Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172. 190 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 311; Gröbe/Grohs/ Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 143; Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172. 191 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 311; Müller Go´mez/ Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 174.

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nierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gem. § 75 Abs. 1 GGO selbst verantwortlich.192 Das federführende Bundesministerium kann und soll die Expertise weiterer Bundesministerien in Anspruch nehmen, sodass bei der Umsetzung von Richtlinien vor allem die Ministerien mit übergreifenden europarechtlichen Kompetenzen, also das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, konsultiert werden sollen.193 In der Praxis ist die Einbeziehung dieser Expertise jedoch nicht die Regel und die Fachreferate verlassen sich oft auf die im eigenen Referat oder Ministerium vorhandene Expertise.194 Auch für die Koordinierung zwischen den Ministerien ist das federführende Ministerium eigenständig, ohne weitere spezielle Vorgaben, verantwortlich.195 Bei anspruchsvollen und politisch wichtigen Sachverhalten oder bei nicht fristgerechter Umsetzung kann einerseits die Runde der Europa-Abteilungsleiter196 und andererseits der Ausschuss der Staatssekretäre für Europafragen197 mit Fragen der Richtlinienumsetzung befasst werden.198 Beide Gremien tagen einmal monatlich, wobei der Ausschuss der Staatssekretäre für Europafragen in der Regel zwei Wochen nach der Runde der Europa-Abteilungsleiter tagt und die Tagesordnungen beider Gremien aneinander angepasst sind.199 An den Sitzungen der Europa-Abteilungsleiter sind neben den Europa-Abteilungsleitern der Fachressorts auch das Bundeskanzleramt auf Unterabteilungsebene sowie die Ständige Vertretung durch den Ständigen Abteilungsleiter vertreten. Vorsitzend sind abwechselnd das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.200 Der Ausschuss der Staatssekretäre für Europafragen 192 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 314 f.; Gröbe/Grohs/ Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 139. 193 Vgl. § 45 Abs. 1 GGO; diese drei Ministerien werden deshalb zum Teil auch als „Europaministerien“ bezeichnet: Gröbe/Grohs/Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 144. 194 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 316; Gröbe/Grohs/ Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 144. 195 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 313 ff.; Gröbe/ Grohs/Beinborn, in: Rubel/Ziekow (Hrsg.), Die Verwaltung und ihr Recht, S. 123, 138 f. 196 Näher zur Institution der Runde der Europa-Abteilungsleiter: Grünhage, Entscheidungsprozesse in der Europapolitik Deutschlands, S. 91 ff. 197 Näher zur Institution des Staatssekretärausschusses für Europafragen: Grünhage, Entscheidungsprozesse in der Europapolitik Deutschlands, S. 87 ff. 198 Gröbe/Beinborn/Grohs, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 305, 314; Müller Go´mez/ Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 173; OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 142 f. 199 Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 228 ff. 200 Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 228 f.

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setzt sich aus den Staatssekretären, dem Kanzleramt auf Abteilungsleiterebene und der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der Europäischen Union zusammen. Den Vorsitz hat der für EU-Fragen verantwortliche Staatsminister des Auswärtigen Amtes inne. Den stellvertretenden Vorsitzenden stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.201 Im weiteren Umsetzungsverfahren verläuft das Gesetzgebungsverfahren anhand der üblichen nationalen Strukturen, das heißt unter Einbeziehung derselben Entscheidungsverfahren wie bei der nationalen Gesetzgebung. Auch die Beteiligung des Bundesrates läuft parallel zu derjenigen im rein nationalen Gesetzgebungsverfahren.202 Nach der Veröffentlichung eines Umsetzungsaktes erfolgt die Notifizierung an die Europäische Kommission durch das federführende EUKoordinierungsreferat mithilfe der Datenbank EURICO.203 Sofern die Umsetzung einer Richtlinie (teilweise) in den Kompetenzbereich der Länder fällt, wird die Richtlinie nach Übermittlung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz an das federführende Bundesministerium von diesem an die Bundesländer mit der Aufforderung zur fristgerechten Umsetzung der Richtlinie übermittelt. Als zentrale Koordinationsstelle zwischen den Bundesländern dient das Land Berlin.204 Das federführende Bundesministerium dient ebenfalls weiterhin als Koordinator.205

2. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings hat sich in Deutschland im Laufe der Jahre gewandelt. Während in Deutschland europäische Richtlinien früher oft ambitionierter umgesetzt wurden, wird in Deutschland nun eine „No-Gold-Plating-Politik“ verfolgt, um diese Umsetzungspraxis möglichst zu verhindern. a) Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in der Vergangenheit In der Vergangenheit hat Deutschland, wie auch viele andere europäische Mitgliedstaaten, regelmäßig von den in der Richtlinie enthaltenen Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht,206 sodass bei der Umsetzung europäischer 201

Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 229. Gröbe, dms 2018, 309, 310; OECD, Bessere Rechtsetzung für Europa: Deutschland 2010, S. 142. 203 Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 173. 204 Müller Go´mez/Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union, S. 172. 205 OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 142. 206 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Auswirkungen von Subsidiarität und Gold Plating auf Wirtschaft und Beschäftigung“, 2018/C 440/05, Rn. 4.1.1; beispielhaft für Deutschland: Jung, Das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Richtliniengebung zur deutschen Zivilrechtsdogmatik, in: Hohloch (Hrsg.), Richtlinien der 202

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Richtlinien in das deutsche Recht oft eine Umsetzungspraxis des Gold-Platings beobachtet werden konnte. In den letzten Legislaturperioden erfolgte jedoch eine Kehrtwende hin zu dem Bestreben, eine sogenannte „No-Gold-Plating-Politik“ zu verfolgen, was das Ziel beschreibt, europäische Richtlinien nur noch eins zu eins in das nationale Recht umzusetzen.207 Als Hintergrund dieser Kehrtwende werden unter anderem die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der inländischen Unternehmen sowie die Reduzierung von Verwaltungskosten genannt.208 b) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf Bundesebene In Deutschland wird eine Eins-zu-eins-Umsetzung von Richtlinien bereits seit mehreren Legislaturperioden angestrebt.209 Bereits im Koalitionsvertrag der 16. Legislaturperiode werden diese Bestrebungen festgehalten.210 Die Bestrebungen zeigen, dass auch in Deutschland auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings reagiert wird. Eine solche Umsetzungspolitik wird auch als „No-Gold-PlatingPolitik“ bezeichnet.211 Die Vorbeugung von Gold-Plating, das heißt die Sicherstellung einer Eins-zu-eins-Umsetzung europäischer Richtlinien, soll in Deutschland im Wesentlichen durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden: einerseits durch die Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und die Ausweitung seiner Befugnisse und Aufgabenbereiche, die auch die Überprüfung von Gesetzesentwürfen auf das Vorliegen von Gold-Plating umfassen; andererseits mit einer dem federführenden Minister zukommenden Begründungspflicht in Bezug auf das Vorliegen von Gold-Plating bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien. aa) Der Nationale Normenkontrollrat Durch Gesetz vom 14. August 2006212 wurde der Nationale Normenkontrollrat mit dem Ziel, die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen in BeEU und ihre Umsetzung in Deutschland und Frankreich, S. 76; beispielhaft für Österreich: Hummer, ÖGfE Policy Brief 21’2018. 207 Erstmalig in der 16. Legislaturperiode: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Gemeinsam für Deutschland, 16. Legislaturperiode, Zeilen 3605 f., 6233 ff. 208 Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 190 f.; siehe dazu näher Punkt A. I. 209 Siehe dazu auch Socher, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 61, 61. 210 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Gemeinsam für Deutschland, 16. Legislaturperiode, Zeilen 3605 f.; 6233 ff. 211 So z.B. bei: Haas, „Gold-Plating“ versus „1:1-Umsetzung“, S. 30; Hüpers/Reese, RdA 2020, 53, 58; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 190; Squintani, Beyond Minimum Harmonisation, S. 72; Thomann, J Eur Public Policy 2015, 1368, 1383; MEGA 10 Gruppe B, Wie kann man die Umsetzung der EU Richtlinien ins nationale Recht vereinfachen und harmonisieren?, S. 9. 212 Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG) vom 14. August 2006, BGBI. I S. 1866.

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zug auf den Bürokratieabbau und die bessere Rechtsetzung zu unterstützen, eingesetzt.213 Der Nationale Normenkontrollrat prüft insbesondere die Darstellung des Erfüllungsaufwandes neuer Regelungen für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit sowie die Darstellung der sonstigen Kosten der Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen.214 Der Nationale Normenkontrollrat ist dem Bundeskanzleramt unterstellt und hat seinen Dienstsitz in Berlin.215 Obwohl der Nationale Normenkontrollrat dem Bundeskanzleramt unterstellt ist, übt er seine Tätigkeiten unabhängig aus und ist somit nur an den durch das oben genannte Gesetz begründeten Auftrag gebunden.216 Die Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates handeln somit, ohne an jegliche Weisungen gebunden zu sein. Der Nationale Normenkontrollrat setzt sich aus zehn ehrenamtlichen Mitgliedern217 zusammen, die vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit den Mitgliedern der Bundesregierung dem Bundespräsidenten vorgeschlagen werden und anschließend vom Bundespräsidenten für eine Amtszeit von fünf Jahren berufen werden.218 Die Mitglieder sollen gemäß § 3 Abs. 2 NKRG Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten innerhalb staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen gesammelt haben und über Kenntnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen. Der Vorstand des Nationalen Normenkontrollrates wird aus den Kreisen der Mitglieder durch den Bundeskanzler bestimmt.219 Entscheidungen des Nationalen Normenkontrollrates werden gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 NKRG mit der Mehrheit der Mitgliederstimmen getroffen. Besteht Stimmengleichheit, bleibt eine Beanstandung des geprüften Gesetzesentwurfes aus.220 In der Praxis ergehen die Entscheidungen im Nationalen Normenkontrollrat allerdings regelmäßig einstimmig.221 Das Abstimmungsverfahren wird durch eine Geschäftsordnung, die allerdings nicht veröffentlicht ist, näher festgelegt.222 In 213 § 1 Abs. 2 NKRG; eingehend zum Entstehungsprozess des Nationalen Normenkontrollrates: Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 72–81; Schurig, Bessere Rechtsetzung im europäischen Vergleich, S. 91 ff.; eine Stellungnahme, die Bezeichnung als Nationaler Normenkontrollrat sei als Gegenpol zur parlamentarischen Demokratie zu verstehen, findet sich bei: Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, S. 293 f. 214 § 1 Abs. 3 NKRG. 215 Zum Hintergrund der Anbindung an das Bundeskanzleramt: Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 109. 216 Vgl. § 1 Abs. 1 NKRG, die demokratische Legitimation des Nationalen Normenkontrollrates wird beleuchtet bei: Veit/Heindl, ZPB 2013, 111, 111 f. 217 Vor der Gesetzesnovelle im Jahr 2011 (BGBl. I S. 420 vom 16. März 2011) waren es acht Mitglieder. 218 Vgl. § 3 Abs. 1 NKRG. 219 Vgl. § 3 Abs. 4 NKRG. 220 § 3 Abs. 6 Satz 2 NKRG. 221 Große-Sender/Schönenbroicher, ZG 2014, 367, 368; Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 111; Veit, Bessere Gesetze durch Folgenabschätzung?, S. 277. 222 § 3 Abs. 7 NKRG.

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zeitlicher Hinsicht findet die Überprüfung durch den Nationalen Normenkontrollrat ex ante statt. Bei Vorlagen durch die Bundesministerien erfolgt die Prüfung somit, bevor die Gesetzesentwürfe dem Bundeskabinett vorgelegt werden.223 Der Nationale Normenkontrollrat kann auch Vorlagen des Bundesrates überprüfen, sofern der Bundesrat sich dazu entschließt, seine Vorlagen dem Nationalen Normenkontrollrat zuzuleiten. Auch bei Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages kann eine Überprüfung durch den Nationalen Normenkontrollrat erfolgen, wenn dies durch die einbringende Fraktion beziehungsweise den einbringenden Abgeordneten beantragt wird.224 In der Praxis wird die Option der Zuleitung von Gesetzesvorlagen durch den Bundesrat und den Bundestag jedoch kaum wahrgenommen.225 Die Ergebnisse der Prüfung des Nationalen Normenkontrollrates werden in einer schriftlichen Stellungnahme zusammengefasst.226 Diese Stellungnahmen werden dem Gesetzesentwurf gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 NKRG, § 42 Abs. 1 Satz 2, § 45 Abs. 2 GGO zusammen mit einer Stellungnahme der Bundesregierung bei der Einbringung in den Bundestag oder bei der Zuleitung an den Bundesrat beigefügt. Sie sind nicht öffentlich.227 Über seine Arbeit hat der Nationale Normenkontrollrat jährlich dem Bundeskanzler zu berichten, wobei dem schriftlichen Bericht Empfehlungen beigefügt werden können.228 Auffallend ist, dass dem Nationalen Normenkontrollrat zwar bezüglich aller Gesetzesvorlagen ein Prüfungsrecht zukommt, jedoch eine Pflicht zur Zuleitung von Gesetzesvorlagen an den Nationalen Normenkontrollrat nur für Vorlagen der Bundesministerien besteht.229 Dies resultiert daraus, dass die anderen Kontrollkompetenzen erst später durch die Gesetzesnovelle im Jahr 2011 entstanden sind und teilweise verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die durch Artikel 38 Abs. 1 GG geschützte Weisungsunabhängigkeit der Abgeordneten des Bundestages geäußert wurden.230 Es lässt sich allgemein festhalten, dass im Zuge 223

§ 4 Abs. 3 Satz 1 NKRG. § 4 Abs. 3 Satz 3 NKRG. 225 Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 99. 226 Nationaler Normenkontrollrat, Broschüre: Der Nationale Normenkontrollrat, Dezember 2016, S. 17. 227 § 6 Abs. 1 NKRG; weitere Informationen zu den Jahresberichten finden sich bei: Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 118 ff. 228 § 6 Abs. 2 NKRG. 229 § 45 Abs. 1 Satz 1 GGO; was jedoch nicht bedeutet, dass dem Nationalen Normenkontrollrat ein Initiativrecht zukommt, wie Peifer zurecht betont: Peifer, GewA 2010, 479, 481. 230 So hat Schubmann-Wagner in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 2010 davor gewarnt, die Gesetzesänderung würde den Nationalen Normenkontrollrat in eine nicht erstrebenswerte politische Auseinandersetzung bringen; nach Linke ist die „verordnete Zwangsberatung“ nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und deshalb verfassungswidrig, Linke, JZ 2016, 1081, 1082 ff.; diese Bedenken zurecht negierend: Peifer, GewA 2010, 479, 481. 224

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der Gesetzesnovelle im Jahr 2011 eine Kompetenzerweiterung des Nationalen Normenkontrollrates stattgefunden hat und die Rolle des Nationalen Normenkontrollrates im Gesetzgebungsverfahren gestärkt wurde, wodurch auch die Kompetenz zur Überprüfung von Gold-Plating bei der Umsetzung europäischer Richtlinien aufgenommen wurde.231 (1) Arbeitsweise des Nationalen Normenkontrollrates Der Nationale Normenkontrollrat arbeitet nach dem Berichterstatterprinzip, sodass jedes der zehn Mitglieder des Normenkontrollrates ein oder mehrere Fachressorts betreut.232 Im Rahmen der in der Regel 14-tägig stattfindenden Sitzungen beschließt der Nationale Normenkontrollrat sodann seine Stellungnahmen zu den einzelnen Regelungsvorhaben. Der Nationale Normenkontrollrat wird bei seiner Arbeit durch das Sekretariat mit weiteren 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt.233 Da die Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates ehrenamtlich tätig sind, übernehmen die Vollzeit tätigen Sekretariatsmitarbeiterinnen und Sekretariatsmitarbeiter, die ebenfalls fachlich für bestimmte Ressorts zuständig sind, in der Regel die Vorbereitung der Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrates.234 Die Sekretariatsmitarbeiterinnen und Sekretariatsmitarbeiter übernehmen somit die Hauptarbeit der beim Nationalen Normenkontrollrat anfallenden Aufgaben.235 (2) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates Um das Ziel zu erreichen, die Bundesregierung bei den Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zu einer besseren Rechtsetzung zu unterstützen, prüft der Nationale Normenkontrollrat insbesondere die Darstellung des Erfüllungsaufwandes neuer Regelungen für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit.236 Der Nationale Normenkontrollrat hat inhaltlich, d. h. hinsichtlich der angestrebten Ziele und Zwecke des zu überprüfenden Gesetzes, allerdings kein Prüfungsrecht.237 Neben der Darstellung des Erfüllungsaufwandes, die als Kernaufgabe 231 Kritisch vor dem Hintergrund einer Kompetenzverschiebung: Seckelmann, ZRP 2010, 213, 215. 232 Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 52; Jantz/Veit, in: Florack/Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285, 299; Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2007, S. 20; Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 110. 233 Informationen abrufbar unter: https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/ DE/der-nkr/sekretariat/sekretariat node.html; zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 234 Die Präsidentin des Landtags NRW/Deutsche Gesellschaft für Gesetzgebung, Die Einführung eines Normenkontrollrates auf Länderebene, S. 52. 235 Böllhoff, in: Döhler/Franzke/Wegrich (Hrsg.), FS Jann, S. 251, 253 f.; Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 109. 236 Vgl. § 1 Abs. 3 NKRG. 237 Vgl. § 1 Abs. 4 NKRG.

