Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für »relativ marktstarke« Unternehmen: Wettbewerbs- oder individualschützende Funktion des § 20 Abs. 2 GWB [1 ed.] 9783428519903, 9783428119905

Die Arbeit hat das Diskriminierungsverbot für "relativ" marktstarke Unternehmen zum Gegenstand. Monika Taube v

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Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für »relativ marktstarke« Unternehmen: Wettbewerbs- oder individualschützende Funktion des § 20 Abs. 2 GWB [1 ed.]
 9783428519903, 9783428119905

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 36

Das Diskriminierungsund Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen Wettbewerbs- oder individualschützende Funktion des § 20 Abs. 2 GWB

Von

Monika Taube

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MONIKA TAUBE

Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 36

Das Diskriminierungsund Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen Wettbewerbs- oder individualschützende Funktion des § 20 Abs. 2 GWB

Von

Monika Taube

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11990-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahre 2005 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Daniel Zimmer, LL.M. Er hat mich von der Wahl des Themas bis zum Abschluss der Arbeit stets hilfreich unterstützt. Herrn Prof. Dr. Ulrich Huber danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit wurde durch ein Stipendium des „Arbeitskreises Wirtschaft und Recht“ im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft gefördert. Dem „Arbeitskreis Wirtschaft und Recht“ sei an dieser Stelle für die großzügige und unkomplizierte Unterstützung gedankt. Herrn Dr. jur. Eckart Sünner und Herrn Dr. jur. Harald Feltkamp danke ich für eine besonders nette persönliche Betreuung im Rahmen des Stipendiums und viele konstruktive Hinweise. Dank gilt außerdem meinen Eltern Dr. jur. Bartold Busse und Ursula Busse sowie meinem Bruder Dr. jur. Christian Busse. Sie standen mir als Gesprächspartner stets zur Seite und haben daher großen Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Besonderer Dank gilt meinem Ehemann Dr. jur. Stefan Taube, der mich während der gesamten Erstellung der Arbeit vor allem persönlich liebevoll unterstützt hat und die Arbeit Korrektur gelesen hat. Düsseldorf, Juli 2005

Monika Taube, geb. Busse

Inhaltsübersicht Erster Teil Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen

28

A. Entwicklung bis 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Entwicklung von 1957 bis 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Zweiter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB

33

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

C. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . .

56

D. Mögliche Reduktion des Geltungsbereichs des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB durch das EG-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

E. Ergebnis des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

Dritter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen im EG-Kartellrecht

60

A. Modell der Art. 81 EG und Art. 82 EG und deren Verhältnis zueinander . . . . . . . . . . . .

60

B. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als verbotene wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . .

62

C. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 D. Ergebnis des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

10

Inhaltsübersicht Vierter Teil Verhältnis von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zu Art. 81 und 82 EG

150

A. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EWG) Nr. 17 / 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EG) Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 C. Nationales und EG-rechtliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 D. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis mangels tatbestandlicher Erfassung

155

E. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG auf Grund einer Gruppenfreistellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 F. Ergebnis des Vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Fünfter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten

167

A. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 C. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 E. Ergebnis des Fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Sechster Teil Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

178

A. Bedeutung der Frage nach der rechtssystematischen Einordnung: Kartellrecht oder Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 B. Vorüberlegung zum Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB: Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB in Bezug auf die verschiedenen Abhängigkeitsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 D. Ergebnis des Sechsten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Inhaltsübersicht

11

Siebter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach der 7. GWB-Novelle

205

A. Inhalt und Ziel der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 D. Ergebnis des Siebten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Erster Teil Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen

28

A. Entwicklung bis 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Entwicklung von 1957 bis 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Zweiter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB

33

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I. Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

II. Begriff des kleinen und mittleren Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

III. Abhängigkeit eines anderen Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

1. Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

2. Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

IV. Fallgruppen der Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

1. Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

aa) Spitzenstellungsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

bb) Spitzengruppenabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

c) Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2. Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) . . . . . . . . . . . . .

44

V. Ergebnis zu A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

14

Inhaltsverzeichnis

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

I. Geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

II. Gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr . . . .

49

1. Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

2. Gleichartige Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Übliche Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

III. Unbillige Behinderung und Ungleichbehandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Behinderung oder Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Unbilligkeit oder Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes . . . . . . . . . .

53

3. Fallgruppen verbotener Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

IV. Ergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

C. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . .

56

D. Mögliche Reduktion des Geltungsbereichs des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB durch das EG-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

E. Ergebnis des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

Dritter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen im EG-Kartellrecht

60

A. Modell der Art. 81 EG und Art. 82 EG und deren Verhältnis zueinander . . . . . . .

60

B. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als verbotene wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 EG . . . . . . . . . .

62

I. „Relativ marktstarke“ Unternehmen als Normadressaten des Art. 81 EG . . . . . .

63

II. Diskriminierung als wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Vorüberlegung: Behandlung „einseitiger Handlungen“ und Auslegung des Begriffs der „Vereinbarung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Rechtsprechung und Verwaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Ansichten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Inhaltsverzeichnis

15

d) Sonderfall: einseitige Handlungen in selektiven Vertriebssystemen . . . . .

75

e) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

2. Diskriminierung bei Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

c) Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

3. Diskriminierung bei Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

4. Ergebnis zu II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

III. Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 81 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Vorüberlegung: Freistellung im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

2. Freistellung bei Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

c) Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

3. Freistellung bei Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

4. Ergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

IV. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

1. Verwaltungsrechtliche und bußgeldrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . .

95

2. Zivilrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

a) Erste Ansicht: kein Kontrahierungszwang als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . .

97

b) Zweite Ansicht: Kontrahierungszwang als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

d) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 V. Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu I. bis IV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 VI. Ergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. „Relativ marktstarke“ Unternehmen als Normadressaten des Art. 82 EG . . . . . . 109 1. Vorüberlegung: Methode zur Ermittlung der beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Erste Ansicht: Lehre vom „partenaire obligatoire“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Zweite Ansicht: Ermittlung des Beherrschungsgrads auf einem zuvor abgegrenzten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

16

Inhaltsverzeichnis c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Beherrschende Stellung auf Grund „relativer Marktmacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Beherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Definition der beherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Abhängigkeit eines Handelspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsprechung und Verwaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ansichten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 123 126 128

cc) Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unternehmensbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Spitzenstellungsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Spitzengruppenabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 129 133 133 135

(aa) Einzelmarktbeherrschung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (bb) Kollektive Marktbeherrschung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (cc) Ergebnis zu (b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (3) Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd) Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) . . . . 142 3. Ergebnis zu I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Missbrauch im Sinne des Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Ergebnis zu C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 D. Ergebnis des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Vierter Teil Verhältnis von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zu Art. 81 und 82 EG

150

A. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EWG) Nr. 17 / 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EG) Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

17

C. Nationales und EG-rechtliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 D. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis mangels tatbestandlicher Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 E. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG auf Grund einer Gruppenfreistellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 F. Ergebnis des Vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Fünfter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten

167

A. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 C. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 E. Ergebnis des Fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Sechster Teil Rechtssystemtische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

178

A. Bedeutung der Frage nach der rechtssystematischen Einordnung: Kartellrecht oder Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 B. Vorüberlegung zum Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB: Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2 Taube

18

Inhaltsverzeichnis

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB in Bezug auf die verschiedenen Abhängigkeitsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Unterschiede zwischen den einzelnen Abhängigkeitsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Abhängigkeit der Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Systematisierung der Abhängigkeitsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 GWB bei Abhängigkeit auf Grund generellmarktbezogener Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Abhängigkeit der Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Abhängigkeit der Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Ergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 GWB bei Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Abhängigkeit der Nachfrager (unternehmensbedingte Abhängigkeit) . . . . . . 192 a) Sonderfall: Kfz-Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Selbstverschuldete Abhängigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Abhängigkeit der Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Ergebnis zu IV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Gemeinsamkeiten der Abhängigkeitsarten: Fehlen von Ausweichmöglichkeiten als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressateneigenschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D. Ergebnis des Sechsten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Siebter Teil Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach der 7. GWB-Novelle

205

A. Inhalt und Ziel der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Inhaltsverzeichnis

19

I. Neue Erfassungsmöglichkeit für Diskriminierungen durch Unternehmen mit „relativer Marktmacht“ auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Auslegung des § 1 GWB nach der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Doppelkontrolle vertikaler Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 IV. Einschränkung des bisherigen Anwendungsbereichs des § 20 GWB . . . . . . . . . . 211 V. Ergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 C. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund generellmarktbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Neue Erfassungsmöglichkeiten für Diskriminierungen durch Unternehmen mit „relativer Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Umstände . . . 212 II. „Relative Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Umstände als Unterfall der marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Spitzenstellungsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Spitzengruppenabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Mangelbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Ergebnis zu C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 D. Ergebnis des Siebten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

2*

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

ABl.EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

ABl.EU

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

AG

Die Aktiengesellschaft

Art.

Artikel

BB

Betriebsberater

Beschl.

Beschluss

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BKartA

Bundeskartellamt

BLR

Business Law Review

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

C.M.L.R

Common Market Law Review

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselben

E.C.L.R

European Competition Law Review

EG

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam

EG-WbR

EG-Wettbewerbsrecht

Entsch.

Entscheidung

EU

Europäische Union

EuG

Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

Abkürzungsverzeichnis EuR

Europarecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Europäischen Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f.

folgende Seite

21

ff.

folgende Seiten

FIW

Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e. V.

Fn.

Fußnote

GesRZ

Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht – Der Gesellschafter

GFVO

Gruppenfreistellungsverordnung

GG

Grundgesetz

GPR

Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR Int.

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWB-RefE

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Referentenentwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Harv.L.Rev.

Harvard Law Review

Hdb.

Handbuch

Hdb. EU-WirtschaftsR Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i. S.

im Sinne

i. V. m.

In Verbindung mit

JR

Juristische Rundschau

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

Kfz

Kraftfahrzeug

KG

Kammergericht

Komm.

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

LG

Landgericht

lit.

Littera

MA

Der Markenartikel

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MMR

Multimedia und Recht

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

22

Abkürzungsverzeichnis

Nr.

Nummer

OLG

Oberlandesgericht

ÖZW

Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

RdW

Recht der Wirtschaft

RegBegr.

Regierungsbegründung

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft

RMC

Revue du Marché commun et de l’Union européenne

Rn.

Randnummer(n)

Rs.

Rechtssache(n)

S.

Seite

s.

siehe

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

s. o.

siehe oben

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

s. u.

siehe unten

SZIER

Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

TPR

Tijdschrift voor privaatrecht

Urt.

Urteil

UWG

Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb

v.

vom

VO

Verordnung

wbl

Wirtschaftsrechtliche Blätter – Zeitschrift für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb

WuW / E

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung

WVO

(französische) Wettbewerbsverordnung

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZWeR

Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Einleitung Im Wirtschaftsleben ist es ein häufig auftretendes Phänomen, dass Unternehmen voneinander abhängig sind. Beispiele hierfür sind Einzelhändler, die auf die Belieferung mit Markenprodukten angewiesen sind, um konkurrenzfähig zu sein (so genannte sortimentsbedingte Abhängigkeit) oder Automobilvertragshändler, die seit Jahrzehnten die Fahrzeuge eines Automobilherstellers vertreiben und ihren Geschäftsbetrieb auf den ausschließlichen Vertrieb von Waren dieses einen Herstellers ausgerichtet haben (so genannte unternehmensbedingte Abhängigkeit). In Folge dieser Abhängigkeitsverhältnisse entstehen für die Unternehmen, von denen andere abhängig sind, Handlungsspielräume, deren Ausnutzung eine Gefahr für die abhängigen Unternehmen und unter Umständen auch für den Wettbewerb insgesamt darstellt. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, enthält das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)1 in § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 ein Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für Unternehmen, von denen andere abhängig sind (so genannte „relativ marktstarke“ Unternehmen). § 20 Abs. 1 und Abs. 2 GWB lautet: § 20 Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung (1) Marktbeherrschende Unternehmen, Vereinigungen von Unternehmen im Sinne der §§ 2 bis 8, 28 Abs. 1 sowie § 29 und Unternehmen, die Preise nach den §§ 15, 28 Abs. 2, 29 Abs. 2 und § 30 Abs. 1 binden, dürfen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der anderen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar ungleich behandeln. (2) Absatz 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 8. 1998 (6. GWB-Novelle), BGBl. 1999 I, S. 2546 ff., zuletzt geändert durch Art. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 20. 5. 2003, BGBl. 2003 I, S. 686; ab InKraft-Treten der 7. GWB-Novelle in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 7. 2005 (7. GWB-Novelle), BGBl. 2005 I, S. 2114.

24

Einleitung

Die vorliegende Untersuchung hat zum einen das Ziel, den genauen Regelungsgehalt des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen festzustellen, wobei insbesondere auf die von der Rechtsprechung, den Kartellbehörden und dem Schrifttum entwickelten Fallgruppen zur Konkretisierung des erforderlichen Abhängigkeitsverhältnisses einzugehen ist. Außerdem ist der Einfluss des EG-Kartellrechts, das § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Grund seiner Vorrangwirkung vor innerstaatlichen Regelungen modifizieren und in seinem Anwendungsbereich einschränken kann, zu berücksichtigen. Das EGKartellrecht ist insofern bedeutsam, als sich ein erheblicher Teil der in Deutschland kartellrechtlich relevanten Verhaltensweisen zugleich auf dem Binnenmarkt der Europäischen Union auswirkt.2 Daher wird ausführlich untersucht, ob und wie die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Verhaltensweisen auch vom EG-Kartellrecht erfasst werden. Zum anderen zielt die Untersuchung auf die Frage nach der richtigen rechtssystematischen Verortung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen ab. Das GWB – als Gesetz zur Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs3 – ist nur dann der richtige Standort, wenn durch die „relative Marktmacht“ eines Unternehmens Störungen der Wettbewerbsfreiheit hervorgerufen werden können. Da der Wortlaut des § 20 Abs. 2 GWB die Abhängigkeitsbeziehung zwischen zwei Unternehmen in den Mittelpunkt der Vorschrift stellt, liegt es nahe zu hinterfragen, ob der Schutz der abhängigen Unternehmen vor stärkeren Handelspartnern nicht ihr alleiniges Ziel ist. Würde § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ausschließlich den individuellen Schutz der Interessen der betroffenen Unternehmen bezwecken, so wären die in § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB geregelten Sachverhalte funktional nicht dem Kartellrecht, sondern dem allgemeinen Zivilrecht zuzuordnen. Folge hiervon wäre, dass es einer Ahndung von Verstößen gegen diese Vorschrift durch die Kartellbehörden nicht bedürfte. Drittens schließlich soll die Frage untersucht werden, inwieweit sich der Inhalt und die Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen durch die aktuellen Entwicklungen auf europäischer und deutscher Ebene verändert haben oder voraussichtlich verändern werden. Hier2 Weitbrecht, Beilage zur NJW, Heft 3 / 2003, S. 1, spricht davon, dass statistisch auf fast 95% der kartellrechtsrelevanten Fälle in Deutschland Gemeinschaftsrecht anwendbar ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit führt aus, dass sich die Mehrzahl der in Deutschland vereinbarten oder praktizierten Wettbewerbsbeschränkungen auf den zwischenstaatlichen Handel auswirke (Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 24. 2. 2002, abgedruckt etwa in WuW 2003, S. 379); so auch Kahlenberg / Haellmigk, BB 2004, S. 389 (390). Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (303), meint, dass sich der Kollisionsbereich zwischen nationalem und EG-Kartellrecht auf Grund der extensiven Interpretation der Zwischenstaatlichkeitsklausel ständig erweitert habe. 3 Zum Beispiel BGH, Urt. v. 19. 9. 1974, KZR 14 / 73, WuW / E BGH 1325 (1325) „Schreibvollautomat“; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 1.

Einleitung

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bei ist einerseits auf die neue EG-Kartellverfahrensverordnung VO (EG) Nr. 1 / 20034, die seit dem 1. 5. 2004 Geltung beansprucht, und andererseits auf die bevorstehende 7. GWB-Novelle, die am 1. 7. 2005 in Kraft tritt, einzugehen. Die VO (EG) Nr. 1 / 2003 schreibt den Anwendungsvorrang des EG-Kartellrechts vor entgegenstehenden innerstaatlichen Wettbewerbsregeln erstmals ausdrücklich fest. Eine Ausnahme von dem uneingeschränkten Anwendungsvorrang gilt allerdings für strengere nationale Regeln zur Ahndung einseitiger Handlungen, die von den Mitgliedstaaten weiterhin erlassen und angewendet werden dürfen. Diese Ausnahme wurde von der deutschen Bundesregierung gefordert, um insbesondere § 20 GWB weiterhin anwenden zu können.5 Das Siebte Gesetz zur Änderung des GWB6 sieht zwar die weitgehende Anpassung des GWB an das EG-Kartellrecht vor. Die Regeln über die Marktbeherrschung und damit auch § 20 GWB bleiben jedoch im Wesentlichen unverändert erhalten. Vor diesem Hintergrund ist auf die Frage einzugehen, ob das Verbot des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB im Sinne einer Harmonisierung des GWB mit dem EG-Kartellrecht nicht abgeschafft werden sollte. Ausgehend von diesen Untersuchungszielen gestaltet sich der Gang der Untersuchung wie folgt: Im Ersten Teil wird die Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen kurz dargestellt. Darauf folgt im Zweiten Teil die Feststellung des Regelungsgehaltes des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB. Anschließend wird im Dritten und Vierten Teil untersucht, inwieweit das EG-Kartellrecht die in 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB geregelten Konstellationen erfassen kann und wie sich das Verhältnis des EG-Kartellrechts zum GWB gestaltet. Hieran schließt sich im Fünften Teil eine knappe Darstellung der Regelungen des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen in vier ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union an. Gegenstand des Sechsten Teils ist die Frage, ob das GWB rechtssystematisch der richtige Standort für ein Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen ist. Im Siebten und letzten Teil werden die Auswirkungen der 7. GWB-Novelle auf das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen untersucht. Der Forschungsstand ist hinsichtlich der geschilderten Untersuchungsziele sehr unterschiedlich. Die genaue Feststellung des Regelungsinhaltes des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist bereits Gegenstand einiger Untersuchungen und erfolgt 4 Verordnung (EG) Nr. 1 / 2003 des Rates vom 16. 12. 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003, Nr. L 1, S. 1 ff. 5 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 15, beziehbar über das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit; so auch Borer, SZIER 2003, S. 181 (183); Klocker, WuW 2002, S. 1151; Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (306); Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 33, S. 49; Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 (72); Wirtz, WuW 2003, S. 1039 (1040). 6 BGBl. 2005 I, S. 1954; Referentenentwurf: BR-Drucks. 441 / 04, S. 1.

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Einleitung

daher relativ knapp.7 Ausführlicher ist die Untersuchung des Regelungsinhaltes des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB im EG-Kartellrecht gestaltet. Es existieren diesbezüglich zwar Ausführungen zu der Frage, ob das Konzept der „relativen Marktmacht“ im Rahmen des Art. 82 EG8 Berücksichtigung finden sollte9, jedoch keine Abhandlung, die sich zusammenhängend mit der Frage befasst, inwieweit die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Handlungen durch das EGKartellrecht erfasst werden können. Das zweite Untersuchungsziel, die Frage nach der rechtssystematischen Verortung, ist nur im Vorfeld und unmittelbar nach der Einführung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen im Jahre 1973 problematisiert worden.10 Hinsichtlich des dritten Untersuchungsziels gibt es einige Aufsätze, die zu der VO (EG) Nr. 1 / 2003 oder der 7. GWB-Novelle insgesamt Stellung beziehen.11 Es gibt bislang aber 7 Es sei verwiesen auf die Dissertationen von Heuchert, Die Normadressaten des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB – Eine ökonomische Analyse des Rechts, Hamburg 1987; Kouker, Die Normadressaten des Diskriminierungsverbots (§ 26 Abs. 2 und 3 GWB), Berlin 1984; Seebauer, Der Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes in § 26 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, München 1963; Weißenborn, Der Adressatenkreis in § 26 Abs. II GWB, Hamburg 1975. Daneben sei auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen, etwa Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20, Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 GWB und Schultz in Langen / Bunte § 20 GWB. 8 Die Bezeichnung der Artikel orientiert sich an der Zitierweise des EuGH und EuG für die Bestimmungen der Verträge nach dem Vertrag von Amsterdam, vgl. Pressemitteilung Nr. 57 / 99 vom 30. 7. 1999, abgedruckt etwa in EWS 1999, S. 342 f. oder in Slg. 2000 – 12 (A), S. I. 9 Beispielsweise die Dissertation von v. Bary, Das Mißbrauchsverbot des Art. 86 EWGV – Die Leitlinien der deutschen Rechtsprechung zum Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB als Grundlage einer verstärkten Anwendung des Art. 86 EWGV durch den Europäischen Gerichtshof, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten der EG, München 1986, sowie Glais, Les concepts de „relevant market“ et de „dependance économique“ au regard de l’article 86 du traité de Rome, RMC 1987, S. 203 – 206, und Hoet, Domination du marché ou théorie du partenaire obligatoire, RMC 1989, S. 135 – 157. 10 Befürchtet, dass das Verbot rein individualschützende Funktion haben könnte, haben beispielsweise Baur, BB 1974, S. 1585 (1589); Belke, ZHR 138 (1974), S. 227 (267); Benisch, FIW-Schriftenreihe, Heft 66 (1974), S. 123 (127); Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 119; Möhring, DB 1974, S. 223 (226). 11 Allgemein zur VO (EG) Nr. 1 / 2003 etwa de Bronett, Kommentar zum europäischen Kartellverfahrensrecht; Eilmansberger, JZ 2001, S. 365 ff.; Gauer / Dalheimer / Kjolbye / de Smijter, Competition Policy Newsletter 2003 / I, S. 3 ff.; Groves, BLR 2003, S. 254 ff.; Gruber, wbl 2004, S. 1 ff.; Hirsch, ZWeR 2003, S. 233 ff.; Hossenfelder / Lutz, WuW 2003, S. 118 ff.; Idot, Cahiers de droit Européen 2003, S. 283 ff.; Klocker, WuW 2002, S. 1151; Koenigs, DB 2003, S. 755 ff.; Lampert / Niejahr / Kübler / Weidenbach, EG-KartellVO – Praxiskommentar; Lavagne, RMC 2003, S. 526 ff.; Montag / Rosenfeld, ZWeR 2003, S. 107 ff.; K. Schmidt, BB 2003, S. 1237 ff.; Schnelle / Bartosch / Hübner, Das neue EU-Kartellverfahrensrecht; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge des europäischen Kartellverfahrensrechts; Stillfried / Stockenhuber, ÖZW 2003, S. 45 ff.; Venit, C.M.L.R. 40 (2003), S. 545 ff.; Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 ff.; Weitbrecht, EuZW 2003, S. 357 f.; allgemein zur 7. GWB-Novelle etwa Bahr, WuW 2004, S. 259 ff.; Bechtold, DB 2004, S. 235 ff.; Kahlenberg / Haellmigk,

Einleitung

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keine ausführliche Stellungnahme zu den Auswirkungen der neuen Regelungen speziell auf das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen.12

BB 2004, S. 389 ff.; Kretschmer, GRUR 2004, S. 127 f.; Pohlmann, WuW 2003, S. 1007; Möschel, WuW 2003, S. 571; Rittner, WuW 2003, S. 451. 12 Einzig Wirtz, Anwendbarkeit von § 20 GWB auf selektive Vertriebssysteme nach InKraft-Treten der VO 1 / 2003, WuW 2003, S. 1039 – 1044.

Erster Teil

Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden Behinderungen und Ungleichbehandlungen im Folgenden unter dem Oberbegriff Diskriminierung zusammengefasst. Zur Bezeichnung des Verbotes nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB wird in Anlehnung an die amtliche Überschrift des § 20 GWB weiterhin der Begriff Diskriminierungs- und Behinderungsverbot verwendet.

A. Entwicklung bis 1957 Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen hat keine direkten Vorläufer aus der Zeit vor Schaffung des GWB. Infolge der Auflösung des Zunftzwanges am Anfang des 19. Jahrhunderts und der Einführung der Gewerbefreiheit 1869 entstanden in Deutschland viele Kartelle. Das entstehende Wettbewerbsrecht hat sich daher zunächst hauptsächlich mit Kartellen befasst. Dementsprechend richtete sich das erste deutsche Diskriminierungsverbot, das in § 9 der Kartellverordnung von 192313 kodifiziert war, nur an Kartelle und verbot diesen die Ausnutzung ihrer Macht. § 9 bestimmte, dass Sperren oder Nachteile von ähnlicher Bedeutung auf Grund von Kartellverträgen ohne Einwilligung des Vorsitzenden des Kartellgerichts nicht verhängt werden durften. In § 10 der Kartellverordnung von 1923 befand sich ein weiteres Verbot bestimmter diskriminierender Praktiken. Das Kartellgericht konnte auf Antrag des Reichswirtschaftsministers ein Rücktrittsrecht von Verträgen aussprechen, in denen Geschäftsbedingungen oder Preisfestsetzungen enthalten waren, die geeignet waren, unter Ausnützung einer wirtschaftlichen Machtstellung die Gesamtwirtschaft oder das Gemeinwohl zu gefährden. Diese Vorschrift war zwar – wie das heutige Diskriminierungsund Behinderungsverbot – gegen die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht gerichtet, erforderte aber eine Gefährdung der Gesamtwirtschaft und sah als Rechtsfolge nur die Möglichkeit der Einräumung eines Rücktrittsrechts durch das Kartellgericht vor. Praktisch hat § 10 der Kartellverordnung keine Bedeutung erlangt. Es ergingen nur zwei Entscheidungen des Reichsgerichts zu dieser Norm.14 13

RGBl. 1923 I, S. 1067; abgedruckt etwa in Isay / Tschierschky Kartellverordnung.

A. Entwicklung bis 1957

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Die Marktaufsichtsverordnung von 1942 enthielt eine Vorschrift, die das Reichsministerium zu Eingriffen ermächtigte, falls wirtschaftliche Macht ausgenutzt wurde.15 Dieses Verbot richtete sich aber nur an Unternehmungen, welche die Marktverhältnisse wesentlich beeinflussen konnten, knüpfte also nicht an ein Abhängigkeitsverhältnis an. Unabhängig von den geschilderten gesetzlichen Regelungen hat das Reichsgericht in Ausnahmefällen § 826 BGB oder § 1 UWG herangezogen, um diskriminierende wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen zu unterbinden.16 In diesen Entscheidungen ging es aber nicht um den Schutz des Wettbewerbs als Institution, sondern um den Schutz der Marktteilnehmer vor der Ausbeutung durch Monopolisten auf Märkten für lebensnotwendige Güter oder durch Kartelle.17 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden für die amerikanische und die britische Besatzungszone Dekartellierungsregelungen erlassen, die jeweils ein – gleich lautendes – allgemeines Verbot jeder diskriminierenden Verhaltensweise mit dem Zweck der Ausschaltung, Verhinderung oder Beschränkung des Wettbewerbs enthielten.18 Für die französische Besatzungszone galt ein etwas anders formuliertes 14 So Schmidt-Syaßen, Wechselwirkung von Wirtschaftsrecht und Bürgerlichem Recht, S. 89. 15 RGBl. 1942 I, S. 619 (619): „Der Reichswirtschaftsminister wird ermächtigt, im Rahmen seines Geschäftsbereichs Unternehmungen, die auf Grund ihrer rechtlichen Stellung oder der tatsächlichen Verhältnisse oder wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die Marktverhältnisse wesentlich beeinflussen, allgemein oder im Einzelfall Weisungen über ihr Verhalten auf dem Markt zu erteilen, wenn sie ihren Einfluss zum Schaden der Gesamtwirtschaft oder einer einzelnen Unternehmung missbräuchlich ausnutzen.“ 16 Vgl. etwa RGZ 134, S. 342 (346 f.) „Benrather Tankstellen“; 115, S. 254 (258); 48, S. 114 (124 ff.); vgl. zum Machtmissbrauch durch Monopole den Überblick über die Rechtsprechung des Reichsgerichts in RGZ 143, S. 24 (28 ff.); Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 8. Dazu ausführlich Schmidt-Syasen, Wechselwirkung von Wirtschaftsrecht und Bürgerlichem Recht, S. 35 – 54. 17 RGZ 134, S. 342 (346 f.) „Benrather Tankstellen“; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 6; Schmidt-Syasen, Wechselwirkung von Wirtschaftsrecht und Bürgerlichem Recht, S. 45 ff.; Rasch, Kartellsperre, S. 9 f., meint, in der Rechtsprechung des Reichsgerichts bis 1923 habe bei der Beurteilung von Kartellen der Maßstab der bürgerlichen Wohlanständigkeit im Rahmen der § 1 UWG und § 826 BGB vorgeherrscht. Erst durch die Kartellverordnung 1923 sei die Beurteilung von Kartellen in die Sphäre wirtschaftsethischer und wirtschaftpolitischer Erwägungen erhoben worden. A. A. Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht, S. 75, der unter Verweis auf die Reichsgerichtsentscheidung RGZ 99, 107 ff. ausführt, dass es sich beim Kampf gegen monopolistische Überlegenheit nicht um den Schutz der Interessen Einzelner, sondern des Interesses der Allgemeinheit handele. Der Einzelne sei nur Vertreter der außenstehenden Allgemeinheit. 18 Art. I Nr. 4 Militärregierungsgesetz Nr. 56, Die Proklamationen, Gesetze und Verordnungen der Militärregierungen Deutschlands – Amerikanisches Kontrollgebiet, verbot „den Boykott oder die diskriminierende Behandlung von Herstellern, Grossisten, Verbrauchern oder anderen Personen zum Zwecke der Ausschaltung oder Verhinderung des Wettbewerbs.“ Ebenso Art. I Nr. 4 Verordnung Nr. 78 vom 12. 2. 1947 über das „Verbot der übermäßigen Konzentration deutscher Wirtschaftskraft“, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland – Britisches Kontrollgebiet 1947, Nr. 16, S. 412.

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1. Teil: Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes

Diskriminierungsverbot.19 Diese allgemeinen Diskriminierungsverbote erfassten, da sie an alle Marktteilnehmer gerichtet waren, auch die Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen. Die Dekartellierungsgesetze der Alliierten blieben so lange in Kraft, bis die Bundesrepublik Deutschland mit dem GWB ein den Dekartellierungsgesetzen im Wesentlichen entsprechendes Kartellgesetz erlassen hatten.20 Bei den Beratungen zum Erlass des GWB wurde über die Einführung eines allgemeinen oder eines an bestimmte Unternehmen gerichteten Diskriminierungsverbotes kontrovers diskutiert. Es wurde vorgeschlagen, ein allgemeines Verbot der Preis- und Konditionendifferenzierung zu erlassen, um eine freie Preisbildung zu gewährleisten.21 Dies wurde mehrheitlich mit dem Argument abgelehnt, dass unterschiedliche Behandlungen in einer Wettbewerbswirtschaft üblich und sogar notwendig seien, damit die Wirtschaft nicht erstarre.22 Die Auffassung, dass Unternehmen alle ihre Partner gleich behandeln müssen, sei mit marktwirtschaftlichen Grundvorstellungen nicht vereinbar. Ein allgemeines Verbot der Preisdiskriminierung habe praktisch den Effekt eines Zwangskartells.23 Auch wurde ein Vorschlag abgelehnt, alle Unternehmen zu Normadressaten eines Diskriminierungsverbotes zu machen, die eine Stellung auf dem Markt haben, die es ihnen ermöglicht, andere Wettbewerber empfindlich in ihrer Wettbewerbsstellung zu treffen.24 Gesetz wurde 1957 letztendlich ein Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen, Kartelle und preisbindende Unternehmen.25 Dieser Vorschrift entspricht heute im Wesentlichen § 20 Abs. 1 GWB.

B. Entwicklung von 1957 bis 2004 Marktbeherrschenden Unternehmen, legalisierten Kartellen26 und preisbindenden Unternehmen sind Behinderungen und Ungleichbehandlungen anderer Unter19 Verordnung Nr. 96 v. 9. 6. 1947, Journal Officiel du commandement en chef francais en Allemagne, 1947, S. 784 (Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland). 20 Das hatten die Alliierten im Petersberger Abkommen vom 12. 5. 1945 bestimmt, vgl. insbesondere Ziff. 2 lit. b, Ziff. 4, 5, 7 lit. b des Petersberger Abkommens, Europaarchiv 1949, S. 2074 (2074 f.). 21 Auszug aus dem Kurzprotokoll der 104. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik am 21. 3. 1956, FIW-Schriftenreihe Heft 74 (1976), S. 82 (84). 22 Auszug aus dem Kurzprotokoll der 168. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik am 8. 3. 1957, FIW-Schriftenreihe Heft 74 (1976), S. 92 (92, 95). 23 Auszug aus dem Kurzprotokoll der 166. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik am 1. 3. 1957, FIW-Schriftenreihe Heft 74 (1976), S. 85 (88). 24 Auszug aus dem Kurzprotokoll der 168. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik am 8. 3. 1957, FIW-Schriftenreihe Heft 74 (1976), S. 93 f. 25 Vgl. § 26 Abs. 2 GWB 1957, BGBl. 1957 I, S. 1086.

B. Entwicklung von 1957 bis 2004

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nehmen seit In-Kraft-Treten des GWB im Jahre 1957 nach § 20 Abs. 1 GWB – damals § 26 Abs. 2 GWB27 – verboten. Im Rahmen der 2. Kartellrechtsnovelle 197328 hat der Gesetzgeber den Adressatenkreis des bestehenden Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes durch Einfügen des § 20 Abs. 2 – damals § 26 Abs. 2 Satz 2 – in das GWB erweitert. Seitdem richtet sich das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nicht mehr nur an die soeben genannten Unternehmensgruppen, sondern auch an Unternehmen, von denen kleine oder mittlere Unternehmen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Der Gesetzgeber reagierte mit dieser Erweiterung zum einen auf angebliche Diskriminierungen der freien Tankstellen durch die großen Mineralölkonzerne zu Beginn der Ölkrise in den 1970er Jahren. Es wurde befürchtet, dass Konzernunternehmen, die auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind (insbesondere Mineralölkonzerne), die Belieferung anderer Unternehmen mit der Begründung ablehnen, die Kapazitäten reichten nur für die Belieferung konzernzugehöriger Unternehmen.29 Zum anderen sollte der Gefahr begegnet werden, dass die Markenartikelhersteller nach der Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand – ebenfalls durch die 2. GWB-Novelle – ihre Preise durch Diskriminierungen, wie Lieferverweigerungen, gezielten selektiven Vertrieb oder Rabattierungen, faktisch weiter binden.30 Für Hersteller von Markenartikeln sollte eine Pflicht zur Lieferung von Waren bestehen, wenn die Händler von ihnen abhängig sind, weil sie darauf angewiesen sind, diese Waren in ihrem Sortiment zu führen, um wettbewerbsfähig zu sein.31 Weiteres Ziel war der Gesetzesbegründung zu Folge solche Unternehmen zu schützen, die sich beispielsweise durch eine langjährige Geschäftsbeziehung so auf ihre Vertragspartner eingestellt haben, dass in einer Umstellung des Geschäftsbetriebes ein unzumutbares Risiko läge.32 Abgesehen von diesen einzelnen Problemen war der Grund für die Einbeziehung der „relativ marktstarken“ Unternehmen die Vorstellung, dass auch durch bilaterale Abhängigkeiten der Wettbewerbsprozess beeinflusst werden kann. So hat der BGH in seiner ersten Entscheidung zu der erweiterten Normadressateneigenschaft aus26 Ursprünglich waren auch verbotene Kartelle im Sinne des § 1 GWB Normadressaten des Behinderungs- und Diskriminierungsverbotes, vgl. § 26 Abs. 1 GWB 1957, BGBl. 1957 I, S. 1087. 27 BGBl. 1957 I, S. 1086. 28 BGBl. 1973 I, S. 917 ff. 29 BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. 30 BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. 31 BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. 32 BT-Drucks. 7 / 765, S. 9 f.

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1. Teil: Entwicklung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes

geführt, dass auch ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen eine so starke Stellung auf dem Markt einnehmen kann, dass von ihm Störungen des Marktgeschehens ausgehen, die mit Störungen durch marktbeherrschende Unternehmen vergleichbar sind.33 Durch die Einbeziehung der „relativ marktstarken“ Unternehmen sollte verhindert werden, dass die Entscheidungs- und Betätigungsfreiheit der schwächeren Marktteilnehmer durch große Machtgefälle beeinträchtigt wird. Seit der Einführung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen 1973 erfolgten zwei inhaltliche und eine formale Änderung. Im Rahmen der 4. GWB-Novelle34 wurde eine Abhängigkeitsvermutung für den Fall der Abhängigkeit eines Anbieters von einem Nachfrager (so genannte nachfragebedingte Abhängigkeit), heute § 20 Abs. 2 Satz 2 GWB, eingefügt. Im Rahmen der 5. GWB-Novelle35 wurde der persönliche Schutzbereich des Verbotes auf kleine und mittlere Unternehmen eingeengt. Die Begründung lautete, dass der Schutz von Großunternehmen vor Diskriminierungen auf Grund der Entwicklung der Marktverhältnisse nicht mehr erforderlich sei.36 Eine Belieferungspflicht, wie sie in der Praxis als Folge eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 GWB im Vordergrund gestanden hat, sei ein besonders scharfer Eingriff in die Vertragsfreiheit und in einer Marktwirtschaft prinzipiell ein Fremdkörper. Daher solle er auf die Fälle begrenzt werden, in denen er zwingend erforderlich sei.37 Der vornehmlich auf den Schutz des Wettbewerbs als Institution gerichtete Zweck der Vorschrift sollte durch die Eingrenzung des persönlichen Schutzbereichs nicht verändert werden.38 Durch die 6. GWB-Novelle39 wurde das GWB insgesamt neu gegliedert. § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB wurde inhaltlich unverändert in § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB übernommen.40

33 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1392) „Rossignol“; so auch schon vor der Erweiterung des Adressatenkreises zu § 20 Abs. 1 GWB (§ 26 Abs. 2 GWB a. F.) BGH, Urt. v. 9. 11. 1967, KZR 7 / 66, WuW / E BGH 886 (890) „Jägermeister“. 34 BGBl. 1980 I, S. 458 (460). 35 BGBl. 1989 I, S. 2486 (2488). 36 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 21. 37 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 21. 38 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 21. 39 BGBl. 1998 I, S. 2546 ff. 40 BGBl. 1998 I, S. 2546 (2551); Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 2.

Zweiter Teil

Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen existiert seit gut dreißig Jahren. In dieser langen Zeit hat sich eine zumindest im Kern kaum umstrittene Auslegungs- und Anwendungspraxis herausgebildet, die im Folgenden zusammenfassend dargestellt wird. Da Gegenstand der Untersuchung nur das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB ist, beschränkt sich die Darstellung auf diese Normadressaten. Diskriminierende Handlungen durch marktbeherrschende Unternehmen, Kartelle und preisbindende Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sind insofern ausgeklammert.

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB § 20 Abs. 2 GWB nennt als Normadressaten „Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen . . . in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“.

I. Unternehmensbegriff Der Begriff des Unternehmens ist, da für das GWB von einem einheitlichen Unternehmensbegriff auszugehen ist,41 in § 20 Abs. 2 GWB ebenso auszulegen, wie in den übrigen Vorschriften des GWB.42 Im GWB wird der Unternehmensbegriff funktional verstanden.43 Erfasst werden alle Tätigkeiten natürlicher oder juristiBunte, Kartellrecht, S. 55; Zimmer in Immenga / Mestmäcker GWB § 1 Rn. 24. Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 22; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 23. 43 Bunte, Kartellrecht, S. 33; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 44; Zimmer in Immenga / Mestmäcker GWB § 1 Rn. 30. 41 42

3 Taube

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

scher Personen und nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen im geschäftlichen Verkehr.44

II. Begriff des kleinen und mittleren Unternehmens Schutzobjekt des § 20 Abs. 2 GWB sind nur kleine oder mittlere Unternehmen. Der Begriff des Unternehmens ist auch in diesem Kontext funktional zu verstehen.45 Die Beschränkung auf kleine und mittlere Unternehmen erfolgte im Rahmen der 5. GWB-Novelle.46 In der Begründung zum Regierungsentwurf zur 5. GWB-Novelle ist ausdrücklich auf § 4 Abs. 1 Nr. 2 GWB (§ 5 c GWB a. F.) Bezug genommen worden, in dem der Begriff des kleinen oder mittleren Unternehmens bereits verwendet wurde. Nach der Vorstellung der Bundesregierung sollen im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 2 GWB die gleichen Maßstäbe gelten, wie bei § 4 Abs. 1 Nr. 2 GWB.47 Danach kommt es für die Einstufung eines Unternehmens als kleines oder mittleres entscheidend auf dessen Relation zu seinen Wettbewerbern an.48 Absolute Größenzahlen sind irrelevant.49 Dieser Vorstellung wird heute von Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und Vertretern des Schrifttums insofern Rechnung getragen, als größtenteils angenommen wird, zur Feststellung der Größe eines Unternehmens sei grundsätzlich der Größenvergleich des potentiell geschützten Unternehmens mit seinen Wettbewerbern entscheidend.50 44 BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, KZR 1 / 61, WuW / E BGH 442 (449) „Gummistrümpfe“; Urt. v. 19. 9. 1974, KZR 14 / 73, WuW / E BGH 1325 (1325) „Schreibvollautomat“; Beschl. v. 9. 3. 1999, KVR 20 / 97, WuW / E DE-R 289 (291) „Lottospielgemeinschaft“; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 22; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 23; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 20; Zimmer in Immenga / Mestmäcker GWB § 1 Rn. 30. 45 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 90. 46 BGBl. 1989 I, S. 2486 (2488). 47 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 23. 48 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 16, 22. 49 BT-Drucks. 11 / 4610, S. 16, 22. 50 Der BGH stellt regelmäßig, insbesondere bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit, auf das Horizontalverhältnis ab, Beschl. v. 24. 9. 2002, KVR 8 / 01, WuW / E DE-R 984 (987) „Konditionenanpassung“ und Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2879) „Herstellerleasing“; ebenso Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 44; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 81; das Kammergericht nimmt unabhängig von der Art der Abhängigkeit einen horizontalen Größenvergleich vor, KG, Beschl. v. 15. 3. 1991, Kart. 15 / 90, WuW / E OLG 4753 (4761) „VW-Leasing“; ganz anders Bechtold § 20 Rn. 17, der absolute Größenkriterien für entscheidend hält und den Horizontalvergleich mit Konkurrenten nur daneben heranziehen möchte. Die Einstufung anhand absoluter Zahlen sei nicht möglich, weil die Besonderheiten des jeweiligen Marktes einzubeziehen seien, meint dagegen der BGH, Beschl. v. 24. 9. 2002, KVR 8 / 01, WuW / E DE-R 984 (987) „Konditionenanpassung“.

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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Bemerkenswert ist, dass der BGH und auch Teile des Schrifttums bei der so genannten unternehmensbedingten Abhängigkeit entgegen der Regierungsbegründung an Stelle des horizontalen Größenvergleichs auf einen vertikalen Vergleich zwischen dem potentiell geschützten Unternehmen und dem Normadressaten abstellen.51 Der BGH hat hinsichtlich der unternehmensbedingten Abhängigkeit von Automobilhändlern zu Kfz-Herstellern ausgeführt, die Einstufung der Vertragshändler als kleine oder mittlere Unternehmen ergebe sich unabhängig von deren absoluter Größe aus der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten.52 Der BGH betont, dass die pauschale Einstufung der abhängigen Unternehmen als kleine bzw. mittlere Unternehmen nur bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit möglich sei.53 Die Einschränkung des persönlichen Schutzbereichs des § 20 Abs. 2 GWB wird zum Teil kritisiert.54 Zum einen berge das Merkmal „kleine oder mittlere Unternehmen“ eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die dadurch verstärkt werde, dass der BGH je nach Fallgruppe der Abhängigkeit die Voraussetzungen der Merkmalserfüllung variiere.55 Zum anderen sei es wettbewerbspolitisch fragwürdig, großen Unternehmen den Schutz des § 20 Abs. 1 GWB generell zu versagen.56 Hierdurch trete der Individualschutz in Ausprägung eines Mittelstandsschutzes, auch wenn dies bei der Schaffung des Gesetzes ausdrücklich nicht beabsichtigt wurde, in den Vordergrund der Vorschrift.57

51 BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2878 f.) „Herstellerleasing“; Bayreuther, Wirtschaftlich-existenziell abhängige Unternehmen, S. 222; Oechsler, EWiR § 26 GWB 3 / 93, S. 589 f.; Ebel § 20 Rn. 53 und Habersack / Ulmer, Rechtsfragen des Kraftfahrzeugvertriebs, S. 105, möchten bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit auf den horizontalen Größenvergleich und bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit auf den vertikalen Größenvergleich abstellen; vgl. hierzu auch BKartA, Beschl. v. 26. 2. 1999, B9 – 51100-TV-133 / 98, WuW / E DE-V 94 (96) „Metro MGE Einkaufs GmbH“. Das Bundeskartellamt stellt die unternehmensbedingte Abhängigkeit der nachfragebedingten Abhängigkeit gleich und hält bei beiden Arten der Abhängigkeit den vertikalen Vergleich mit dem Normadressaten für entscheidend. 52 BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2879) „Herstellerleasing“ = ZIP 1993, S. 864 (867): „In Anbetracht der Eigenart der unternehmensbedingten Abhängigkeit von Automobilvertragshändlern ist nicht anzunehmen, dass die V.A.G-Händler – selbst diejenigen mit den höchsten Umsätzen – groß genug sind, um trotz fortbestehender Abhängigkeit von den Betroffenen ausreichende Möglichkeiten zu besitzen, die Wirkungen der hier in Rede stehenden Behinderung bei ihrer Geschäftstätigkeit auszugleichen.“ Dieser Satz ist in der Entscheidungssammlung der WuW leider unvollständig abgedruckt. 53 BGH, Urt. v. 24. 9. 2003, KVR 8 / 01, WuW / E DE-R 984 (988) „Konditionenanpassung“. 54 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 43. 55 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 43. 56 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 43. 57 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 13.

3*

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

III. Abhängigkeit eines anderen Unternehmens Die Abhängigkeit eines anderen Unternehmens wird durch das Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen hinsichtlich einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen begründet.

1. Marktabgrenzung Zunächst muss festgestellt werden, welche Waren bzw. gewerblichen Leistungen hinsichtlich der Ausweichmöglichkeiten relevant sind. Hierfür ist eine Marktabgrenzung vorzunehmen, die nach den gleichen Kriterien erfolgt, wie die Prüfung des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 2 GWB.58

2. Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten Auf diesem als relevant ermittelten Markt dürfen keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten für das potentiell abhängige Unternehmen bestehen. In der Rechtsprechung wird zwar zumeist nicht scharf zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen „ausreichend“ und „zumutbar“ getrennt,59 im Schrifttum wird dennoch häufig differenziert. Das Bestehen ausreichender Ausweichmöglichkeiten ist nach überwiegender Ansicht primär objektiv-generalisierend zu verstehen,60 wobei zu beachten ist, dass eine ausreichende Ausweichmöglichkeit nicht schon deshalb gegeben ist, weil andere Anbieter oder Nachfrager auf dem relevanten 58 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 45; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 47 f.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 55 und 58. 59 Vgl. zum Beispiel aus neuerer Zeit BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 (482) „Designer-Polstermöbel“; KG, Urt. v. 25. 10. 1989, Kart. U 1824 / 89, WuW / E OLG 4524 (4527) „Rock- und Popkonzerte“; Urt. v. 11. 4. 1990, Kart. U 213 / 90, WuW / E OLG 4566 (4567) „Messevertragsspediteure“; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 45; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 54. 60 Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 12 f.; Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279); Köhler, Nachfragemacht, S. 65; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 45; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 51. Das BKartA, Beschl. v. 14. 8. 1992, B3 – 711047-V-102 / 91, WuW / E BKartA 2543 (2547) „Importarzneimittel-Boykott“, prüft das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten insgesamt nach objektiven Kriterien. Auch der BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2494) „Opel-Blitz“, hat eine generalisierende Betrachtung zur Feststellung, ob ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten bestehen, vorgenommen.

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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Markt tätig sind.61 Wenn die Aktivität anderer mit dem potentiellen Normadressaten konkurrierender Anbieter oder Nachfrager auf dem Markt, also das Bestehen von Wettbewerb, eine Abhängigkeit im Sinne des Abs. 2 ausschließen würde, liefe das Merkmal der ausreichenden Ausweichmöglichkeit leer. Entweder bestünde kein wesentlicher Wettbewerb, womit bereits der Marktbeherrschungsbegriff erfüllt wäre, § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB oder es wären weitere Konkurrenten tätig, wodurch sowohl der Marktbeherrschungsbegriff als auch der Abhängigkeitsbegriff nicht erfüllt wäre. Das Merkmal der Zumutbarkeit der Ausweichmöglichkeiten ist hingegen nach überwiegender Auffassung subjektiv-individualisierend zu prüfen.62 Es kommt darauf an, ob die Wahrnehmung bestehender Ausweichmöglichkeiten aus Sicht des abhängigen Unternehmens mit zu großen, die Wettbewerbsfähigkeit des betroffenen Unternehmens negativ beeinflussenden Belastungen verbunden ist.63 Die Interessen des Normadressaten sind an dieser Stelle noch nicht zu berücksichtigen.64

IV. Fallgruppen der Abhängigkeit Die Umschreibung des Adressatenkreises als „in der Weise abhängig, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“, ist sehr weit gefasst. Daher haben Schrifttum65 und Rechtsprechung66 in Anlehnung an den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zur 61 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1393) „Rossignol“; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 54. 62 Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 12, 14; Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279); Köhler, Nachfragemacht, S. 65; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 45; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 58; a. A. BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 96, WuW / E BGH 2491 (2494) „OpelBlitz“: „. . . ob die Ausweichmöglichkeiten zumutbar sind, bestimmt sich im Rahmen einer generalisierenden Betrachtungsweise . . .“. 63 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 45; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 58. 64 BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2494) „Opel-Blitz“; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 58. 65 Bechtold § 20 Rn. 19 ff.; Burkhardt, Kartellrecht, S. 138 ff. Rn. 402 ff.; Commichau / Schwartz, Grundzüge Kartellrecht, S. 88 f., Rn. 340 ff.; Ebenroth, Absatzmittlungsverträge, S. 94 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 216 ff.; Fischötter, WuW 1974, S. 379 (384 ff.); Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 31 ff.; Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 93 ff.; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 46 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 61 ff.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 629 ff., S. 393 ff.; Rittner, WuW 1993, S. 592 (601); Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 71 ff.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 60 ff. 66 Zur unternehmensbedingten Abhängigkeit BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 ff. „Kfz-Vertragshändler“; Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

2. GWB-Novelle67 Fallgruppen herausgearbeitet. Diese Fallgruppen werden zumeist als unternehmensbedingte Abhängigkeit, sortimentsbedingte Abhängigkeit mit den Unterfallgruppen der Spitzenstellungs- und der Spitzengruppenabhängigkeit, und mangelbedingte Abhängigkeit bezeichnet.68 Daneben wird als vierte Fallgruppen die nachfragebedingte Abhängigkeit genannt.69 Diese Unterscheidung ist zwar nur ein Grobraster und die Zuordnung der Sachverhalte zu der jeweils richtigen Gruppe ist nicht immer eindeutig möglich. Sie ermöglicht aber die systematische Erfassung der verschiedenen die Abhängigkeit begründenden Sachverhalte und der dazu ergangenen Entscheidungen der Behörden und Gerichte.70 Es ist auf den ersten Blick erstaunlich, dass sich so schnell und wenig umstritten diese Fallgruppen herauskristallisiert haben. Der Grund ist wohl darin zu sehen, dass zur Begründung der Abhängigkeit zwischen zwei Unternehmen denklogisch keine anderen Anknüpfungspunkte möglich sind, als die Ware, über die diese beiden Verträge schließen – so bei der sortiments- und der mangelbedingten Abhängigkeit – oder die Unternehmen selbst – wie bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit. Die vierte Fallgruppe der nachfragebedingten Abhängigkeit beschreibt BGH 2875 ff. „Herstellerleasing“; Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 ff. „Flaschenkästen; Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 ff. „Opel-Blitz“; BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 ff. „BMW-Direkthändler“; zur sortimentsbedingten Abhängigkeit BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 ff. „Designer-Polstermöbel“; Urt. v. 24. 3. 1987, KZR 39 / 85, WuW / E BGH 2419 ff. „Saba-Primus“; Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 ff. „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 22. 1. 1985, KZR 35 / 83, WuW / E BGH 2125 ff. „Technics“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 11 / 80, WuW / E BGH 1815 ff. „Allkauf-Saba“; Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 ff. „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 19 / 78, WuW / E BGH 1635 ff. „Plaza SB-Warenhaus“; Urt. v. 17. 1. 1979, KZR 1 / 78, WuW / E BGH 1567 ff. „Normende“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 ff. „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 ff. „Rossignol“; zur nachfragebedingten Abhängigkeit BGH, Beschl. v. 24. 9. 2002, KVR 8 / 01, WuW / E DE-R 984 ff. „Konditionenanpassung“; Urt. v. 12. 5. 1976, KZR 14 / 75, WuW / E BGH 1423 ff. „Sehhilfen“. 67 BT-Drucks. 7 / 765, S. 9 f. 68 Bechtold § 20 Rn. 19 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 216 ff.; Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 31 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 61 ff.; Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 93 ff.; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 46 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 71 ff.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 60 ff.; v. Wallenberg, Kartellrecht, S. 87 ff. Rn. 270; Fischötter, WuW 1974, S. 379, 384 ff. möchte die unternehmensbedingte, die systembedingte und die artikelbedingte Abhängigkeit unterscheiden. 69 Baur, BB 1974, S. 1589 (1595); Emmerich, Kartellrecht, S. 220 ff.; Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 93 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 88 ff.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 60 ff.; Stoll, Drittmarktbehinderungen, S. 126; v. Wallenberg, Kartellrecht, S. 89 Rn. 270. 70 Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 71.

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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lediglich, welches der beteiligten Unternehmen abhängig ist. Es ist ausnahmsweise der Anbieter davon abhängig, dass der Nachfrager seine Ware abnimmt. Der Grund für die Abhängigkeit kann wiederum sowohl in Eigenschaften der begehrten Ware als auch in Eigenschaften der beteiligten Unternehmen liegen. So liegt eine umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeit zum Beispiel vor, wenn Zulieferverhältnisse mit großer Spezialisierung bestehen und umgekehrt sortimentsbedingte Abhängigkeit zum Beispiel, wenn der Hersteller darauf angewiesen ist, dass bestimmte, besonders prestigeträchtige Händler seine Ware vertreiben. Daher steht diese Fallgruppe nicht gleichberechtigt als vierte Gruppe neben den anderen. Vielmehr sind zunächst zwei Grundformen der Abhängigkeit zu unterscheiden.71 Entweder ist der Nachfrager von dem Anbieter abhängig oder der Anbieter ist von dem Nachfrager abhängig (nachfragebedingte Abhängigkeit).

1. Abhängigkeit der Nachfrager Die Abhängigkeit der Nachfrager von den Anbietern ist in der Praxis die weit häufigere Variante der Abhängigkeit.

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit Unternehmensbedingte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb im Rahmen langfristiger Beziehungen so auf ein anderes Unternehmen eingestellt hat, dass ihm ein Ausweichen auf andere am Markt tätige Unternehmen nur unter Inkaufnahme gewichtiger Wettbewerbsnachteile möglich ist.72 Die häufigste Erscheinungsform der unternehmensbedingten Abhängigkeit sind langjährige Vertragshändler, die ihre gesamte Tätigkeit, beispielsweise durch die entsprechende Einrichtung ihrer Geschäftslokale, allein auf das zu vertreibende Produkt ausgerichtet haben. Diese Fallgruppe ist in enger Anlehnung an die Formulierungen des Ausschusses für Wirtschaft entstanden. Dieser hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 71 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 46; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 71. 72 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 ff. „Kfz-Vertragshändler“; Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 ff. „Herstellerleasing“; Beschl. v. 19. 1. 1993, KZR 20 / 91, WuW / E BGH 2858, 2861 ff. „Fremdleasingboykott“; Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 ff. „Flaschenkästen“; Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 ff. „Opel-Blitz“; Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1831) „Original-VW-Ersatzteile II“; Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 ff. „BMW-Direkthändler“; Bayreuther, Wirtschaftlich-existenziell abhängige Unternehmen, S. 221; Bechtold § 20 Rn. 22; Emmerich, Kartellrecht, S. 218; Klaue, ZIP 1989, S. 1313 (1315); Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 71; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 82; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 72.

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

1973 ausgeführt, dass eine ausreichende, zumutbare Ausweichmöglichkeit i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. dann nicht besteht, „wenn damit unverhältnismäßige Belastungen verbunden sind oder sich ein Unternehmen zum Beispiel durch eine langjährige Geschäftsbeziehung auf den nachgefragten Artikel besonders eingestellt hat, so dass in einer Umstellung der Produktion oder des Vertriebes ein zu großes oder nicht kalkulierbares Risiko läge“.73 Der BGH geht von einer unternehmensbedingten Abhängigkeit insbesondere in dem Verhältnis von Kfz-Vertragshändlern zu Automobilherstellern aus.74 Sie sei in den festen Absatzstrukturen der großen Automobilhersteller und der Übung der Vertragshändlerverträge in der Automobilbranche begründet. Auf Grund dieser Struktur und den daran geknüpften Verkehrserwartungen sei es nicht ohne weiteres möglich, dass ein Händler zu einem anderen Hersteller wechselt.

b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit Die Fallgruppe der sortimentsbedingten Abhängigkeit umfasst sämtliche Konstellationen, in denen ein Unternehmen eine Ware, zumeist Markenartikel, führen muss, um wettbewerbsfähig zu sein.75 Nach der Vorstellung des Ausschusses für Wirtschaft sollte eine Lieferpflicht für Hersteller berühmter Markenartikel konstatiert werden.76 Innerhalb dieser Fallgruppe ist weiter nach dem Grund für das Angewiesensein auf die Ware zu differenzieren. Ist ein Händler auf die Belieferung mit einer ganz bestimmten Ware angewiesen, weil er gerade diese Ware auf Grund ihres Ansehens auf dem Markt führen muss, um wettbewerbsfähig zu sein, so spricht man von Spitzenstellungsabhängigkeit. Ist er hingegen nicht auf ein bestimmtes Produkt anBT-Drucks. 7 / 765, S. 9 f. BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 ff. „Opel-Blitz“; Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1831) „Original-VW-Ersatzteile II“; Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1457) „BMW-Direkthändler“. 75 BGH, Urt. v. 4. 11. 2003, KZR 2 / 02, WuW / E DE-R 1203 ff. „Depotkosmetik im Internet“; BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 ff. „Designer-Polstermöbel“; Urt. v. 24. 3. 1987, KZR 39 / 85, WuW / E BGH 2419 ff. „Saba-Primus“; Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 ff. „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 22. 1. 1985, KZR 35 / 83, WuW / E BGH 2125 ff. „Technics“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 19 / 80, WuW / E BGH 1885 ff. „adidas“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 11 / 80, WuW / E BGH 1815 ff. „Allkauf-Saba“; Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 ff. „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 19 / 78, WuW / E BGH 1635 ff. „Plaza SB-Warenhaus“; Urt. v. 26. 6. 1979, KZR 7 / 78, WuW / E BGH 1620 ff. „Revell Plastics“; Urt. v. 17. 1. 1979, KZR 1 / 78, WuW / E BGH 1567 ff. „Normende“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 ff. „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 ff. „Rossignol“; Bechtold § 20 Rn. 19; Emmerich, Kartellrecht, S. 216; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 62; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 72; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 61. 76 BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. 73 74

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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gewiesen, sondern ist es zum Erhalt seiner Wettbewerbsfähigkeit ausreichend, aus einer Gruppe von Spitzenprodukten eine bestimmte Anzahl dieser Produkte zu führen, wird von Spitzengruppenabhängigkeit gesprochen. Die sortimentsbedingte Abhängigkeit wird insgesamt auf Grund objektiver Kriterien und generell für eine Mehrzahl von Unternehmen festgestellt.77 Es kommt nur auf das begehrte Produkt und sein Ansehen und die Geltung auf dem Markt an. Die individuelle Situation des konkret abhängigen Unternehmens spielt keine Rolle.78

aa) Spitzenstellungsabhängigkeit Die Grundzüge der Spitzenstellungsabhängigkeit hat der BGH in der „Rossignol“-Entscheidung79, der ersten Entscheidung zu § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. überhaupt, skizziert. Eine Spitzenstellungsabhängigkeit besteht, wenn die Marktbedeutung der begehrten Ware so hoch ist, dass sie durch kein anderes Produkt ersetzbar ist.80 Die Marktbedeutung bemisst sich in erster Linie nach der Erwartung der Kunden des Händlers, der die Belieferung begehrt. Entscheidend sind Stellung und Ansehen der Ware auf dem Markt, die sich zum Beispiel aus der Bekanntheit der Ware,81 einer herausragenden Qualität (aus Sicht der Verbraucher),82 dem Preis,83 der Werbung,84 dem Marktanteil85 und der Distributionsrate, die fast 100 % betragen muss,86 ergeben.87 77 OLG Frankfurt, Urt. v. 9. 9. 1997, 11 U (Kart) 58 / 96, WuW / E DE-R 73 (74) „Guerlain“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 8. 11. 1978, 6 U 192 / 77, WuW / E OLG 2085 (2086) „Multiplex“; Ulmer, BB 1795, S. 661 (665 ff.). 78 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 68. 79 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 ff. „Rossignol“. 80 BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / DE-R 481, 482 „Designer-Polstermöbel“; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 47 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 74. 81 BGH, Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 (1431) „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Ulmer, BB 1975, S. 661 (664). 82 BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / DE-R 481 (482) „Designer-Polstermöbel“; BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1393) „Rossignol“. 83 BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1393) „Rossignol“. 84 BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 (482) „Designer-Polstermöbel“; BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1393) „Rossignol“. 85 BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 (1431) „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Ulmer, BB 1975, S. 661 (664).

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

bb) Spitzengruppenabhängigkeit Bei der Spitzengruppenabhängigkeit hat keines der auf dem Markt befindlichen Produkte eine so große Marktbedeutung, dass es für die Wettbewerbsfähigkeit der Händler unverzichtbar ist. Es existiert vielmehr eine Gruppe ähnlicher besonders prestigeträchtiger Produkte, die der Händler zwar nicht alle führen muss, von denen er aber zur Wahrung bzw. Herstellung seiner Wettbewerbsfähigkeit eine bestimmte Anzahl in seinem Sortiment anbieten muss. Da der Händler in diesen Fällen nicht alle zur Spitzengruppe gehörigen Waren benötigt, besteht eine Abhängigkeit nur, wenn er nicht bereits über eine ausreichende Sortimentsbreite verfügt. Falls er nicht über ein entsprechendes Sortiment verfügt und auch keine Möglichkeit zur Verschaffung eines solchen hat, besteht die Abhängigkeit gegenüber allen zur Spitzengruppe gehörigen Herstellern. Der Händler kann – in beliebiger Reihenfolge – alle zur Spitzengruppe gehörigen Hersteller solange auf Belieferung verklagen, bis er über ein ausreichendes, d. h. wettbewerbsfähiges Sortiment verfügt.88 Für die Fragen, welche Produkte eine Spitzengruppe bilden und wie viele dieser Produkte ein Händler führen muss, kommt es entscheidend darauf an, wie das Sortiment vergleichbarer Händler ausgestaltet ist und damit zusammenhängend, wie hoch die Marktanteile der jeweiligen Hersteller sind.89

86 BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 (1431) „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“. 87 BKartA, Beschl. v. 23. 7. 1974, B7 – 687530-V-60 / 73, WuW / E BKartA 1505 (1505 f.) „Provision für den Bedienungsfachhandel“; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 64; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 74; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 63 f. 88 So der BGH seit Urt. v. 17. 1. 1979, KZR 1 / 78, WuW / E BGH 1567 ff. „Normende“; zuletzt BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 ff. „Designer-Polstermöbel“; Urt. v. 24. 3. 1987, KZR 39 / 85, WuW / E BGH 2419 ff. „Saba-Primus“; Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 ff. „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 22. 1. 1985, KZR 35 / 83, WuW / E BGH 2125 ff. „Technics“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 11 / 80, WuW / E BGH 1815 ff. „Allkauf-Saba“; Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 ff. „SB-Verbrauchermarkt“; Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 19 / 78, WuW / E BGH 1635 ff. „Plaza SB-Warenhaus“; Urt. v. 26. 6. 1979, KZR 7 / 78, WuW / E BGH 1620 ff. „Revell Plastics“; Bechtold § 20 Rn. 21; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 53 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 66 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 76 ff.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 65 ff. 89 BGH, Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 (2354 f.) „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 17. 1. 1979, KZR 1 / 78, WuW / E BGH 1567 (1569) „Normende“; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 54 f.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 67; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 78.