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des Nationalen Normenkontrollrates bezeichnet werden kann,238 nimmt der Nationale Normenkontrollrat noch weitere Aufgaben wahr: Die Prüfung erstreckt sich zusätzlich darauf, ob die Gesetzesvorlage eine verständliche Darstellung des Ziels und der Notwendigkeit der Regelungen enthält, ob Erwägungen zu anderen Lösungsmöglichkeiten und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens, zur Befristung und Evaluierung getroffen wurden, ob Ausführungen zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung enthalten sind und inwieweit im Falle der Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über deren Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden.239 Dem Prüfungsrecht des Nationalen Normenkontrollrates unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 NKRG Entwürfe für neue Bundesgesetze, Stammgesetze bei Entwürfen von Änderungsgesetzen, Entwürfe nachfolgender nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Vorarbeiten zu Rechtsakten der Europäischen Union und zu Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft, bei der Umsetzung von Recht der Europäischen Union die betroffenen Gesetze und nachrangigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und bestehende Bundesgesetze und auf ihnen beruhende Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften.240 Um sein Prüfungsrecht ausüben zu können, ist der Nationale Normenkontrollrat dazu befugt, die Datenbank zu nutzen, die die Bundesregierung, für die bei der Ermittlung der Bürokratiekosten erhaltenen Daten angelegt hat, eigene Anhörungen durchzuführen, Gutachten in Auftrag zu geben und der Bundesregierung Sonderberichte vorzulegen. Behörden des Bundes und der Länder leisten dem Nationalen Normenkontrollrat zudem Amtshilfe.241 Die Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrates – auch wenn diese ablehnend sind – führen nicht dazu, dass das Gesetz nicht verabschiedet werden kann. Zwar wird die Beteiligung des Nationalen Normenkontrollrates vor der Zuleitung der Gesetzesvorlage an das Bundeskabinett als zwingend verstanden,242 allerdings führt eine Nichtbehandlung der Vorlage durch den Nationalen Normenkontrollrat oder die Abgabe einer negativen Stellungnahme nicht dazu, dass die Vorlage vor der Kabinettsbefassung geändert werden muss. Die Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrates sind inhaltlich somit nicht bindend; dem Nationalen Normenkontrollrat steht kein formales Vetorecht zu.243 238 Nationaler Normenkontrollrat, Broschüre: Der Nationale Normenkontrollrat, Dezember 2016, S. 10. 239 § 4 Abs. 2 NKRG; zum Prüfungsumfang siehe auch die Darstellung bei: Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 90–98. 240 Ausführlich zu den Prüfungsgegenständen: Notbohm, Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle, S. 82–90. 241 § 5 NKRG. 242 Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65, die ohne die Beteiligung des Nationalen Normenkontrollrates von fehlender „Kabinettsreife“ sprechen. 243 Callies, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, S. 275,

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Wird die Gesetzesvorlage allerdings nach der Abgabe einer Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates abgeändert, so ist der Nationale Normenkontrollrat ein weiteres Mal zu beteiligen.244 (3) Kompetenzen und Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates in Bezug auf die Umsetzungspraxis des Gold-Platings Wie bereits angerissen, unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 NKRG nicht nur Entwürfe für „reine“ neue Bundesgesetze245 dem Prüfungsrecht des Nationalen Normenkontrollrates, sondern auch die betroffenen Gesetze und nachrangigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von europäischem Recht. Umsetzungsgesetze zu europäischen Richtlinien unterliegen somit uneingeschränkt dem Prüfungsrecht des Nationalen Normenkontrollrates. Gemäß § 4 Abs. 2 NKRG kann sich die Prüfung auf die methodengerechte Durchführung und nachvollziehbare Darstellung der in Absatz 2 aufgeführten Aspekte erstrecken. Einer dieser in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Aspekte ist die Frage, ob und inwieweit im Falle der Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über die europäischen Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden.246 Diese Prüfungskompetenz wurde im Zuge der Gesetzesnovelle im Jahr 2011 neu eingeführt, wodurch die Kompetenzen des Nationalen Normenkontrollrates erweitert wurden.247 Aufgrund dieser neuen Prüfungskompetenz hat der Nationale Normenkontrollrat somit ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings inne. Der Nationale Normenkontrollrat stellt somit seit 2011 eine Kontrollinstanz dar, die ausdrücklich damit betraut ist, die Umsetzungspraxis des Gold-Platings in einem ersten Schritt zu erkennen und in einem zweiten Schritt auf diese in seinen Stellungnahmen hinzuweisen. Bei der Umsetzung europäischer Richtlinien kommt dem Nationalen Normenkontrollrat somit in Bezug auf Gesetze und Verwaltungsvorschriften, die der Umsetzung von europäischen Richtlinien die290; Hofmann/Birkenmaier, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; Pieper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196; Schröder, DÖV 2007, 45, 48; Schurig weist deshalb auf die Einflussnahme auf informeller Ebene durch Gespräche hin: Schurig, Bessere Rechtsetzung im europäischen Vergleich, S. 168 f. 244 Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann/ Birkenmaier, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 33. 245 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 NKRG; daneben unterliegen auch die Entwürfe von Änderungsgesetzen und ihre Stammgesetze (Nr. 2), Entwürfe nachfolgender Rechts- und Verwaltungsvorschriften (Nr. 3), Vorarbeiten zu Rechtsakten der Europäischen Union und zu Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft (Nr. 4) und bestehende Bundesgesetze und auf ihnen beruhenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Nr. 6) dem Prüfungsrecht des Nationalen Normenkontrollrates. 246 § 4 Abs. 2 Nr. 5 NKRG. 247 Zur Erweiterung der Prüfungsrechte des Nationalen Normenkontrollrates: Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2011, S. 74 f.; kritisch zu den erweiterten Kompetenzen des Nationalen Normenkontrollrates äußert sich: Seckelmann, ZRP 2010, 213, 215.

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nen, das Recht zu, zu überprüfen, ob der Text des Umsetzungsgesetzes ein GoldPlating der europäischen Richtlinie darstellt und ob im Umsetzungsrechtsakt hinreichend Stellung dazu genommen wurde, ob es sich um eine Eins-zu-einsUmsetzung von europäischem Recht handelt oder nicht.248 Aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates liegt dann eine hinreichende Darstellung einer Eins-zu-eins-Umsetzung vor, wenn der Entwurf einen detaillierten Abgleich der einzelnen Vorgaben des europäischen Rechtssatzes mit den zu erlassenden nationalen Umsetzungsvorschriften enthält. Floskelhafte Feststellungen, dass es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung handle, würden hingegen nicht genügen.249 (4) Die Überprüfung von Gold-Plating durch den Nationalen Normenkontrollrat in der Praxis In der Praxis nimmt der Nationale Normenkontrollrat nicht nur dazu Stellung, ob der Regelungsentwurf methodengerecht und nachvollziehbar den Aspekt der Eins-zu-eins-Umsetzung im Falle der Umsetzung einer Richtlinie darstellt. Er weist vielmehr auch darauf hin, ob durch den Regelungsentwurf eine Eins-zueins-Umsetzung erreicht wird oder ob aus dem Regelungsentwurf ein GoldPlating der europäischen Richtlinie resultiert. Sofern nach dem Verständnis des Nationalen Normenkontrollrates kein Gold-Plating vorliegt, führt der Nationale Normenkontrollrat dies in seiner Stellungnahme wie folgt aus: „Soweit das Vorhaben die EU-Richtlinie umsetzt, liegen dem Normenkontrollrat keine Anhaltspunkte dafür vor, dass über eine 1:1-Umsetzung hinausgegangen wird.“250

Oder „Der Gesetzesentwurf stellt daher eine 1:1-Umsetzung von EU-Recht dar.“251

Sofern der Nationale Normenkontrollrat jedoch in dem Regelungsentwurf ein Gold-Plating ausfindig macht, spricht er dies in seiner Stellungnahme an. Dies erfolgt einerseits im Rahmen einer zusammenfassenden Tabelle, in der nur kurz dargestellt wird, dass keine Eins-zu-eins-Umsetzung, sondern Gold-Plating vorliegt: „Mit dem Regelungsvorhaben werden gleichzeitig auch [...] Neuregelungen getroffen, bei denen es sich um eine überschießende EU-Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie handelt (Gold Plating).“252 248 Seckelmann spricht explizit von einer Maßnahme zur Reduzierung des „oftmals beklagten so genannten ,gold platings‘“, Seckelmann, ZRP 2010, 213, 215. 249 Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2011, S. 75 f. 250 Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG: zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, NKR-Nr. 3104. 251 Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2018/967/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, NKR-Nr. 5062. 252 Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG zum Ent-

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Andererseits stellt der Normenkontrollrat aber auch detaillierter dar, worin er die über europäisches Recht hinausgehenden Regelungen im Umsetzungsakt sieht. Im Fall des Gesetzentwurfes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie sind beispielsweise die über die europäischen Regelungen hinausgehenden nationalen Regelungen im Abschnitt II.4 der Stellungnahme aufgelistet. So etwa Abschnitt II.4 Nr. 6: „§ 23 Abs. 2 Nr. 6, der Kennzeichnungspflichten für alle Erzeugnisse auf Rückgabe, Wiederverwendungs-, Verwertungs-, Beseitigungsmöglichkeiten oder Pfandregelungen vorsieht. Die in Bezug genommenen Art. 8 und 8a der Abfallrahmenrichtlinie lassen eine solche Kennzeichnungspflicht für alle Erzeugnisse nicht erkennen. Aus Sicht des Ressorts bestand diese Pflicht schon im Rahmen des geltenden Rechts (§ 23 Abs. 2 Nr. 4 KrWG).“253

Teilweise sind die zusammenfassende Stellungnahme in der tabellarischen Darstellung und die Darstellung im Volltext aber auch identisch und somit eher kurzgehalten, wie etwa bei der Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung: „Über die Umsetzung der Richtlinie hinaus führt es Auskunfts- und Haftungsansprüche gegen den Verletzer eines Geschäftsgeheimnisses sowie Regelungen zum Gerichtsstand und zu Gerichtskosten ein (Gold Plating). Diese Regelungen sind für die Harmonisierung des Gesetzes zum Schutz vor Geschäftsgeheimnissen mit verwandten Gesetzen wie etwa dem Patentgesetz erforderlich. Sie lösen keinen zusätzlichen Erfüllungsaufwand aus.“254

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Nationale Normenkontrollrat nur selten die Umsetzungspraxis des Gold-Platings bei der Umsetzung europäischer Richtlinien beanstandet hat.255 Nach Angaben des Nationalen Normenkontrollrates wurden seit Juli 2011 etwa 70 nationale Regelungsvorhaben als Gold-Plating eingestuft.256 Aus einer Kleinen Anfrage zum Thema Gold-Plating257 geht zudem für die 18. Legislaturperiode hervor, dass bei insgesamt 14 Richtlinien ein GoldPlating stattgefunden hat.258

wurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrichtlinie der Europäischen Union, NKRNr. 4890. 253 Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrichtlinie der Europäischen Union, NKRNr. 4890. 254 Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, NKR-Nr. 4431. 255 Siehe auch: Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2012, S. 35 256 E-Mail-Kontakt mit Herrn Janowski (Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates) vom 30. Dezember 2020. 257 BT-Drs. 19/22317. 258 BT-Drs. 19/22317, S. 2 f.

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bb) Begründung von Gesetzesvorlagen Die zweite Komponente, die in Deutschland die Umsetzungspraxis des GoldPlatings verhindern soll, sind die den Gesetzesvorlagen beizulegenden Gesetzesbegründungen. Ausgangspunkt für die Anforderungen des Gesetzgebungsverfahrens ist das Grundgesetz, namentlich die Artikel 70 bis 82 GG. Das Grundgesetz trifft jedoch hinsichtlich einer Pflicht zur Begründung von Gesetzesvorlagen in Artikel 76 GG selbst keine Vorgaben, sodass zumindest auf verfassungsrechtlicher Ebene keine Pflicht zur Gesetzesbegründung verankert ist.259 Die Verpflichtung, der Gesetzesvorlage eine Begründung beizulegen, kann sich somit nur aus einfachrechtlichen Normen ergeben, namentlich aus der jeweiligen Geschäftsordnung des Gesetzgebungsorgans. Nach Artikel 76 Abs. 1 GG werden Gesetzesvorlagen durch (1) die Bundesregierung, (2) aus der Mitte des Bundestages oder (3) durch den Bundesrat eingebracht, sodass sich eventuelle Begründungsvorgaben aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), der Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT) und der Geschäftsordnung des Bundesrates (GO-BR) ergeben können. (1) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung Innerhalb der Bundesregierung werden die Entwürfe zum Umsetzungsgesetz für die entsprechende europäische Richtlinie von dem thematisch zuständigen Bundesministerium – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mehrerer Bundesministerien – ausgearbeitet.260 Für Gesetzesvorlagen der Bundesregierung statuiert § 42 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 1 GGO eine Begründungspflicht für Gesetzesvorlagen. Diese gilt nicht nur für eine originär nationale Rechtsetzung, sondern erstreckt sich nach § 75 Abs. 2 GGO auch auf Gesetze zur Umsetzung von Rechtsakten und sonstigen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüssen der Europäischen Union. Es unterliegen somit auch Umsetzungsgesetze, die europäische Richtlinien in nationales Recht umsetzen, dieser Begründungspflicht. In der Begründung ist unter anderem den folgenden inhaltlichen Anforderungen zu genügen: Die Begründung muss die Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzentwurfs, alternative Lösungsmöglichkeiten und die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union sowie mit den von Deutschland abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen enthalten. Neben diesen allgemeinen Anforderungen, die § 43 GGO an die anzufertigende Begründung stellt, ist in der Gesetzesbegründung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 9 GGO auch darzustellen, inwieweit im Falle

259 BVerfGE 140, 65, 79 f.; BVerwGE 153, 367, 376 f.; Hebeler, JA 2017, 413, 414; Kersten, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. V, Art. 76 GG Rn. 22; Kment, in: Jarass/ Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 76 GG Rn. 4; Masing/Risse, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76 GG Rn. 70; a.A. Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 76 GG Rn. 7. 260 §§ 19 Abs. 1, 45 Abs. 1 GGO; OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 141.

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der Umsetzung einer Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über die europäischen Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden. Allerdings beinhalten die Begründungen zu den Gesetzesvorlagen in der Praxis nicht immer Informationen dazu, ob und inwieweit im Falle der Umsetzung einer Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über die europäischen Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden oder stellen dies nur in einem Satz ohne weitere Ausführungen fest.261 Teilweise findet aber auch eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Eins-zu-eins-Umsetzung statt, sodass für die einzelnen Paragrafen des Umsetzungsgesetzes erläutert wird, ob und warum es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung handelt. Teilweise erfolgt dies auch in tabellarischer Form.262 Dadurch, dass die Begründungspflicht sowie ihre inhaltlichen Anforderungen nicht verfassungsrechtlich verankert sind, sondern nur in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgeschrieben sind, ergeben sich aus der Nichterfüllung der inhaltlichen Begründungsanforderungen keine rechtserheblichen Folgen für das weitere Gesetzgebungsverfahren. Das Fehlen von Teilen der Gesetzesbegründung oder auch ihr Fehlen als Ganzes ist somit für die Rechtmäßigkeit der Gesetzesvorlage nach Artikel 76 Abs. 1 GG unerheblich, da die in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgelegten Anforderungen kein zwingendes Recht darstellen.263 Die in § 75 Abs. 2 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 9 GGO festgelegte Pflicht, die Gesetzesvorlage auch im Hinblick auf ein vorliegendes Gold-Plating der Richtlinie zu überprüfen und dieses zu begründen, stellt somit zumindest in der Theorie einen in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien verankerten Mechanismus dar, um die Umsetzungspraxis des Gold-Platings zu erkennen und zu hinterfragen. Damit diesem Instrument auch ein wirklicher Nutzen zukommt, muss aber die Anwendung in der Praxis erfolgen, die bisher noch lückenhaft ist. Die nach den §§ 43 Abs. 1 Nr. 5, 44 GGO durchzuführende Folgenabschätzung enthält keine weiteren Anforderungen, die explizit auf das Vorliegen einer überschießenden Richtlinienumsetzung ausgerichtet sind. (2) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages Für Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages enthält die Geschäftsordnung des Bundestages in § 76 Abs. 2 GO-BT ebenfalls die Pflicht, die Gesetzes261 BR-Drs. 144/21; BR-Drs. 7/21; BR-Drs. 434/20; BR-Drs. 158/17, S. 170; BRDrs. 148/18. 262 BR-Drs. 64/21, S. 27 ff; BR-Drs. 18/11627. 263 Hebeler, JA 2017, 413, 414; Kersten, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. V, Art. 76 GG Rn. 22; Kment, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 76 GG Rn. 4; Masing/Risse, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 76 GG Rn. 70.

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vorlagen mit einer Gesetzesbegründung zu versehen. Anders als in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien enthält die Geschäftsordnung des Bundestages allerdings keine näheren Anforderungen an den Inhalt der Gesetzesbegründung. (3) Begründungspflicht bei Gesetzesvorlagen des Bundesrates Für Gesetzesvorlagen des Bundesrates gibt es weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Bundesrates eine Vorschrift, die dem Bundesrat das Ausfertigen einer Gesetzesbegründung auferlegt, sodass zumindest keine Begründungspflicht für Gesetzesvorlagen des Bundesrates besteht. (4) Zwischenergebnis Die verschiedenen Anforderungen an die Ausgestaltung der Gesetzesbegründung spiegeln die Wichtigkeit der verschiedenen Initiativorgane in der Praxis wider. Im Zeitraum von 1949 bis 2017, das heißt von der ersten bis zur 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, gingen in Deutschland die meisten Gesetze auf Entwürfe der Bundesregierung zurück. Sie machten 74 Prozent aller Gesetzesentwürfe aus.264 Die Initiativrechte des Bundestages und des Bundesrates hingegen spielen in der Praxis eine geringere Rolle. So machten Gesetzesentwürfe des Bundestages von der ersten bis zur 18. Legislaturperiode 15 Prozent und Gesetzesentwürfe des Bundesrates 11 Prozent aus.265 Diese Tendenz zeigt sich – wohl in einem noch höheren Maß – bei der Einbringung von Umsetzungsgesetzen europäischer Richtlinien, die in der Regel – die Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorausgesetzt – auf Entwürfen der federführenden Ministerien der Bundesregierungen beruhen. So wurden in der 17. und 18. Legislaturperiode lediglich vier Entwürfe zur Umsetzung von Unionsrecht durch den Bundestag eingebracht.266 Obwohl für Gesetzesvorlagen der Bundesregierung eine Gesetzesbegründung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgeschrieben ist und diese auch Ausführungen zum Vorliegen von Gold-Plating umfassen soll, zeigt sich in der Praxis, dass die Begründungen nicht immer gleich detailliert erfolgen. Teilweise fehlen Ausführungen hinsichtlich einer Eins-zu-eins-Umsetzung gänzlich, teilweise enthält die Begründung Aussagen dazu, ob eine Eins-zu-

264 https://www.bundesrat.de/DE/dokumente/statistik/statistik-node.html, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 265 In der 19. Legislaturperiode waren es 66 Entwürfe des Bundesrates im Vergleich zu 486 Entwürfen des Bundestages; vgl. E-Mail-Kontakt mit Frau Claudia Reinhard vom 21. Juli 2021 (Bundesrat, Referat Z4 Dokumentation). 266 E-Mail-Kontakt mit Frau Claudia Reinhard vom 21. Juli 2021 (Bundesrat, Referat Z4 Dokumentation); dies ist auch nachverfolgbar unter: https://dip.bundestag.de/experten-suc he?term=t:v%20and%20ds:%22Innerstaatliche%20Umsetzung%20von%20EU-Recht%2 2%20and%20vp:100/120&rows=25, zuletzt abgerufen am 28. April 2022.

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eins-Umsetzung oder ein Gold-Plating vorliegt. Die Aussagen variieren jedoch von nur sehr allgemeinen und unbegründeten Stellungnahmen bis hin zu detaillierten, nach Paragrafen vorgenommenen Aufschlüsselungen der einzelnen Regelungen. c) Der aktuelle Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf Länderebene In Deutschland stellen die föderalen Strukturen der Bundesrepublik267 eine besondere Herausforderung bei der Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht dar.268 Sofern die Richtlinienbestimmungen in den gesetzgeberischen Zuständigkeitsbereich der Länder fallen, haben diese dafür Sorge zu tragen, dass die Richtlinie rechtzeitig und vollständig umgesetzt wird.269 Dass auch die Umsetzung von europäischen Richtlinien nach der Kompetenzordnung der Artikel 30, 70 ff. GG erfolgt, folgt implizit durch den Verweis „nach innerstaatlichem Recht“ in Artikel 291 Abs. 1 AEUV.270 Richtlinien fallen in der Regel nicht entweder in Bundes- oder in Landeskompetenz, sondern führen häufig zu einer zwischen Bund und Land geteilten Zuständigkeit.271 aa) Kooperation der Länder bei der Umsetzung von Richtlinien Es ist nicht unüblich, dass die Länder bei der Umsetzung von Richtlinien kooperieren und sich gegenseitig unterstützen.272 Um eine bessere Kooperation zwi267

Art. 28 Abs. 2 GG. Bundesministerium des Innern, Handbuch zur Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Rn. 260; OECD, Bessere Rechtsetzung in Europa: Deutschland 2010, S. 142; Bundesministerium des Innern, Stüer/Spreen, VerwArch 2005, 174, 174 f.; ausführlich zur Durchführung von Unionsrecht durch einen föderal organisierten Mitgliedstaat am Beispiel Österreichs: Börger, ALJ 2015, 143–156. 269 Deutscher Bundestag, Ausarbeitung: Überwachung der Umsetzung von EU-Richtlinien, PE 6 – 3000 – 78/15, S. 7; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 70 GG Rn. 10; Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 70 GG Rn. 8; zu den Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes, etwa im Wege eines BundLänder-Streits: Vedder, in: ders./Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 28. 270 Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Vorbemerkungen zu Artikel 70–74 GG Rn. 21; zur Relevanz von Art. 70 GG vor dem Hintergrund der Europäisierung des Rechts: Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. V, Art. 70 GG Rn. 28 ff.; ausführlich zur Maßgeblichkeit der nationalen Kompetenzordnung und diskutierter Alternativen: Burger, Verantwortung und Verantwortlichkeit für die Umsetzung supranationalen Rechts im Bundesstaat, S. 259 ff. 271 Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Vorbemerkungen zu Artikel 70–74 GG Rn. 21, der die „sektoral geteilte Zuständigkeit“ als „Normalfall“ bezeichnet. 272 Haslach spricht sogar davon, dass eine Zusammenarbeit für die Umsetzung von Richtlinien eher die Regel ist: Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, S. 326. 268

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schen den Ländern bzw. dem Bund und den Ländern zu ermöglichen, stimmen sich Bund und Länder in der Regel in Fachministerkonferenzen oder anderen Kooperationsgremien ab, wie zum Beispiel in (Bund-)Länder-Arbeitsgemeinschaften.273 Diese sollen gewährleisten, dass – wie etwa für das Wasserrecht274 oder die Anerkennung von Berufsqualifikationen – gemeinsame Lösungen erarbeitet und Umsetzungsempfehlungen abgegeben werden können.275 So fällt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie276 und der Richtlinie 2016/1629/EU zur Festlegung technischer Vorschriften für Binnenschiffe277 sowohl in die Kompetenz des Bundes als auch in die Kompetenz der Länder, sodass eine Kooperation zur rechtmäßigen Umsetzung der Richtlinie und der Lösung von Rechtsfragen bei der Umsetzung sinnvoll erscheint. Diese Zusammenarbeit kann in Form von Absprachen, der Vereinbarung von Eckpunkten oder auch in dem Verfassen einer Musterverordnung bestehen.278 Die Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU279 fällt ebenfalls zum Teil in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, wie beispielsweise die Festlegung von Regelungen zur Anerkennung ausländischer Lehrerberufsqualifikationen. Um eine einheitliche Umsetzung trotz einschlägiger Landeskompetenz zu gewährleisten, beschlossen die Länder im Rahmen der Kulturministerkonferenz vom 8. Oktober 2015 gemeinsame Eckpunkte für die Umsetzung der Richtlinie im Hinblick auf die Anerkennung ausländischer Lehrerberufsqualifikationen.280 Derartige 273 Derpa, Mitwirkung der deutschen Länder in EU-Angelegenheiten, in: Scheller/Schmid (Hrsg.), Föderale Politikgestaltung im deutschen Bundesstaat, S. 148, 156 f. 274 Siehe ausführlich zu der Gesetzgebungskompetenz für das Wasserwirtschaftsrecht und den Auswirkungen auf die Umsetzung europäischer Richtlinien: Ruttloff, UPR 2007, 333–336. 275 Siehe dazu auch näher die Webseite der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), abrufbar unter: https://www.lawa.de, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023 sowie die Webseite der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (BLANO), abrufbar unter: https://www.meeresschutz.info/blano.html, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023; da die Länder oft für den Vollzug der Richtlinienregelungen zuständig sind, werden Bund-LänderArbeitsgemeinschaften auch insbesondere zu diesem Zwecke für die Gewährleistung einer zielführenden Kooperation eingerichtet. 276 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327. 277 Richtlinie 2016/1629/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 zur Festlegung technischer Vorschriften für Binnenschiffe, zur Änderung der Richtlinie 2009/100/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/87/EG, ABl. L 252/118. 278 So auch schon: Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, S. 325. 279 Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung 1024/2012/EU über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“), ABl. L 354/132. 280 Ländergemeinsame Eckpunkte für die Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG geändert durch die Richtlinie 2013/55/EU im Hinblick auf die Anerkennung ausländischer Lehrerberufsqualifikationen, Beschluss der Kulturministerkonferenz vom 8. Oktober 2015 in der Fas-

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Kooperationen bei der Umsetzung von Richtlinien auf Landesebene sind allerdings gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass eine Abstimmung zwischen den Ländern nicht verpflichtend stattfinden muss, sondern auf informeller Basis passiert.281 Deshalb findet die Umsetzung von Richtlinien durch die Länder teilweise auch ohne eine vorherige Zusammenarbeit und Abstimmung statt, wie etwa in dem Bereich des kommunalen Ausländerwahlrechtes.282 bb) Äquivalent zum Nationalen Normenkontrollrat in den Bundesländern Auf Länderebene ist in der Regel kein Kontrollgremium vorhanden, das dem Nationalen Normenkontrollrat entspricht. Zwar haben sich viele Bundesländer mit Gesetzesentwürfen zur Einsetzung eines landesrechtlichen Normenkontrollrates beschäftigt,283 jedoch wurde nur in einigen Bundesländern ein solches Gremium tatsächlich eingerichtet. Dies ist in Baden-Württemberg284, Sachsen285 und Brandenburg286 der Fall. Allerdings variiert auch hier die Prüfkompetenz der Prüfgremien und umfasst nicht immer die Kontrolle, ob und inwieweit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien über die Anforderungen hinausgegangen wird. In Brandenburg ist die Zentrale Normprüfstelle als ein Referat der ersten Fachabteilung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg organisiert.287 Nach Anlage 9 Nr. 1 GGO Brandenburg verfolgt die Landesregierung das Ziel, bürokratische Belastungen für Bürgerinnen und Bür-

sung vom 26. November 2020; nähere Informationen zu den Aufgaben der Kulturministerkonferenz sind abrufbar unter: https://www.kmk.org/kmk/aufgaben.html, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 281 Derpa, in: Scheller/Schmid (Hrsg.), Föderale Politikgestaltung im deutschen Bundesstaat, S. 148, 156 f.; zu den Gründen, warum eine Kooperation zwischen den Ländern sinnvoll erscheint: Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, S. 327 f. 282 Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. L 368; siehe dazu auch die detaillierte Darstellung bei: Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, S. 272 ff. 283 So zum Beispiel Berlin: Abgeordnetenhaus Berlin Drs. 18/1592; Bremen: Bremische Bürgerschaft Drs. 17/1306; Niedersachsen: Niedersächsischer Landtag Drs. 18/5067; Thüringen: Pilz, DÖV 2016, 385–387. 284 Nähere Informationen abrufbar unter: https://www.normenkontrollrat-bw.de/ueber-u ns, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 285 Nähere Informationen abrufbar unter: https://www.justiz.sachsen.de/content/5111.h tm, zuletzt abgerufen am 30. Mai 2023. 286 Referat 12 der Abteilung 1 des Ministeriums des Innern und für Kommunikation des Landes Brandenburg, siehe das Organigramm unter: https://mik.brandenburg.de/sixcms/m edia.php/9/2022-03-18 Organigramm MIK.pdf; zuletzt abgerufen am 28. April 2022. 287 Referat 12 der Abteilung 1 des Ministeriums des Innern und für Kommunikation des Landes Brandenburg, siehe das Organigramm unter: https://mik.brandenburg.de/sixcms/m edia.php/9/2022-03-18 Organigramm MIK.pdf; zuletzt abgerufen am 28. April 2022.

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ger, Wirtschaft und Vollzugsbehörden auf das zwingend erforderliche Maß zu reduzieren. Der Normbestand soll reduziert werden und kommunale Standards sollen flexibilisiert werden. Die Zentrale Normprüfstelle unterstützt die Ministerien bei der Umsetzung dieser Ziele und überprüft Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf ihre Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit sowie ihre Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung bevor Gesetze vom Kabinett beschlossen werden. Sie ist nach § 21 Abs. 3 i. V. m. Anlage 9 GGO Brandenburg im Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Gemäß Anlage 9 Nr. 1 GGO Brandenburg dürfen Normen unter anderem nur erlassen werden, wenn Brandenburg zu ihrem Erlass aufgrund europa-, bundes- oder landesrechtlicher Vorgaben oder eines Staatsvertrages verpflichtet ist. Die genauen Kriterien der Normprüfung ergeben sich aus einem sogenannten Normprüfbogen, der in Anlage 9a GGO Brandenburg enthalten ist. Danach ist Teil der Erforderlichkeitsprüfung die Beantwortung der Frage, ob die Regelung oder Teile der Regelung über Bundesrecht oder Europarecht hinausgehen.288 Der Normprüfbogen und somit die durch die Zentrale Normprüfstelle unterstützte Überprüfung der Gesetzesentwürfe beinhalten somit auch eine Überprüfung daraufhin, ob der Gesetzesentwurf Gold-Plating beinhaltet. Eine solche Prüfungskompetenz, die sich auch auf das Vorliegen von GoldPlating erstreckt, ist im Gegensatz zu Brandenburg in den Kompetenztiteln der Normenkontrollräte Sachsens und Baden-Württembergs nicht enthalten.289 Es lässt sich somit festhalten, dass Umsetzungsgesetze auf Landesebene nur vereinzelt, namentlich in Brandenburg, durch eine unabhängige Instanz daraufhin überprüft werden, ob sie europäische Richtlinien überschießend umsetzen oder eine Eins-zu-eins-Umsetzung vorliegt. cc) Begründung von Gesetzesentwürfen Was die Anforderungen an die Begründung von Gesetzesentwürfen betrifft, gibt es in vielen Bundesländern in Anlehnung an die Geschäftsordnungen auf Bundesebene Begründungsvorgaben, die bei der Einbringung von Gesetzesvorlagen eingehalten werden sollen. Ob und in welchem Maße ein solches Begründungserfordernis festgeschrieben ist, variiert jedoch stark zwischen den einzelnen Bundesländern und zwischen den Geschäftsordnungen der Landesregierungen und Landtage als Initiativorgane im Gesetzgebungsverfahren.290 So ist in vielen Geschäftsordnungen lediglich niedergeschrieben, dass Gesetzesvorlagen zu begründen sind bzw. begründet werden sollen,291 während in einzelnen Geschäftsord-

288

Anlage 9a Ziff. 2.7 GGO Brandenburg. § 4 Sächsisches Normenkontrollratsgesetz; Punkte 1.3 und 4 der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien für den Normenkontrollrat Baden-Württemberg. 290 Siehe dazu die einzelnen Landesverfassungen der Länder. 291 So etwa in: § 53 Abs. 2 GO des Landtags Baden-Württemberg; § 19 Abs. 2 GO der Bremischen Bürgerschaft; § 70 Abs. 4 GO des Landtags Nordrhein-Westfalen. 289

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II. Der Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland

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nungen genauere Anforderungen an die Begründung enthalten sind.292 In anderen Geschäftsordnungen ist ein Begründungserfordernis gar nicht enthalten.293 Nur in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sind Regelungen vorhanden, nach denen eine Überprüfung dahingehend, ob und inwieweit über europäisches Recht hinausgegangen wird, vorgenommen werden soll. In Brandenburg ist dies, wie oben im Rahmen der Vorstellung der Zentralen Normprüfstelle beschrieben, in § 21 Abs. 3 i. V. m. den Anlagen 9 und 9a GGO Brandenburg für Gesetzesvorlagen der Landesregierung verankert. Nach § 21 Abs. 3 i. V. m. Anlage 9 und 9a GGO Brandenburg sind bei jedem Gesetzesentwurf Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung zu prüfen. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist nach Anlage 9a Nr. 2.7 GGO Brandenburg die Frage zu beantworten, ob die Regelung oder Teile der Regelung über Bundesrecht oder Europarecht hinausgehen. In NordrheinWestfalen soll bei Gesetzesvorlagen der Landesregierung die Stellungnahme, ob und inwieweit das Gesetz über die Vorgaben der Europäischen Union hinausgeht, in der Begründung enthalten sein, wie sich aus § 37 Abs. 1 Nr. 5 GGO Nordrhein-Westfalen ergibt.

3. Ergebnis Für den Umgang mit der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in Deutschland lässt sich festhalten, dass mit dem Nationalen Normenkontrollratein Gremium auf Bundesebene geschaffen wurde, welches umfassend mit der Überprüfung von Gesetzesvorlagen betraut ist. Die Erweiterung der Kompetenz des Nationalen Normenkontrollrates hat dazu geführt, dass dieser in seiner Stellung bestärkt wurde. In Bezug auf die Überprüfung des Vorliegens einer Eins-zu-eins-Umsetzung oder von Gold-Plating von Richtlinien ist festzuhalten, dass der Nationale Normenkontrollrat sich zwar mit dieser Thematik befasst, sofern es sich bei dem Gesetz um ein Gesetz zur Umsetzung von europäischen Rechtsakten handelt, er nach eigenen Angaben aber nicht die Ressourcen und Expertise hat, eine hinreichend detaillierte Überprüfung vorzunehmen. Er ist dahingehend oft auf die Informationen, die er von den zuständigen Ressorts erhält, angewiesen.294 Da sich die Prüfung des Nationalen Normenkontrollrates grundsätzlich auf die Prüfung des Erfüllungsaufwandes bezieht, erfolgt auch in Bezug auf das Vorliegen einer Eins-zu-eins-Umsetzung eine Überprüfung, die sich vor allem auf die Prüfung des Erfüllungsaufwandes bezieht, sodass der Nationale Normenkontrollrat vor allem auf das Vorhandensein von Gold-Plating hinweist, wenn mit dem 292 So etwa in: § 18 GO des Senats der Freien Hansestadt Bremen; § 9 Abs. 2 GO der Regierung des Saarlandes. 293 GO des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg; GO der Regierung des Landes Baden-Württemberg. 294 E-Mail-Kontakt mit Herrn Janowski (Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates) vom 30. Dezember 2020.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

Umsetzungsgesetz „unnötiger“ Erfüllungsaufwand zusammenhängt.295 Der Nationalen Normenkontrollrat stellt somit vor allem ein Gremium dar, welches zu einer Verringerung des Erfüllungsaufwandes beitragen soll. Eine detaillierte Analyse hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings kann er jedoch mangels Ressourcen und Expertise nicht leisten. Damit durch den Nationalen Normenkontrollrat eine weitreichendere und detailliertere Beurteilung möglich ist, müsste dieser mit mehr Kompetenzen ausgestattet sein und hinreichende Ressourcen erhalten, um auch selbst die relevanten Informationen beschaffen zu können. Außerdem müsste die vom Nationalen Normenkontrollrat benannte mangelnde Expertise verbessert werden. Zudem müsste dem Nationalen Normenkontrollrat nicht nur die erste Fassung der Gesetzesvorlage zugeleitet werden, sondern ihm auch am Ende des Gesetzgebungsprozesses nochmals die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden. So könnten auch Änderungen in der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates berücksichtigt werden, die sich erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ergeben. Damit die Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrat in der Praxis mehr Relevanz entfalten, wäre es sinnvoll, wenn die Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrates nicht nur unverbindliche Empfehlungen darstellen würden,296 sondern etwa eine verpflichtende aktive Beschäftigung mit der Stellungnahme nach sich ziehen würden, wie etwa durch eine verpflichtende Stellungnahme des für den Gesetzesentwurf zuständigen Bundesministeriums, sofern der Nationale Normenkontrollrat Bedenken und Anregungen äußert. Auch die Begründung der Gesetzesvorlagen durch die zuständigen Bundesministerien, die nach § 43 Abs. 1 Nr. 9 GGO auch Aussagen dazu beinhalten soll, ob und inwieweit im Falle der Umsetzung einer Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über die europäischen Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden, stellt zwar ein Instrument dar, welches theoretisch dazu geeignet ist die Umsetzungspraxis des Gold-Platings transparenter zu machen, kann in der Praxis aber mangels des verpflichtenden Charakters der in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien verankerten Gesetzesbegründung und der daraus resultierenden nicht immer konsequenten tatsächlichen Anwendung praktisch nur eingeschränkt zu einer höheren Transparenz beitragen. Die Informationsmechanismen im vorgelagerten europäischen Gesetzgebungsverfahren, wie auch das EU-ex-ante-Verfahren, tragen zumindest hinsichtlich der Umsetzungspraxis der überschießenden Richtlinienumsetzung nicht zu einem Mehr an Transparenz bei.

295 E-Mail-Kontakt mit Herrn Janowski (Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates) vom 30. Dezember 2020. 296 So auch: Schröder, DÖV 2007, 45, 48.

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III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich

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Auf Landesebene variieren die Anforderungen an die Begründung von Gesetzesvorlagen stark und die Stellungnahme, ob über die Anforderungen des Unionsrechts hinausgegangen wird, wird nur sehr vereinzelt von den Geschäftsordnungen der Initiativorgane gefordert. Zudem stellen die Begründungspflichten auf Landesebene, wie auch auf Bundesebene, kein zwingendes Recht dar. Nur wenige Bundesländer kennen ein mit dem Nationalen Normenkontrollrat vergleichbares Gremium zur Überprüfung von Gesetzesvorlagen.