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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c) Mangelbedingte Abhängigkeit Die mangelbedingte Abhängigkeit ist – wie auch die unternehmensbedingte und die sortimentsbedingte Abhängigkeit – bereits in dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft erwähnt.90 Dort heißt es, dass ein Konzernunternehmen, das auf mehreren nachgeordneten Wirtschaftsstufen tätig ist, die Belieferung anderer Unternehmen nicht mit der Begründung einstellen dürfe, die Kapazität reiche nur zur Belieferung der konzerneigenen Verkaufsstellen. In solchen Fällen bestehe für die Konzernunternehmen eine Repartierungspflicht.91 Auch im Schrifttum zu § 20 Abs. 2 GWB wird diese Fallgruppe stets erwähnt.92 Zumeist wird sie so umschrieben, dass ein Unternehmen auf Grund der generellen Verknappung einer Warenart nicht mehr die gewohnten Mengen liefern kann. Diejenigen Unternehmen, die üblicherweise beliefert werden, sollen einen Anspruch auf gleichmäßige Weiterbelieferung im Verhältnis zu ihren bisherigen Bezugsmengen haben. Auf Grund der generellen Verknappung können sie regelmäßig nicht auf andere Unternehmen ausweichen.93 In der Praxis hat die mangelbedingte Abhängigkeit kaum Bedeutung erlangt. Es liegen hierzu dementsprechend nur sehr wenige Entscheidungen vor.94 Diskutiert wird, ob eine mangelbedingte Abhängigkeit auch in anderen Konstellationen, wie beispielsweise im Fall von Kapazitätsengpässen bei Markenartikeln, entstehen kann.95

BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. BT-Drucks. 7 / 765, S. 10. 92 Bechtold § 20 Rn. 25; Commichau / Schwartz, Grundzüge Kartellrecht, S. 89 Rn. 345; Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 38 f., 111 ff.; Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 94; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 65; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 75 f., der von knappheitsbedingter Abhängigkeit spricht; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 84 ff.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 70 f. 93 Bechtold § 20 Rn. 25; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 75; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 84; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 70. 94 Zum Beispiel BKartA, Beschl. v. 2. 5. 1974, B8 – 221430-V-17 / 74, WuW / E BKartA 1494 ff. „AGIP“, AGIP hatte sich geweigert, freie Tankstellen zu beliefern. Das Bundeskartellamt hat eine Abhängigkeit auf Grund der Marktverhältnisse und der Tatsache, dass die betroffenen freien Tankstellen 30% ihres Bedarfes bei AGIP gedeckt haben, angenommen; im Ergebnis anders das KG, das zwar eine Abhängigkeit ebenfalls bejaht, aber in der Lieferverweigerung keine unbillige Behinderung sieht, KG, Beschl. v. 4. 7. 1974, Kart. 27 / 74, WuW / E OLG 1499 ff. „AGIP II“. 95 So OLG Stuttgart, Urt. v. 30. 4. 1981, 2 U 205 / 80, WuW / E OLG 2700 (2702) „Modelleisenbahnen“ und Emmerich, Kartellrecht, S. 218; für fern liegend hält dies Bechtold § 20 Rn. 25; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 87, nimmt dies an, wenn gleichzeitig eine Spitzenstellungsabhängigkeit vorliegt. 90 91

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

2. Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) Nachfragebedingte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Anbieter von Waren oder gewerblichen Leistungen auf einen bestimmten Nachfrager angewiesen ist, weil keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager bestehen.96 Die Abhängigkeit von einem Nachfrager kann sich, wie auch die Abhängigkeit von einem Anbieter, sowohl aus objektiven marktbezogenen Umständen als auch aus der individuellen Beziehung der beteiligten Unternehmen ergeben.97 Ergibt sich die Abhängigkeit aus marktbezogenen Umständen und entspricht sie dadurch der sortimentsbedingten Abhängigkeit,98 wird sie als goodwillbedingte Abhängigkeit bezeichnet.99 Ein Beispiel ist die Abhängigkeit eines Arzneimittelimporteurs von führenden Pharmagroßhändlern,100 die Abhängigkeit eines orthopädischen Schuhmachers bzw. eines Anbieters von Bade- und Massagekuren von den Krankenkassen101 oder die Abhängigkeit eines Parfum-Herstellers von großen Parfümerieketten. Beruht die Abhängigkeit auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen, so entspricht sie der unternehmensbedingten Abhängigkeit.102 Dementsprechend wird diese Abhängigkeit als unternehmensbezogene 96 BGH, Urt. v. 14. 1. 1997, KZR 30 / 95, WuW / E BGH 3104 (3105 f.) „Zuckerrübenanlieferungsrecht II“; BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10 / 94, WuW / E BGH 2990 (2993 f.) „Importarzneimittel“; BGH, Urt. v. 22. 3. 1994, KZR 3 / 93, WuW / E BGH 2919 (2921 f.) „Orthopädisches Schuhwerk“; BGH, Urt. v. 8. 5. 1990, KZR 21 / 89, WuW / E BGH 2665 (2666) „Physikalisch-Therapeutische Behandlung“; BGH, Urt. v. 12. 5. 1976, KZR 14 / 75, WuW / E BGH 1423 (1425) „Sehhilfen“; BKartA, Beschl. v. 26. 2. 1999, B9 – 51100-TV-133 / 98, WuW / E DE-V 94 (96) „Metro MGE Einkaufs GmbH“; Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 40 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 88. 97 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 66; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77. Auch Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 125, meint, die Ursachen der Beschränkung des Nachfragewettbewerbs unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Anbieterwettbewerbsbeschränkung. 98 BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10 / 94, WuW / E BGH 2990 (2993 f.) „Importarzneimittel“; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 66; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77; Ulmer, WuW 1980, S. 474 (484). 99 Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 41 f.; Köhler, Nachfragemacht, S. 69; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 94; Ulmer, WuW 1980, S. 474 (484). 100 BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10 / 94, WuW / E BGH 2990 (2994) „Importarzneimittel“; BKartA, Beschl. v. 14. 8. 1992, B3 – 711047-V-102 / 91, WuW / E BKartA 2543 (2547) „Importarzneimittel-Boykott“. 101 BGH, Urt. v. 22. 3. 1994, KZR 3 / 93, WuW / E BGH 2919 ff. „Orthopädisches Schuhwerk“; BGH, Urt. v. 8. 5. 1990, KZR 21 / 89, WuW / E BGH 2665 ff. „Physikalisch-Therapeutische Behandlung“. 102 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 66; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77. Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 126 f., stellt in erster Linie die Fälle der nachfragebedingten Abhängigkeit in Zulieferverhältnissen der unternehmensbedingten Abhängigkeit gleich. Das

A. Normadressaten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB

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Anbieterabhängigkeit bezeichnet.103 Typisches Beispiel ist die Abhängigkeit industrieller Zulieferer, die sich entweder durch die Spezialisierung auf wenige oder sogar nur ein Produkt oder einfach räumlich auf einen Großabnehmer eingestellt haben. Insbesondere im Automobilsektor stellen kleine Zulieferbetriebe einzelne Teile häufig exklusiv für einen Hersteller her. Zum Teil wird innerhalb dieser „umgekehrt“ unternehmensbezogenen Abhängigkeit nochmals differenziert zwischen einer systembedingten Abhängigkeit und einer Abhängigkeit auf Grund besonders hoher Absatzanteile. 104 Existieren nach dem oben Gesagten sowohl umgekehrt sortimentsbedingte als auch umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeiten, fällt auf, dass ein Pendant zu der dritten Gruppe der Abhängigkeit, der mangelbedingten Abhängigkeit, weder von der Rechtsprechung noch im Schrifttum erwähnt werden. Dies ist insofern erstaunlich, als sich das Spiegelbild einer mangelbedingten Abhängigkeit zumindest theoretisch leicht konstruieren lässt. Es müsste sich um eine Konstellation handeln, in der Nachfrager gezwungen wären, die Überschüsse eines Anbieters im Verhältnis ihrer bisherigen durchschnittlichen Bezugsmengen abzunehmen oder in der ein besonders großer Nachfrager gezwungen wird, seine Nachfrage zwischen verschiedenen Anbietern aufzuteilen. An Stelle der plötzlichen unvorhergesehenen Verknappung der begehrten Waren würde in diesen Konstellationen der Überfluss der entsprechenden Ware stehen und der oder die Anbieter müsste auf die Abnahme der Ware so stark angewiesen sein, dass hierdurch eine Abhängigkeit begründet würde. Praktisch ist dies kaum vorstellbar, wodurch sich das Schweigen der Rechtsprechung und des Schrifttums erklärt. Zum einen ist der Überschuss an Waren, zum Beispiel auf Grund einer Überschussproduktion, kein der Knappheit vergleichbarer Zustand. Er kann durch die Verringerung der Produktion sofort beendet werden, wohingegen die Verknappung der Einflussnahme der beteiligten Unternehmen entzogen ist. Zum andern ist es grundsätzlich ein wesentlich stärkerer Eingriff in die unternehmerische Freiheit, jemanden zum Kauf bestimmter Waren zu verpflichten, als ihn zum Verkauf seiner Waren zu zwingen.105 Daher müssen die BKartA stellt die nachfragebedingte Abhängigkeit insgesamt der unternehmensbedingten Abhängigkeit gleich, BKartA, Beschl. v. 26. 2. 1999, B9 – 51100-TV-133 / 98, WuW / E DE-V 94 (96) „Metro MGE Einkaufs GmbH“. Da der Terminus der nachfragebedingten Abhängigkeit nur bezeichnet, welche Seite des Marktes abhängig ist, ist dies nicht richtig. Die Sichtweise des Bundeskartellamtes wurde vom BGH ausdrücklich abgelehnt: „Die Gleichstellung von unternehmensbedingter mit nachfragebedingter Abhängigkeit . . . kommt nicht in Betracht“, BGH, Beschl. v. 24. 9. 2002, KVR 8 / 01, WuW / E DE-R 984 (988) „Konditionenanpassung“. 103 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 66. 104 Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 41, 125; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 91. 105 In diesem Sinne vgl. zum Beispiel BGH, Urt. v. 14. 1. 1997, KZR 30 / 95, WuW / E BGH 3104 (3107) „Zuckerrübenanlieferungsrecht II“: „Während im allgemeinen ein Unternehmen als Anbieter ohne weiteres bereit ist, mit jedem Nachfrager abzuschließen, können

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

einen Kaufzwang begründenden Umstände gewichtiger sein als die einen Lieferzwang auslösenden Tatsachen. Aus diesen Gründen ist die umgekehrt mangelbedingte Abhängigkeit praktisch ohne Bedeutung. Bei allen Arten der nachfragebedingten Abhängigkeit sind – wie auch bei der Abhängigkeit von einem Anbieter – die Ausweichmöglichkeiten auf der Marktgegenseite entscheidend. Hierfür muss zunächst der relevante Markt (Beschaffungsmarkt) abgegrenzt werden. Zu beachten ist dabei, dass es bei der umgekehrt unternehmensbezogenen Abhängigkeit – im Gegensatz zu der Abhängigkeit von einem Anbieter – nicht auf die funktionelle Austauschbarkeit der Ware oder gewerblichen Leistung ankommen kann. Entscheidend ist allein, ob es weitere Unternehmen gibt, die die Ware nachfragen. Zu welchem Zweck diese die Ware verwenden wollen, ist irrelevant.106 Nicht einzubeziehen sind aber Absatzmöglichkeiten an private Endverbraucher, da § 20 GWB nur von Unternehmen spricht.107 Bei der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit ist dies anders. Dort wird die Abhängigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass Unternehmen existieren, die die Ware nachfragen. Hier ist gerade entscheidend, dass ein bestimmtes Unternehmen die Ware des Anbieters nachfragt und in dem von ihm gewünschten Sinne verwendet. Zu bemerken ist noch, dass für die nachfragebedingte Abhängigkeit in § 20 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Vermutungsregelung existiert. Die Gewährung von besonderen Vergünstigungen, also die Diskriminierung selbst, ist Indiz für die Abhängigkeit.

V. Ergebnis zu A. Unternehmen, von denen ein kleines oder mittleres Unternehmen abhängig ist sind Adressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes. Um die Frage, wann eine entsprechende Abhängigkeit vorliegt, zu klären, unterscheiden Rechtsprechung, Kartellbehörden und das Schrifttum zwischen verschiedenen Arten der Abhängigkeit. Zur Systematisierung der Abhängigkeitsarten bietet sich eine grobe Aufteilung danach an, ob das abhängige Unternehmen der Nachfrager oder der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) ist. Innerhalb der beiden so gebildeten Gruppen beim Nachfrager in die kaufmännische Entscheidung, mit welchen Anbietern er in Verbindung treten will, vielfältige – auch unter dem Blickwinkel des § 26 Abs. 2 GWB unbedenkliche – Gesichtspunkte einfließen.“ Und BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10 / 94, WuW / E BGH 2990 (2995) „Importarzneimittel“: Einem Nachfrager eine Kontrahierungspflicht aufzuerlegen, sei ein stärker Eingriff in dessen Rechtskreis, als bei einem Anbieter. 106 Nicht nur für die umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeit, sondern allgemein für die nachfragebedingte Abhängigkeit, Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 78 und Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 88. 107 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 79.

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB

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ist dann weiter zu differenzieren. Allgemein üblich ist es, für die Abhängigkeit der Nachfrager zwischen der unternehmens-, der sortiments- und der mangelbedingten Abhängigkeit zu unterscheiden. Bei der nachfragebedingten Abhängigkeit hat sich wohl auf Grund der geringeren praktischen Relevanz keine so eindeutige Untergruppenbildung vollzogen. Es wird zwar zum Teil eine Differenzierung zwischen goodwill-bedingter Abhängigkeit, einer Abhängigkeit auf Grund von besonderer Spezialisierung des Anbieters und einer Abhängigkeit auf Grund besonderer Absatzfunktion oder -anteile des Nachfragers vorgenommen. Zumeist wird die nachfragebedingte Abhängigkeit aber einfach als vierte Fallgruppe neben der unternehmens-, der sortiments- und der mangelbedingten Abhängigkeit genannt. Die Abhängigkeit beruht entweder auf generell-marktbezogenen Tatsachen oder hat ihren Grund in individuell-unternehmensbezogenen Umständen. Daher könnte man eine Untergliederung innerhalb der großen Gruppen der Abhängigkeit der Nachfrager und der Abhängigkeit der Anbieter nach diesen Kriterien an Stelle der bisher üblichen Fallgruppen vornehmen.108 Ob eine solche Kategorisierung sich von der herkömmlichen Fallgruppenbildung wesentlich unterscheidet wird an späterer Stelle ausführlicher erörtert werden.109

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB Den Normadressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes ist es untersagt, ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der anderen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unbillig zu behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln. Nach überwiegender Meinung gilt das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für die Normadressaten des § 20 Abs. 2 GWB in gleicher Weise wie für die Normadressaten nach § 20 Abs. 1 GWB.110 Zum Teil wurde vorgeschlagen, dass für die Normadressaten nach Abs. 2 nur die Diskriminierungsalternative des Abs. 1 gelten solle.111 Dies wurde damit be108 Diese Differenzierung zwischen marktbedingter und individueller Abhängigkeit schlägt einzig Benisch ausdrücklich vor, Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 20. 109 s. u. Sechster Teil, C.II. 110 BKartA, Beschl. v. 2. 5. 1974, B8 – 221430-V-17 / 74, WuW / E BKartA 1494 (1495) „AGIP“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, BGH WuW / E 1391 (1392) „Rossignol“; Fischötter, WuW 1974, S. 379 (382); Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 87 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 45; Rasch, BB 1974, S. 1272 (1274); Rittner, WuW 1993, S. 592 (600); Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 10. 111 Hölzler / Satzky, Wettbewerbsverzerrungen durch nachfragemächtige Handelsunternehmen, S. 117 ff.; Köhler, Nachfragemacht, S. 80 ff.; Möhring, DB 1974, S. 223 (225); Ulmer in Wettbewerbskongress München 1977, S. 187 (218 f.).

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

gründet, dass der Ausschussbericht von 1973 nur davon spricht, das Diskriminierungsverbot ausweiten zu wollen112. Außerdem richte sich die Behinderungsalternative vornehmlich gegen die Behinderung von Wettbewerbern. Da § 20 Abs. 2 GWB aber ein vertikales Beherrschungs-Abhängigkeits-Verhältnis voraussetze, sei eine Behinderung von Wettbewerbern durch Adressaten des Abs. 2 gar nicht denkbar.113 Diese Überlegungen haben sich nicht durchsetzen können. Durch die Einführung des § 20 Abs. 2 GWB sollte nur der Adressatenkreis des Diskriminierungsund Behinderungsverbotes erweitert werden, ohne den Verbotsinhalt zu ändern.114 Verboten sind daher sowohl unbillige Behinderungen als auch Ungleichbehandlungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund.

I. Geschützter Personenkreis Verboten ist nur die Behinderung oder Ungleichbehandlung von Unternehmen. Auch in diesem Kontext umfasst der Unternehmensbegriff alle Tätigkeiten im geschäftlichen Verkehr.115 Geschützt werden im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie im Verhältnis zum Normadressaten Anbieter, Nachfrager oder Wettbewerber sind oder ob sie in gar keinem Verhältnis zum Normadressaten stehen.116 Geht man nun davon aus, dass Abs. 2 des § 20 GWB nur den Kreis der Normadressaten erweitert, ohne den Verbotsinhalt zu verändern, müsste dies grundsätzlich auch für das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot bei abhängigen Unternehmen gelten. Zum Teil wird der Schutzbereich aber eingegrenzt. Vor den Verhaltensweisen des Normadressaten werde nur das abhängige Unternehmen selbst geschützt.117 Handlungen des Normadressaten gegenüber Wettbewerbern, also im Horizontalverhältnis, könnten keine Tathandlungen im Sinne des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sein.118 Die weit überwiegende Ansicht lehnt diese Einschränkung des Schutzbereichs ab und bezieht auch nicht selbst abhängige Wettbewerber in den Schutzbereich ein, sofern deren Behinderung unter Einsatz der aus der Abhängigkeit resultierenden Macht erfolgt.119 Dies ist überzeugend, da die Reduktion des Schutzbereichs im Ergebnis BT-Drucks. 7 / 765, S. 9. Köhler, Nachfragemacht, S. 82. 114 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1392) „Rossignol“; Emmerich, Kartellrecht, S. 216; Kouker, Normadressaten des Diskriminierungsverbots, S. 87 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 45; Rittner, WuW 1993, S. 592 (600); Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 10. 115 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 90; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 109; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 90. 116 Köhler, Nachfragemacht, S. 80. 117 Köhler, Nachfragemacht, S. 80 ff. 118 Köhler, Nachfragemacht, S. 82. 112 113

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB

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eine Änderung des Verbotsinhaltes des § 20 Abs. 1 GWB für Adressaten nach Abs. 2 wäre. Dies würde im Widerspruch zu der Konzeption des § 20 Abs. 2 GWB als Erweitung des Adressatenkreises des Abs. 1 stehen. Bezieht man also auch nicht selbst abhängige Wettbewerber in den Schutzbereich ein, ist weiter umstritten, ob die betreffenden Konkurrenten kleine und mittlere Unternehmen sein müssen120 oder ob auch große Wettbewerber in den Schutzbereich einzubeziehen sind121. Der Gesetzeswortlaut spricht zunächst dafür, auch große Unternehmen einzubeziehen. Das Erfordernis des kleinen oder mittleren Unternehmens bezieht sich nur auf die abhängigen Unternehmen. Die Einbeziehung auch großer nicht selbst abhängiger Dritter würde jedoch zu einem erheblichen Wertungswiderspruch führen. Ziel der Einschränkung des Schutzbereichs war die generelle Ausnahme der Großunternehmen, weil diese des Schutzes des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes nicht bedürfen.122 Es ist kein Grund ersichtlich, bei mittelbaren Behinderungen nicht abhängiger dritter Unternehmen anders als bei unmittelbaren Diskriminierungen abhängiger Unternehmen doch von der Schutzbedürftigkeit der Großunternehmen auszugehen.123 Der Einschränkung des Schutzbereichs durch das Merkmal „kleines oder mittleres Unternehmen“ kann nur voll Rechnung getragen werden, wenn ausnahmslos alle Schutzobjekte kleine oder mittlere Unternehmen sein müssen.

II. Gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr Die Behinderung oder Ungleichbehandlung muss in einem Geschäftsverkehr erfolgen, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Mit Hilfe dieses Tatbestandsmerkmals soll der Anwendungsbereich des § 20 GWB auf Behinderungen und Ungleichbehandlungen eingeschränkt werden, die in einem bestimmten Geschäftsverkehr erfolgen. Es sollen diejenigen Fälle ausgeschieden werden, in denen es mangels Vergleichbarkeit keiner Rechtfertigung für eine Verhaltensweise bedarf. In die Prüfung des „Geschäftsverkehr[s], der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist“ sollen nicht zu viele Umstände des Einzelfalls einbezo119 BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1832) „Original VWErsatzteile II“; BKartA, Beschl. v. 25. 7. 1990, B5 – 766000-V-155 / 87, WuW / E BKartA 2459 (2460) „VW-Leasing“; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 45; v. Ungern-Sternberg in Festschrift für Walter Odersky, S. 987 (995). 120 So beispielsweise Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 45, 91; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 113. 121 So beispielsweise BKartA, Beschl. v. 25. 7. 1990, B5 – 766000-V-155 / 87, WuW / E BKartA 2459 (2460) „VW-Leasing“. 122 s. Begründung zur 5. GWB-Novelle, BT-Drucks. 11 / 4610, S. 1 (21 f.). 123 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 45.

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

gen werden, da ansonsten die Gefahr der Vorwegnahme der späteren Interessenabwägung bestünde. Die einzelnen Begriffe dieses Tatbestandsmerkmals sind folglich eher weit auszulegen.

1. Geschäftsverkehr Geschäftsverkehr ist jeder privatrechtliche Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen.124 Nicht notwendig ist, dass der Geschäftsverkehr bereits besteht. Um auch Newcomer schützen zu können, wird es als ausreichend erachtet, wenn der Geschäftsverkehr erst aufgenommen werden soll.125 Der Geschäftsverkehr, der an dieser Stelle maßgeblich ist, ist marktbezogen abzugrenzen.126 Es kommt auf den Geschäftsverkehr auf dem Markt an, auf dem sich das Verhalten des Normadressaten auswirkt. Zumeist wird das der Markt sein, der schon für die Bestimmung der Normadressateneigenschaft relevant gewesen ist. Wenn sich das Verhalten des Normadressaten aber ausnahmsweise auf einem anderen Markt auswirkt, auf dem die Abhängigkeit nicht besteht, kann der Geschäftsverkehr auf diesem Drittmarkt entscheidend sein.127

2. Gleichartige Unternehmen Verschiedene Unternehmen werden als gleichartig angesehen, wenn sie nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion dieselben Aufgaben erfüllen.128 Das Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit soll nur eine verhältnis124 Commichau / Schwartz, Grundzüge Kartellrecht, Rn. 347, S. 90; Emmerich, Kartellrecht, S. 222; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 82; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 95; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 117; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 93. 125 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 94. 126 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 97; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 118. 127 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 98; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 118. 128 St. Rspr., BGH, Urt. v. 17. 3. 1998, KZR 30 / 96, WuW / E DE-R 134 (134 f.) „Bahnhofsbuchhandel“; Urt. v. 12. 3. 1991, KZR 26 / 89, WuW / E BGH 2707 (2714) „Krankentransportunternehmen II“; Urt. v. 13. 11. 1990, KZR 15 / 89, WuW / E BGH 2683 (2686) „Zuckerrübenanlieferungsrecht“; Urt. v. 25. 10. 1988, KVR 1 / 87, WuW / E BGH 2535 (2539) „Lüsterbehangsteine“; Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1833) „Original-VW-Ersatzteile II“; Urt. v. 24. 9. 1979, KZR 20 / 78, WuW / E BGH 1629 (1631) „Modellbauartikel II“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 19 / 80, WuW / E BGH 1885 (1887) „adidas“; BKartA, Beschl. v. 5. 5. 1975, B7 – 366100-TV-129 / 74, WuW / E BKartA 1591 (1595) „SABA II“; Beschl. v. 21. 3. 1979, B7 – 333000-RTV-84 / 76, WuW / E BKartA 1781 (1785) „Identteile“; Ebel § 20 Rn. 20; Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 18 ff.; Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen,

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB

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mäßig grobe Sichtung ermöglichen und ist daher weit auszulegen.129 Die Tätigkeit der Unternehmen muss nicht in jeder Hinsicht identisch sein. Es muss lediglich die gleiche Grundfunktion ausgeübt werden.130

3. Übliche Zugänglichkeit Der Geschäftsverkehr ist üblicherweise zugänglich, wenn die in Betracht kommenden Kreise ihn generell als zugänglich empfinden. Es kommt nicht auf die Geschäftspraxis des Normadressaten an, sondern darauf, was sich in „natürlicher und wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und angemessen empfunden herausgebildet hat“.131

III. Unbillige Behinderung und Ungleichbehandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund § 20 Abs. 1 GWB verbietet seinen Normadressaten zwei Verhaltensweisen gegenüber anderen Unternehmen: die unmittelbare oder mittelbare unbillige Behinderung und die unmittelbar oder mittelbar unterschiedliche Behandlung ohne sachS. 79; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 99; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 119. 129 Begründet wird die Notwendigkeit der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Gleichartigkeit wird mit der Funktion des Diskriminierungsverbots, die Märkte offen zu halten, Commichau / Schwartz, Grundzüge Kartellrecht, Rn. 349, S. 90 f.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 93; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 96. 130 St. Rspr. des BGH, Urt. v. 27. 4. 1999, KZR 35 / 97, WuW / E DE-R 357 (358) „Feuerwehrgeräte“; BGH, Urt. v. 17. 3. 1998, KZR 30 / 96, WuW / E DE-R 134 (134 f.) „Bahnhofbuchhandel“; Urt. v. 12. 3. 1991, KZR 26 / 89, WuW / E BGH 2707 (2714) „Krankentransportunternehmen II“; Urt. v. 13. 11. 1990, KZR 25 / 89, WuW / E BGH 2683 (2686) „Zuckerrübenanlieferungsrecht“; Urt. v. 25. 10. 1988, KVR 1 / 87, WuW / E BGH 2535 (2539) „Lüsterbehangsteine“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 19 / 80, WuW / E BGH 1885 (1887) „adidas“; anders allerdings BGH, Urt. v. 1. 6. 1977, KZR 3 / 76, GRUR 1977, S. 744 (745) „Medizinischer Badebetrieb“; Bechtold § 20 Rn. 28, 31; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 93, 100; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 97. Zum Teil wird etwas restriktiver vertreten, es komme nicht nur darauf an, dass dieselbe Grundfunktion ausgeübt werde, sondern es dürften sich bei der Ausübung keine wesentlichen Unterschiede ergeben. So Fischötter, WuW 1981, S. 478 (491); Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (284); Kroitsch, GRUR 1977, S. 745; Meier, BB 1980, S. 1301 (1302); Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 119; Kilian, ZHR 142 (1978), S. 453 (475), hält nur solche Unternehmen für gleichartig, die die gleiche Ausgangsposition im Wettbewerb haben; so auch entgegen seiner sonstigen Rechtsprechung BGH, Urt. v. 1. 6. 1977, KZR 3 / 76, GRUR 1977, S. 744 (745) „Medizinischer Badebetrieb“. 131 St. Rspr. des BGH, Urt. v. 20. 11. 1964, KZR 3 / 64, WuW / E BGH 647 (651) „Rinderbesamung“; Urt. v. 6. 10. 1992, KZR 10 / 91, WuW / E BGH 2805 (2807 f.) „Stromeinspeisung“; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 109; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 127; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 102. 4*

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

lich gerechtfertigten Grund. Beide Tatbestandsalternativen unterscheiden zwischen der Begehungsform („Behinderung“ bzw. „Ungleichbehandlung“) einerseits und deren normativer Bewertung („unbillig“ bzw. „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“) andererseits. Durch die zweistufige Struktur innerhalb beider Begehungsalternativen wird deutlich, dass die genannten Verhaltensweisen nicht per se missbilligt werden, sondern nur, wenn sie sich nach einer normativen Bewertung als verwerflich darstellen.

1. Behinderung oder Ungleichbehandlung Eine Behinderung ist jede nachteilige Beeinträchtigung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit.132 Eine Ungleichbehandlung ist jede verschiedene Behandlung gleichartiger133 Unternehmen. Zwischen den beiden Begehungsalternativen besteht einerseits ein Alternativverhältnis, da die Behinderungsalternative insbesondere die Wettbewerber, also Marktteilnehmer der gleichen Wirtschaftsstufe (horizontal) schützen soll und die Diskriminierungsalternative insbesondere Abnehmer und Lieferanten, also Marktteilnehmer der vor- bzw. nachgelagerten Wirtschaftstufe (vertikal) schützen soll.134 Andererseits liegt ein Spezialitätsverhältnis vor.135 Da bei einer unterschiedlichen Behandlung zumeist auch die Wettbewerbsfähigkeit des betroffenen Unternehmens gegenüber den bevorzugten Unternehmen beeinträchtigt wird, ist in einer Ungleichbehandlung regelmäßig zugleich eine Behinderung zu sehen.136 Die Behinderung und die Ungleichbehandlung können jeweils sowohl einseitig durch den Normadressaten, zum Beispiel durch eine Lieferverweigerung, als auch im Rahmen rechtsgeschäftlicher Beziehungen, zum Beispiel durch den Abschluss eines Vertrages zu schlechteren Bedingungen als sie den Konkurrenten gewährt werden, erfolgen.

132 BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR8 / 80, WuW / E 1829 (1832) „Original-VW-Ersatzteile II“; Emmerich, Kartellrecht, S. 224; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 116; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 137, 139; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 6. 133 Für das Merkmal der Gleichartigkeit gilt das oben Gesagte, s. S. 27. 134 Kahrs, Zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes, S. 129; Koller, Gleichheitsmaßstab im Diskriminierungsverbot, S. 171; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 115. 135 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 110 ff. 136 Emmerich, Kartellrecht, S. 212; Görgemanns, Der Begriff des kleinen und mittleren Unternehmens, S. 70; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 115; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 137.

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB

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2. Unbilligkeit oder Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes Innerhalb dieses Tatbestandsmerkmals erfolgt die normative Bewertung des Verhaltens des Normadressaten. Die Bewertung erfolgt bei beiden Begehungsalternativen nach den gleichen Kriterien.137 Es entscheidet jeweils eine Abwägung der Interessen aller Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB.138 Der Maßstab für die Einbeziehung und die Gewichtung der sich gegenüberstehenden Interessen sind die allgemeine Zielsetzung des GWB, die besondere Zielsetzung der jeweiligen Vorschriften und die Wertungen des europäischen Kartellrechts139. Das Verhalten des Normadressaten muss also daraufhin untersucht werden, inwieweit von ihm wettbewerbsschädigende Wirkungen ausgehen. Die Festlegung dieses Beurteilungsmaßstabes hat insofern große Bedeutung, als hierdurch zum einen das Verbot so eingegrenzt werden muss, dass der wettbewerbliche Normzweck und damit die Einbettung in das Gesamtkonzept des GWB gewahrt bleibt, zum anderen aber so viel Spielraum geschaffen werden muss, dass der Zweck des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes erreicht werden kann.140 Im Rahmen dieser Interessenabwägung finden daher die Interessen aller unmittelbar oder mittelbar Beteiligten, insbesondere die des Normadressaten und des diskriminierten Unternehmens, Berücksichtigung.141 Für die Frage, welche Interessen der Beteiligten in die Abwägung einzubeziehen sind, ist mit Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Gruppen der Beteiligten zu differenzieren. Auf Seiten des Normadressaten sind grundsätzlich alle individuMarkert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 114. St. Rspr. des BGH seit BGH, Urt. v. 27. 9. 1962, KZR 6 / 61, WuW / E BGH 502 (508) „Treuhandbüro“; aus neuerer Zeit zum Beispiel BGH, Urt. 24. 6. 2003, KZR 32 / 01, WuW / E DE-R 1144 (1146) „Schülertransporte“; BGH, Urt. v. 27. 4. 1999, KZR 35 / 97, WuW / E DE-R 357 (359) „Feuerwehrgeräte“; Beschl. v. 23. 2. 1988, KVR 2 / 87, WuW / E BGH 2479 (2482) „Reparaturbetrieb“; OLG Hamburg, Urt. v. 18. 4. 2003, 3 U 141 / 00, GRUR-RR 2003, S. 23 (24) „Gestaffelter Summenrabatt“; KG, Beschl. v. 4. 7. 1974, Kart. 27 / 74, WuW / E OLG 1499 (1504) „AGIP II“; BKartA, Beschl. v. 26. 2. 1999, B9 – 51100-TV-133 / 98, WuW / E DE-V 94 (98) „Metro MGE Einkaufs GmbH“; Beschl. v. 14. 8. 1992, B3 – 711047V-102 / 91,WuW / E BKartA 2543 (2551) „Importarzneimittel-Boykott“; Emmerich, Kartellrecht, S. 225 für die Unbilligkeit und S. 228 für den sachlich gerechtfertigten Grund; Habersack / Ulmer, Rechtsfragen des Kraftfahrzeugvertriebs, S. 108; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 129; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 137; v. Ungern-Sternberg in Festschrift für Walter Odersky, S. 987 (988); v. Wallenberg, Kartellrecht, S. 91 Rn. 274. 139 BGH, Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (209) „Depotkosmetik“. Nach Ansicht Rehbinders in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 14, ist nicht schützwürdig, was das Gemeinschaftsrecht verbietet. 140 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 129. 141 Emmerich, Kartellrecht, S. 225; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 130. 137 138

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

ellen Interessen einzubeziehen, sofern sie nicht berücksichtigungsunfähig sind, weil sie etwa gesetzeswidrig sind. Eine große Rolle spielt hier regelmäßig das Interesse an einer freien Führung des Unternehmens. Auf der Seite des behinderten oder diskriminierten Unternehmens ist hingegen nicht jedes individuelle Interesse zu berücksichtigen, sondern nur das Interesse an einer freien wettbewerblichen Betätigung, insbesondere an der Freiheit des Marktzugangs und der Chancengleichheit im Wettbewerb.142 Die Gewichtung der so für schützenwert ermittelten Interessen erfolgt dann ebenfalls mit dem Ziel, insgesamt ein möglichst großes Maß an wettbewerblicher Betätigungsfreiheit für die Beteiligten zu erreichen.143 3. Fallgruppen verbotener Tathandlungen Da die Beurteilung einer Verhaltensweise als normativ missbilligenswert von einer umfassenden, einzelfallbezogenen Interessenabwägung abhängt, ist eine abschließende Aufzählung verbotener Handlungen nicht möglich. Es lassen sich aber Gruppen von Verhaltensweisen bilden, in denen häufig verbotene Diskriminierungen zu sehen sind.144 Eine dieser Gruppen ist die Abschlussverweigerung. Unter diesen Begriff sind die Verweigerung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen und der Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen zu fassen.145 Bei der normativen Bewertung einer Abschlussverweigerung gilt, dass auch marktstarke Unternehmen den Vertrieb ihrer Waren grundsätzlich nach eigenen Vorstellungen organisieren können.146 Wenn sie aber die Entscheidung treffen, ihre Waren über Zwischenhändler zu vertreiben, so verpflichtet sie diese Entscheidung zur Gleichbehandlung aller Händler. Eine systematische Selektion der Händler ist daher zwar möglich. Sie muss aber anhand objektiver Kriterien erfolgen, nach Art des Produktes legitim sein und diskriminierungsfrei gehandhabt werden (so genannte qualitative selektive Vertriebssysteme).147 Die zahlenmäßige Limitierung der Händler ist demgegenüber nur unter strengeren Voraussetzungen möglich (so genannte quantitatives selektives Vertriebssystem). Da bei der quantitativen Selektion regelmäßig auch Händler vom Vertriebssystem ausgeschlossen werden, die alle objektiv erforderlichen Kriterien für die Zulassung erfüllen, bedarf sie einer besonderen Rechtfertigung.148 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 132. Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 136. 144 Vgl. Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 148 ff.; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 176 ff. 145 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 149; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 175. 146 Überwiegende Ansicht, etwa Emmerich, Kartellrecht, S. 228. 147 BGH, Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 (2357) „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Bechtold § 20 Rn. 41; Emmerich, Kartellrecht, S. 231. 142 143

B. Verbotenes Verhalten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB

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In diesen Kontext ist auch knappheitsbedingte Lieferverweigerung einzuordnen. Kann ein Lieferant mangels Kapazitäten nicht alle Lieferwünsche befriedigen, so muss er gleichartige Abnehmer in der Regel gleichmäßig beliefern.149 Eine weitere Gruppe ist die der Preis- und Konditionendifferenzierung. Sofern eine Differenzierung auf dem individuellen Verhandlungsgeschick eines Unternehmens beruht oder Folge eines für alle Abnehmer gleichermaßen geltenden und angemessenen Rabattsystems ist, ist sie regelmäßig zulässig.150 Andere Wettbewerbsbehinderungen durch Anbieter, wie beispielsweise Preisunterbietung, Verkauf unter Einstandspreis mit Verdrängungsabsicht, Koppelungsbindungen oder Ausschließlichkeitsbindungen, werden in einer weiteren Fallgruppe zusammengefasst.151 In einer weiteren Fallgruppe werden Behinderungen und Diskriminierungen durch Nachfrager zusammengefasst.152 Typisch sind Bezugssperren und das Fordern bzw. Durchsetzen von Vergünstigungen jeder Art.153

IV. Ergebnis zu B. § 20 Abs. 1 GWB verbietet Unternehmen, die Normadressaten nach Abs. 2 des § 20 GWB sind, die Behinderung und Ungleichbehandlung anderer Unternehmen in der gleichen Form wie auch den Adressaten nach Abs. 1 des § 20 GWB. Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot beinhaltet nach seinem Wortlaut zwar zwei unterschiedliche Begehungsalternativen, eine klare Trennung findet aber auf Grund weitgehender Überschneidungen und des einheitlichen Prüfungsmaßstabes nicht statt. Die normative Bewertung der in Frage stehenden Tathandlung erfolgt durch eine umfassende Abwägung der Interessen aller Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten allgemeinen Zielsetzung des GWB.

148 Emmerich, Kartellrecht, S. 231, meint, die quantitativen selektiven Vertriebssysteme seien im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB zu Unrecht durchweg gebilligt worden. 149 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 168. 150 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 176 ff. 151 Bei vertraglichen Ausschließlichkeitsbindungen, wie ausschließlichen Vertragshändlersystemen und Ersatzteilbindungen in der Automobilindustrie, ist zugleich § 16 GWB anwendbar, da § 16 GWB nicht lex specialis zu § 20 GWB ist. Mögliche Konflikte zwischen den beiden Vorschriften werden dadurch verhindert, dass die gesetzliche Wertung des § 16 GWB im Rahmen der Interessenabwägung bei § 20 Abs. 1 GWB zu berücksichtigen ist, Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 188 ff., 197. 152 Emmerich, Kartellrecht, S. 235 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 204 ff. 153 Emmerich, Kartellrecht, S. 235 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 207 ff.

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

C. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB § 20 GWB ist ein unmittelbar wirkendes Verbot, das Rechtsfolgen auf drei Rechtsgebieten entfaltet: im Verwaltungsrecht, im Zivilrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht. Erstens ist die zuständige Kartellbehörde nach § 32 GWB ermächtigt, ein gegen § 20 GWB verstoßendes Verhalten durch Verwaltungsakt zu untersagen. Das Verwaltungsverfahren richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, die teilweise durch Vorschriften des GWB modifiziert werden. Daher steht sowohl die Eröffnung des Verfahrens als auch der Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes im pflichtgemäßen Ermessen der jeweils zuständigen Kartellbehörde. Die Kartellbehörde handelt regelmäßig innerhalb des ihr zustehenden Ermessens, wenn sie von der Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens mit der Begründung absieht, dass den Betroffenen der Zivilrechtsweg offen steht (§ 33 Satz 1 GWB) und ein darüber hinausgehendes öffentliches Interesse nicht erkennbar ist.154 Da Eingriffe im Interesse der Wettbewerbsfreiheit so gering wie möglich gehalten werden sollen, gilt hinsichtlich des Inhalts des Verwaltungsaktes und des Unterlassungsanspruchs, dass in der Regel nur Verbots-, aber keine Gebotsverfügungen erlassen werden sollen.155 Eine Verbotsverfügung stellt zumeist einen geringeren Eingriff dar, weil es dem Betroffenen überlassen bleibt, auf welche Art er den Verstoß abstellt. Zweitens ist eine vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlung gegen § 20 GWB eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB, die mit der Verhängung eines Bußgeldes nach dem OWiG geahndet werden kann. Drittens können die betroffenen Unternehmen nach § 33 Satz 1 GWB unabhängig von einem Verschulden des Normadressaten Unterlassung des verbotenen Verhaltens verlangen. Wenn der Normadressat schuldhaft gehandelt hat, können die Betroffenen außerdem nach § 33 Satz 1 i. V. m. § 20 GWB Schadensersatzansprüche geltend machen. Darüber hinaus sind Rechtsgeschäfte, deren Inhalt § 20 GWB widerspricht, nach § 134 BGB nichtig.156 Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 GWB ist die Norm, die im Rahmen des § 33 Satz 1 GWB die größte Bedeutung erlangt hat.157 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 220. Dies ändert sich durch die 7. GWB-Novelle. § 32 GWB-neu sieht vor, dass die Kartellbehörden positiv bestimmte Handlungen anordnen dürfen, Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. 7. 2005, BGBl. 2005 I, S. 1954. 156 Allgemeine Ansicht, etwa Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 226; zu früheren Gegenmeinungen vgl. Nachweise bei van Venrooy, BB 1979, S. 555 (555 f. Fn. 3). 157 Hempel, WuW 2004, S. 362 (365); Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 26. 154 155

C. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 GWB

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Eine Besonderheit gilt insofern, als sich aus § 33 Satz 1 i. V. m. § 20 GWB ein Kontrahierungszwang ergeben kann.158 In Fällen der Geschäftsverweigerung kann sich ein Anspruch des den Geschäftsabschluss begehrenden Unternehmens auf Abschluss dieses Geschäftes ergeben. Die dogmatische Begründung für diesen Kontrahierungszwang ist nicht unumstritten. Zum Teil beruft man sich auf einen Schadensersatzanspruch in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution aus § 249 BGB.159 Da dies dem zukunftsgerichteten Charakter des Anspruchs widerspricht und im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis nicht befriedigend ist, ist es überzeugender, Belieferungsansprüche auf einen verschuldensunabhängigen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch zu stützen.160 Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich ebenfalls aus §§ 33 Satz 1, 20 GWB.161 Hervorzuheben ist noch, dass der Abschlusszwang in den Fällen der unternehmensbedingten Abhängigkeit zeitlich befristetet ist. Den abhängigen Unternehmen muss nur eine angemessene Übergangsfrist zur Umstellung gewährt werden.162 Am Ende dieser Frist ist die unternehmensbedingte Abhängigkeit unabhängig davon, ob eine Umstellung tatsächlich erfolgt ist, beendet.

158 St. Rspr. seit BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, KZR 1 / 61, WuW / E BGH 442 (448) „Gummistrümpfe“; Benisch in Gemeinschaftskommentar (9. Auflage, 4. Lieferung) § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 69; Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 148; Hempel, WuW 2004, S. 362 (365) betont, dass die Belieferungsansprüche besondere Bedeutung im Rahmen des § 33 S. 1 i. V. m. § 20 GWB haben. 159 BGH, Urt. V. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (209) „Depotkosmetik“; BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1395) „Rossignol“; BGH, Urt. v. 9. 11. 1967, KZR 7 / 66, WuW / E BGH 886 (892) „Jägermeister“; BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, KZR 1 / 61, WuW / E BGH 442 (448) „Gummistrümpfe“; Traugott, WuW 1997, S. 486 (489); differenzierend Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 166: Bei in der Vergangenheit liegendem Verhalten sei auf einen Schadensersatzanspruch nach § 33 S. 1 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB abzustellen, im Übrigen auf einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch. 160 BGH, Urt. v. 13. 11. 1990, KZR 25 / 89, WuW / E BGH 2683 (2687) „Zuckerrübenanlieferungsrecht“; BGH, Urt. v. 25. 2. 1959, KZR 2 / 58, WuW / E BGH 288 (291) „Großhändlervertrag II“; OLG Karlsruhe, Urt. V. 12. 3. 1980, 6 U 223 / 77, WuW / E OLG 2217 (2223) „Allkauf-Saba“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 8. 11. 1978, 6 U 192 / 77 Kart, WuW / E OLG 2085 (2092) „Multiplex“; Belke, Geschäftsverweigerung, S. 428 ff.; Bork in Staudinger vor §§ 145 – 156 Rn. 20; Kahrs, Zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes, S. 168 f., 173 ff.; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 228; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 667; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 273; Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 131; Kilian, ZHR 142 (1978), S. 453 (481), plädiert für einen Kontrahierungszwang in Form eines zivilrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches unmittelbar aus § 26 Abs. 2 S. 2 GWB a. F. 161 BGH, Urt. v. 25. 2. 1959, KZR 2 / 58, WuW / E BGH 288 (291) „Großhändlervertrag II“; Bork in Staudinger vor §§ 145 – 156 Rn. 20. 162 BGH, Urt. 10. 2. 1987, KZR 6 / 86, WuW / E BGH 2360 (2366) „Freundschaftswerbung“; Bechtold § 20 Rn. 24.

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2. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB

D. Mögliche Reduktion des Geltungsbereichs des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB durch das EG-Kartellrecht Viele Maßnahmen, die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten sind, wirken sich nicht nur auf dem deutschen Markt aus, sondern berühren zugleich den zwischenstaatlichen Handel auf dem Gemeinsamen Markt. Da in diesen Fällen neben dem Anwendungsbereich des GWB auch der des EG-Kartellrechts eröffnet ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Rechtsordnungen zueinander. Europäische und nationale Kartellrechtsnormen sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar.163 Im Konfliktfall genießt das EG-Wettbewerbsrecht aber entsprechend der allgemeinen Regeln über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht Anwendungsvorrang vor entgegenstehenden innerstaatlichen Regelungen.164 Dieser Grundsatz war unter der alten Kartellverfahrensverordnung VO (EWG) Nr. 17 / 62165 anerkannt und gilt auch unter der neuen Kartellverfahrensverordnung VO (EG) Nr. 1 / 2003 weiter. Infolge des Anwendungsvorrangs des EG-Kartellrechts ist es möglich, dass § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte nicht anwendbar ist, weil sonst ein Widerspruch zu den Regelungen des EG-Kartellrechts entstünde. Wie weit die Reduktion des Anwendungsbereichs en detail reicht, kann erst beantwortet werden, nachdem im dem folgenden Dritten Teil herausgearbeitet worden ist, inwieweit überhaupt Überschneidungen zwischen dem EG-Kartellrecht und § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB bestehen. Festgehalten werden kann hier aber schon, dass der Geltungsbereich des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB insoweit reduziert ist, als dessen Anwendung im Widerspruch zum EG-Kartellrecht steht.

163 Allgemeine Ansicht: grundlegend EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, 1 (13 ff. Rn. 3 ff.) „Wilhelm / Bundeskartellamt“; Urt. v. 10. 7. 1980, verbundene Rs. 253 / 78 und 1 bis 3 / 75, Slg. 1980, 2327 (2375 Rn. 16) „Procureur de la république / Giry und Guerlain“; Bunte in Langen / Bunte Einf. EG-Kartellrecht Rn. 74; Eilmansberger in Streinz vor Art. 81 Rn. 5; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 43; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 72; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 16; Wiedemann in Wiedemann, Hdb. KartellR, § 6 Rn. 3, S. 92. 164 Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 10 – 075, S. 819; Geiger Art. 83 Rn. 14; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 71; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 2; Schwarze, JZ 1996, S. 57 (58); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 16. 165 Verordnung (EWG) Nr. 17 des Rates vom 6. 2. 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl.EG 1962, S. 204 ff.

E. Ergebnis des Zweiten Teils

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E. Ergebnis des Zweiten Teils Im Laufe der letzten 30 Jahre wurden im Kern kaum bestrittene Grundsätze zur Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entwickelt. Zu trennen ist zwischen der Normadressateneigenschaft, die durch die Abhängigkeit eines anderen Unternehmens begründet wird, und dem verbotenen Verhalten. Um den weiten Begriff der Abhängigkeit eines Unternehmens zu konkretisieren und seine Anwendung zu vereinfachen, sind Fallgruppen der Abhängigkeit gebildet worden. Die verbotenen Verhaltensweisen sind die unbillige Behinderung eines anderen Unternehmens und die Ungleichbehandlung gleichartiger Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Bei beiden Begehungsalternativen ist zunächst wertneutral zu überprüfen, ob in dem Verhalten des Normadressaten eine Behinderung oder Ungleichbehandlung zu erkennen ist. Anschließend wird dieses Verhalten anhand einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten unter Einbeziehung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten allgemeinen Zielrichtung des GWB normativ bewertet. Sofern die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotene Handlung Gemeinschaftsrelevanz besitzt, kann der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB durch das EG-Kartellrecht eingeschränkt sein.

Dritter Teil

Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen im EG-Kartellrecht Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens von einem anderen Unternehmen ist ein Phänomen, das nicht nur nationale Märkte betrifft, sondern auch auf europäischer Ebene auftritt. Dennoch existiert im EG-Kartellrecht, im Gegensatz zu vielen nationalen Kartellrechtskodifikationen,166 kein ausdrückliches Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen. Aus dem Fehlen einer § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entsprechenden Vorschrift folgt jedoch nicht, dass Diskriminierungen durch Unternehmen, zu denen andere in einem vertikalen Abhängigkeitsverhältnis stehen, auf europäischer Ebene erlaubt sind. Da dem detaillierten Regelungssystem des GWB auf europäischer, primärrechtlicher Ebene nur wenige sehr weit gefasste Normen gegenüber stehen, könnte es möglich sein, die von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB erfassten Konstellationen unter einen der generalklauselartig gefassten Tatbestände des EG-Kartellrechts zu subsumieren. In Betracht kommen hierfür allein die Art. 81 EG und 82 EG.

A. Modell der Art. 81 EG und Art. 82 EG und deren Verhältnis zueinander Art. 81 EG und Art. 82 EG dienen übereinstimmend dem Ziel, innerhalb der Europäischen Union einen unverfälschten Wettbewerb im Sinne des Art. 3 lit. g) EG zu entwickeln bzw. aufrecht zu erhalten.167 Beide Artikel begrenzen die Handlungsfreiheiten von Unternehmen, um zu verhindern, dass deren Ausübung 166 § 20 Abs. 2 GWB in Deutschland; Art. L 420 – 2 und Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce in Frankreich; Art. 9 Abs. 1 legge sulla subfornitura in Italien; § 34 Abs. 2 KartG in Österreich; vgl. dazu Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 76. 167 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6 / 72, Slg. 1973, 215 (245 Rn. 25) „Europemballage und Continental Can / Kommission“; Eilmansberger in Streinz Art. 82 Rn. 78; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 15; Kapteyn / van Themaat / Gormley, Law of the European Communities, S. 894; Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 472.

A. Modell der Art. 81 EG und Art. 82 EG

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den Wettbewerb beschränkt.168 Sie stellen aber unterschiedliche Instrumentarien zur Verwirklichung dieses gemeinsamen Ziels bereit. Art. 81 EG verbietet wettbewerbsbeschränkende Verhaltenskoordinationen und ermöglicht so, das Entstehen von Marktmacht zu verhindern. Art. 82 EG wendet sich gegen die missbräuchliche Ausnutzung bereits bestehender Machtstellungen. Mit Hilfe des Art. 82 EG kann weder die Entstehung von Marktmacht eingedämmt noch deren Existenz aufgelöst werden. Es kann lediglich verhindert werden, dass mächtige Unternehmen ihre Macht durch wettbewerbsschädigende Maßnahmen missbrauchen. Aus diesen unterschiedlichen Regelungsinhalten der beiden Artikel ergibt sich deren Abgrenzung voneinander. Art. 81 EG erfordert eine Verhaltenkoordination mindestens zweier Unternehmen,169 wohingegen Art. 82 EG primär einseitige Maßnahmen besonders mächtiger Unternehmen erfasst.170 Auf Grund des unterschiedlichen Regelungsgehalts besteht zwischen den Vorschriften Idealkonkurrenz.171 Sofern ein Sachverhalt die Tatbestandvoraussetzungen beider Vorschriften erfüllt, sind sie nebeneinander anwendbar.172 Diese erste grobe Abgrenzung zwischen Art. 81 EG und Art. 82 EG lässt bereits Vermutungen zu, in welchem Artikel sich eher ein § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB vergleichbares Verbot finden lässt. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbietet Diskriminierungen und damit in erster Linie einseitige Handlungen eines Unternehmens. Es erscheint daher nahe liegend, eine § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entsprechende Regelung in Art. 82 EG zu suchen, der ebenfalls primär einseitige Handlungen erfasst. Auch Art. 81 EG scheidet aber zur Erfassung der Konstellationen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nicht von vorneherein aus. Die durch § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Handlungen erfolgen nämlich nicht zwinMestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 466. EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3383 (3408 ff. Rn. 66 ff.) „Bayer / Kommission“. 170 Bunte, Kartellrecht, S. 413; Klees, BB 2004, S. 291 (291); Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 16 Rn. 14, S. 300; Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 37. 171 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85 / 76, Slg. 1979, 461 (550 Rn. 116) „Hoffmann-La Roche / Kommission“; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 27; Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 4 f.; Emmerich in Dauses, Hdb. Eu-Wirtschaftsrecht H.I § 1 Rn. 317, 410; Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 11; Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 471; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 38 und Art. 82 Rn. 37. 172 Bunte, Kartellrecht, S. 413; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 2; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 15; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 358; Mestmäcker in Festschrift für Peter Raisch, S. 441 (451); Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.F., S. 401. Die gleichzeitige Anwendung beider Verbotstatbestände ist beispielsweise denkbar, wenn ein oder mehrere Unternehmen ihre beherrschende Stellung durch den Abschluss wettbewerbsbeschränkender Abreden missbrauchen oder wenn mehrere Unternehmen durch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen eine beherrschende Stellung erlangen und diese gemeinsam missbräuchlich ausnutzen, Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 15; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 37. 168 169

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

gend rein einseitig, sondern sind häufig in rechtsgeschäftliche Beziehungen eingebettet. Eine Ungleichbehandlung kann beispielsweise im Abschluss eines Liefervertrages zu Tage treten, der einem Unternehmen schlechtere Konditionen gewährt als vergleichbaren Wettbewerbern. Da die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Vertragspartners, wie § 20 Abs. 2 GWB sie voraussetzt, die Anwendung des Art. 81 EG nicht ausschließt,173 ist es unter Umständen möglich, diskriminierende Handlungen auf europäischer Ebene durch Art. 81 EG zu erfassen.

B. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als verbotene wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 EG Art. 81 EG verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (im Folgenden unter dem Begriff Verhaltenskoordination zusammengefasst), die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Auf den ersten Blick ist es fern liegend, in dem Kartellverbot des Art. 81 EG einen dem § 20 Abs. 2 i. V. m. 1 GWB vergleichbaren Regelungsansatz zu suchen. Es scheint kaum Gemeinsamkeiten zu geben zwischen dem Kartellverbot des EGVertrages, das wettbewerbsbeeinträchtigende Verhaltenskoordinationen mehrerer Unternehmen untersagt und dem Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des GWB, das einseitige, normativ missbilligenswerte Verhaltensweisen besonders mächtiger Unternehmen untersagt. Dennoch legen einige Umstände es nahe zu hinterfragen, ob nicht Fälle wirtschaftlicher Abhängigkeit, die in Deutschland anhand von § 20 Abs. 2 i. V. m. 1 GWB gelöst werden, auf europäischer Ebene durch das Kartellverbot lösbar sind. Zu diesen Umständen gehört, dass in dem Beispielskatalog des Art. 81 Abs. 1 EG Verhaltensweisen aufgezählt werden, die prima facie auch als Behinderungen oder Diskriminierungen im Sinne des § 20 GWB qualifizierbar zu sein scheinen. Insbesondere die in lit. d) genannte „Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern“ erinnert an die Diskriminierungsalternative des § 20 Abs. 1 GWB.

173 Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 021, S. 55; Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 38; Schröter insofern widersprüchlich, als er in Rn. 65 die wirtschaftliche Unabhängigkeit der zusammenwirkenden Unternehmen als Voraussetzung für die Anwendung des Art. 81 EG nennt.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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I. „Relativ marktstarke“ Unternehmen als Normadressaten des Art. 81 EG Die Adressaten des Art. 81 EG sind Unternehmen.174 Der Unternehmensbegriff ist nach allgemeiner Ansicht im europäischen Recht wie auch im deutschen Recht175 funktional, d. h. nach der Tätigkeit der potentiellen Normadressaten, zu bestimmen. Erfasst wird „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.176 Die Adressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes nach § 20 Abs. 2 GWB sind ebenfalls Unternehmen, allerdings nur solche, von denen andere Unternehmen abhängig sind. Der Adressatenkreis des Art. 81 EG ist folglich weiter. Damit sind die Normadressaten nach § 20 Abs. 2 GWB immer zugleich Adressaten des europäischen Kartellverbotes.

II. Diskriminierung als wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG Art. 81 Abs. 1 EG verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Allen drei Tatbestandsalternativen ist gemein, dass mehrere rechtlich selbständige Unternehmen zur Koordinierung ihres Wettbewerbsverhaltens bewusst und gewollt zusammenwirken müssen.177 Art. 81 Abs. 1 EG untersagt also das wettbewerbsschädigende Zusammenwirken mehrerer Unternehmen. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbietet demgegenüber Diskriminierungen, die sowohl gemeinschaftlich durch mehrere Unternehmen als auch einseitig durch ein einzelnes Unternehmen begangen werden können. 174 Dass Art. 81 EG neben den Unternehmen auch Unternehmensvereinigungen nennt, spielt keine Rolle, da diese lediglich als Summe der in ihr zusammengeschlossenen Unternehmen behandelt werden, vgl. Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorb. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 17. 175 s. o. Zweiter Teil. 176 St. Rspr. des EuGH, etwa EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995, Rs. C-244 / 94, Slg. 1995, I-4013 (4028 Rn. 14) „Fédération française des sociétés d’assurance u. a.“; Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41 / 90, Slg. 1991, I-1979 (2016 Rn. 21) „Höfner und Elsner“; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn 34; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 20 ff.; Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 51. 177 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81. Rn. 65.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Folglich ist der Kreis der nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Verhaltensweisen insofern weiter, als auch einseitige Handlungen verboten sind. Daher können nicht alle Diskriminierungen im Sinne des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB unter Art. 81 Abs. 1 EG subsumiert werden. Kurz hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass die Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG auf Diskriminierungen im Sinne des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nicht mit der Begründung abgelehnt werden kann, es gehe bei § 20 Abs. 2 GWB um Handlungen im Vertikalverhältnis und bei Art. 81 EG um Handlungen im Horizontalverhältnis. Denn erstens erfasst Art. 81 EG im Gegensatz zum deutschen Kartellverbot des § 1 GWB178 nicht nur horizontale Absprachen zwischen zumindest potentiellen Wettbewerbern, sondern auch Vereinbarungen im Vertikalverhältnis zwischen Marktteilnehmern verschiedener Wirtschaftsstufen.179 Zweitens erfordert § 20 Abs. 2 GWB ein Vertikalverhältnis nur zur Begründung der Normadressateneigenschaft. Das verbotene Verhalten kann sich bei § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sowohl im Vertikal- als auch im Horizontalverhältnis auswirken.180

1. Vorüberlegung: Behandlung „einseitiger Handlungen“ und Auslegung des Begriffs der „Vereinbarung“ Nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotene Diskriminierungen können entweder Inhalt eines Rechtsgeschäftes sein, an dem das „relativ marktstarke“ Unternehmen beteiligt ist, oder sie können unabhängig von vertraglichen Beziehungen einseitig durch das „relativ marktstarke“ Unternehmen erfolgen. In ersterem Fall besteht mit dem Rechtsgeschäft eine Vereinbarung, an die für ein Verbot nach Art. 81 EG angeknüpft werden kann. In letzterem Fall ist Art. 81 EG mangels Vereinbarung nicht anwendbar. 178 Nach dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. 7. 2005, BGBl. 2005 I, S. 1954 erfasst § 1 GWB-neu wie Art. 81 EG horizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen. 179 St. Rspr. des EuGH seit EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, verbundene Rs. 56 und 58 / 64, Slg. 1966, 322 (387) „Consten-Grundig / Kommission“; Urt. v. 24. 10. 1995, Rs. C-70 / 93, Slg. 1995, I-3459 (3467 Rn. 15) „Bayrische Motorenwerke“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 019, S. 54; Bunte, Kartellrecht, S. 365; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 79; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 81 Rn. 90; Grill in Lenz / Borchardt Art. 81 Rn. 2; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 18, 77; Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 101, 128. Vertikale Vereinbarungen sind zwar häufig durch die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt, VO (EG) Nr. 2790 / 1999 der Kommission vom 22. 12. 1999 über die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl.EG 1999, Nr. L 336, S. 21 ff. Hierdurch ändert sich aber nichts an der grundsätzlichen Erfassung vertikaler Vereinbarungen durch Art. 81 EG. 180 BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1832) „Original-VWErsatzteile II“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Nicht alle Diskriminierungen sind eindeutig einer dieser Varianten zuzuordnen. Viele Diskriminierungen erfolgen durch eine Handlung des „relativ marktstarken“ Unternehmens, die zwar auf den ersten Blick als einseitige Maßnahme erscheint, aber in so engem Zusammenhang mit vertraglichen Beziehungen steht, dass sie unter Umständen als Teil der rechtsgeschäftlichen Beziehungen angesehen werden kann. Derartige Handlungen sind beispielsweise die einseitige Abänderung von Vertriebsverträgen durch das „relativ marktstarke“ Unternehmen, die Kündigung eines Vertrages ohne ausreichenden Grund oder die Weigerung des Betreibers eines selektiven Vertriebssystems, ein außenstehendes Unternehmen in sein Vertriebssystem aufzunehmen. Um solche Handlungen unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG subsumieren zu können, wird teilweise vorgeschlagen, sie trotz ihres scheinbar einseitigen Charakters als „Vereinbarungen“ im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG zu qualifizieren.

a) Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Der EuGH, das EuG und die Kommission legen den Begriff der „Vereinbarung“ tendenziell weit aus. Sie haben häufig auf den ersten Blick einseitige Handlungen als Vereinbarungen qualifiziert, wenn diese sich in vertragliche Beziehungen einfügten und von dem Adressaten der Handlung zumindest stillschweigend akzeptiert wurden.181 Hierbei wurde nicht behauptet, rein einseitige Handlungen könnten den Begriff der Vereinbarung erfüllen. Vielmehr wurden die jeweiligen Sachverhalte so ausgelegt, dass die „einseitigen“ Handlungen als Bestandteile 181 EuGH, Urt. v. 24. 10. 1995, Rs. C-70 / 93, Slg. 1995, I-3459 (3467 f. Rn. 16 f.) „Bayrische Motorenwerke“; Urt. v. 11. 1. 1990, Rs. C-277 / 87, Slg. 1990, I-45, (45 1. Leitsatz) „Sandoz P.F. / Kommission“; Urt. v. 17. 9. 1985, verbundene Rs. 25 und 26 / 84, Slg. 1985, 2725 (2744 Rn. 21) „Ford / Kommission“; Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 38) „AEG / Kommission“; Urt. v. 12. 7. 1979, verbundene Rs. 32 / 78 und 36 bis 82 / 78, Slg. 1979, 2435 (2477 Rn. 28 ff.) „BMW / Kommission“; EuG, Urt. v. 6. 7. 2000, Rs. T-62 / 98, Slg. 2000, II-2707 (2807 Rn. 236) „Volkswagen / Kommission“; Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000 II-3383 (3409 f. Rn. 70 f.) „Bayer / Kommission“: Hier wurde das Vorliegen einer Vereinbarung im Ergebnis abgelehnt, da die Händler die Forderungen der Bayer AG nicht tatsächlich akzeptiert haben. Die Kommission ging in der vorhergehenden Entscheidung v. 1. 10. 1996, ABl.EG 1996, Nr. L 201, S. 45 ff. „Adalat“, davon aus, dass eine Vereinbarung zwischen der Bayer AG und deren Vertragspartnern vorliegt. Vgl. in diesem Sinne auch Komm., Entsch. v. 29. 6. 2001, ABl.EG 2001, Nr. L 262, S. 14 (26 f.) „Volkswagen II“; Entsch. v. 28. 1. 1998, ABl.EG 1998, Nr. L 124, S. 60 (77 ff. Rn. 121 ff.) „Volkswagen“; Entsch. v. 18. 12. 1987, ABl.EG 1988, Nr. L 78, S. 34 (40 Rn. 35) „Konica“; Entsch. v. 13. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 222, S. 28 (32 Rn. 25 ff.) „Sandoz“; Entsch. v. 10. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 222, S. 1 (7 Rn. 49) „Tipp-Ex“; Entsch. v. 6. 1. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 117, S. 15 (23 f. Rn. 57 ff.) „AEG-Telefunken“. So auch Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 017 f., S. 53 f.; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 78; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Rn. 87; Lübbig, WuW 1991, S. 561.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

einer Vereinbarung zwischen dem „einseitig“ handelnden Unternehmen und dem Adressaten der „einseitigen“ Maßnahme interpretiert werden konnten. Das Bemühen, die Sachverhalte entsprechend auszulegen, um bestimmte ihrer Ansicht nach wettbewerbsschädliche Handlungen eines Unternehmens von Art. 81 EG erfassen zu können hat dazu geführt, dass zwei unterschiedliche – zum Teil angreifbare – Konstruktionen herangezogen worden. Entweder wurde angenommen, dass eine bestehende vertragliche Beziehungen durch die Maßnahmen des „einseitig“ handelnden Unternehmens modifiziert werde und diese Modifizierung zum Bestandteil der vertraglichen Beziehung werde, indem der Vertragspartner ihr nachträglich zugestimmt. Als nachträgliche Zustimmung konnte bereits die vorbehaltlose Weiterführung der Geschäftsbeziehung ausreichen. So wurde beispielsweise angenommen, ein Exportverbot werde dadurch zum Vertragsbestandteil, dass ein Hersteller Rechnungen mit dem Aufdruck „Export verboten“ verwendet und die Kunden der systematischen Verwendung nicht widersprechen.182 Ebenso wurde entschieden, dass der Inhalt eines Rundschreibens von einem Hersteller an seine Händler zum Bestandteil der bestehenden Geschäftsbeziehung werde, wenn die Händler diesem nicht widersprechen.183 Auch die Drohung mit der Reduzierung von Liefermengen o. ä., falls ein Exportverbot nicht eingehalten werde, könne als Teil der Vereinbarungen zwischen dem Hersteller und dessen Händlern angesehen werden.184 Dies gelte selbst dann, wenn nicht eindeutig erkennbar ist, ob die Händler sich der diesbezüglichen Geschäftspolitik des Herstellers angeschlossen haben.185 182 Komm., Entsch. v. 13. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 222, S. 28 (32 Rn. 25 ff.) „Sandoz“; bestätigt durch den EuGH, der ausdrücklich sagt, die Zustimmung der Rechnungsempfänger zu dem Exportverbot sei in der widerspruchslos zu denselben Bedingungen vorgenommenen Neubestellungen zu sehen, EuGH, Urt. v. 11. 1. 1990, Rs. C-277 / 87, Slg. 1990, I-45 (45 1. Leitsatz) „Sandoz P.F. / Kommission“. 183 Komm., Entsch. v. 18. 12. 1987, ABl.EG 1988, Nr. L 78, S. 34 (40 Rn. 35) „Konica“. Anders die Komm., Entsch. v. 18. 8. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 256, S. 20 (25 Rn. 32) „Vertriebssystem der Ford Werke AG“, wo ein Rundschreiben nicht als Bestandteil der einzelnen Vertriebsverträge betrachtet wurde, sondern als ein Umstand, in dem das Vertriebssystem betrieben wird, angesehen hat. Der Inhalt des Rundschreibens wird erst Recht Vertragsbestandteil, wenn die Händler ihre Zustimmung zum Ausdruck bringen, indem sie ihre Unterhändler anweisen den Inhalt zu befolgen, Komm., Entsch. v. 28. 1. 1998, ABl.EG 1998, Nr. L 124, S. 60 (77 ff. Rn. 121 ff.) „Volkswagen“. 184 Komm., Entsch. v. 1. 10. 1996, ABl.EG 1996, Nr. L 201, S. 45 ff. „Adalat“; Komm., Entsch. v. 10. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 222, S. 1 (7 Rn. 47) „Tipp-Ex“. 185 Komm., Entsch. v. 10. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 222, S. 1 (3 ff. Rn. 15 ff.) „TippEx“; der EuGH hat diese Kommissionsentscheidung im Ergebnis zwar bestätigt. Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war aber bekannt geworden, dass sich der Händler den Maßnahmen von Tipp-Ex angeschlossen hat, indem er eine Tochtergesellschaft mehrfach fernmündlich zur Einhaltung aufgefordert hat, EuGH, Urt. v. 8. 2. 1990, Rs. C-279 / 87, Slg. 1990, I-261 „Tipp-Ex“ (nur Leitsätze veröffentlicht) = EuZW 1990, S. 93 (Veröffentlichung der Entscheidungsgründe).