III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich 1. Gemeinsames politisches Ziel der Vermeidung von Gold-Plating Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wird derzeit eine „No-Gold-Plating-Politik“ betrieben: In Deutschland wurde in den Koalitionsverträgen der letzten Legislaturperioden jeweils das Ziel festgelegt, Richtlinien eins zu eins umzusetzen.297 Inwieweit in Deutschland dieses Bestreben auch weiterhin durch die neue Regierung verfolgt wird, lässt sich bisher nicht beurteilen. Insbesondere lässt der Koalitionsvertrag der 20. Legislaturperiode keine eindeutige Linie hinsichtlich der Umsetzung europäischen Rechts erkennen.298 Auch in Frankreich ist das Ziel, Richtlinien nur noch eins zu eins umzusetzen, klar an den verschiedenen circulaires der Premierminister verschiedener Legislaturperioden zu erkennen.299 Um dieses Ziel der Eins-zu-eins-Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht zu erreichen, haben Deutschland und Frankreich mehrere Maßnahmen festgelegt. Anders als in Deutschland wird das Thema Gold-Plating derzeit aktiv in der französischen Politik und Literatur besprochen. Grund dafür war ein projet de loi300, mit dem das bereits vorhandene Gold-Plating im französischen Recht nachträglich beseitigt werden sollte. Insgesamt sollten durch den projet de loi 30 Regelungen geändert werden, um das politische Ziel einer Eins-zu-eins-Umsetzung von europäischen Richtlinien zu verfolgen.301 Der projet de loi als solcher ist zwar im Laufe des Verfahrens gescheitert. Dennoch wurden viele enthaltene Anpassungen und Streichungen des nationalen Rechts mittlerweile im Rahmen anderer Verfahren mit umgesetzt.302 In Deutschland ist ein solcher Gesetzesentwurf, der 297

Siehe dazu näher Punkt B. II. 2. Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Mehr Fortschritt wagen, 20. Legislaturperiode. 299 Siehe dazu näher Punkt B. I. 3. b) bb). 300 Projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L. 301 ´ Etude d’impact du Projet de loi portant suppression de sur-transpositions de directives europe´ennes en droit franc¸ais, NOR: EAEX1823939L/Bleue-1. 302 Siehe dazu näher Punkt B. I. 3. b) cc). 298

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

Regelungen, die ein Gold-Plating darstellen, nachträglich streichen soll, nicht geplant, da in Deutschland davon ausgegangen wird, dass die Einhaltung des Grundsatzes einer Eins-zu-eins-Umsetzung hinreichend durch den Nationalen Normenkontrollrat kontrolliert und gewährleistet wird. Es lässt sich somit festhalten, dass Deutschland und Frankreich mit der nachträglichen Beseitigung überschießen der Regelungen anders umgehen. Dies zeigt auch, dass während Deutschland die Vermeidung von Gold-Plating allein im Rechtsetzungsprozess, das heißt prozessual angeht, Frankreich darüber hinausgeht und neben Maßnahmen im Rechtsetzungsprozess auch Maßnahmen hinsichtlich bereits bestehenden Rechts trifft.

2. Vorgaben im Rechtsetzungsprozess hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings Wie dargestellt, enthält in Deutschland die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien in ihren inhaltlichen Anforderungen an die Begründung eines Gesetzesvorschlages die Anforderung, dass in der Begründung darauf einzugehen ist, ob es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie handelt oder ob der Gesetzesentwurf Gold-Plating enthält.303 In Frankreich setzen drei verschiedene an die Ministerien gerichtete circulaires fest, dass bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien kein Gold-Plating erfolgen soll, sondern eine Eins-zueins-Umsetzung angestrebt werden soll.304 Die circulaire du 17 fe´vrier 2011 legt fest, dass eine e´valuation pre´alable dahingehend erfolgen soll, ob es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung oder um Gold-Plating handelt. Diese e´valuation pre´alable soll anhand der in den Anhängen der circulaire vorliegenden Muster vorgenommen werden und im Rahmen der fiche d’impact erfolgen. Auf diese Rechtsetzungspraxis verweist die circulaire du 17 juillet 2013 nochmals und bestärkt das Ziel der Vermeidung des Gold-Platings bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien. Die circulaire du 17 juillet 2017 legt ergänzend fest, dass die Ministerien bei einer Umsetzung, die nicht eine Eins-zu-eins-Umsetzung darstellt, explizit in einem Dossier, das dem Kabinett vorzulegen ist, begründen müssen, warum sie davon abgesehen haben, die europäische Richtlinie eins zu eins umzusetzen und stattdessen über die Richtlinienanforderungen hinausgehen wollen. Den dargestellten Vorgaben aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und aus den circulaires der Premierminister ist gemein, dass sich sowohl die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien als auch die circulaires der Premierminister ausschließlich an die Ministerien richten.305 Ferner führt weder die Missachtung der Anforderungen an die Begründung von Gesetzesvorschlägen in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesminis-

303

Siehe dazu ausführlich Punkt B. II. 2. b) bb). Siehe dazu ausführlich Punkt B. I. 3. b) bb). 305 Siehe dazu die Punkte B. I. 3. b) bb) und B. II. 2. b) bb). 304

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III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich

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terien noch die Missachtung der Anforderungen aus den oben genannten circulaires dazu, dass das Gesetz nichtig ist oder andere Konsequenzen vollzogen werden.306 Es lässt sich jedoch festhalten, dass in Frankreich – zumindest in der Theorie – die Art und Weise der Darstellung, ob es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung oder um Gold-Plating handelt, stärker formalisiert ist als in Deutschland. So sind in den Anhängen der circulaire du 17 fe´vrier 2011 Muster zur Vornahme einer solchen Bewertung enthalten. Dies ist in Deutschland nicht der Fall. Hier soll nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien lediglich eine solche Bewertung vorgenommen werden. Der Inhalt des anzufertigenden Dossiers, das nach der circulaire du 17 juillet 2017 anzufertigen und dem Kabinett anschließend zur Entscheidung vorzulegen ist, sofern durch das Ministerium ein Gold-Plating der europäischen Richtlinie angestrebt wird, ist hingegen nicht näher – etwa durch ein Muster – definiert. Als weiterer Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich lässt sich herausstellen, dass die Auseinandersetzung, ob es sich um Eins-zu-eins-Umsetzung oder um ein Gold-Plating handelt, an verschiedenen Stellen erfolgt. Während in Deutschland diese Darstellung im Rahmen der Gesetzesbegründung erfolgt, ist sie in Frankreich nach der circulaire du 17 fe´vrier 2011 nicht im expose´ de motifs enthalten, sondern Teil der fiche d’impact. Im praktischen Umgang mit den Anforderungen zeigen sich in Deutschland und Frankreich, insbesondere hinsichtlich der defizitären praktischen Umsetzung der Vorgaben, Ähnlichkeiten. In deutschen Gesetzesentwürfen zur Umsetzung europäischer Richtlinien wird auf die Einhaltung der Eins-zu-einsUmsetzung oft nicht hinreichend eingegangen und teilweise finden sich in den Gesetzesentwürfen gar keine Ausführungen dazu, ob das Umsetzungsgesetz die Richtlinie eins zu eins umsetzt oder über die Anforderungen der Richtlinie hinausgeht.307 Auch in Frankreich zeigt sich ein ähnlicher Umgang mit den Anforderungen, die die circulaires an die Umsetzung europäischer Richtlinien stellen.308 Es lässt sich somit festhalten, dass beide Länder das Ziel der Eins-zu-einsUmsetzung europäischer Richtlinien auf der Ebene der Rechtsetzung angehen. In beiden Ländern richten sich die Anforderungen ausschließlich an die Ministerien, was vor dem Hintergrund der anteiligen Aufteilung von Rechtssatzentwürfen – insbesondere zur Umsetzung europäischer Richtlinien – in beiden Ländern die wichtigste Anlaufstelle ist. Während die Anforderungen in Frankreich auf der Grundlage dreier circulaires basieren, fußen die Anforderungen in Deutschland auf der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Den Anforderungen ist gemein, dass weder die circulaires noch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien zwingendes Recht darstellen bezie-

306

Siehe dazu die Punkte B. I. 3. b) bb) und B. II. 2. b) bb). Siehe dazu Punkt B. II. 2. b) bb) (1). 308 Siehe dazu Punkt B. I. 3. b) bb). 307

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hungsweise bei Missachtung der Vorgaben keine Konsequenzen für das Inkrafttreten oder Inkraftbleiben des Rechtstextes zu erwarten sind. Deshalb bleibt sowohl für Deutschland als auch für Frankreich festzuhalten, dass es zwar Vorgaben innerhalb des Rechtsetzungsverfahrens gibt, die zur Gewährleistung einer Eins-zu-eins-Umsetzung beachtet werden sollen, diese aber in der Praxis mangels Konsequenzen im Falle der Nichtbeachtung nicht immer hinreichend Berücksichtigung finden und deshalb weniger effektiv sind.

3. Betrauung einer Institution mit der Überprüfung von Gold-Plating Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gibt es eine Institution, die sich mit dem Thema Gold-Plating und Eins-zu-eins-Umsetzung befasst und Rechtssätze dahingehend bewertet, ob sie eine Eins-zu-eins-Umsetzung darstellen oder nicht. In Deutschland ist dies der Nationale Normenkontrollrat, in Frankreich der Conseil national d’e´valuation des normes. Die Institutionen unterscheiden sich zunächst darin, dass der Nationale Normenkontrollrat gänzlich unabhängig ist, während der Conseil national d’e´valuation des normes zwar inhaltlich ebenfalls unabhängig arbeitet, aber dem Ministerium für territoriale Zusammenarbeit und Beziehungen zu den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften unterstellt ist.309 Ferner unterscheiden sich die beiden Institutionen in ihrer Kompetenz zur Überprüfung von Gesetzesentwürfen. Während der deutsche Nationale Normenkontrollrat die Kompetenz besitzt, alle Gesetze und Verordnungen zu überprüfen, beschränkt sich die Beurteilungskompetenz des Conseil national d’e´valuation des normes auf solche lois und re`glements, die einen Einfluss auf die Verwaltung aufweisen. Es lässt sich somit festhalten, dass dem Nationalen Normenkontrollrat ein wesentlich weiterer Kompetenzbereich zukommt als dem Conseil national d’e´valuation des normes. Es ist außerdem festzuhalten, dass zwar sowohl der Nationale Normenkontrollrat als auch der Conseil national d’e´valuation des normes in ihren Stellungnahmen das Vorhandensein von Gold-Plating ansprechen, jedoch nur der Nationale Normenkontrollrat einen expliziten gesetzlichen Auftrag hat, dies in seinen Stellungnahmen aufzuzeigen. Der Conseil national d’e´valuation des normes ist hingegen gesetzlich nicht ausdrücklich dazu aufgefordert, im Rahmen seiner Stellungnahmen auf das Vorliegen von Gold-Plating hinzuweisen. Letztlich ist noch auf einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Institutionen hinzuweisen: Die Stellungnahmen des Nationale Normenkontrollrates – auch wenn sie ablehnend sind – führen nicht dazu, dass das Gesetz nicht verabschiedet werden kann. Zwar wird die Beteiligung des Nationalen Normenkontrollrates vor der Zuleitung der Gesetzesvorlage an das Bundeskabinett als

309 Siehe dazu näher die Ausführungen bei: Lambert/Kuhlmann, Rationaliser et e´valuer les normes, S. 20 ff.

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III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Deutschland und Frankreich

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zwingend verstanden,310 allerdings führt eine Nichtbehandlung der Vorlage durch den Nationalen Normenkontrollrat oder die Abgabe einer negativen Stellungnahme nicht dazu, dass die Vorlage vor der Kabinettsbefassung geändert werden muss. Die Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrates sind inhaltlich somit nicht bindend, dem Nationalen Normenkontrollrat steht somit kein formales Vetorecht zu.311 Wird die Gesetzesvorlage allerdings nach der Abgabe einer Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates abgeändert, so ist der Nationale Normenkontrollrat ein weiteres Mal zu beteiligen.312 Eine ablehnende Stellungnahme des Conseil national d’e´valuation des normes führt hingegen dazu, dass der Entwurf überarbeitet werden und dem Conseil national d’e´valuation des normes erneut vorgelegt werden muss. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass der Nationale Normenkontrollrat hinsichtlich seines Kompetenzbereiches zur Überprüfung von Normen und der expliziten gesetzlichen Aufforderung zur Kontrolle des Gold-Platings gegenüber dem Conseil national d’e´valuation des normes konkreter und breiter aufgestellt ist. Der Conseil national d’e´valuation des normes kann hingegen mit seinen Stellungnahmen einen verbindlicheren Einfluss auf die Rechtssatzentwürfe nehmen, da der Entwurf bei einer ablehnenden Stellungnahme überarbeitet werden muss und dem Conseil national d’e´valuation des normes erneut zur Stellungnahme vorzulegen ist. Beiden Institutionen fehlt es somit entweder an einer größeren Kompetenz oder an einem verbindlichen Einfluss auf die Rechtsetzung, damit ihre Stellungnahmen hinreichend Berücksichtigung finden.

4. Ergebnis Abschließend lässt sich festhalten, dass sowohl Deutschland als auch Frankreich eine „No-Gold-Plating-Politik“ betreiben und sich zum Ziel gesetzt haben, europäische Richtlinien nur noch im Rahmen einer Eins-zu-eins-Umsetzung in das nationale Recht umzusetzen. Belässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten Gestaltungsräume, etwa durch Optionsregelungen, Wahlvorschriften oder Bandbreitenregelungen, so streben sowohl Frankreich als auch Deutschland nicht nur eine Eins-zu-eins-Umsetzung an, sondern eine möglichst minimale Umsetzung im Rahmen der von der Richtlinie eröffneten Umsetzungsmöglichkeiten. Um diese Bestrebungen in der Praxis zu erreichen, haben sowohl Deutschland als auch Frankeich Maßnahmen innerhalb des Rechtsetzungsprozesses eingeführt. Mit

310 Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65, die ohne die Beteiligung des Nationalen Normenkontrollrates von fehlender „Kabinettsreife“ sprechen. 311 Callies, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, S. 275, 290; Hofmann/Birkenmaier, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; Pieper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196; Schröder, DÖV 2007, 45, 48. 312 Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann/ Birkenmaier, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 33.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

diesen Maßnahmen soll erreicht werden, dass bei der Umsetzung europäischer Richtlinien dargestellt wird, ob es sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung beziehungsweise eine möglichst minimale Umsetzung handelt oder ob die vorgesehene Umsetzung einen Fall des Gold-Platings darstellt. In beiden Ländern zeigen diese Maßnahmen aber hinsichtlich ihrer tatsächlichen Durchführung ihre Schwächen: Eine Nichtbeachtung der Anforderungen beziehungsweise eine nur sehr oberflächliche Stellungnahme hat weder in Deutschland noch in Frankreich Konsequenzen für den weiteren Fortgang des Rechtsetzungsprozesses.313 Anders als in Frankreich ist der Nationale Normenkontrollrat zur Überprüfung aller Gesetze und Verordnungen zuständig und hat bei Umsetzungsrechtsakten den gesetzlichen Auftrag zu überprüfen, ob in dem Umsetzungsrechtsakt Gold-Plating vorliegt oder europäisches Recht eins zu eins umgesetzt wird. Der französische Conseil national d’e´valuation des normes hingegen hat lediglich die Kompetenz zur Überprüfung von Normen mit Bezug auf die Verwaltung. Auch geht der Conseil national d’e´valuation des normes zwar regelmäßig in seinen Stellungnahmen darauf ein, ob in dem Umsetzungsrechtsakt Gold-Plating vorliegt oder nicht, jedoch ist ihm dies nicht explizit gesetzlich aufgetragen. Es lässt sich somit festhalten, dass Deutschland im Vergleich zu Frankreich bei der Überprüfung von Normen hinsichtlich der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf eine mit mehr Kompetenzen und Ressourcen ausgestattete Institution zurückgreifen kann als dies in Frankreich der Fall ist. Die eingeschränkte Kompetenz des Conseil national d’e´valuation des normes wird – auch vor dem Hintergrund des Vergleichs mit dem deutschen Nationalen Normenkontrollrat – sowohl vom Conseil national d’e´valuation des normes selbst als auch von der Assemble´e nationale und vom Se´nat hinsichtlich der Überprüfung von Gold-Plating kritisiert.314 In Frankreich wird das Phänomen des Gold-Platings nicht nur für die zukünftige Umsetzung europäischer Richtlinien thematisiert, sondern es findet auch eine Auseinandersetzung mit diesem Thema für bereits bestehendes Gold-Plating im nationalen Recht und dessen Abschaffung statt. Solche Bestrebungen gibt es in Deutschland derzeit hingegen nicht. In Deutschland und Frankreich ist das Thema des Gold-Platings somit in der Politik präsent, auch wenn das Thema in Deutschland nicht so aktuell diskutiert wird wie in Frankreich.

313 Siehe dazu genauer Punkt B. I. 3. b) bb) für Frankreich und Punkt B. II. 2. b) bb) (1) für Deutschland. 314 Lambert/Kuhlmann, Rationaliser et e´valuer les normes, S. 25 ff; 41 ff.; Assemble´e nationale, Rapport d’information no 532 par la commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique sur les moyens de lutter contre la surtransposition des directives europe´ennes dans le droit franc¸ais, pre´sente´ par Thourot et Warsmann, S. 43 ff.; Se´nat, Rapport d’information no 614 fait au nom de la commission des affaires europe´ennes et de la de´le´gation aux entreprises relatif aux surtranspositions pre´judiciables aux entreprises d’actes le´gislatif europe´ens en droit interne, pre´sente´ par Danesi, S. 76.