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Eine andere gedankliche Konstruktion der EG-Organe stützt das Bestehen einer Vereinbarung nicht auf eine nachträgliche Zustimmung, sondern auf eine Zustimmung im Voraus. Der Adressat der „einseitigen“ Handlung würde durch den Abschluss der Verträge, die der Geschäftsbeziehung zu Grunde liegen, allen späteren Handlungen zustimmen, die sich in diese vertragliche Beziehung einfügen. Durch die Aufnahme der Geschäftsbeziehung würde die Vertriebspolitik inklusive späterer „einseitiger“ Modifikationen akzeptiert. So wurde beispielsweise angenommen, die Zulassungsverweigerung zu einem selektiven Vertriebssystem stehe in so engem Zusammenhang mit den bereits bestehenden Vertriebsverträgen, dass ein Verbot nach Art. 81 EG an diese anknüpfen könne.186 Die Händler würden der Vertriebspolitik des Herstellers und damit auch der späteren Zulassungsverweigerung durch den Abschluss eines Vertriebsvertrages konkludent und im Voraus zustimmen.187 Mit dieser Argumentation wurden Aufforderungen eines Automobilherstellers gegenüber dessen Vertragshändlern, sich in bestimmter Art zu verhalten, als Bestandteile der geschlossenen Vertraghändlerverträge gewertet.188 Wenn die Aufforderungen im Rahmen fortlaufender Geschäftsbeziehungen erfolgen, die einer im Voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterliegen, seien sie keine einseitigen Handlungen, sondern Bestandteile dieser Vereinbarungen.189 Insbesondere wenn diese Vereinbarungen ein selektives Vertriebssystem begründen, impliziere deren Abschluss die Zustimmung zur Vertriebspolitik des Herstellers.190 In neuerer Zeit zeichnet sich eine restriktivere Auslegung des Vereinbarungsbegriffs ab. Das EuG hat in den Entscheidungen „Volkswagen AG / Kommission“, „General Motors Nederland BV / Kommission“ und „Bayer / Kommission“ ausdrücklich betont, dass die Annahme einer Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG eine Willensübereinstimmung erfordere.191 Allein die Fortführung einer 186 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 38 f.) „AEG / Kommission“. 187 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 38 f.) „AEG / Kommission“, anders die Kommission in der vorangehenden Entscheidung, die auf das Vertriebssystem insgesamt abgestellt hat und einen Verstoß gegen Art. 81 EG angenommen hat, weil das selektive Vertriebssystem durch den Hersteller in diskriminierender Weise gehandhabt wurde, Komm., Entsch. v. 6. 1. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 117, S. 15 (23 f. Rn. 57 ff.) „AEGTelefunken“. 188 EuGH, Urt. v. 24. 10. 1995, Rs. C-70 / 93, Slg. 1995 I, S. 3439 (3468 Rn. 17) „Bayrische Motorenwerke“; Urt. v. 17. 9. 1985, verbundene Rs. 25 und 26 / 84, Slg. 1985, 2725 (2744 Rn. 21) „Ford / Kommission“; Urt. v. 12. 7. 1979, verbundene Rs. 32 / 78 und 36 bis 82 / 78, Slg. 1979, 2435 (2477 Rn. 28 f.) „BMW / Kommission“; EuG, Urt. v. 6. 7. 2000, Rs. T-62 / 98, Slg. 2000, II-2707 (2804 Rn. 236) „Volkswagen / Kommission“. 189 EuGH, Urt. v. 18. 9. 2003, Rs. C-338 / 00P, Rn. 60 „Volkswagen AG / Kommission“; EuG, Urt. v. 6. 7. 2000, Rs. T-62 / 98, Slg. 2000, II-2707 (2804 Rn. 236) „Volkswagen / Kommission“. 190 EuGH, Urt. v. 17. 9. 1985, verbundene Rs. 25 und 26 / 84, Slg. 1985, 2725 (2743 Rn. 21) „Ford / Kommission“.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Händler nach der einseitigen Einführung einer neuen Politik durch den Hersteller könne nicht als Zustimmung zu dieser Politik ausgelegt werden.192 Es sei zwar möglich, dass die Händler durch den Abschluss der Vertriebsverträge einer späteren Vertragsentwicklung im Voraus zustimmen. Dafür müsste die entsprechende Vertragsentwicklung aber entweder im Vertrag vorgesehen sein oder derart sein, dass der Händler sie im Hinblick auf die Handelsbräuche nicht ablehnen kann.193 Insofern hat das EuG der auch in jüngster Zeit von der Kommission geäußerten Auffassung, dass in dem Abschluss eines Vertriebsvertrages der Vertriebspolitik und damit jeder späteren auch rechtswidrigen Entwicklung des Vertrages im Voraus zustimmt werde,194 eine Absage erteilt.195 Diese Sichtweise hat der EuGH bestätigt.196 Er sieht in dem Erfordernis einer ausdrücklichen oder konkludenten Willenübereinstimmung aber keine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, sondern führt aus, dass der Fall „Bayer / Kommission“ anders gelagert gewesen sei, als die bisher zu diesem Problem ergangenen Entscheidungen.197 Die Annahme einer Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG erfordere immer das Vorliegen einer, zumindest konkludent zum Ausdruck gebrachten, Willenübereinstimmung. Der bloße Umstand, dass sich eine vom Hersteller getroffene Maßnahme in fortlaufende Geschäftsbeziehungen zwischen diesem Hersteller und seinen Großhändlern einfügt, genüge regelmäßig nicht, um eine Vereinbarung nachzuweisen.198 Sofern allerdings – wie beispielsweise in den Fällen „AEG / Kommission“ oder „Ford / Kommission“ – das Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG bereits erwiesen sei, weil die Hersteller ihre Waren über ein selektives Vertriebssystem vertreiben, könne auf 191 EuG, Urt. v. 3. 12. 2003, Rs. T-208 / 01, Rn. 32 „Volkswagen AG / Kommission“; EuG, Urt. v. 21. 10. 2003, Rs. T-368 / 00, Rn. 58 „General Motors Nederland BV / Kommission“; EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3383 (3444 Rn. 173) „Bayer / Kommission“. 192 EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3383 (3409 f. Rn. 71 f. und 3444 Rn. 173) „Bayer / Kommission“. 193 EuG, Urt. v. 3. 12. 2003, Rs. T-208 / 01, Rn. 45 „Volkswagen AG / Kommission“. 194 Etwa Komm., Entsch. v. 29. 6. 2001, ABl.EG 2001, Nr. L 262, S. 14 (25 Rn. 57 ff.) „Volkswagen II“. 195 So ausdrücklich EuG, Urt. v. 3. 12. 2003, Rs. T-208 / 01, Rn. 43 ff. „Volkswagen AG / Kommission“. Kritisch Orth, EWiR 2004, S. 61 f. 196 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 65 ff., 101 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“. Kritisch gegenüber der Urteilsbegründung, Koenigs, DB 2004, S. 249. 197 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 85, 86, 104 ff., 142 ff. = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“. Auch Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (291 f.), interpretiert das EuGH-Urteil „Bayer / Kommission“ nicht als Rechtsprechungswende, sondern als klarstellendes Urteil. 198 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 141 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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den Nachweis einer Zustimmung verzichtet werden. Entscheidend sei dann, ob sich die Maßnahme in die dem System zu Grunde liegenden Vereinbarungen einfüge.199

b) Ansichten im Schrifttum Diese Entscheidungspraxis der EG-Organe wird nicht einheitlich beurteilt. Soweit ersichtlich, wird es allgemein befürwortet, zumindest einige prima facie einseitige Maßnahmen unter den Begriff der „Vereinbarung“ zu subsumieren.200 Unterschiede bestehen aber hinsichtlich der Frage, wie weit der Vereinbarungsbegriff gedehnt werden kann. Schröter201 befürwortet die weite Auslegung uneingeschränkt und wünscht deren Weiterentwicklung. So werde eine Möglichkeit geschaffen, bestimmte wettbewerbsbeschränkende Praktiken unabhängig von spezifischen Abreden zu erfassen. Stockenhuber,202 Weiß203 und Deselaers204 stehen der weiten Auslegung ebenfalls positiv gegenüber. Klees205 und Rosenfeld206 sehen die weite Ausdehnung des Vereinbarungsbergriffs kritisch. Sie begrüßen die EuGH-Entscheidung „Bayer / Kommission“, da diese der extensiven Auslegung Grenzen gesetzt habe. Nur die vom EuGH in diesem Urteil propagierte Auslegung entspreche dem Wortsinn.207 Soweit durch die engere Auslegung des Vereinbarungsbegriffs Schutzlücken verbleiben seien diese im System der Art. 81 und 82 EG angelegt und daher hinzunehmen.208 Auch Eilmansberger209 und Hoffmann 210 begrüßen das EuGHUrteil „Bayer / Kommission“. 199 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 144 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“; EuGH, Urt. v. 18. 9. 2003, Rs. C-338 / 00P, Rn. 60 „Volkswagen AG / Kommission“. 200 Bunte in Langen / Bunte Art. 81 Rn. 25; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, II, H.I. § 1 Rn. 77 f.; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Rn. 89; Grill in Lenz / Borchardt Art. 81 Rn. 3; Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568); Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 93 ff.; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 54; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 59. 201 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 79. 202 Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 101. 203 Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 59. 204 Deselaers, Selektiver Vertrieb und Kontrahierungszwang, S. 27 ff., 59. 205 Klees, BB 2004, S. 291 (292). 206 Rosenfeld, RIW 2004, S. 298 (300). 207 Rosenfeld, RIW 2004, S. 298 (300). 208 Klees, BB 2004, S. 291 (292). 209 Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (290, 291 f.). Eilmansberger weist jedoch darauf hin, dass das Urteil „Bayer / Kommission“ in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Emmerich211 meint, die Qualifizierung prima facie einseitiger Maßnahmen als Vereinbarung sei mit dem Wortlaut des Art. 81 EG nur vereinbar, wenn die Adressaten der Maßnahmen sich mit diesen entweder konkludent einverstanden erklären oder wenn die Maßnahmen nach der Abrede der Parteien tatsächlich bestehende Vertragsbeziehungen konkretisieren.212 Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Grenze zwischen Art. 81 EG und Art. 82 EG verwischt werde.213 Lübbig214 bewertet das Vorgehen der EG-Organe in ähnlicher Weise. Er kritisiert in erster Linie die Entscheidungen, in denen angenommen wurde, dass die Händler bereits durch den Abschluss der Vertriebsverträge in spätere Handlungen des Herstellers eingewilligt hätten215. Da die Händler die späteren Handlungen weder kennen noch vorhersehen können, sei die Annahme ihrer Zustimmung reine Fiktion.216 Im Übrigen lägen die späteren Handlungen häufig nicht im Interesse der Händler, so dass es auch deshalb schwerlich möglich sei, ihnen den Willen zu unterstellen, solche nachteiligen Handlungen per se zu akzeptieren.217 Zu bedenken sei weiterhin, dass sich nicht nur der Hersteller, sondern auch die Händler eines Verstoßes gegen Art. 81 EG schuldig machten, was im Hinblick auf deren regelmäßig entgegenstehenden Interessen zweifelhaft sei.218 Kritisch stehen der Praxis der EG-Organe Jakobsen / Broberg gegenüber. Sie sei unklar, inkonsequent und zu weitgehend.219 Roth / Ackermann220 unterscheiden zwischen Einzelverträgen und selektiven Vertriebssystemen. Hinsichtlich der ersten Gruppe von Verträgen sind sie der Ansicht, eine prima facie einseitige Handlung eines Unternehmens könne nur dann bisherigen EuGH-Urteilen „Ford / Kommission“ vom 17. 9. 1985 und „Volkswagen AG / Kommission“ vom 18. 9. 2003 stehe. 210 Hoffmann, WRP 2004, S. 994 (998). 211 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, II, H.I. § 1 Rn. 78; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Rn. 89. 212 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, II, H.I. § 1 Rn. 78; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Rn. 89. 213 Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Rn. 89; so auch Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (290); Hoffmann, WRP 2004, S. 994 (998) und Jakobsen / Broberg, E.C.L.R 2002, S. 127 (128). 214 Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568). 215 Insbesondere EuGH, Urt. v. 17. 9. 1985, verbundene Rs. 25 und 26 / 84, Slg. 1985, 2725 ff. „Ford / Kommission“ oder Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 ff. „AEG / Kommission“. 216 Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568). 217 Hoffmann, WRP 2004, S. 994 (998), meint, die Anforderungen an der Nachweis einer Zustimmung der Händler müssten besonders hoch sein, weil die Zustimmung oft nicht in deren Interesse liege. 218 Lübbig, WuW 1991, S. 561 (568). 219 Jakobsen / Broberg, E.C.L.R 2002, S. 127 (139). 220 Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 93 ff.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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als Vereinbarung qualifiziert werden, wenn der Adressat der Handlung ihr entweder nachträglich zustimmt oder ihr bereits im Voraus zugestimmt hat. Die nachträgliche Zustimmung könne auch konkludent erteilt werden, zum Beispiel durch die vorbehaltlose Weiterführung der Geschäftsbeziehung zu einseitig geänderten Bedingungen.221 Das Verhalten des Adressaten müsse eine stillschweigende Zustimmung erkennen lassen, also einen gewissen Erklärungswert besitzen. Die Zustimmung im Voraus könne durch die Ermächtigung zur späteren einseitigen Konkretisierung der Vertragsbedingungen in dem der Geschäftsbeziehung zu Grunde liegenden Vertrag erteilt werden.222 Darüber hinausgehende einseitige Maßnahmen seien grundsätzlich nicht unter Art. 81 EG subsumierbar.223 Eine Sondersituation stelle sich aber für einseitige Handlungen im Rahmen selektiver Vertriebssysteme dar. Hier sei das Vertriebssystem insgesamt und nicht die einzelne einseitige Maßnahmen der richtige Anknüpfungspunkt für eine Subsumtion unter Art. 81 Abs. 1 EG.224 Da ein selektives Vertriebssystem nur bei diskriminierungsfreier Handhabung nicht vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werde,225 würde die einseitige diskriminierende Handhabung des Systems dazu führen, dass das Vertriebssystem insgesamt wieder Art. 81 Abs. 1 EG unterfiele. Die Vertriebsverträge würden so zu verbotenen Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG.226

c) Stellungnahme Weder die EG-Organe noch die Vertreter der geschilderten Ansichten im Schrifttum möchten strikt einseitige Maßnahmen unter Art. 81 EG subsumieren.227 Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 96. Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 97, 99. 223 Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 100. 224 Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 95; so auch die Kommission, Entsch. v. 6. 1. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 117, S. 15 (23 ff. Rn. 53 ff.) „AEG-Telefunken“; ähnlich auch Haslinger, WuW 1998, S. 456 (457), die bei der Beurteilung einer diskriminierenden Handhabung eines selektiven Vertriebssystems ebenfalls auf das „Gesamtvertriebsbindungs-System als Vereinbarung im Sinne des Artikel 85“ und nicht auf die isolierten Vertragsabschlüsse mit den einzelnen Händlern abstellt. 225 Grundlegend EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1907 ff. Rn. 24 ff.) „Metro / Kommission“; vgl. auch Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 (36 Rn. 185) und die Definition „Selektives Vertriebssystem“ in Art. 1 lit. d) VO 2790 / 1999; Emmerich, Kartellrecht, S. 408. 226 Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 95. 227 Ausdrücklich zum Beispiel EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3383 (3408 Rn. 66) „Bayer / Kommission“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 017, S. 52; Brinker in Schwarze Art. 81 Rn. 30; Emmerich in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Abs. 1 Rn. 86; Kamann / Bergmann, EWS 2004, S. 151, 154; Roth / Ackermann in Frankfurter Kommentar Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 94; Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 88; Wertenbruch, EWS 2004, S. 145 (148, 151). 221 222

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Es besteht Einigkeit, dass ein Mindestmaß an Willensübereinstimmung zwischen zwei Unternehmen notwendig ist, um eine Handlung als Vereinbarung qualifizieren zu können.228 Um möglichst viele wettbewerbsschädliche Maßnahmen erfassen zu können, wird der Begriff der Vereinbarung allerdings sehr weit ausgelegt. Art. 81 EG und Art. 82 EG dienen einheitlich der Entwicklung eines unverfälschten Wettbewerbs und sind daher stets im Sinne dieses Ziels auszulegen. Daher ist es grundsätzlich richtig und notwendig, die Art. 81 EG und Art. 82 EG so auszulegen, dass Verhaltensweisen, die der europäischen Wettbewerbsordnung zuwider laufen, erfasst werden können. Die Auslegung muss dabei so erfolgen, dass beiden Vorschriften im Hinblick auf ihre jeweiligen Besonderheiten größtmögliche Wirksamkeit zukommt und dass insgesamt möglichst wenig Lücken entstehen.229 Zu bedenken ist hierbei, dass Verstöße gegen die Art. 81 und 82 EG mit Bußgeldern geahndet werden können. Wegen des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ darf daher keine Subsumtion entgegen dem Wortlaut der Artikel erfolgen. Zudem darf die Auslegung nicht dem System der Art. 81 EG und Art. 82 EG zuwiderlaufen. Einseitige Handlungen können schon nach dem Wortsinn keine Vereinbarungen sein und sind systematisch dem Anwendungsbereich des Art. 82 EG zuzuordnen. Daher ist deren Subsumtion unter Art. 81 EG nicht möglich. Der Begriff der Vereinbarung würde überdehnt, wenn nicht ein Mindestmaß an Willensübereinstimmung erforderlich wäre. Auch würden die Grenzen zwischen Art. 81 EG und Art. 82 EG verwischt.230 Solange dieses Mindestmaß an Willensübereinstimmung vorliegt, steht eine weite Auslegung weder zum Wortsinn231 noch zur Systematik im Widerspruch. Der Kern des Problems liegt nun in der Frage, wann im Einzelfall eine ausreichende Willensübereinstimmung erkennbar ist. Um diese Frage zu beantworten, ist danach zu differenzieren, ob das „relativ marktstarke“ Unternehmen und der bzw. die Adressaten der scheinbar einseitigen Maßnahme vertragliche Beziehungen miteinander unterhalten. Bestehen vertragliche Beziehungen, so bilden diese in der Regel einen geeigneten Anknüpfungspunkt für ein Verbot nach Art. 81 EG. Handelt das „relativ marktstarke“ Unternehmen innerhalb dieser Vertragsbeziehung in einer Weise, die auf den ersten Blick einseitig erscheint, so kann dies als Vereinbarung gewertet werden, wenn der Adressat der Maßnahme seine Zustimmung zumindest stillschweigend zum Ausdruck gebracht hat. Die Zustimmung kann durch eine nach228 Vgl. beispielsweise EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3383 (3409 Rn. 69) „Bayer / Kommission“; Schnelle / Bartosch / Hübner S. 39; Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 88. 229 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 33. 230 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 101 „Bayer / Kommission“. 231 Es ist anerkannt, dass eine Vereinbarung keinen Vertrag im Sinne der nationalen Zivilrechte erfordert, Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 016, S. 52; Lübbig, WuW 1991, S. 561 (567); Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 97.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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trägliche Genehmigung oder durch eine Einwilligung im Voraus zum Ausdruck gebracht werden. Insoweit ist der Ansatz der Entscheidungen der EG-Organe überzeugend. Nicht immer überzeugend ist aber die Prüfung der Zustimmung, insbesondere in der Kommissionspraxis im Einzelfall. Sowohl die Annahme, dass eine nachträgliche Zustimmung durch die vorbehaltlose Weiterführung der Geschäftsbeziehung ausgedrückt werden könne als auch die Annahme, dass eine Zustimmung im Voraus durch den Abschluss der Vertragshändlerverträge erteilt werden könne, sind fragwürdig. Hinsichtlich der Annahme, eine stillschweigende nachträgliche Zustimmung sei allein in der Weiterführung der Vertragsbeziehung zu sehen, werden im Wesentlichen zwei Kritikpunkte vorgebracht. Zum einen sei die Fortsetzung der Vertragsbeziehungen häufig Ausdruck eines gewissen Verhandlungsungleichgewichtes. Sie beruhe darauf, dass den Vertragshändlern die Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung so wichtig ist, dass sie nachteilige Änderungen der Verträge auch „gegen ihren Willen“ hinnehmen. Richtig ist, dass insbesondere im Rahmen selektiver Vertriebssysteme die Vertragsparteien häufig unterschiedlich starke Verhandlungspositionen haben, so dass bedingt von einer „unfreiwilligen“ Zustimmung ausgegangen werden muss. Diese „Unfreiwilligkeit“ führt aber nicht dazu, dass keine Vereinbarung vorliegt. Wenn man mit der richtigen allgemeinen Ansicht davon ausgeht, dass ein Verhandlungsungleichgewicht die Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG bei ausdrücklichen Verhaltenskoordinationen nicht ausschließt,232 muss man konsequenter Weise auch die Hinnahme „gegen den Willen“ auf Grund einer gewissen Abhängigkeit als stillschweigende Vereinbarung gelten lassen. Der durchaus berechtigten Forderung nach Kontrolle machtbedingter Ungleichgewichte sollte eher im Kontext des Art. 82 EG Bedeutung beigemessen werden.233 Zum anderen wird eingewendet, dass die Konstruktion einer Willensübereinstimmung allein aus der Weiterführung der Geschäftsbeziehung reine Fiktion sei. Dieser Einwand ist berechtigt. Der tatsächlichen Weiterführung der Geschäftsbeziehung allein ist keine Zustimmung zu einseitigen Handlungen zu entnehmen, die der Vertragspartner betreffend diese Geschäftsbeziehung vorgenommen hat. Die Weiterführung der Geschäftsbeziehung unter stillschweigender Hinnahme der einseitigen Maßnahmen kann vielmehr nur als Vereinbarung gewertet werden, wenn der Adressat der Maßnahme diese akzeptiert und sich an sie hält.234 Dies ist 232 Für Vereinbarungen: Komm., Entsch. v. 18. 12. 1987, ABl.EG 1988, Nr. L 49, S. 19 (21 Rn. 19) „Fisher Price / Quaker Oats Ltd“; Kamann / Bergmann, EWS 2004, S. 151, 152; für abgestimmte Verhaltensweisen: Komm., Entsch. v. 12. 6. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 161, S. 19 (26 Rn. 47) „Hasselblad“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 2 – 021, S. 55; Lübbig, WuW 1991, S. 561 (565); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 78; Stockenhuber in Grabitz / Hilf Art. 81 Rn. 93. 233 So im Ergebnis Wertenbruch, EWS 2004, S. 145 (150). 234 Wertenbruch, EWS 2004, S. 145 (150).

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

nicht der Fall, wenn die Maßnahme zwar unwidersprochen bleibt, aber nicht erkennbar befolgt wird.235 Auch die Annahme, eine Vereinbarung liege vor, weil die Händler der Geschäftspolitik des Vertragspartners innerhalb einer laufenden Geschäftsbeziehung im Voraus zustimmen, indem sie die der Geschäftsbeziehung zu Grunde liegenden Verträge abschließen, wird zu Recht kritisiert.236 Es ist – insbesondere im Hinblick auf die teilweise unterschiedliche Interessenlage von Hersteller und Händler – sehr fragwürdig, einem Händler zu unterstellen, er habe allein durch den Abschluss eines Vertriebsvertrages in alle späteren einseitigen Handlungen des Herstellers blind und vorab eingewilligt. Es ist zwar möglich, dass im Rahmen einer fortlaufenden Geschäftsbeziehung eine Ermächtigung zur einseitigen Modifizierung der Vertragsbedingungen erteilt wird. Dies muss aber jeweils im Einzelfall geprüft werden.237 Es mag überzeugen, dass der Abschluss von Verträgen, die eine fortlaufende Geschäftsbeziehung begründen, insbesondere von Vertriebsverträgen im Rahmen selektiver Vertriebssysteme, regelmäßig eine Zustimmung zu der Vertriebspolitik des Herstellers oder zumindest deren Akzeptanz beinhaltet. Dies kann sich aber nur auf die Vertriebspolitik beziehen, die der Hersteller im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfolgt hat.238 In diesem Sinne sind auch die Äußerungen des EuGH und des EuG in den neueren „Volkswagen“-Urteilen zu verstehen. Der EuGH hält zwar ausdrücklich an seiner Auffassung fest, dass eine Aufforderung keine einseitige Handlung ist, wenn sie sich in den Rahmen fortlaufender Vertragsbeziehungen einfügt, betont aber, dass die Durchsetzung der Aufforderung gerade auf Grund des Händlervertrages möglich sein muss.239 Auch das EuG führt aus, dass von einer vorherigen Zustimmung zu einer Handlung des Herstellers durch den Abschluss der Vertragshändlerver235 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 65 ff., 101 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“; EuG, Urt. v. 26. 10. 2000, Rs. T-41 / 96, Slg. 2000, II-3883 (3444 Rn. 73) „Bayer / Kommission“; Hoffmann, WRP 2004, S. 994 (998); Wertenbruch, EWS 2004, S. 145 (150). Das EuG prüft im Urt. v. 21. 10. 2003, Rs. T-368 / 00 „General Motors Nederland BV / Kommission“ in Rn. 130 ff., Rn. 146 für jeden der neun betroffenen Vertragshändler im einzelnen ausführlich, ob diese sich tatsächlich verpflichtet haben, entsprechend einer Aufforderung des Herstellers, keine Exporte mehr zu tätigen. 236 Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (298): Aus der Unterzeichung des Vertriebsvertrages könne keine Zustimmung zur kartellrechtswidrigen Weiterentwicklung des Vertrages abgeleitet werden. 237 In diese Richtung wohl EuGH, Urt. v. 18. 9. 2003, Rs. C-338 / 00P, Rn. 62 f. „Volkswagen AG / Kommission“ = WuW / E DE-R 701 ff.: Obwohl die Vertragshändler eine nachträglich Zustimmung zu der Belieferungspolitik des Herstellers zum Ausdruck gebracht haben, ist der EuGH vom Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne des Art. 81 EG ausgegangen, weil der Hersteller die Belieferungspolitik gerade auf Grund des Händlervertrages durchsetzen konnte. 238 So für Anreiz- oder Sanktionssysteme Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (298 f.). 239 EuGH, Urt. v. 18. 9. 2003, Rs. C-338 / 00P, Rn. 60, 62 „Volkswagen AG / Kommission“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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träge nur ausgegangen werden kann, wenn die Handlung im Vertrag vorgesehen ist oder wenn der Händler seine Zustimmung im Hinblick auf die Handelsbräuche nicht verweigern kann.240 Ändert der Hersteller seine Vertriebspolitik durch einseitige Maßnahmen, die nicht durch eine vertragliche Ermächtigung gedeckt sind, so muss eine Zustimmung der Händler zu dieser Änderung – wie bei der nachträglichen Zustimmung – im Einzelnen nachgewiesen werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 EG nur vorliegt, wenn eine Willenübereinstimmung zwischen zwei Unternehmen besteht. Sofern zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem Adressaten der Maßnahme rechtsgeschäftliche Beziehungen bestehen, können unter Umständen auch prima facie einseitige Handlungen des Herstellers als Inhalt der vertraglichen Beziehungen angesehen werden. Allerdings muss der Adressat seine Zustimmung zu der Handlung entweder im Nachhinein oder im Voraus zum Ausdruck gebracht haben. Hierfür reicht weder die vorbehaltlose Weiterführung der Geschäftsbeziehung aus, noch der Abschluss eines Rahmenvertrages als Grundlage einer fortlaufenden Geschäftsbeziehung. d) Sonderfall: einseitige Handlungen in selektiven Vertriebssystemen Nach den oben entwickelten Grundsätzen erfordert eine Vereinbarung das Bestehen einer Willensübereinstimmung. Der Nachweis einer Willensübereinstimmung ist besonders schwierig, wenn zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem Adressaten von dessen Handlungen keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Ein typisches Beispiel hierfür ist Verweigerung der Zulassung eines Händlers zu einem selektiven Vertriebssystem, obwohl dieser alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. In diesen Fällen richtet sich die Versagung der Zulassung primär an den außenstehenden Händler, zu dem gerade keine vertragliche Beziehung besteht. Daher bereitet schon die Fixierung einer Vereinbarung, an die angeknüpft werden kann, Schwierigkeiten. In Betracht kommen nur die dem selektiven Vertriebssystem zu Grunde liegenden Vertriebsverträge des Herstellers mit den bereits zugelassenen Händlern. Exkurs: Behandlung selektiver Vertriebssysteme nach Art. 81 EG Die zur Begründung eines selektiven Vertriebssystems geschlossenen Vertriebsverträge sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH trotz ihrer wettbewerbsschädigenden Auswirkungen keine wettbewerbswidrigen Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:241 EuG, Urt. v. 3. 12. 2003, Rs. T-208 / 01, Rn. 45 „Volkswagen AG / Kommission“. EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 35) „AEG / Kommission“; Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3790 f. Rn. 15 f.) „L’Oreal / de Nieuwe AMCK“; EuG, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. T-19 / 92, Slg. 1996, II-1851 (1897 f. 240 241

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Das Vertriebssystem muss wegen der Natur des betreffenden Produktes erforderlich sein, um dessen Qualität und richtigen Gebrauch zu gewährleisten.242 Die Auswahl der Wiederverkäufer muss auf Grund objektiver Gesichtpunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden.243 Das Vertriebssystem muss trotz seiner nachteiligen Wirkungen zur Stärkung des Wettbewerbs beitragen244 und die aufgestellten Kriterien dürfen das Maß des Erforderlichen nicht überschreiten245 (so genannte „einfache Fachhandelsbindungen“). Darüber hinaus gehende qualitative Anforderungen oder quantitative Begrenzungen sind tatbestandlich von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst, erfüllen aber gegebenenfalls die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG.246 Bis zum 1. 5. 2004247 waren Vereinbarungen, die den Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG genügt haben, nicht automatisch erlaubt. Notwendig war eine konstitutive Freistellungsentscheidung, Rn. 112) „Leclerc / Kommission“; Urt. v. 27. 2. 1992, Rs. T-19 / 91, Slg. 1992, II-415 (441 ff. Rn. 65 ff.) „Vichy / Kommission“; Komm., Entsch. v. 15. 12. 1975, ABl.EG 1975, Nr. L 28, S. 19 „SABA“; Komm., Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 (36 Rn. 185); Bauer in Bauer / de Bronett Rn. 56, S. 40 f.; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 7 – 092, S. 546; Birk, EWS 2000, S. 485 (488); Bergmann, ZWeR 2004, S. 28 (32 ff.); Ebenroth / Lange / Mersch, Kfz-GFVO, Rn. 5, S. 36; Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 179; Emmerich, Kartellrecht, S. 408 f.; Haslinger, WRP 1999, S. 161 (161); Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, IV.6., S. 269; Rodger / MacCulloch, Competition Law and Policy in the EC and the UK, S. 192; Sauter in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Abs. 3 D.I Rn. 1 ff.; Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 69 f.; Stockenhuber in Frankfurter Kommentar Rn. 81 Rn. 153. 242 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 33) „AEG / Kommission“; Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3791 Rn. 16) „L’Oreal / de Nieuwe AMCK“; EuG, Urt. v. 27. 2. 1992, Rs. T-19 / 91, Slg. 1992, II-415 (441 Rn. 65) „Vichy / Kommission“; Komm., Entsch. v. 16. 12. 1991, ABl.EG 1992 Nr. L 12, S. 24 (28) „Yves-St.-Laurent-Parfums“. 243 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 35) „AEG / Kommission“; Urt. v. 16. 6. 1981, Rs. 126 / 80, Slg. 1981, 1563 (1581 Rn. 27) „Salonia / Poidomani und Giglio“; Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3791 Rn. 15) „L’Oreal / de Nieuwe AMCK“; Urt. v. 10. 7. 1980, Rs. 99 / 79, Slg. 1980, 2511 (2536 Rn. 20) „Lancôme / Etos“; Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1905 Rn. 20) „Metro / Kommission“; EuG, Urt. v. 27. 2. 1992, Rs. T-19 / 91, Slg. 1992, II-415 (441 f. Rn. 65) „Vichy / Kommission“; Komm., Entsch. v. 16. 12. 1991, ABl.EG 1992 Nr. L 12, S. 24 (28) „Yves-St.-Laurent-Parfums“; Deselaers, Selektiver Vertrieb und Kontrahierungszwang, S. 59 f.; Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1510). 244 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, S. 3151 (3195 Rn. 34) „AEG / Kommission“; Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, S. 1875 (1905 f. Rn. 20 ff.) „Metro / Kommission“. 245 EuGH, Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, S. 3775 (3791 Rn. 16) „L’Oreal / de Nieuwe AMCK“. 246 Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 179. 247 Am 1. 5. 2004 ist die alte Kartellverfahrensverordnung VO (EWG) Nr. 17 / 62 durch die neue Kartellverfahrensverordnung VO (EG) Nr. 1 / 2003 abgelöst worden, vgl. Art. 45 VO (EG) Nr. 1 / 2003.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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die entweder in Form einer Einzelfreistellung oder einer Gruppenfreistellungsverordnung erfolgen konnte.248 Seit dem 1. 5. 2004 sind Verhaltenskoordinationen, die den Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG genügen, automatisch freigestellt. In diesem so genannten System der Legalausnahme ist für konstitutive Freistellungsentscheidungen, insbesondere für Gruppenfreistellungsverordnungen, kein Raum mehr.249 Dennoch werden sie ihre Bedeutung nicht verlieren. Gruppenfreistellungen werden in Form von Verordnung erlassen. Als Rechtsnormen gelten sie in all ihren Teilen und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und bleiben als solche auch im System der Legalausnahme verbindliche Regelungen zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG.250 Im Jahre 1999 wurde eine Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen, die VO (EG) Nr. 2790 / 1999, erlassen.251 Da selektive Vertriebssysteme Vertikalvereinbarungen sind, kommt ihnen seitdem grundsätzlich der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung zu. Hierdurch hat sich die recht komplizierte Rechtslage hinsichtlich selektiver Vertriebssysteme insofern vereinfacht, als diese einheitlich im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG beurteilt werden können.252 Es besteht – anders 248 Einzelfreistellungen wurden von der Kommission gemäß Art. 4 bis 8 VO (EWG) Nr. 17 / 62 erlassen. Nach geltender Rechtslage kann die Kommission nur durch eine Nichtanwendbarkeitsentscheidung nach Art. 10 S. 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 eingreifen. Die Nichtanwendbarkeitsentscheidung ist jedoch kein Substitut für die Einzelfreistellungen, sondern soll nur im Einzelfall Unternehmen Rechtssicherheit verschaffen, so Eilmansberger, JZ 2001, S. 365 (373); Gauer / Dahlheimer / Kjolbye / de Smijter, Competition Policy Newsletter 2003 / I, S. 3 (5). Daneben bestand die Möglichkeit ganze Gruppen von Vereinbarungen durch Gruppenfreistellungsverordnungen freizustellen. Solche Verordnungen waren im Ergebnis allgemeine Freistellungen vom Kartellverbot (Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 323.) und insofern ihrem Wesen nach Normsetzung. Ihr Erlass liegt daher nach Art. 83 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 lit. b) EG im Kompetenzbereich des Rates. Der Rat konnte aber im Einzelfall die Kommission nach Art. 211 EG zum Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen ermächtigen. 249 Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 2 Rn. 25, S. 35 f., sprechen von „nur noch deklaratorischer Natur“ der Gruppenfreistellungsverordnungen. 250 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 23, S. 339, sehen die Gruppenfreistellungsverordnungen im System der Legalausnahme als für nationale Gerichte verbindliche Konkretisierung des Art. 81 Abs. 3 EG an; ähnlich K. Schmidt, BB 2003, S. 1237 (1241). Zu dem Problem der Natur von Gruppenfreistellungsentscheidungen im System der Legalausnahme kann im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich Stellung genommen werden, vgl. dazu weiterführend etwa Bechtold, BB 2000, S. 2425 (2426 f.); Deringer, EuZW 2000, S. 5 (7); Gröning, WRP 2001, S. 83 (85); Mestmäcker, EuZW 1999, S. 523 (525). 251 Beachte hierzu auch die Leitlinien für vertikale Beschränkungen der Kommission, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 ff. 252 In diese Richtung Schlappa, JA 2003, S. 809 (813); Bergmann, ZWeR 2004, S. 28 (45, 49 f.), meint, dass eine Überprüfung von Vertikalvereinbarungen am Maßstab des Art. 81 Abs. 1 EG unterbleiben könne, wenn die Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 gegeben seien. Demgegenüber wird vertreten, dass insofern an der Rechtsprechung des EuGH festzuhalten sei, als einfache Fachhandelsbindungen weiterhin schon tatbestandlich nicht von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst seien, wenn sie die vom EuGH aufgestellten Kriterien erfüllen,

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

als vor Erlass der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 – keine Notwendigkeit mehr, die Wettbewerbsschädlichkeit bestimmter selektiver Vertriebssysteme schon im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 EG zu untersuchen. Diese Ansicht wird dadurch untermauert, dass in Art. 1 lit. d) der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 und in Art. 1 Abs. 1 lit. f) bis h) der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 Definitionen selektiver Vertriebssysteme enthalten sind, die auch selektive Vertriebssysteme erfassen, die bisher überwiegend als tatbestandlich nicht von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst angesehen werden. Nach Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1400 / 2002 werden qualitative selektive Vertriebssysteme vom Verbot des Art 81 Abs. 1 EG freigestellt. Qualitative selektive Vertriebssysteme sind nach Art. 1 Abs. 1 lit. h) der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 Vertriebssysteme, bei denen „der Lieferant rein qualitative Merkmale für die Auswahl der Händler . . . anwendet, die wegen der Beschaffenheit der Vertragswaren . . . erforderlich sind, für alle sich um die Aufnahme in das Vertriebssystem bewerbenden Händler . . . einheitlich gelten, in nicht diskriminierender Weise angewandt werden und die nicht unmittelbar die Zahl der Händler . . . begrenzen“.253 Diese Definitionsmerkmale entsprechen genau den Kriterien, die bislang als Maßstab dafür verwendet wurden, ob die dem selektiven Vertriebssystem zu Grunde liegenden Verträge überhaupt als wettbewerbsschädigende Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG anzusehen sind. Die ausdrückliche Regelung der Freistellung wäre überflüssig, wenn daran festgehalten würde, dass die „einfachen Fachhandelsbindungen“ schon nicht von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst würden. Demnach sind die einem selektiven Vertriebssystem zu Grunde liegenden Verträge, unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung, immer wettbewerbsschädigende Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG. Sofern das selektive Vertriebssystem bestimmte Voraussetzungen erfüllt, ist es aber durch die Gruppenfreistellungsverordnungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999 und VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst und daher nicht verboten. Die Rechtsanwendung wird hierdurch insofern vereinfacht, als im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 EG nicht mehr zwischen verschiedenen Arten selektiver Vertriebssysteme unterschieden werden muss. Exkurs Ende

Schultze / Pautke / Wagener, Rn. 96, S. 54 f.; auch Veelken in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Ergänzungsband GFVO Rn. 211. Auch die Kommission führt in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl.EG 2000 Nr. C 291, S. 1 (36 Rn. 185) aus, dass der rein qualitative Selektivvertrieb nicht unter Art. 81 Abs. 1 EG fällt, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss die Beschaffenheit des Produktes einen selektiven Vertrieb bedingen. Zweitens muss der Wiederverkäufer auf Grund objektiver Kriterien qualitativer Art erfolgen, die einheitlich und unterschiedslos angewendet werden. Drittens dürfen die Kriterien nicht über das Maß des Erforderlichen hinausgehen. 253 Die VO (EG) Nr. 2790 / 1999 enthält im Gegensatz zur VO (EG) Nr. 1400 / 2002 kein Gebot der diskriminierungsfreien Anwendung der qualitativen Selektionskriterien. Dieses Verbot kann aber in das Erfordernis der Auswahl „auf Grund festgelegter Merkmale“ in Art. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 2790 / 1999 hineingelesen werden. So Bergmann, ZWeR 2004, S. 28, 38; Lubberger, NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband, S. 49, 52.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Mit den Vertriebsverträgen existieren folglich immer wettbewerbsschädigende Vereinbarungen, die von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst sind. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, dass alle „einseitigen“ Handlungen des Herstellers, die den Inhalt dieser Vereinbarungen modifizieren oder die die Durchführung der Vereinbarungen betreffen, ebenfalls von Art. 81 EG erfasst sind. Vielmehr kann das nur für solche Handlungen gelten, die sich im Rahmen des durch die Vertriebsverträge Vereinbarten bewegen. Wie der EuGH im Urteil „Bayer / Kommission“ ausgeführt hat, ist im Falle des Bestehens eines selektiven Vertriebssystems nicht der Nachweis der Vereinbarung problematisch, sondern die Frage, ob sich die vom Hersteller getroffenen Maßnahmen in die bestehenden Vereinbarungen einfügen.254 Sofern sich die Handlung des Herstellers in die Vertriebsverträge einfügt, liegt eine wettbewerbsschädigende Vereinbarung vor. Es handelt sich dann aber im Grunde nicht um den Fall, dass zwischen dem einseitig Handelnden und dem Adressaten der Maßnahmen keine vertraglichen Beziehungen bestehen, sondern um den oben bereits erörterten Fall, dass vertragliche Beziehungen bestehen. Daher kann auf die obigen Ausführungen, insbesondere auf die Kritik an der Auffassung, dass die Händler mit dem Abschluss der Vertriebsverträge in die Vertriebspolitik des Herstellers inklusive späterer einseitiger Änderungen eingewilligt hätten, verwiesen werden.255 Besonders problematisch sind nun aber die Fälle, in denen der Hersteller das Vertriebssystem diskriminierend handhabt und die zugelassenen Händler ihre Zustimmung zu dessen Handlungen weder nachträglich noch durch den Abschluss der ursprünglichen Vertriebsverträge zum Ausdruck haben. Das Verbot der diskriminierenden Handhabung des Vertriebssystems, insbesondere der diskriminierenden Nichtzulassung außenstehender Händler, richtet sich in erster Linie an den Hersteller. Ihm wird der Warenvertrieb über ein selektives System nur unter der Bedingung erlaubt, dass er die sich ihm eröffnenden Handlungsspielräume nicht missbräuchlich ausnutzt. Er ist zur Gleichbehandlung aller gleichartigen Händler verpflichtet. Die an dem Vertriebssystem teilnehmenden Händler trifft diese Gleichbehandlungspflicht nicht in gleichem Maße. Häufig haben sie von der diskriminierenden Handlung des Herstellers keine Kenntnis oder beteiligen sich zumindest nicht an ihr. Insofern ist es äußerst fragwürdig, in die einzelnen Vertriebsverträge eine Willensübereinstimmung über die diskriminierende Handhabung des Vertriebssystems hineinzuinterpretieren. Eine Zustimmung der Händler in die Weiterführung der Geschäftsbeziehung oder in den Abschluss der Vertriebsverträge hineinzulesen wäre reine Fiktion und würde den Anwendungsbereich des Art. 81 EG überdehnen. Insofern liegt regelmäßig keine Willensübereinstimmung hinsichtlich diskriminierender Zulassungsverweigerungen vor. 254 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 144 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“. 255 EuGH, Urt. v. 17. 9. 1985, verbundene Rs. 25 und 26 / 84, Slg. 1985, 2725 (2743 Rn. 21) „Ford / Kommission“; Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3195 Rn. 37 f.) „AEG / Kommission“.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Eine Möglichkeit zur Erfassung der diskriminierenden Handhabung eines selektiven Vertriebssystems ohne den konkreten Nachweis einer Zustimmung der Händler zu den Handlungen des Herstellers existiert jedoch. Anstatt die Zustimmung der Händler auf umständliche und fragwürdige Weise in die einzelnen Vertriebsverträge hineinzulesen, ist es möglich auf das Vertriebssystem im Ganzen abzustellen. Dies entspricht der Zielsetzung des Verbotes der diskriminierenden Handhabung der selektiven Vertriebssysteme. Ziel dieses Verbotes ist es zu verhindern, dass Hersteller die ihnen durch den selektiven Warenvertrieb eröffneten Verhaltensmöglichkeiten zu missbrauchen. Das missbräuchliche Verhalten der Hersteller ist zumeist einseitig, so dass es den Inhalt der Vertriebsverträge zwischen dem Hersteller und dem Händler im Normalfall nicht verändert. Daher sollte in diesen Fällen auf den konkreten Nachweis der Vereinbarung über das wettbewerbsschädigende Verhalten verzichtet werden.256 Das Verbot der diskriminierenden Handhabung selektiver Vertriebssysteme kann so auf eine dogmatisch saubere, mit dem System der Art. 81, 82 EG gut vereinbare Konstruktion gestützt werden. Nach der oben vertretenen Ansicht, dass seit Erlass der Gruppenfreistellungsverordnungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999 und VO (EG) Nr. 1400 / 2002 eine Überprüfung aller selektiven Vertriebssysteme erst im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG erfolgt, ist die Anknüpfung an das Vertriebssystem als Ganzes gegenüber dem durch die EG-Organe praktizierten Modell einfacher geworden. Die das Vertriebssystem begründenden Verträge sind immer und unabhängig von ihrem konkreten Inhalt und ihrer Handhabung durch den Hersteller wettbewerbsschädigende Vereinbarungen nach Art. 81 Abs. 1 EG. Diese Lösung schließt selbstverständlich nicht aus, an die einzelnen Vertriebsverträge anzuknüpfen, wenn im Einzelfall eine Einigung zwischen dem Hersteller und den zugelassenen Händlern über die diskriminierende Handhabung des Systems nachweisbar ist.

e) Ergebnis zu 1. Eine nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotene Verhaltensweise eines „relativ marktstarken“ Unternehmens kann zugleich eine wettbewerbsschädigende Vereinbarung nach Art. 81 Abs. 1 EG sein. Erforderlich dafür ist ein Mindestmaß an Willenübereinstimmung hinsichtlich des diskriminierenden Verhaltens. Häufig erscheint das diskriminierende Verhalten auf den ersten Blick als einseitige Handlung eines „relativ marktstarken“ Unternehmens. In diesen Fällen kann dennoch eine Vereinbarung vorliegen, wenn die 256 So nun ausdrücklich EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 144 = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“; zuvor schon Komm., Entsch. v. 18. 8. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 256, S. 20 (25 Rn. 28 ff.) „Vertriebssystem der Ford Werke AG“; Entsch. v. 6. 1. 1982, ABl.EG 1982, Nr. L 117, S. 15 (23 Rn. 53) „AEG-Telefunken“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Handlung im Zusammenhang mit vertraglichen Beziehungen steht, die als Anknüpfungspunkt für eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG dienen können. Um die Grenzen des Wortlautes des Art. 81 Abs. 1 EG nicht zu überdehnen, muss der Adressat der Maßnahme ein Verhalten erkennen lassen, das als Zustimmung im Voraus oder im Nachhinein ausgelegt werden kann. Hierfür genügt es weder, dass er die Geschäftsbeziehung unter widerspruchsloser Hinnahme der Handlung fortführt, noch in den Abschluss der Verträge eine Zustimmung zu deren späterer einseitiger Abänderung hineingelesen werden. Sofern eine Zustimmung erkennbar ist, liegt eine Willensübereinstimmung vor. Es handelt sich nur scheinbar um eine einseitige Handlung. Wenn die Diskriminierung nicht Inhalt einer Vereinbarung ist, sondern rein einseitig durch das „relativ marktstarke“ Unternehmen erfolgt, ist sie mangels geeigneten Anknüpfungspunktes nicht nach Art. 81 EG verboten. Eine Sondersituation gilt für die diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems durch den Hersteller. Die diskriminierende Handhabung ist eine einseitige Handlung des Herstellers, an der die zugelassenen Händler regelmäßig nicht beteiligt sind. Daher kann diese Diskriminierung nicht in die Vertriebsverträge zwischen dem Hersteller und den zugelassenen Händlern hineininterpretiert werden. Die Erfassung dieser einseitigen Handlungen nach Art. 81 Abs. 1 EG ist dennoch möglich, indem auf den konkreten Nachweis des diskriminierenden Vertragsinhaltes verzichtet wird und an Stelle dessen auf das Vertriebssystem insgesamt abgestellt wird. Durch die systematische diskriminierende Handhabung des Vertriebssystems entfällt die Freistellung für das gesamte Vertriebssystem, wodurch der Nachweis eines wettbewerbsschädigenden Vertragsinhaltes nicht mehr notwendig ist.

2. Diskriminierung bei Abhängigkeit der Nachfrager Nachdem abstrakt dargestellt worden ist, unter welchen Umständen in einer nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Diskriminierung zugleich eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 EG liegt, ist nun konkret zu untersuchen, in welchen Konstellationen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB regelmäßig derartige Vereinbarungen vorliegen. Hierfür werden in Orientierung an die Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB jeweils die höchstrichterlichen Entscheidungen näher beleuchtet.

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit Die unternehmensbedingte Abhängigkeit eines Nachfragers von einem Anbieter resultiert aus der individuellen Beziehung zwischen dem Normadressaten und dem abhängigen Unternehmen. Ihre häufigste Erscheinungsform, höchstrichterlich bis6 Taube

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

lang sogar die einzige anerkannte Erscheinungsform,257 ist die unternehmensbedingte Abhängigkeit der Kfz-Vertragshändler von den Automobilherstellern. Bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit bestehen immer vertragliche Beziehungen zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen. In dem Fall der Abhängigkeit eines Automobilvertragshändlers von einem Kfz-Hersteller sind diese vertraglichen Beziehungen die Vertriebsverträge zwischen dem Hersteller als „relativ marktstarkes“ Unternehmen und den Händlern, die dessen Autos vertreiben. Regelmäßig erfolgt der Vertrieb über so genannte Vertragshändlersysteme. Das sind selektive Vertriebssysteme mit zahlenmäßiger Begrenzung der zugelassenen Händler (quantitative selektive Vertriebssysteme).258 Da quantitative selektive Vertriebssystem immer auch wettbewerbsschädigende Auswirkungen haben, sind die ihnen zu Grunde liegenden Vertriebsverträge wettbewerbsschädliche Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG. Diese erfüllen allerdings unter – später genauer zu erörternden259 – Umständen die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG und sind daher nicht verboten. Folglich kann der Sachverhalt einer Diskriminierung durch ein Unternehmen, von dem ein anderes unternehmensbedingt abhängig ist, unter Art. 81 Abs. 1 EG subsumiert werden. Die Diskriminierung erfolgt entweder durch den Abschluss der Vertriebsverträge oder sie ist zwar nicht Inhalt der ursprünglichen Verträge, aber durch eine „einseitige“ Maßnahme des Herstellers und der Zustimmung der Händler zu dieser Maßnahme nachträglich zum Bestandteil der Vertriebsverträge geworden. Auch im Fall der einseitigen diskriminierenden Handhabung des Vertriebssystems durch den Hersteller, liegt eine wettbewerbsschädigende Vereinbarung vor. Die Diskriminierung kann dann zwar nicht in die einzelnen Vertriebsverträge 257 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 (2988) „Kfz-Vertragshändler“; BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, BGH, WuW / E BGH 2875 (2877) „Herstellerleasing“; BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2493) „Opel-Blitz“; BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1831) „Original-VW-Ersatzteile II“; BGH, Urt. v. 6. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1457) „BMW-Direkthändler“; wohl auch BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KZR 20 / 91, WuW / E BGH 2858 (2860 ff.) „Fremdleasingboykott“. 258 Ein Grund dafür, dass die Automobilhersteller in Europa den Vertrieb ihrer Produkte in Form von sich stark ähnelnden Vertragshändlersystemen organisiert haben, liegt darin, dass die zwischen 1985 und 2002 geltenden Gruppenfreistellungsverordnungen für den Kfz-Sektor nur dieses Vertriebsmodell, eine Kombination aus selektivem und exklusivem Vertrieb, freigestellt haben, vgl. VO (EWG) Nr. 123 / 85 und VO (EG) Nr. 1475 / 95. So auch Pfeffer, NJW 2002, S. 2910 (2910); Bothe in Schriftenreihe des Arbeitskreises für Europarecht an der Universität Osnabrück, Band 5, S. 21, 23. Die Kombination aus selektivem und exklusivem Vertrieb ist nach der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 verboten. Der Automobilhersteller kann nunmehr zwischen exklusivem Vertrieb, quantitativem selektivem Vertrieb und qualitativem selektivem Vertrieb wählen, vgl. dazu Reufels / Laufen, WuW 2004, S. 392 (392), Schönbohm, WRP 2004, S. 695 (695, 699) und Vogel, GPR 03 – 04, S. 40 (45). 259 s. u. Dritter Teil, B.III.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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hineingelesen werden. Indem an das selektive Vertriebssystem im Ganzen angeknüpft wird, kann aber auch diese einseitige diskriminierende Handlung des Herstellers erfasst werden.

b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, wenn ein Produkt einen so herausragenden Ruf hat, dass Fachhändler darauf angewiesen sind, dieses Produkt in ihrem Sortiment zu führen, um wettbewerbsfähig zu sein. Typische Diskriminierung in diesem Zusammenhang ist die Weigerung des „relativ marktstarken“ Unternehmens, das sortimentsbedingt abhängige Unternehmen mit der Ware zu beliefern, für die die Abhängigkeit besteht. Dementsprechend war Gegenstand aller höchstrichterlichen Entscheidungen zur sortimentsbedingten Abhängigkeit das Bestehen von Belieferungsansprüchen des abhängigen Unternehmens gegen das „relativ marktstarke“ Unternehmen.260 Für die Frage, inwieweit diese Fälle von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst sind, kommt es wieder darauf an, ob eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG besteht. Bei der Lieferverweigerung wird dem abhängigen Unternehmen die vertragliche Beziehung gerade verweigert, so dass zwischen dem „relativ marktstarken“ und dem abhängigen Unternehmen regelmäßig keine vertragliche Beziehung besteht, an die im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 EG angeknüpft werden könnte. Dennoch können einige dieser Fälle von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werden. Produkte, für die eine sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, haben per definitionem einen herausragenden Ruf. Es handelt sich also um Markenprodukte. Um den Ruf und die Geltung ihrer Produkte auf dem Markt zu schützen und zu fördern, entscheiden sich Hersteller von Marktenprodukten häufig für einen selektiven Vertrieb.261 260 BGH, Urt. v. 4. 11. 2003, KZR 2 / 02, WuW / E DE-R 1203 ff. „Depotkosmetik im Internet“; BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 ff. „Designer-Polstermöbel“; Urt. v. 24. 3. 1987, KZR 39 / 85, WuW / E BGH 2419 ff. „Saba-Primus“; Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 ff. „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 22. 1. 1985, KZR 35 / 83, WuW / E BGH 2125 ff. „Technics“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 19 / 80, WuW / E BGH 1885 ff. „adidas“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 11 / 80, WuW / E BGH 1815 ff. „Allkauf-Saba“; Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 ff. „SBVerbrauchermarkt“; Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 19 / 78, WuW / E BGH 1635 ff. „Plaza SB-Warenhaus“; Urt. v. 26. 6. 1979, KZR 7 / 78, WuW / E BGH 1620 ff. „Revell Plastics“; Urt. v. 17. 1. 1979, KZR 1 / 78, WuW / E BGH 1567 ff. „Normende“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E BGH 1429 ff. „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 ff. „Rossignol“. 261 Vgl. zum Beispiel BGH, Urt. v. 24. 3. 1987, KZR 39 / 85, WuW / E BGH 2419 ff. „Saba-Primus“; Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 25 / 85, WuW / E BGH 2351 ff. „Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“; Urt. v. 30. 6. 1981, KZR 11 / 80, WuW / E BGH 1815 ff. „Allkauf-Saba“; Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E BGH 1793 ff. „SB-Verbrauchermarkt“;

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Sofern das Produkt, für das die sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, über ein selektives Vertriebssystem vermarktet wird, kann an die dem Vertriebssystem zu Grunde liegenden Vereinbarungen angeknüpft werden, um Lieferverweigerungen unter Art. 81 Abs. 1 EG zu subsumieren. Nach oben vertretener Ansicht sind alle selektiven Vertriebssysteme wegen der mit ihnen einhergehenden wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkungen wettbewerbsschädigende Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG. Der Umstand, dass von einem selektiven Vertriebssystem regelmäßig auch wettbewerbsfördernde Wirkungen ausgehen, führt zwar im Ergebnis dazu, dass selektive Vertriebssysteme regelmäßig nicht nach Art. 81 EG verboten sind, wird aber erst im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG berücksichtigt. Folglich sind diskriminierende Lieferverweigerungen des „relativ marktstarken“ Unternehmens von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst, wenn das Produkt, für das die sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, durch ein selektives System vertrieben wird. Sofern kein selektives Vertriebssystem als Anknüpfungspunkt existiert, können Lieferverweigerungen gegenüber dem sortimentsbedingt abhängigen Unternehmen nicht nach Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werden.

c) Mangelbedingte Abhängigkeit Eine mangelbedingte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen auf Grund einer allgemeinen Verknappung nicht alle Lieferwünsche befriedigen kann. Als Tathandlung steht auch hier die Lieferverweigerung im Vordergrund. In der Praxis hat diese Fallgruppe nur einmal Bedeutung erlangt, als während der ersten Ölkrise der 1970er Jahre die Mineralölkonzerne mangels Kapazitäten die Belieferung freier Tankstellen verweigert haben.262 In diesen Fällen handelt es sich um rein einseitige Handlungen der „relativ marktstarken“ Unternehmen. Es ist kein Zusammenwirken mit anderen Unternehmen zu erkennen, welches als Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ausgelegt werden könnte. Folglich sind Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere mangelbedingt abhängig sind, nicht von Art. 81 Abs. 1 EG verboten.

Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 19 / 78, WuW / E BGH 1635 ff. „Plaza SB-Warenhaus“. Die Kommission führt in Rn. 184 ihrer Leitlinien für vertikale Beschränkungen aus: „Selektiver Vertrieb kommt praktisch nur beim Absatz von Markenprodukten zum Tragen“, ABl.EG 2000 Nr. C 291, S. 1 (36); dazu Lubberger, NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband, S. 49 (69). 262 KG, Beschl. v. 4. 7. 1974, Kart. 27 / 74, WuW / E OLG 1499 ff. „AGIP II“; BKartA, Beschl. v. 2. 5. 1974, B8 – 221430-V-17 / 74, WuW / E BKartA 1494 ff. „AGIP“; EuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, Rs. 77 / 77, Slg. 1978, 1513 ff. „B.P. / Kommission“; Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 ff. „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölkonzerne“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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3. Diskriminierung bei Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingter Abhängigkeit) Die nachfragebedingte Abhängigkeit steht nicht gleichberechtigt neben den anderen drei Gruppen der Abhängigkeit, da sie nur beschreibt, welche Seite von der anderen abhängig ist. Der Grund für die Abhängigkeit kann bei der nachfragebedingten Abhängigkeit sowohl in Umständen liegen, die der unternehmensbedingten Abhängigkeit (umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeit) entsprechen als auch in solchen, die der sortimentsbedingten Abhängigkeit (umgekehrt sortimentsbedingte Abhängigkeit) entsprechen. Eine umgekehrt mangelbedingte Abhängigkeit gibt es praktisch nicht.263 Da es zur nachfragebedingten Abhängigkeit weniger Entscheidungen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung gibt als zur Abhängigkeit von Anbietern, ist es schwierig, eine umfassende und einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen. Die Differenzierung zwischen der unternehmensbedingten und der sortimentsbedingten Abhängigkeit basiert auf den die Abhängigkeit begründenden Umständen, die entweder individuell-unternehmensbezogen oder generell-marktbezogen sein können. Da diese Differenzierung innerhalb der nachfragebedingten Abhängigkeit ebenfalls möglich ist, kann für die Frage nach der Erfassung von Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere nachfragebedingt abhängig sind, durch Art. 81 EG auf die Ergebnisse zurückgegriffen werden, die diesbezüglich für die Abhängigkeit der Nachfrager von Anbietern herausgearbeitet worden sind. Die umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeit resultiert aus der individuellen Beziehung zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen. Es bestehen also, wie auch bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit, per definitionem Geschäftsbeziehungen. Diesen Geschäftsbeziehungen liegen regelmäßig vertragliche Beziehungen zu Grunde, die – sofern sie einen wettbewerbsschädigenden Inhalt haben – verbotene Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG sind. Hauptanwendungsfall ist die Abhängigkeit innerhalb industrieller Zulieferverhältnisse.264 Diese Abhängigkeit existiert hauptsächlich in der Automobilindustrie, da dort wegen der geringen Anzahl an Nachfrager mit jeweils sehr hohen Absatzanteilen eine Spezialisierung der Anbieter auf einen Nachfrager typisch ist.265 Bei der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit wird, wie bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit, die vertragliche Beziehung gerade verweigert, so dass regelmäßig keine Vereinbarungen existieren. Bei der sortimentsbedingten s. o. Zweiter Teil, A.IV.2. Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 80; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 91. 265 Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 91 bezeichnet diese Abhängigkeit als systembedingte Abhängigkeit. 263 264

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Abhängigkeit werden die Produkte, für die die Abhängigkeit besteht, häufig über selektive Vertriebssysteme vertrieben, an die dann für ein Verbot nach Art. 81 EG angeknüpft werden kann. Bei der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit ist ein Anbieter von einem Nachfrager abhängig. Daher existieren keine selektiven Vertriebssysteme, auf die ein Verbot nach Art. 81 EG gestützt werden könnte. Höchstrichterlich wurde eine umgekehrt sortimentsbedingte Abhängigkeit beispielsweise bei einem Arzneimittelimporteur von dem Apothekengroßhandelsunternehmen oder bei Anbietern medizinischer Leistungen von den Krankenkassen angenommen.266 Folglich bestehen bei der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit in der Regel Vereinbarungen, an die für ein Verbot nach Art. 81 EG angeknüpft werden kann. Bei der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit existieren hingegen üblicherweise keine Vereinbarungen.