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IV. Gemeinsame Bestrebungen

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IV. Gemeinsame Bestrebungen Frankreichs und Deutschlands für eine bessere und harmonisierte Umsetzung von Richtlinien Am 22. Januar 2019 unterzeichneten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in Aachen den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration, der auch als Vertrag von ´ lyse´e-Vertrag316 Aachen bekannt ist.315 Durch den Vertrag von Aachen soll der E ergänzt und mit Blick auf zukünftige Herausforderungen fortgeschrieben wer´ lyse´e-Vertrages fiel den.317 Vor dem Hintergrund der historischen Bedeutung des E die Unterzeichnung des Vertrages von Aachen ebenfalls auf den 22. Januar und ´ lyse´e-Vertrages.318 somit auf das 56-jährige Jubiläum des E Der Vertrag von Aachen ist in eine Präambel und sieben Kapitel aufgeteilt: Kapitel 1 „Europäische Angelegenheiten“319; Kapitel 2 „Frieden, Sicherheit und Entwicklung“320; Kapitel 3 „Kultur, Bildung, Forschung und Mobilität“321; Kapitel 4 „Regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit“322; Kapitel 5 „Nachhaltige Entwicklung, Klima, Umwelt und wirtschaftliche Angelegenheiten“323; Kapitel 6 „Organisation“324 und Kapitel 7 „Schlussbestimmungen“325. Artikel 2 des Vertrages von Aachen sieht in Satz 1 vor, dass Deutschland und Frankreich vor großen europäischen Treffen regelmäßige Konsultationen auf allen Ebenen abhalten und sich im Rahmen dieser Konsultationen bemühen, gemeinsame Standpunkte zu erarbeiten und gemeinsame Äußerungen der Ministerinnen und Minister herbeizuführen. Mit Konsultationen auf allen Ebenen sind nach der Stellungnahme der Bundesregierung Konsultationen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, der Bundesministerinnen und Bundesminister und der Leitungs- und Arbeitsebenen der Bundesministerien gemeint. Die Bundesregierung stellt jedoch klar, dass in Artikel 2 Satz 1 des Vertrages von Aachen

315 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration vom 22. Januar 2019. 316 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Januar 1963. 317 Präambel des Vertrages von Aachen; BT-Drs. 19/10051, S. 1; Scholl, ZEuP 2019, 441, 442; zum Verhältnis zwischen dem Vertrag von Aachen und dem E´lyse´e-Vertrag: Ukrow, ZEuS 2019, 3, 8 ff. 318 BT-Drs. 19/12985, S. 2; zum gescheiterten Versuch bereits zum 50. Jubiläum einen Ergänzungsvertrag zu unterzeichnen: Ukrow, ZEuS 2019, 3, 4. 319 Art. 1 und 2 des Vertrages von Aachen. 320 Art. 3–8 des Vertrages von Aachen. 321 Art. 9–12 des Vertrages von Aachen. 322 Art. 13–17 des Vertrages von Aachen. 323 Art. 18–22 des Vertrages von Aachen. 324 Art. 23–26 des Vertrages von Aachen. 325 Art. 27 und 28 des Vertrages von Aachen; ausführlich zum Aufbau des Vertrages von Aachen: Ukrow, ZEuS 2019, 3, 6 f.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

lediglich eine vertragliche Bekräftigung der bereits stattfindenden Konsultationen zu sehen ist.326 Nach Artikel 2 Satz 2 des Aachener Vertrages stimmen sich Deutschland und Frankreich bei der Umsetzung von europäischem Recht in ihr nationales Recht ab. Somit nimmt die Regelung in Artikel 2 Satz 2 des Vertrages von Aachen vor allem die Umsetzung europäischer Richtlinien in den Blick.327 Die Bundesregierung stellt klar, dass Artikel 2 Satz 2 des Vertrages von Aachen darauf abzielt, mögliche Hemmnisse, die sich aus unterschiedlichen Umsetzungen von europäischem Recht für Bürgerinnen und Bürger und für den Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und Frankreich ergeben können, zu vermeiden.328 Frankreich und Deutschland verfolgen somit sowohl mit den Bestrebungen in Artikel 2 des Vertrages von Aachen als auch mit ihren nationalen „No-Gold-PlatingPolitiken“ das Ziel, Hemmnisse aufgrund unterschiedlicher Anforderungen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Insofern werden Frankreich und Deutschland voraussichtlich auch bei einer koordinierten Umsetzung europäischer Richtlinien eine aufeinander abgestimmte Eins-zu-eins-Umsetzung anstreben. Konkrete Vorgaben, wie sich Frankreich und Deutschland bei der Umsetzung von europäischem Recht und insbesondere von Richtlinien abstimmen beziehungsweise zukünftig abstimmen wollen, gibt es hingegen nicht. Die Bundesregierung zeigt im Rahmen einer Kleinen Anfrage auf, dass zur Umsetzung von europäischem Recht in nationales Recht lediglich einzelfallbezogene Konsultationen der jeweiligen deutschen und französischen Ministerien stattfinden.329 So hat zum Beispiel bei der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie keine deutschfranzösische Abstimmung im Sinne des Artikels 2 Satz 2 des Vertrages von Aachen stattgefunden.330 Auf eine weitere Kleine Anfrage von November 2020, in der die Bundesregierung darüber informieren sollte, wie häufig sie sich bislang mit der französischen Regierung im Sinne des Artikels 2 Satz 2 des Vertrages von Aachen abgestimmt hat und in der darum gebeten wurde, dies mit Datum, Thema und Gesprächspartner aufzuführen, führte die Bundesregierung lediglich aus, dass sie zu Gesprächsinhalten zwischen den Regierungen aufgrund von Vertraulichkeit – insbesondere bei noch laufenden Umsetzungsvorhaben – keine Stellung nehmen kann.331 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Artikel 2 des Vertrages von Aachen zwar festlegt, dass Frankreich und Deutschland sich zur Verhandlung von europäischem Recht und zur Umsetzung des europäischen Rechts in das jeweilige nationale Recht abstimmen. Der vertraglich festgelegten Abstimmung

326

BT-Drs. 19/12985, S. 9. So auch: Ukrow, ZEuS 2018, 3, 32; MEGA 10 Gruppe B, Wie kann man die Umsetzung der EU Richtlinien ins nationale Recht vereinfachen und harmonisieren?, S. 2. 328 BT-Drs. 19/12985, S. 9. 329 BT-Drs. 19/16672, S. 3. 330 BT-Drs. 19/24285, S. 3. 331 BT-Drs. 19/24285, S. 3. 327

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V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene

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fehlt es jedoch an konkreten Verfahren und Abstimmungsmustern, sodass insbesondere die Abstimmung zur Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht nach Artikel 2 Satz 2 des Vertrages von Aachen nur einzelfallabhängig und unregelmäßig erfolgt.332 Festzuhalten bleibt außerdem, dass der Vertrag von Aachen zwar nicht explizit auf die Vermeidung von Gold-Plating bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien in nationales Recht eingeht, aber ebenfalls darauf gerichtet ist, durch die intensivere Zusammenarbeit und Harmonisierung des deutschen und französischen Rechts Hemmnisse zu beseitigen.333 Indem Frankeich und Deutschland ihrerseits beide eine „No-Gold-Plating-Politik“ verfolgen und voraussichtlich auch weiterhin verfolgen werden, wird diese Umsetzungspolitik durch die Zusammenarbeit somit zumindest auch weiterhin bestehende Umsetzungspraxis bleiben oder sogar verstärkt werden.

V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene Das Thema Gold-Plating bei der Umsetzung von europäischem Recht – insbesondere europäischer Richtlinien – wird nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf europäischer Ebene besprochen.334 Dies geschieht oft im Rahmen von Vorhaben zur besseren Rechtsetzung.335

1. Europäische Kommission Die Europäische Kommission hat sich unter anderem in einer Mitteilung aus dem Jahr 2015336 zum Thema Gold-Plating geäußert. Die Europäische Kommission sieht in der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auf der einen Seite die Möglichkeit, den Nutzen der europäischen Regelungen zu erhöhen. Auf der anderen Seite äußert die Europäische Kommission Bedenken, dass durch Vor-

332 Assemble´e nationale, Rapport d’information no 4095 depose´ par la commission des affaires europe´ennes sur les me´thodes de transposition des directives europe´ennes, pre´sente´ par Bourlanges et Chassaigne, S. 62. 333 So auch: MEGA 10 Gruppe B, Wie kann man die Umsetzung der EU Richtlinien ins nationale Recht vereinfachen und harmonisieren?, S. 9. 334 Die Stellungnahmen zum Gold-Plating auf Unionsebene werden auch dargestellt bei: Leidenmühler, Entbürokratisierung und Deregulierung im unionsrechtlichen Kontext, S. 52 ff. 335 Siehe dazu die Ergebnisliste der Begriffssuche „Gold-Plating“, https://ec.europa.eu/sea rch/?queryText=%22gold-plating%22&query source=europa default&page=&filter=&swl ang=en&filterSource=europa default&more options date=*&more options language=e n&more options f formats=*, zuletzt abgerufen am 28. April 2022. 336 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU, COM(2015) 215 final.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

schriften, die ein Gold-Plating europäischer Richtlinien beinhalten, den Unternehmen und den öffentlichen Verwaltungen zusätzliche Kosten entstehen, die – aufgrund mangelnder Transparenz – fälschlicherweise mit den europäischen Vorschriften in Verbindung gebracht werden.337 Obwohl die Europäische Kommission in der Umsetzungspraxis des Gold-Platings auch Chancen sieht, ersucht sie das Europäische Parlament und den Rat, die Mitgliedstaaten dazu aufzufordern, bei der Umsetzung von europäischem Recht in nationales Recht ungerechtfertigtes Gold-Plating zu vermeiden und die Mitgliedstaaten dazu aufzurufen, Gold-Plating bei der Umsetzung europäischen Rechts zu begründen.338 Auch in einer späteren Mitteilung der Europäischen Kommission zum Abbau von Hindernissen für den Binnenmarkt aus dem Jahr 2020339 spricht die Europäische Kommission das Thema Gold-Plating an. Nach Auffassung der Europäischen Kommission können durch die Umsetzungspraxis des Gold-Platings unterschiedliche Regelungen entstehen, die dazu führen, dass die Marktteilnehmer belastet werden.340 Die Europäische Kommission äußert sich somit jüngst vor allem kritisch gegenüber der Umsetzungspraxis des Gold-Platings.341 Insgesamt ist auffallend, dass die Europäische Kommission das Gold-Plating immer im Zusammenhang mit einem vermehrten Verwaltungsaufwand und vermehrten Kosten anspricht und dabei betont, dass die zusätzlichen Verwaltungslasten nicht fälschlicherweise mit der Rechtsetzung der Europäischen Union in Verbindung gebracht werden dürfen. Vor diesem Hintergrund plädiert die Europäische Kommission für ein gänzliches Unterlassen des Gold-Platings. Allerdings hat die Europäische Kommission im Rahmen des Aktionsprogrammes zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union festgestellt, dass zwar 32 Prozent der Verwaltungslasten auf die von den Mitgliedstaaten gewähl-

337 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU, COM(2015) 215 final, Nr. 3.3; bestätigend: Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Zusammenfassung der jährlichen Durchführungsberichte über die im Jahr 2017 aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen kofinanzierten operationellen Programme, COM(2019) 259 final, Fn. 6. 338 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU, COM(2015) 215 final, Nr. 3.3. 339 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Hindernisse für den Binnenmarkt ermitteln und abbauen, COM(2020) 93 final. 340 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Hindernisse für den Binnenmarkt ermitteln und abbauen, COM(2020) 93 final, Nr. II.1. 341 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Regulatorische Eignung der EU-Vorschriften, COM(2012) 746 final, S. 12 f.; siehe dazu auch: Seikel, Leviathan 2017, 335, 349 f.

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V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene

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ten nationalen Umsetzungsmaßnahmen zurückzuführen sind, die Umsetzungspraxis des Gold-Platings aber lediglich 4 Prozent dieser Verwaltungslast ausmacht und sich die erhöhten Verwaltungslasten vielmehr auf eine ineffiziente Umsetzung zurückführen lassen (28 Prozent).342 Die Stellungnahmen der Europäischen Kommission – insbesondere in Verbindung mit den vermehrten Verwaltungslasten – muss in den Kontext der von der Europäischen Kommission verwendeten Definition des Gold-Platings gestellt werden, die enger ist als die Definition, die in der Regel in den Mitgliedstaaten – und so auch in Frankreich und Deutschland – gebräuchlich ist. Die Europäische Kommission ordnet dem Begriff Gold-Plating Folgendes zu: „At EU level, ,gold-plating‘ refers to transposition of EU legislation in a manner which goes beyond what is required by that legislation, while staying within legality. Member States have considerable discretion when implementing directives. They may often increase the frequency of reporting obligations, add procedural requirements for authorising the sale of a product, or apply more rigorous penalties. While not illegal, ,gold plating‘ may be a bad practice because it imposes costs that could have been avoided.“343

Klarstellend fügt die Europäische Kommission in der dazugehörigen Fußnote noch hinzu, wovon die Umsetzungspraxis des Gold-Platings abzugrenzen ist: „Gold-plating therefore is different from a transposition measure in contradiction with a Directive and subject to infringement procedures. Gold-plating should not be confused either with the introduction of amendments in the course of the EU legislative process and which aim at increasing the number and level of obligations. ,Opting out‘ of deregulatory measures is not gold-plating either. Some directives only invite, but do not oblige, Member States to remove a set of national rules. When a Member State decides to maintain its rules, there are indeed no additional requirements to the directive.“344

2. Europäisches Parlament Das Europäische Parlament hat sich im Jahr 2011 in einer Entschließung zum Fortschrittsbericht zum „Small Business Act“ in Bezug auf Gold-Plating wie folgt geäußert:

342 Dazu auch: BR-Drs. 271/10, S. 2; Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Was Europa besser machen kann, 2011, S. 14. 343 Europäische Kommission, Commission staff working paper – Annex to the report from the Commission „Better Lawmaking 2006“ pursuant to Article 9 of the Protocol on the application of the principles of subsidiarity and proportionality (14th report), COM(2007) 286 final, Nr. 2.1.7. 344 Europäische Kommission, Commission staff working paper – Annex to the report from the Commission „Better Lawmaking 2006“ pursuant to Article 9 of the Protocol on the application of the principles of subsidiarity and proportionality (14th report), COM(2007) 286 final, Fn. 46.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

„Das Europäische Parlament [...] begrüßt die Ansicht der Kommission, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht eine Übererfüllung vermeiden sollten, bei der sie über die Anforderungen der Unionsvorschriften hinausgehen, und vertritt die Meinung, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht Entsprechungstabellen verwenden sollten, aus denen klar hervorgeht, welcher Teil des Vorschlags sich aus Unionsvorschriften ergibt und welcher zusätzliche nationale Vorschriften umfasst.“345

In einer späteren Entschließung des Europäischen Parlamentes aus dem Jahr 2016 betont das Europäische Parlament jedoch die Notwendigkeit, dass „größere Klarheit herrschen sollte, was als Überregulierung gilt [...] [und], dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, strengere Vorgaben zu machen, wenn die EU-Rechtsvorschriften nur ein Mindestmaß an Harmonisierung vorsehen.“346

Auch in einer weiteren Entschließung aus dem Jahr 2016 erkennt das Europäische Parlament das Vorrecht der Mitgliedstaaten an, bei der Umsetzung von Richtlinien höhere Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards als die auf europäischer Ebene vereinbarten Mindestschutzstandards im nationalen Recht festzulegen. Das Europäische Parlament bekräftigt diese Umsetzungspraxis und weist darauf hin, dass das Setzen höherer Standards nicht als Gold-Plating aufgefasst werden sollte. Das Europäische Parlament weist aber auch darauf hin, dass die Mitgliedstaaten sich der Folgen einer wirklichen Überregulierung, die zu mehr Verwaltungslasten führt, bewusst sein sollten und dass es nicht zu falschen Vorstellungen in Bezug auf die legislative Tätigkeit der Europäischen Union und einer damit einhergehenden Skepsis gegenüber der Europäischen Union kommen sollte.347

3. Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenvertreter im Bereich Verwaltungslasten Im Jahr 2007 hat die Europäische Kommission die „Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten“ eingesetzt.348 Diese Gruppe sollte die Europäische Kommission bei der Umsetzung des Aktionsprogrammes zur Verringerung der Verwaltungslasten unterstützen. Das Mandat der „Hochrangigen Gruppe im

345 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Mai 2011 zum Fortschrittsbericht zum „Small Business Act“, ABl. C 377E/102, Nr. 10. 346 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. April 2016 zu dem Thema „Auf dem Weg zu einer besseren Rechtsetzung für den Binnenmarkt“, 2015/2089 (INI), Rn. 35. 347 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. April 2016 zu dem Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT): Bestandsaufnahme und Ausblick, 2014/2150 (INI), Rn. 44. 348 Beschluss der Kommission vom 31. August 2007 zur Einsetzung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, 2007/623/EG, ABl. L 253/40, S. 40–42.

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V. Stellungnahmen und Bestrebungen auf europäischer Ebene

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Bereich Verwaltungslasten“ endete am 31. Oktober 2014.349 Die „Hochrangige Gruppe“ erhielt von der Europäischen Kommission unter anderem den Auftrag, über bewährte Praktiken in den Mitgliedstaaten zur Umsetzung europäischer Rechtsakte auf möglichst unbürokratische Weise zu berichten und Vorschläge für die Verringerung der Verwaltungslasten auszuarbeiten.350 Der diesem Auftrag folgende Bericht „Was Europa besser machen kann“ nimmt unter anderem zur Umsetzungspraxis des Gold-Platings Stellung: Die Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten fordert die Mitgliedstaaten auf, beim Überschreiten von Mindeststandards dieses Überschreiten zu rechtfertigen beziehungsweise eine Erläuterung der Motive für diese Entscheidung abzugeben. In Bezug auf ein Gold-Plating im Sinne von unnötigen Verwaltungsanforderungen oder Verwaltungslasten empfiehlt die „Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten“, diese Umsetzungspraxis gänzlich zu vermeiden.351

4. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss Im Jahr 2018 hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme zu den Auswirkungen von Subsidiarität und Gold-Plating auf Wirtschaft und Beschäftigung angefertigt.352 In seiner Stellungnahme schlägt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss vor, die Umsetzungspraxis des Gold-Platings präziser zu definieren und den Ausdruck Gold-Plating nur dann zu verwenden, wenn bei der Umsetzung europäischer Vorschriften unangemessene und unnötige Ergänzungen vorgenommen werden, die im Lichte eines Zieles oder mehrerer Ziele der vorgeschlagenen Maßnahme nicht gerechtfertigt sind oder die einen unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass sich der Begriff Gold-Plating jedenfalls nicht auf die folgenden Fälle beziehen sollte: (1) die Einschränkung eingeführter Standards in den Bereichen Arbeits-, Sozial-, Verbraucher- und Umweltrecht; (2) nationale Maßnahmen, die keinen Zusammenhang zur Umsetzung von EU-Vorschriften aufweisen; (3) die Konkretisierung allgemeiner Bestimmungen einer europäischen Vorschrift im Zuge ihrer Umsetzung; (4) die Anwendung einer von mehreren ausdrücklich genannten Optionen für die Umsetzung von europäischem Recht; (5) vorteilhaftere nationale Bestimmungen, die auf der Grundlage des Regressionsverbots im europäischen Recht über die Mindeststandards hinausgehen und (6) die Anwendung des Inhalts einer

349 Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Abschlussbericht Bürokratieabbau in Europa, 2014, S. 5. 350 Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Was Europa besser machen kann, 2011, S. 2. 351 Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Was Europa besser machen kann, 2011, S. 37. 352 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Auswirkungen von Subsidiarität und Gold Plating auf Wirtschaft und Beschäftigung“, ABl. C 440/28.

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B. Umsetzungspraxis in Deutschland und Frankreich

Richtlinie auf ähnliche Fälle im Interesse der Kohärenz und Konsistenz nationaler Rechtsvorschriften.353

5. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Umsetzungspraxis des Gold-Platings auch ein auf europäischer Ebene behandeltes Thema ist. Auch wenn der Begriff Gold-Plating nicht immer deckungsgleich verwendet wird, lässt sich allgemein festhalten, dass die Umsetzungspraxis des Gold-Platings dann als negativ bewertet wird, wenn das Hinausgehen über die Anforderungen des europäischen Rechts mit höheren Verwaltungskosten oder einer Erhöhung der Verwaltungslasten einhergeht. Nach den dargestellten Stellungnahmen sollte eine Verhinderung dieser Umsetzungspraxis erfolgen. Das Hinausgehen über Minimalstandards wird in den aufgezeigten Stellungnahmen hingegen als Recht der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von europäischem Recht anerkannt und bekräftigt. Einigkeit herrscht hinsichtlich der Erforderlichkeit, mehr Transparenz bei der Umsetzung von europäischem Recht zu schaffen. Hierzu wird insbesondere an die Mitgliedstaaten appelliert, beim Hinausgehen über europäische Vorgaben dies mitzuteilen und das Vorgehen zu begründen.

353 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Auswirkungen von Subsidiarität und Gold Plating auf Wirtschaft und Beschäftigung“, ABl. C 440/28, Nr. 4.