4. Ergebnis zu II. Diskriminierungen, die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten sind, können unter Art. 81 Abs. 1 EG nur subsumiert werden, wenn sie im Zusammenhang mit einer Vereinbarung erfolgen, an dem das „relativ marktstarke“ Unternehmen beteiligt ist. Dabei kann die Diskriminierung entweder Inhalt der Vereinbarung sein oder sie kann in der diskriminierenden Handhabung eines selektiven Vertriebssystems liegen. Wird die Diskriminierung durch ein Unternehmen begangen, von dem ein anderes unternehmensbedingt abhängig ist, so ist eine Erfassung durch Art. 81 Abs. 1 EG möglich. Höchstrichterlich ist bislang nur die Abhängigkeit eines Automobilvertragshändlers von einem Kfz-Hersteller als unternehmensbedingte Abhängigkeit anerkannt. In diesen Fällen bestehen vertragliche Beziehungen in Form der Vertragshändlerverträge, die als wettbewerbsschädigende Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG qualifiziert werden können. Auch bei der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit bestehen vertragliche Beziehungen, an die angeknüpft werden kann. Wird die Diskriminierung durch ein Unternehmen begangen, von dem ein anderes sortimentsbedingt abhängig ist, so ist eine Subsumtion unter Art. 81 Abs. 1 EG schwieriger. Im Vordergrund steht bei dieser Fallgruppe die Lieferverweigerung gegenüber dem abhängigen Unternehmen. In diesen Fällen bestehen gerade keine vertraglichen Beziehungen, an die angeknüpft werden könnte. Nur wenn die Ware, hinsichtlich der die sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, über ein selektives 266 Zum Beispiel BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10 / 94, WuW / E BGH 2990 (2993 f.) „Importarzneimittel“; BGH, Urt. v. 22. 3. 1994, KZR 3 / 93, WuW / E BGH 2919 (2921 f.) „Orthopädisches Schuhwerk“; BGH, Urt. v. 8. 5. 1990, KZR 21 / 89, WuW / E BGH 2665 (2666) „Physikalisch-Therapeutische Behandlung“.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Vertriebssystem vertrieben wird, kann die Lieferverweigerung wegen ihres Zusammenhangs mit dem selektiven Vertriebssystem unter Umständen nach Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werden. Da bei der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit keine selektiven Vertriebssysteme bestehen, ist ein Verbot von Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere umgekehrt sortimentsbedingt abhängig sind, auf Grundlage des Art. 81 EG nicht möglich. Bei der Fallgruppe der mangelbedingten Abhängigkeit bestehen keine Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, so dass ein Verbot nach dieser Vorschrift ausscheidet. Eine umgekehrt mangelbedingte Abhängigkeit existiert praktisch nicht.

III. Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 81 Abs. 3 EG Bisher ist festgestellt worden, dass Art. 81 Abs. 1 EG viele Konstellationen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB tatbestandlich erfasst. Da nach Art. 81 Abs. 3 EG bestimmte Verhaltenskoordinationen vom Verbot des Abs. 1 freigestellt sind, folgt aus dem Umstand, dass ein Sachverhalt tatbestandlich von beiden Vorschriften erfasst wird, noch nicht, dass das EG-Kartellrecht im Ergebnis ebenfalls ein Verbot ausspricht. Seit dem 1. 5. 2004 bedarf die Freistellung von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG keiner vorhergehende Entscheidung mehr.

1. Vorüberlegung: Freistellung im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB Überschneidungen der Anwendungsbereiche der Verbote des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und des Art. 81 Abs. 1 EG bestehen, wenn die Diskriminierung im Zusammenhang mit einer wettbewerbsschädigenden Vereinbarung erfolgt. Die Vereinbarungen, an die für ein Verbot nach Art. 81 EG angeknüpft wird, sind sowohl bei der unternehmensbedingten als auch bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit Verträge zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und den Händlern, die dessen Waren vertreiben. Es handelt sich also um Vertikalvereinbarungen. Vertikalvereinbarungen werden weitgehend durch die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung über vertikale Vereinbarungen, die VO (EG) Nr. 2790 / 1999267, erfasst und sind daher nicht nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten. Soweit es um vertikale Vereinbarungen im Automobilsektor geht, ist die speziellere Grup267 Beachte hierzu auch die Leitlinien für vertikale Beschränkungen der Kommission, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 ff.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

penfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor, die VO (EG) Nr. 1400 / 2002, einschlägig. Die beiden Gruppenfreistellungsverordnungen erfassen jedoch nicht alle Vertikalvereinbarungen, sondern nur solche, an denen keine Unternehmen mit besonderer Marktmacht beteiligt sind und die keine Kernbeschränkungen enthalten. Daher sind keinesfalls alle nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Diskriminierungen vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt.

2. Freistellung bei Abhängigkeit der Nachfrager Nun ist hinsichtlich der einzelnen Abhängigkeitsgruppen jeweils zu untersuchen, inwieweit die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt sind.

a) Unternehmensbedingte Abhängigkeit Bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit eines Kfz-Vertragshändlers von einem Automobilhersteller handelt es sich um Sachverhalte aus der Kfz-Branche. Für die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt sind, ist daher die Gruppenfreistellungsverordnung VO (EG) Nr. 1400 / 2002 entscheidend. Die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst nach Art. 2 Abs. 1 alle Vertikalvereinbarungen268 betreffend Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf neuer Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeugersatzteile oder Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. Die Kommission war der Ansicht, in der Kfz-Branche sollten strengere Regeln gelten, als sich aus der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen ergeben.269 Daher ist die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung VO (EG) Nr. 2790 / 1999 auf Vertikalvereinbarungen, deren Gegenstand in den Bereich der spezielleren Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung fällt, nach Art. 2 Abs. 5 VO (EG) Nr. 2790 / 1999 nicht anwendbar. In den hier interessierenden Fällen der Diskriminierung durch einen Automobilhersteller sind die wettbewerbsschädigenden Vereinbarungen die Vertriebsverträge zwischen dem Hersteller und dessen Händlern. Diese Verträge sind Vertikalvereinbarungen, so dass die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 sie erfasst. Die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst Vertikalvereinbarungen im Automobilsektor, von denen anzunehmen ist, dass sie den Wettbewerb eher fördern, als ihn zu 268 Vertikalvereinbarungen sind gemäß Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, die bei der Durchführung der Vereinbarung auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind, Art. 1 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 1400 / 2002. 269 Erwägung (2) der VO (EG) Nr. 1400 / 2002.

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beschränken. Diese Annahme trifft auf qualitative selektive Vertriebssysteme270 zu, die daher grundsätzlich freigestellt sind. Quantitative Vertriebssysteme271 über den Verkauf von Neuwagen sind freigestellt, wenn der Lieferant einen Marktanteil von 40% nicht überschreitet. Bei den übrigen Vertikalvereinbarungen darf der Lieferant einen Marktanteil von 30% nicht überschreiten (Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1400 / 2002). Außerdem müssen die Vereinbarungen bestimmte Regeln über Laufzeiten und Kündigungsfristen beinhalten (Art. 3 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1400 / 2002) und sie dürfen keine Kernbeschränkungen vorsehen, wie beispielsweise Beschränkungen des Rechts, Verkaufspreise selbst festzulegen (Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1400 / 2002). Außerdem darf der Hersteller das Vertriebssystem nicht in diskriminierender Weise handhaben, vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. h) VO (EG) Nr. 1400 / 2002. Diese abstrakten Ausführungen geben noch keine Antwort auf die Frage, inwieweit Vereinbarungsinhalte, die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten sind, durch die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt und damit auf europäischer Ebene erlaubt sind. Betrachtet man die höchstrichterlichen Urteile zu diesem Problemkreis, so zeigt sich, dass die vom BGH als unbillige Behinderung oder als Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund eingestuften Handlungen größtenteils auch auf europäischer Ebene nicht vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt worden wären. In der „Kfz-Vertragshändler“-Entscheidung 272 ging es um die Frage, ob ein Hersteller ein seit 30 Jahren bestehendes Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem Jahr kündigen darf. Der BGH hat entschieden, dass die Frist angemessen und damit die Kündigung rechtmäßig ist. In Art. 3 Abs. 5 lit. b) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 steht, dass bei unbefristeten Vertragsverhältnissen eine Kündigungsfrist von zwei Jahren vereinbart sein muss, damit der Vertriebsvertrag unter die Gruppenfreistellungsverordnung fällt. Die Angemessenheit der Kündigungsfrist wurde folglich damals vom BGH anders beurteilt, als sie heute nach europäischem Recht beurteilt würde. Allerdings hat der BGH bei der Prüfung der Angemessenheit ausdrücklich darauf verwiesen, dass Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 der damals geltenden Gruppenfreistel270 Qualitative, selektive Vertriebssysteme sind nach Art. 1 Abs. 1 lit. h) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 selektive Vertriebssysteme, in denen der Lieferant qualitative Auswahlkriterien anwendet, die wegen der Beschaffenheit der Ware erforderlich sind, die für alle Händler einheitlich gelten, die diskriminierungsfrei angewendet werden und die Zahl der Händler nicht unmittelbar begrenzen. Selektive Vertriebssysteme in diesem Sinne sind gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. f) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 Vertriebssysteme, in denen der Hersteller die Vertragsware nur an Händler verkauft, die auf Grund objektiver Kriterien ausgewählt werden, und in dem sich die Händler verpflichten die Waren nur an ihrerseits zugelassene Händler oder an Endverbraucher zu verkaufen. 271 Quantitative, selektive Vertriebssysteme sind nach Art. 1 Abs. 1 lit. g) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 selektive Vertriebssysteme, bei denen die Anzahl der Händler unmittelbar begrenzt wird. 272 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 ff. „Kfz-Vertragshändler“.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

lungsverordnung für den Kfz-Sektor VO (EWG) Nr. 123 / 85 ebenfalls eine Frist von einem Jahr vorsehe und dass daher auch bei § 26 Abs. 2 GWB a. F. von der Angemessenheit der Jahresfrist auszugehen sei. Nach der damals geltenden Rechtslage gab es folglich einen Gleichlauf zwischen der deutschen und der europäischen Regelung. Es ist davon auszugehen, dass der BGH sich auch heute an den in der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 vorgesehenen Fristen orientieren würde. Ebenfalls um die Beendigung der Geschäftsbeziehung ging es in der „OpelBlitz“-Entscheidung 273, in der Opel einen befristeten Vertragshändlervertrag nicht verlängert hat, obwohl dieser als Beginn einer dauerhaften Geschäftsbeziehung gedacht war. Der BGH hat die Nichtverlängerung gebilligt, weil zwischen Opel und dem betreffenden Händler Streitigkeiten über die Verwendung der Firmenbezeichnung bestanden, die die Nichtverlängerung rechtfertigen konnten. Art. 3 Abs. 5 lit. a) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 sieht vor, dass bei einem befristeten Vertrag mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren die Nichtverlängerung mindestens sechs Monate vor Vertragsende angekündigt werden muss. Opel hatte die Nichtverlängerung mehr als zwei Jahre vor Ablauf des Vertrages angekündigt, so dass das Verhalten von Opel auch nach europäischem Recht nicht verboten gewesen wäre. Auch wenn nach europäischem Recht das Vorliegen einer Rechtfertigung nicht notwendig gewesen wäre, so hätte die Anwendung des deutschen und des europäischen Rechts doch zu dem gleichen Ergebnis geführt. In der Entscheidung „Hersteller-Leasing“274 hatte VAG seinen Vertragshändlern verboten, Leasingverträge an Leasingunternehmen zu vermitteln, die nicht zum VAG-Konzern gehören. Der BGH hat zwar zur Sache keine Entscheidung getroffen, sondern dem EuGH verschiedene Fragen zur Behandlung des betreffenden Verhaltens nach Art. 85 EWG-Vertrag vorgelegt. Er hat aber ausgeführt, dass die Handlungen von VAG jedenfalls dann eine unbillige Behinderung seien, wenn sie gegen europäisches Kartellrecht verstießen.275 Auch in dieser Entscheidung kommt also zum Ausdruck, dass der BGH um eine Harmonie der deutschen und der europäischen Regelung bemüht ist. Die „Original VW-Ersatzteile II“276 hatte die Bezugs- und Verwendungsbindung von Original-Ersatzteilen zum Gegenstand. Der BGH war der Ansicht, es sei zulässig, dass ein Automobilhersteller seine Vertragshändler verpflichte, bei der Reparatur seiner Kraftfahrzeuge nur Originalersatzteile zu verwenden. Gerechtfertigt seien solche Vereinbarungen durch das berechtigte Interesse des Herstellers, die Qualität und damit den Ruf seiner Kraftfahrzeuge dadurch zu schützen, dass BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 ff. „Opel-Blitz“. BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 ff. „Herstellerleasing“. 275 BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2880) „Herstellerleasing“; BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KZR 20 / 91, WuW / E BGH 2858 (2861 ff.) „Fremdleasingboykott“. 276 BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 ff. „Original-VW-Ersatzteile II“. 273 274

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auch bei Reparaturen in von ihm zugelassenen Werkstätten nur qualitativ einwandfreie Ersatzteile verwendet würden, für die er mit seinem Namen einsteht. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. k) 2. HS VO (EG) Nr. 1400 / 2002 darf der Hersteller den Händlern nur bei Arbeiten im Rahmen der Gewährleistung, des unentgeltlichen Kundendienstes und Rückrufaktionen aufgeben, von ihm bezogene Original-Ersatzteile zu verwenden. Im Übrigen sind Beschränkungen des Rechts, Original-Ersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile von dritten Unternehmen zu erwerben und für die Reparatur von Fahrzeugen des Herstellers zu verwenden, unzulässig. Die europäische Regelung erlaubt also eine weitergehende Beschränkung, als der BGH nach nationalem Recht zugelassen hat. Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Beurteilung ist zu bedenken, dass zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidung im Jahre 1981 noch keine Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor existierte. Im Hinblick auf die vom BGH in neueren Entscheidungen erkennbare Bestrebung, grundsätzlich einen Gleichlauf zwischen der europäischen und der nationalen Regelung herzustellen, ist es gut möglich, dass der BGH heute im Sinne der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 entscheiden würde, dass eine Bezugs- und Verwendungsbindung nicht insgesamt, sondern nur hinsichtlich der Gewährleistung, unentgeltlichen Reparaturen und im Rahmen von Rückrufaktionen zulässig sei. Auch so könnte dem Interesse des Herstellers an der Wahrung des Rufs seiner Kraftfahrtzeuge, das der BGH für entscheidend hielt, Rechnung getragen werden. In dem Urteil „BMW-Direkthändler“277 hat der BGH entschieden, BMW dürfe es einem Vertragshändler nicht ohne ausreichende Gründe untersagen, zugleich eine Peugeot-Niederlassung zu betreiben, wenn er es anderen Händlern erlaubt habe. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 wäre ein Verbot, Fahrzeuge anderer Lieferanten zu verkaufen, nicht erlaubt. Außerdem wäre in der unterschiedlichen Behandlung der Vertragshändler eine diskriminierende Handhabung des Systems zu sehen, die – zumindest wenn sie systematisch erfolgt – ebenfalls zu einem Verbot nach Art. 81 Abs. 1 EG führen würde. Obwohl in der BGH-Entscheidung die Betonung darauf lag, es dürfe keine unterschiedliche Behandlung der Vertragshändler erfolgen, so geht es doch inhaltlich um ein Verhalten, dass auf europäischer Ebene nicht erlaubt wäre. Obwohl nicht zu allen denkbaren Diskriminierungen höchstrichterliche Urteile existieren, so kann aus der Analyse der vorhandenen Entscheidungen doch geschlossen werden, dass im Ergebnis zumeist die gleichen Sachverhalte als wettbewerbsschädigend eingestuft werden. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 und § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB das gleiche Ziel verfolgen. Die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 bezweckt, wie sich aus deren Erwägungsgrund (9) ergibt, die Stärkung der Unabhängigkeit der Händler und Wertstätten.278 Ziel des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist es, die Ausnutzung von unternehmensbedingten Abhängigkeiten zu verhindern. 277 278

BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 ff. „BMW-Direkthändler“. Grams, RIW 2003, S. 327 (330).

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b) Sortimentsbedingte Abhängigkeit Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere sortimentsbedingt abhängig sind, stehen regelmäßig nicht im Zusammenhang mit der Automobilbranche. Einschlägig ist daher die Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen, die VO (EG) Nr. 2790 / 1999. Diese Gruppenfreistellungsverordnung gilt für alle Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen279 bezüglich der Zusammenarbeit von Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen, deren Inhalt Bedingungen sind, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen kaufen, verkaufen oder weiterverkaufen. Wie bereits dargestellt, stehen bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit Lieferverweigerungen gegenüber den abhängigen Unternehmen im Vordergrund. Nur wenn die Ware, deren Lieferung begehrt wird, über ein selektives Vertriebssystem vertrieben wird, bestehen überhaupt Vereinbarungen, auf die für ein Verbot nach Art. 81 Abs. 1 EG abgestellt werden kann. Wenn ein selektives Vertriebssystem besteht, ist fraglich, ob es von der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 umfasst ist, wenn in seinem Kontext diskriminierende Handlungen erfolgen. Eine Lieferverweigerung ist unbillig, wenn das abhängige Unternehmen objektiv alle Voraussetzungen erfüllt, die das „relativ marktstarke“ Unternehmen für eine Zulassung zu seinem Vertriebssystem aufgestellt hat.280 Auf europäischer Ebene kann die Nichtzulassung eines Händlers, obwohl dieser die objektiven Zulassungskriterien erfüllt, dazu führen, dass das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG eingreift. Allerdings verbietet Art. 81 EG die Nichtzulassung nur, wenn sie systematisch erfolgt.281 Wenn die Zulassungsverweigerung nicht systematisch erfolgt, sondern es sich nur um einen isolierten Einzelfall handelt, ergibt sich aus Art. 81 EG kein unmittelbares Verbot der Nichtzulassung.282 Im Hinblick auf die Rechtsfolge der Nichtigkeit von Vereinbarungen, die gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen, ist es auch richtig, nur bei systematischen Diskrimi279 Die VO (EG) Nr. 2790 / 1999 gilt nicht für Beschlüsse, da der Kommission für Beschlüsse die Ermächtigung zum Verordnungserlass fehlt, Art. 1 Abs. 1 und 3 der VO (EWG) Nr. 19 / 65 des Rates vom 2. 3. 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl.EG 1965, S. 533 ff.; vgl. dazu Ackermann, EuZW 1999, S. 741 (742). 280 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 153 ff. Die EG-Rechtspraxis zur Beurteilung selektiver Vertriebssysteme und die Rechtsprechung zu § 20 Abs. 2 i. V. m Abs. 1 GWB nähern sich einander insgesamt an, Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 73. 281 Zum Beispiel die systematische Zulassungsverweigerung gegenüber Händlern, die sich der Preispolitik des Herstellers nicht anschließen wollen, vgl. EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 (3197 f. Rn. 44 ff.) „AEG / Kommission“. 282 Weyer, GRUR 2000, S. 848 (851), nimmt an, auch isolierte Diskriminierungen könnten einen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen. Bei isolierten Diskriminierungen dürfte es allerdings häufig am Kriterium der Spürbarkeit bzw. der spürbaren Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel fehlen.

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nierungen von einem Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG auszugehen. Bei lediglich vereinzelten isolierten Verstößen, die bei europaweiten Vertriebssystemen praktisch kaum zu vermeiden sind, wäre es nicht zu rechtfertigen, dass das gesamte Systems unwirksam würde.

c) Mangelbedingte Abhängigkeit Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere mangelbedingte abhängig sind, werden schon tatbestandlich nicht von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst. Insofern stellt sich die Frage nach der Freistellung von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG nicht.

3. Freistellung bei Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) Innerhalb der nachfragebedingten Abhängigkeit bestehen nur in der Konstellation der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit Vereinbarungen im Sinne des Art 81 Abs. 1 EG. Diese Vereinbarungen bestehen zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen und sind daher Vertikalvereinbarungen. Folglich sind auch diese Vereinbarungen von der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 oder der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst und somit weitgehend nicht nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten. Ein häufiger Anwendungsfall ist die Abhängigkeit der industriellen Zulieferer in der Automobilbranche von den Automobilherstellern. Auf diese Fälle ist die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 anwendbar. Die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 regelt nicht nur die Situation, dass der Automobilhersteller als Anbieter gegenüber den Händlern und Werkstätten eine besondere Machtstellung innehat, sondern auch die, dass er als Nachfrager gegenüber Zulieferern eine besondere Machtstellung innehat, vgl. zum Beispiel Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1400 / 2002. Allerdings gilt die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 nicht für alle Vertikalvereinbarungen innerhalb der Automobilbranche, sondern nur für die über neue Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeugersatzteile und Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. Kraftfahrzeugersatzteile sind nach Art. 1 Abs. 1 lit. s) VO (EG) Nr. 1400 / 2002 nur Teile, die ein Bauteil des Kraftfahrzeugs ersetzen. Folglich sind beispielsweise Vereinbarungen über die Zulieferung von Teilen, die in neue Kraftfahrzeuge eingebaut werden, oder über die Lieferung von Teilen zum Verkauf an den Verbraucher nicht von der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst.283 Für sie gilt die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung über Vertikalvereinbarungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999, nach deren Art. 1 Abs. 1 alle Vertikalvereinbarungen über den Bezug, Verkauf und Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen nicht nach Art. 81 Abs. 1 EG ver283 Vgl. Leitfaden der Kommission zur VO (EG) Nr. 1400 / 2002, abrufbar unter www.eu.int / comm / competition / car_sector /.

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boten sind. Da die VO (EG) Nr. 2790 / 1999 nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2790 / 1999 ebenfalls nur eingreift, wenn der Nachfrager einen Marktanteil von 30% nicht überschreitet, kann man festhalten, dass Vereinbarungen, an denen Unternehmen beteiligt sind, von denen andere umgekehrt unternehmensbedingt abhängig sind, durch eine Gruppenfreistellungsverordnung nur erfasst sind, wenn das „relativ marktstarke“ Unternehmen einen Marktanteil von 30% nicht überschreitet. Mangels gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zu der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit ist keine allgemeine Aussage darüber möglich, inwieweit Kongruenz zwischen den nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und nach Art. 81 EG verbotenen Handlungen in dieser Fallgruppe besteht.

4. Ergebnis zu III. Diskriminierungen durch „relativ marktstarke“ Unternehmen werden von Art. 81 EG erfasst, wenn sie – wie zumeist – im Zusammenhang mit Vertikalvereinbarungen begangen werden. Auf Vertikalvereinbarungen sind entweder die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung VO (EG) Nr. 2790 / 1999 oder die spezielle Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor VO (EG) Nr. 1400 / 2002 anwendbar. Die Gruppenfreistellungsverordnungen erfassen nicht alle Vertikalvereinbarungen, sondern nur diejenigen, die den Wettbewerb eher fördern als schädigen. Nicht erfasst werden Vertikalvereinbarungen, die so genannte „schwarze Klauseln“ enthalten oder an denen ein Unternehmen beteiligt ist, dass einen Marktanteil von über 30% bzw. 40 % innehat. Die Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat gezeigt, dass in der Fallgruppe der unternehmensbedingten Abhängigkeit eines Kfz-Vertragshändlers von einem Automobilhersteller, Handlungen, die als unbillige Behinderung oder Ungleichbehandlung ohne rechtfertigenden Grund eingestuft werden, auf europäischer Ebene regelmäßig verboten sind. Vertikalvereinbarungen zwischen einem „relativ marktstarken“ Unternehmen, von dem ein anderes Unternehmen umgekehrt unternehmensbedingt abhängig ist, sind ebenfalls von der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 und der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 erfasst, sofern das „relativ marktstarke“ Unternehmen einen Marktanteil von 30% nicht überschreitet und keine Kernbeschränkungen vereinbart werden. Bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit war Gegenstand aller höchstrichterlichen Urteile eine Belieferungspflicht des „relativ marktstarken“ Unternehmens gegenüber dem abhängigen Unternehmen. Da die Aufnahme der Geschäftsbeziehung in diesen Fällen gerade verweigert wird, existieren regelmäßig keine Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 EG. Nur wenn das Produkt über ein selektives Vertriebssystem vertrieben wird, das als Anknüpfungspunkt für ein Verbot nach Art. 81 EG dienen kann, können Lieferverweigerungen durch Art. 81 EG erfasst werden. Verboten sind allerdings nur systematische Lieferverweigerungen. Vereinzelte Liefer-

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verweigerungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems und Lieferverweigerungen außerhalb selektiver Vertriebssysteme sind nicht nach Art. 81 EG verboten, sofern die Marktanteilsschwelle von 30% nicht überschritten wird.

IV. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG Nachdem aufgezeigt wurde, inwieweit sich die Anwendungsbereiche von Art. 81 EG und § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB überschneiden, ist noch zu klären, inwieweit sich die Rechtsfolgen dieser beiden Vorschriften entsprechen. Ein Verstoß gegen Art. 81 EG löst, wie auch ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, verwaltungs-, bußgeld- und zivilrechtliche Rechtsfolgen aus.

1. Verwaltungsrechtliche und bußgeldrechtliche Rechtsfolgen Auf der Ebene des Verwaltungsrechts kann die Kommission Verstöße förmlich feststellen284 und die an dem Verstoß Beteiligten zur Beendigung des Verstoßes verpflichten. Zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen kann die Kommission Zwangsgelder verhängen.285 Darüber hinaus kann sie bei schuldhafter Verletzung des Art. 81 EG Geldbußen verhängen.286 Da Art. 81 EG ein unmittelbar geltendes Verbot ist, können auch die nationalen Kartellbehörden ein Verfahren zur Ahndung eines Verstoßes gegen Art. 81 EG einleiten.287 Seit dem 1. 5. 2004 sind sie gemäß Art. 3, 35 VO (EG) Nr. 1 / 2003 sogar verpflichtet Verfahren wegen Verstößen gegen die Art. 81, 82 EG einleiten. Die notwendige gesetzliche Ermächtigung ist in § 50 GWB enthalten. Insoweit entsprechen die Rechtsfolgen des Art. 81 EG denen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB.

2. Zivilrechtliche Rechtsfolgen Die zivilrechtlichen Folgen sind teilweise in Art. 81 EG selbst geregelt. Art. 81 Abs. 2 EG bestimmt, dass Vereinbarungen und Beschlüsse, die nicht mit Art. 81 EG in Einklang stehen, nichtig sind. Nichtigkeit im Sinne des Art. 81 Abs. 2 EG bedeutet, dass die Vereinbarungen und Beschlüsse keine rechtliche Bindung entfalten.288 Die Nichtigkeit bezieht sich grundsätzlich nur auf die Teile der Verein284 Vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003; bis zum 1. 5. 2004 Art. 3 VO (EG) Nr. 17 / 62. 285 Vgl. Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1 / 2003; bis zum 1. 5. 2004 Art. 16 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 17 / 62. 286 Vgl. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1 / 2003; bis zum 1. 5. 2004 Art. 15 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 17 / 62. 287 Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 30.

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barung, die mit dem Kartellrecht unvereinbar sind, es sei denn diese sind mit den anderen Teilen der Vereinbarung untrennbar verbunden.289 Bei Vereinbarungen, die einer Gruppenfreistellungsverordnung unterfallen, gilt allerdings, dass diese insgesamt unter Art. 81 Abs. 1 EG fallen, auch wenn sie nur eine „schwarze Klausel“ enthalten.290 Darüber hinausgehende zivilrechtliche Folgen, wie Schadensersatz oder Unterlassungsansprüche, ergeben sich aus den nach den Regeln des Internationalen Privatrechts anwendbaren291 nationalen Recht.292 In Deutschland ergeben sich Schadensersatz-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche regelmäßig aus den §§ 823 Abs. 2, 826, 1004 BGB oder aus § 1 UWG.293 Wer im Einzelfall Schadensersatz verlangen kann und welchen Inhalt der Schadensersatzanspruch hat, kann auf 288 EuGH, Urt. v. 25. 11. 1971, Rs. 22 / 71, Slg. 1971, 949 (962 Rn. 29) „Béguelin Import / G. L. Import Export“; Brinker in Schwarze, Instrumente zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 107 (107); Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 81; Grill in Lenz (2. Auflage 1999) Art. 81 Rn. 33; Pfeiffer in Festschrift für Werner Benisch, S. 313 (314); Schmidt in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 81 Abs. 2 Rn. 22; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 235; Weyer, ZEuP 1999, S. 424 (429). 289 Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 90; Stockmann in Wiedemann, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 30, S. 124; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 146. 290 Ebenroth / Birk, EWS Beilage 2 zu Heft 11 / 1996, S. 1 (5); Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 91; Weyer, GRUR 2000, S. 848 (851). 291 Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 9; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 268; Schröter in Groeben / Schwarze Art. 81 Rn. 260. Die internationale Zuständigkeit nationaler Gerichte wird für das Deliktsrecht geregelt durch Art. 5 Nr. 3 EuGVO, ABl.EG 2001, Nr. L 12, S. 1 ff. 292 Baur, EuR 1988, S. 257, 260; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 493 Rn. 853; Brinker in Schwarze, Instrumente zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 107 (108 f.); Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 105, 119; Emmerich, Kartellrecht, S. 420; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 182; Lettl, ZHR 167 (2003), S. 473 (476); Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1511 f.); Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 79; Mestmäcker, EBOR 2000, S. 401 (425); Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 9; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 232; Weyer, ZEuP 1999, S. 424 (425, 427, 439). „Die volle Wirksamkeit des Art. 85 EG-Vertrag . . . [wäre] beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen [wettbewerbsbeschränkenden] Vertrag . . . entstanden ist, EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, Rs. C-453 / 99, Slg. 2001, 6297 (6323 Rn. 26) „Courage und Crehan“. Auf die Möglichkeit von Privatpersonen vor nationalen Gerichten zivilrechtliche Folgen von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft geltend zu machen weist die Kommission ausdrücklich hin in der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrages, ABl.EG 1992, Nr. C 39, S. 6, Tz. 5 ff.; für einen Schadensersatzanspruch unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht, Schlussanträge des Generalanwalt van Gerven Nr. 45 zu EuGH, Urt. v. 13. 4. 1994, Rs. C-128 / 92, Slg. 1994, I-1209 (1251) „Banks“; Stillfried / Stockenhuber, wbl 1995, S. 345 (350) und Winterstein, E.C.L.R. 1995, S. 49 (50 ff.). 293 Emmerich, Kartellrecht, S. 420; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 182; Grill in Lenz / Borchardt Art. 81 Rn. 40; Pfeiffer in Festschrift für Werner Benisch, S. 313 (317); Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 9; Schröter in Groeben / Schwarze Art. 81 Rn. 261; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 149.

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Grund der Vielfältigkeit der möglichen Verstöße gegen Art. 81 EG nicht abstrakt festgestellt werden. Es muss jeweils im Einzelfall untersucht werden, welchem Ziel das Verbot des Art. 81 EG in seiner konkreten Anwendung dient. Gegenstand der höchstrichterlich nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entschiedenen Fälle war zumeist ein Anspruch auf die Belieferung mit einer bestimmten Ware oder auf die Aufrechterhaltung einer bestehenden Geschäftsbeziehung. Gerade hinsichtlich dieser Kontrahierungsansprüche ist aber bislang nicht geklärt, ob ein Verstoß gegen Art. 81 EG einen solchen Anspruch begründen kann.

a) Erste Ansicht: kein Kontrahierungszwang als Rechtsfolge Teilweise wird die Herleitung eines Kontrahierungszwangs aus einem Verstoß gegen Art. 81 EG mit der Begründung abgelehnt, dass Ansprüche auf Abschluss eines Vertrages vom Schutzzweck des Art. 81 EG nicht erfasst seien.294 Aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 81 EG könnten sich nur Schadensersatzansprüche in Geld ergeben. Gerade für die in dieser Untersuchung interessierenden Fälle der Diskriminierung im Rahmen vertikaler Vertriebsvereinbarungen wäre dieser Unterschied von großer Bedeutung. In dem praktisch häufig auftretenden Fall, dass ein Hersteller, der seine Waren über ein selektives System vertreibt, einem außenstehenden Unternehmen die Belieferung verweigert, stünde diesem nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 81 EG kein Belieferungsanspruch zu. Er könnte einen entsprechenden Anspruch nur auf §§ 33 Satz 1, 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB stützen. Der BGH führt diesbezüglich aus, dass Art. 81 EG dem Hersteller nur verbiete, seine Waren in einem einzelne Händler diskriminierenden Vertriebssystem abzusetzen, ihm aber nicht gebiete, alle für den Verkauf seiner Waren geeigneten Händler zu beliefern.295 Da die Vereinbarkeit eines selektiven Vertriebssystems mit Art. 81 Abs. 1 EG davon abhänge, dass die Händlerauswahl auf Grund objektiver qualitativer Kriterien erfolge und dass diese Kriterien diskriminierungsfrei angewendet werden, entstehe nur ein mittelbarer Gleichbehandlungszwang. Hierdurch komme es 294 BGH, Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (207) „Depotkosmetik“ und Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 25 / 96, WRP 1999, S. 203 (205 f.) „Graumarktparfümerie“; die parallele Entscheidung KZR 24 / 96 vom gleichen Tag ist nicht veröffentlicht. So auch Bechtold § 33 Rn. 12; Bechtold, NJW 2003, S. 3729 (3732); Bornkamm, in Schwarze, Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 47 (53); Brinker in Schwarze, Instrumente zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 107 (119); Bunte in Langen / Bunte Art. 81 Rn. 226; Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 118; Gleiss / Hirsch Art. 85 Rn. 1698; Röhling, EWiR 1998, S. 1083 (1084); Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 127; Traugott, WuW 1997, S. 486 (492 ff.); Weyer, GRUR 2000, S. 848 (853), lehnt einen Belieferungsanspruch für den hier interessierenden Fall der Aufnahme in ein selektives Vertriebssystem ab. Außerhalb einer Vertriebsbindung sei aber nicht auszuschließen, dass Art. 81 EG einen Belieferungsanspruch begründe. 295 BGH, Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (207) „Depotkosmetik“; a. A.: Reufels / Laufen, WuW 2004, S. 392 (393).

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aber nicht zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit.296 Diese Ansicht wird von einigen Vertretern in der Literatur geteilt. Die Anordnung der Nichtigkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen stünde der Annahme eines Kontrahierungszwanges entgegen.297 Dem Hersteller würden theoretisch zwar zwei Alternativen zur Verfügung stehen, um den in der diskriminierenden Handhabung seines Vertriebssystems liegenden Verstoß abzustellen: Er könne entweder alle Vertriebsverträge auflösen oder mit dem diskriminierten Händler einen Vertriebsvertrag abschließen. Da Art. 81 Abs. 2 EG als Rechtfolge eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG alle Vertriebsverträge für unwirksam erklärt, sei im europäischen Recht die Entscheidung für die erste Lösung gefallen. Die Annahme eines Kontrahierungszwangs als Folge eines Verstoßes gegen Art. 81 EG könne auch nicht durch eine Übertragung der Grundsätze des § 20 GWB erklärt werden. Eine § 20 GWB entsprechende, an den Missbrauch von Macht anknüpfende Zielsetzung sei im EG-Kartellrecht in Art. 82 EG, nicht aber in Art. 81 EG zu finden.298 Wenn sich auch aus Art. 81 EG ein Belieferungsanspruch ergeben könnte, würde die „Hürde der Marktbeherrschung niedergerissen“.299 Auch finde sich in Art. 81 EG keine „innere Rechtfertigung“ für einen Kontrahierungszwang, wie sie bei § 20 GWB in der besonderen Marktstärke der dem Kontrahierungszwang unterworfenen Unternehmen zu sehen sei.300 Der entscheidende Unterschied zwischen Art. 81 EG und § 20 GWB sei, dass Art. 81 EG nicht die Diskriminierung an sich verbiete, sondern die Absprache über die Diskriminierung.301 Systematisch sei daher Art. 82 EG und nicht Art. 81 EG die richtige Anspruchgrundlage für Schadensersatzansprüche in Form einer Belieferungspflicht.302 b) Zweite Ansicht: Kontrahierungszwang als Rechtsfolge Nach anderer Ansicht kann sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 81 EG sehr wohl ein Belieferungsanspruch ergeben,303 wobei umstritten ist, ob es sich um ei296 BGH, Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (208) „Depotkosmetik“. Das dem qualitativen selektiven Vertrieb immanente Gebot der Gleichbehandlung sei nur eine „Obliegenheit“ und führe daher nicht zu Zulassungsansprüchen, Bechtold, NJW 2003, S. 3729 (3731). 297 Bechtold, NJW 2003, S. 3729 83732); Bornkamm, in Schwarze, Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 47 (53); Bunte in Langen / Bunte Art. 81 Rn. 226; Traugott, WuW 1997, S. 486 (491 f.). 298 BGH, Urt. v. 12. 5. 1998, KZR 23 / 96, WuW / E DE-R 206 (209) „Depotkosmetik“. 299 Traugott, WuW 1997, S. 486 (494). 300 Traugott, WuW 1997, S. 486 (492 f.). 301 Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 118. 302 Röhling, EWiR 1998, S. 1083 (1084); Traugott, WuW 1997, S. 486 (493 f.). 303 BGH, Urt. v. 10. 11. 1987, KZR 15 / 86, WuW / E BGH 2451 (2457) „Cartier-Uhren“; OLG Frankfurt, Urt. v. 9. 9. 1997, 11 U (Kart) 58 / 96, WuW / E DE-R 73 (78) „Guerlain“;

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nen Schadensersatzanspruch304 oder um einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch handelt.305 Die Negierung eines Belieferungsanspruchs wäre mit der effektiven Wirksamkeit des EG-Kartellrechts nicht zu vereinbaren.306 Auch das EuG hält es für möglich, dass sich als Folge eines Verstoßes gegen Art. 81 EG aus nationalen Rechtsvorschriften ein Kontrahierungszwang ergibt.307 c) Stellungnahme Ob sich aus Art. 81 EG ein Abschlusszwang ergeben kann, hängt entscheidend vom Schutzzweck des Art. 81 EG ab, der allein nach dem Gemeinschaftsrecht zu bestimmen ist.308 Nur wenn Art. 81 EG den individuellen Schutz desjenigen bezweckt, der die Belieferung begehrt, und wenn der Schutz sachlich auch die Belieferung umfasst, kann sich aus Art. 81 EG ein Belieferungsanspruch ergeben. Der EuGH hat schon früh entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht im Allgemeinen309 und Art. 81 EG im Speziellen individualschützenden Charakter haben.310 Auch der BGH ist der Ansicht, dass Art. 81 EG jedenfalls dann den OLG München, Urt. v. 23. 5. 1996, U (K) 1850 / 95, WuW / E OLG 5760 (5763) „Graumarktparfümerie“; OLG München, Urt. v. 23. 5. 1996, U (K) 1951 / 95, WuW / E OLG 5659 (5662) „Versandparfümerie“; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. 7. 1995, U (Kart) 6 / 88 WuW / E OLG 5525 (5535) „Herstellergarantie für Cartier-Uhren“; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. 12. 1988, U (Kart.) 6 / 88, WuW / E OLG 4407 (4407) „Metro-Cartier“; Baur, EuR 1988, S. 257 (268 f.); Birk, EWS 2000, S. 185, 491; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H. I § 1 Rn. 182; Haslinger, WuW 1998, S. 456 (456); Haslinger, WPR 1999, S. 161 (165); Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1514); Schmidt in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Abs. 2 Rn. 86; Steindorff, ZHR 162 (1998), S. 290 (305, 309); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 149; auch das EuG, Urt. v. 18. 9. 1992, Rs. T-24 / 90, Slg. 1992, II-2223 (2267 Rn. 50) „Automec / Kommission“. 304 Ein Belieferungsanspruch ergebe sich aus dem in § 249 Abs. 1 BGB enthaltenen Prinzip der Naturalrestitution. So Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 182; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 149; auch OLG Frankfurt, Urt. v. 9. 9. 1997, 11 U (Kart) 58 / 96, WuW / E DE-R 73 (78) „Guerlain“. 305 Für einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch auf Beseitigung eines gesetzwidrigen Verhaltens gemäß § 1004 analog: Schmidt in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Abs. 2 Rn. 86. Ein quasi-negatoprischer Beseitigungsanspruch setzt im Gegensatz zu einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 81 EG kein Verschulden voraus. Für Schadensersatzansprüche wegen eines Verstoßes gegen das EG-Kartellrecht ein Verschulden zu verlangen, widerspräche unter Umständen dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts. 306 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H. I § 1 Rn. 182; Schmidt in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 85 Abs. 2 Rn. 86; Steindorff, ZHR 162 (1998), S. 290 (305); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 149. 307 EuG, Urt. v. 18. 9. 1992, Rs. T-24 / 90, Slg. 1992, II-2223 (2267 Rn. 50) „Automec / Kommission“. 308 Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 107; Lettl, ZHR 167 (2003), S. 473 (477 f.); Schröter in Groeben / Schwarze Art. 81 Abs. 2 Rn. 261. 309 EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, Rs. 26 / 62, Slg. 1963, 1 (25) „Van Gent&Loos“. 7*

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Schutz des Beeinträchtigten bezwecke, wenn die verbotene wettbewerbswidrige Schädigung gerade gegen ihn gerichtet ist.311 Folglich kann zumindest derjenige, gegen den die Wettbewerbsbeeinträchtigung gerichtet ist, Rechte aus dem Verstoß herleiten. Art. 81 EG soll Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch die Verhaltenskoordination von Unternehmen vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, spricht Art. 81 Abs. 2 EG die Nichtigkeit von wettbewerbswidrigen Vereinbarungen aus. Regelmäßig ist die Nichtigkeit auch ein effektives Mittel, um die Wettbewerbsbeeinträchtigung zu kompensieren. Unabhängig davon, ob der durch die Verhaltenskoordination beeinträchtigte Wettbewerbsteilnehmer selber Partei der verbotenen Abrede ist oder ob er außenstehend ist, wird dessen Wettbewerbsfreiheit wieder hergestellt, indem der Vereinbarung die Wirksamkeit abgesprochen wird. Falls die Nichtigkeit seine Beeinträchtigung nicht ausreichend kompensiert, steht ihm zusätzlich ein Schadensersatzanspruch in Geld nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht zu. Regelmäßig ist daher ein Kontrahierungszwang als besonders starker Eingriff in die Vertragsfreiheit des betroffenen Wettbewerbsteilnehmers vom Schutzweck des Art. 81 EG nicht geboten. Es gibt aber insbesondere eine Situation, in der fraglich ist, ob die Nichtigkeit eine angemessene Rechtsfolge ist oder ob es nicht besser wäre, wenn ein Kontrahierungszwang an ihre Stelle träte: die diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems durch den Ausschluss von Händlern, die objektiv die Zulassungskriterien erfüllen. In diesen Fällen war die Subsumtion unter Art. 81 Abs. 1 EG nicht durch eine Anknüpfung an die einzelnen Vertriebsverträge möglich, sondern nur indem auf das selektive Vertriebssystem insgesamt abgestellt wurde. Das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG richtet sich hier nicht gegen den Inhalt Vertriebsverträge, sondern gegen den Nichtabschluss gleich lautender Verträge mit anderen gleichartigen Unternehmen. In der Verweigerung des Vertragsschlusses liegt die verbotene diskriminierende Handhabung des Systems. Die Schutzrichtung des Art. 81 EG ist zumindest auch der Schutz der außenstehenden Unternehmen vor der willkürlichen Verweigerung der Zulassung. Fraglich ist daher, ob sich in diesen 310 EuGH, Beschl. v. 11. 12. 1973, verbundene Rs. 41 / 73, 43 – 48 / 73, 50 / 73, 111 / 73, 113 / 73 und 114 / 73, Slg. 1973, 1465, (1469 Rn. 7) „Générale sucrière / Kommission“; Urt. v. 30. 1. 1974, Rs. 127 / 73, Slg. 1974, 51 (62 Rn. 15 / 17) „Brt / Sabam“; jüngst bestätigt durch EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, Rs. C-453 / 99, Slg. 2001, I-6297 (6323 Rn. 26) „Courage und Crehan“. Die Literatur hat sich dieser Ansicht überwiegend angeschlossen, vgl. etwa Bunte in Langen / Bunte Art. 81 Rn. 226; Eilmansberger in Streinz Art. 81 Rn. 105 ff.; Geiger Art. 81 Rn. 33; Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1512); Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 22 Rn. 25, S. 520; K. Schmidt in Festschrift für Erich Hoppmann, S. 373 (383); Weiß in Caliess / Ruffert Art. 81 Rn. 149; Weyer, ZeuP 1999, S. 424 (426, 439). 311 BGH, Urt. v. 23. 10. 1979, KZR 21 / 78, WuW / E BGH 1643 (1645 f.) „BMW-Importe“; auch OLG München, Urt. v. 23. 5. 1996, U (K) 1951 / 95, WuW / E OLG 5659 (5662) „Versandparfümerie“ und aus neuerer Zeit beispielsweise LG Mannheim, Urt. v. 11. 7. 2003, 7 O 326 / 02, GRUR 2004, S. 182 (183) „Vitaminkartell“. Für die Aufgabe des Kriteriums der „Zielgerichtetheit“ spricht sich Köhler, GRUR 2004, S. 99 (100 ff.), aus.

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Fällen der Schutz des Art. 81 EG nicht in einem Anspruch des Diskriminierten auf den Abschluss des begehrten Vertrages manifestieren sollte. Oben wurde bereits erläutert, dass nicht jede diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems zu einem Verbot nach Art. 81 EG führt. Vielmehr hat nur die systematische diskriminierende Handhabung des Vertriebssystems zur Folge, dass das gesamte System unter Art. 81 EG fällt und damit die dem Vertriebssystem zu Grunde liegenden Verträge nichtig werden. In diesen Fällen stünde die Rechtsfolge des Kontrahierungszwangs im Widerspruch zu der Anordnung der Nichtigkeit. Würde man beide Rechtsfolgen nebeneinander zulassen, entstünde die groteske Situation, dass keinem der ursprünglich zugelassenen Händler mehr Belieferungsansprüche zustünden, weil deren Verträge nichtig wären. Allein der ursprünglich außenstehende Händler könnte die Belieferung verlangen. Da dies ein widersinniges Ergebnis wäre, kommt eine Belieferungspflicht aus einem Verstoß gegen Art. 81 EG nur in Betracht, wenn der Verstoß gegen Art. 81 EG nicht zur Nichtigkeit des gesamten Systems führt. Nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertriebssystems kommt es bei vereinzelten Verstößen gegen die Gleichbehandlungspflicht desjenigen, der das Vertriebssystem betreibt. Isolierte, nicht systematische Nichtzulassungen zu Vertriebssystemen werden schon nicht als Verstöße gegen Art. 81 EG qualifiziert und ziehen deshalb keine Rechtfolgen nach sich. Im Hinblick auf die Rechtsfolge der Nichtigkeit leuchtet das auch ein. Es wäre für alle Beteiligten eine unverhältnismäßige Rechtfolge, wenn einmaliges Fehlverhalten des Herstellers die Unwirksamkeit des gesamten Systems nach sich ziehen würde. Der Hersteller würde durch eine isolierte Verfehlung gegenüber einem einzelnen Händler sein unter Umständen europaweit bestehendes Vertriebssystem gefährden. Die bereits zugelassenen Händler würden für Handlungen des Herstellers „bestraft“, von denen sie oftmals keine Kenntnis haben oder auf die sie zumindest keinen Einfluss haben. Auch aus der Perspektive des diskriminierten Unternehmens ist die Nichtigkeit nicht geeignet, um dessen Interesse an der Teilhabe an dem System des Herstellers zu wahren. Die Nichtigkeit aller Vertriebsverträge anzunehmen, nur weil mit einem anderen Händler kein gleich lautender Vertrag geschlossen worden ist, wäre unverhältnismäßig. Fraglich ist aber, ob es richtig ist, dass nicht systematische Ungleichbehandlungen gar keine Rechtsfolgen nach sich ziehen. Da in den „kleinen“ Fällen vereinzelter Ungleichbehandlungen die Nichtigkeit jedenfalls keine geeignete Rechtfolge ist, scheint es keine andere Möglichkeit zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu geben, als dem diskriminierten Unternehmen einen Anspruch auf Belieferung zuzugestehen.312 Man könnte argumentieren, dass die volle Wirksamkeit des 312 Das betroffene Unternehmen kann zwar nach Art. 3 Abs. 2 b) VO (EWG) Nr. 17 / 62 bei der Kommission einen Antrag stellen, dass diese die Zuwiderstellung feststellt und den Hersteller zur Abstellung der Zuwiderhandlung verpflichtet. Die Kommission verweist die Antragsteller aber zumeist auf den vorrangigen Rechtsschutz durch nationale Gerichte.

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Art. 81 EG beeinträchtigt würde, wenn nicht jede von der Wettbewerbsbeeinträchtigung betroffene Person Schutz vor der Wettbewerbsbeeinträchtigung und Ersatz des ihr entstandenen Schadens verlangen könnte.313 Wenn die Beeinträchtigung in der Verweigerung eines Vertragsabschlusses bestehe, müsse ein Kontrahierungsanspruch die Folge sein. Ansonsten würde Art. 81 EG gegenüber § 20 GWB zu einem „Verbot zweiter Klasse“ degradiert.314 Diese Sichtweise erscheint auf den ersten Blick sehr überzeugend. Es ist kaum verständlich, weshalb die Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Schuldrechts, nach denen ein Schaden grundsätzlich in Form der Naturalrestitution verlangt werden kann, bei einer Verletzung von Art. 81 EG ausgeschlossen sein soll. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass diese Sichtweise nicht ausreichend in Rechnung stellt, dass Art. 81 EG nur vor Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch wettbewerbsschädigende Vereinbarungen schützen soll. Eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung durch wettbewerbsschädigende Vereinbarungen besteht aber erst, wenn der Hersteller das System insgesamt missbräuchlich handhabt. Bei vereinzelten Verstößen geht die Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht von dem Vertriebssystem als solchem aus, sondern primär von dem Hersteller, der es betreibt. Es mag gerade vor dem Hintergrund des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ungerecht erscheinen, dass der diskriminierte Händler keine Möglichkeit hat, sich gegen die Ungleichbehandlung zu wehren, weil nur er allein betroffen ist. Wenn man auf Grund dieses nachvollziehbaren Empfindens einen Weg sucht, um einen Kontrahierungsanspruch begründen zu können, führt dieser Weg aber nicht zu Art. 81 EG. Ein Belieferungsanspruch kann – wenn überhaupt – höchstens in Art. 82 EG verortet werden. Ein Kontrahierungszwang bringt eine erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit für den Verpflichteten mit sich und bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung. Die Rechtfertigung ergibt sich in dem hier interessierenden Fall der Zulassung zu einem selektiven Vertriebssystem aus dem Entschluss des Herstellers für den selektiven Vertrieb seiner Waren.315 Da ein selektives Vertriebssystem immer Wettbewerbsbeeinträchtigungen mit sich bringt, gestattet das EG-Kartellrecht einem Hersteller diese Vertriebsart nur, wenn er sie diskriminierungsfrei durchführt. Da die diskriminierungsfreie Anwendung insbesondere bedeutet, dass der Hersteller mit allen Händlern, die den von ihm aufgestellten Zulassungskriterien objektiv genügen, Vertriebsverträge abschließt, begibt sich der Hersteller durch den Entschluss für einen selektiven Warenvertriebs eines Teils seiner Abschlussfreiheit. Wenn er sich nicht an die Bedingungen hält, unter denen Außerdem kann die Kommission keine Belieferungspflicht aussprechen, EuG, Urt. v. 18. 9. 1992, Rs. T-24 / 90, Slg. 1992, II-2223 (2267 f. Rn. 50 f.) „Automec / Kommission“; so auch Weyer, GRUR 2000, S. 848 (854). 313 EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, Rs. C-453 / 99, Slg. 2001, I-6297 (6323 Rn. 26) „Courage und Crehan“; Brinker in Schwarze, Instrumente zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 107 (108); Grill in Lenz / Borchardt Art. 81 Rn. 40. 314 Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1515). 315 Ähnlich Haslinger, WRP 1999, S. 161 (166).

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die Erlaubnis erteilt wurde, so nutzt er die Macht aus, die ihm durch die Erlaubnis des selektiven Vertriebs gegeben wurde. Die aus der Ausnutzung von wirtschaftlicher Macht resultierende Verpflichtung zum Vertragsschluss passt aber eher in den Kontext des Art. 82 EG als in den des Art. 81 EG. Das Verbot der diskriminierenden Handhabung des Vertriebssystems richtet sich nicht an beide Parteien des Vertriebsvertrages, sondern faktisch nur an den Hersteller und ist insofern untypisch für Art. 81 EG. Folglich löst die vereinzelte diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems keine Rechtsfolgen nach Art. 81 EG aus. Sie führt nicht dazu, dass die dem Vertriebssystem zu Grunde liegenden Vereinbarungen als wettbewerbsschädigende verbotene Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 EG verboten sind. Wollte man einen Kontrahierungszwang annehmen, müsste man die vereinzelte diskriminierende Handhabung des Vertriebssystems als Verstoß gegen Art. 81 EG auslegen und annehmen, dass dieser Verstoß ausnahmsweise nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit auslöst. Einer derartigen Konstruktion stünde aber der eindeutige Wortlaut des Art. 81 Abs. 2 EG entgegen, der keine Ausnahmen von der Nichtigkeit zulässt. Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts kann eine Ausnahme auch nicht aus den nationalen Regelungen zivilrechtlicher Rechtsfolgen hergeleitet werden.316 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich aus einem Verstoß gegen Art. 81 EG regelmäßig kein Kontrahierungszwang ergibt, da dieser vom Schutzzweck des Art. 81 EG nicht geboten ist.317 Auch im Fall der diskriminierenden Nichtzulassung zu einem selektiven Vertriebssystem ergibt sich kein Kontrahierungsanspruch aus Art. 81 EG. Wird die Diskriminierung systematisch begangen, so führt dies dazu, dass das gesamte System nichtig ist. Einen Kontrahierungszwang anzunehmen, stünde im Widerspruch zu der Rechtsfolge der Nichtigkeit. Handelt es sich nur um vereinzelte, diskriminierende Nichtzulassungen, liegt schon kein Verstoß gegen Art. 81 EG vor, so dass sich auch keine Rechtsfolgen aus Art. 81 EG ergeben können. Falls man in diesen Fällen eine Zulassungspflicht des Herstellers annehmen möchte, so kann diese höchstens in Art. 82 EG verankert werden. d) Ergebnis zu 2. Aus einem Verstoß gegen Art. 81 EG ergibt sich die Nichtigkeit der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und unter Umständen ein SchadensersatzWeyer, ZEuP 1999, S. 424 (429). Damit ist nicht entschieden, ob es außerhalb selektiver Vertriebssysteme Konstellationen gibt, in denen ausnahmsweise ein Kontrahierungsanspruch denkbar ist. Dies hält auch das EuG für möglich, EuG, Urt. v. 18. 9. 1992, Rs. T-24 / 90, Slg. 1992, II-2223 (2267 Rn. 50) „Automec / Kommission“; einen Belieferungsanspruch außerhalb von Vertriebsbindungen bejahend, Weyer, GRUR 2002, S. 848 (853 ff.). 316 317

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anspruch in Geld. Ein Kontrahierungsanspruch kann sich aus einem Verstoß gegen Art. 81 EG nicht ergeben. Auch die Nichtzulassung eines Händlers zu einem selektiven Vertriebssystem, obwohl dieser alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, zieht keinen Kontrahierungsanspruch des diskriminierten Unternehmens gegen den Hersteller nach sich.

V. Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu I. bis IV. Art. 81 Abs. 1 EG verbietet das wettbewerbsschädigende Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, während § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB Diskriminierungen durch „relativ marktstarke“ Unternehmen verbietet. Die Anwendung des Art. 81 EG erfordert eine Verhaltenskoordination, wohingegen Diskriminierungen im Sinne des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sowohl rein einseitig durch das „relativ marktstarke“ Unternehmen erfolgen können als auch im Rahmen rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zu Tage treten können. Überschneidungen der Anwendungsbereiche beider Vorschriften bestehen, wenn das „relativ marktstarke“ Unternehmen eine Vereinbarung mit diskriminierendem Inhalt abschließt. Gleiches gilt, wenn ein „relativ marktstarkes“ Unternehmen eine bestehende vertragliche Beziehung einseitig modifiziert und wenn der Adressat der Maßnahme diese Modifikation nachträglich akzeptiert oder ihr im Voraus zugestimmt hat. Rein einseitige Diskriminierungen des „relativ marktstarken“ Unternehmens können hingegen grundsätzlich nicht unter Art. 81 Abs. 1 EG subsumiert werden. Lediglich im Rahmen selektiver Vertriebssysteme kann die einseitige systematische diskriminierende Handhabung des System durch den Hersteller dazu führen, dass die Vertriebsverträge als wettbewerbsschädigende Vereinbarungen nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, obwohl den einzelnen Vertriebsverträgen keine Abrede über die Diskriminierung zu entnehmen ist. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB regelt das Ausnutzen wirtschaftlicher Macht durch „relativ marktstarke“ Unternehmen, wohingegen Art. 81 EG deren Kontrolle nur im Rahmen von Vertikalvereinbarungen ermöglicht. Die Schnittstelle zwischen den beiden Verboten betrifft folglich Diskriminierungen, die im Zusammenhang mit Vertikalvereinbarungen stehen. Sofern beide Verbote anwendbar sind, kommen sie häufig zu ähnlichen Ergebnissen. Dennoch bestehen Unterschiede, die ihren Grund in dem jeweils unterschiedlichen Ansatzpunkt für das Verbot haben. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbietet „relativ marktstarken“ Unternehmen andere unbillig zu behindern oder ohne Grund ungleich zu behandeln. Selbst wenn die Diskriminierung Inhalt einer Vertikalvereinbarung ist, so untersagt § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB dem „relativ marktstarken“ Unternehmen im Grunde eine einseitige Handlung.

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Wird der Vertragspartner diskriminiert, so verbietet § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB das Diktat diskriminierender Vereinbarungsinhalte. Ein Verbot nach Art. 81 EG richtet sich demgegenüber nicht gegen das „einseitige“ Diktat der Vereinbarungsbedingungen, sondern gegen die Vereinbarung an sich. Wird ein drittes Unternehmen durch einen Vertrag diskriminiert, den das „relativ marktstarke“ Unternehmen schließt, so richtet sich § 20 GWB direkt gegen die Handlung gegenüber dem dritten Unternehmen. Art. 81 EG verbietet hingegen die Abrede über die Diskriminierung des dritten Unternehmens. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB geht von einer Situation der „Ungleichheit“ der Kontrahenten aus, in der ein Vertragspartner seine Interessen auf Grund seiner wirtschaftlichen Macht einseitig durchsetzen kann und verbietet das missbräuchliche Ausnutzen dieser Ungleichheit. Art. 81 Abs. 1 EG geht im Ansatz hingegen von der Wettbewerbsschädlichkeit der Vereinbarungen an sich – unabhängig von der Verhandlungsstärke der beteiligten Unternehmen – aus.318 Bei der Frage, ob Vertikalvereinbarungen nach Art. 81 Abs. 3 EG erlaubt sind, spielt zwar die Marktmacht der beteiligten Unternehmen eine Rolle, das Machtgefälle zwischen den Vereinbarungspartnern aber nicht. Das unterschiedliche Regelungsregime für Vertikalvereinbarungen lässt sich dadurch erklären, dass sie eine Zwitterstellung zwischen dem per se Verbot horizontaler Vereinbarungen und der Missbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen einnehmen. Einerseits sind Verträge zwischen Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen Ausdruck normaler Geschäftstätigkeit. Es ist daher selbstverständlich, dass sie nicht per se wettbewerbsschädlich sind, sondern nur bei Hinzutreten besonderer Umstände. Im deutschen Recht sind Vertikalvereinbarungen daher grundsätzlich zulässig. Per se verboten sind nur Preis- und Konditionenbindungen nach § 14 GWB und Vertikalvereinbarungen in Lizenzverträgen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GWB. Ausschließlichkeitsbindungen unterliegen einer Missbrauchskontrolle nach § 16 GWB. Die kartellrechtliche Kontrolle vertikaler Vereinbarungen, insbesondere selektiver Vertriebssysteme, erfolgt in der Praxis nicht allein anhand der Sonderregeln der §§ 14 ff. GWB, sondern ganz wesentlich am Maßstab des § 20 GWB.319 Im EG-Kartellrecht sind Vertikalvereinbarungen zwar vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst, werden aber weitgehend durch die Gruppenfreistellungsverordnung VO (EG) Nr. 2790 / 1999 erfasst. Diese umfassende Gruppenfreistellungsverordnung hat die Kommission auf Grund der – auch in Deutschland vorherrschenden – Erkenntnis erlassen, dass Vertikalvereinbarungen insbesondere zur Gestaltung von Vertriebssystemen regelmäßig wettbewerbsfördernde Wirkungen haben, Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 69. Bergmann, ZWeR 2004, S. 28 (42); Becker / Pfeiffer, ZWeR 2004, S. 268 (270), meinen ebenfalls der Schwerpunkt bei Entscheidungen zu selektiven Vertriebssystemen liege häufig bei § 20 GWB; Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1509), bezeichnet § 20 GWB hingegen als „stumpfes Schwert“ bei der Kontrolle selektiver Vertriebssysteme. 318 319

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

die gegenüber den durch sie verursachten Wettbewerbsbeschränkungen überwiegen. Durch diese Gruppenfreistellungsverordnung wird das im Hinblick auf Vertikalvereinbarungen zu weit geratene Kartellverbot des Art. 81 EG korrigiert.320 An ihr zeigt sich deutlich die neue Politik der Kommission, vertikale Vereinbarungen im Gegensatz zu horizontalen Vereinbarungen nicht mehr per se als wettbewerbsfeindlich einzustufen.321 Vielmehr lässt – ausgenommen von so genannten Kernbeschränkungen, die nach wie vor per se als wettbewerbsschädlich gelten – erst das Hinzutreten weiterer Umstände Vertikalvereinbarungen wettbewerblich bedenklich erscheinen. Zu diesen Umständen zählt insbesondere die Marktmacht der beteiligten Unternehmen.322 Da die Beurteilung der Wettbewerbsfeindlichkeit einer vertikalen Vereinbarung entscheidend von deren Auswirkung auf dem Markt abhängt,323 legt die VO (EG) Nr. 2790 / 1999 wie auch andere Gruppenfreistellungsverordnungen324 Marktanteilsschwellen fest, deren Überschreiten dazu führt, dass der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellungsverordnung entfällt. Die Einbeziehung des Marktmachtmachtaspektes führt zu einer Annäherung der Kontrolle vertikaler Vereinbarungen im europäischen und im deutschen Recht.325 Beide Rechtsordnungen verbieten Vertikalvereinbarungen nur, wenn ein an ihr beteiligtes Unternehmen eine gewisse Machtstellung innehat und wenn bestimmte besonders wettbewerbsfeindliche Inhalte vereinbart werden. Hinzu kommt, dass sich aus Erwägungsgrund (9) der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 ergibt, dass diese bezweckt, die Unabhängigkeit der Händler und Werkstätten von den Automobilherstellern zu stärken.326 Da dies ebenfalls ein Zweck des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist, ergibt sich insofern auch eine Kongruenz des europäischen mit dem deutschen Regelungsziel bei der Kontrolle vertikaler Vereinbarungen. 320 Rittner in Schwarze, Instrumente zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 41 (42). 321 Diese neue Politik der Kommission kommt nicht nur in der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 zum Ausdruck, sondern auch in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen und in der VO (EG) Nr. 1400 / 2002. So auch Pfeffer, NJW 2002, S. 2910 (2911). Zum neuen Ansatz der Kommission, vgl. Brinker in Schwarze, Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 59 (63 ff.). 322 So ausdrücklich für den Kraftfahrzeugsektor die Kommission, Erwägung (6) der VO (EG) Nr. 1400 / 2002. 323 Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 (44 Rn. 229). 324 Vgl. zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 S. 1 und 2 VO (EG) Nr. 1400 / 2002. 325 Durch die Einbeziehung des Marktmachtaspektes sei der europäische Verordnungsgeber dem GWB 30% entgegengekommen, Schultze / Pautke / Wagener Einleitung Rn. 15. Mäsch, ZIP 1999, S. 1507 (1508), meint demgegenüber – allerdings hinsichtlich der Rechtslage vor Erlass der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 –, die deutsche und eurpäische Perspektive zeigten bei selektiven Vertriebssystemen ein höchst unterschiedliches Bild. 326 Grams, RIW 2003, S: 327 (330). Die Unabhängigkeit der Händler zu stärken war bereits Ziel der alten Kfz-GFVO, der VO (EG) Nr. 1475 / 1995, die dieses Ziel aber verfehlt hat. So Creutzig, EuZW 2002, S. 560 (560); Grams, RIW 2003, S. 327 (329); Pfeffer, NJW 2003, S. 2910 (2910).

B. Diskriminierung als verbotene Verhaltenskoordination

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Diese Annäherung bestätigt die Annahme, dass auf europäischer und auf deutscher Ebene tendenziell die gleichen Sachverhalte als wettbewerbsschädigend eingestuft werden. Vertikalvereinbarungen gelten nicht per se als wettbewerbsschädlich, sondern nur bei Hinzutreten einer gewissen Marktmacht. Dennoch bedienen sich die europäische und die deutsche Rechtsordnung unterschiedlicher Instrumente, um missbilligte Verhaltensweisen zu unterbinden. Daraus ergeben sich auch die Unterschiede, die oben im Einzelnen herausgearbeitet worden sind. Ein besonders gravierender Unterschied ist, dass eine wichtige und sehr häufig eingeklagte Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, der Belieferungsanspruch, auf Grund eines Verstoßes gegen Art. 81 EG nicht gewährt werden kann. Der Grund dafür ergibt sich aus dem unterschiedlichen dogmatischen Verbotsansatz der Vorschriften.

VI. Ergebnis zu B. Art. 81 EG beinhaltet keinen dem § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entsprechenden Ansatz eines Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes. Zwischen den beiden Vorschriften bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede. Daher können die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Diskriminierungen und Behinderungen nicht pauschal unter Art. 81 EG subsumiert werden. Dennoch sind viele von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Verhaltensweisen auch von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst. Abstrakt gilt das für alle Diskriminierungen, die gerade im Abschluss eines Rechtsgeschäfts bestehen. Sofern in das Rechtsgeschäft eine Abrede über die Diskriminierung hineininterpretiert werden kann, knüpft ein Verbot nach Art. 81 Abs. 1 EG an dieses Rechtsgeschäft an. Einseitige Handlungen des „relativ marktstarken“ Unternehmen können demgegenüber nicht unter Art. 81 EG subsumiert werden. Die einzige „faktisch einseitige“ Diskriminierung, die von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst ist, ist die systematische diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems durch den Hersteller. Dies ist ausnahmsweise möglich, indem auf das Vertriebssystem insgesamt abgestellt wird und infolgedessen auf den konkreten Nachweis des wettbewerbsschädigenden Inhalts der Vertriebsverträge verzichtet werden kann. Im Einzelnen hat sich hinsichtlich der unterschiedlichen Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB gezeigt, dass Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere unternehmensbedingt abhängig sind, im europäischen Recht regelmäßig am Maßstab des Art. 81 EG kontrollierbar sind. In dieser Fallgruppe existieren Geschäftsbeziehungen zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und anderen Unternehmen, an die für ein Verbot nach Art. 81 EG angeknüpft werden kann. Höchstrichterlich ist bislang nur die unternehmensbedingte Abhängigkeit eines Kfz-Vertraghändlers von dessen Automobilhersteller anerkannt. Hier bestehen mit den Vertriebsvereinbarungen immer sowohl wettbewerbsschädigende Vereinbarun-

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

gen im Sinne des Art. 81 EG als auch unternehmensbedingte Abhängigkeiten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB. Die Vertriebsvereinbarungen sind Vertikalvereinbarungen und fallen daher größtenteils unter die VO (EG) Nr. 1400 / 2002. Wenn eine Vereinbarung einen Inhalt hat, der im deutschen Recht als Diskriminierung eingestuft wird, entfällt im europäischen Recht der Vorteil der Gruppenfreistellungsverordnung regelmäßig. Auch in der Fallgruppe der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit bestehen Geschäftsbeziehungen, so dass eine Kontrolle am Maßstabe des Art. 81 EG zumeist möglich ist. Hinsichtlich der sortimentsbedingten Abhängigkeit bestehen keine so weitgehenden Überschneidungen. Gegenstand aller höchstrichterlichen Urteile war das Bestehen von Belieferungsansprüchen, also die Verweigerung des Vertragsabschlusses. Insofern bestehen regelmäßig keine Vereinbarungen zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen, an die für ein Verbot angeknüpft werden könnte. Wenn die Ware, hinsichtlich der die Abhängigkeit besteht, über ein selektives Vertriebssystem vertrieben wird, kann die Verweigerung der Aufnahme, zumindest wenn sie systematisch erfolgt, als diskriminierende Handhabung des Vertriebssystems zu einem Verbot des Vertriebssystems nach Art. 81 EG führen. Sie führt aber nicht zu einem Belieferungsanspruch. Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere umgekehrt sortimentsbedingt oder mangelbedingt abhängig sind, sind mangels wettbewerbsschädigender Vereinbarungen nicht nach Art. 81 EG verboten.

C. Diskriminierung durch „relativ marktstarke“ Unternehmen als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG Art. 82 EG verbietet einem oder mehreren Unternehmen die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben, soweit dadurch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann. Das Verbot des Art. 82 EG setzt folglich die Erfüllung dreier Tatbestandsmerkmale voraus: Das Bestehen einer beherrschenden Stellung, ihre missbräuchliche Ausnutzung und die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.327 Schon diese Aufzählung der Tatbestandsvoraussetzungen lässt Ähnlichkeiten zwischen der Regelung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und dem europäischen Missbrauchsverbot erkennen. 327 EuGH, Urt. v. 29. 2. 1968, Rs. 24 / 67, Slg. 1968, 86 (112) „Parke, Davis and Co. / Probel u. a.“.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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Beide Vorschriften richten sich an eine bestimmte Gruppe von Unternehmen und verbieten diesen gewisse Verhaltensweisen. Beide sind Instrumente zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht. Die wirtschaftliche Macht hat nach dem Wortlaut der Vorschriften zwar unterschiedliche Ursachen – einmal resultiert sie aus einer marktbeherrschenden Stellung und einmal aus dem Abhängigkeitsverhältnis zu einem anderen Unternehmen, sie ist aber dennoch deren gemeinsame Voraussetzung. Durch beide Vorschriften wird das Verhalten der Inhaber einer Machtposition kontrolliert. Auch zwischen den jeweils verbotenen Tathandlungen sind auf den ersten Blick Gemeinsamkeiten zu erkennen. Die missbräuchliche Ausnutzung nach Art. 82 EG wie die Diskriminierung nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sind normativ missbilligenswerte primär einseitige Handlungen. Im Vordergrund steht jeweils die Kontrolle tatsächlicher Verhaltensweisen. Selbst wenn die Missbräuche und Diskriminierungen wie so häufig in Vertragsbeziehungen eingebettet sind, ist sowohl bei § 20 GWB als auch bei Art. 82 EG das einseitige Diktat der Vertragsbedingungen und nicht der Vertrag an sich Anknüpfungspunkt für das Verbot.328 Inwieweit diese nach dem ersten Eindruck bestehenden Übereinstimmungen dazu führen, dass die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. 1 GWB verbotenen Handlungen auch von Art. 82 EG erfasst sind, wird sich aus der detaillierten Analyse der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 82 EG ergeben.

I. „Relativ marktstarke“ Unternehmen als Normadressaten des Art. 82 EG Normadressaten des Art. 82 EG sind Unternehmen, die allein oder mit anderen Unternehmen gemeinsam über eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben verfügen. Die Feststellung der Normadressateneigenschaft hat also drei Voraussetzungen. Erstens muss es sich um ein Unternehmen handeln. Zweitens muss dieses Unternehmen allein oder mit anderen gemeinsam eine beherrschende Stellung innehaben und drittens muss sich die beherrschende Stellung auf den gesamten Gemeinsamen Markt oder einen wesentlichen Teil desselben erstrecken. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB richtet sich an Unternehmen, von denen kleine oder mittlere Unternehmen abhängig sind. Auch hier müssen damit drei Voraussetzungen erfüllt sein, um die Normadressateneigenschaft feststellen zu können. Der potentielle Normadressat muss ein Unternehmen sein. Von diesem muss ein anderes Unternehmen abhängig sein, und das abhängige Unternehmen muss ein kleines oder mittleres Unternehmen sein. 328 Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 278; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 26.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Da der Unternehmensbegriff auch im Kontext des Art. 82 EG funktional zu verstehen ist,329 bestehen hinsichtlich der ersten Voraussetzung der Normadressateneigenschaft keine Unterschiede zwischen den beiden Vorschriften.330 Schwieriger ist der Vergleich des Bestehens einer „beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt“ mit der „Abhängigkeit eines kleinen oder mittleren Unternehmens“. Der EG-Vertrag enthält keine Definition der „beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt“. Die Interpretation dieses Tatbestandmerkmals erfolgt daher durch die Praxis. Im Laufe der vergangenen 45 Jahre hat sich eine kaum bestrittene Vorgehensweise zur Feststellung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt herausgebildet. Zunächst wird der Markt abgegrenzt und anschließend wird geprüft, ob der potentielle Normadressat auf diesem Markt eine beherrschende Stellung innehat.

1. Vorüberlegung: Methode zur Ermittlung der beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt Dieser Doppelschritt ist als Methode zur Ermittlung der beherrschenden Stellung weitgehend anerkannt.331 Für missbräuchliche Verhaltensweisen im Horizontalverhältnis, also gegenüber Wettbewerbern, ist die Nützlichkeit dieser Methode soweit ersichtlich unbestritten.332 Hinsichtlich missbräuchlicher Verhaltensweisen in Vertikalverhältnissen ist eine kleine Gruppe, ursprünglich hauptsächlich französischer Autoren, anderer Ansicht.

329 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 4; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 21; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 82 Rn. 4 und Art. 81 Rn. 31. 330 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 72 f. 331 Zum Beispiel v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 73 f.; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 009, S. 685; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 504 Rn. 871; Bishop / Walker, Economics of EC Competition Law, Rn. 4.04, S. 83; Bunte, Kartellrecht, S. 414; Deringer Art. 86 Rn. 10; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 17; Emmerich, Kartellrecht, S. 426 f.; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 27; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 18 Rn. 7, S. 402; Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 19, 22; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 375; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 38; Nagel, ZIP 1993, S. 987 (992); Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.1., S. 331; I. Schmidt, WuW 1965, S. 453 (453); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 82 Rn. 5; Zäch, Wettbewerbsrecht der EU, S. 236. 332 Glais, RMC 1987, S. 203 (205); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 123.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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a) Erste Ansicht: Lehre vom „partenaire obligatoire“ Die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ unterscheiden bei der Ermittlung der beherrschenden Stellung zwischen Horizontal- und Vertikalverhältnissen. Bei missbräuchlichen Verhaltensweisen in Vertikalverhältnissen verzichten sie auf die Abgrenzung des relevanten Marktes.333 Eine beherrschende Stellung setze ein Beherrschungsobjekt voraus. Dieses müsse aber nicht – wie überwiegend angenommen wird – der Markt sein. Eine beherrschende Stellung könne vielmehr auch durch die Beherrschung eines einzelnen Handelspartners begründet werden. Werde ein Unternehmen von einem Handelspartner missbräuchlich behandelt, so komme den Marktverhältnissen bei der Beurteilung dieser Verhaltensweise keine Bedeutung zu. Die Fähigkeit, einen Handelspartner missbräuchlich zu behandeln, resultiere allein aus der Machtstellung diesem gegenüber. Da diese Machtstellung durch dessen wirtschaftliche Abhängigkeit begründet werde, sei die Marktposition des missbräuchlich Handelnden im Übrigen irrelevant. Es genüge daher in Vertikalverhältnissen, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Handelspartner von dem potentiell beherrschenden Unternehmen nachzuweisen.334 Als Kriterien zur Feststellung der wirtschaftlichen Abhängigkeit werden die Dauer der Geschäftsbeziehung und die Schwierigkeit des abhängigen Unternehmens, einen Ersatz für den beherrschenden Partner zu finden, genannt.335 Die Vorzüge dieser Vorgehensweise versuchen sie anhand einiger Entscheidungen der EG-Organe zu verdeutlichen, die missbräuchliche Verhaltensweisen in Vertikalverhältnissen zum Gegenstand hatten. Im Fall „Hugin / Liptons“336 wäre der relevante Markt künstlich eng auf Original-Ersatzteile von Hugin begrenzt worden, um dessen beherrschende Stellung begründen zu können.337 Diese gekünstelte Konstruktion hätte durch die Anwendung der Lehre vom „partenaire obligatoire“ vermieden werden können.338 Danach hätte es allein des Nachweises 333 Fishwick, Definition of the relevant market, S. 43 f.; Glais, RMC 1987, S. 203 (205 f.); Glais / Laurent, Traité de l’économie et de droit de la concurrence, S. 261 ff., 266 f.; Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 177, 134; Hoet, RMC 1989, S. 135 (156 f.); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122 f. 334 Glais, RMC 1987, S. 203 (205 f.); Glais / Laurent, Traité de l’économie et de droit de la concurrence, S. 261 ff.; Hoet, RMC 1989, S. 135 (156 f.); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122. 335 Glais, RMC 1987, S. 203, 206; Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 126; Piriou, GRUR Int. 1980, S. 407 (409). 336 Zum Fall „Hugin / Liptons“ s. u. Dritter Teil, C.I.2.b)bb)(1). 337 Hoet, RMC 1989, S. 135 (152 f.). 338 Glais / Laurent, Traité de l’économie et de droit de la concurrence, S. 289; Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 118, hält die Marktabgrenzung in den EuGH-Entscheidungen Urt. v. 20. 3. 1985, Rs. 41 / 83, Slg. 1985, 873 (886 Rn. 21 f.) „Italien / Kommission“, Urt. v. 13. 11. 1975, Rs. 26 / 75, Slg. 1975, 1367 (1379 Rn. 7 / 9) „General Motors / Kommission“, Urt. v. 11. 11. 1986, Rs. 226 / 84, Slg. 1986, 3263 (3300 Rn. 9) „British Leyland / Kommission“ für konstruiert.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

der wirtschaftlichen Abhängigkeit Liptons von Hugin bedurft. Die Marktabgrenzung wäre obsolet gewesen. Außerdem sei der Abhängigkeitsbegriff im Sinne der Lehre vom „partenaire obligatoire“ im deutschen und im französischen Kartellrecht bekannt.339 Auch in der deutschen Literatur hat die Lehre vom „partenaire obligatoire“ vereinzelt Anhänger gefunden. So meint beispielsweise Schröter, in den Fällen der monopolbedingten, der mangelbedingten und der unternehmensbedingten Abhängigkeit auf die Abgrenzung des relevanten Marktes verzichten zu können.340 Da Art. 82 EG nicht den Begriff „Marktbeherrschung“ verwende, sei es durchaus möglich, die beherrschende Stellung aus der Beherrschung eines Handelspartners zu folgern.341 Ähnlich äußert sich Möschel.342 Der Nachweis eines vertikalen Abhängigkeitsverhältnisses könne zur Begründung einer beherrschenden Stellung genügen. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis liege vor, wenn Lieferanten oder Abnehmer auf das potentiell beherrschende Unternehmen wirtschaftlich angewiesen sind. Die Abhängigkeit könne mangel- oder unternehmensbedingt sein. Ob Möschel auf die Marktabgrenzung verzichten möchte, wird nicht deutlich. Auch in der englischen Literatur findet teilweise eine Auseinandersetzung dieser These statt. Ritter / Braun / Rawlinson halten das Konzept des „obligatory trading partner“ zur Definition der beherrschenden Stellung in Vertikal- und Konglomeratverhältnissen geeignet.343 Allerdings meinen sie, dieses Konzept sei nur die Kehrseite der Marktbeherrschung und dehne daher den Anwendungsbereich des Art. 82 EG nicht aus.344 Neben der Lehre vom „partenaire obligatoire“ versuchen auch neuere Ansätze in der ökonomischen Analyse, die Macht eines Unternehmens ohne vorangehende Marktabgrenzung zu bestimmten. Es komme allein auf die Fähigkeit eines Unternehmens an, möglichst hohe Preise durchzusetzen.345 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Unternehmen Preise oberhalb der Grenzkosten nur durchsetzen kann, wenn es über eine gewisse wirtschaftliche Macht verfügt.346 Diese Macht lasse sich im Lerner-Index quantifizieren, der den negativen Quotienten der indivi339 Hoet, RMC 1989, S. 135 (139, 141); Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 124, meint, die Fälle des § 20 Abs. 2 S. 1 GWB gingen „mit den Gedanken der Lehre vom ,partenaire obligatoire‘ konform“. 340 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122. 341 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122. 342 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 72. 343 Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 340 ff. 344 Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 342. 345 Van den Bergh / Camesasca, European Competition Law and Economics, S. 94 f.; vgl. dazu Landes / Posner, Harv.L.Rev. 94 (1981), S. 937 (941). 346 „Market power is the ability to set price above marginal cost.“, Landes / Posner, Harv.L.Rev. 94 (1981), S. 937 ff.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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duellen Nachfrageelastizität darstellt ((P-M) / P=1 / e).347 Diese Methode mag zwar die wirtschaftliche Potenz eines Unternehmens realistisch widerspiegeln, hat sich aber in der Kartellrechtspraxis zu Recht nicht durchgesetzt. Die Grenzkosten und die Nachfrageelastizität für ein Produkt sind praktisch nicht zu ermitteln.348

b) Zweite Ansicht: Ermittlung des Beherrschungsgrads auf einem zuvor abgegrenzten Markt Überwiegend erfolgt die Ermittlung der beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt unabhängig davon, ob das missbräuchliche Verhalten im Rahmen eines horizontalen oder eines vertikalen Verhältnisses erfolgt. Es wird immer zunächst der Markt abgegrenzt und dann der Beherrschungsgrad auf diesem Markt festgestellt.349 Dies habe seinen Grund darin, dass eine beherrschende Stellung nie global bestehe, sondern immer nur im Hinblick auf einen speziellen Aktionsbereich des betreffenden Unternehmens.350 Daher bedürfe die Feststellung einer beherrschenden Stellung notwendigerweise eines Bezugsobjektes.351 Dieses Bezugsobjekt sei immer der relevante Markt. Die Formulierung des Art. 82 EG „beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt“ und auch die Definition der beherrschenden Stellung durch die EG-Organe352 zeige, dass Art. 82 EG das so genannte Marktmachtkonzept zugrunde liege.353 Nach diesem Konzept sei die Abgrenzung des relevanten Marktes notwendige Voraussetzung für die Ermittlung des Beherr347 Es gilt: P = Preis und M = Grenzkosten. Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 53; Landes / Posner, Harv.L.Rev. 94 (1981), S. 937 (939 ff.). 348 Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 74. 349 Zum Beispiel EuGH, Urt. v. 31. 3. 1998, verbundene Rs. C-68 / 94 und C-30 / 95, Slg. 1998, I-1453 (1495 Rn. 143) „Frankreich u. a. / Kommission“ (Kali&Salz); Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3793 Rn. 25) „L’Oréal / De Nieuwe Amck“; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 73 f.; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 009 ff., S. 685 ff.; Bunte, Kartellrecht, S. 414; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 17; Emmerich, Kartellrecht, S. 426 f.; Geiger Art. 82 Rn. 4; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 27; Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 19, 22; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 375; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 38; Nagel, ZIP 1993, S. 987 (992); Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.1., S. 331; I. Schmidt, WuW 1965, S. 453 (453); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 82 Rn. 5. 350 Deringer Art. 86 Rn. 10; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 316; Emmerich, Kartellrecht, S. 427; Fischer / Köck, Europarecht, S. 331. 351 Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 011, S. 686; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 17. 352 Die Definition der beherrschenden Stellung durch die EG-Organe wird unten, Dritter Teil, C.I.2.b), ausführlich erörtert. 353 Bunte, Kartellrecht, S. 414; Emmerich, Kartellrecht, S. 427; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 26.

8 Taube

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

schungsgrades.354 Ziel der Marktabgrenzung sei es, den Tätigkeitsbereich des potentiellen Beherrschers zu individualisieren. Nur so könne Aufschluss über dessen Markt- und Wettbewerbsposition gewonnen werden und ein fundiertes Urteil darüber gefällt werden, ob das Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat.355

c) Stellungnahme Die Frage, ob Art. 82 EG immer eine Marktabgrenzung erfordert oder ob im Rahmen von Vertikalverhältnissen der Nachweis eines wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses genügt, ist gerade für die im Rahmen dieser Untersuchung interessierenden Konstellationen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB von Bedeutung. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB erfordert gerade keine Marktbeherrschung, sondern nur eine vertikale Abhängigkeitsbeziehung zwischen dem Normadressaten und einem anderen Unternehmen. Die Lehre vom „partenaire obligatoire“ knüpft ebenfalls an die wirtschaftliche Abhängigkeitsbeziehung zwischen zwei Unternehmen an, indem sie annimmt, dass die Abhängigkeit eines Unternehmens von einem Handelspartner eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt begründen könne. Die beherrschende Stellung bestehe in diesen Fällen unabhängig von den Wettbewerbsverhältnissen, wodurch eine Marktabgrenzung in diesen Fällen überflüssig sei. Wäre diese Annahme richtig, so wären die Normadressaten des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB regelmäßig zugleich Inhaber einer beherrschenden Stellung nach Art. 82 EG (die Anwendbarkeit des Europarechts vorausgesetzt). Voraussetzung wäre allerdings, dass sich die Definition der Abhängigkeit durch die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ mit der des Abhängigkeitsbegriffes im Rahmen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB deckt. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, könnte dennoch nicht pauschal der Schluss gezogen werden, alle Konstellationen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB würden von Art. 82 EG erfasst. Es bestünden dennoch einige Unterschiede. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB erfordert die Abhängigkeitsbeziehung nur zur Begründung der Normadressateneigenschaft. Ist ein Unternehmen Normadressat, so sind ihm Diskriminierungen gegenüber allen Marktteilnehmern verboten, also nicht nur gegenüber dem abhängigen Unternehmen, sondern auch gegenüber anderen Handelspartnern und Wettbewerbern. Die Lehre vom „partenaire obligatoire“ geht im Gegensatz dazu davon aus, dass die beherrschende Stellung auf Grund einer wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht absolut, sondern nur gegenüber dem abhängigen Unternehmen besteht. Anknüp354 355

v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 73 f., 74 Fn. 1, der dies als allgemeine Ansicht darstellt. Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 17.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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fungspunkt ist die missbräuchliche Handlung. Erfolgt diese gegenüber einem Handelspartner, so genügt zur Begründung einer beherrschenden Stellung zwar der Nachweise dessen Abhängigkeit. Die beherrschende Stellung besteht aber auch nur gegenüber dem abhängigen Unternehmen, weshalb das beherrschende Unternehmen auch nur diesem gegenüber zu besonderer Rücksicht verpflichtet wird. Gegenüber allen anderen Marktteilnehmern obliegen dem betreffenden Unternehmen keine Verhaltenspflichten. Hieran erkennt man, dass die Lehre vom „partenaire obligatoire“ von der französischen Gesetzeslage inspiriert ist. Im französischen Recht existieren zwei Regelungen, die die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht zum Gegenstand haben: Art. L 420 – 2 Code de Commerce (Art. 8 – 2 WVO) und Art. L 442 – 6-I (2 b) Code de Commerce. Ersterer verbietet die missbräuchliche Ausnutzung der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines Abnehmers oder Zulieferers. Letzterer normiert eine Schadensersatzpflicht desjenigen, der die Abhängigkeit eines Partners missbraucht, indem er diesen an ungerechtfertigte Bedingungen oder Verpflichtungen bindet. Beide Artikel des Code de Commerce verbieten dem Inhaber wirtschaftlicher Macht deren Ausnutzung gegenüber dem wirtschaftlich Abhängigen, so wie es die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ auch im Rahmen des Art. 82 EG propagieren. Das Konzept des deutschen § 20 Abs. 2 GWB unterscheidet sich aber von dem französischen Konzept, denn im Rahmen des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht nicht nur gegenüber dem Abhängigen verboten. Der Inhaber einer aus der Abhängigkeit anderer resultierenden Machtstellung muss sich die Kontrolle seines Verhaltens vielmehr gegenüber allen Marktteilnehmern gefallen lassen. Insofern ist der Hinweis, auch das deutsche Recht kenne diese Abhängigkeit, kein Argument für die Auslegung der Art. 82 EG im Sinne der Lehre vom „partenaire obligatoire“. Der Hinweis auf die deutsche Rechtslage ist auch insofern nicht überzeugend, als das deutsche Recht diesen Begriff in § 20 Abs. 2 GWB zwar kennt, hierdurch aber gerade keine beherrschende Stellung begründet wird. Weil die Abhängigkeit allein nicht zur Begründung von Marktbeherrschung im Sinne der § 19 GWB und § 20 Abs. 1 GWB ausreicht, hat der Gesetzgeber eine eigene Vorschrift geschaffen. Die Interpretation des Art. 82 EG im Sinne der Lehre vom „partenaire obligatoire“ erscheint als Versuch, nationale Besonderheiten der französischen oder der deutschen Kartellrechtsordnung in Art. 82 EG hinein zu interpretieren. Es werden dementsprechend auch wenige Argumente zur Begründung dieser These vorgebracht. Schröter meint, da Art. 82 EG den Begriff der „Marktbeherrschung“ nicht verwende, müsse der Markt nicht notwendig das Beherrschungsobjekt sein.356 Dies ist aber nicht überzeugend. Art. 82 EG spricht zwar nicht von 356

8*

Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

„Marktbeherrschung“, aber doch von „beherrschender Stellung auf dem Gemeinsamen Markt“, womit im Wortlaut eindeutig ein Marktbezug angelegt ist. Bei die wirtschaftlichen Abhängigkeit nur eines einzelnen Unternehmens besteht der erforderliche Marktbezug aber nicht. Es ist auch schwer vorstellbar, wie durch das Abhängigkeitsverhältnis zu bloß einem Unternehmen ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes beherrscht werden soll.357 Zur Begründung ihrer These wird weiterhin angeführt, das klassische Konzept tauge bei missbräuchlichen Verhaltsweisen in Vertikalverhältnissen nicht zur Feststellung einer beherrschenden Stellung. Es müssten künstlich Märkte eng abgegrenzt werden, um Art. 82 EG anwenden zu können. Dies überzeugt ebenfalls nicht. Der EuGH ist insbesondere im Fall „Hugin / Liptons“ zu einem Ergebnis gekommen, das auch die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ für richtig halten.358 Der Vorwurf, das Vorgehen des EuGH wirke gekünstelt, ist nicht begründet. Im Übrigen entspricht diese Vorgehensweise der des BGH, der den Markt teilweise ebenfalls sehr eng abgrenzt.359 Für von den Vertretern der Lehre vom „partenaire obligatoire“ vorgenommene Differenzierung zwischen Vertikal- und Horizontalverhältnissen könnte ein Vergleich mit Art. 81 EG sprechen. Im Rahmen des Art. 81 EG werden Vertikalvereinbarungen zumindest seit der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 ausdrücklich anders behandelt, als Horizontalvereinbarungen. Auch diese Argumentation ist aber nicht überzeugend. Vertikalvereinbarungen werden im Rahmen des Art. 81 EG als gegenüber Horizontalvereinbarungen weniger gefährlich eingeschätzt und daher grundsätzlich für zulässig erachtet. Die Anwendung der Lehre vom „partenaire obligatoire“ bei Art. 82 EG würde zu einer Herabsetzung der Aufgreifkriterien und damit zu einer strengeren Behandlung vertikaler Missbräuche führen. Die Lehre vom „partenaire obligatoire“ kann folglich nicht überzeugen. Zur Herstellung des bei Art. 82 EG erforderlichen Marktbezuges muss immer eine Abgrenzung des relevanten Marktes erfolgen. Das Beherrschungsobjekt im Sinne des Art. 82 EG ist der Markt. Hiermit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob und inwieweit die wirtschaftliche Abhängigkeit von Handelspartnern ein Kriterium zur Feststellung einer beherrschenden Stellung auf diesem relevanten Markt sein kann. Denn Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeiten ist häufig missbilligenswert. Dies kommt in diversen Entscheidungen der Kommission und des EuGH zum AusHübschle in Lange, Hdb KartellR, Kap. 4 Fn. 169, S. 328. s. u. Dritter Teil, C.I.2.b)bb)(1). 359 Der BGH nimmt regelmäßig an, der Markt für Original-Ersatzteile könne der sachlich relevante Markt sein, vgl. etwa BGH, Urt. v. 27. 4. 1999, KZR 35 / 97, WuW / E DE-R 357 (357 f.) „Feuerwehrgeräte“; Urt. v. 21. 2. 1989, KZR 3 / 88, WuW / E BGH 2589 (2590) „Frankiermaschinen“; Beschl. v. 26. 5. 1981, KRB 1 / 81, WuW / E BGH 1891 (1892) „Ölbrenner II“; Urt. v. 26. 10. 1972, KZR 54 / 71, WuW / E BGH 1238 (1242) „Registrierkassen“. 357 358

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druck, in denen die Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeiten als missbräuchliche Verhaltensweisen bewertet worden ist. Dennoch kann dies nicht zu einer derart extensiven Auslegung des Art. 82 EG führen, wie die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ es befürworten. Sonst würde eine missbräuchliche Verhaltensweise die Normadressateneigenschaft indizieren. Dieser Ansicht sind wohl auch Ritter / Braun / Rawlinson, die das Konzept des „obligatory trading partner“ nur als die Kehrseite der Marktbeherrschung bezeichnen.360

d) Ergebnis zu 1. Das Beherrschungsobjekt im Rahmen des Art. 82 EG ist der Markt. Daher erfordert die Feststellung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt als ersten Schritt immer die Abgrenzung des relevanten Marktes.

2. Beherrschende Stellung auf Grund „relativer Marktmacht“ Um feststellen zu können, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, muss zunächst das Beherrschungsobjekt durch die Abgrenzung des relevanten Marktes konkretisiert und dann der Beherrschungsgrad ermittelt werden. Diese Methode entspricht der Vorgehensweise zur Bestimmung der Normadressateneigenschaft nach § 20 Abs. 2 GWB. Auch im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB wird zunächst der relevante Markt abgegrenzt und dann das Bestehen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten auf diesem Markt ermittelt. Fraglich ist, inwieweit sich die Marktabgrenzungen bei Art. 82 EG und bei § 20 Abs. 2 GWB entsprechen und inwieweit sich die Kriterien zur Ermittlung einer beherrschenden Stellung und des Bestehens von ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten entsprechen.

a) Marktabgrenzung Ziel der Marktabgrenzung ist es, das Gebiet einzugrenzen, auf dem Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen, um die Wettbewerbskräfte ermitteln zu können, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist.361 Die EG-Organe neigen tendenziell zu einer engen Marktabgrenzung, um zu überschaubaren Marktverhältnissen zu kommen.362 Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 340 ff. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (5 Rn. 2); Bishop / Walker, Economics of EC Competition Law, Rn. 4.05, S. 84 und Rn. 4.07, S. 85; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 27; Säcker, ZWeR 2004, S. 1 (6); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 123. 360 361

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Wettbewerb besteht nur zwischen Produkten, die eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen. Die Produkte müssen in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht gegeneinander austauschbar sein.363 Die Individualisierung der Produkte, die sachlich einen Markt bilden, erfolgt im europäischen Recht wie auch im deutschen Recht364 nach dem Bedarfsmarktkonzept.365 Hiernach gehören zu einem Markt „sämtliche Erzeugnisse und / oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden“.366 Wenn die Abgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept zu sehr engen Märkten führt, wird es durch das Kriterium der Angebotsumstellungsflexibilität ergänzt.367 362 So Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 29; Emmerich, Kartellrecht, S. 428; Golz, Der sachlich relevante Markt bei Verlagserzeugnissen, S. 54; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 40. 363 Brinker in Schwarze Art. 82 Rn. 5; Deringer Art. 86 Rn. 10; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 125. 364 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 74; Bunte, Kartellrecht, S. 414; Emmerich, Kartellrecht, S. 427; Möschel in Immenga / Mestmäcker GWB § 19 Rn. 24. 365 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 19 ff.; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 323. Kritisch gegenüber dem Bedarfsmarktkonzept ist Säcker, ZWeR 2004, S. 1 (6, 14 ff.), der zur Marktabgrenzung das Konzept der Wirtschaftspläne der Unternehmen favorisiert, nach dem Wettbewerber eines Unternehmens alle anderen Unternehmen sind, die seine Absatz- bzw. Bezugsentscheidungen beeinflussen. Die Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist, dürfe nicht nur den aktuellen Wettbewerbsdruck berücksichtigen, sondern müsse auch den potentiellen Wettbewerbsdruck einbeziehen, dem Unternehmen dadurch ausgesetzt sind, dass andere Unternehmen durch eine rasche Angebotsumstellung ebenfalls Konkurrenzprodukte herstellen können. So würden Angebots- und Nachfragesubstituierbarkeit miteinander verbunden. Auch die Kommission möchte die Angebotssubstituierbarkeit bei der Marktabgrenzung berücksichtigt wissen, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (7 Rn. 20). Golz, Der sachlich relevante Markt bei Verlagserzeugnissen, S. 10 ff., 15 unterstreicht ebenfalls die Vorteile des Konzepts der Wirtschaftspläne, betont aber, dass es keine Methode der Marktabgrenzung gäbe, die gleichermaßen für alle Fälle geeignet ist. 366 So die Definition der Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (6 Rn. 7); ebenso Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 504 Rn. 871; Brinker in Schwarze Art. 82 Rn. 7; Bunte, Kartellrecht, S. 414; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 19; Emmerich, Kartellrecht, S. 427; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 30; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 43 ff. 367 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (7 Rn. 20); Komm., Entsch. v. 4. 5. 1999, ABl.EG 1999, Nr. C 122, S. 19 „Bertelsmann / Wissenschaftsverlag Springer“, Volltext abrufbar über die CELEX-Datenbank unter der Dokumentennummer 399M1377; Bishop / Walker, Economics of EC Competition Law, Rn. 4.26 ff., S. 93 ff.; Säcker, ZWeR 2004, S. 1 (6, 14 ff.); zum deutschen Recht etwa KG, Urt. v. 24. 4. 1985, Kart. 34 / 81, WuW / E OLG 3577 (3585 f.) „Hussel-Mara“.

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Der räumlich relevante Markt ist der geographische Raum, in dem die Wettbewerbssituation beurteilt werden muss.368 Auch hier ist der Gedanke der Substituierbarkeit entscheidend.369 Nahezu identische Produkte können beispielsweise auf Grund hoher Transportkosten praktisch nicht austauschbar sind.370 Die Marktabgrenzung nach zeitlichen Kriterien spielt im deutschen wie im europäischen Recht nur eine geringe Rolle.371 Die zeitlich relevanten Kriterien fallen regelmäßig mit den sachlich und räumlich relevanten Kriterien zusammen.372 Im Rahmen des Art. 82 EG muss die beherrschende Stellung „auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben“ bestehen. Der als relevant ermittelte Markt muss also räumlich entweder mit dem gesamten Gemeinsamen Markt identisch sein oder einen wesentlichen Teil desselben abdecken.373 Dieses 368 Im europäischen Recht wird er definiert als „das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“, vgl. EuGH, Urt. v. 31. 3. 1998, verbundene Rs. C-68 / 94 und C-30 / 95, Slg. 1998, I-1453 (1495 Rn. 143) „Frankreich u. a. / Kommission“ (Kali&Salz); Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (283 f. Rn. 36 ff.) „United Brands / Kommission“; Komm., Entsch. v. 14. 5. 1997, ABl.EG 1997, Nr. L 258, S. 1 (Rn. 91) „Irish Sugar“; Komm., Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (6 Rn. 8); Emmerich, Kartellrecht, S. 428; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 42 f. 369 Für das europäische Recht: Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (9 Rn. 29); für das deutsche Recht: Möschel in Immenga / Mestmäcker GWB § 19 Rn. 35. 370 Komm., Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (9 Rn. 31); Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 43. 371 Brinker in Schwarze Art. 82 Rn. 5; Bunte, Kartellrecht, S. 416; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 329; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 48; Zäch in Zäch, Kartellrecht auf neuer Grundlage, S. 5, 21; für das deutsche Recht zum Beispiel Möschel in Immenga / Mestmäcker GWB § 19 Rn. 39. Die geringe Bedeutung der zeitlichen Dimension wird auch daran deutlich, dass diese von der Kommission in ihrer Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft überhaupt nicht erwähnt wird, ABl.EG 1997 Nr. C 372, S. 5 ff. Auf die zeitliche Dimension der Marktabgrenzung im EG-Kartellrecht verzichten auch andere Autoren, etwa Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 504 Rn. 871. 372 Daher wird zum Teil sogar vorgeschlagen, auf die zeitliche Dimension ganz zu verzichten. So zum Beispiel Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 37; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 155; Thiesing in Festschrift für Gunther Hartmann, S. 355, 369 f. A. A. etwa Hoppmann, Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 33 f., der den Verzicht auf die zeitliche Marktabgrenzung nicht für nicht überzeugend hält, weil Art. 82 EG eine Kongruenz von Marktbeherrschung und Missbrauch voraussetze. 373 Häufig wird dieses Tatbestandmerkmal nicht schon im Rahmen der räumlichen Marktabgrenzung, sondern erst nach Feststellung einer beherrschenden Stellung behandelt, zum Beispiel Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 67 ff.; für die systematische Trennung der

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Tatbestandsmerkmal hat die Funktion, beherrschende Stellungen, von denen keine Gefahr für den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt ausgeht, weil sie sich nur auf einem kleinen Teilgebiet des europäischen Binnenmarktes auswirken, dem Anwendungsbereich des Art. 82 EG zu entziehen. Dieses zusätzliche Kriterium bei Art. 82 EG dient der Abgrenzung von dessen Anwendungsbereichs zu dem des nationalen Rechts und findet daher keine Entsprechung in § 20 Abs. 2 GWB. Sowohl im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB als auch innerhalb des Art. 82 EG erfolgt also eine sachliche, räumliche und unter Umständen auch zeitliche Marktabgrenzung unter dem Gesichtspunkt der Substituierbarkeit. b) Beherrschende Stellung Auf dem als relevant ermittelten Markt muss nun eine beherrschende Stellung eines Unternehmens nachgewiesen werden. Fraglich ist, inwieweit das Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten nach § 20 Abs. 2 GWB eine beherrschende Stellung begründen kann. aa) Definition der beherrschenden Stellung Die „beherrschende Stellung“ ist im EG-Kartellrecht, im Gegensatz zum GWB, nicht legaldefiniert. Die Ausfüllung dieses Begriffs ist damit bewusst der dynamischen Interpretation der EG-Organe überlassen worden.374 Die folgende vom EuGH erstmals in der Rechtssache „United Brands / Kommission“375 verwendete Definition ist zur Standardformel der EG-Organe geworden.376 Eine beherrschende Stellung ist danach die „wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs räumlichen Marktabgrenzung und des „wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes“, Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 385; vgl. aber wie hier der Falllösungsvorschlag bei Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 030, S. 698; Brinker in Schwarze Art. 82 Rn. 10; Bunte, Kartellrecht, S. 434; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 41; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 18 Rn. 7, S. 403. 374 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 119; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 54; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 63; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 64. 375 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (286 Rn. 63 / 66) „United Brands / Kommission“. 376 Vgl. zum Beispiel EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 247 / 86, Slg. 1988, 5987 (6008 f. Rn. 12) „Alsatel / Novasam“; Urt. v. 4. 5. 1988, Rs. 30 / 87, Slg. 1988, 2479 (2514 Rn. 26) „Bodson / Pompes Funèbres des régions libérées“; Urt. v. 9. 11. 1983, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461 (3503 Rn. 30) „Michelin / Kommission“; Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3393 Rn. 26) „L’Oréal / De Nieuwe Amck“; Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85 / 76, Slg. 1979, 461 (520 Rn. 38) „Hoffmann-La Roche / Kommission“; Komm., Entsch. v. 14. 12. 1985, ABl.EG 1985, Nr. L 374, S. 1 (17 Rn. 67) „ECS / AKZO“.

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auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich gegenüber seinen Wettbewerbern, Abnehmern und letztlich den Verbrauchern unabhängig zu verhalten“.377 Über diese Definition besteht heute im Wesentlichen Konsens.378 Sie beinhaltet zwei Elemente: Die Fähigkeit, wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt zu verhindern und die Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten gegenüber den Wettbewerbern, den Handelspartnern und letztlich den Verbrauchern. Das erste Element betrachtet eher statisch die Struktur auf dem betreffenden Markt. Das zweite Element betrachtet eher dynamisch die Wirtschaftskraft eines Unternehmens.379 So klar und einfach die Definition der beherrschenden Stellung ist, so verschwommen und schwierig ist ihre Anwendung im Einzelfall. Es ist weder abschließend geklärt, wie das Verhältnis der beiden Definitionselemente zueinander ist,380 noch können die Parameter, die im konkreten Einzelfall anzuwenden sind, abschließend aufgelistet werden381. Der Grund dafür liegt darin, dass die beherrschende Stellung ein normativer Zweckbegriff ist. Ihr Nachweis dient dem Ziel, den Punkt zu benennen, ab dem die Neutralisierung wirtschaftlicher Macht nicht mehr dem Markt überlassen werden kann.382 Allgemein ist dies immer der Fall, wenn ein Unternehmen in einem vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum agieren kann.383 Die Fähigkeit, Wettbewerb zu verhindern und sich unabhängig zu verhalten, sind unterschiedliche Aspekte desselben Phänomens: dem Vorliegen eines übermäßigen Verhaltensspielraums. 384 Wann ein solcher Verhaltensspielraum besteht, wann also ein Unternehmen über einen Grad an wirtschaftlicher Macht verfügt, der die Kontrolle durch den Wettbewerb ausschließt und daher eine Verhaltenskontrolle nach Art. 82 EG erfordert, kann nicht pauschal festgestellt werden, sondern nur im Einzelfall anhand einer Gesamtwürdigung aller in Betracht kommender Umstände.385 Die Einbeziehung und die Gewichtung der Umstände variieren je nach konkreter Marktsituation. 377 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (286 Rn. 63 / 66) „United Brands / Kommission“. 378 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 37; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.1., S. 331. 379 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 64; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 68. 380 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 67. 381 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 37. 382 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 67. 383 Bunte, Kartellrecht, S. 417; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 334. 384 Emmerich, Kartellrecht, S. 431; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 337. 385 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 338, 341; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 78.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Zu berücksichtigen ist in der Gesamtwürdigung in erster Linie die Marktstruktur. Daneben erlangen je nach Einzelfall die Unternehmensstruktur des potentiellen Beherrschers, dessen Marktverhalten und die Marktergebnisse Bedeutung.386 Bei der Untersuchung der Marktstruktur ist der Marktanteil des potentiellen Beherrschers wichtigstes Kriterium.387 Daneben gewährt der Abstand des betreffenden Unternehmens zu dessen nächstem Konkurrenten häufig Aufschluss über das Ausmaß der wirtschaftlichen Macht.388 Je höher der Marktanteil und je größer der Abstand zum nächsten Konkurrenten ist, desto weniger Gewicht haben andere Faktoren.389 Falls sich aus der Untersuchung der Marktanteile keine eindeutigen Ergebnisse ergeben, so können das Fehlen potentiellen Wettbewerbs wegen hoher Marktzutrittsschranken390 oder die Existenz gesetzlicher Privilegien oder Patente herangezogen werden. Hinsichtlich der Unternehmensstruktur können besondere wirtschaftliche oder finanzielle Ressourcen,391 herausragendes Know-how, ein technologischer Vorsprung,392 ein kommerzieller Vorsprung, zum Beispiel wegen eines erstklassigen Vertriebsnetzes393 oder wegen Qualität und Ansehen der Ware394, der vertikale 386 van den Bergh, TPR 1986, S. 157, 178; Emmerich, Kartellrecht, S. 433; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 37; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.1., S. 331; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 123. 387 Komm., Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 9. 12. 1997, ABl.EG 1997, Nr. C 372, S. 5 (6 Rn. 10); EuGH, Urt. v. 3. 7. 1991, Rs. C-62 / 86, Slg. 1991, I-3439 (3453 Rn. 60) „AKZO / Kommission“; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 42; Emmerich, Kartellrecht, S. 431; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 338, 342; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.3.(a), S. 338; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 93; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 82 Rn. 10. 388 Emmerich, Kartellrecht, S. 433; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.3.(a), S. 339. 389 Emmerich, Kartellrecht, S. 431, Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 342. 390 EuG, Urt. v. 6. 10. 1994, Rs. T-83 / 91, Slg. 1994, II-755 (812 Rn. 110) „Tetra Pak / Kommission“; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 52 f. 391 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461 (3510 Rn. 55) „Michelin / Kommission“; Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (287 f. Rn. 80 / 81) „United Brands / Kommission“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 049, S. 708; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 55. 392 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (288 Rn. 82 / 84) „United Brands / Kommission“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 055, S. 709; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 55; Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 39; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 89. 393 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461 (3511 Rn. 58) „Michelin / Kommission“; Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (287 f. Rn. 80 / 81 und 289 Rn. 94 / 96) „United Brands / Kommission“; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 55; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 90; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.3.(a), S. 339. 394 Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 39; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 90.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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Integrationsgrad395 oder eine besondere Breite des Produktsortiments396 die Stellung auf dem Markt stärken. Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Handelspartnern kann Indiz für eine beherrschende Stellung sein.397 Das Marktverhalten kann das Vorliegen einer beherrschenden Stellung ausnahmsweise indizieren,398 sofern es Ausdruck der Fähigkeit zu unabhängigem Verhalten gegenüber Wettbewerbern, Handelspartnern und Verbrauchern ist.399

bb) Abhängigkeit eines Handelspartners Wie oben dargelegt, variieren die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtenden Umstände und sind je nach konkretem Einzelfall unterschiedlich zu gewichten. Die Abhängigkeit eines Handelspartners kann ein Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung sein.400 Fraglich ist, ob allein der Nachweis eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses geeignet ist, eine beherrschende Stellung zu begründen. (1) Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Die EG-Organe hatten verschiedentlich Gelegenheit, sich zu dem Zusammenhang von bilateralen Abhängigkeiten und beherrschender Stellung zu äußern. Zumeist handelte es sich um Sachverhalte, in denen die Abhängigkeit eines Handelspartners nicht als der die beherrschende Stellung begründender Umstand herangezogen werden musste. Die beherrschende Stellung konnte auf Grund gesamtmarktbezogener Kriterien, wie beispielsweise besonders hoher Marktanteile, festgestellt werden.401 Die wirtschaftliche Abhängigkeit wurde dann lediglich als 395 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (287 Rn. 69 / 71) „United Brands / Kommission“; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 55; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.3.(a), S. 339. 396 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461 (3510 Rn. 55) „Michelin / Kommission“. 397 van Bael / Bellis, Competition Law of the EEC, S. 249 f.; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 132 f.; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 55; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 336; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, V.C.1., S. 331 und V.C.3.(a), S. 340 ff.; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 5 Rn. 28, S. 151, führt sogar aus, dass Unternehmen dadurch beherrschend im Sinne des Art. 82 EG sein können, dass sie andere Unternehmen in Abhängigkeit bringen oder halten. 398 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (286 f. Rn. 67 / 68) „United Brands / Kommission“; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 059, S. 713; van den Bergh, TPR 1986, S. 157, 184; Emmerich in Dauses, Hdb. EUWirtschaftsR, H.I. § 1 Rn. 345; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 97, möchte die Verhaltensanalyse nur ergänzend heranziehen. 399 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 56; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 98. 400 s. o. Dritter Teil, Fn. 397.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Folge dieser Beherrschung genannt402 und deren Ausnutzung als missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne des Art. 82 EG gewertet403. Im Fall „Hugin / Liptons“404 war die Firma Liptons von Hugin wirtschaftlich abhängig, weil sie mehr als 10 Jahre lang Hugin – Erzeugnisse vertrieben und repariert hat und knapp 90% ihres Umsatzes mit Hugin – Erzeugnissen erwirtschaftet hat. Der EuGH und die Kommission haben diese Abhängigkeit nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung herangezogen, sondern angenommen, es würde ein isolierter Markt für Original – Hugin – Ersatzteile existieren.405 Auf dem so eng abgegrenzten Markt konnte die beherrschende Stellung von Hugin problemlos nachgewiesen werden.406 Die wirtschaftliche Abhängigkeit wurde nur herangezogen, um zu begründen, dass die Lieferverweigerung gegenüber Liptons sich als missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung (als Monopolist auf dem Markt für eigene Ersatzteile) darstellt.407 401 EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 238 / 87, Slg. 1988, 6211 (6235 Rn. 7 ff.) „Volvo / Veng“; Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 53 / 87, Slg. 1988, 6039 (6072 f. Rn. 14 ff.) „Cicra u. a. / Renault“; Urt. v. 11. 11. 1986, Rs. 226 / 84, Slg. 1986, 3263 (3300 Rn. 9) „British Leyland / Kommission“; Urt. v. 13. 11. 1975, Rs. 26 / 75, Slg. 1975, 1367 (1379 Rn. 7 / 9) „General Motors / Kommission“; EuG, Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-76 / 89, Slg. 1991, II-575 (599 Rn. 49) „ITP / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-70 / 89, Slg. 1991, II-535 (561 Rn. 51) „BBC / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-69 / 89, Slg. 1991, II-485 (517 Rn. 63) „RTE / Kommission“, bestätigt durch EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, verbundene Rs. C-241 / 91 P und C-242 / 91 P, Slg. 1995, I-743 (815 ff. Rn. 24 ff.) „RTE und ITP / Kommission“; Komm., Entsch. v. 21. 12. 1988, ABl.EG 1989, Nr. L 43, S. 27 (40 f.) „Decca Navigator“; Komm., XVII. Wettbewerbsbericht „Oliofiat“; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 115; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 13. 402 EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986, Rs. 226 / 84, Slg. 1986, 3263 (3300 Rn. 9) „British Leyland / Kommission“; EuG, Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-76 / 89, Slg. 1991, II-575 (599 Rn. 49) „ITP / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-70 / 89, Slg. 1991, II-535 (561 Rn. 51) „BBC / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-69 / 89, Slg. 1991, II-485 (517 Rn. 63) „RTE / Kommission“; Komm., Entsch. v. 21. 12. 1988, ABl.EG 1989, Nr. L 43, S. 27 (41) „Decca Navigator“; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 121. 403 EuG, Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-76 / 89, Slg. 1991, II-575 (601 Rn. 56) „ITP / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-70 / 89, Slg. 1991, II-535 (562 Rn. 58) „BBC / Kommission“; Urt. v. 10. 7. 1991, Rs. T-69 / 89, Slg. 1991, II-485 (519 Rn. 71) „RTE / Kommission“; Komm., Entsch. v. 29. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 286, S. 40 f. „BBI / Boosey & Hawkes“; Entsch. v. 8. 12. 1977, ABl.EG 1978, Nr. L 22, S. 23 (31 f.) „Hugin / Liptons“. 404 Komm., Entsch. v. 8. 12. 1977, ABl.EG 1978, Nr. L 22, S. 23 ff. „Hugin / Liptons“. 405 EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, Rs. 22 / 78, Slg. 1979, 1869 (1897 Rn. 8) „Hugin / Kommission“; Komm., Entsch. v. 8. 12. 1977, ABl.EG 1978, Nr. L 22, S. 23 (30 f.) „Hugin / Liptons“. 406 Komm., Entsch. v. 8. 12. 1977, ABl.EG 1978, Nr. L 22, S. 23 (30 f.) „Hugin / Liptons“. 407 Komm., Entsch. v. 8. 12. 1977, ABl.EG 1978, Nr. L 22, S. 23 (31 f.) „Hugin / Liptons“; In ihrer Klagebeantwortung betont die Kommission ausdrücklich, dass die Abhängigkeit die beherrschende Stellung nicht beweist, EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, Rs. 22 / 78, Slg. 1979, 1869 (1880) „Hugin / Kommission“; der EuGH lässt dies ausdrücklich offen, EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, Rs. 22 / 78, Slg. 1979, 1869 (1898 Rn. 14) „Hugin / Kommission“.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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Auch im Fall „BBI / Boosey&Hawkes“408 hat die Kommission den Markt sehr eng abgegrenzt, indem sie angenommen hat, dass Blechblasinstrumente für Blaskapellen britischen Typs einen eigenen Markt bilden. Auf diesem Markt hat B&H einen Anteil von 90%, wodurch die beherrschende Stellung einfach nachgewiesen werden konnte. Die starke, existenzielle Abhängigkeit zweier Handelspartner von B&H wird wieder nur herangezogen, um zu begründen, dass Lieferverweigerungen von B&H gegenüber diesen beiden Handelspartnern missbräuchliche Verhaltensweisen sind.409 Im Fall „Metro / Kommission“410 hatte der EuGH Gelegenheit, sich zu der Begründung einer beherrschenden Stellung durch die Abhängigkeit eines Handelspartners zu äußern. Er hat entschieden, dass die Qualität einer Ware, die den Händler nötigt, diese Ware in sein Sortiment aufzunehmen, und die daraus resultierende Abhängigkeit des Händlers von dem Hersteller für sich genommen nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung genügt.411 Die Abhängigkeit gestatte dem Hersteller nicht, sich in erheblichem Umfang gegenüber seinen Wettbewerbern unabhängig zu verhalten und sei daher nur ein Wettbewerbsfaktor unter vielen.412 Die Entscheidung „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölkonzerne“413 wird häufig als die einzige Entscheidung benannt, in der die Abhängigkeit eines Kunden von seinem Lieferanten dessen beherrschende Stellung begründet hat.414 Die Kommission hat in dieser Entscheidung die Ansicht vertreten, dass in Knappheitslagen grundsätzlich eine beherrschende Stellung der Anbieter der knappen Güter mit hohen Marktanteilen gegenüber ihren gewöhnlichen Kunden bestehe.415 Die bestehenden Abhängigkeitsbeziehungen konnten aber nicht alleine, sondern nur im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Zwangslage auf dem abgegrenzten Markt insgesamt416 die beherrschende Stellung begründen.417 Der EuGH 408 Komm., Entsch. v. 29. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 286, S. 36 ff. „BBI / Boosey & Hawkes“. 409 Komm., Entsch. v. 29. 7. 1987, ABl.EG 1987, Nr. L 286, S. 36 (41) „BBI / Boosey & Hawkes“. 410 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 ff. „Metro / Kommission“. 411 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1903 f. Rn. 17) „Metro / Kommission“. 412 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1903 f. Rn. 17) „Metro / Kommission“. 413 Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 ff. „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften“. 414 So beispielsweise Piriou, GRUR Int. 1980, S. 407 (408). 415 Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 (9) „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften“. 416 Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 (3 und 8) „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften“. 417 Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 (9) „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften“.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

hat sich in dem gegen diese Kommissionsentscheidung angestrengten Verfahren418 zu der beherrschenden Stellung von B.P. nicht geäußert, da nach seiner Ansicht mangels missbräuchlichen Verhaltens im konkreten Fall kein Verstoß gegen Art. 86 EWGV (= Art. 82 EG) vorgelegen hat.419 An dieser exemplarischen Darstellung einiger Entscheidungen der EG-Organe zeigt sich, dass die Abhängigkeit eines Handelspartners im Zusammenhang mit der Feststellung einer beherrschenden Stellung zwar gelegentlich eine Rolle spielt, zur Begründung einer beherrschenden Stellung aber nicht genügt.420 (2) Ansichten im Schrifttum Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass es zum Nachweis einer beherrschenden Stellung unter Umständen genüge, die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Handelspartners von dem vermeintlichen Beherrscher nachzuweisen.421 In Vertikalverhältnissen habe ein Unternehmen eine beherrschende Stellung inne, wenn das Unternehmen, demgegenüber das missbräuchliche Verhalten erfolgt, wirtschaftlich abhängig sei. Im deutschen Schrifttum findet bezüglich dieser Frage häufig eine Orientierung an den Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB statt.422 Zumindest in den Fällen der mangel- und der unternehmensbedingten Abhängigkeit könne die beherrschende Stellung aus der Beherrschung eines Handelspartners abgeleitet werden.423 So meint von Bary beispielsweise, der bei Art. 82 EG erforderliche horizontale Verhaltensspielraum des beherrschenden Unternehmens bestehe nur bei der sortimentsbedingten Spitzenstellungsabhängigkeit.424 Dort würde die herausragende Stellung des betreffenden Produktes dem Unternehmen auch horizontal einen geEuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, Rs. 77 / 77, Slg. 1978, 1513 ff. „B.P. / Kommission“. EuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, Rs. 77 / 77, Slg. 1978, 1513 (1526 ff. Rn. 18 ff.) „B.P. / Kommission“. 420 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 13. 421 Glais, RMC 1987, S. 203 (205 f.); Glais / Laurent, Traité de l’économie et de droit de la concurrence, S. 261 ff.; Hoet, RMC 1989, S. 135 (156 f.); Nagel, EG-Wettbewerbsrecht und Zulieferbeziehungen der Automobilindustrie, S. 83 f.; Nagel, Wirtschaftsrecht, S. 150; Nagel, ZIP 1993, S. 987 (991 f.); Nagel, WuW 1992, S. 818 (821 f.); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 122 f.; einschränkend Waelbroeck / Frignani in Commentaire Mégret, Concurrence, Nr. 243, S. 245 bzw. S. 236 der englischen Übersetzung. Das Kriterium der Abhängigkeit müsse mit großer Vorsicht angewendet werden, um das System des Art. 82 EG nicht zu verfremden. 422 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 116; Piriou, GRUR Int. 1980, S. 407 (409); Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 72; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 77, 122. 423 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 82 Rn. 72; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 77, 122; ähnlich Piriou, GRUR Int. 1980, S. 407 (408 f.). 424 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 137. 418 419

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wissen Verhaltensspielraum eröffnen.425 Die mangelbedingte Abhängigkeit sei eine absolute Sonderkonstellation, die ebenfalls unter Art. 82 EG gefasst werden könne. Diejenigen Unternehmen, die über die knappen Waren verfügen, befänden sich in der Position eines marktbeherrschenden Oligopols und seien daher gemeinsam Inhaber einer beherrschenden Stellung.426 Die sortimentsbedingte Spitzengruppenabhängigkeit und die unternehmensbedingte Abhängigkeit seien hingegen nicht geeignet, eine beherrschende Stellung zu begründen. Bei der Spitzengruppenabhängigkeit sei die Bedeutung des einzelnen Produktes nicht so groß, dass horizontal unabhängiges Verhalten ermöglicht werde. Auch die unternehmensbedingte Abhängigkeit äußere sich regelmäßig nur im Vertikalverhältnis und lasse daher keine Rückschlüsse auf die Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten im Wettbewerb zu.427 Nagel hält es für möglich, dass die Dominanz eines Unternehmens über einen Handelspartner eine beherrschende Stellung begründen kann, möchte diese Partnermacht aber innerhalb eines bestimmten sachlichen, räumlichen und zeitlichen Marktes bestimmen.428 Auch Emmerich meint, dass der Wortlaut des Art. 82 EG es zulasse, eine beherrschende Stellung auf Grund von Abhängigkeitsbeziehungen anzunehmen.429 Entscheidend sei die Möglichkeit, sich anonymem Wettbewerbsdruck zu entziehen und die Wettbewerbsbedingungen in seinem Sinne zu beeinflussen.430 Ähnlich meint Hoffmann,431 dass es zwar grundsätzlich möglich sein, die Marktbeherrschung auf die Abhängigkeit von Händlern zu stützen. Dies bedeute aber nicht, dass die Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB auf Art. 82 EG übertragen werden können. Dirksen schließt sich grundsätzlich der Definition durch die EG-Organe an.432 Die Abhängigkeit sei bloße Folge der Marktmacht, aber kein Umstand, der unabhängig von der Marktstruktur eine beherrschende Stellung begründen könne.433 Van den Bergh nimmt an, das Konzept der wirtschaftlichen Abhängigkeit sei in Art. 82 EG nicht enthalten. Wolle man die relative Marktmacht kontrollieren, so sei eine Gesetzesreform notwendig.434 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 137. v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 134. 427 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 133. 428 Nagel, EG-Wettbewerbsrecht und Zulieferbeziehungen der Automobilindustrie, S. 83 f.; Nagel, ZIP 1993, S. 987 (991 f.); Nagel, WuW 1992, S. 818 (821 f.). 429 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 316. 430 Emmerich, Kartellrecht, S. 430. 431 Hoffmann, WRP 2004, S. 994 (1000). 432 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 13. 433 Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 13. 434 van den Bergh, TPR 1986, S. 175 ff. 425 426

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(3) Stellungnahme Ein Blick auf die Vertreter der Ansicht, dass vertikale Abhängigkeitsbeziehungen geeignet seien, eine beherrschende Stellung zu begründen, zeigt, dass es sich größtenteils um die gleichen Autoren handelt, die bei Vertikalverhältnissen auf eine Marktabgrenzung verzichten möchten.435 Die einfache Erklärung hierfür ist der enge Zusammenhang zwischen diesen beiden Fragen. Wer annimmt, dass in Vertikalverhältnissen keine Marktabgrenzung erforderlich ist, muss an dieser Stelle mangels horizontalen Anknüpfungsobjektes die vertikale Abhängigkeitsbeziehung zur Begründung der beherrschenden Stellung ausreichen lassen. Fordert man, wie oben vertreten, bei Art. 82 EG einen Marktbezug, so muss konsequenterweise der als relevant ermittelte Markt beherrscht werden und nicht nur ein einzelner Marktteilnehmer. Bei Anwendung der Standardformel der EGOrgane zur Bestimmung der beherrschenden Stellung kann sich der Inhaber der beherrschenden Stellung per definitionem unabhängig gegenüber anderen Marktteilnehmern verhalten. Die Abhängigkeit anderer Unternehmen ist also regelmäßige Folge und kennzeichnend für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Dass die Abhängigkeit Folge der beherrschenden Stellung ist, wird am Beispiel des Monopols besonders deutlich. Ein Monopolist hat keine Wettbewerber und seine Handelspartner sind mangels Ausweichmöglichkeiten von ihm abhängig. Deren Abhängigkeit ist aber nur Folge der auf Grund des Monopols bestehenden beherrschenden Stellung. Der Nachweis der Abhängigkeit eines oder mehrerer Handelspartners kann demnach zwar ein Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung sein, nicht aber alleiniger Indikator. Diese Sichtweise entspricht der Praxis von Kommission und EuGH, die die Abhängigkeit von Handelspartnern zwar als zusätzliches Kriterium zum Nachweis der beherrschenden Stellung heranziehen, sie allein aber nicht genügen lassen. Obwohl es richtig ist, dass wirtschaftliche Macht unterhalb der Schwelle der Beherrschung eines „Marktes“ unter Umständen eine Gefahr für den Wettbewerb darstellt,436 würde eine dahingehende Interpretation des Art. 82 EG die Entscheidung für das Marktmachtkonzept unterlaufen. Als Zwischenergebnis ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Abhängigkeit eines einzelnen Handelspartners auf Grund des nach Art. 82 EG erforderlichen Marktbezuges zur Begründung einer beherrschenden Stellung nicht ausreicht. So allgemein nehmen das auch nur die Vertreter der Lehre vom „partenaire obligatoire“ an, deren Ansicht abzulehnen ist.

435 436

s. o. Dritter Teil, Fn. 333. So der BGH, s. o. Erster Teil, Fn. 33.

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Die anderen Ansichten differenzieren zwischen verschiedenen Arten der Abhängigkeit. Diese Differenzierung ist der richtige Ansatz. Die Beherrschung eines Marktes und die Abhängigkeit eines anderen Marktteilnehmers sind zwar unterschiedliche Konzepte zur Bestimmung der Normadressateneigenschaft. 437 Da die Abhängigkeit der Handelspartner regelmäßige Folge der Marktbeherrschung ist, spielt sie als Indiz bei der Ermittlung der beherrschenden Stellung aber durchaus eine Rolle. Sie genügt wegen des bei Art. 82 EG erforderlichen Marktbezuges zur Begründung einer beherrschenden Stellung jedoch nicht. Ein „relativ marktstarkes“ Unternehmen kann folglich nur Inhaber einer beherrschenden Stellung sein, wenn neben die vertikale Abhängigkeitsbeziehung zu einem Handelspartner gesamtmarktbezogene Kriterien treten, die seine wirtschaftliche Macht auf dem relevanten Markt erhöhen.

cc) Abhängigkeit der Nachfrager Inwieweit neben der individuellen Abhängigkeit typischerweise gesamtmarktbezogene Umstände vorliegen, kann für die unterschiedlichen Abhängigkeitsgruppen nicht einheitlich beantwortet werden, sondern muss jeweils einzeln untersucht werden. (1) Unternehmensbedingte Abhängigkeit Die unternehmensbedingte Abhängigkeit zeichnet sich durch die enge geschäftliche Beziehung zwischen dem „relativ marktstarken“ und dem abhängigen Unternehmen aus. Das abhängige Unternehmen hat seinen Geschäftsbetrieb derart auf das „relativ marktstarke“ Unternehmen eingestellt, dass ihm ein Ausweichen auf ein anderes Unternehmen nicht oder nur unter Inkaufnahme von erheblichen Wettbewerbsnachteilen möglich ist.438 Allein das vertikale Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem unternehmensbedingt abhängigen Unternehmen begründet keine beherrschende Stellung nach Art. 82 EG. In diesem Sinne haben auch die EG-Organe die Abhängigkeit eines Unternehmens auf Grund langjähriger oder besonders intensiver Geschäftsbeziehungen zur Begründung der Normadressateneigenschaft nicht ausreichen lassen.439 Höchstrichterlich ist bislang nur die unternehmensbedingte Abhängigkeit eines Automobilvertragshändlers von einem Kfz-Hersteller anerkannt.440 Dieses Abhängigkeitsverhältnis hat seinen Grund aber gerade nicht ausschließlich in der individuellen Beziehung zwischen dem Hersteller und dem Automobilhändler, sondern 437 438 439 440

v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 117. s. o. Zweiter Teil, Fn. 72. s. o. Dritter Teil. s. o. Dritter Teil, Fn. 257.