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ Neben den Gründen, die die Mitgliedstaaten für die Verfolgung einer „No-GoldPlating-Politik“ angeben, lässt sich die Umsetzungspraxis des Gold-Platings auch aus rechtlicher Sicht, insbesondere hinsichtlich (1) der Verträge der Europäischen Union, (2) einer kooperativen Gesetzgebung der Europäischen Union und (3) des Grundsatzes der Rechtsklarheit würdigen.

I. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Verträge der Europäischen Union Die Umsetzungspraxis des Gold-Platings lässt sich vor dem Hintergrund der Verträge der Europäischen Union, insbesondere hinsichtlich (1) des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus Artikel 5 Abs. 4 EUV und (2) der primärrechtlichen Bestrebungen zu hohen Schutzstandards der Europäischen Union, kritisch beleuchten.

1. Artikel 5 Abs. 4 EUV – kompetenzrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz1 a) Grundsatz und materielle Anforderungen Der in Artikel 5 Abs. 4 EUV verankerte kompetenzrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergänzt den in Artikel 5 Abs. 3 EUV enthaltenen Subsidiaritätsgrundsatz.2 Nach Artikel 5 Abs. 4 EUV dürfen die Maßnahmen der Europäischen Union weder inhaltlich noch formal über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen. Anders als der Subsidiaritätsgrundsatz regelt der kompetenzrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht das „Ob“ des Handelns des europäischen Gesetzgebers, sondern den Inhalt des Handelns

1 Ausführlich zur Entstehung und Etablierung des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Saurer, JZ 2014, 281–286. 2 Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 43; ausführlich zum Verhältnis von Art. 5 Abs. 3 EUV und Art. 5 Abs. 4 EUV: Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, S. 146.

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“

des europäischen Gesetzgebers, das heißt die Art und den Umfang der gesetzlichen Regelungen.3 Anhand des in Artikel 5 Abs. 4 EUV verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist somit die Tiefe der Regelungen, das heißt die Regelungsintensität, zu messen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rahmen aller Rechtsetzungskompetenzen des Unionsrechtsgebers anwendbar.4 Adressat des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind die Union und ihre Institutionen.5 Der Wortlaut des Artikels 5 Abs. 4 EUV drückt aus, dass dasjenige Rechtsmittel zu wählen ist, welches die Kompetenzen der Mitgliedstaaten am geringsten beeinträchtigt und für das Erreichen des verfolgten Ziels ausreicht.6 Inhaltlich ist anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einerseits zu prüfen, welche Bindungswirkung erforderlich ist, das heißt, ob das Rechtsinstrument einer Empfehlung, einer Richtlinie oder einer Verordnung zielführend ist. Andererseits ist auch die Regelungsdichte der Maßnahme auf ihre Erforderlichkeit hin zu überprüfen.7 Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist somit nicht nur zu prüfen, ob das Handlungsinstrument erforderlich ist, sondern auch abzuwägen, ob beispielsweise im Rahmen des Instruments der Richtlinie eine Mindestharmonisierung ausreichend ist, damit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Einführung strengerer oder weitergehender Regelungen weiterhin möglich ist.8 Die Einhaltung des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann an den folgenden Kriterien geprüft werden: (1) legitimes Ziel, (2) Geeignetheit, (3) Erforderlichkeit und (4) Angemessenheit/Proportionalität.9

3 Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 44; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 43; Vedder, in: ders./Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 5 EUV Rn. 35. 4 Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 46; Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265, 267. 5 Art. 1 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. C 310/207; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 5; Pache, in: Pechstein/Nowak (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 4; Streinz, in: ders. (Hrsg.), AEUV/EUV, Art. 5 EUV Rn. 46. 6 Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 56 f.; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 48. 7 Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 57. 8 Streinz, in: ders. (Hrsg.), AEUV/EUV, Art. 5 EUV Rn. 48. 9 Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, S. 147; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 40, der Europäische Gerichtshof prüft Erforderlichkeit und Angemessenheit unter dem gemeinsamen Punkt „Erforderlichkeit“, so z.B. EuGH, Urt. v. 08. Oktober 2010, Rs. C-58/08, ECLI: EU:C:2010:321 Rn. 53 ff. – Vodafone u.a.; siehe dazu auch die Darstellung bei: Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, S. 93 f.; 149 ff.; Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265, 269 ff.

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I. „No-Gold-Plating-Politik“ und EU-Verträge

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aa) Legitimes Ziel Bei der angestrebten Maßnahme muss es sich um eine solche handeln, die die Verwirklichung eines legitimen Ziels anstrebt. Ein legitimes Ziel eines Handelns der Europäischen Union liegen dann vor, wenn das Ziel aufgrund der im Primärrecht festgelegten Ermächtigungsgrundlagen verfolgt werden darf.10 Ein konkretes Ziel ist mithin dann legitim, wenn es mit den sich aus Artikel 3 EUV und den Artikeln 2 ff. AEUV ergebenden allgemeinen Ziele der Verträge der Europäischen Union im Einklang steht.11 bb) Geeignetheit Die Geeignetheit einer Maßnahme ist an zweiter Stelle zu prüfen, denn nur eine Maßnahme, die geeignet ist, ein Ziel zu erreichen, kann auch eine Maßnahme darstellen, die zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Eine Maßnahme ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes „nur geeignet [...], wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es [das angestrebte Ziel] in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.“12 Da der Europäische Gerichtshof im Rahmen des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Unionsorganen ein weites Ermessen einräumt, ist nur dann von einer ungeeigneten Maßnahme auszugehen, wenn diese zur Erreichung des Ziels offensichtlich ungeeignet ist.13 cc) Erforderlichkeit Die Prüfung der Erforderlichkeit stellt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit das wichtigste zu prüfende Kriterium dar.14 Eine Maßnahme ist dann zu Erreichung des Ziels erforderlich, wenn sie diejenige von mehreren geeigneten Maßnahmen ist, die die am wenigsten belastende Wirkung für das betroffene Interesse oder Rechtsgut hervorruft.15 Im Rahmen des kompetenzrechtlichen Verhältnis10 Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 141. 11 Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 141; Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, S. 151 f. 12 EuGH, Urt. v. 10. März 2009, Rs. C-169/07, ECLI:EU:C:2009:141 Rn. 55 – Hartlauer; vgl. auch: EuGH, Urt. v. 06. März 2007, Rs. C-338/04, C-359/04, C-360/04, ECLI:EU:C: 2007:313 Rn. 53, 58 – Placanica u.a.; EuGH, Urt. v. 17. Juli 2008, Rs. C-500/06, ECLI:EU:C: 2008:421 Rn. 39, 40 – Corporacio´n Dermoeste´tica. 13 EuGH, Urt. v. 12. Juli 2001, Rs. C-189/01, ECLI:EU:C:2001:420 Rn. 82 – Jippes u.a.; EuGH, Urt. v. 07. September 2006, Rs. C-310/04, ECLI:EU:C:2006:521 Rn. 98 – Spanien/ Rat; EuGH, Urt. v. 11. Juni 2009, Rs. C-33/08, ECLI:EU:C:2009:367 Rn. 32 f. – Agrana Zucker GmbH; EuGH, Urt. v. 28. Juli 2011, Rs. C-309/10, ECLI:EU:C:2011:531 Rn. 43 – Agrana Zucker GmbH; Calliess, in ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 53; Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265, 273 f. 14 Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265, 269 f. 15 EuGH, Urt. v. 08. Juli 2010, Rs. C-343/09, EU:ECLI:C:2010:419 Rn. 45 – Afton Che-

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mäßigkeitsgrundsatzes ist somit diejenige Maßnahme erforderlich, die die Autonomie der Mitgliedstaaten am wenigsten einschränkt.16 Nach Artikel 5 Abs. 4 EUV darf die Maßnahme sowohl inhaltlich als auch formal nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Dem europäischen Gesetzgeber steht somit keine freie Wahl hinsichtlich seiner Handlungsform zur Verfügung, sondern die Entscheidung für ein bestimmtes Rechtsinstrument muss sich von dem Kriterium der Erforderlichkeit leiten lassen. Unverbindliche Maßnahmen sind somit immer gegenüber bindenden Maßnahmen, wie Richtlinie und Verordnung, vorrangig.17 Inwieweit die Richtlinie im Rahmen der Eingriffsintensität in die mitgliedstaatliche Autonomie vor dem Rechtsinstrument der Verordnung vorrangig ist oder ob im Einzelfall auch die Verordnung das mildere Mittel darstellen kann, ist umstritten.18 Die herrschende Literatur bejaht zwar keinen absoluten Vorrang der Richtlinie vor der Verordnung, nimmt aber einen Regel-Vorrang der europäischen Richtlinie als milderes Rechtsetzungsmittel an, da diese in der Regel weniger in die mitgliedstaatliche Kompetenz und Autonomie eingreift als die Verordnung.19 Auch historisch zeigt sich, dass im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Richtlinie in der Regel als milderes und die Autonomie der Mitgliedstaaten schonenderes Rechtsinstrument einzustufen ist.20

mical Ltd.; EuGH, Urt. v. 23. Oktober 2012, Rs. C-581/10, ECLI:EU:C:2012:657 Rn. 71 – Emeka Nelson u.a.; EuGH, Urt. v. 22. Januar 2013, Rs. C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 50 – Sky Österreich; Lienbacher, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 5 EUV Rn. 38; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 143; Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265, 271. 16 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 71; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 143. 17 Lienbacher, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 5 EUV Rn. 37. 18 Siehe dazu ausführlich: Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, S. 368 ff.; Wunderlich/Pickartz, EuR 2014, 659–670. 19 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 72; Biervert, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 14; Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 56; Höpfner, in: Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 16; Husmann, NZS 2010, 655, 656; Kadelbach, in: von der Groeben/ Schwarze (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 5 EUV Rn. 13; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 147 f.; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 48; Wunderlich/Pickartz, EuR 2014, 659, 663. 20 Protokoll (Nr. 30) zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C 321 E/308.

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I. „No-Gold-Plating-Politik“ und EU-Verträge

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dd) Angemessenheit/Proportionalität Im Rahmen der Angemessenheit wird die Zweck-Mittel-Relation in den Blick genommen, das heißt es wird geprüft, ob die verwendete Maßnahme und die mit ihr einhergehenden Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen.21 Beim kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird somit abgewogen, ob die mit der Maßnahme verfolgten Unionsziele es rechtfertigen, dass die Autonomie und Souveränität der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden.22 b) Kontrolle der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die Einhaltung des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgt einerseits präventiv, ist aber andererseits auch justiziabel. Die präventive Kontrolle erfolgt nach den Artikeln 1 bis 5 des Subsidiaritätsprotokolls.23 Nach Artikel 1 des Subsidiaritätsprotokolls trägt jedes Organ für die Einhaltung der in Artikel 5 EUV niedergelegten Grundsätze – und somit auch für die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Sorge. Nach Artikel 2 des Subsidiaritätsprotokolls führt die Kommission, bevor sie einen Gesetzgebungsakt vorschlägt, umfangreiche Anhörungen durch. Nur in zu begründenden außergewöhnlichen Fällen darf die Kommission von der Durchführung der Konsultationen absehen. Nach Artikel 5 des Subsidiaritätsprotokolls sind die Entwürfe von Gesetzgebungsakten hinsichtlich der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu begründen. Des Weiteren sollte jeder Entwurf eines europäischen Rechtsaktes einen Vermerk mit detaillierten Angaben enthalten, die eine Beurteilung der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ermöglichen. Die Justiziabilität des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist ausdrücklich anerkannt.24 In seinen Urteilen hat der Europäische Gerichtshof sich bisher auf eine

21 EuGH, Urt. v. 12. Juli 2001, Rs. C-189/01, ECLI:EU:C:2001:420 Rn. 82 – Jippes u.a.; EuGH, Urt. v. 07. September 2006, Rs. C-310/04, ECLI:EU:C:2006:521 Rn. 98 – Spanien/ Rat; EuGH, Urt. v. 11. Juni 2009, Rs. C-33/08, ECLI:EU:C:2009:367 Rn. 32 f. – Agrana Zucker GmbH; EuGH, Urt. v. 28. Juli 2011, Rs. C-309/10, ECLI:EU:C:2011:531 Rn. 43 – Agrana Zucker GmbH; Lienbacher, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 5 EUV Rn. 38; Pache, in: ders./Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 Rn. 149. 22 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 66; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 149. 23 Protokoll (Nr. 2) zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. C 310/207. 24 Lienbacher, in: Schwarze/Becker/Hajte/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 5 EUV Rn. 39; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 153.

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“

Evidenzkontrolle beschränkt und den Gesetzgebungsorganen ein weites politisches Ermessen zugestanden.25 c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Aus dem soeben dargestellten und in Artikel 5 Abs. 4 EUV verankerten kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt somit, dass der Unionsgesetzgeber bei der Rechtsetzung das mildeste Mittel in Bezug auf die Beeinträchtigung der mitgliedstaatlichen Autonomie und Souveränität wählen muss. Dabei muss der Unionsgesetzgeber, wenn möglich, eine Mindestharmonisierung anstreben, damit die Mitgliedstaaten weiterhin höhere Schutzstandards festlegen können. Auch bei dem Erlass von vollharmonisierenden Richtlinien ist die Verwendung von Bandbreitenregelungen, Optionsregelungen und Wahlvorschriften als mildere Mittel vorrangig vor starren Regelungen zu wählen. Es wird durch Artikel 5 Abs. 4 EUV somit primärrechtlich garantiert, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleibt, europäische Richtlinien überschießend umzusetzen und an ihre Rechtsordnungen anzupassen beziehungsweise die Regelungen in die nationalen Rechtsordnungen einzupflegen. Aus Artikel 5 Abs. 4 EUV lässt sich somit ableiten, dass die Möglichkeit einer Umsetzungspraxis des Gold-Platings, die die Mitgliedstaaten zu vermeiden versuchen, primärrechtlich intendiert ist, um in die Autonomie der Mitgliedstaaten möglichst gering einzugreifen.26 Da sich der kompetenzrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch selbst nicht an die europäischen Mitgliedstaaten richtet, kann aus Artikel 5 Abs. 4 EUV kein Verbot einer „No-Gold-Plating-Politik“, die jegliches Gold-Plating bei der Umsetzung europäischer Richtlinien zu vermeiden versucht, abgeleitet werden. Faktisch führt eine solche Umsetzungspolitik in den Mitgliedstaaten jedoch dazu, dass sich die Mitgliedstaaten die ihnen durch Artikel 5 Abs. 4 EUV primärrechtlich zugesicherten kompetenzschonenden Handlungsspielräume selbst entziehen und sich gleichzeitig ihrer Rechtsetzungsautonomie berauben.27

25 EuGH, Urt. v. 13. Mai 1997, Rs. C-233/94, ECLI:EU:C:1997:231 Rn. 56 – Deutschland/ Parlament; EuGH, Urt. v. 22. Oktober 1998, Rs. C-36/97 und C-37/97, ECLI:EU:C:1998:499 Rn. 33 f. – Kellinghusen u. Ketelsen; EuGH, Urt. v. 08. Oktober 2010, Rs. C-58/08, ECLI: EU:C:2010:321 Rn. 52 – Vodafone u.a.; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 73; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 154; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 50; Wunderlich/Pickartz, EuR 2014, 659, 668. 26 So auch: Leidenmühler, EuR 2019, 383, 398 f.; Leidenmühler, Entbürokratisierung und Deregulierung im unionsrechtlichen Kontext, S. 61; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4 f. 27 So auch: Leidenmühler, EuR 2019, 383, 399; Schroeder, JRP 2018, 227, 233; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 4 f., der sogar davon spricht, dass „eine subsidiaritätsorientierte Politik [...] überflüssig [wird]“.

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I. „No-Gold-Plating-Politik“ und EU-Verträge

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Eine mitgliedstaatliche „No-Gold-Plating-Politik“ entspricht somit weder dem Gedanken des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch den Grundgedanken der Rechtsetzung der Europäischen Union. Eine „NoGold-Plating-Politik“ ist deshalb mit dem Grundgedanken einer souveränitätswahrenden Europäischen Union nicht deckungsgleich. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Artikels 5 Abs. 4 EUV zwar kein Verbot einer „No-Gold-Plating-Politik“ ableiten lässt, Inhalt und Intention des kompetenzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber der Umsetzungspraxis des Gold-Platings gerade nicht negativ, sondern vielmehr positiv gegenüberstehen.

2. Primärrechtliche Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union Aus den Verträgen wird zudem die allgemeine Bestrebung der Europäischen Union zu hohen Schutzstandards deutlich. Daraus lässt sich ableiten, dass das Primärrecht das Abweichen bei der Umsetzung von Richtlinien zugunsten hoher Schutzstandards – in bestimmten Sachbereichen – positiv bewertet, wie die folgenden Normen zeigen: a) Vertrag über die Europäische Union Aus dem Vertrag über die Europäische Union lässt sich die Bestrebung der Europäischen Union zu möglichst hohen Schutzstandards im Umweltrecht aus Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 2. HS. EUV ableiten. Danach wirkt die Union neben der Errichtung eines Binnenmarktes und einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft auch auf ein hohes Maß an Umweltschutz hin.28 b) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Auch aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union lässt sich die Bestrebung der Europäischen Union zu möglichst hohen Schutzstandards ableiten. Hier sind neben allgemeinen Aussagen hinsichtlich eines hohen Schutzstandards vor allem die primärrechtlichen Öffnungsklauseln und Schutzverstärkungsklauseln zu nennen. aa) Primärrechtliche Öffnungsklauseln und Schutzverstärkungsklauseln Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind für verschiedene Sachbereiche primärrechtliche Öffnungsklauseln niedergeschrieben. Primärrechtliche Öffnungsklauseln legen fest, dass die Europäische Union in bestimm28 Leidenmühler betont in diesem Zusammenhang die Gleichrangigkeit der Ziele aus Art. 3 Abs. 3 EUV: Leidenmühler, Entbürokratisierung und Deregulierung im unionsrechtlichen Kontext, S. 60 f.

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“

ten Kompetenzbereichen lediglich Mindestvorschriften erlassen darf und die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden dürfen, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen, solange diese mit den Verträgen vereinbar sind.29 Primärrechtliche Öffnungsklauseln finden sich für das Sozialrecht in Artikel 153 Abs. 4 2. Spiegelstrich AEUV,30 für das Verbraucherschutzrecht in Artikel 169 Abs. 4 Satz 1 AEUV, für das Umweltrecht in Artikel 193 Satz 1 AEUV und für Bereiche des Gesundheitswesens in Artikel 168 Abs. 4 lit. a AEUV. Zudem bestimmen die Schutzverstärkungsklauseln des Artikels 114 Abs. 4 und 5 AEUV, dass die Mitgliedstaaten bei binnenmarktrechtlichen Richtlinien unter bestimmten Voraussetzungen auch über vollharmonisierende Bestimmungen hinausgehen können, wenn dies zu einem höheren Schutzniveau führt.31 bb) Allgemeine Aussagen hinsichtlich eines hohen Schutzniveaus Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union finden sich neben den primärrechtlichen Öffnungsklauseln und Schutzverstärkungsklauselnauch weitere, allgemeinere Aussagen, die dafür sprechen, dass die Europäische Union das Erreichen hoher Schutzniveaus anstrebt. Nach Artikel 9 AEUV trägt die Europäische Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und Maßnahmen der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung. Nach Artikel 168 Abs. 1 AEUV stellt die Europäische Union bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsniveau sicher. Nach Artikel 169 Abs. 1 AEUV leistet die Europäische Union einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Auch im Bereich der Umweltpolitik zielt die Europäische Union nach Artikel 191 Abs. 2 AEUV auf ein hohes Schutzniveau ab.32

29 Siehe dazu näher Punkt A. III. 1. a); siehe dazu noch zum EGV: Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 54 ff. 30 Dazu auch: Leidenmühler, Entbürokratisierung und Deregulierung im unionsrechtlichen Kontext, S. 63 f. 31 Siehe dazu näher Punkt A. III. 3. a) bb). 32 Zum hohen Schutzniveau im Umweltrecht auch: Epiney, in: ders. (Hrsg.), Umweltrecht in der Europäischen Union, 5. Kapitel, Rn. 6–13.