9 Taube

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

auch in den festen Absatzstrukturen der Automobilhändler auf dem Markt für Kraftfahrzeuge. Die sich auf diese Marktstruktur gründende Verkehrserwartung macht es den Händlern fast unmöglich, von einem Automobilhersteller zu einem anderen zu wechseln.441 Bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit der Kfz-Vertragshändler tritt also neben den individuell-unternehmensbezogenen Faktoren, dass die Vertragshändler häufig Jahrzehnte lang für den selben Hersteller tätig sind und ihren gesamten Geschäftsbetrieb auf dessen Produkte ausrichten, der generell-gesamtmarktbezogene Umstand einer Marktstruktur, die deren Abhängigkeit fördert. Die besondere Marktstruktur resultiert aus den Eigenheiten, die die Automobilbranche gegenüber anderen Branchen und Märkten aufweist. Zu nennen ist in erster Linie die Tatsache, dass die Hersteller ihre Neufahrzeuge fast ausschließlich über quantitative selektive Vertriebssysteme absetzen. Ein Unternehmen kann Neuwagen eines bestimmten Herstellers folglich nur verkaufen, wenn es zu dessen Vertriebssystem zugelassen wird. Regelmäßig sind die gleichen Unternehmen über viele Jahre, teilweise sogar über mehrere Generationen, Vertragshändler desselben Herstellers. Daher entsteht eine starke Identifikation des betreffenden Unternehmens mit dem Hersteller der von ihm verkauften Autos. Die Fluktuation unter den zugelassenen Händlern ist gering, wodurch die Strukturen sich verfestigen und wirtschaftliche Macht der Automobilhersteller entsteht. Fraglich ist, ob das Hinzutreten dieser Marktstruktur zu den individuellen Abhängigkeiten geeignet ist, eine beherrschende Stellung zu begründen. Dann müsste der Hersteller in der Lage sein, wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt zu verhindern und sich gegenüber Wettbewerbern, Handelspartnern und Verbrauchern unabhängig zu verhalten. Durch das Bestehen der Vertraghändlersysteme wird der Wechsel eines Händlers zu einem anderen Hersteller erschwert, wodurch der Wettbewerb auf der Ebene der Händler eingeschränkt ist. Auf der Ebene der Verbraucher besteht aber Wettbewerb, den der Hersteller auch nicht verhindern kann. Auch die Fähigkeit zu unabhängigem Verhalten besteht höchstens gegenüber den Vertragshändlern. Weder gegenüber Konkurrenten noch gegenüber Verbrauchern kann sich der Automobilhersteller unabhängig verhalten. Folglich entsteht für den Hersteller nicht die Möglichkeit, wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Automobile zu verhindern, oder die Fähigkeit, sich gegenüber Konkurrenten oder Verbrauchern unabhängig zu verhalten. Dennoch verfügen die Automobilhersteller über eine erhebliche wirtschaftliche Macht. Das Problem der wirtschaftlichen Machtstellung der Automobilhersteller auf dem Markt für Neuwagen wird innerhalb des Art. 82 EG kaum diskutiert. Lediglich vereinzelt wird überlegt, den Produktmarkt bei neuen Autos auf Fahrzeuge der einzelnen Hersteller zu beschränken, um so deren beherrschende Stellung begründen zu können.442 Der Grund dafür liegt nicht darin, dass das Problem überse441 442

Wiedner in Grabitz / Hilf nach Art. 81 Rn. 2. So leider ohne nähere Ausführungen Wiedner in Grabitz / Hilf nach Art. 81 Rn. 2.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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hen wird, sondern darin, dass es in den Kontext des Art. 81 EG eingeordnet wird. Da die Verfestigung der Marktstrukturen ihre Ursache in der Übung der Hersteller und Händler hat, Neuwagen über quantitative selektive Vertriebssysteme zu vertreiben, erfolgt die wettbewerbliche Kontrolle auch in Anknüpfung an die Vertriebssysteme. Da die wirtschaftliche Macht der Automobilhersteller aus den Vertriebssystemen herrührt, ist deren Kontrolle am Maßstab des Art. 81 EG regelmäßig ausreichend, um Machtmissbräuche zu vermeiden. Es gibt aber eine Konstellation, in der Art. 81 EG kein geeignetes Instrument zur Kontrolle von Machtmissbräuchen durch die Betreiber selektiver Vertriebssysteme ist. Manifestiert sich das missbräuchliche Verhalten des Herstellers nicht im Inhalt der Vertriebsverträge, sondern in einer einseitigen Handlung des Herstellers, so scheidet ein Verbot nach Art. 81 EG regelmäßig aus. Insbesondere die vereinzelte Zulassungsverweigerung zu einem selektiven Vertriebssystem, obwohl ein Händler objektiv alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, bleibt nach Art. 81 EG folgenlos.443 Diese „Verbotslücke“ innerhalb des Art. 81 EG führt zu der Frage, ob einzelne diskriminierte Händler sich nicht gegen die Ungleichbehandlung wehren können müssten. Im Rahmen des Art. 81 EG wurde darauf verwiesen, dass es um die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht durch eine einseitige Handlung gehe und dass daher nur Art. 82 EG geeigneter Anknüpfungspunkt sein könne.444 Eine Kontrolle am Maßstab des Art. 82 EG setzt voraus, dass die Automobilhersteller Inhaber einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt sind. In Betracht kommt eine beherrschende Stellung der Automobilhersteller als Anbieter auf dem Markt für Kraftfahrzeuge. Die Verteilung der Marktanteile auf diesem Markt spricht aber eindeutig dagegen. Insofern könnte die beherrschende Stellung eines Herstellers höchstens durch die Abgrenzung des relevanten Marktes allein auf dessen Fahrzeuge konstruiert werden.445 Gegen eine derart enge Marktabgrenzung spricht jedoch, dass die Fahrzeuge der verschiedenen Hersteller zumindest aus Sicht der Verbraucher substituierbar sind. Denkbar wäre es ferner die beherrschende Stellung eines Automobilherstellers dadurch zu begründen, dass ein Markt für die Vertriebsleitungen der Händler abgegrenzt wird.446 Der Hersteller könnte dann als Nachfrager eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vertriebsleistungen der Händler einnehmen. Die Annahme, dass ein Markt für Vertriebsleistungen existiert, ist unproblematisch möglich. Allerdings kann auch auf diesem Wege die beherrschende Stellung eines einzelnen Herstellers nur begründet werden, wenn der relevante Markt nicht die Vertriebsleistungen aller Händler umfasst, sondern nur die Vertriebsleistungen der Händler eines bestimmten Herstellers. Da die Händler als Anbieter ihrer Vertriebsleistungen für einen bestimmten Hersteller kaum Ausweichmöglichkeiten auf ei443 444 445 446

9*

s. o. Dritter Teil, B.IV.2.c). s. o. Dritter Teil, B.IV.2.c). s. o. Dritter Teil, Fn. 442. So Plesdenat, S. 196 ff.

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nen anderen Hersteller als Nachfrager dieser Vertriebsleistungen haben, erscheint dies möglich. Relativiert wird dies jedoch dadurch, dass der Hersteller den Händlern nach der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 der Mehrmarkenvertrieb nicht mehr verboten werden darf.447 Ein Händler, der mehreren Herstellern Vertriebsleistungen anbietet, hat grundsätzlich eher Ausweichmöglichkeiten als ein Händler, der auf einen Hersteller fixiert ist. Insofern ist davon auszugehen, dass kein großer Unterschied zwischen den Ausweichmöglichkeiten eines Händlers auf einen anderen Hersteller als Nachfrager von Vertriebsleistungen und den Ausweichmöglichkeiten eines Händlers auf einen anderen Hersteller als Anbieter von Kraftfahrzeugen besteht. Die Vertriebsleistungen der Händler gleichen sich in ähnlicher Weise wie die Autos der Hersteller. Der Grund, aus dem eine engere Abgrenzung dennoch möglich erscheint ist, dass es bei der Abgrenzung des Marktes für Vertriebsleistungen allein auf die Perspektive des Händlers ankommt, bei der Abgrenzung des Marktes für die Fahrzeuge zusätzlich die Perspektive der Verbraucher einzubeziehen ist. Die Ausweichmöglichkeiten des Händler bleiben jedoch unabhängig davon, welcher Markt betrachtet wird, gleich groß bzw. klein. Die Begründung der beherrschenden Stellung über den Nachfragemarkt für Vertriebsleistungen ist eine Konstruktion, die den Blickwinkel der Verbraucher ausblendet, um allein die Abhängigkeit der Händlers in Form von deren fehlenden Ausweichmöglichkeiten zur Begründung einer beherrschenden Stellung ausreichen zu lassen. Allein die Abhängigkeit eines Handelspartners genügt nach oben vertretener Ansicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung gerade nicht. Auch andere Gründe sprechen gegen die Annahme einer beherrschenden Stellung von Automobilherstellern. Neue Kraftfahrzeuge werden regelmäßig nicht über einfache selektive Vertriebssysteme vertrieben, in denen der Hersteller zur Zulassung aller Händler verpflichtet ist, die die von ihm aufgestellten Zulassungskriterien erfüllen. Üblicher sind vielmehr quantitative selektive Vertriebssysteme, bei denen die Anzahl der zugelassenen Händler nicht nur durch die Aufstellung von Zulassungskriterien, sondern auch zahlenmäßig begrenzt ist und insofern keine Zulassungspflicht besteht. Abgesehen von Zulassungspflichten kann der Inhalt der Vertriebsverträge bereits nach Art. 81 EG kontrolliert werden. Folglich besteht keine Notwendigkeit, das Verhalten des Kfz-Herstellers am Maßstab des Art. 82 EG zu messen. Auch ein systematisches Argument spricht gegen die Annahme einer beherrschenden Stellung der Automobilhersteller. Nach Art. 81 Abs. 3 lit. b) darf den an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnet werden, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes auszuschließen, es darf also insbesondere keine beherrschende Stellung begründet werden448. Würde man annehmen, dass ein Automobilhersteller eine beherr447 Vgl. Leitfaden der Kommission zur VO (EG) Nr. 1400 / 2002, S. 57, abrufbar unter www.eu.int/comm/competition/car_sector/. 448 Bunte in Langen / Bunte Art. 81 Rn. 165; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 81 Rn. 366. Den Unterschied zwischen „élimination de la concurrence“ und „établissement

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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schende Stellung innehat, weil er seine Autos über ein quantitatives selektives Vertriebssystem absetzt, so könnte dieses Vertriebssystems nie die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen. Durch den Erlass der VO (EG) Nr. 1400 / 2002 hat der EG-Gesetzgeber aber jüngst seine Ansicht bekundet, selektive Kfz-Vertriebssysteme erfüllten prinzipiell die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG. Dies spricht gegen die Annahme, der Automobilvertrieb über ein selektives Vertriebssystem begründe eine beherrschende Stellung der Kfz-Hersteller. Folglich indiziert die unternehmensbedingte Abhängigkeit der Kfz-Händler keine beherrschende Stellung der Automobilhersteller. (2) Sortimentsbedingte Abhängigkeit Unter dem Begriff der sortimentsbedingten Abhängigkeit werden die Spitzenstellungsabhängigkeit und die Spitzengruppenabhängigkeit zusammengefasst. (a) Spitzenstellungsabhängigkeit Die Spitzenstellungsabhängigkeit zeichnet sich durch eine so große Marktbedeutung der begehrten Ware aus, dass diese durch kein anderes Produkt ersetzbar ist. Nach dieser Umschreibung müsste die Spitzenstellungsabhängigkeit immer eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG begründen.449 Wenn ein Produkt nicht durch ein anderes ersetzbar ist, so ist der relevante Markt bei Anwendung des Bedarfsmarktskonzeptes sachlich auf dieses eine Produkt begrenzt. Der Hersteller des betreffenden Produktes ist Monopolist und damit Inhaber einer beherrschenden Stellung. Zweifel an der Richtigkeit dieser einfachen Schlussfolgerungen ergeben sich daraus, dass das Bedarfsmarktkonzept in Art. 82 EG grundsätzlich in gleicher Weise angewendet wird, wie im Rahmen des § 19 GWB. Wenn nun Produkte, für die eine Spitzenstellungsabhängigkeit besteht, immer einen eigenen Markt bilden würden, so bestünde im deutschen Recht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB eine marktbeherrschende Stellung. Ein Rückgriff auf § 20 Abs. 2 GWB wäre für die Fallgruppe der Spitzenstellungsabhängigkeit überflüssig. Es ist daher fragwürdig, die Austauschbarkeit eines Produktes mit anderen objektiv vergleichbaren Produkten wegen der Marktbedeutung des Produktes zu verneinen und anzunehmen, dass es einen eigenen Markt bildet.450 Daran, dass der deutsche Gesetzgeber § 20 Abs. 2 d’une position dominante“ betonen Waelbroeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, Nr. 227, S. 222 f. bzw. S. 213 f. der englischen Übersetzung. 449 So im Ergebnis v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 132 f., der meint, dass im Falle der Spitzenstellungsabhängigkeit ausnahmsweise relative Marktmacht eine beherrschende Stellung begründen könne. 450 Kritisch gegenüber der Bestrebung für jeden Markenartikel einen eigenen Markt anzunehmen, Fischötter, WuW 1974, S. 379 (395). Dafür Lob, WuW 1985, S. 277 (279).

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

GWB eingeführt hat, um die Macht der Markenprodukthersteller kontrollieren zu können,451 wird deutlich, dass auch er der Ansicht war, Spitzenstellungsprodukte würden keinen eigenen Markt bilden. Ziel der Marktabgrenzung ist die Konkretisierung der Wettbewerbskräfte, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist. Die Wettbewerbskräfte werden ermittelt, indem untersucht wird, welche Alternativen zu einem bestimmten Produkt für die Marktgegenseite existieren. Nach dem Bedarfsmarktskonzept sind alle Produkte als Alternativen in Betracht zu ziehen, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften, der Preise und des vorgesehenen Verwendungszwecks substituierbar sind. Sie müssen aus dem Blickwinkel der Marktgegenseite in gleicher Weise zur Deckung eines bestimmten Bedarfes geeignet sein452, wobei das tatsächliche Marktgeschehen und nicht die Sichtweise eines verständigen Verbrauchers entscheidend ist.453 Kennzeichen der sortimentsbedingten Spitzenstellungsabhängigkeit ist die herausragende Bedeutung eines Produktes. Die Verbraucher erwarten, genau dieses Produkt im Sortiment eines Händlers vorzufinden, obwohl andere, objektiv vergleichbare Produkte verfügbar sind. Aus Sicht der Verbraucher hat das betreffende Produkt offensichtlich Eigenschaften, die es gegenüber allen anderen Produkten hervorheben. Da andere Produkte mit gleichartigen Eigenschaften existieren, sind die entscheidenden Eigenschaften keine objektiven Faktoren, wie das Material oder die Funktionen des Produktes. Sie sind vielmehr auf subjektive Präferenzen der Käufer gegründet. So verspricht sich der Käufer eines technischen Markengerätes auf Grund des guten Rufs dieser Marke eine besonders hohe Qualität, obwohl andere „no-name“ Produkte dem Markenprodukt objektiv gleichwertig sind. Da für die Marktabgrenzung auf das tatsächliche Marktgeschehen abzustellen ist, spielt es keine Rolle, ob die Sichtweise der Verbraucher sich auf irrationalen Markenwahn gründet. Auf Grund der Subjektivität des Begriffs der Substituierbarkeit454 kann das Ansehen eines Produktes grundsätzlich dazu führen, dass es aus Sicht der Verbraucher nicht austauschbar ist.455 s. o. Erster Teil, B. Fn. 30 und 31. Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 31; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 131. 453 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 131; Zäch in Zäch, Kartellrecht auf neuer Grundlage, S. 5 (23 f.). Wenn über das Marktgeschehen keine Tatsachenfeststellungen getroffen werden können, kann subsidiär auf die Sichtweise eines verständigen Verbrauchers zurückgegriffen werden, Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 31 f.; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 44. Anders Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 131, der immer auf das tatsächliche Verhalten abstellen möchte. 454 Piriou, GRUR Int. 1980, S. 407 (409). Auch Hoppmann, Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 36, bezieht die subjektive Austauschbarkeit, d. h. die Stellung der Ware im Bewusstsein der Verbraucher, ausdrücklich in die sachliche Marktabgrenzung ein. 455 Lob, WuW 1985, S. 277 (278 f.); Zäch in Zäch, Kartellrecht auf neuer Grundlage, S. 5 (23 ff.). 451 452

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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Die Sichtweise der Verbraucher führt dann dazu, dass das Produkt, für das die Spitzenstellungsabhängigkeit besteht, auch aus dem Blickwinkel des abhängigen Händlers – der ebenfalls Teil der Marktgegenseite ist – nicht mit anderen austauschbar ist. Wenn die Erwartung seiner Kunden dazu führt, dass er genau dieses Produkt anbieten muss, um wettbewerbsfähig zu sein, so ist es für ihn nicht substituierbar. Folglich ist bei der sortimentsbedingten Spitzenstellungsabhängigkeit der relevante Markt regelmäßig auf das Produkt begrenzt, für das die Abhängigkeit besteht. Folge der engen Marktabgrenzung ist, dass der Herstellers dieses Produktes Monopolist ist und daher eine beherrschende Stellung innehat. Es wird in diesen Fällen immer der gesamte relevante Markt beherrscht und nicht nur ein Händler. Die Abhängigkeit des Händlers ist Folge der bestehenden beherrschenden Stellung auf dem eng abgegrenzten Markt. In der Praxis ist es selten, dass ein Produkt eine so herausragende Bedeutung hat, dass es nicht substituierbar ist, obwohl objektiv vergleichbare Produkte existieren.456 Die EG-Organe haben sich, soweit ersichtlich, zu einer derartigen Konstellation bisher nicht geäußert. Falls dieser seltene Fall aber eintritt, so ist der Hersteller des Produktes zugleich Normadressat des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und des Art. 82 EG. (b) Spitzengruppenabhängigkeit Die Spitzengruppenabhängigkeit unterscheidet sich von der Spitzenstellungsabhängigkeit dadurch, dass ein Händler nicht ein bestimmtes Produkt führen muss, um wettbewerbsfähig zu sein, sondern dass er aus einer Gruppe von Spitzenprodukten nur eine gewisse Anzahl anbieten muss. (aa) Einzelmarktbeherrschung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte Das Sortiment der Händler muss zwar eine bestimmte Anzahl von Produkten aus der Spitzengruppen beinhalten, es ist aber gleichgültig ist, welche der Spitzengruppenprodukte dies im Einzelnen sind. Die zu der Spitzengruppe gehörenden Produkte sind also per definitionem gegeneinander austauschbar. Der Nachweis einer beherrschenden Stellung kann daher nicht, wie oben für die Spitzenstellungsabhängigkeit vorgeschlagen, durch eine enge Marktabgrenzung vereinfacht werden. Der relevante Markt umfasst zumindest alle Spitzengruppenprodukte und regelmäßig weitere vergleichbare Produkte. 456 Auch der BGH hat das Vorliegen einer Spitzenstellungsabhängigkeit insgesamt selten und seit 1981 gar nicht mehr angenommen. So nur BGH, Urt. v. 24. 3. 1981, KZR 2 / 80, WuW / E 1793 (1795) „SB-Verbrauchermarkt“; Beschl. v. 24. 2. 1976, KVR 3 / 75, WuW / E 1429 (1431) „Asbach-Fachgroßhändlervertrag“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E 1391 (1394) „Rossignol“. So auch Becker / Pfeiffer, ZWeR 2004, S. 268 (271).

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Die beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt wird unter Einbeziehung aller im Zusammenhang mit der Wettbewerbssituation des betreffenden Unternehmens stehenden Umstände ermittelt. Die in Betracht kommenden Umstände begründen dabei selten allein, sondern zumeist erst in der Zusammenschau die beherrschende Stellung. Die Abhängigkeit eines Handelspartners, auch die sortimentsbedingte Spitzengruppenabhängigkeit, allein impliziert keine beherrschende Stellung.457 Auch das besondere Image eine Ware ist für sich nicht geeignet, eine beherrschende Stellung nachzuweisen.458 Das Ansehen einer Ware auf dem Markt und die daraus resultierende Abhängigkeit von Handelspartnern können aber andere Beherrschungskriterien verstärken.459 So begründet die Marktbedeutung einer Ware regelmäßig einen kommerziellen Vorsprung des Herstellers, der ein Indiz für dessen beherrschende Stellung sein kann.460 Damit impliziert der Umstand, dass ein Unternehmen Hersteller eines Spitzengruppenproduktes ist, nicht dessen beherrschende Stellung. (bb) Kollektive Marktbeherrschung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte Die Besonderheit der Spitzengruppenabhängigkeit besteht darin, dass es nicht auf die Machtstellung eines einzelnen Unternehmens ankommt, sondern auf die gemeinsame Macht mehrerer Unternehmen.461 Diese gemeinsame Macht könnte unter Umständen eine gemeinsame beherrschende Stellung aller Unternehmen, die Spitzengruppenprodukte herstellen, begründen. Nach dem Wortlaut des Art. 82 EG ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch mehrere Unternehmen verboten. Ein kollektiver Missbrauch setzt eine kollektive Beherrschung voraus.462 Eine kollektive Beherr457 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 110 betont, dass nur keine beherrschende Stellung des Herstellers im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern besteht. Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung gegenüber den abhängigen Händlern nimmt er, als Anhänger der Lehre vom „partenaire obligatoire“, sehr wohl an, s. o. Dritter Teil, Fn. 333 und Dritter Teil, Fn. 421. 458 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1903 f. Rn. 17) „Metro / Kommission“. 459 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1903 f. Rn. 17) „Metro / Kommission“; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 96; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 90; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 110. 460 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461 (3510 f. Rn. 55 f.) „Michelin / Kommission“; Urt. v. 14. 2. 1978, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207 (288 f. Rn. 88 / 93) „United Brands / Kommission“; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I. Rn. 344, S. 124; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 90; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 90; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 110. 461 v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 131.

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schung setzt ihrerseits voraus, dass mehrere Unternehmen ein Kollektiv bilden und dass dieses Kollektiv eine beherrschende Position einnimmt. Es darf weder zwischen den an dem Kollektiv beteiligten Unternehmen wirksamer Wettbewerb bestehen, noch darf dem Kollektiv Wettbewerb von außenstehenden Dritten drohen.463 Die Kriterien zur Feststellung des Fehlens wirksamen Außenwettbewerbs entsprechen denen bei der Einzelmarktbeherrschung. Bislang nicht abschließend geklärt ist, wie eng die Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen sein muss, um von dem Fehlen eines wirksamen Innenwettbewerbs ausgehen zu können. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang drei Konstellationen: Die Unternehmen haben eine Kartellabsprache getroffen.464 Sie gehören demselben Konzern an465 oder sie sind Mitglieder eines engen Oligopols466. Die beiden ersten Konstellationen spielen im Zusammenhang mit der kollektiven Marktbeherrschung durch Hersteller von Spitzengruppenprodukten keine Rolle, da die Hersteller regelmäßig weder Kartellabsprachen treffen noch demselben Konzern angehören. Bedeutung könnte aber die kollektive Beherrschung oligopolistisch strukturierter Märkte haben. Ein Markt, auf dem Spitzengruppenabhängigkeiten bestehen, ist dadurch geprägt, dass einige Unternehmen Produkte mit herausragendem Ruf herstellen. Die Hersteller der Spitzenprodukte werden unter Umständen dazu neigen, sich insbesondere hinsichtlich ihrer Preis- und Konditionengestaltung gleich zu verhalten, weil ungleiches Verhalten zum Nachteil aller gereichen würde. Die Situation gleicht insofern der in einem engen Oligopol.467 Es existiert eine kleine Gruppe von Unternehmen, die den Wettbewerb untereinander nicht kollusiv ausschließen, die sich aber auf Grund der Marktstruktur mit hoher Wahrscheinlichkeit 462 Ganz überwiegende Ansicht, zum Beispiel EuG, Urt. v. 8. 10. 1996, verbundene Rs. T-24 bis 26 / 93 und T-28 / 93, Slg. 1996, II-1201 (1230 Rn. 60) „Compagnie maritime belge transports u. a. / Kommission“; de Bronett in Wiedemann, Hdb. KartellR, § 22 Rn. 25, S. 760. 463 Emmerich, Kartellrecht, S. 343; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 348; Gleiss / Hirsch (3. Auflage) Art. 86 Rn. 29; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 64; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 358. 464 Zum Beispiel EuGH, Urt. v. 16. 3. 2000, verbundene Rs. C-395 und 396 / 96 P, Slg. 2000, I-1365 (1459 Rn. 44 f.) „Compagnie maritime belge transports u. a. / Kommission“. 465 Zum Beispiel EuGH, Urt. v. 4. 5. 1988, Rs. 30 / 87, Slg. 1988, 2479 (2513 f. Rn. 21 ff.) „Bodson / Pompes funèbres des régions libérées“; EuG, Urt. v. 7. 10. 1999, Rs. T-228 / 97, Slg. 1999, II-2969 (3005 Rn. 63) „Irish Sugar / Kommission“. 466 Komm., Entsch. v. 24. 4. 1996 ABl.EG 1997, Nr. L 11, S. 30 (52 Rn. 140) „Gencor / Lonrho“; Mailänder in Gemeinschaftskommentar Art. 86 Rn. 46; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 110; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 85. 467 Ein enges Oligopol zeichnet sich durch eine extrem niedrige Zahl von Marktteilnehmern aus, Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 79; de Bronett in Wiedemann, Hdb. KartellR, § 22 Rn. 28.

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gleichförmig verhalten.468 Inwieweit die Reaktionsverbundenheit innerhalb eines engen Oligopols den Innenwettbewerb zwischen den Oligopolmitgliedern in ausreichender Weise beschränkt und damit zum Nachweis einer kollektiven beherrschenden Stellung genügen kann, ist viel diskutiert.469 Der entscheidende Unterschied zwischen der Situation im engen Oligopol und der Spitzengruppenabhängigkeit besteht darin, dass bei der Spitzengruppenabhängigkeit neben den Herstellern der Spitzenprodukte regelmäßig weitere Hersteller vergleichbarer Produkte am Markt tätig sind. Die Existenz dieser anderen Hersteller führt dazu, dass Außenwettbewerb besteht und die Spitzengruppenhersteller schon deswegen keine kollektive beherrschende Stellung innehaben. Wenn allerdings keine anderen Hersteller am Markt tätig sind oder wenn zwar andere Hersteller am Markt tätig sind, diese aber keinen wirksamen Wettbewerb verursachen, können unter Umständen die Grundsätze über die beherrschenden Stellung im Oligopol herangezogen werden. Exkurs: kollektive Marktbeherrschung im engen Oligopol Ob die Reaktionsverbundenheit im engen Oligopol dazu führt, dass die Oligopolmitglieder eine beherrschende Stellung innehaben, wird in jüngster Zeit, vor allem seit der Entscheidung des EuG „Airtours / Kommission“470 vermehrt diskutiert. Zum Teil wird angenommen, eine oligopolistische Marktstruktur genüge zum Nachweis einer beherrschenden Stellung nicht.471 Die pauschale Annahme kollektiver Beherrschungsstellungen auf Grund oligopolistischer Strukturen sei eine bedenkliche Vereinfachung472 und dehne das Missbrauchsverbot ohne ausreichende gesetzliche Grundlage auf reines Parallelverhalten unabhängiger Unternehmen aus. Das entscheidende Kriterium zur Feststellung kollektiver Marktmacht sei das Fehlen von Innenwettbewerb.473 Dessen Fehlen könne durch die Reaktionsverbundenheit im Oligopol zwar begünstigt werden, sei aber nicht deren zwingende Folge. 468 Für das enge Oligopol van den Bergh / Camesasca, European Competition Law and Economics, S. 93; Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 79 f. 469 Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 064, S. 716; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 63, 69; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 345; so bereits 1963 Deringer Art. 86 Rn. 49 f. 470 EuG, Urt. v. 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002, II-2585 ff. „Airtours / Kommission“. 471 Brinker in Schwarze Art. 82 Rn. 14; Grill in Lenz Art. 86 Rn. 21 (2. Auflage 1999), nicht mehr so deutlich allerdings Grill in Lenz / Borchardt Art. 82 Rn. 21; Jung in Grabitz / Hilf Art. 86 Rn. 69 ff.; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 82 Rn. 20; nicht ganz eindeutig Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 349. Zumindest im Regelfall sei auf Grund oligopolistischer Strukturen nicht von Marktbeherrschung auszugehen. 472 Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 71. 473 Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 71.

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Andererseits ist insbesondere von EG-Organen ausgeführt worden, dass das Parallelverhalten von Oligopolmitgliedern genügen könne, um deren gemeinsame beherrschende Stellung zu begründen.474 Entscheidend sei, dass zwischen den Unternehmen kein Wettbewerb herrscht, wobei der Grund für dessen Fehlen auch in den wechselseitigen Abhängigkeiten auf oligopolistisch strukturierten Märkten liegen könne.475 Die Beteiligten müssten eine gefestigte Gruppe bilden, die durch wirtschaftliche Bande so eng miteinander verflochten sei, dass sie auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen könne.476 Wenn mehrere Unternehmen, die gemeinsam über einen erheblichen Marktanteil verfügen, sich über einen längeren Zeitraum tatsächlich gleich verhalten, so 474 So hinsichtlich der Fusionskontrolle EuGH, Urt. v. 31. 3. 1998, verbundene Rs. C-68 / 94 und C-30 / 95, Slg. 1998, I-1375 (1519 ff. Rn. 221 f.) „Frankreich u. a. / Kommission“ (Kali&Salz); EuG, Urt. v. 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002, II-2585 (2612 f. Rn. 60 ff.) „Airtours / Kommission“; Urt. v. 25. 3. 1999, Rs. T-102 / 96, Slg. 1999, II-753 (837 ff. Rn. 273 ff.) „Gencor / Kommission“; Komm., Entsch. v. 22. 9. 1999, ABl.EG 2000, Nr. L 93, S. 1 (9 f. Rn. 51 ff.) „Airtours / First Choice“; Entsch. v. 24. 4. 1996, ABl.EG 1997, Nr. L 11, S. 30 (52 Rn. 140) „Gencor / Lonrho“; Entsch. v. 14. 12. 1993, ABl.EG 1994, Nr. L 186, S 38 (45 ff. Rn. 46 ff.) „Kali&Salz / MdK / Treuhand“; Entsch. v. 22. 7. 1992, ABl.EG 1992, Nr. L 356, S. 1 (24 f. Rn. 110 ff.) „Nestlé / Perrier“; Mestmäcker in Festschrift für Walter Hallstein, S. 322, 348; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, S. 606 f.; Oligopoleffekte ohne abgestimmtes Verhalten sollten zur Untersagung einer Fusion ausreichen, Nitsche / Thielert, WuW 2004, S. 250 (253); hinsichtlich der Fusionskontrolle im deutschen Recht führt das BKartA aus, dass von kollektiver Marktbeherrschung auszugehen ist, wenn künftig Parallelverhalten im Oligopol zu erwarten ist (BKartA, Auslegungsgrundsätze zum Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle, Oktober 2000, S. 44, www.bundeskartellamt.de.); allgemein Deringer Art. 86 Rn. 49; Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 49. 475 Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregelungen auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl.EG 1998, Nr. C 265, S. 2 (Rn. 79, 6). 476 EuGH, Urt. v. 16. 3. 2000, verbundene Rs. C-395 und 396 / 96 P, Slg. 2000, I-1365 (1458 f. Rn. 36 ff.) „Compagnie maritime belge transports / Kommission“; Urt. v. 1. 10. 1998, Rs. C-38 / 97, Slg. 1998, I-5955 (5984 Rn. 32) „Librandi“; Urt. v. 17. 6. 1997, Rs. C-70 / 95, Slg. 1997, I-3395 (3437 Rn. 46) „Sodemare u. a.“; Urt. v. 17. 10. 1995, verbundene Rs. C-140 bis 142 / 94, Slg. 1995, I-3257 (3296 Rn. 26) „DIP u. a.“; Urt. v. 5. 10. 1995, Rs. C-96 / 94, Slg. 1995, I-2883 (2912 Rn. 33) „Centro Servizi Spediporto“; Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. C-393 / 92, Slg. 1994, I-1477 (1520 Rn. 42) „Almelo“; EuG, Urt. v. 7. 10. 1999, Rs. T-228 / 97, Slg. 1999, II-2969 (2993 Rn. 45 f.) „Irish Sugar / Kommission“; Urt. v. 25. 3. 1999, Rs. T-102 / 96, Slg. 1999, II-753 (838 ff. Rn. 274 ff.) „Gencor / Kommission“; Urt. v. 8. 10. 1996, verbundene Rs. T-24 bis 26 / 93 und T-28 / 93, Slg. 1996, II-1201 (1230 Rn. 62) „Compagnie maritime belge transports u. a. / Kommission“; Urt. v. 10. 3. 1992, verbundene Rs. T-68 / 89, T-77 / 89 und T-78 / 89, Slg. 1992, II-1403 (1548 Rn. 358) „SIV u. a. / Kommission“ (Flachglas II); Komm., Entsch. v. 23. 12. 1992, ABl.EG 1993, Nr. L 34 S. 20 (29 Rn. 49 und 31 Rn. 61) „CEWAL“; Entsch. v. 7. 12. 1988, ABl.EG 1989, Nr. L 33, S. 44 (65 f. Rn. 78 f.) „Flachglas“; v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 112; Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 9 – 060 ff., S. 713 ff.; Dirksen in Langen / Bunte Art. 86 Rn. 63 ff.; Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 49; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 359; Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 344 f.; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 80.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

schränkt dieses gleichförmige Vorgehen die Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite ein.477 Die Position der Konkurrenten, Handelspartner und Verbraucher ist gegenüber der des normalen Wettbewerbs negativ verändert. Die Mitglieder eines engen Oligopols bekämpfen sich erfahrungsgemäß nicht, sondern verhalten sich gleich, obwohl Wettbewerb zwischen ihnen besteht.478 Der Grund dafür liegt in dem Bewusstsein, dass sich ein Konkurrenzkampf infolge der wechselseitigen Abhängigkeiten im engen Oligopol zu Lasten aller auswirkt. Die Oligopolmitglieder verhalten sich also nicht auf Grund einer Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 EG gleich, sondern weil sie einem wirtschaftlichen Zwang zu gleichförmigem Verhalten am Markt unterliegen. Diese Situation stellt sich für die Marktgegenseite so dar, als bestünde kein Wettbewerb.479 Die Oligopolmitglieder können ihre Vorstellungen gegenüber der Marktgegenseite tatsächlich durchsetzen, indem sie sich gleich verhalten. Dies funktioniert allerdings nur, wenn der Markt so transparent ist, dass die Oligopolmitglieder sich über das Verhalten ihrer Konkurrenten informieren können.480 In dieser Situation verdienen die Marktteilnehmer den gleichen Schutz, den sie bei Fehlen von Wettbewerb unstreitig genießen würden.481 Auch beim Fehlen von Wettbewerb, zum Beispiel in der Situation eines Monopols, genießen die Marktteilnehmer im Rahmen des Art. 82 EG aber nur Schutz vor der missbräuchlichen Ausnutzung der Monopolstellung, nicht vor deren Entstehung. Folglich kann zwar davon ausgegangen werden, dass in einem engen Oligopol regelmäßig eine gemeinsame beherrschende Stellung der Oligopolmitglieder besteht, wenn der Markt ausreichend transparent ist. Das Parallelverhalten der Oligopolmitglieder ist aber nicht per se nach Art. 82 EG verboten, sondern nur, wenn es sich als Ausnutzung der Oligopolsituation darstellt.482 Die gemeinsame Beherrschungsposition wird jedem Oligopolmitglied zugerechnet.483 Verboten sind daher 477

v. Bary, Mißbrauchsverbot, S 12; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 80,

85. 478 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 85; Oligopolistische Marktstrukturen führen entweder zu wettbewerbslosem Parallelverhalten oder zu oligopolistischen Wettbewerb (BKartA, Auslegungsgrundsätze zum Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle, Oktober 2000, S. 44, www.bundeskartellamt.de.). 479 „The tacit collusion, or oligopolistic interdependence, that many economists believe characterizes the relationship among leading firms in highly concentrated markets is analogous to express collusion and so to pricing by a dominant firm.“, Landes / Posner Harv.L.Rev. 94 (1981), S. 937 (951). 480 So insbesondere das EuG, Urt. v. 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002, II-2585 (2613 Rn. 62) „Airtours / Kommission“. 481 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 80. 482 Da das Parallelverhalten im Oligopol Ausdruck einer rationalen Vorgehensweise der Oligopolmitglieder ist, sollte die Kommission derartiges Verhalten nicht verurteilen, Bishop / Walker, Economics of EC Competition Law, Rn. 6.127, S. 251 f. 483 Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 49; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 65.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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den einzelnen Unternehmen alle missbräuchlichen Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der gemeinsamen beherrschenden Stellung stehen.484 Diese Ansicht steht auch im Einklang mit den Neuerungen im Recht der europäischen Fusionskontrolle durch den Erlass der neuen Fusionskontrollverordnung.485 In Erwägung (25) zur neuen Fusionskontrollverordnung stellt der Rat klar, dass nicht koordinierte Effekte nur außerhalb des Begriffs der Marktbeherrschung eine Rolle spielen können. Koordinierungen zwischen Oligopolmitgliedern würden hingegen zum Vorliegen einer beherrschenden Stellung führen. Das Parallelverhalten im Oligopol ist auch als Koordinierung in diesem Sinne einzustufen. Es erfolgt zwar keine Verhaltensabstimmung im Sinne einer abgestimmten Verhaltensweise nach Art. 81 EG, aber eine Verhaltensabstimmung über den Markt. Wenn der Markt hinreichend transparent ist, d. h. wenn alle Oligopolmitglieder über den Markt die notwendigen Informationen über das Verhalten der anderen Oligopolmitglieder bekommen, dann ist es wegen des Oligopolzwangs sehr wahrscheinlich, dass eine Verhaltensabstimmung über den Markt erfolgt. Diese Situation rechtfertigt es anzunehmen, dass eine Einheit besteht, die – wenn ihr kein Wettbewerb von außen droht – den Markt beherrscht. Damit ist noch nicht entschieden, ob das Parallelverhalten eine missbräuchliche Ausnutzung dieser kollektiven Marktmacht ist. Exkurs Ende (cc) Ergebnis zu (b) Unternehmen, von denen andere Unternehmen sortimentsbedingt abhängig sind, sind Normadressaten, wenn es sich um eine Spitzenstellungsabhängigkeit handelt. Die Spitzengruppenabhängigkeit führt hingegen nicht zum Vorliegen einer einzelnen oder kollektiven beherrschenden Stellung der Unternehmen, die die Spitzengruppenprodukte herstellen. (3) Mangelbedingte Abhängigkeit Kann ein Unternehmen wegen der allgemeinen Verknappung eines Gutes seine Handelspartner nicht mehr mit den gewohnten Mengen dieses Gutes beliefern, so sind die Unternehmen, die üblicherweise beliefert werden, mangelbedingt abhängig. Diese Abhängigkeit macht Unternehmen, die über das knappe Gut verfügen, zu Normadressaten des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB. Die Situation der mangelbedingten Abhängigkeit ist eine wirtschaftliche Ausnahmesituation. Die hierzu ergangenen Entscheidungen beschränken sich dementsprechend auf die Mineralölfälle während der ersten großen Ölkrise in den 1970er 484 Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 63; Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 21. 485 Verordnung (EG) Nr. 139 / 2004 des Rates vom 20. 1. 2004 über die Kontrolle von Zusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung), ABl.EU 2004 Nr. L 24, S. 1 ff.

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Jahren.486 Die Güterverknappung führt dazu, dass weniger Unternehmen als zuvor und diese zumeist auch in geringerem Umfang über die knappen Güter verfügen können. Diejenigen, die noch Zugriff auf die Güter haben, besitzen dadurch eine wirtschaftliche Machtstellung. Diese Machtstellung besteht gegenüber dem gesamten Markt für das knappe Gut. Die Folge ist die Abhängigkeit aller Marktteilnehmer, die das Gut benötigen. Ob die Unternehmen, die Zugriff auf das knappe Gut haben, einzeln oder gemeinsam marktbeherrschend sind, hängt davon ab, wie der Markt im Einzelfall strukturiert ist. Wenn nur noch ein Unternehmen über die Ware verfügen kann, hat dieses als Monopolist eine beherrschende Stellung inne. Wenn nicht nur ein Unternehmen, sondern eine geringe Anzahl von Unternehmen Zugriff auf das knappe Gut hat, entsteht eine oligopolistische Marktstruktur. Die Unternehmen können dann nach den Grundsätzen über die kollektive Marktmacht zu Marktbeherrschern werden. Die mangelbedingte Abhängigkeit kann folglich unter den gerade genannten Voraussetzungen zu einer beherrschenden Stellung führen.487

dd) Abhängigkeit der Anbieter (nachfragebedingte Abhängigkeit) Inwieweit die nachfragebedingte Abhängigkeit eine beherrschende Stellung begründet, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern nur differenziert nach der Art der nachfragebedingten Abhängigkeit. Die Lösungsvorschläge, die für die anbieterbedingte Abhängigkeit entwickelt wurden, sind auf die nachfragebedingte Abhängigkeit übertragbar. Die umgekehrt unternehmensbedingte Abhängigkeit basiert auf der individuellen Beziehung zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen zusammen mit einer Marktstruktur, die das Entstehen dieser Abhängigkeiten begünstigt. Diese Umstände begründen regelmäßig keine beherrschende Stellung des „relativ marktstarken“ Unternehmens. 486 KG, Beschl. v. 4. 7. 1974, Kart. 27 / 74, WuW / E OLG 1499 ff. „AGIP II“; BKartA, Beschl. v. 2. 5. 1974, B8 – 221430-V-17 / 74, WuW / E BKartA 1494 ff. „AGIP“; EuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, Rs. 77 / 77, Slg. 1978, 1513 ff. „B.P. / Kommission“; Komm., Entsch. v. 19. 4. 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 117, S. 1 ff. „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften“. 487 Ritter / Braun / Rawlinson, European Competition Law, S. 347, interpretieren die Kommissionsentscheidung „ABG gegen die in den Niederlanden tätigen Mineralölkonzerne“ in diesem Sinne. Die Kommission habe eine kollektive Marktbeherrschung durch alle Mineralöllieferanten angenommen. Richtiger scheint es die Entscheidung so zu deuten, dass die Kommission eine Einzelmarktbeherrschung der jeweiligen Mineralölkonzerne angenommen hat. In diesem Sinne auch van Bael / Bellis, Competition Law of the EEC, S. 249 f. Die Ölkrise habe zu einer vollkommenen Abhängigkeit der normalen Kunden von den Öllieferanten geführt. Für die Dauer der Krise hätten die Öllieferanten deshalb eine marktbeherrschende Stellung inne.

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

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Im Falle der umgekehrt sortimentsbedingten Abhängigkeit ist der Anbieter einer Ware darauf angewiesen, dass ein bestimmter Nachfrager sie abnimmt und weiterverkauft. Grundsätzlich ist es denkbar, dass nur ein Nachfrager eine bestimmte Absatzfunktion erfüllen kann und deshalb ein eigener Markt für dessen „Vertriebsleistung“ besteht, den er beherrscht. Dies ist aber ein seltener Ausnahmefall. Normalerweise begründet die umgekehrt sortimentsbedingte Abhängigkeit keine beherrschende Stellung. Beruht die „relative Marktstärke“ eines Unternehmens auf der nachfragebedingten Abhängigkeit eines anderen Unternehmens, so ist das „relativ marktstarke“ Unternehmen regelmäßig nicht Inhaber einer beherrschenden Stellung.

3. Ergebnis zu I. Normadressaten des Art. 82 EG sind Unternehmen, die eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt innehaben. Die vertikale Abhängigkeitsbeziehung zu einem anderen Unternehmen genügt zur Begründung einer beherrschenden Stellung grundsätzlich nicht. Die Normadressaten des Art. 82 EG und die des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sind folglich nicht identisch. Dennoch ist eine Gemeinsamkeit darin zu erblicken, dass beide Vorschriften an Unternehmen mit einer gewissen wirtschaftlichen Macht adressiert sind. Diese Macht resultiert bei Art. 82 EG aus der Beherrschung eines Marktes, wohingegen im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB die „Beherrschung“ eines einzelnen abhängigen Unternehmens ausreichen kann. Da beide Vorschriften der Kontrolle wirtschaftlicher Macht dienen, ist es durchaus möglich, dass die Adressaten nach § 20 Abs. 2 GWB zugleich Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne des Art. 82 EG sind. Dies ist regelmäßig bei der sortimentsbedingten Spitzenstellungsabhängigkeit der Fall. Im Falle der sortimentsbedingten Spitzengruppenabhängigkeit besteht keine beherrschende Stellung, es sei denn die Spitzengruppenhersteller bilden ein marktbeherrschendes Oligopol. Die mangelbedingte Abhängigkeit ist ein absoluter Sonderfall. Je nach Marktstruktur im Einzelfall hat das Unternehmen, von dem andere mangelbedingt abhängig sind, entweder allein oder gemeinsam mit den anderen Unternehmen, die noch über das knappe Gut verfügen, eine beherrschende Stellung inne. Im Falle der unternehmensbedingten Abhängigkeit besteht regelmäßig keine beherrschende Stellung.

II. Missbrauch im Sinne des Art. 82 EG Art. 82 Abs. 1 EG verbietet Unternehmen in beherrschender Stellung die „missbräuchliche Ausnutzung“ dieser Stellung. Der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung ist im EG-Kartellrecht nicht legaldefiniert. Art. 82 Abs. 2 EG enthält lediglich einen nicht abschließenden Regelbeispielskatalog, der die generalklausel-

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artige Formulierung des Art. 82 Abs. 1 EG konkretisiert. Das Schwergewicht der Regelbeispiele liegt bei der machtbedingten Schädigung des Vertragspartners, also bei Verhaltensweisen in Vertikalverhältnissen.488 Der Anwendungsbereich des Art. 82 EG ist aber nicht auf diesen so genannten Ausbeutungsmissbrauch beschränkt. Daneben sind auch nachteilige Maßnahmen gegenüber Konkurrenten, der so genannte Behinderungsmissbrauch, und der Marktstrukturmissbrauch, d. h. der gezielte Eingriff in den Markt, um die Wettbewerbsbedingungen zu verändern, verboten.489 Allgemein liegt ein Missbrauch vor, wenn sich ein Verhalten im Hinblick auf die Zielsetzungen des Vertrages objektiv als Fehlverhalten darstellt. Dementsprechend orientiert sich der EuGH insbesondere an der Zielsetzung des Art. 3 lit. g) EG.490 Als Missbrauch definiert er in ständiger Rechtsprechung „Verhaltensweisen, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“491 Diese Definition hat weitgehend Zustimmung gefunden.492 Ob eine Verhaltenweise die Voraussetzungen dieser Definition erfüllt, wird sowohl beim Ausbeutungs- als auch beim Behinderungsmissbrauch durch eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung Wettbewerbsstrukturen und den Zielen des Vertrages ermittelt.493 Der Vergleich des nach Art. 82 EG verbotenen Verhaltens mit den nach § 20 Abs. 1 GWB verbotenen Handlungsweisen zeigt, dass die Behinderung und die Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB Unterfälle der missbräuchli488 Bunte, Kartellrecht, S. 420; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 72; Emmerich, Kartellrecht, S. 436; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 351; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 129 ff. 489 Bunte, Kartellrecht, S. 420 f.; Emmerich, Kartellrecht, S. 436; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 351. 490 Zustimmend Mestmäcker in Festschrift für Peter Raisch, S. 441 (443). 491 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1991, Rs. C-62 / 86, Slg. 1991, I-3359 (3455 Rn. 91) „AKZO / Kommission“; Urt. v. 11. 12. 1980, Rs. 31 / 80, Slg. 1980, 3775 (3794 Rn. 27) „L’Oréal / De Nieuwe Amck“; Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85 / 76, Slg. 1979, 461 (541 Rn. 91) „Hoffmann-La Roche / Kommission“; EuG, Urt. v. 10. 7. 1990, Rs. T-51 / 89, Slg. 1990, II-309 (357 Rn. 23) „Tetra Pak / Kommission“; Komm. Entsch. v. 21. 5. 2003, ABl.EG 2003, Nr. L 263, S. 9 (36 Rn. 178) „Deutsche Telekom“. 492 Bunte, Kartellrecht, S. 420; Dirksen in Langen / Bunte Art. 82 Rn. 75; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 161; a. A. Jung, in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 105, der die Definition für zu eng hält, da sie nur den Aspekt den Behinderungsmissbrauchs abdecke. Der Individualschutz. der gleichberechtigt neben dem Institutionenschutz stehe, werde vernachlässigt. 493 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 149, 161 f.

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chen Ausnutzung im Sinne des Art. 82 EG sind. In der Praxis bilden die Diskriminierungen das größte Feld der missbräuchlichen Verhaltensweisen nach Art. 82 EG.494 Beiden Vorschriften ist gemein, dass die normative Missbilligung der fraglichen Verhaltensweise durch eine Gesamtabwägung aller in Betracht kommender Umstände unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des EG-Vertrages bzw. des GWB festgestellt wird. Der Schwerpunkt beider Normen liegt in der Repression einseitiger Maßnahmen.495 Ein Unterschied ist darin zu erblicken, dass Art. 82 EG im Gegensatz zu § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auch die Diskriminierung von privaten Endverbrauchern erfasst.496 Im Rahmen des Art. 82 EG sind nur Verhaltensweisen verboten, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Dieses Tatbestandsmerkmal dient, wie im Rahmen des Art. 81 EG dazu, den Anwendungsbereich des EG-Kartellrechts von dem des nationalen Rechts abzugrenzen.497 Daher kommt der Zwischenstaatlichkeitsklausel für die Frage, wie wirtschaftliche Abhängigkeiten im EG-Kartellrecht geregelt werden, keine Bedeutung zu.

III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 82 EG Ein Verstoß gegen Art. 82 EG kann, wie ein Verstoß gegen § 20 GWB, verwaltungsrechtliche, bußgeldrechtliche und zivilrechtliche Folgen haben. Die verwaltungs- und bußgeldrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen Art. 82 EG ergeben sich aus dem Gemeinschaftsrecht selbst, insbesondere aus der neuen Kartellverfahrensverordnung VO (EG) Nr. 1 / 2003Verordnung. Die Zivilrechtsfolgen ergeben sich mangels ausdrücklicher gemeinschaftsrechtlicher Regelung aus dem nationalen Zivilrecht der Mitgliedstaaten.498 Im deutschen Recht werden die zivilrechtlichen Folgen durch das BGB geregelt, das unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts anzuwenden ist.499 Rechtsfolgen sind zum einen die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte, die auf Grund missbräuchlicher Verhaltensweisen zustande gekommen sind,500 nach § 134 42GB501 und zum anderen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche. v. Bary, Mißbrauchsverbot, S. 161. So Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 35 für Art. 82 EG. 496 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 241. 497 Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 293. 498 Überwiegende Ansicht Bunte, Kartellrecht, S. 429; Eilmansberger in Streinz Art. 82 Rn. 80; Emmerich, Kartellrecht, S. 449; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 276; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 328; Streinz, Europarecht, Rn. 830, S. 307. 499 Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 10 f.; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 33; a. A. hinsichtlich der Nichtigkeit von Verträgen, die gegen Art. 82 EG verstoßen, Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 10 – 030 Fn. 31, S. 781; Wish in Gormley, Current and Future Perspectives on EC-Competition Law, S. 73 (80). 494 495

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3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Schadensersatzansprüche der betroffenen Marktteilnehmer gegen den Verbotsadressaten des Art. 82 EG können sich bei einem schuldhaften Verstoß gegen Art. 82 EG aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben.502 Unterlassungs- und Beseitigungs500 EuGH, Urt. v. 11. 4. 1989, Rs. 66 / 86, Slg. 1989, 803 (851 Rn. 45) „Ahmed Saeed Flugreisen u. a. / Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“; Art. 82 EG ist ein unmittelbar geltendes Verbot (st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 30. 1. 1974, Rs. 127 / 73, Slg. 1974, 51 (62 Rn. 15 ff.) „BRT / Sabam“; Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 1; Heinrichs in Palandt § 134 Rn. 3; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 632; MayerMaly in Münchner Kommentar § 134 Rn. 36.) und als solches Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 23; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 410.). Da die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB nur eintritt, wenn sich aus dem Verbotsgesetz nichts anderes ergibt, ist die Frage nach der Nichtigkeit immer mit Blick auf Sinn und Zweck des Art. 82 EG zu beantworten. Aus dieser Orientierung an Sinn und Zweck des Art. 82 EG ergibt sich die Möglichkeit, für die verschiedenen Erscheinungsformen des Missbrauchs hinsichtlich der Rechtfolge zu differenzieren (Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 31; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 411; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 282; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 328 f.). Die vollständige Nichtigkeit eines durch missbräuchliches Verhalten zu Stande gekommenen Rechtsgeschäfts ist nur dann geeignete Rechtsfolge, wenn der Missbrauch gerade in der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Vertragspartners liegt. Beinhaltet der Vertrag hingegen eine Ausbeutung oder Diskriminierung des Vertragspartners, zum Beispiel durch zu hohe Preise oder ungünstige Konditionen, so wird eine Vertragsanpassung regelmäßig die geeignete Rechtsfolge sein (Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 31; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 31.). Besonders schwierig ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit, wenn ein Art. 82 EG widersprechender Vertrag für gutgläubige Vertragspartner vorteilhaft ist, wie zum Beispiel bei Kampfpreisunterbietungen (Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 27.). Hier kann § 134 BGB keinesfalls ohne weitere Erwägungen herangezogen werden. Nach überwiegender Ansicht kann keine Vertragsanpassung zulasten der gutgläubigen Vertragspartner unter Verweis auf Art. 82 EG erfolgen (Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 411; a. A. Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 282.). Auch die Nichtigkeit ist hier regelmäßig keine geeignete Rechtsfolge, da die Rückabwicklung der nichtigen Verträge gerade bei Massengeschäften des täglichen Lebens zu unüberwindbaren Schwierigkeiten führt (Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 30; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 30 f.). 501 Teilweise wird die Nichtigkeit aus § 138 BGB hergeleitet, so etwa v. Gamm Art. 86 Rn. 22, Gleiss / Hirsch Art. 86 Rn. 134 und Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 632. Dies widerspricht aber dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts und dem umfassenden Schutzzweck des Art. 82 EG, da zusätzlich die Sittenwidrigkeit der missbräuchlichen Verhaltensweise nachgewiesen werden müsste. Im Übrigen ist § 138 lex specialis zu § 134, vgl. Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 280. Zum Teil wird angenommen, die Nichtigkeit ergebe sich direkt aus Art. 82 EG, so etwa Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 10 – 030 Fn. 31, S. 781. Die überwiegende Ansicht wendet zu Recht § 134 BGB an, so zum Beispiel Bunte, Kartellrecht, S. 430; Emmerich, Kartellrecht, S. 449 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 830, S. 307; Weyer, ZEuP 1999, S. 424 (437) und die in der vorhergehenden Fn. zitierten Autoren. 502 A. A.: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 632; wie hier aber heute die weit überwiegende Ansicht: Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 36; Bunte, Kartellrecht, S. 430; Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1 Rn. 412; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 283; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 22 Rn. 37, S. 524; Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 34. Bislang nicht

C. Diskriminierung als Missbrauch nach Art. 82 EG

147

ansprüche können sich aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB ergeben.503 Nach der 7. GWB-Novelle ergeben sich Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen eine Verstoßes gegen Art. 82 EG aus § 33 GWB-neu. Unter Umständen kann sich aus einem Verstoß gegen Art. 82 EG, wie auch als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 20 GWB, auch ein Anspruch auf den Abschluss eines Vertrages ergeben.504

IV. Ergebnis zu C. Der Regelungsansatz des Art.Der entscheidende Unterschied besteht in den verschiedenen Konzepten, die angewendet werden, um den Grad an wirtschaftlicher Macht zu ermitteln, der ein Einschreiten des Staates erfordert. Normadressaten des Art. 82 EG sind Unternehmen in marktbeherrschender Stellung, wohingegen Normadressaten des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB Unternehmen sind, von denen andere Unternehmen abhängig sind. Art. 82 EG setzt die Beherrschung eines ganzen Marktes voraus, wohingegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB die Beherrschung einzelner Unternehmen ausreichen lässt. Das europäische Missbrauchsverbot setzt also tendenziell einen höheren Grad an wirtschaftlicher Macht voraus. Da den Vorschriften unterschiedliche Konzeptionen zugrunde liegen, kann ihr Verhältnis insgesamt dennoch nicht einfach als Stufenverhältnis bezeichnet werden. Das Bestehen eines vertikalen Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB genügt grundsätzlich nicht, um eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG zu begründen. Auch innerhalb des § 20 Abs. 2 GWB begründet nicht jedes vereinzelte Abhängigkeitsverhältnis die Normadressateneigenschaft des Unternehmens, gegenüber dem die Abhängigkeit besteht. Vielmehr implizieren nur bestimmte Fallgruppen der Abhängigkeit das Bestehen von „relativer Marktmacht“. In einigen Fallgruppen kommen zu den individuellen vertikalen Abhängigkeitsverhältnissen typischerweise weitere Faktoren hinzu, die dann in der Zusammenschau mit den Abhängigkeitsbeziehungen eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG begründen können. geklärt ist, ob der Grundsatz der Effektivität es erfordert, einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch anzuerkennen, vgl. dazu Weyer, ZEuP 1999, S. 424 (448 f.). 503 Emmerich in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, H.I § 1, Rn. 412; Jung in Grabitz / Hilf Art. 82 Rn. 283. 504 Baur / Weyer in Frankfurter Kommentar Art. 82 Rn. 37; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 22 Rn. 37, S. 524; Traugott, WuW 1997, S. 486 (494). Es ist, ebenso wie im deutschen Recht, nicht abschließend geklärt, ob der Kontrahierungszwang auf einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB oder auf einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu stützen ist. Für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 82 EG zum Beispiel: Traugott, WuW 1997, S. 486 (494). 10*

148

3. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot im EG-Kartellrecht

Im Falle der Spitzenstellungsabhängigkeit ist die Marktgeltung einer Ware so groß, dass sie einen eigenen Markt bildet, auf dem der Hersteller des Spitzenstellungsproduktes als Monopolist eine beherrschende Stellung innehat. Bei der Spitzengruppenabhängigkeit sind die Spitzengruppenprodukte per definitionem gegeneinander austauschbar, so dass sie keinen eigenen Markt bilden. Allein der besondere Ruf einer Ware begründet keine beherrschende Stellung, so dass die Hersteller der Spitzengruppenprodukte regelmäßig nicht Normadressaten des Art. 82 EG sind. Ausnahmsweise kann eine kollektive beherrschende Stellung aller Hersteller von Spitzengruppenprodukten bestehen, wenn der Markt so strukturiert ist, dass die Hersteller der Spitzengruppenprodukte ein enges Oligopol auf einem transparenten Markt bilden. Die mangelbedingte Abhängigkeit ist regelmäßig Ursache einer Marktbeherrschung. Je nach dem, ob nur ein Unternehmen oder mehrere Unternehmen über das knappe Gut verfügen, besteht eine kollektive oder eine Einzelmarktbeherrschung. Im Falle der unternehmensbedingten Abhängigkeit liegt im regelmäßig keine beherrschende Stellung vor. Hinsichtlich der Tathandlungen gilt, dass die Diskriminierungen, die durch § 20 Abs. 1 GWB untersagt werden, in aller Regel auch als missbräuchliche Verhaltensweisen im Sinne des Art. 82 EG qualifizierbar sind.

D. Ergebnis des Dritten Teils Auf europäischer Ebene existiert kein § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entsprechendes Verbot. Dennoch wird ein Teil der durch § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Sachverhalte auch auf europäischer Ebene als wettbewerbsschädlich eingestuft und nach Art. 81 oder 82 EG verboten. Diskriminierungen, die Inhalt einer Vertikalvereinbarung sind, können am Maßstab des Art. 81 EG gemessen werden. Dies gilt sowohl für Diskriminierungen, die von Anfang an deren Inhalt sind, als auch für solche, die nachträglich zu deren Inhalt werden. Auch die systematische einseitige diskriminierende Handhabung selektiver Vertriebssysteme ist nach Art. 81 EG verboten. Die Kontrolle am Maßstab des Art. 81 EG führt dabei zumeist zu ähnlichen Ergebnissen wie eine Kontrolle am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB. Rein einseitige Handlungen „relativ marktstarker“ Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB können auf europäischer Ebene – abgesehen von der systematischen diskriminierenden Handhabung selektiver Vertriebssysteme – nicht nach Art. 81 EG kontrolliert werden. Einseitige Handlungen können nur nach Art. 82 EG verboten werden. Die „relative Marktmacht“ nach § 20 Abs. 2 GWB begründet in der Fallgruppe der unternehmensbedingten und der sortimentsbedingten Spitzengruppenabhängigkeit aber keine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG. Nur die in der Praxis sehr

D. Ergebnis des Dritten Teils

149

seltene sortimentsbedingte Spitzenstellungsabhängigkeit und die noch seltenere mangelbedingte Abhängigkeit begründen eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG und eröffnen damit die Kontrollmöglichkeit am Maßstab des Art. 82 EG.

Vierter Teil

Verhältnis von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zu Art. 81 und 82 EG Diskriminierungen von „relativ marktstarken“ Unternehmen können sich gleichzeitig auf dem Gemeinsamen Markt und auf dem deutschen Markt auswirken. Bei solchen gemeinschaftsrelevanten Sachverhalten ist fraglich, inwieweit § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB neben dem EG-Kartellrecht anwendbar ist. Diese Frage stellt sich in drei verschiedenen Varianten: Ist § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Verhaltensweisen anwendbar, die nach Art. 81 oder 82 EG verboten sind? Ist § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Verhaltensweisen anwendbar, die im EG-Kartellrecht nicht verboten sind, weil sie weder von Art. 81 EG noch von Art. 82 EG erfasst sind? Und ist § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB anwendbar auf Verhaltensweisen, die zwar von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst sind, aber zugleich die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen und infolgedessen erlaubt sind? Da in diesen Fällen beide Rechtsordnungen Anwendung beanspruchen, hängt die Beantwortung dieser Fragen entscheidend von dem Verhältnis des GWB zum Gemeinschaftskartellrecht ab. Zunächst wird kurz deren Verhältnis im Allgemeinen dargestellt und dann im Besonderen hinsichtlich der einzelnen Konfliktsituationen zwischen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und Art. 81 und 82 EG.

A. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EWG) Nr. 17 / 62 Nach Art. 83 Abs. 2 lit. e) EG hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Kompetenz, das Verhältnis zwischen europäischen und nationalen Wettbewerbsregeln durch Verordnungen oder Richtlinien zu regeln. Bis zum Erlass der VO (EG) Nr. 1 / 2003 hat er hiervon keinen Gebrauch gemacht. Es existierte keine ausdrückliche Regelung des Verhältnisses zwischen dem EG-Kartellrecht und den nationalen Kartellrechtsordnungen. Daher richtete sich deren Verhältnis zueinander im Grundsatz nach den Regeln des Anwendungsvorrangs, die allgemein für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zum nationalen Recht gelten. Die gleichzeitige Anwendung war möglich, soweit dadurch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftskartellrechts und die volle Wirksamkeit der zu seinem

A. Kartellrecht gemäß VO (EWG) Nr. 17 / 62

151

Vollzug ergangenen Maßnahmen auf dem gesamten Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt wurde.505 Demnach konnte ein Lebenssachverhalt zugleich Gegenstand eines Verfahrens auf europäischer und auf nationaler Ebene sein,506 im Konfliktfall verdrängte das Gemeinschaftsrecht das nationale Recht aber.507 Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens von GWB und EG-Vertrag wurde zunächst die „Zweischrankentheorie“508 vertreten, nach der beide Rechtsordnungen uneingeschränkt nebeneinander anwendbar waren, wodurch sich jeweils das strengere Recht durchgesetzt hat. Die uneingeschränkte kumulative Anwendung beider Rechtsordnungen wird aber seit der EuGH-Entscheidung „Wilhelm / Bundeskartellamt“509 nicht mehr propagiert.510 Für die Frage, ob § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB neben dem EG-Kartellrecht anwendbar war, kam es unter Geltung der VO (EWG) Nr. 17 / 62 also entscheidend darauf an, ob die gleichzeitige Anwendung beider Vorschriften die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts oder der zu seinem Vollzug ergangenen Maßnahmen beeinträchtigt hat.

505 Allgemeine Ansicht: EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, 1 (13 Rn. 4) „Wilhelm / Bundeskartellamt“; Urt. v. 10. 7. 1980, verbundene Rs. 253 / 78 und 1 bis 3 / 75, Slg. 1980, 2327 (2375 Rn. 16) „Procureur de la république / Giry und Guerlain“; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987, 2BvR 687 / 85, BVerfGE 75, S. 223 (244); Eilmansberger in Streinz vor Art. 81 Rn. 5; Hirsch, ZWeR 2003, S. 233,243; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 72; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 5 Rn. 6, S. 144; Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 80; Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 68; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 19; Wiedemann in Wiedemann, Hdb. KartellR, § 6 Rn. 3, S. 92. 506 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, 1 (13 Rn. 4) „Wilhelm / Bundeskartellamt“; Urt. v. 10. 7. 1980, verbundene Rs. 253 / 78 und 1 bis 3 / 75, Slg. 1980, 2327 (2375 Rn. 16) „Procureur de la république / Giry und Guerlain“; BGH, Urt. v. 18. 5. 1993, KVZ 10 / 92, WuW / E BGH 2869 (2872) „Pauschalreise-Vermittlung II“; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 12; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 125. 507 Bellamy / Child, European Community Law of Competition, Rn. 10 – 075, S. 819; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 71; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 2; Schwarze, JZ 1996, S. 57 (58); Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 16. 508 Begründet durch Koch, BB 1959, S. 241 ff. 509 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, 1 ff. „Wilhelm / Bundeskartellamt“. 510 So Emmerich, Kartellrecht, S. 377; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 5 Rn. 6, S. 144; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 133, S. 89; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 4, Rn. 133 und Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (303).

152

4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

B. Verhältnis zwischen innerstaatlichem Kartellrecht und EG-Kartellrecht gemäß der VO (EG) Nr. 1 / 2003 Im Zuge der Neuordnung des EG-Kartellverfahrensrechts durch die VO (EG) Nr. 1 / 2003511 hat der europäische Verordnungsgeber das Verhältnis zwischen EGKartellrecht und innerstaatlichen Regelungen erstmals ausdrücklich geregelt. In Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 ist ein Anwendungsvorrang des Art. 81 EG vor entgegenstehenden nationalen Regelungen statuiert. Dies entspricht im Ansatz der bisherigen Situation, geht im Einzelnen aber weiter.512 EG-Kartellrecht und nationale Regelungen bleiben grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Sobald eine gemeinschaftsrelevante Vereinbarung vorliegt, genießt Art. 81 EG aber uneingeschränkten Vorrang vor entgegenstehenden nationalen Regelungen. In Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Erwägungsgrund (8) VO (EG) Nr. 1 / 2003 ist für den Bereich des Art. 82 EG eine Ausnahme vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts vorgesehen. Strengere innerstaatliche Regelungen zur Ahndung einseitiger Handlungen dürfen weiterhin erlassen und angewendet werden.513 Bei Sachverhalten, die sich auf dem europäischen Binnenmarkt auswirken, werden innerstaatliche Verbote zur Ahndung einseitiger Handlungen, wie insbesondere § 20 GWB, nicht von Art. 82 EG verdrängt, sondern bleiben neben diesem anwendbar. Diese Ausnahme vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts wurde von Deutschland gerade im Hinblick auf die hier zu untersuchende Vorschrift durchgesetzt.514 511 Vgl. dazu auch Verordnung der Kommission über Verfahren der Kommission auf Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 3 ff., Entwurf einer Bekanntmachung der Kommission über die Behandlung von Beschwerden durch die Kommission gemäß Artikel 81 und 82 EG-Vertrag, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 36 ff., Entwurf einer Bekanntmachung der Kommission über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag, die in Einzelfällen auftreten (Beratungsschreiben), ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 42 ff., Entwurf einer Bekanntmachung – Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikel 81 und 82 EGVertrag, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 45 ff., Entwurf einer Bekanntmachung – Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 62 ff., Entwurf einer Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 11 ff., Entwurf einer Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag, ABl.EG 2003, Nr. C 243, S. 20 ff. 512 Lettl, ZHR 167 (2003), S. 473 (473); Stillfried / Stockenhuber, ÖZW 2003, S. 45 (49). 513 Einzig Gruber, wbl 2004, S. 1 (3 f.), meint, dass der Vorrang des Gemeinschaftsrechts für Art. 82 EG in gleicher Weise wie für Art. 81 EG gilt. Einseitige missbräuchliche Verhaltensweisen, die nicht von Art. 82 EG erfasst sind, dürften auch nicht durch strengere nationale Regeln verboten werden. Der Wortlaut der VO (EG) Nr. 1 / 2003 sei diesbezüglich unbeachtlich, weil die Verordnung Inhalt und Tragweite der Art. 81 f. EG nicht verändern könne. 514 So: Klocker, WuW 2002, S. 1151; Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (306); Schnelle / Bartosch / Hübner S. 37; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäischen

C. Nationales und EG-rechtliches Verbot

153

C. Nationales und EG-rechtliches Verbot Die erste der oben aufgeworfenen Fragen lautet: Ist § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf eine Verhaltensweise anwendbar, die nach Art. 81 oder 82 EG verboten ist? Die Situation, dass ein Verhalten sowohl nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB als auch nach Art. 81 oder 82 EG verboten ist, kann sich bei allen Fallgruppen der Abhängigkeit stellen. Sie ergibt sich beispielsweise, wenn ein Kfz- oder Markenartikelhersteller seine Waren über ein selektives Vertriebssystem vertreibt, das gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstößt. Ein Beispiel für die mögliche kumulative Anwendung von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und Art. 82 EG ist die des marktbeherrschenden Spitzengruppenproduktherstellers, der anderen Unternehmen in missbräuchlicher Weise die Belieferung verweigert.

I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 Unter Geltung der VO (EWG) Nr. 17 / 62 kam es entscheidend darauf an, ob die kumulative Anwendung des nationalen und des Gemeinschaftsrechts zu einem Konflikt führen würde. Wenn ein Verhalten sowohl nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB als auch nach Art. 81 oder 82 EG verboten war, konnte ein Konflikt nur entstehen, wenn die Verbote divergierende Rechtsfolgen ausgelöst haben. Auf Grund der ähnlichen Normstruktur und der Konvergenz der Rechtsfolgen hat die parallele Anwendung von Art. 82 EG und § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB kein Konfliktpotential geborgen, so dass diese regelmäßig unproblematisch nebeneinander anwendbar waren. Um die doppelte Sanktionierung eines Verhaltens zu vermeiden, mussten in dem zeitlich späteren Verfahren die in dem früheren Verfahren verhängten Sanktionen allerdings im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs berücksichtigt werden.515 Gleiches galt für die parallele Anwendung des Art. 81 Kartellverfahrensrechts, § 3 Rn. 33, S. 49; Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 (72); Wirtz, WuW 2003, S. 1039 (1040). 515 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, S. 1 (15 Rn. 11) „Wilhelm / Bundeskartellamt“; Bunte, WuW 1989, S. 7 (9); Eilmansberger, EWS 2004, S. 49 (52 ff.); Emmerich, Kartellrecht, S. 379; Geiger Art. 83 Rn. 17; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 44; Herdegen, Europarecht, Rn. 365, S. 293 f.; Mailänder in Gemeinschaftskommentar EWG-Grundzüge Rn. 22; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 134, S. 90; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung F Rn. 13; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 126; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 19. Bislang entsprach es der überwiegenden Ansicht, das Verbot der Doppelbestrafung „ne bis in idem“ im Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht nicht anzuwenden, weil es sich um unterschiedliche Rechtordnungen handelt. Das Gebot, bereits verhängte Sanktionen in späteren Verfahren anzurechnen, ergab sich aus einem „allgemeinen Billigkeitsgedanken“. Vgl. aber neuerdings EuGH, Urt. v. 7. 1. 2004, verbundene Rs. C-204 / 00P, C-205 / 00P, C-211 / 00P, C-213 / 00P, C-217 / 00P und C-219 / 00P, Rn. 338

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

EG und des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, wenn die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotene Diskriminierung Inhalt einer nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotenen Vereinbarung war.516 Auch dann waren die gleichen Rechtsfolgen möglich. Ein Konflikt ergab sich aber, wenn die Diskriminierung nicht Inhalt der Vereinbarung war, sondern in einer einseitigen Handlung bestand, im europäischen Recht aber dennoch am Maßstab des Art. 81 EG gemessen wurde. Dies war insbesondere bei der systematischen diskriminierenden Handhabung eines selektiven Vertriebssystems der Fall. Im europäischen Recht führt die systematische diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems zur Nichtigkeit des gesamten Systems. Im deutschen Recht hat die Nichtzulassung zu einem selektiven Vertriebssystem nicht immer dessen Nichtigkeit zur Folge, sondern kann zu einem Anspruch auf Zulassung zu dem selektiven Vertriebssystem führen. Da es die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt hätte, einen Zulassungsanspruch und damit die Gültigkeit der Vertriebsverträge auf Grundlage des nationalen Rechts anzunehmen, wurde dieser Widerspruch zu Gunsten des Gemeinschaftsrechts aufgelöst.517

II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 Auch nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 ergeben sich schon aus den oben genannten Gründen keine Probleme hinsichtlich der parallelen Anwendung von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und Art. 82 EG. Die Möglichkeit, § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und Art. 82 EG nebeneinander anzuwenden, ergibt sich zudem aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1 / 2003: „Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf nach Art. 82 EG verbotene Missbräuche an, so wenden sie auch Art. 82 EG an.“ Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 ist die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts, also auch des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, neben Art. 81 EG grundsätzlich möglich. Lösen die Vorschriften unterschiedliche Rechtsfolgen aus, setzt sich Art. 81 EG auf Grund des uneingeschränkten Anwendungsvorrangs durch. „Aalborg Portland / Kommission“, http: //curia.eu.int: Der Grundsatz „ne bis in idem“ sei anwendbar, wenn Identität des Sachverhaltes, des Zuwiderhandelns und des geschützten Rechtsgutes vorlägen. Auch Wils, World Competition 2003, S. 131 (143 ff.), geht davon aus, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ anwendbar sei und dass die Einleitung eines zweiten Verfahrens wegen desselben Verhaltens daher ausgeschlossen ist. 516 Mestmäcker, EBOR 2000, S. 401 (429). 517 Ausdrücklich nur hinsichtlich der Konstellation, dass ein Verhalten nach Art. 81 oder 82 EG verboten ist, von § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB aber nicht erfasst wird. In diesen Fällen setze sich das europäische Recht als strengeres Recht durch. Bunte, Kartellrecht, S. 48; Bunte, WuW 1989, S. 7 (15); Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 81; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 135, S. 90 f.

D. Nationales Verbot mangels tatbestandlicher Erfassung

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D. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis mangels tatbestandlicher Erfassung Ist ein Verhalten nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten, im EG-Kartellrecht aber tatbestandlich weder von Art. 81 als von Art. 82 EG erfasst, so besteht offensichtlich ein Widerspruch zwischen der Regelung des Gemeinschaftsrechts und der des GWB. Diese Situation besteht beispielsweise, wenn ein nicht marktbeherrschender Markenartikelhersteller, der seinen Waren nicht über ein selektives Vertriebssystem absetzt, einem sortimentsbedingt abhängigen Unternehmen die grundlos Belieferung verweigert. So verstößt er gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, Art. 81 EG ist mangels Vereinbarung nicht anwendbar und Art. 82 EG mangels marktbeherrschender Stellung.

I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 Unter Geltung der VO (EWG) Nr. 17 / 62 wurde überwiegend angenommen, die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB führe in diesen Konstellationen nicht zu einer Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts. Wenn ein Verhalten nicht vom EG-Kartellrecht geregelt werde, könne dessen Verbot die Wirksamkeit des Gemeinschaftskartellrechts auch nicht beeinträchtigen. Dies wurde selbst dann angenommen, wenn die Kommission der Auffassung war, es liege kein Verstoß gegen Art. 81 EG vor und dies durch die Versendung eines Verwaltungsschreibens („comfort letter“)518 oder den Erlass eines Negativtests gemäß Art. 2 VO (EWG) Nr. 17 / 62 kundgetan hat519. Die Anwendung der Vorschriften 518 Allgemeine Ansicht: EuGH, Urt. v. 10. 7. 1980, Rs. 99 / 79, Slg. 1980, 2511 (2535 Rn. 18) „Lancôme / Etos“; Urt. v. 10. 7. 1980, verbundene Rs. 253 / 78 und 1 bis 3 / 75, Slg. 1980, 2327 (2375 Rn. 18) „Procureur de la république / Giry und Guerlain“; Bechtold Einf. Rn. 65; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 493 Rn. 853; Bunte in Langen / Bunte Einf. EG-Kartellrecht Rn. 77; Bunte, WuW 1989, S. 7 (15); Gleiss / Hirsch Einl. Rn. 75; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 44; Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 75; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 123; Waelbroeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, Nr. 113, S. 117 bzw. S. 112 f. der englischen Übersetzung; Walz, Vorrang des europäischen vor dem nationalen Kartellrecht, S. 97; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 26; Eilmansberger in Streinz vor Art. 81 Rn. 6 geht auch davon aus, dass Verwaltungschreiben der Kommission nationale Behörden und Gerichte nicht binden können, meint aber, dass diese dennoch „gut daran täten“, nationale Verbote auf diese Fälle nicht anzuwenden. Einschränkend Schwarze, JZ 1996, S. 57 (63), der annimmt, auch Verwaltungsschreiben hätten bindende Wirkung, wenn die Kommission ersichtlich mit Rechtsbindungswillen gehandelt hat. 519 Strittig, wie hier Bechtold Einf. Rn. 65; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 493 Rn. 853; Bunte in Langen / Bunte Einf. EG-Kartellrecht Rn. 77; Bunte, WuW 1989, S. 7 (16); Bunte / Sauter Einf. Rn. 71; Dißars, Negativattest nach europäischem Kartellrecht, S. 167; Eilmansberger in Streinz vor Art. 81 Rn. 6; Gleiss / Hirsch Einl. Rn. 73; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 44; Mailänder in Gemeinschaftskommentar

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

des GWB, also auch des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, war demzufolge möglich.520

II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 Die Antwort auf die Frage, ob § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB anwendbar ist, wenn ein Verhalten die Tatbestandsmerkmale der Art. 81 und 82 EG nicht erfüllt, hat sich durch die neue Kartellverfahrensverordnung verändert. Nach dem Wortlaut der neuen Regelung in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 „[darf] die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts nicht zu einem Verbot von Vereinbarungen . . . führen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, aber den Wettbewerb i. S. des Art. 81 I EG nicht einschränken oder die Bedingungen des Art. 81 III EG erfüllen oder durch eine Verordnung zur Anwendung von Art. 81 III EG erfasst sind“. Damit ist der Anwendungsvorrang auf die Fälle erweitert, in denen ein Verhalten mit Gemeinschaftsrelevanz zwar eine Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, aber keine Wettbewerbsbeschränkung darstellt.521 Das innerstaatliche Recht muss – weitergehend als bisher – immer zurückstehen, wenn eine Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG vorliegt. Sofern allerdings weder eine Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG noch eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EG vorliegt, ist EWG-Grundzüge Rn. 21; Markert, C.M.L.R. 1974, S. 92 (95); Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 137, S. 91; Röhling, GRUR 2003, S. 1019 (1021); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 123; Waelboeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, S. 117, Nr. 113; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 29; differenzierend Schwarze, JZ 1996, S. 57 (63), der bei allen Entscheidungen der Kommission darauf abstellt, ob durch die Entscheidung ein Vertrauensschutz der Betroffenen verursacht wird und Walz, Vorrang des europäischen vor dem nationalen Kartellrecht, S. 95, der jeweils im Einzelfall prüfen möchte, ob ein „positiver Eingriff“ vorliegt. 520 Überwiegende Ansicht: Bunte, Kartellrecht, S. 48; Bunte in Langen / Bunte Einf. EGKartellrecht Rn. 77; Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 44; Markert, C.M.L.R. 1974, S. 92 (95); Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 75; Rehbinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einl. F Rn. 8; Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 68; Stillfried / Stockenhuber, ÖZW 2003, S. 45 (53); Waelboeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, S. 117, Nr. 113. A. A. Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 85. A. A. Gruber, wbl 2004, S. 1 (3). 521 Begründung zum Entwurf der 7. GWB-Novelle, S. 18, 41; Bechtold, DB 2004, S. 235 (237); ders., BB 2000, 2425 (2428); Grill in Lenz / Borchardt Vorbem. Art. 81 – 86 Rn. 44; Hirsch, ZWeR 2003, S. 233 (243 f.); Hossenfelder / Lutz, WuW 2003, S. 118 (120 f.); Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (305 ff. 309 f.); Schnelle / Bartosch / Hübner S. 36; Stillfried / Stockenhuber, ÖZW 2003, S. 45 (53); Das Bundeskartellamt weist darauf hin, dass die Kommission die Notwendigkeit der Ausweitung des Anwendungsvorrangs auf Fälle, in denen das europäische Recht auf Grund fehlender Tatmäßigkeit nicht anwendbar ist, nicht dargelegt hat, Tätigkeitsbericht 2001 / 2002, BT-Drucks. 15 / 1226, S. 1 (64).

E. EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG

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§ 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB – wie bisher – auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte anwendbar. Die Möglichkeit, § 20 GWB als gegenüber dem EG-Kartellrecht strengere nationale Vorschrift zur Ahndung einseitiger Handlungen anzuwenden, wenn Art. 82 EG nicht eingreift, ist nunmehr ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 1 / 2003 festgeschrieben.522

E. Nationales Verbot und EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG auf Grund einer Gruppenfreistellungsverordnung Besonders problematisch war und ist die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Verhaltensweisen, die zwar eine Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG darstellen, zugleich aber die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllen und daher im Ergebnis auf europäischer Ebene nicht verboten sind. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn ein Markenartikelhersteller, der seine Waren über ein von der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 erfasstes selektives Vertriebssystem vertreibt, einem einzelnen Händler, der alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, die Zulassung versagt und dadurch gegen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verstößt.

I. Lösung nach der VO (EWG) Nr. 17 / 62 Bis zum 1. 5. 2004 erfolgte die Freistellung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG durch eine konstitutive Freistellungsentscheidung in Form einer Einzelfreistellung oder einer Gruppenfreistellungsverordnung. Anerkannt war, dass die Freistellung einer Vereinbarung der Anwendung nationaler Verbote auf diese Vereinbarung prinzipiell entgegenstehen konnte.523 Keine Einigkeit bestand aber über die Reichweite der Vorrangwirkung von Freistellungsentscheidungen gegenüber dem nationalen Recht. Teilweise wurde zwischen Einzelfreistellungen und Gruppenfreistellungen unterschieden. Einzelfreistellungen hätten an der Vorrang522 Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO (EG) 1 / 2003 ist in Verbindung mit Erwägungsgrund (8) so auszulegen, dass § 20 GWB auch insoweit anwendbar bleibt, als er über Art. 82 EG hinausgeht. So Hirsch, ZWeR 2003, S. 233 (244 f.) und Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 (72). Die Nichtanwendung des Art. 82 EG sei ohne Bedeutung für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts, de Bronett Art. 3 Rn. 5. 523 Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 85; Rebinder in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einl. F Rn. 17; zweifelnd allerdings Doherty, E.C.L.R. 1994, S. 315 (318 ff.). Der BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1458) „BMW-Direkthändler“, hat § 26 Abs. 2 GWB a. F. angewendet, obwohl eine Einzelfreistellungsentscheidung der Kommission nach Art. 81 Abs. 3 EG vorlag. Das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht wurde nicht problematisiert.

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

wirkung teil, Gruppenfreistellungen hingegen nicht.524 Da sich Gruppenfreistellungen als gebündelte Einzelfreistellungen in ihrer Zielsetzung nicht wesentlich von Einzelfreistellungen unterschieden haben,525 überzeugte diese Differenzierung nicht.526 Zum Teil wurde die Vorrangwirkung von Freistellungsentscheidungen davon abhängig gemacht, ob die betreffende Freistellung Ausdruck einer positiven, gestaltenden Politik der Gemeinschaftsbehörden war.527 Nur wenn dies der Fall sei und wenn die Wirksamkeit dieser gestaltenden Gemeinschaftspolitik durch Anwendung des nationalen Verbotes beeinträchtigen würde, müsse das nationale Recht zurückstehen.528 Teilweise wurde demgegenüber angenommen, jede Freistellung führe dazu, dass innerstaatliche Verbote der freigestellten Vereinbarungen unanwendbar würden.529 Dies ergebe sich daraus, dass eine Freistellung per definitionem zu einer Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen Fortschritts führen müsse. Insofern liege in jeder Freistellung eine positive Entscheidung zur Förderung der Vertragsziele,530 die ein Verbot nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ausschließe.531 Das gleiche Ergebnis wurde zum Teil durch Etwa Mailänder in Gemeinschaftskommentar EWG-Grundzüge Rn. 21. Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 81. 526 Bunte in Langen / Bunte Einf. EG-Kartellrecht Rn. 79; Emmerich, Kartellrecht, S. 378; Gleiss / Hirsch Einl. Rn. 71; Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (687); Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 138, S. 91; Walz, Vorrang des europäischen vor dem nationalen Kartellrecht, S. 10 ff., 14 ff. 527 Bunte / Sauter, Einf. Rn. 66 ff.; so Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 142, für Einzelfreistellungen der Kommission. Gruppenfreistellungen hätten hingegen grundsätzlich am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teil, S. 143 f. Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einl. Rn. 87; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 136 und 138, S. 91. 528 Markert, C.M.L.R. 1974, S. 92 (96); Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 90, 93. 529 Becker / Pfeiffer, ZWeR 2004, S. 268 (277); Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S. 493 Rn. 853; Eilmansberger in Streinz vor Art. 81 Rn. 5; Gleiss / Hirsch Einl. Rn. 64 für Einzelfreistellungen und Rn. 71 für Gruppenfreistellungen; Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (687); Hirsch, ZWeR 2003, S. 233 (243); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 122; Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 80; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 4, S. 41; Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 68; Waelboeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, S. 117 f., Nr. 113; Wagner, EWG-Gruppenfreistellung und nationales Kartellrecht, S. 15 ff.; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 23.; Wiedemann, GFVO Bd. I, S. 132 f., Rn. 398 ff. und S. 135 ff., Rn. 404 ff. Auch das Bundeskartellamt geht in ständiger Verwaltungspraxis nicht gegen Vereinbarungen vor, die nach einer Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt sind, vgl. Tätigkeitsbericht 2001 / 2002, BT-Drucks. 15 / 1226, S. 1 (64 f.) und Tätigkeitsbericht 1999 / 2000, BT-Drucks. 14 / 6300, S. 1 (58). 530 Bunte, WuW 1989, S. 7 (17); Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 Rn. 122 und 123; Weiß in Calliess / Ruffert Art. 81 Rn. 22. 524 525

E. EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG

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die Überlegung erreicht, dass bei der Auslegung des § 20 GWB die Ziele des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Art. 81 und 82 EG zu beachten seien. Daher könne nicht unbillig und damit verboten sein, was durch eine Gruppenfreistellungsverordnung oder eine Einzelentscheidung freigestellt sei.532 Ausgangspunkt der Diskussion um den Vorrang von Freistellungen war unter Geltung der VO (EWG) Nr. 17 / 62 die Beeinträchtigung der Wirksamkeit des EGKartellrechts und der zu dessen Vollzug ergangenen Maßnahmen.533 Sowohl Einzel- als auch Gruppenfreistellungen waren Teile des Gemeinschaftskartellrechts, die durch die Anwendung entgegenstehenden nationalen Rechts unterlaufen worden wären. Insoweit war die Argumentation, dass in jeder Freistellung eine positive Entscheidung zur Förderung des Wirtschaftslebens in der Europäischen Union zu sehen sei, überzeugend. Nicht überzeugend war es aber daraus zu folgern, dass Freistellungen der Anwendung nationaler Verbote, insbesondere des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB immer entgegenstünden. Hat man die Prämisse ernst genommen, dass durch das Prinzip des Anwendungsvorrangs nur verhindert werden sollte, dass die einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechts durch nationale Verbote beeinträchtigt wird, so musste man konsequenterweise im Einzelfall prüfen, inwieweit die Anwendung des § 20 GWB auf freigestellte Vereinbarungen die Wirksamkeit der jeweiligen Freistellung tangiert hat. Durch die Freistellung einer Vereinbarung nach Art. 81 Abs. 3 EG wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Praktizierung der Vereinbarung in dem Umfang, in dem sie freigestellt war, als wettbewerblich zulässig eingestuft wurde. Die Wirksamkeit dieser Entscheidung wäre beeinträchtigt worden, wenn die Vereinbarung in einem Mitgliedstaat wegen eines nationalen Verbotes nicht hätte praktiziert werden können. Die Anwendung nationaler Verbote durfte folglich nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarungen führen.534 Der Inhalt der Vereinbarung konnte nicht an strengerem nationalem Recht gemessen werden.535 Die Wirksamkeit der Freistel531 Bauer, WRP 2003, S. 243 (248); Bechtold § 20 Rn. 41; Steindorff, ZHR 142 (1978), S. 525 (547). 532 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 138; Wirtz, WuW 2003, S. 1039 (1042). Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 147, hält es für möglich, dass Wertungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Freistellungen nach Art. 81 Abs. 3 EG die Interessenabwägung einschränken, soweit sie im Einzelfall keinen Vorrang vor § 20 GWB genießen. 533 Der allgemeine Grundsatz, dass Maßnahmen auf Grund nationaler Wettbewerbsgesetze die einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft nicht gefährden dürfen, ist beispielsweise in Erwägung (17) der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999 ausdrücklich festgeschrieben. 534 Veelken in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Ergänzungsband GFVO Rn. 53. Walz, Vorrang des europäischen vor dem nationalen Kartellrecht, S. 59, hält es für „höchst fragwürdig“, nach europäischem Recht freigestellte Vereinbarungen auf Grund nationaler Vorschriften zu verbieten. 535 Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 86. Diesbezüglich nicht ganz eindeutig OLG München, Urt. v. 6. 12. 2001, U (K) 3338 / 01, MMR 2002, S. 162 (164 f.) „Internetvertrieb“. Das OLG München prüft am Maßstab des § 20

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lung wäre aber nicht beeinträchtigt gewesen, wenn nach nationalem Recht eine Missbrauchsaufsicht über die freigestellten Vereinbarungen ausgeübt worden wäre.536 Hat beispielsweise ein „relativ marktstarker“ Hersteller einem sortimentsbedingt abhängigen Händler die Zulassung zu seinem selektiven Vertriebssystem verweigert, obwohl der Händler alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt hat, so wurde die Entscheidung der EG-Organe, das Vertriebssystem insgesamt zuzulassen, nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Hersteller nach nationalem Recht einem Kontrahierungszwang gegenüber einzelnen Händlern unterlegen hat.537 Dieses Ergebnis wird dadurch unterstützt, dass sich die Freistellung einer Vereinbarung nur auf deren normale – diskriminierungsfreie – Durchführung bezog.538 Die „normale“ Praktizierung der freigestellten Vereinbarung konnte ohnehin nicht unbillig im Sinne des § 20 GWB und daher verboten sein. Da aber der Sinn einer Freistellung nicht war, die vereinzelte missbräuchliche Ausnutzung der freigestellten Vereinbarung zu legalisieren, konnte die missbräuchliche Handhabung einer Vereinbarung durchaus normativ missbilligenswert nach § 20 GWB sein.539 Die Tatsache, dass die vereinzelte missbräuchliche Handhabung vertikaler Vereinbarungen nach Gemeinschaftsrecht nicht verboten ist, war nicht Ausdruck einer positiven gestaltenden Entscheidung der Gemeinschaftsbehörden, sondern „ungewollte“ Folge der Freistellungsentscheidung. Daher blieben nationale Regeln wie insbesondere § 20 GWB anwendbar, wenn die durch die Freistellung eröffneten Möglichkeiten missbräuchlich gehandhabt wurden.540 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, ob das Vorhandensein eines Einzelhandelsgeschäfts ein objektiv sachgerechtes und angemessenes Kriterium für die Zulassung eines Händlers zum Internetvertrieb im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems darstellt. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob sich das Vertriebssystem auf den zwischenstaatlichen Handel auswirkt. Falls dem so wäre, wäre die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nach hier vertretener Ansicht durch das Gemeinschaftsrecht gesperrt gewesen. Aber auch falls dem nicht so gewesen wäre, hätte das OLG München im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 GWB die Wertungen des europäischen Kartellrecht einbeziehen müssen. Auch Bauer, WRP 2003, S. 243 (244) und Becker / Pfeiffer, ZWeR 2004, S. 268 (275, 278), bemängeln, dass die Entscheidung des OLG München die Freistellung des selektiven Vertriebsystems durch die VO (EG) Nr. 2790 / 1999 und die daraus resultierende Sperrwirkung zulasten des deutschen Rechts übergeht. Das Urteil des OLG München wurde durch den BGH aufgehoben. Das Betreiben eines Einzelhandelsgeschäfts sei ein zulässiges Selektionskriterium und daher sei die Lieferverweigerung gegenüber Händlern, die reinen Internethandel betreiben, nach § 20 Abs. 1 GWB gerechtfertigt. Da sich nach deutschem Recht das gleiche Ergebnis wie nach Gemeinschaftsrecht ergab, bedurfte es keines Rückgriffs auf den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, BGH, Urt. v. 4. 11. 2003, KZR 2 / 02, WuW / E DE-R 1203 (1205) „Depotkosmetik im Internet“. 536 Markert, C.M.L.R. 1974, S. 92 (96), führt aus, es könne keine Konfliktsituation entstehen, wenn das nationale Recht nur bestimmte Aspekte einer Vereinbarung betrifft, ohne deren Existenz an sich in Frage zu stellen. 537 In diese Richtung auch Bechtold, NJW 2003, S. 3729 (3733), der annimmt, dass Zulassungsansprüche von geeigneten Händlern nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen können, da die qualitative Selektion gerade die Zulassung aller geeigneten Händler fordere. 538 Bunte, WuW 1989, S. 7 (18); Steindorff, ZHR 142 (1978), S. 525 (548). 539 Steindorff, ZHR 142 (1978), S. 525 (548).

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Eine Inhaltskontrolle der Vereinbarungen am Maßstab des § 20 GWB war hingegen ausgeschlossen.

II. Lösung nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 Auch die neue Regelung der VO (EG) Nr. 1 / 2003 löst die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn ein Verhalten nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten ist, auf europäischer Ebene aber erlaubt, weil die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG oder einer Verordnung zu dessen Anwendung erfüllt sind, nicht. Die auf den ersten Blick klare Regelung, dass sich im Bereich des Art. 81 EG das Gemeinschaftsrecht sowohl gegenüber milderen als auch gegenüber schärferen nationalen Regelungen durchsetzt,541 und dass sich im Bereich des Art. 82 EG jeweils das strengere Recht durchsetzt, beseitigt keineswegs die bereits unter Geltung der VO (EWG) Nr. 17 / 62 bekannten Probleme bei der Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Sachverhalte, die im EG-Recht am Maßstab des Art. 81 EG beurteilt werden. Gilt der Anwendungsvorrang, wenn eine nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotene Diskriminierung im Rahmen einer Vereinbarung zu Tage tritt, welche die Voraussetzungen eine Verordnung zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt? Setzt sich in diesen Fällen Art. 81 EG durch oder darf § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB als strengeres nationales Recht zur Ahndung einseitiger Handlungen angewendet werden? Hinweise zur Lösung dieser Probleme können unter Umständen Art. 3 VO (EG) Nr. 1 / 2003 entnommen werden. Art. 3 VO (EG) Nr. 1 / 2003 kann theoretisch in zwei gegensätzliche Richtungen interpretiert werden. Man könnte annehmen, § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB diene ausschließlich der Ahndung einseitiger Handlungen „relativ marktstarker“ Unternehmen. Auch wenn die Diskriminierung Inhalt einer Vereinbarungen sei, richte sich das Verbot des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nicht gegen die Vereinbarung, sondern gegen 540 Bunte, WuW 1989, S. 7 (18); speziell für die Anwendung des § 20 GWB auf diskriminierende Handlungen der Vertragsparteien im Rahmen freigestellter selektiver Vertriebssysteme: Mestmäcker in Immenga / Mestmäcker GWB Einleitung Rn. 90; Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 86; Veelken in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Ergänzungsband GFVO Rn. 53; Wiedemann, GFVO Bd. I, S. 141 Rn. 416; Wirtz, WuW 2003, S. 1039 (1042); Pfeffer, NJW 2002, S. 2910 (2911), meint, § 20 GWB sei auf diskriminierende Handlungen der Vertragsparteien eines Vertriebsvertrages anwendbar, auch wenn der Vertriebsvertrag nach der Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 1400 / 2002 für den Automobilsektor freigestellt ist. Auch der BGH hat § 26 Abs. 2 S. 2 GWB a. F. angewendet, obwohl der betreffende Vertriebsvertrag durch eine Kommissionsentscheidung nach Art. 85 Abs. 3 EWGV a. F. freigestellt war. Bei einer missbräuchlichen Ausnutzung der durch die Freistellung eingeräumten Möglichkeiten bleibe § 26 Abs. 2 S. 2 GWB a. F. anwendbar, BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 ff. „BMW-Direkthändler“. 541 So formuliert die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001 / 2002, S. I, II.

11 Taube

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

die Handlung des „relativ marktstarken“ Unternehmens, beispielsweise das einseitige Diktat unbilliger Vereinbarungsinhalte. Rechtsfolge sei in diesen Fällen zwar die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB i. V. m. § 134 BGB. Dies ändere aber nichts an der Ausrichtung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB als Verbot einseitiger Handlungen. Da § 20 GWB ausschließlich der Ahndung einseitiger Handlungen diene, sei er als strengeres nationales Recht zur Ahndung einseitiger Handlungen insgesamt von der Verdrängungswirkung des EG-Kartellrechts ausgenommen.542 Ausgehend vom Wortlaut der neuen Regelung der VO (EG) Nr. 1 / 2003 ist es aber auch möglich, entgegengesetzt zu argumentieren. Im Bereich des Art. 81 EG setze sich das Gemeinschaftsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 1 / 2003 immer gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht durch.543 Sobald eine Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG vorliege, sei die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Diskriminierungen, die im Zusammenhang mit dieser Verhaltenskoordinationen stehen, ausgeschlossen. Dies gelte insbesondere für Diskriminierungen im Rahmen selektiver Vertriebssysteme. Selektive Vertriebssysteme seien Vereinbarungsgeflechte, die allein einer Beurteilung nach Art. 81 EG unterlägen.544 Eine „Abspaltung“ und gesonderte Beurteilung einseitiger „Systembestandteile“ sei nicht möglich.545 Einschränkend wird teilweise angenommen, eine ergänzende Anwendung des § 20 GWB sei denkbar, wenn die bereits an dem Vertriebssystem beteiligten Händler einseitig diskriminiert würden.546 Beide Lösungsalternativen haben überzeugende Argumente auf ihrer Seite. Es ist richtig, dass § 20 GWB sich primär gegen einseitige Handlungen richtet und einseitige Handlungen vom Anwendungsvorrang ausgenommen sind. Es ist aber auch richtig, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 die Anwendung nationaler Vorschriften nicht zum Verbot einer nach 542 Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 (72); in diese Richtung wohl auch Röhling, GRUR 2003, S. 1019 (1022); für die Anwendung des § 20 GWB auf die Durchführung von Vereinbarungen, die nach Art. 81 EG erlaubt ist, Lampert / Niejahr / Kübler / Weidenbach Art. 3 Rn. 108 ff.; kritisch demgegenüber Schnelle / Bartosch / Hübner S. 39. 543 So Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 5 Rn. 28, S. 151: „Nur soweit Art. 81 Abs. 1 EG nicht anwendbar ist, kann Art. 3 Abs. 2 VO 1 / 03 eingreifen.“; auch de Bronett Art. 3 Rn. 4. 544 Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (688). 545 Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (688). 546 So hinsichtlich der einseitigen Diskriminierung der bereits zugelassenen Händler: Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (688). Diese verkennen, dass für die Anwendung des Diskriminierungsverbotes des § 20 GWB auf zugelassene Händler kein Bedürfnis besteht, da diesen vertragliche Ansprüche auf Gleichbehandlung zustehen (so Bechtold, NJW 2003, S. 3729 (3734)). Wirtz, WuW 2003, S. 1039 (1044), nimmt an, selektive Vertriebssysteme seien am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nur zu messen, wenn der Hersteller das selektive Vertriebssystem insgesamt behindernd oder diskriminierend anwendet.

E. EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG

163

EG-Kartellrecht erlaubten Verhaltenskoordination im Sinne des Art 81 EG führen darf. Die Doppeldeutigkeit des Art. 3 VO (EG) Nr. 1 / 2003 ergibt sich daraus, dass eine Verhaltensweise zugleich eine zweiseitige Vereinbarung, die nach Art. 81 EG beurteilt wird, und eine einseitige Diskriminierung, die nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB beurteilt wird, sein kann. Im Überschneidungsbereich zwischen § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB und Art. 81 EG ist die Diskriminierung Inhalt einer Verhaltenskoordination im Sinne des Art. 81 EG, so dass regelmäßig die Tatbestandsvoraussetzungen beider Verbotstatbestände erfüllt sind. In diesen Fällen erfassen Art. 81 EG und § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zwar den gleichen Sachverhalt, sanktionieren aber genau genommen unterschiedliche Verhaltensweisen. Art. 81 EG wendet sich gegen die beidseitige Verhaltenskoordination, wohingegen § 20 GWB die einseitige Erzwingung des Inhalts der entsprechenden Verhaltenkoordination durch den mächtigeren Vertragspartner missbilligt. Würde die Macht des einen Vertragspartners nicht nur auf der Abhängigkeit anderer Unternehmen beruhen, sondern wäre sie groß genug, um eine marktbeherrschende Stellung zu begründen, so wäre Art. 82 EG neben Art. 81 EG anwendbar. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung legalisiert nicht jegliches Verhalten der an der erfassten Vereinbarung beteiligten Unternehmen, sondern schließt nur die Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG im Geltungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung aus.547 Da nach der neuen Verordnung strengere Regelungen für einseitige Handlungen neben Art. 82 EG anwendbar bleiben sollen, ergibt sich bei streng dogmatischer Betrachtung, dass dies auch gilt, wenn gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG bzw. einer Verordnung zu dessen Anwendung erfüllt sind. Es ergäbe sich ganz im Sinne der ersten Ansicht, dass § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf Grund des unterschiedlichen Verbotsgegenstandes als strengeres nationales Recht bei gemeinschaftsrelevanten Sachverhalten neben Art. 81 EG anwendbar ist.548 Das Ergebnis der uneingeschränkten Anwendung des § 20 GWB neben Art. 81 EG ist aber aus mehreren Gründen nicht haltbar. Schon vor Geltung der VO (EG) Nr. 1 / 2003 konnte § 20 GWB nicht angewendet werden, wenn dadurch die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt würde. Die inhaltliche Kontrolle einer freigestellten Vereinbarung am Maßstab des § 20 GWB war, nach hier vertretener Ansicht, ausgeschlossen.549 Möglich war nur die Missbrauchsaufsicht über 547 EuG, Urt. v. 10. 7. 1990, Rs. T-51 / 89, Slg. 1990, II-309 (358 f. Rn. 25) „Tetra Pak / Kommission“; Eilmansberger in Streinz Art. 82 Rn. 78. 548 So im Ergebnis auch Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 (72): Die Begründungserwägung (8) spreche dafür, § 20 GWB insgesamt von der Verdrängungswirkung des EG-Rechts auszunehmen. Auch Grams, RIW 2003, S. 327 (330), nimmt – leider ohne Begründung und ohne Bezugnahme auf die VO 1 / 2003 – an, dass § 20 GWB auf freigestellte Vertikalvereinbarungen anwendbar ist.

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

die Handhabung der freigestellten Vereinbarung. Die umfängliche Anwendung des § 20 GWB auf Vereinbarungen würde im Hinblick auf die Vereinheitlichung der Anwendung des EG-Kartellrechts einen Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage bedeuten, der vom Verordnungsgeber sicher nicht beabsichtigt war. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 legt es nahe, zwischen einseitigen Handlungen und zweiseitigen Vereinbarungen zu differenzieren.550 Sobald es sich um eine zweiseitige Vereinbarungen handelt, ist es ausgeschlossen, diese Vereinbarung auf Grundlage des nationalen Rechts für nichtig zu erklären, wenn sie nach Art. 81 EG nicht verboten ist. Alleiniger Maßstab zur Beurteilung, ob die Vereinbarung wettbewerblich bedenklich ist, ist Art. 81 EG. Es darf keine zusätzliche Kontrolle der Vereinbarung an sich am Maßstab des § 20 GWB stattfinden. Dies kann auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass § 20 GWB eine andere innere Rechtfertigung für seine Verbote hat als Art. 81 EG. Auch wenn § 20 GWB an die wirtschaftliche Macht eines Unternehmens und nicht an die Vereinbarung anknüpft, so führt dessen Anwendung im Ergebnis dazu, dass eine Vereinbarung mit diskriminierendem Inhalt nichtig ist. Genau dies zu verhindern ist der Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003. Folglich ist die Kontrolle der Vereinbarung, beispielsweise die Überprüfung der Zulassungskriterien zu einem selektiven Vertriebssystem am Maßstab des § 20 GWB unmöglich, wenn die Vereinbarung nicht gegen Art. 81 EG verstößt. Dies entspricht dem Lösungsvorschlag zur Rechtslage vor dem 1. 5. 2004. Da sich die Maßstäbe zur Kontrolle selektiver Vertriebssysteme innerhalb des § 20 GWB in der Praxis weitgehend denen des Art. 81 EG angenähert haben, bedeutet der Verzicht auf die Inhaltskontrolle am Maßstab des § 20 GWB keine wesentliche Absenkung der Kontrollintensität, wie man auf den ersten Blick befürchten könnte.551 Nicht durch den Wortlaut ausgeschlossen ist aber die Kontrolle der einseitigen Handhabung der Vereinbarung durch das „relativ marktstarke“ Unternehmen, insbesondere der diskriminierenden Handhabung selektiver Vertriebssysteme. Zu beachten ist, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 81 EG, also auch der Begriff der Vereinbarung, allein nach Gemeinschaftsrecht auszulegen sind und von den nationalen Behörden und Gerichten in der vom EuGH geprägten Auslegung anzuwenden sind.552 Die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist 549 Das Bundeskartellamt führt zur Rechtslage nach der VO (EG) Nr. 1 / 2003 aus, dass Gruppenfreistellungsverordnungen der Anwendung des nationales Kartellrechts Grenzen setzen. Auch in der Vergangenheit sei das Bundeskartellamt nicht gegen Vereinbarungen eingeschritten, die die Voraussetzungen eine Gruppenfreistellungsverordnung erfüllen, vgl. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001 / 2002, BT-Drucks. 15 / 1226, S. 1 (64 f.). 550 So wohl auch Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 34, S. 49: § 20 GWB ist vom Anwendungsvorrang ausgenommen, soweit sich das in Frage stehende Verhalten als einseitige Handlung darstellt. So auch Lampert / Niejahr / Kübler / Weidenbach Art. 3 Rn. 105 ff. 551 Bergmann, ZWeR 2004, S. 28 (43); Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WPR 2003, S. 682 (686, 689).

E. EG-rechtliche Erlaubnis nach Art. 81 Abs. 3 EG

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gesperrt, wenn die Diskriminierung nach der Ansicht des EuGH Inhalt einer Vereinbarung ist.553 Die nationalen Behörden und Gerichte können die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nicht dadurch ausdehnen, dass sie den Begriff der Vereinbarung enger als der EuGH auslegen und dann mangels Vorliegen einer Vereinbarung nationale Verbote bemühen. Dieses Ergebnis wird durch die Überlegung untermauert, dass der Grundsatz, nationale Regelungen nicht anzuwenden, wenn dadurch die Wirksamkeit des Gemeinschaftskartellrechts beeinträchtigt wird, auch nach dem 1. 5. 2004 weiterhin Geltung beansprucht. Erstens trifft die VO (EG) Nr. 1 / 2003 keine umfassende Regelung hinsichtlich des Rangverhältnisses, insbesondere die Konstellation nationale Erlaubnis versus gemeinschaftsrechtliches Verbot ist nicht explizit geregelt.554 Zweitens trägt nur diese Sichtweise Art. 10 Abs. 2 EG Rechnung, nach dem Mitgliedstaaten Maßnahmen unterlassen müssen, die die Verwirklichung der Vertragsziele gefährden.555 Wegen der zukünftigen unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 81 Abs. 3 EG durch die Einführung der Legalausnahme, bedarf es nun zwar keines „positiven Akts“ mehr, um das nationale Recht zu verdrängen.556 Dennoch würde die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt, wenn auf Grund des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB eine Vereinbarung verboten werden könnte, die die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG oder einer Verordnung zu dessen Anwendung erfüllt.557 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB als strengeres nationales Recht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1 / 2003 neben dem Gemeinschaftsrecht anwendbar ist, soweit es um die Kontrolle einseitiger Handlungen geht. Die Anwendung § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB darf nicht dazu führen, dass eine Verhaltenskoordination verboten wird, die nach Gemeinschaftsrecht erlaubt ist. Daher ist eine Kontrolle der Verhaltenskoordination daraufhin, ob sie einen diskriminierenden nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenen Inhalt hat, nicht möglich. Möglich ist es aber, die Handhabung der Verhaltenskoordinationen am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zu messen.

552 Hirsch, ZWeR 2003, S. 233 (244); zweifelnd allerdings Eilmansberger, ZWeR 2004, S. 285 (303). 553 Beachte hierzu insbesondere die neue Rechtsprechung des EuGH zu Vereinbarungsbegriff, EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, verbundene Rs. C-2 / 01P und C-3 / 01P, Rn. 85 f., 104 ff., 142 ff. = WuW / E EU-R 769 ff. „Bayer / Kommission“. 554 Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (309). 555 Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WPR 2003, S. 682 (686). 556 Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001 / 2002, BT-Drucks. 15 / 1226, S. 1 (64). 557 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 24, S. 339 und § 5 Rn. 21, S. 149: Gruppenfreistellungsverordnungen haben unter Geltung der VO (EG) Nr. 1 / 2003 Vorrang vor nationalem Recht.

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4. Teil: Verhältnis von § 20 Abs. 2 GWB zu Art. 81 und 82 EG

F. Ergebnis des Vierten Teils Bis zur Geltung der VO (EG) Nr. 1 / 2003 existierte keine ausdrückliche Regelung des Verhältnisses zwischen EG-Kartellrecht und nationalen Kartellrechtsordnungen. Das nationale Kartellrecht wurde vom EG-Kartellrecht verdrängt, wenn dessen Anwendung die Wirksamkeit des EG-Kartellrechts beeinträchtigt hat. Demzufolge konnte § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 2 GWB neben Art. 82 EG grundsätzlich angewendet werden. Auch neben Art. 81 EG war eine Anwendung möglich, wenn die Rechtsfolgen beider Verbote sich entsprochen haben. Erfüllte eine gemeinschaftsrelevante Verhaltensweise weder den Tatbestand des Art. 81 EG noch den des Art. 82 EG, konnte § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ebenfalls angewendet werden. Lag eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG vor, die nach Art. 81 Abs. 3 EG freigestellt war, so konnte deren Inhalt nicht am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 2 GWB kontrolliert werden. Möglich war die Kontrolle und eventuell das Verbot der missbräuchlichen Handhabung der Vereinbarung am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB. Auch nach der neuen Kartellverfahrensverordnung VO (EG) 1 / 2003 bleibt es grundsätzlich beim Prinzip des Anwendungsvorrangs. In Konfliktsituationen setzt sich – wie bisher – das europäische gegenüber dem innerstaatlichen Recht durch. Der Anwendungsvorrang geht allerdings insofern weiter, als Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nicht mehr verboten werden können, wenn sie nach Gemeinschaftsrecht zulässig sind. Dies gilt selbst dann, wenn eine Vereinbarung als nicht wettbewerbsschädigend im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG beurteilt wird. Eine inhaltliche Kontrolle von Vereinbarungen am Maßstab des § 20 GWB ist ausgeschlossen. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist neben dem EG-Kartellrecht anwendbar, soweit Gegenstand des Verbotes eine einseitige Handlung eines Unternehmens ist, wie insbesondere die vereinzelte diskriminierende Handhabung eines selektiven Vertriebssystems.

Fünfter Teil

Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten Die Probleme, zu deren Lösung der deutsche Gesetzgeber § 20 Abs. 2 GWB geschaffen hat, bestehen auch in anderen EU-Mitgliedstaaten. Daher haben einige EU-Mitgliedstaaten – zum Teil nach dem deutschen Vorbild des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB – Regelungen eingeführt, die die Kontrolle wirtschaftlicher Macht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung zum Gegenstand haben.

A. Frankreich Das Kartellrecht Frankreichs war bis zum Jahre 2001 in der französischen Wettbewerbsverordnung (WVO)558 geregelt. Die WVO wurde im Jahre 2001 fast vollständig in den neu erlassenen Code de Commerce übernommen,559 der seitdem im vierten Buch, den Art. L 410 – 1 bis 470 – 8 Code de Commerce, das französische Wettbewerbsrecht enthält. Es existieren zwei Vorschriften, die sich mit dem Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit befassen: Art. L 420 – 2 Abs. 2,560der Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WVO entspricht, und Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce.561 Ordonnance no 86 – 1243 du 1. 12. 1986 relative à la liberté des prix et de la concurrence, Journal Officiel du 9. 12. 1998, S. 14773 ff.; deutsche Übersetzung abgedruckt in WuW 1988, S. 38 ff.; zur WVO insgesamt vgl. zum Beispiel: Durquet / Turek, RIW 1987, S. 472 (473 f.). 559 Loi no 2001 – 420 du 15. 5. 2001 relative aux nouvelles régulations économiques, Journal Officiel du 16. 5. 2001, S. 7776 ff. 560 Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce lautet: „Est en outre prohibée, des lors qu’elle est susceptible d’affecter le fonctionnement ou la structure de la concurrence, l’exploitation abusive par une entreprise ou un groupe d’entreprises de l’état de dépendance économique dans lequel se trouve à son égard une entreprise cliente ou fournisseur. Ces abus peuvent se notamment consister en refus de vente, en ventes liées ou pratiques discriminatoires visées à l’article L. 442 – 6.“ „Des Weiteren ist Unternehmen oder Unternehmensgruppen die missbräuchliche Ausnutzung der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines Abnehmers oder Zulieferers verboten, sofern diese geeignet ist, das Funktionieren oder die Struktur des Wettbewerbs zu beeinträchtigen. 558

168 5. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in anderen EU-Mitgliedstaaten

Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce verbietet Unternehmen die missbräuchliche Ausnutzung der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines Abnehmers oder Zulieferers, soweit hierdurch eine Beeinträchtigung des Funktionierens oder der Struktur des Wettbewerbs bewirkt werden kann. Beispiele für eine missbräuchliche Ausnutzung sind nach Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce unter anderem die Lieferverweigerung und der Koppelungsverkauf. Zuständig zur Ahndung von Verstößen gegen dieses Verbot ist die französische Wettbewerbsbehörde („Conseil de la concurrence“). Sie kann den betroffenen Unternehmen die Unterlassung der missbräuchlichen Verhaltenweisen oder Bußgelder auferlegen.562 Daneben können die Zivilgerichte angerufen werden, um die Nichtigkeit von Verträge festzustellen, die unter Verstoß gegen Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce geschlossen wurden. Über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Wettbewerbsrates entscheiden ebenfalls die Zivilgerichte („Cour d’Appel“ und „Cour de Cassation“). Die andere Norm, die sich mit der Ausnutzung wirtschaftlicher Macht befasst, ist Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce. Dieser Artikel bestimmt, dass schadensersatzpflichtig ist, wer die Abhängigkeit eines Partners dazu missbraucht, diesen an ungerechtfertigte Bedingungen oder Verpflichtungen zu binden. Auf eine Eignung der betreffenden Verhaltensweise zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs kommt es nach Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce im Gegensatz zu Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce nicht an. Das Ausnutzen von wirtschaftlicher Abhängigkeit ist allen Marktteilnehmern per se verboten. Die sich aus einem Verstoß gegen Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce ergebene Schadensersatzpflicht kann gemäß Art. L 442 – 6 Abs. 3 Code de Commerce von den betroffenen Personen, dem Wirtschaftsminister oder der Staatsanwaltschaft vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Der Wettbewerbsrat ist zur Ahndung von Verstößen gegen Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce nicht zuständig. Ein Missbrauch kann insbesondere in einer Lieferverweigerung, einem Koppelungsverkauf oder in einer der in Art. 442 – 6 genannten diskriminierenden Handlungen bestehen.“ (Übersetzung des Verfassers). 561 Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce lautet: „Engage la responsabilité de son auteur et l’oblige à réparer le préjudice causé le fait, par tout producteur, commerçant, industriel ou artisan: . . . b) D’abuser de la relation de dépendance dans laquelle il tient un partenaire ou de sa puissance d’achat ou de vente en le soumettant à des conditions commerciales ou obligations injustifiées.“ „Zum Ersatz des von ihnen verursachten Schadens sind Hersteller, Händler, Industrielle und Handwerker verpflichtet, wenn sie . . . b) das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich ein Handelspartner befindet oder ihre Einkaufs- oder Verkaufsmacht dazu ausnutzen, den Handelspartner an nicht gerechtfertigte Handelsbedingungen oder Verpflichtungen zu binden.“ (Übersetzung des Verfassers). 562 Umstritten ist, ob der Wettbewerbsrat ein unabhängiges Verwaltungsorgan oder ein „quasi-richterliches Organ“, dazu Herslet in Frankfurter Kommentar, Ausland Frankreich Rn. 7, und Lob, RIW 1995, S. 272 (274), jeweils mit weiteren Nachweisen.

A. Frankreich

169

Die Verbote der Diskriminierung wirtschaftlich Abhängiger haben sich aus dem Institut des Verbotes des „Refus de Vente“ (Lieferverweigerung), das seit 1958 existierte,563 entwickelt.564 Ziel des Verbotes der Lieferverweigerung war die Kontrolle und Lockerung verfestigter Vertriebsstrukturen, wie sie beispielsweise in selektiven Vertriebssystemen bestanden.565 Verstöße konnten mit Gefängnis oder mit Geldstrafen geahndet werden. Das Verbot des Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce fand sich in seiner heutigen Fassung erstmals 1986 als Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 in der damals neu erlassenen WVO. Die Regelung des Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 WVO wurde dem deutschen § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. nachempfunden.566 In den Kommentierungen zu Art. 8 WVO fand man daher die Fallgruppen der Abhängigkeit, die im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB entwickelt wurden sind.567 Obwohl Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 WVO dem deutschen Recht entlehnt war, erlangte er nie so große praktische Bedeutung wie § 20 Abs. 2 GWB.568 Dies lag zum einen daran, dass die Kartellbehörden und Gerichte den Begriff der Abhängigkeit sehr restriktiv ausgelegt haben.569 Zum anderen hatte Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce in seiner ursprünglichen Fassung eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf einem Markt zur Voraussetzung. Da die abhängigen Unternehmen meist klein waren, hatte das missbräuchliche Verhalten ihnen gegenüber regelmäßig keine Auswirkungen auf den Markt insgesamt.570 Décret no 58 – 545 du 24. 6. 1958 modifiant certaines dispositions de l’ordonnance no 45 – 1483 du 30. 6. 1945 relatives au maintien de la libre concurrence, Journal Officiel du 25. 6. 1958, S. 5377 f. 564 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 13. 565 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 13; Lob, WuW 1985, S. 277 (281). 566 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 16 mit Nachweisen aus der französischen Literatur in Fn. 90; Lob, RIW 1995, S. 272 (276); Lob, RIW 1992, S. 617 (620); Lob, WuW 1990, S. 530, 534; vorsichtig Bach, RIW 1987, S. 419 (420), der nur auf die Ähnlichkeiten zwischen den Vorschriften hinweist und meint § 26 Abs. 2 GWB habe möglicherweise als Vorlage gedient. Auch Kleemann, WuW 1987, S. 628 (832), weist darauf hin, dass Art. 8 Abs. 2 Nr. 2 WVO ein § 26 Abs. 2 GWB a. F. vergleichbare Regelung enthalte. 567 So Lob, WuW 1995, S. 272 (277) und Lob, RIW 1992, S. 617 (621). Auch nach Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 46 f., wird in der französischen Literatur und Rechtsprechung auf die in Deutschland entwickelten Abhängigkeitsformen zurückgegriffen. Vgl. auch Hertslet in Frankfurter Kommentar, Ausland Frankreich Rn. 64 ff. 568 Szönyi, GRUR Int. 1998, S. 30 (37); Nach Vogel, Französisches Wettbewerbsrecht, S. 183 f. hat Art. 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce aus zahlreichen Gründen nur eingeschränkten Erfolg gehabt. 569 So Vogel, Französisches Wettbewerbsrecht, S. 186 f. und Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 46 ff., 76 f., jeweils mit Nachweisen aus der französischen Behörden- und Gerichtspraxis. 570 Szönyi, GRUR Int. 2002, S. 105 (107, 110); Szönyi, GRUR Int. 1998, S. 30 (37). 563

170 5. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in anderen EU-Mitgliedstaaten

Um diesen Schwierigkeiten bei der Kontrolle wirtschaftlicher Abhängigkeiten entgegenzuwirken hat der französische Gesetzgeber durch Gesetz vom 1. 7. 1996 Art. 36 WVO – der dem heutigen Art. L 442 – 6 Code de Commerce entspricht – eingeführt, der einige diskriminierende Praktiken, wie die Lieferverweigerungen per se verbot.571 Im Jahre 2001 wurde der Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit in den Katalog der diskriminierenden Praktiken in Art. 36 WVO aufgenommen und damit ausdrücklich verboten.572 Zugleich wurde auch Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce geändert. Um die Erfassung missbräuchlicher Verhaltensweisen zu erleichtern, wurden die Voraussetzungen für die Marktbeeinträchtigung abgeschwächt.573 Die Ausnutzung der wirtschaftlichen Macht muss den Wettbewerb auf einem Markt seitdem nicht mehr einschränken. Ausreichend ist die Eignung, das Funktionieren oder die Struktur des Wettbewerbs zu beeinträchtigen. Die doppelte Regelung des Missbrauchs wirtschaftlicher Abhängigkeiten lässt sich durch die Systematik des französischen Kartellrechts erklären. Im dritten Titel des vierten Buches des Code de Commerce werden wettbewerbsschädigende Praktiken („pratiques anticoncurrentielles“) behandelt, die den Wettbewerb als ganzes beeinträchtigen können („entrave à la concurrence“). Im vierten Titel des vierten Buches des Code de Commerce werden wettbewerbsbeschränkende Einzelpraktiken geregelt, die per se und unabhängig von ihren Auswirkungen auf den Markt verboten sind („pratiques réstrictives“). Daher existiert im dritten Titel mit Art. L 420 – 2 Abs. 2 Code de Commerce ein Verbot des Ausnutzens wirtschaftlicher Macht, sofern hierdurch der Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Die Ahndung von Verstößen gegen diese Vorschrift obliegt in erster Linie dem französischen Wettbewerbsrat. Im vierten Titel existiert mit Art. L 442 – 6 Abs. 1 Nr. 2 b) Code de Commerce ein Verbot des Ausnutzens wirtschaftlicher Macht unabhängig von den Auswirkungen auf den Markt. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen diese Norm ist, dass die betroffenen Unternehmen im Wege der zivilrechtlichen Klage Schadensersatz oder Unterlassung verlangen können. Der Wettbewerbsrat ist zur Ahndung von Verstößen nicht zuständig. Auffällig ist, dass die Zuständigkeit des der Wettbewerbsrat davon abhängt, ob eine Gefahr für das Funktionieren oder die Struktur des Wettbewerbs. Sofern diese Gefahr nicht besteht, kann Schutz gegen die missbräuchliche Handlung nur im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten erreicht werden.

Szönyi, GRUR Int. 2002, S. 105 (107); Szönyi, GRUR Int. 1998, S. 30 (37). Loi no 2001 – 420 du 15. 5. 2001 relative aux nouvelles régulations économiques, Journal Officiel du 16. 5. 2001, S. 7776 ff.; dazu Szönyi, GRUR Int. 2002, S. 105 (107). 573 Hertslet in Frankfurter Kommentar, Ausland Frankreich Rn. 63; Vogel, Französisches Wettbewerbsrecht, S. 184. 571 572

B. Österreich

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B. Österreich Das österreichische Kartellgesetz574 (KartG) verbietet in § 35575 den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen.576 § 34 KartG577 enthält eine Definition 574 Bundesgesetz vom 19. 10. 1988 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl. Nr. 600 / 1988, zuletzt geändert durch das Versicherungsaufsichtsgesetz-Nov 2003, BGBl. I Nr. 33 / 2003; dazu Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht; Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht; Lissel, RIW 2002, S. 823 ff.; Thurner, WuW 2002, S. 845 ff. 575 § 35. Mißbrauchsaufsicht. (1) Der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten; das Kartellgericht hat auf Antrag den beteiligten Unternehmern aufzutragen, den Mißbrauch abzustellen. Dieser Mißbrauch kann insbesondere in folgendem bestehen: 1. der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, wie insbesondere unangemessener Zahlungsfristen und Verzugszinsen, 2. der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher, 3. der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen, 4. der an die Vertragsschließung geknüpften Bedingung, daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, 5. dem sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis. ... (5) Wenn sich nach der Erteilung eines Auftrags nach Abs. 1 oder 2 die maßgeblichen Umstände ändern, kann das Kartellgericht auf Antrag einer Partei den Auftrag ändern oder aufheben. 576 Die Missbrauchsaufsicht wurde erst durch die Kartellrechtsnovelle 2002 als Verbotstatbestand ausgestaltet. Bis dahin konnte der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur auf Antrag der beteiligten Personen untersagt werden, § 35 Abs. 1 KartG a. F.; dazu vgl. Thurnher, WuW 2002, S. 845, 846. 577 § 34. Begriffsbestimmung. (1) Marktbeherrschend im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager (§ 2) 1. keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder 2. eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken. (1a) Wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am gesamten inländischen Markt oder einem anderen örtlich relevanten Markt 1. einen Anteil von mindestens 30% hat oder 2. einen Anteil von mehr als 5% hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmern ausgesetzt ist oder 3. einen Anteil von mehr als 5% hat und zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt gehört, die zusammen einen Anteil von mindestens 80% haben, dann trifft ihn die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen. (2) Als marktbeherrschend gilt auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur

172 5. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in anderen EU-Mitgliedstaaten

der Marktbeherrschung, die der deutschen Marktbeherrschungsdefinition des § 19 Abs. 2 GWB sehr ähnelt. Wie im deutschen Recht liegt Marktbeherrschung vor, wenn ein Unternehmen keinem oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist. Bei der Feststellung, ob eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, ist der Marktanteil der bedeutendste Beurteilungsmaßstab.578 Eine Marktbeherrschung kann außerdem im Bestehen einer überragenden Marktstellung gegenüber Mitbewerbern begründet sein. Die vom Gesetz genannten Kriterien zur Feststellung einer überragenden Marktstellung gegenüber Wettbewerbern stimmen größtenteils mit denen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB überein. Darüber hinaus und in Abweichung vom deutschen Recht liegt gemäß § 34 Abs. 2 KartG eine marktbeherrschende Stellung auch vor, wenn eine überragende Marktstellung im Verhältnis zu Abnehmern oder Lieferanten besteht. Nach dem Gesetzeswortlaut ist in diesen Fällen insbesondere darauf abzustellen, ob der Lieferant bzw. der Abnehmer zur Vermeidung schwerer betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist.579 Dies ist beispielsweise im Verhältnis zwischen Kfz-Vertragshändler und Automobilherstellern der Fall.580 Die Definition der Marktbeherrschung wurde durch die deutsche Rechtlage, besonders durch § 20 Abs. 2 GWB, beeinflusst.581 Auffällig ist die ausdrückliche Differenzierung zwischen der überragenden Marktstellung gegenüber Wettbewerbern (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 KartG) und der überragenden Marktstellung gegenüber Handelspartnern (§ 34 Abs. 2 KartG). In § 34 Abs. 1 KartG taucht das Kriterium der Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite im Gegensatz zur entsprechenden deutschen Regelung des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht auf. Stattdessen enthält § 34 KartG einen gesonderten Abs. 2, der auf das Verhältnis zur Marktgegenseite und damit auf deren Ausweichmöglichkeiten und deren Abhängigkeit von dem in Frage stehenden Unternehmen zur Bestimmung der Abhängigkeit abstellt.582 § 34 Abs. 2, 2. Hs. KartG nennt ein Regelbeispiel für eine überragende Stellung gegenüber Handelspartnern, das augenscheinlich auf die Fälle der unternehmensbedingten Abhängigkeit im deutschen Recht zugeschnitten ist.583 Dies spricht dafür, dass die Fallgruppe der unternehmensVermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. 578 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 89. 579 Fitz / Gamerith, Wettbewerbsrecht, S. 97; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 12 Rn. 32, S. 230; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 15. 580 Wollmann in Frankfurter Kommentar, Ausland Österreich Rn. 50 mit Nachweis aus der österreichischen Judikatur. 581 Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 143; Schröter in Schröter / Jakob / Mederer Art. 82 Rn. 15; zurückhaltender Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 145 und 150, der nur meint, dass § 34 Abs. 2 KartG wie § 20 Abs. 2 GWB Tatbestände „relativer Marktmacht“ erfassen solle. 582 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 12 Rn. 32, S. 230.