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II. „No-Gold-Plating-Politik“ und kooperative EU-Gesetzgebung

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c) Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Bestrebungen zu hohen Schutzstandards in der Europäischen Union Die Verträge zeigen also, dass in der Politik der Europäischen Union – vor allem im Sozialrecht, Verbraucherschutzrecht, Umweltrecht und im Gesundheitswesen – ein hoher Schutzstandard erreicht werden soll. Die primärrechtlichen Öffnungsklauseln bringen zum Ausdruck, dass nicht in allen Mitgliedstaaten immer gleich hohe Schutzstandards erreicht werden können, sondern die unterschiedlichen Entwicklungsgrade der Mitgliedstaaten – trotz des Ziels, möglichst hohe Schutzstandards zu erreichen, – berücksichtigt werden müssen.33 Dies wird insbesondere an Artikel 191 Abs. 2 AEUV deutlich, der explizit auf die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union hinweist. Es lässt sich somit auch aus den oben dargestellten Normen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Intention der Erreichung hoher Schutzstandards ableiten, dass die Umsetzungspraxis des Gold-Platings primärrechtlich nicht negativ konnotiert wird, sondern vielmehr dazu dienen kann, dass einerseits dem Grundgedanken hoher Schutzstandards gerecht wird und andererseits die unterschiedlichen Entwicklungsgrade der Mitgliedstaaten nicht außer Acht gelassen werden.34

II. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund einer kooperativen Gesetzgebung in der Europäischen Union Eng mit dem Bestreben der Europäischen Union zur Verwirklichung hoher Schutzstandards verknüpft ist Artikel 114 Abs. 7 AEUV. Sofern die Kommission nach Artikel 114 Abs. 6 AEUV es einem Mitgliedstaat gestattet, von der Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, muss die Kommission nach Artikel 114 Abs. 7 AEUV unverzüglich überprüfen, ob der Sekundärrechtsakt angepasst werden muss. Artikel 114 Abs. 7 AEUV kann somit als eine Revisionsklausel verstanden werden.35 Die Revisionsklausel soll einerseits dem Spannungsverhältnis zwischen der Verwirklichung des Binnenmarktes durch Rechtsangleichung und der Möglichkeit von Abweichungen durch die Mitgliedstaaten nach Artikel 114 Abs. 4 und 5 AEUV Rechnung tragen.36 Andererseits soll die Überprüfung vor dem 33

Siehe dazu auch Punkt A. III. 1. a). So auch: Leidenmühler, EuR 2019, 383, 398 f.; Schroeder, JRP 2018, 227, 234; Schroeder, ÖGfE Policy Brief 22’2018, 1, 5; für das Umweltrecht: Makowiak, RJE 2018, 667, 669. 35 Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 135 ff. 36 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 114 AEUV Rn. 218. 34

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“

Hintergrund von Artikel 114 Abs. 3 AEUV dazu dienen, die Tauglichkeit des geltenden Schutzniveaus auf Unionsebene zu überprüfen37 und so zu einer Dynamisierung der Verpflichtung auf ein hohes Schutzniveau der Europäischen Union beitragen. Den Mitgliedstaaten wird somit durch Artikel 114 Abs. 7 AEUV eine aktive Position im Rechtanpassungsprozess der Europäischen Union eingeräumt, durch die es zu einem kooperativen Lern-, Korrektur- und Optimierungsprozess zwischen den Mitgliedstaaten und dem Unionsgesetzgeber kommen soll.38 Auch wenn der Anwendungsbereich des Artikels 114 Abs. 7 AEUV auf binnenmarktrechtliche Regelungen beschränkt ist, so macht die Revisionsklausel dennoch deutlich, dass die Rechtsetzung der Europäischen Union eng an das Verhalten ihrer Mitgliedstaaten geknüpft ist und auf Rückmeldungen der Mitgliedstaaten – etwa durch das Einführen höherer Schutzstandards – angewiesen ist. Eine strikte „No-Gold-Plating-Politik“ in den Mitgliedstaaten führt dazu, dass die mitgliedstaatlichen Rückmeldungen ausbleiben, eine kooperative Rechtsetzung nicht mehr möglich ist und es somit auf europäischer Ebene schwieriger wird, die unionsrechtlich gesetzten Schutzstandards zu hinterfragen und gegebenenfalls nach oben zu korrigieren.39

III. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Rechtsklarheit 1. Anforderungen an die Rechtsklarheit in Deutschland und Frankreich Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ist das Gebot der Rechtsklarheit verfassungsrechtlich verankert. In Deutschland leitet das Bundesverfassungsgericht einen derartigen Grundsatz der Rechtsklarheit aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 Abs. 3 GG her.40 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht ein Gesetz dann dem Gebot der Rechtsklarheit, wenn es „sprachlich verständlich“ ist,41 keine inneren Widersprüche aufweist,42 nicht an37 Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 114 AEUV Rn. 136; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 114 AEUV Rn. 219. 38 Schroeder, JRP 2018, 227, 232 f.; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 114 AEUV Rn. 219. 39 Schroeder spricht in diesem Kontext davon, dass sich Unionsrecht und nationales Recht gegenseitig „Impulse“ geben: Schroeder, JRP 2018, 227, 233. 40 BVerfGE 47, 239, 252; BVerfGE 99, 216, 243; BVerfGE 103, 21, 33; BVerfGE 108, 1, 20; BVerfGE 114, 1, 53 f. 41 BVerfGE 14, 13, 16; BVerfGE 17, 306, 314; BVerfGE 99, 216, 243; BVerfGE 119, 331, 351 f.; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. III, Art. 20 GG Rn. 53; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 GG Rn. 141. 42 BVerfGE 1, 14, 45; BVerfGE 17, 306, 314; BVerfGE 25, 216, 227; BVerfGE 128, 282, 318;

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III. „No-Gold-Plating-Politik“ und Rechtsklarheit

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fällig für Fehler ist,43 redaktionell genau verfasst44 und systematisch aufgebaut ist.45 Auch in Frankreich hat der Conseil constitutionnel das Verfassungsziel der Verständlichkeit und Zugänglichkeit von Gesetzen entwickelt, welches sich auf die Artikel 4, 5, 6 und 16 der De´claration des Droit de l’Homme et du Citoyen de 1789 stützt46 und auch den Grundsatz der Klarheit des Rechts umfasst.47 Danach muss der Gesetzgeber Gesetze erlassen, die klar und verständlich sind, das heißt hinreichend präzise Bestimmungen und eindeutige Formeln enthalten.48 Ferner darf der Text nicht unnötig komplex sein.49 Aus der Verankerung der Rechtsklarheit in den Verfassungen der beiden Länder lässt sich ableiten, dass sowohl für Frankreich als auch für Deutschland der Klarheit der nationalen Rechtsordnungen eine hohe Bedeutung zukommt. Auch wenn spezialgesetzliche Regelungen und Regel-Ausnahme-Regelungen, die aus einer Eins-zu-eins-Umsetzung resultieren können, wohl in der Regel den verfassungsrechtlichen Geboten der Rechtsklarheit genügen sollten, lässt sich dennoch festhalten, dass eine Verkomplizierung des Rechts zulasten der Rechtsklarheit verfassungsrechtlich von beiden Ländern nicht gewollt ist.

2. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“ vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Rechtsklarheit Hinsichtlich der Wahrung von Rechtsklarheit – und hier insbesondere der Wahrung der Kohärenz und Systematik nationaler Rechtsordnungen – spricht einiges dafür, die Umsetzungspraxis des Gold-Platings nicht gänzlich zu unterbinden.50 Durch eine Eins-zu-eins-Umsetzung europäischer Richtlinien entstehen im naBVerfGE 98, 83, 97; BVerfGE 98, 106, 118 f.; BVerfGE 98, 265, 301; BVerfGE 108, 169, 181 f.; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. III, Art. 20 GG Rn. 54; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG Rn. 125; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 GG Rn. 141. 43 BVerfGE 110, 33, 63; Towfigh, JA 2015, 81, 84. 44 BVerfGE 114, 196, 236; Towfigh, JA 2015, 81, 84. 45 Vgl. dazu die detaillierte Darstellung bei: Towfigh, JA 2015, 81, 84 f.; Towfigh, Der Staat Bd. 48 (2009), 29, 37 ff. 46 Cons. const., 16 de´cembre 1999, no 99-421 DC; siehe dazu auch: Schmidt-Aßmann/ Dagron, ZaöRV 2007, 395, 435. 47 Der Grundsatz der Rechtsklarheit wurde zunächst auf Art. 34 Const. gestützt, siehe dazu die Entscheidungen: Cons. const., 10 juin 1998, no 98-401 DC, Rn. 10; Cons. const., 27 novembre 2001, no 2001-451 DC, Rn. 13; Cons. const., 12 janvier 2002, no 2001-455 DC, Rn. 9; dazu auch: Flückiger, Cahiers du Conseil constitutionnel 2006, 74–78. 48 Cons. const., 27 juillet 2006, no 2006-540 DC, Rn. 9; Chre´tien/Chifflot/Tourbe, Droit administratif, S. 189; Inghilterra, RevDH 2019, 37, 37. 49 Cons. const., 26 juin 2003, no 2003-473 DC, Rn. 5. 50 Vgl. dazu die Stimmen zum Übergang von der Mindest- zur Vollharmonisierung: Arnold, RIW 2009, 679, 684 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1245 f.; Tamm, KJ 2007, 391, 400 f.; Se´ne´chal, Rev. UE 2017, 485, 487; Tonner/Tamm, JZ 2009, 277, 287.

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C. Rechtliche Würdigung einer „No-Gold-Plating-Politik“

tionalen Recht oftmals Spezialgesetze, die nur für einen kleinen Anwendungsbereich gelten. Zudem muss aufgrund einer Eins-zu-eins-Umsetzung von europäischen Richtlinien in der Redaktion der Rechtstexte oftmals mit Regel-Ausnahme-Regelungen gearbeitet werden, sodass die Normen länger und unübersichtlicher werden.51 Eins-zu-eins-Umsetzungen führen unter anderem deshalb oftmals zu Systembrüchen und Widersprüchen innerhalb der nationalen Rechtsordnung,52 was die Anwendung des Rechts uneinheitlich und unübersichtlich macht.53 Als Beispiel lässt sich die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme54 durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz55 nennen. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz legt unter anderem die Möglichkeit der Verbandsklage in bestimmten explizit geregelten Sachverhalten fest.56 Zudem enthält es die Möglichkeit der Heilung von materiell-rechtlichen Fehlern.57 Das UmweltRechtsbehelfsgesetz legt damit Ausnahmen zu den Regelungen der VwGO und des VwVfG, insbesondere der Regelungen aus § 42 Abs. 2 VwGO und § 46 VwVfG, fest.58 Durch eine Umsetzung der Richtlinie innerhalb der VwGO und des VwVfG – etwa durch die Einarbeitung der Klagebefugnis für anerkannte Verbände in § 42 VwGO und die Normierung der Möglichkeit materiell-rechtlicher Heilungsmöglichkeiten in § 46 VwVfG – könnten spezialgesetzliche Regelungen verringert werden. Eine Verringerung spezialgesetzlicher Regelungen würde zu weniger Komplexität des Rechts und mehr Rechtsklarheit beitragen.59 51

Explizit zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Schlacke, NVwZ 2017, 905, 907, 912. So auch: Sommermann, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/ders. (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 321, 325, der auch auf den Begriff „legal transplants“ und begriffsprägend auf Alan Watson, Legal Transplants, 1993, verweist; Träger, ZEuP 2003, 525, 525 f.; in Bezug auf die Vollharmonisierung bestimmter Rechtsbereiche, die oft zu einer Eins-zu-eins-Umsetzung führen: Arnold, RIW 2009, 679, 684 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1245 f.; Se´ne´chal, Rev. UE 2017, 485, 487; Tamm, KJ 2007, 391, 400 f.; Tonner/Tamm, JZ 2009, 277, 287; im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG: Collart Dutilleul, RDC 2005, 921, 923; Se´rinet, RDC 2005, 955, 961 ff. 53 Jarass, NVwZ 2018, 185, 190; Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 215 f.; auch Fellenberg/Schille erkennen die gesetzgeberischen Herausforderungen einer Eins-zu-eins-Umsetzung an: Fellenberg/Schille, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Bd. I, Umweltrecht Allgemeiner Teil, Nr. 13, Vorbemerkung Rn. 128. 54 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG und 96/61/EG in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung, ABl. L 156/17. 55 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfgesetz – UmwRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017, BGBl. I, S. 3290. 56 § 1 UmwRG 57 § 7 Abs. 5 UmwRG. 58 Siehe dazu auch: Schlacke, NVwZ 2017, 905, 912 f. 59 So auch Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 219; Schlacke, NVwZ 2017, 905, 912. 52

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III. „No-Gold-Plating-Politik“ und Rechtsklarheit

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Dass die Umsetzungspraxis des Gold-Platings Systembrüche innerhalb der nationalen Rechtsordnung verringern oder vermeiden kann, zeigt sich im Bereich des Umweltrechts etwa durch die im Rahmen der Umwelt-Rechtsbehelfsnovelle60 eingeführte Erweiterung des Anwendungsbereiches des Gesetzes auf Umweltvorschriften, die nicht auf Unionsrecht beruhen.61 Auch im Ausländerrecht wird für eine Übernahme der europarechtlichen Systematik der Richtlinien plädiert, um der zunehmenden Komplexität und Unübersichtlichkeit der rechtlichen Regelungen sowie den entstandenen Systembrüchen entgegenzuwirken. Die derzeitigen Regelungen verletzen die Prämissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.62 Ein weiteres Beispiel findet sich in dem stark durch Spezialgesetze geprägten Informationsrecht. Dieses umfasst in Deutschland das Informationsfreiheitsgesetz63, das Umweltinformationsgesetz64, das Verbraucherinformationsgesetz65, das Geodatenzugangsgesetz66 und das Datennutzungsgesetz67. Diese zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungen beruhen vor allem darauf, dass sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden hat, die zugrunde liegenden europäischen Richtlinien im Rahmen einer Eins-zu-eins-Umsetzung in das nationale Recht durch jeweilige Spezialgesetze umzusetzen und somit von einer etwaigen Kodifizierung der Informationsrechte in einem allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzbuch abgesehen hat. Diese Entscheidung war zugleich eine Entscheidung gegen eine klare, gesetzessystematische Umsetzung der europäischen Richtlinien.68 Ein Beispiel dafür, dass die Umsetzungspraxis des Gold-Platings vor dem Hintergrund systematisch stringenter Rechtstexte durchaus sinnvoll ist, ist die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG69 in deutsches Recht, die der nationale Gesetzgeber mit einer allgemeinen Schuldrechtsreform verbunden hat und somit die Richtlinie in sachlicher und personeller Hinsicht überer60 Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013, BGBl. I, S. 95 f. 61 Dazu auch: Schlacke, ZUR 2013, 195, 202. 62 Bergmann, ZAR 2013, 318, 324. 63 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005, BGBl. I S. 2722. 64 Umweltinformationsgesetz (UIG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014, BGBl. I S. 1643. 65 Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz – VIG) in der Fassung vom 1. September 2012, BGBl. I S. 2166. 66 Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz – GeoZG) vom 10. Februar 2009, BGBl. I S 278. 67 Gesetz für die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors (Datennutzungsgesetz – DNG) vom 16. Juli 2021, BGBl. I S. 2941. 68 Ausführlich zur Umsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes und ebenfalls kritisch gegenüber der Fülle an Spezialgesetzen: Sydow, NVwZ 2008, 481–485. 69 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantie für Verbrauchsgüter, ABl. L 171.

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füllt hat.70 In der Gesetzesbegründung rechtfertigt der deutsche Gesetzgeber diesen Schritt unter anderem damit, dass es an der Zeit sei, die das Bürgerliche Gesetzbuch „immer mehr überwuchernden (schuldrechtlichen) Sondergesetze zu sichten und ihren dauerhaften Bestand in das Bürgerliche Gesetzbuch zu integrieren. Dies führe [...] zu einer übersichtlicheren Schuldrechtsordnung.“71

In Frankreich hat der Gesetzgeber sich hingegen für eine „kleine Lösung“ entschieden, was von der französischen Literatur bedauert wurde.72 Ein weiteres Beispiel ist die Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU über Geschäftsgeheimnisse73 in Frankreich. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nach Artikel 9 der Richtlinie lediglich dazu, die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen in solchen Verfahren zu schützen, die den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder die rechtswidrige Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses betreffen. Artikel 1 der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch, den Schutz auf alle Gerichtsverfahren auszudehnen, bei denen Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Von dieser Möglichkeit hatte die Assemble´e nationale in ihrer proposition de loi zunächst keinen Gebrauch gemacht und sich für die von der Richtlinie geforderte Mindestharmonisierung entschieden.74 Der Conseil d’E´tat wies jedoch im Rahmen seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Wahrnehmung der Möglichkeit der Ausweitung des Anwendungsbereiches den Vorteil hätte, dass die vor Gericht anwendbaren Verfahren unabhängig von ihrem Gegenstand harmonisiert würden, was zu einer Vereinfachung und besseren Lesbarkeit des Rechts führen würde und hinsichtlich eines effektiven Schutzes von Geschäftsgeheimnissen auch mit den Zielen der Richtlinie in Einklang stehe.75 Der Textentwurf wurde daraufhin derart verändert, dass nun alle zivilrechtlichen und handelsrechtlichen Verfahren umfasst sind.76 In Deutschland 70 Ausführlich zur Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG: Büdenbender, ZEuP 2004, 36–58. 71 BT-Drs. 14/6040, S. 79. 72 Collart Dutilleul, RDC 2005, 921–925; Mainguy, RDC 2005, 947, 953–955; Se´rinet, RDC 2005, 955–963; zur Umsetzung der Richtlinie in Frankreich ausführlich: Witz/Schneider, RIW 2005, 921–930. 73 Richtlinie 2016/943/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. L 157/1. 74 Assemble´e nationale, proposition de loi n° 675 portant transposition de la directive du Parlement europe´en et du Conseil sur la protection des savoir-faire et des informations commerciales non divulgue´s contre l’obtention, l’utilisation et la divulgation illicites. 75 Conseil d’E´tat, Avis no 394422 sur la proposition de loi portant transposition de la directive du Parlement europe´en et du Conseil sur la protection des savoir-faire et des informations commerciales non divulgue´s contre l’obtention l’utilisation et la divulgation illicites, Rn. 7 f. 76 Art. L. 153-1 Code de commerce; zur Umsetzung der Richtlinie in Frankreich: Galloux, RTD com. 2018, 643–668.

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III. „No-Gold-Plating-Politik“ und Rechtsklarheit

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wurde hingegen von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht, sodass der besondere Schutz der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen nur im Rahmen von Geschäftsgeheimnisstreitsachen besteht.77 Die Warenkaufrichtlinie78 und die Digitale-Inhalte-Richtlinie79, die bis zum 01. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen waren und auf Verträge, die ab dem 01. Januar 2022 geschlossen werden, anzuwenden sind, wurden hingegen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zu einem Großteil eins zu eins in das jeweilige nationale Recht umgesetzt, wobei auf eine Ausweitung des Anwendungsbereiches verzichtet wurde, die trotz des vollharmonisierenden Charakters der Richtlinie möglich gewesen wäre.80 So wurde in Deutschland einerseits darauf verzichtet, die besonderen Gewährleistungsrechte bei Kaufverträgen mit digitalen Elementen über das Verbrauchsgüterkaufrecht hinaus auch auf das allgemeine Kaufrecht anzuwenden. Andererseits gelten nun bei digitalen Dienstleistungen oder Mietverträgen andere Gewährleistungsrechte, je nachdem, ob es sich um einen Verbrauchervertrag handelt oder nicht.81 Diese Umsetzungsweise führt durch eine Fülle anzuwendender Sondervorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts zu mehr Unübersichtlichkeit im Kaufrecht und somit zu einer stärkeren Spaltung des Kaufrechts.82 Sie führt außerdem zu einer Spaltung des Gewährleistungsrechtes für „digitale Produkte“.83 Probleme könnten künftig dann entstehen, wenn auf Käufer-, Besteller- oder Mieterseite eine Einordnung zwischen Unternehmer und Verbraucher nicht trennscharf möglich ist.84 Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches und – für das Kaufrecht – die Verankerung der neuen Gewährleistungsrechte in einem neuen § 435a BGB, wie es zu Beginn des Rechtsetzungsprozesses wohl auch angedacht war, hätte dies vermeiden können.85

77 § 16 Abs. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz; Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen (Hrsg.), UWG, § 16 GeschGehG Rn. 12–13a; Zhu/Popp, GRUR 2020, 338, 339 f. 78 Richtlinie 2019/771/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung 2017/2394/EU und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. L 136/28; zum Inhalt der Richtlinie: Staudenmayer, ZEuP 2019, 663–694. 79 Richtlinie 2019/770/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen, ABl. 136/1; zum Inhalt der Richtlinie: Staudenmayer, ZEuP 2019, 663–694. 80 Zur Umsetzung der Richtlinien in Frankreich: He´laine, Dalloz actualite´, 05 octobre 2021; zur Umsetzung der Richtlinien in Deutschland: Kipker, MMR 2020, 71–73; Weiß, ZVertriebsR 2021, 208–216. 81 Dies stellen auch Riehm und Abold dar: Riehm/Abold, CR 2021, 530, 540. 82 So auch: Harke, GPR 2021, 129, 129,135 f.; Wilke, VuR 2021, 283, 293. 83 Riehm/Abold, CR 2021, 530, 540. 84 Schrader, NZV 2021, 67, 70 f., der zutreffend auch darauf hinweist, dass die Entscheidung gegen die Ausweitung des Anwendungsbereiches wohl eine politische – zur Wahrung des im Koalitionsvertrag Grundsatzes der Eins-zu-eins-Umsetzung – war. 85 Zu den Hinweisen auf eine Umsetzung in einem neuen § 435a BGB im Gesetzgebungsprozess detailliert: Schrader, NZV 2021 67, 70 f.

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Vor dem Hintergrund der Wahrung oder Wiederherstellung möglichst hoher Rechtsklarheit, insbesondere für die Rechtsanwender, sollten europäische Richtlinien somit derart in das nationale Recht umgesetzt werden, dass durch die neuen Regelungen keine Systembrüche entstehen, die die Rechtsklarheit mindern. Um dieses Ziel zu erreichen, erscheint es mit Blick auf die oben genannten Beispiele sinnvoll, die Umsetzungspraxis der Eins-zu-eins-Umsetzung nicht zulasten konsistenter Rechtsordnungen starr anzuwenden. Vielmehr sollte von Fall zu Fall, von Richtlinie zu Richtlinie erneut entschieden werden, ob eine Eins-zueins-Umsetzung sinnvoll ist oder ob eine anderweitige Umsetzung zur Vermeidung von Systembrüchen und spezialgesetzlichen Regelungen beitragen kann.86

IV. Ergebnis Aus (unions-)rechtlicher Perspektive lässt sich für die Umsetzungspraxis des Gold-Platings festhalten, dass das Funktionieren des Binnenmarktes im Unionsrecht zwar einen leitenden Grundsatz darstellt, der vor allem durch die Vereinheitlichung des Rechts in den Mitgliedstaaten erreicht werden kann, das Unionsrecht aber noch weitere gleichrangige Grundsätze enthält, die – wie soeben gezeigt wurde – gegen eine strikte „No-Gold-Plating-Politik“ bei der Umsetzung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten sprechen. Zu diesen Grundsätzen zählt das Erreichen hoher Schutzniveaus in der Europäischen Union, das gerade dann verwirklicht werden kann, wenn die Mitgliedstaaten – sofern sie dies faktisch leisten können – über die auf Unionsebene festgelegten Schutzstandards hinausgehen und sich nicht mit einer minimalen Umsetzung oder dem Ausnutzen von Optionen, Wahlvorschriften und Bandbreitenregelungen zugunsten einer möglichst wenig ambitionierten Umsetzung zufriedengeben. Auch der Aspekt der kooperativen Gesetzgebung und der darauf aufbauenden Weiterentwicklung des Unionsrechts und seiner Standards spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten möglichst hohe Schutzniveaus anstreben und die auf Unionsebene festgelegten Standards überschreiten sollten. Schließlich spricht auch der Grundsatz der Rechtsklarheit und Systematik der nationalen Rechtsordnungen dafür, das Unionsrecht in die eigene Rechtsordnung einzugliedern und so kohärente Rechtsordnungen zu schaffen, die nicht aus immer komplexeren Spezialgesetzen bestehen.

86 So auch: Classen, in: Fraenkel-Haeberle/Socher/Sommermann (Hrsg.), Praxis der Richtlinienumsetzung im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 291, 303.

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Ergebnis und Ausblick Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben sich einer „No-Gold-PlatingPolitik“ verschrieben und streben eine möglichst wenig ambitionierte Umsetzung europäischer Richtlinien in das nationale Recht an. Um dieses Ziel zu erreichen, haben beide Länder Maßnahmen im Rechtsetzungsprozess eingeführt, die gewährleisten sollen, dass ein Gold-Plating von europäischen Richtlinien verhindert wird. Auch beschäftigen sich sowohl der Nationale Normenkontrollrat als auch der Conseil national d’e´valuation des normes mit der Vermeidung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings. Auf europäischer Ebene wird die Umsetzungspraxis des Gold-Platings ebenfalls zum Teil kritisch beurteilt, es werden in dieser Umsetzungspraxis aber auch Chancen gesehen. Als Gründe für die Verfolgung einer „No-Gold-Plating-Politik“ führen Frankreich und Deutschland vor allem wirtschaftspolitische Gründe an.1 Neben diesen wirtschaftspolitischen Gründen ist die Umsetzungspraxis des Gold-Platings aber auch aus (unions-)rechtlicher Perspektive zu betrachten. Diese rechtliche Betrachtung zeigt, dass ein Gold-Plating von europäischen Richtlinien durchaus den Grundsätzen des Unionsrechts – insbesondere in den Bereichen des Verbraucherrechts, des Sozialrechts, des Umweltrechts und des Gesundheitswesens – entspricht und zudem zu mehr Rechtsklarheit in den Mitgliedstaaten beitragen kann. Gegen eine konsequente Vermeidung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings spricht zudem ein weiterer Aspekt: Durch die Wahrnehmung von Umsetzungsspielräumen bei der Umsetzung europäischer Richtlinien durch die Mitgliedstaaten können bestimmte kulturelle Güter des Mitgliedstaates trotz des Einflusses des Unionsrechtes gewahrt werden.2 Es lässt sich abschließend festhalten, dass die Verfolgung einer „No-GoldPlating-Politik“ insbesondere in den Bereichen des Verbraucherrechts, des Sozialrechts, des Umweltrechts und des Gesundheitswesens vor dem Hintergrund der in den Verträgen der Europäischen Union geforderten hohen Schutzstandards und der damit zusammenhängenden positiven Bewertung eines Überschreitens der Minimalstandards beziehungsweise einer nicht nur möglichst wenig ambitionierten Umsetzung kritisch zu beurteilen ist. Eine „No-Gold-PlatingPolitik“, wie sie von Frankreich und Deutschland – und von weiteren Mitglied-

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Siehe dazu ausführlich Punkt A. I. Siehe dazu die Darstellung bei: Oliva, Rev. UE 2017, 473–484.

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Ergebnis und Ausblick

staaten der Europäischen Union – angestrebt wird und mit verschiedenen Maßnahmen im Rechtsetzungsprozess gewährleistet werden soll, trägt diesem Stellenwert der hohen Schutzstandards nicht ausreichend Rechnung. Vielmehr sollten die von Frankreich und Deutschland eingeführten Maßnahmen und Institutionen dazu genutzt werden, sowohl den Nutzen, wie zum Beispiel die Ermöglichung hoher Schutzstandards, als auch mögliche zusätzliche Belastungen, wie Verwaltungslasten und Bürokratiekosten, abzuwägen und von Fall zu Fall – also von Richtlinie zu Richtlinie – zu entscheiden, welche Art der Richtlinienumsetzung im Einzelfall Sinn ergibt und den in den Verträgen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen sowie den Anforderungen an die Rechtsklarheit am meisten gerecht wird. Ein kürzlich um zwei Jahre verspätetet veröffentlichter Rapport der französischen Regierung lässt sich in diese Richtung hinsichtlich einer Betrachtung von Fall zu Fall bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien lesen.3 Es bleibt abzuwarten, wie sich die Bewertung der Umsetzungspraxis des Gold-Platings in den kommenden Jahren entwickeln wird.

3 Rapport relatif a` l’adoption et au maintien, dans le droit positif, de mesures le´gislatives ou re´glementaires allant au-dela` des exigences minimales du droit de l’Union europe´enne remis par le Gouvernement au Parlement en application de l’article 69 de la loi ESSOC.

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Sachregister Acade´mie franc¸aise 6 aktives Gold-Plating Siehe Gold-Plating, aktives Anwendungsbereich, Ausweitung 20 f., 35, 40 Anwendungsbereich, persönlicher 15, 24, 34, 39 f. Anwendungsbereich, sachlicher 15, 24, 34, 39 f. Anwendungsvorrang 37 f. arreˆte´ 49, 54 Art. 5 EUV 113–116 Assemble´e nationale 7, 50, 57 f., 60 f., 63, 73, 104, 126 associations nationales repre´sentatives des e´lus locaux 64 Ausschuss der Staatssekretäre für Europafragen 80 f. Auswärtiges Amt 80 Autonomie, mitgliedstaatliche 118 Bandbreitenregelung 1, 20, 22–25, 30, 41, 103, 118, 128 Begründungspflicht Siehe Gesetzesvorlagen, Begründungspflicht Berichterstatterprinzip 85 Berichterstattungspflicht 33, 44 Berichtsbogen 77 bessere Rechtsetzung 4, 83, 85, 107 Bloc de Constitutionnalite´ 48 Bloc de Conventionnalite´ 48 Bundeskanzleramt 80, 83 Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 80 Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 78–81 Bürokratieabbau 4, 83, 85 Bürokratiekosten 86, 130

Charte de l’environnement 48 circulaire 49, 52 f. – du Premier ministre du 17 fe´vrier 2011 57, 68 ff., 100 – du Premier ministre du 17 juillet 2013 71, 100 – du Premier ministre du 17 juillet 2017 100 – du Premier ministre du 26 juillet 2017 71 f. – du Premier ministre du 27 septembre 2004 56 Code de l’environnement 10, 14 collectivite´s territoriales 63, 65 comite´ de liaison 60 f. comite´ des finances 63 Commission consultative d’e´valuation des normes 63 Commission d’enrichissement de la langue franc¸aise 5, 7 Commission des lois constitutionnelles, de la le´gislation et de l’administration ge´ne´rale de la Re´publique 7, 74 Conseil d’E´tat 19, 70 – de´crets 51 – Stellungnahmen 58 Conseil national d’e´valuation des normes 63–68, 75, 102 ff. Constitution de la Cinquie`me Re´publique 48, 52, 74 De´claration des Droit de l’Homme et du Citoyen de 1789 48, 123 de´cret 49, 51 f., 54 – en Conseil des ministres 51 – en Conseil d’E´tat 51 f. – simple 51 Deregulierungspflicht 33 echtes Gold-Plating Siehe Gold-Plating, echtes

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Sachregister

Erfüllungsaufwand 83, 85, 89, 97 f. EU-Beauftragter 79 EU-ex-ante-Verfahren 77, 98 EU-Koordinierungsreferat 79, 81 EURICO 78 f. Europa-Abteilungsleiter 80 f. europäischer Rechtsetzungsprozess 56 ff., 76 f. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss 111 e´valuation pre´alable 68–71, 100 expose´ de motifs 51, 101 Fachministerkonferenz 94 fiche d’impact 52, 68 f., 100 f. – simplifie´e 57 – strate´gique 57 Freiverkehrsklausel 35 Gemeinsamkeiten 99–104 Gesetzesvorlagen, Begründungspflicht 90–93 – auf Landesebene 96 f. – der Bundesregierung 90 f. – des Bundesrates 92 – des Bundestages 91 Gold-Plating, aktives 22 Gold-Plating, echtes 21, 35, 40 Gold-Plating, Kritik 19 f. Gold-Plating, passives 22 Gold-Plating, unechtes 21, 34, 40 groupe a` haut niveau 59 f. Grundfreiheiten 37–40 Grundsatz der Normenhierarchie 38 Grundsatz der Unionstreue 38 Harmonisierungsintensität 27 Harmonisierungsumfang 27 Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten 110 inhaltliche Übererfüllung 21 Koalitionsvertrag 47, 82, 99 kompetenzrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 113 f. – Angemessenheit 117 – Erforderlichkeit 115 f.

– Geeignetheit 115 – legitimes Ziel 115 Kompetenzschonung 31, 118 Kooperationsgremien 94 Kooperationspflicht 31 kooperativen Gesetzgebung 121 f. Kulturministerkonferenz 94 loi ASAP 73 loi DDADUE 55, 62 loi PACTE 9 f., 73 loi 49 ff., 54, 56 – constitutionnelle 74 ff. – organique 48 Mindestharmonisierung 8, 27 ff., 34–40, 118 Minimalstandard 29, 36, 112, 129 mitgliedstaatliche Autonomie Siehe Autonomie, mitgliedstaatliche modifizierende Umsetzung 21 Nationaler Normenkontrollrat 82–89, 95, 97 f., 102 ff. No-Gold-Plating-Politik, Gründe 3 f. No-Gold-Plating-Politik, rechtliche Würdigung 113–128 Normenhierarchie Siehe Grundsatz der Normenhierarchie Normenscreening 33 f., 44 Normenvielfalt 4 notice explicative 52 Öffnungsklausel 28 ff., 36 f., 119 ff. Optionsregelung 1, 20, 23–26, 30, 41, 76, 103, 118, 128 ordonnance 49, 53 f., 56, 62 passives Gold-Plating Siehe Gold-Plating, passives persönlicher Anwendungsbereich Siehe Anwendungsbereich, persönlicher plan de transposition 59 ff. Pre´ambule de la Constitution de 1946 48 Rechtliche Würdigung Siehe No-GoldPlating-Politik, rechtliche Würdigung Rechtsangleichung 26 f., 34, 44, 121

Sachregister Rechtsklarheit 122 f. Rechtsquellen in Frankreich 48–54 Rechtssicherheit 4, 125 Rechtsvereinfachung 4 Regelungsintensität 114 re`glement 49, 54 ff. Richtlinie 2006/11/EG 16 Richtlinie 2008/48/EG 11 Richtlinie 2008/104/EG 33 Richtlinie 2010/75/EU 10 Richtlinie 2011/62/EU 14 Richtlinie 2013/34/EU 9 Richtlinie 2014/23/EU 17 Richtlinie 2014/24/EU 11 Richtlinie 2014/25/EU 12, 15 Richtlinie 2014/95/EU 72 Richtlinie 2015/2303/EU 13 Richtlinie 2016/97/EU 17 Richtlinie 2016/680/EU 28 Richtlinie 2016/943/EU 89, 126 Richtlinie 2019/633/EU 29 Richtlinie, Umsetzungsbedürfnis 44 f. Richtlinienarten 26–29 sachlicher Anwendungsbereich Siehe Anwendungsbereich, sachlicher Schutzstandard 119 f. – für den Binnenmarkt 120 – im Gesundheitswesen 120 – im Sozialrecht 120 – im Umweltrecht 119 f. – im Verbraucherschutzrecht 120 Schutzverstärkungsklausel 41 ff., 120 f. secre´tariat ge´ne´ral des affaires europe´ennes 56, 58–61, 70 f. secre´tariat ge´ne´ral du gouvernement 52, 58 f. Se´nat 50, 55, 57 f., 60 f., 63, 72, 104 – Rapport d’information 8–18

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Small Business Act 109 Subsidiaritätsprotokoll 117 surtransposition, Begriff 5–18 surtransposition, Kritik 19 f. tableau de concordance de´finitif 59 tableau de correspondance pre´coce 57 task force 61 überschießende Richtlinienumsetzung 20 f. Umsetzungsbedürfnis Siehe Richtlinie, Umsetzungsbedürfnis Umsetzungsfrist 55, 62 Umsetzungskorrespondent 58 f. Umsetzungsplan 79 Umsetzungsspielraum 1, 8, 13, 29, 129 Umsetzungsverfahren, Deutschland 78–81 Umsetzungsverfahren, Frankreich 58 ff. unechtes Gold-Plating Siehe Gold-Plating, unechtes Unionstreue Siehe Grundsatz der Unionstreue Unterschiede 99–104 Urheberrechtsrichtlinie 106 Vergaberichtlinie 16 Vertrag von Aachen 105 ff. Vertragsverletzungsverfahren 4, 8, 33, 41 Verwaltungslasten 4, 108, 110 f., 130 Vollharmonisierung 12, 29 f., 40–43, 118 Wahlvorschrift 1, 23–26, 30, 41, 103, 118, 128 Wasserrahmenrichtlinie 14, 94 Wettbewerbsfähigkeit 3, 67, 72 Zentrale Normprüfstelle 95 f.