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bedingten Abhängigkeit ohne die ausdrückliche Regelung nicht unter den Begriff der Marktbeherrschung im Sinne des § 34 KartG hätte subsumiert werden könnten.584 Dass die anderen Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB nicht so offensichtlich angesprochen werden, deutet darauf hin, dass sie unter den Begriff der Marktbeherrschung nach § 34 Abs. 2 KartG subsumiert werden können. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 KartG wird teilweise kritisch gesehen. Selbst ihre Befürworter sehen die Gefahr, dass die Bestimmung der Marktbeherrschung allein anhand der Abhängigkeit der Marktgegenseite zu sinnwidrigen Marktabgrenzungen führt.585 Würde die Feststellung der Marktbeherrschung in § 34 Abs. 2 KartG auf das Vertikalverhältnis reduziert, hätte die Missbrauchsaufsicht in diesen Fällen den alleinigen Zweck der Verhaltenskontrolle innerhalb vertikaler Beziehungen.586 So würde es zu einem Kündigungsschutz für das beherrschte Unternehmen kommen. Da dies nicht richtig sein könne, solle § 34 Abs. 2 KartG nicht als eigenständiger Marktbeherrschungstatbestand, sondern als Konkretisierung der Marktbeherrschungsgeneralklausel des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KartG angesehen werden.587 Die Abhängigkeit der Marktgegenseite solle nur ein Kriterium sein, das im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Wettbewerbsverhältnisse zu berücksichtigen sei.588 Für die wettbewerbliche Kontrolle sei entscheidend, welche Bedeutung ein Unternehmen am Markt hat.589 Daher könne eine überragende Marktstellung nur mit einer entsprechenden Stellung auf dem Markt und nicht allein mit einer Machtstellung gegenüber Geschäftspartnern gerechtfertigt werden.590 Folglich sei auch § 34 Abs. 2 KartG nicht ausschließlich unternehmensbezogen zu sehen, sondern im Kontext der Wettbewerbsverhältnisse.591 Diese Auslegung des § 34 Abs. 2 KartG entspricht der deutschen Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB, nach der die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegen583 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95 f., nennen als Beispiel allerdings eine Fall, der sowohl Merkmale der sortimentsbedingten als auch der unternehmensbedingten Abhängigkeit aufweist. 584 A. A. Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 12 Rn. 32, S. 230, der annimmt, die Fälle des § 34 Abs. 2 KartG könnten unter § 34 Abs. 1 KartG subsumiert werden. Im Ergebnis wie hier Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 146 ff., 152. 585 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95; Frotz, GesRZ 1986, S. 62, 72. 586 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95. 587 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 96; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 12 Rn. 28, S. 228 und § 12 Rn. 32, S. 230. 588 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95. 589 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95. 590 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95. 591 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 96; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 12 Rn. 32, S. 230, führt aus, dass der Wettbewerb regelmäßig nicht funktioniert, wenn keine betriebswirtschaftlich akzeptablen Ausweichmöglichkeiten bestehen.

174 5. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in anderen EU-Mitgliedstaaten

seite bei der Bestimmung der Marktbeherrschung als ein Kriterium unter anderen zu berücksichtigen sind. Hinzuweisen ist darauf, dass die Kontrolle vertikaler Vertriebsverträge im österreichischen Recht im Jahre 1993 geändert wurde. vertikale Vertriebsbindungen sind seitdem von den im Übrigen für Kartelle geltenden Bestimmungen ausgenommen. Sie unterliegen nicht mehr dem Verbotsprinzip, sondern nur einer Missbrauchsaufsicht nach § 30 c) KartG.592 Mit der Unterscheidung zwischen horizontalen und vertikalen Beschränkungen folgt das KartG dem deutschen GWB.593 Die bis dahin geltende Regelung, nach der vertikale Vertriebsbindungen unter den Kartellbegriff gefasst wurden, wurde als unbefriedigend empfunden.594 Auch die neue Lösung wird aus rechtspolitischer Sicht kritisiert.595 Es bleibt abzuwarten, ob der österreichische Gesetzgeber im Rahmen der durch die VO (EG) Nr. 1 / 2003 notwendigen Änderungen des österreichischen Kartellrechts das Regelungsregime für vertikale Vertriebsbindungen erneut ändern wird.

C. Italien In Italien gibt es erst seit 1990 ein Kartellgesetz (legge antitrust, LA).596 Die Regelungen des italienischen Kartellgesetzes sind denen des EG-Kartellrechts insgesamt stark angenähert.597 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen entspricht fast wörtlich Art. 82 EG.598 Auf ein Missbrauchsverbot für 592 Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 70; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 1, S. 176. 593 Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 132. 594 Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 1, S. 175 f. 595 Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 2, S. 176. 596 Gesetz Nr. 287 vom 10. 10. 1990, Amtsblatt der italienischen Republik Nr. 240 vom 13. 10. 1990; deutsche Übersetzung des italienischen Gesetzes zum Schutz des Wettbewerbs und des Marktes abgedruckt etwa in WuW 1991, S. 302 ff.; ergänzt durch Präsidialdekret Nr. 217 vom 10. 4. 1998, vgl. zum italienischen Wettbewerbsgesetz insgesamt Beck, WuW 1991, S. 707 ff.; Ebenroth / Kaiser, RIW 1991, S. 8 ff. 597 Criscione, E.C.L.R. 1994, S. 108 (108 f.); Gioscia / Delfino, EWS 1990, S. 258 (259); Heimler, E.C.L.R. 1998, S. 315 (315); Immenga in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einl. D Rn. 8; Munari, EuZW 1991, S. 489 (493); Siragusa / Scassellati-Sforzolini, C.M.L.R. 1992, S. 93 (96). 598 Art. 3 des italienischen Gesetzes zum Schutz des Wettbewerbs und des Marktes lautet: Missbrauch einer beherrschenden Stellung 1. Der Mißbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Inlandsmarkt oder eines bedeutenden Teils von ihm durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten; verboten ist insbesondere: a) die direkte oder indirekte Auferlegung unbilliger Einkaufspreise, Verkaufspreise oder anderer Vertragsbedingungen;

C. Italien

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„relativ marktstarke“ Unternehmen wurde zunächst ausdrücklich verzichtet. Als später die Einfügung eines entsprechenden Verbotes erneut diskutiert wurde, wandte sich die italienische Wettbewerbsbehörde mit zwei Argumenten dagegen. Zum einen enthalte der EG-Vertrag, der Vorbild für das italienische Kartellgesetz war, kein entsprechendes Verbot. Zum anderen verfolgten das Kartellgesetz und das Missbrauchsverbot für „relativ marktstarke Unternehmen“ verschiedene Schutzzwecke. Das Kartellrecht bezwecke den Schutz des Wettbewerbs, wohingegen das Missbrauchsverbot für „relativ marktstarke Unternehmen“ die Regelung ungleicher vertraglicher Beziehungen ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf das Marktgeschehen betreffe.599 Der italienische Gesetzgeber hat – diesen Argumenten folgend – kein entsprechendes Verbot in das Kartellgesetz aufgenommen. Er hat anstelle dessen eine Regelung außerhalb des Kartellgesetzes erlassen. Seit 1998 ist der Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit durch Art. 9 des Gesetzes zur Regelung der Zulieferverhältnisse im Industriebereich vom 18. 7. 1998 (legge sulla subfornitura, LS) verboten. Vorbild für diese Vorschrift war § 20 Abs. 2 GWB.600 Zwischen Art. 9 LS und § 20 Abs. 2 GWB bestehen insofern Ähnlichkeiten, als Art. 9 LS – wie § 20 Abs. 2 GWB – für die Frage der Abhängigkeit auf das Bestehen tatsächlicher, zufrieden stellender Alternativen für das potentiell abhängige Unternehmen abstellt. Außerdem sind die Beispiele für einen Missbrauch von „Marktmacht“ in Art. 3 LA und in Art. 9 LS deckungsgleich, so dass – wie im deutschen Recht – ein einheitlicher Verbotstatbestand auf marktbeherrschende und auf „relativ marktstarke“ Unternehmen anwendbar ist. Art. 9 Abs. 1 LS verbietet den Missbrauch von wirtschaftlicher Abhängigkeit, in der sich ein Unternehmen als Kunde oder Anbieter gegenüber einem oder mehreren Unternehmen befindet. Die Abhängigkeit wird in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 LS definiert: „Es besteht wirtschaftliche Abhängigkeit, wenn ein Unternehmen in der Lage ist, in den Handelsbeziehungen zu einem anderen Unternehmen unangemessene Rechte und Pflichten durchzusetzen. Wirtschaftliche Abhängigkeit beurteilt sich auch nach der tatsächlichen Möglichkeit, für das missbräuchlich behandelte Unternehmen zufrieden stellende Alternativen auf dem Markt zu finden.“ Als b) die Behinderung oder Beschränkung der Produktion, der Absatzmärkte oder des Marktzugangs, der technischen Entwicklung oder des technischen Fortschritts zum Nachteil der Verbraucher; c) in den Geschäftsbeziehungen mit anderen Kontrahenten die Anwendung von objektiv nicht gerechtfertigten Bedingungen für gleichwertige Leistungen, so dass dadurch ungerechtfertigte Wettbewerbsnachteile entstehen; d) Vertragsabschlüsse von der Annahme zusätzlicher Leistungen seitens der anderen Kontrahenten abhängig machen, die auf Grund ihrer Art oder nach handelsüblichen Gepflogenheiten in keinerlei Verbindung zum Gegenstand der jeweiligen Verträge stehen. 599 Genaue Quellenangabe und Hinweise zur diesbezüglichen Spruchpraxis der italienischen Kartellbehörde bei Fabbio, WuW 2001, S. 834 (835). 600 Fabbio, WuW 2001, S. 834 (834); Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 144; Bericht des zehnten Ausschusses des Senats zum Gesetzesentwurf N. 627-A in Bortolotti, I contratti di subfornitura, S. 240.

176 5. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in anderen EU-Mitgliedstaaten

Beispiele für missbräuchliches Verhalten nennt Art. 9 Abs. 2 LS die Liefer- oder Abnahmeverweigerung, die Erzwingung schwerer oder diskriminierender Vertragsbedingungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund oder den willkürlichen Abbruch bestehender Handelsbeziehungen. Eine Folge davon, dass die neue Regelung nicht im LA, sondern im LS zu finden ist, ist dass die Kartellbehörden nicht zuständig sind. Geplant ist allerdings eine Novellierung, nach der die Kartellbehörde doch zuständig sein soll, wenn sie den Wettbewerb gefährdet sieht.601 Zum Teil wird angenommen, dass Art. 9 LS nur den Schutz einzelner Unternehmen bezwecke und daher dogmatisch dem Zivilrecht zuzuordnen sei. Dagegen wird vorgebracht, dass Individualschutz und Wettbewerbsförderung nicht gegenläufig seien und dass deren Gegenüberstellung der Anwendungspraxis des italienischen Kartellrechts widerspreche.602

D. Griechenland In Griechenland wurde 1977 erstmals ein Kartellgesetz erlassen,603 um den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Union im Jahre 1981 vorzubereiten. Auf Grund dieser Motivation orientiert sich das griechische Kartellrecht sehr stark an den europäischen Wettbewerbsregeln. So sind das Kartellverbot des Art. 1 und das Missbrauchsverbot des Art. 2 des Gesetzes Nr. 703 / 77 nahezu wörtliche Übersetzungen der Art. 81 und 82 EG.604 Bis zum Jahre 2000 befand sich in Art. 2 a) Gesetz Nr. 703 / 77 eine Abweichung vom europäischen Vorbild.605 Diese Vorschrift, die 1991 nachträglich in das Kartellgesetz eingefügt wurde, enthielt in Anlehnung an das deutsche und französische Kartellrecht ein Verbot des Missbrauchs wirtschaftlicher Abhängigkeit.606 Da Art. 2 a) Gesetz Nr. 703 / 77 dem deutschen Recht nachgebildet war, orientierte sich dessen Auslegung an der deutschen Praxis, Fabbio, WuW 2001, S. 834 (835). Fabbio, WuW 2001, S. 834 (836). 603 Deutsche Übersetzung des „Gesetzes über die Kontrolle von Monopolen und Oligopolen und über den Schutz des freien Wettbewerbs“ etwa in WuW 1978, S. ff. 604 Alexandridou, GRUR Int. 1978, S. 238 (239 f.); Vainanidis / Pournara, E.C.L.R. 1993, S. 226 (226). 605 Die Überschrift des Art. 2 a) Gesetz 703 / 77 lautete: Verbot missbräuchlicher Ausnutzung finanzieller Abhängigkeitsbeziehungen. 606 Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 143; Immenga in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Einleitung D. Rn. 6; Papathoma-Baetge, Das europäische Wettbewerbsrecht als Vorbild des griechischen Kartellrechts, S. 141; Soufleros, GRUR Int. 1995, S. 539 (539); Vainanidis / Pournara, E.C.L.R. 1993, S. 226 (227). Vgl. zur wirtschaftlichen Abhängigkeit im griechischen Kartellgesetz allgemein PapathomaBaetge, Das europäische Wettbewerbsrecht als Vorbild des griechischen Kartellrechts, S. 140 – 147. 601 602

E. Ergebnis des Fünften Teils

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insbesondere an der Bildung der oben beschriebenen Fallgruppen.607 Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens von einem anderen bestand, wenn keine gleichwertigen Alternativen existierten.608 Beispiele für die Ausnutzung waren die Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen oder der Abbruch langjähriger Geschäftsbeziehungen.609 Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 2 a) Gesetz Nr. 703 / 77 waren die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die unter einem Verstoß geschlossen wurden, Schadensersatzansprüche nach den entsprechenden Vorschriften des griechischen Zivilgesetzbuchs und unter Umständen ein Kontrahierungszwang.610 Diese dem deutschen Recht entlehnte Vorschrift wurde im Jahre 2000 ersatzlos aufgehoben.611

E. Ergebnis des Fünften Teils In Frankreich und Österreich enthalten die Kartellgesetze jeweils Regelungen zur Erfassung wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Auch in Italien besteht eine entsprechendes Regelung, die allerdings nicht im Kartellgesetz, sondern in dem Gesetz zur Regelung der Zulieferverhältnisse enthalten ist. Im griechischen Kartellgesetz existierte von 1991 bis 2000 ein Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeiten.

607 Papathoma-Baetge, Das europäische Wettbewerbsrecht als Vorbild des griechischen Kartellrechts, S. 144. 608 Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 143. 609 Haberkamm, Intrabrand-Wettbewerb und Missbrauchsaufsicht, S. 143; Kamburoglou, RIW 1993, S. 631 (632). 610 Papathoma-Baetge, Das europäische Wettbewerbsrecht als Vorbild des griechischen Kartellrechts, S. 140. 611 Art. 1 Abs. 1 Gesetz 2837 / 00.

12 Taube

Sechster Teil

Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass im EG-Kartellrecht kein § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB entsprechendes Verbot existiert. Im französischen Kartellrecht gibt es zwei Regelungen, die das Ausnutzen wirtschaftlicher Macht verbieten. Verstöße gegen diese Regeln können von der Wettbewerbsbehörde aber nur verfolgt werden, wenn eine Gefahr für die Struktur oder das Funktionieren des Wettbewerbs besteht. In Italien gibt es ebenfalls eine entsprechende Regelung, die aber nicht im Kartellgesetz, sondern im Gesetz zur Regelung der Zulieferverhältnisse enthalten ist, weshalb die Kartellbehörden für dessen Durchsetzung nicht zuständig sind. Diese Erkenntnisse führen zu der Frage, ob das Verbot des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB im Kartellrecht richtig verortet ist und ob es einer Verfolgung von Verstößen durch die Kartellbehörden bedarf. Sie geben Anlass zu der Untersuchung, ob das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen funktional dem Kartellrecht zuzuordnen ist oder ob es sich dogmatisch um allgemeines Zivilrecht handelt.

A. Bedeutung der Frage nach der rechtssystematischen Einordnung: Kartellrecht oder Zivilrecht? Die rechtssystematische Zuordnung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen zum Kartellrecht oder zum allgemeinen Zivilrecht hängt entscheidend davon ab, inwieweit sich die Schutzzwecke des Verbotes in die Zielsetzung des GWB oder des allgemeinen Zivilrechts einfügen. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über die Ziele des GWB im Unterschied zum allgemeinen Zivilrecht versucht. Dann wird der Schutzzweck des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes allgemein und hinsichtlich der einzelnen Gruppen von Normadressaten dargestellt, um anschließend eine Zuordnung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zum Kartellrecht oder zum allgemeinen Zivilrecht vorzunehmen. Das Grundanliegen des GWB besteht nach der Regierungsbegründung in dem Schutz der Wettbewerbsfreiheit. Diese soll sichergestellt werden und wirtschaftli-

A. Frage nach der rechtssystematischen Einordnung

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che Macht dort beseitigt werden, wo sie die Wirksamkeit des Wettbewerbs mit den ihm innewohnenden Tendenzen zur Leistungssteigerung und zur bestmöglichen Versorgung der Verbraucher in Frage stellt.612 Die Freiheit des Wettbewerbs soll geschützt werden, weil sie einerseits den einzelnen Unternehmen größtmögliche Freiheit bei deren wirtschaftlicher Betätigung garantiert, und weil sie andererseits zu bestmöglichen Ergebnissen für alle beiträgt. Insofern dient das GWB sowohl dem Individual- als auch dem Institutionenschutz.613 Individual- und Institutionenschutz sind keine sich ausschließenden Gegensätze, sondern unterschiedliche Aspekte der Wettbewerbsfreiheit.614 Korrespondierend zu diesen unterschiedlichen Aspekten der Wettbewerbsfreiheit lösen Verstöße gegen Vorschriften des GWB Rechtsfolgen auf mehreren Rechtsgebieten aus. Das GWB sieht eine Kombination aus zivilrechtlichen Folgen nach § 33 Satz 1 GWB, aus verwaltungsrechtlichen Folgen nach § 32 GWB und aus ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen gemäß § 81 GWB vor. Diese Kombination verschiedenartiger Rechtsfolgen spiegelt die beiden Seiten der Wettbewerbsfreiheit insofern wider, als einerseits Einzelne in ihrer Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigte Marktteilnehmer bei Verstößen im Wege einer zivilrechtlichen Klage auf Unterlassung oder auf Schadensersatz vorgehen können. Andererseits können die Kartellbehörden Anordnungen aussprechen oder Bußgelder verhängen, um den Schutz des Wettbewerbs als Institution im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten. Die einzelnen Rechtsfolgen können wie auch die Aspekte der Wettbewerbsfreiheit nicht streng voneinander abgegrenzt werden, sondern sind stark miteinander verwoben. Die private Rechtsverfolgung von Kartellrechtsverstößen dient regelmäßig auch dem Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und die staatliche Verfolgung von kartellrechtlichen Verstößen dient in der Regel zugleich dem Schutz der betroffenen Unternehmen. Die Rechtsdurchsetzung durch eine staatliche Verwaltungsbehörde ist ein augenscheinlicher Unterschied zwischen dem Kartellrecht und dem allgemeinen Zivilrecht. Fraglich ist, worin die Rechtfertigung dafür liegt, dass Rechtsverstöße im Kartellrecht nicht nur durch die betroffenen Unternehmen, sondern auch mittels einer staatlichen Behörde verfolgt werden, im allgemeinen Zivilrecht, beispielsweise im Gewährleistungsrecht, die Rechtsverfolgung hingegen allein den betroffenen Privatpersonen überlassen bleibt. 612 Vgl. Regierungsbegründung zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. II 1158. 613 Baur, Mißbrauch im deutschen Kartellrecht, S. 57 ff.; Bunte in Langen / Bunte Einführung zum GWB Rn. 53; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 24 ff. 614 OLG Frankfurt, Urt. v. 2. 10. 2001, 11 U (Kart) 70 / 00, WuW / E DE-R 801 (802) „Brüsseler Buchhandlung“. Baur, Mißbrauch im deutschen Kartellrecht, S. 57 ff.; Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 88, 103 f.; Scholz, ZHR 132 (1969), S. 97 (109 f. Fn. 55); Merz, Festschrift für Franz Böhm, S. 227 (256), betont allerdings die individuelle freiheitsschützende Funktion des Wettbewerbs; Mestmäcker, AcP 168 (1968), S. 235 (245) = DB 1968, 787 (790); Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 25; Sack, WRP 1975, S. 385 (387); K. Schmidt in Festschrift für Erich Hoppmann, S. 373 (376).

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

Es wäre zu kurz gegriffen zu sagen, dass Regelungsgegenstand des allgemeinen Zivilrechts nur der Interessenausgleich zwischen den am Privatrechtsverkehr beteiligten Rechtssubjekten sei und es daher ausreiche, den Betroffenen die Rechtsverfolgung zu überlassen. Denn auch die Regelungen des allgemeinen Zivilrechts haben nicht allein den Individualschutz zum Gegenstand, sondern dienen mannigfaltigen Allgemeininteressen. Beispielhaft sei auf die soziale Zielsetzung des Kündigungsschutzes im Arbeits- oder Mietrecht verwiesen. Abgesehen von speziellen Allgemeininteressen in bestimmten Teilen des Zivilrechts gewährleisten aber auch die übrigen zivilrechtlichen Regelungen, beispielsweise das allgemeine Schuldrecht, das Bestehen und Funktionieren der Institution Privatautonomie als Grundlage jeder freien wirtschaftlichen Betätigung. Insofern hat auch das allgemeine Zivilrecht institutionellen Gehalt. Der durch das allgemeine Zivilrecht gewährleisteten Vertragsfreiheit und der durch das GWB gewährleisteten Wettbewerbsfreiheit liegen im Kern die gleichen Überlegungen zu Grunde. Beide sind unabdingbare verfassungsrechtlich garantierte Grundlagen jeder freien wirtschaftlichen Betätigung. Die freie Wahl der Vertragspartner und die Entscheidung über den Abschluss von Rechtsgeschäften sind gleichermaßen Ausdruck der Privatautonomie und Kennzeichen der Wettbewerbsfreiheit. Sofern auf einem Markt alle Beteiligten unter vergleichbaren Bedingungen agieren, führen frei ausgehandelte Verträge zu Ergebnissen, die den Interessen aller Vertragpartner gerecht werden. Unter dieser Bedingung tragen frei ausgehandelte Verträge eine Richtigkeitsgewähr in sich. Sobald jedoch zwischen Vertragpartnern ein erhebliches Machtungleichgewicht besteht, kann der stärkere Vertragspartner seine Interessen gegenüber dem Schwächeren unter dem Deckmantel der Vertragsfreiheit durchsetzen. In der Beseitigung und Kontrolle von Machtpositionen privater Unternehmen, die geeignet sind, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und damit zugleich der Privatautonomie zu beeinträchtigen, liegt die über das allgemeine Zivilrecht hinausgehende Funktion des Wettbewerbsrechts. Das GWB dient dazu, den Wettbewerb als System aufrecht zu erhalten, um die Ausübung und das Funktionieren der privatrechtlichen Institution der Vertragsfreiheit als Grundlage jeder wirtschaftlichen Betätigung erst zu ermöglichen.615 Das GWB hat den Zweck, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Privatautonomie ihrer Idee entsprechend tatsächlich allen Rechtssubjekten größtmögliche Freiheit bringt. Dieser Schutzzweck erfordert die in § 32 GWB vorgesehene Kompetenz staatlicher Behörden zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, in das Marktgeschehen einzugreifen. Den Schutz dieses Allgemeininteresses allein in die Hände der Betroffenen zu legen, wäre unzureichend.616 Andererseits ist das Tätigwerden staatlicher Behörden nicht notwendig, wenn dem Wettbewerb insgesamt keine Beeinträchtigung droht. Mestmäcker, AcP 168 (1968), S. 235 (240). Pfeiffer in Schwerpunkte des Kartellrechts 1981 / 82, FIW-Schriftenreihe Heft 103 (1983), S. 73 (74). 615 616

B. Vorüberlegung zum Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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§ 32 GWB bestimmt, dass die Kartellbehörden jede Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des GWB verfolgen und gegebenenfalls bestrafen dürfen. Das Tätigwerden der Kartellbehörden hat in Deutschland – anders als beispielsweise in Frankreich – nicht zur Voraussetzung, dass eine Gefahr für den Wettbewerb insgesamt besteht. Daher sollte eine Vorschrift nur im GWB stehen, wenn sie zumindest auch den Wettbewerb als Institution schützt. Fraglich ist also: Schützt das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen zumindest auch den Wettbewerb als Institution?

B. Vorüberlegung zum Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB: Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten Die Frage nach dem Schutzzweck einer Vorschrift wird zumeist gestellt, um festzustellen, ob Einzelne aus Rechtsverstößen gegen die jeweilige Norm Ansprüche herleiten können.617 Entscheidend ist dann, ob eine Vorschrift den individuellen Schutz des Einzelnen bezweckt. Inwieweit daneben Interessen der Allgemeinheit, beispielsweise das Funktionieren des Wettbewerbs als Institution, geschützt werden, ist aus dieser Perspektive gleichgültig. Daher wird der Schutzzweck von Normen des GWB – wie in anderen Rechtsgebieten auch, beispielsweise dem öffentlichen Baurecht – üblicherweise nur im Kontext von subjektiven Rechten, thematisiert.618 Die Frage nach dem Schutz von Allgemeininteressen wie dem Wettbewerb als Institution spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.619 Infolgedessen wird der Schutz des Wettbewerbs als Institution regelmäßig nur im Rahmen allgemeiner Ausführungen zu dem vom GWB insgesamt intendierten Wettbewerbsschutz erörtert.620 Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bezweckt jedenfalls den individuellen Schutz der von den Diskriminierungen betroffenen Unternehmen.621 Im Wortlaut des § 20 Abs. 1 GWB „. . . Un617 Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 65 f.; vgl. etwa die Kommentierung von Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 19 – 25. 618 Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S. 61 (65); K. Schmidt in Festschrift für Erich Hoppmann, S. 373 (377); vgl. beispielweise die Diskussion um die Frage, wem Schadensersatzansprüche aus einem Verstoß gegen § 1 GWB zustehen; dazu etwa Emmerich in Immenga / Mestmäcker GWB § 33 Rn. 12 ff. 619 Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S. 61 (65). 620 Die Diskussion der fünfziger und sechziger Jahre um den Schutzzweck des GWB war allerdings wenig ertragreich und zum Teil von Missverständnissen geprägt, Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 24; K. Schmidt in Festschrift für Erich Hoppmann, S. 373 (376). Die damalige Schutzzweckdiskussion kritisiert hat insbesondere Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S. 61 ff.

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

ternehmen . . . dürfen ein anderes Unternehmen . . . [nicht] behindern oder . . . unterschiedlich behandeln“ kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die Vorschrift ein Verbot enthält, dessen Ziel der Schutz einzelner Unternehmen vor Handlungen anderer Unternehmen ist.622 Schwieriger als die Frage nach dem individualschützenden Charakter des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB lässt sich die nach dem Stellenwert des Institutionenschutzes beantworten. Seit der Einführung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen wird befürchtet, der Individualschutz trete zu stark in den Vordergrund.623 Es bestehe vor allem durch die Begrenzung des Schutzbereichs auf kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen der 5. GWB-Novelle die Gefahr, dass die Norm zu einem reinen Sozialschutz für mittelständische Unternehmen werde.624 Der Umstand, dass § 20 Abs. 2 GWB zur Bestimmung der Normadressaten auf die Ausweichmöglichkeiten eines Unternehmens abstellt, deutet zunächst tatsächlich darauf hin, dass dessen individueller Schutz im Vordergrund steht.625 Im Gegensatz zu § 19 GWB und § 20 Abs. 1 GWB, die sich an marktbeherrschende Unternehmen richten und durch diese Tatbestandsvoraussetzung einen Bezug zu den Wettbewerbsverhältnissen auf dem relevanten Markt herstellen, knüpft § 20 Abs. 2 GWB nach seinem Wortlaut allein an die Abhängigkeitsbeziehung zwischen zwei Unternehmen an. Das Verhältnis des Normadressaten zu einem anderen Unternehmen und nicht dessen Stellung auf einem Markt entscheidet über die Anwendung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes. In diesem Sinne wird der Unterschied zwischen den Adressaten des § 19 bzw. § 20 Abs. 1 und denen nach § 20 Abs. 2 GWB häufig wie folgt beschrieben. In ersterem Falle komme es auf die Stellung der potentiellen Adressaten gegenüber allen Marktteilnehmern an, in letzterem Falle auf dessen Stellung gegenüber bestimmten Unternehmen.626 Dementsprechend richte sich das Bestehen einer marktbeherrschenden 621 St. Rspr. vgl. etwa BGH, Urt. v. 16. 12. 1986, KZR 36 / 85, WuW / E BGH 2341 (2342) „Taxizentrale Essen“; Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1391), „Rossignol“; zu § 26 Abs. 2 GWB a. F. schon BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, KZR 1 / 61, WuW / E BGH 442 (448) „Gummistrümpfe“; Bork in Staudinger Vorb. Zu §§ 145 – 156 Rn. 18; Emmerich in Immenga / Mestmäcker GWB § 33 Rn. 25; Kahrs, Zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes, S. 134; Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 70 f.; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 8. 622 Schutzgesetz im Sinne des § 33 S. 1 GWB ist eine Norm, die ein Ge- oder Verbot ausspricht und nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit dient, Roth in Frankfurter Kommentar § 33 Rn. 28, 30. 623 Etwa Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 94 ff., 110 f., 125, 145 f. 624 Durch die Einbeziehung des Mittelstandsaspektes in § 20 Abs. 2 GWB verliere der Schutz des Wettbewerbs schlechthin an Bedeutung, Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 8, 13; ohne Bezug auf die 5. GWB-Novelle, Bauer, WRP 2003, S. 243 (243 Fn. 8). 625 In diesem Sinne meint Baur, BB 1974, S. 1589 (1592), die Bestimmung der Abhängigkeit allein würde dafür sprechen, dass § 20 Abs. 2 GWB Sozialschutz sei.

B. Vorüberlegung zum Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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Position nach generellen Kriterien, wohingegen zur Feststellung einer Abhängigkeit auf die Einzelsituation abzustellen sei.627 Es sei zwar möglich, dass die aus einer Abhängigkeit resultierende relative Macht gegenüber einer großen Anzahl von Unternehmen besteht.628 Dies sei aber nicht notwendig. Entscheidend sei das Bestehen eines individuellen Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnisses.629 Folglich bestimme sich die Normadressateneigenschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB im Gegensatz zu der nach § 19 GWB oder § 20 Abs. 1 GWB nicht allein anhand der Eigenschaften des potentiellen Adressaten, sondern auch anhand der Eigenschaften der abhängigen Unternehmen.630 Insofern sei der Begriff „marktstark“ bzw. „marktmächtig“ missverständlich.631 Diese Äußerungen bestärken die sich bereits aus dem Wortlaut ergebenden Annahme, dass die Beziehung zwischen dem Normadressaten und einem anderen Unternehmen im Mittelpunkt des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen stehe und dieses Verbot daher rein individualschützenden Charakter habe. Dennoch wird die These, § 20 Abs. 2 GWB verkörpere reinen Individualschutz632 – soweit ersichtlich – heute nicht mehr vertreten. Die Gefahr, dass § 20 Abs. 2 GWB zu einem reinen Individualschutz werde, wird zwar gesehen, aber zumeist durch den Hinweis entschärft, dass eine der wettbewerblichen Zielsetzung der Vorschrift entsprechende Auslegung erfolgen müsse.633 Der wettbewerblichen 626 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 43; Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 11; Pfeiffer in Schwerpunkte des Kartellrechts 1981 / 82, FIW-Schriftenreihe Heft 103 (1983), S. 73 (90), bezeichnet die Abhängigkeit sogar als Gegenstück der Marktmacht. 627 Baur, BB 1974, S. 1589 (1592); Ebel § 20 Rn. 52; Fischötter, WuW 1974, S. 379 (383); Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279); Kroitzsch, GRUR 1976, S. 182 (183); Sack, GRUR 1975, S. 511 (513 f.); Stahl, MA 1976, S. 511 (514 f.); Tetzner, JZ 1977, S. 321 (322). 628 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 11. 629 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 43. 630 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 43; Henseler, WRP 1976, S. 353 (354). 631 Henseler, WRP 1976, S. 353 (354). 632 In diese Richtung allerdings Bauer, WRP 2003, S. 243 (243 Fn. 8), der § 20 Abs. 2 GWB als reine Mittelstandsschutzklausel bezeichnet. Früher beispielsweise Belke, ZHR 138 (1974), S. 227 (267): „Durch die Einbeziehung bloß mächtiger Unternehmen . . . in den Kreis der Normadressaten scheint die Novelle 1973 ein trojanisches Pferd in Form eines neuartigen Sozialschutzes vor der „bargaining power“ des Marktgegners in das GWB eingeschmuggelt zu haben.“ 633 Bayreuther, Wirtschaftlich-existenziell abhängige Unternehmen, S. 224: Die Einbeziehung des Wettbewerbsschutzes in die Abwägung sei notwendig, damit § 20 Abs. 1 GWB nicht zu einem Sozialschutz oder einer Existenzsicherungsgarantie für abhängige, vor allem kleine und mittlere Unternehmen werde. In diesem Sinne schon Benisch, Auslegungsfragen zur 2. GWB-Novelle, FIW-Schriftenreihe Heft 66, S. 123 (127); Benisch, WuW 1971, S. 887 (892 f.); Benisch, MA 1973, 543 (543); Sack GRUR 1975, S. 511

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

Zielsetzung werde dadurch Genüge getan, dass die Freiheit des Wettbewerbs als allgemeine Zielsetzung des GWB in die Abwägung zur normativen Bewertung der Tathandlung, also der Unbilligkeit bzw. des Fehlens eines sachlich rechtfertigenden Grundes, einbezogen wird.634 Überwiegend wird angenommen, § 20 Abs. 2 GWB bezwecke wie das GWB insgesamt sowohl den individuellen Schutz der Betroffenen als auch den Schutz des Wettbewerbs als Institution.635 Dem Individualschutz und dem Institutionenschutz komme jeweils eigenständige und gleichrangige Bedeutung zu.636 Den Wettbewerbsbezug des § 20 Abs. 2 GWB durch die Einbeziehung der Freiheit des Wettbewerbs in die Abwägung herzustellen, überzeugt jedoch nicht. Es wäre besser, die Korrektur des zu weiten Adressatenkreises nicht erst im Rahmen der normativen Bewertung der Tathandlung, sondern durch eine engere Auslegung der die Adressatenstellung begründenden Abhängigkeit vorzunehmen. Würde ein Unternehmen Normadressat des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB, weil von ihm ein einzelnes Unternehmen abhängig ist und beruht die Abhängigkeit allein auf der individuellen Beziehung zu dem abhängigen Unternehmen, so kann die aus der Abhängigkeit resultierende Macht regelmäßig nur gegenüber dem abhängigen Unternehmen ausgenutzt werden. Es ist kaum vorstellbar, dass diskriminierende Verhaltensweisen innerhalb dieser individuellen Beziehung – so verwerflich das jeweilige Verhalten auch sein mag – den Wettbewerb insgesamt beeinträchtigen. Eine Gefahr für den Wettbewerb insgesamt kann vielmehr nur bestehen, wenn weitere Faktoren hinzukommen, die das beherrschende Unternehmen in die Lage versetzen, sich nicht nur gegenüber einem, sondern gegenüber einer größeren Anzahl von Unternehmen in normativ missbilligenswerter Weise zu verhalten. Die Abhängigkeit muss daher so definiert werden, dass ein Marktbezug besteht.637 (513); Ulmer, BB 1975, S. 661 (667 f.); v. Ungern-Sternberg in Festschrift für Walter Odersky, S. 987 (990 f.). 634 Baur, BB 1974, S. 1589 (1593); Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 8. 635 BGH, Urt. v. 26. 2. 1979, KZR 7 / 78, WuW / E BGH 1620 (1623) „Revell Plastics“; OLG Frankfurt, Urt. v. 2. 10. 2001, 11 U (Kart) 70 / 00, WuW / E DE-R 801 (802) „Brüsseler Buchhandlung“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 8. 11. 1978, 6 U 192 / 77, WuW / E OLG 2085 (2087) „Multiplex“; Benisch, WuW 1971, S. 887 (887); Benisch, Auslegungsfragen zur 2. GWB-Novelle, FIW-Schriftenreihe Heft 66, S. 123 (124); Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 17; Sack, WRP 1975, S: 385 (386 f.); Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 8; Sonnberg, Belieferungszwang für Markenartikelhersteller, S. 43; Tetzner, JZ 1977, S. 321 (321 f.); Ulmer, BB 1975, S. 661 (668); Weißenborn, Adressatenkreis in § 26 Abs. II GWB, S. 34 ff.; BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 2000, 1BvR 1627 / 95, WuW / E DE-R 557 (560) „Importarzneimittel-Boykott“. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass es Ziel des § 20 Abs. 2 GWB sei, Gefährdungen des Wettbewerbs entgegenzutreten, zugleich aber die Freiheit der betroffenen Unternehmen, ihre Betätigung nach eigenen unternehmerischen Vorstellungen auszurichten, in möglichst geringem Maße einzuschränken. 636 OLG Frankfurt, Urt. v. 2. 10. 2001, 11 U (Kart) 70 / 00, WuW / E DE-R 801 (802) „Brüsseler Buchhandlung“.

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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Die Praxis zu § 20 Abs. 2 GWB hat sich – wie im Zweiten Teil dargestellt – dahingehend entwickelt, dass nicht jedes Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten zum Vorliegen einer Abhängigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB führt. Vielmehr indizieren nur bestimmte Konstellationen, die üblicherweise in vier Fallgruppen zusammengefasst werden, eine entsprechende Abhängigkeit. Fraglich ist, ob hierdurch eine Einengung im Sinne der gerade aufgestellten Forderung nach einem Marktbezug erfolgt oder ob auch Konstellationen als abhängigkeitsbegründend anerkannt sind, in denen nur individuelle Beziehungen zwischen dem Normadressaten und einem anderen Unternehmen bestehen. Die Anerkennung auch solcher Konstellationen als abhängigkeitsbegründend wäre im Hinblick auf die Schutzrichtung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen und dessen Standort im GWB bedenklich.

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB in Bezug auf die verschiedenen Abhängigkeitsarten Ziel des § 20 Abs. 2 GWB ist, das Verhalten von Unternehmen zu kontrollieren, deren wirtschaftliche Stellung im Einzelfall gegenüber einem Unternehmen so stark ist, dass ihre Maßnahmen dieselben Auswirkungen haben, als gingen sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen aus.638 Eine dementsprechend starke Stellung besteht nicht allein auf Grund eines wirtschaftlichen Machtgefälles zwischen Unternehmen und der damit notwendig einhergehenden Abhängigkeit. Ungleiche Machtverhältnisse sind in einem freien Wettbewerb die Regel. Nur in den seltensten Fällen wird zwischen zwei Wirtschaftssubjekten Machtparität herrschen. Würde jedes marginale Ungleichgewicht zu einer Verhaltenskontrolle des stärkeren Unternehmens führen, so würde die Gleichheit über die Freiheit erhoben. Daher wird von dem Bestehen einer entsprechenden Macht nicht bei jeder individuellen Abhängigkeit ausgegangen, sondern nur, wenn die Voraussetzungen einer der anerkannten Fallgruppen erfüllt sind.

I. Unterschiede zwischen den einzelnen Abhängigkeitsarten Im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB muss zunächst danach differenziert werden, ob Nachfrager oder Anbieter abhängig sind.

637 In diese Richtung Ulmer, BB 1975, S. 661 (665 ff.), der zumindest bei Markenartikeln eine objektiv generalisierende Prüfung der Abhängigkeit favorisiert. 638 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1392) „Rossignol“; Ebel § 20 Rn. 52.

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

1. Abhängigkeit der Nachfrager Die unternehmensbedingte, die sortimentsbedingte und die mangelbedingte Abhängigkeit weisen jeweils strukturelle Eigenarten auf, die in den zu Grunde liegenden, jeweils verschiedenen Interessenkonflikten begründet sind.639 Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit besteht, wenn einem Unternehmen das Ausweichen von dem „relativ marktstarken“ Unternehmen auf einen anderen Geschäftspartner nur unter Inkaufnahme von erheblichen Wettbewerbsnachteilen möglich ist. Die Abhängigkeit ist Folge – so wird es zumindest dargestellt – der besonderen Beziehung zwischen dem abhängigen und dem beherrschenden Unternehmen. Daher werden zu ihrer Ermittlung nicht nur die Eigenschaften des beherrschenden Unternehmens herangezogen, sondern auch solche des abhängigen Unternehmens, wie beispielsweise dessen Existenzfähigkeit ohne die Geschäftsbeziehung zu dem beherrschenden Unternehmen.640 Die Abhängigkeit besteht infolgedessen im Hinblick auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit des abhängigen Unternehmens.641 Sie entsteht durch Handlungen der beteiligten Unternehmen. Zumeist bestehen Vertragsbeziehungen zwischen dem abhängigen und dem „relativ marktstarken“ Unternehmen.642 Beendet werden kann die unternehmensbedingte Abhängigkeit unabhängig von einer Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten durch den Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist. Die unternehmensbedingte Abhängigkeit eines Newcomers ist per definitionem nicht vorstellbar.643 Die sortimentsbedingte Abhängigkeit unterscheidet sich in allen aufgezählten Punkten von der unternehmensbedingten Abhängigkeit. Sie resultiert nicht primär aus der Beziehung zweier Unternehmen, sondern aus dem besonderen Ruf eines Produktes. Sie besteht daher nur bezüglich dieses einen Produkts und nicht hinsichtlich der gesamten unternehmerischen Tätigkeit. Zur Feststellung einer sortimentsbedingten Abhängigkeit kommt es auf die tatsächliche Marktsituation an. Entscheidend ist die Verbrauchererwartung, die anhand objektiver Kriterien, wie der Distributionsrate des Produktes, dessen Preis und Qualität oder ähnlichen Faktoren nachvollzogen wird. Eigenschaften des abhängigen Unternehmens, wie desFischötter, WuW 1974, S. 379 (397). OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. 5. 1990, 6 U 80 / 89, WuW / E OLG 4710 (4711) „Trainingszentrale für Rennpferde“. Das OLG Karlsruhe hat bei der Prüfung der unternehmensbedingten Abhängigkeit individuelle Interessen des potentiell Abhängigen wie dessen familiäre Bindung und die Zumutbarkeit eines Wohnortwechsels einbezogen. 641 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 61. 642 So schon Sack, GRUR 1975, S. 511 (515); ohne überzeugende Begründung für alle Abhängigkeitsarten: Riesenkampff / Sauer, BB 1975, S. 72 (72). 643 Fischötter, WuW 1974, S. 379 (386 f.); Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 97; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 74; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 114. 639 640

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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sen Wettbewerbs- und Existenzfähigkeit ohne das begehrte Produkt, spielen keine Rolle. Es erfolgt keine Einzelfallbetrachtung der Interessen des potentiell abhängigen Unternehmens, sondern eine generalisierende Analyse der Verbrauchererwatung.644 Hierdurch wird die Abhängigkeit abstrakt für eine Vielzahl von Händlern ermittelt.645 Da die Abhängigkeit der einzelnen Händler aus den Eigenschaften des begehrten Produktes resultiert, besteht die Machtposition des beherrschenden Unternehmens generell und unabhängig von dem konkret abhängigen Unternehmen gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Unternehmen.646 Hieraus ergibt sich, dass eine sortimentsbedingte Abhängigkeit grundsätzlich auch gegenüber Newcomern bestehen kann.647 Im Übrigen entsteht und besteht die sortimentsbedingte Abhängigkeit unabhängig von dem Verhalten des abhängigen Unternehmens und kann infolgedessen auch nur durch eine Veränderung der tatsächlichen Marktverhältnisse, zum Beispiel des Verlustes des guten Rufs der Ware, enden und nicht – wie die unternehmensbedingte Abhängigkeit – durch den Ablauf fiktiver Umstellungsfristen. Neben den aufgezeigten Unterschieden zwischen der unternehmensbedingten und der sortimentsbedingten Abhängigkeit ist auffällig, dass im Rahmen der Frage, ob das Opfer der diskriminierenden Handlung ein kleines oder mittleres Unternehmen ist, insbesondere der BGH zwischen der unternehmensbedingten und der sortimentsbedingten Abhängigkeit differenziert.648 Bei ersterer komme es auf einen vertikalen Größenvergleich an, also auf das Verhältnis zwischen dem Opfer und dem diskriminierenden Unternehmen. Bei letzterer sei hingegen entscheidend, ob 644 „Das Tatbestandsmerkmal der relativen Abhängigkeit . . . ist, jedenfalls beim Vertrieb von Markenwaren nicht, wie es der Wortlaut des Gesetzes nahe zu legen scheint, in subjektivindividualisierender Betrachtungsweise zu bestimmen, sondern auf Grund einer generalisierenden, objektivierenden Betrachtung.“ OLG Karlsruhe, Urt. v. 8. 11. 1978, 6 U 192 / 77 Kart, WuW / E OLG 1085 (2086) „Multiplex“; KG, Urt. 7. 2. 1975, Kart. 36 / 74, WuW / E OLG 1581 (1582) „Provision für den Bedienungsfachgroßhandel“; so auch Ulmer, BB 1975, S. 661 (665 ff.); Zur Bestimmung der Abhängigkeit auf die Position der Betroffenen im Einzelfall abstellen möchten hingegen, Baur, BB 1974, S. 1589 (1592); Fischötter, WuW 1974, S. 379 (383); Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279); Sack, GRUR 1975, S. 511 (513 f.); Stahl, MA 1976, S. 511 (514 f.); Tetzner, JZ 1977, S. 321 (322); Kroitzsch, GRUR 1976, S. 182 (183), meint, die Feststellung der Abhängigkeit anhand objektiver Kriterien entspreche nicht dem Wortsinn des Begriffs der Abhängigkeit und gehe deswegen über die zulässige Gesetzesauslegung hinaus. 645 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 68. 646 In diesem Sinne beispielsweise die Formulierung des OLG München, Urt. v. 6. 12. 2001, U (K) 3338 / 01, MMR 2002, S. 162 (162) „Internetvertrieb“: „Unstreitig ist der stationäre Kosmetik-Fachhandel in der Bundesrepublik Deutschland von der Belieferung mit von der Bekl. vertriebenen Produkten abhängig i. S. e. sortimentsbedingten oder Spitzengruppenabhängigkeit“ und Ulmer, BB 1975, S. 661 (667). 647 Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 Rn. 11; Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (278); Henseler, WRP 1976, S. 353 (355); Tetzner, JZ 1977, S. 321 (322); Ulmer, BB 1975, S. 661 (667). Ablehnend ohne Begründung, Riesenkampff / Sauer, BB 1975, S. 72 (72). 648 s. o. Zweiter Teil, A.2.

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

das Opfer aus horizontaler Perspektive, also im Vergleich zu seinen Wettbewerbern, ein kleines oder mittleres Unternehmen ist. Die mangelbedingte Abhängigkeit nimmt gegenüber den anderen Abhängigkeitsarten eine Sonderstellung ein. Sie hat ihre Ursache in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation und kommt daher praktisch selten vor. Durch die Verknappung eines Produktes werden die Unternehmen, die auf das entsprechende Produkt angewiesen sind, von denjenigen Unternehmen abhängig, die über das knappe Produkt verfügen. Die Abhängigkeit besteht nur in Bezug auf das knappe Gut. Eine mangelbedingte Abhängigkeit liegt folglich nur vor, wenn die allgemeine Situation auf dem gesamten relevanten Markt von der Verknappung geprägt ist. Auf dem Markt muss ein wettbewerblicher Ausnahmezustand herrschen. Die Abhängigkeit ist Folge der außergewöhnlichen Marktstruktur. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die wirtschaftliche Macht des Normadressaten bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit aus dessen Beziehung zu einem anderen Unternehmen resultiert. Ein Unternehmen ist von einem anderen abhängig, weil es hinsichtlich seiner gesamten unternehmerischen Tätigkeit auf die Geschäftsbeziehung mit diesem angewiesen ist. Begründet wird die Abhängigkeit durch Handlungen der beteiligten Unternehmen. Die sortiments- und die mangelbedingte Abhängigkeit rühren hingegen aus marktbezogenen Faktoren her. Die wirtschaftliche Macht ent- und besteht auf Grund des besonderen Rufs eines Produktes bzw. aus der plötzlichen Knappheit. Sie besteht nicht nur gegenüber einem Handelspartner, sondern gegenüber allen, die auf den Bezug des entsprechenden Produktes angewiesen sind. Die Abhängigkeit ist Folge einer strukturellen Gegebenheit auf dem gesamten Markt und kann daher generalisierend festgestellt werden.

2. Abhängigkeit der Anbieter Innerhalb der Abhängigkeit eines Anbieters von einem Nachfrager wird – wie oben dargestellt – ebenfalls danach differenziert, ob die Abhängigkeit aus generellmarktbezogenen oder aus individuell-unternehmensbezogenen Umständen resultiert. Die goodwill-bedingte Abhängigkeit basiert auf generell-marktbezogenen Tatsachen und entspricht insofern der sortimentsbedingten Abhängigkeit. Die unternehmensbezogene Anbieterabhängigkeit basiert auf individuell-unternehmensbezogenen Faktoren und entspricht somit der unternehmensbedingten Abhängigkeit. Als Untergruppen der nachfragebedingten Abhängigkeit werden außerdem die systembedingte Abhängigkeit und die Abhängigkeit auf Grund besonders hoher Absatzanteile genannt. Wenn die Abhängigkeit auf hohen Absatzanteilen basiert, weil sich ein Anbieter hinsichtlich des Absatzes seiner Produkte auf einen Nachfrager spezialisiert hat, ist das ein unternehmensbezogener Umstand. Wenn die Abhän-

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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gigkeit auf einer besonderen Absatzfunktion beruht, kann diese besondere Funktion entweder in der Marktstruktur oder in unternehmensbezogenen Umständen begründet sein. In der Marktstruktur begründet ist beispielsweise die Absatzfunktion des Großhandels bei Arzneimitteln. Ein unternehmensbezogener Umstand ist die besondere Absatzfunktion, die auf Grund vertraglicher Alleinbezugsvereinbarungen besteht. Eine umgekehrt mangelbedingte Abhängigkeit existiert in der Praxis nicht.649 Die Unterschiede zwischen der nachfragebedingten Abhängigkeit, die auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen basiert und der nachfragebedingten Abhängigkeit, die aus marktbezogenen Umständen resultiert, entsprechen den für bei der Abhängigkeit der Nachfrager herausgearbeiteten Unterschieden.

II. Systematisierung der Abhängigkeitsgruppen Der entscheidende Unterschied zwischen der sortiments- und der mangelbedingten Abhängigkeit einerseits und der unternehmensbedingten Abhängigkeit andererseits bzw. zwischen umgekehrt sortimentsbedingter und umgekehrt unternehmensbezogener Abhängigkeit besteht offensichtlich darin, dass einmal generell-marktbezogene Kriterien und einmal individuell-unternehmensbezogene Umstände die Abhängigkeit begründen.650 Zur Systematisierung der Adressaten gemäß § 20 Abs. 2 GWB bietet sich daher eine Unterteilung in zwei Gruppen an: wirtschaftliche Macht auf Grund marktbezogener Umstände und wirtschaftliche Macht auf Grund unternehmensbezogener Umstände.651 Die Differenzierung danach, ob eine Abhängigkeit auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen beruht oder ob sie ihren Grund in generell-marktbezogenen Tatsachen hat, ist ein abstraktes Unterscheidungskriterium, das sich gleichermaßen zur Systematisierung der Fallgruppen innerhalb der Abhängigkeit der Nachfrager und der Anbieter eignet. Die Ordnung der bekannten Fallgruppen nach diesen Kriterien ergibt folgendes Schema: s. o. Zweiter Teil, A.IV.2. Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77. 651 Diese Differenzierung zwischen marktbedingter und individueller Abhängigkeit schlägt Benisch ausdrücklich vor, Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 20. Auch Markert unterscheidet zwischen „mehr individuell-unternehmensbedingte[n]“ und „mehr generell-marktbedingte[n] Gegebenheiten“, Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 77. Waelbroeck / Frignani in Commentaire J. Mégret, Concurrence, S. 245, Nr. 243, bezeichnen die Notwendigkeit, ein Produkt wegen der starken Nachfrage danach in einem Sortiment zu führen, als einen Umstand außerhalb des Verhaltens der beteiligten Unternehmen („extérieur au comportent des parties“), die lange Geschäftsbeziehung demgegenüber als einen Umstand aus dem Bereich des abhängigen Unternehmens („être propres à l’entreprise dépendante“). 649 650

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

Individuellunternehmensbezogene Umstände

Nachfrager ist abhängig

Anbieter ist abhängig

Unternehmensbedingte Abhängigkeit

Abhängigkeit auf Grund besonderer Spezialisierung des Anbieters (systembedingte Abhängigkeit) Abhängigkeit auf Grund besonderer Absatzanteile oder -funktion des Nachfragers

Generell-marktbezogene Umstände

Sortimentsbedingte Abhängigkeit (Spitzenstellungs- und Spitzengruppenabhängigkeit)

Goodwill-bedingte Abhängigkeit

Mangelbedingte Abhängigkeit

Abhängigkeit auf Grund einer besonderen Absatzfunktion

III. Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 GWB bei Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Faktoren Es wurde herausgearbeitet, dass die Abhängigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB entweder auf generell-marktbezogenen oder auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen beruht. Wegen der großen strukturellen Unterschiede zwischen diesen Gruppen der Abhängigkeit lässt sich die Frage, ob das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen den Schutz des Wettbewerbs als Institution bezweckt, nicht für beide Gruppen gemeinsam beantworten. Sie muss isoliert für die Normadressatenstellung auf Grund generellmarktbezogener auf Grund individuell-unternehmensbezogener Faktoren gestellt und beantwortet werden.

1. Abhängigkeit der Nachfrager Die Abhängigkeit eines Nachfragers von einem Anbieter auf Grund generellmarktbezogener Faktoren umfasst die Untergruppen der sortimentsbedingten und der mangelbedingten Abhängigkeit.

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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a) Sortimentsbedingte Abhängigkeit Die Vorgehensweise zur Ermittlung einer sortimentsbedingten Abhängigkeit entspricht im Wesentlichen der zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung. Hier wie dort wird zunächst der Markt abgegrenzt und dann ermittelt, welche Position ein Produkt und damit zusammenhängend der Hersteller dieses Produktes auf dem zuvor abgegrenzten Markt hat. In beiden Fällen muss die Stellung des betreffenden Produktes auf dem relevanten Markt so herausragend sein, dass die anderen Marktteilnehmer keine Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen haben. Diese Übereinstimmung spiegelt sich in dem Wortlaut der §§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a. E. und 20 Abs. 2 Satz 1 GWB wider. Im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a. E. GWB ist bei der Feststellung einer überragenden Marktstellung „. . . die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen“. Bei § 20 Abs. 2 GWB muss eine Abhängigkeit in der Weise bestehen, dass für das abhängige Unternehmen „ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“. In beiden Fällen kommt es auf die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite an. Die Abhängigkeit der Marktteilnehmer ohne Ausweichmöglichkeiten ist Folge der Machtposition des potentiellen Normadressaten. Die wirtschaftliche Machtposition ist dem Hersteller eines Produktes durch den Ruf seiner Ware verschafft worden. Sie eröffnet ihm auf dem Markt für sein Produkt Verhaltensspielräume, die durch den Wettbewerb nicht hinreichend kontrolliert werden und ist daher mit der eines Marktbeherrschers vergleichbar. Die Machtstellung besteht auf einem ganzen „Markt“, der nur enger abgegrenzt wird, als der zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung. Folglich ist die wirtschaftliche Macht marktbezogen. Infolgedessen sind nicht nur die Interessen des Herstellers und eines einzelnen Händlers betroffen, sondern abstrakt die Interessen aller Händler, die auf den Bezug des betreffenden Produktes angewiesen sind. Die Gefahr der Ausnutzung unkontrollierter Handlungsspielräume besteht nicht nur individuell für das abhängige Unternehmen, sondern generell für eine Vielzahl von Unternehmen. Somit geht es in den Fällen sortimentsbedingter Abhängigkeit nicht allein um den Interessenausgleich zwischen zwei Unternehmen, sondern um die Gefahr der Ausnutzung unkontrollierter Handlungsspielräume auf einem Markt. Damit besteht ein Wettbewerbsbezug, der den Standort dieses Verbotes im Kartellrecht rechtfertigt. Dementsprechend ist auch das Eingreifen der Kartellbehörden in diesen Fällen gerechtfertigt.

b) Mangelbedingte Abhängigkeit Auch bei der mangelbedingten Abhängigkeit besteht ein Wettbewerbsbezug. Die Mangelsituation ist ein äußerer, von den Marktteilnehmern nicht beeinflussbarer Umstand, durch den sich der Wettbewerbsprozess auf einem bestimmten Markt verändert. Diese Veränderung des Wettbewerbsprozesses rechtfertigt es, dem Staat die Kompetenz zuzusprechen, negative Auswirkungen dieser Sonder-

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situation auf die Wettbewerbsfreiheit einzelner Marktteilnehmer und den Wettbewerb insgesamt zu verhindern.

2. Abhängigkeit der Anbieter Da die sortimentsbedingte Anbieterabhängigkeit (goodwill-bedingte Abhängigkeit und Abhängigkeit auf Grund besonderer Absatzfunktion) anhand der gleichen generell-marktbezogenen Kriterien ermittelt wird wie die sortimentsbedingte Abhängigkeit eines Nachfragers von einem Anbieter, gelten die obigen Ausführungen für die entsprechenden Fälle gleichermaßen.652

3. Ergebnis zu III. Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB bezweckt, sofern die Abhängigkeit auf generell-marktbezogenen Faktoren beruht, nicht nur den individuellen Schutz der Diskriminierungsopfer, sondern auch den des Wettbewerbs als Institution.

IV. Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 GWB bei Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Faktoren Die Abhängigkeit kann auch auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen basieren. Dies ist, wie oben dargestellt, bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit eines Nachfragers von einem Anbieter und damit auch bei der nachfragebedingten Abhängigkeit auf Grund von Spezialisierung oder besonderer Absatzanteile bzw. Absatzfunktionen der Fall.

1. Abhängigkeit der Nachfrager (unternehmensbedingte Abhängigkeit) Da die unternehmensbedingte Abhängigkeit anhand individuell-unternehmensbezogener Kriterien ermittelt wird, resultiert die Adressatenstellung in diesen Fällen aus einer Sachverhaltskonstellation, in der es im Kern um die Interessen der in dem Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis stehenden Unternehmen geht. Sofern die Macht tatsächlich allein auf der individuellen Abhängigkeitsbeziehung zu einem anderen Unternehmen beruht, birgt diese Situation hauptsächlich Gefahren für das abhängige Unternehmen. Nur diesem gegenüber bestehen unkontrollierte Handlungsspielräume, die missbräuchlich ausgenutzt werden könnten. Für diese 652 So Heuchert, Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB, S. 125, für alle Gruppen der nachfragebedingten Abhängigkeit.

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Fälle liegt die Vermutung nahe, es würden primär die Interessen der abhängigen Unternehmen geschützt und somit in erster Linie Individualschutz vermittelt. Der Standort des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes bei unternehmensbedingt abhängigen Unternehmen im GWB wäre nicht überzeugend. Diese Vermutung kann jedoch nur Richtigkeit beanspruchen, wenn die unternehmensbedingte Abhängigkeit tatsächlich allein auf individuellen Faktoren beruht. Überwiegend wird die unternehmensbedingte Abhängigkeit in der Weise beschrieben, dass sie durch eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung der Interessen der beteiligten Unternehmen zu ermitteln sei. Die Betonung der Einbeziehung der individuellen Interessen der beteiligten Unternehmen im Einzelfall geriert die Vorstellung, eine solche Abhängigkeit existiere in diversen Varianten und entstehe in den unterschiedlichsten Sachverhaltkonstellationen. Auffällig ist daher, dass der BGH eine unternehmensbedingte Abhängigkeit bisher nur in einer Konstellation anerkannt hat. a) Sonderfall: Kfz-Branche Höchstrichterlich ist eine unternehmensbedingte Abhängigkeit bislang nur in dem Verhältnis zwischen Kfz-Herstellern und deren Vertragshändlern angenommen worden.653 Erstaunlich ist dies vor allem insofern, als die Abhängigkeit in diesen Fällen gerade nicht allein aus individuell-unternehmensbezogenen Umständen resultiert. Die Abhängigkeit hat ihren Grund vielmehr in den festen Vertriebsstrukturen und der ständigen Übung bei der Ausgestaltung der Kfz-Vertragshändlerverträge. Die Vertragshändler richten ihren Geschäftsbetrieb üblicherweise so stark auf den Hersteller aus, dass ihnen der Wechsel zu einem anderen Hersteller nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile möglich ist.654 Diese verfestigten Strukturen und die daran geknüpften Verkehrserwartungen auf dem gesamten Markt für Kraftfahrzeuge erlauben es, die Abhängigkeit „ausnahmsweise“ generalisierend festzustellen.655 Aus diesem Grund finden sich 653 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 (2988) „Kfz-Vertragshändler“; BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, BGH, WuW / E BGH 2875 (2877) „Herstellerleasing“; BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2493) „Opel-Blitz“; BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1831) „Original-VW-Ersatzteile II“; BGH, Urt. v. 6. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1457) „BMW-Direkthändler“; wohl auch BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KZR 20 / 91, WuW / E BGH 2858 (2860 ff.) „Fremdleasingboykott“. 654 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 (2988) „Kfz-Vertragshändler“; BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2493) „Opel-Blitz“. 655 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 (2988) „Kfz-Vertragshändler“; BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2493) „Opel-Blitz“; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 73: „Die Abhängigkeit der . . . Händler lässt sich . . . häufig schon auf Grund einer auf die typische Situation dieser Händler abstellenden objektiv-generalisierenden Betrachtungsweise beurteilen.“ A. A. Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 75, der annimmt, die unternehmensbedingte Abhängigkeit könne nicht generalisierend festgestellt werden.

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in neueren Entscheidungen des BGH keine detaillierten Ausführungen zum Bestehen der Abhängigkeit, sondern nur noch die pauschale Aussage, dass Kfz-Vertragshändler von den jeweiligen Kraftfahrzeugherstellern grundsätzlich unternehmensbedingt abhängig seien.656 Die Abhängigkeit entsteht zwar aus der individuellen Beziehung zwischen dem Kfz-Hersteller und einem einzelnen Vertragshändler. Ursache für diese individuelle Abhängigkeitsbeziehung ist aber nicht allein die Entscheidung der Händler zum Abschluss der Vertragshändlerverträge, sondern auch die Struktur des Automobilmarktes. Daher wird diese Abhängigkeit nicht durch eine Einzelfallbetrachtung der Interessen des betroffenen Vertragshändlers festgestellt, sondern generalisierend, d. h. für alle Vertragshändler eines Herstellers. Die Dauer der Geschäftsbeziehung und ähnliche rein individuell-unternehmensbezogenen Faktoren werden erst im Rahmen der Interessenabwägung gewürdigt. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der BGH in seiner ersten Entscheidung zur Abhängigkeit eines Kfz-Vertragshändlers von einem Hersteller zur Begründung der Abhängigkeit noch auf das Ansehen der Automobile als Markenwaren abgestellt hat.657 Die 50-jährige Geschäftsbeziehung wurde erst bei der Interessenabwägung gewürdigt.658 Das Bestehen einer langjährigen Geschäftsbeziehung und die daraus resultierende unter Umständen existenzielle Abhängigkeit wurde nicht als ausreichend erachtet, um eine Abhängigkeit zu begründen. Insofern wird die Aussage, die unternehmensbezogene Abhängigkeit basiere auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen, durch die Praxis des BGH nicht bestätigt. Auch die Aussage, die unternehmensbedingte Abhängigkeit setze kein Vertragsverhältnis voraus, sondern könne sich allein aus einer Liefer- oder Bezugskonzentration ergeben,659 trifft in den Fällen, in denen der BGH eine unternehmensbedingte Abhängigkeit bejaht hat, nicht zu. Der Geschäftsbeziehung lagen jeweils schuldrechtliche Verträge, die so genannten Vertragshändlerverträge, zu Grunde.660 656 Zum Beispiel: BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2877) „Herstellerleasing“; so auch die allgemeines Ansicht: Ebenroth, Absatzmittlungsverträge, S. 105; Emmerich, Kartellrecht, S. 219; Habersack / Ulmer, Rechtsfragen des Kraftfahrzeugvertriebs, S. 104; Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 72. 657 BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1457) „BMW-Direkthändler“: „Angesichts des Ansehens und der Marktgeltung der Kl. und ihrer Kraftfahrzeuge ist . . . davon auszugehen, dass sie . . . dem Diskriminierungsverbot unterliegt, weil von ihr Nachfrager von Kraftfahrzeugen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen.“ 658 BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1457) „BMW-Direkthändler“. 659 Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 73. 660 BGH, Urt. v. 21. 2. 1995, KZR 33 / 93, WuW / E BGH 2983 (2983) „Kfz-Vertragshändler“; BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2875) „Herstellerleasing“; BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KZR 20 / 91, WuW / E BGH 2858 (2860) „Fremdleasingboykott“; BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2491) „Opel-Blitz“; BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1829) „Original-VW-Ersatz-

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Hinsichtlich der Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 GWB für die Fälle der unternehmensbedingten Abhängigkeit eines Automobilvertragshändlers von einem KfzHersteller kann Folgendes festgestellt werden. Die Automobilbranche weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die eine Sonderbeurteilung rechtfertigen.661 Diese Einschätzung wird durch einen Blick auf das EG-Kartellrecht untermauert, in dem die Kfz-Branche wegen ihrer Besonderheiten schon seit 1985 das Privileg einer Gruppenfreistellungsverordnung genießt.662 Die Besonderheiten liegen, wie der BGH in seinen Urteilen regelmäßig ausführt, in den festen Vertriebsstrukturen und der ständigen Übung der Vertragshändlerverträge. Die Abhängigkeiten zwischen Kfz-Herstellern und deren Vertragshändlern ist Folge einer generellen Machtstellung des Kfz-Herstellers, die ihren Grund in den verfestigten Strukturen auf dem Automobilmarkt hat. Die aus dieser Abhängigkeit resultierende Machtstellung eines Kfz-Herstellers besteht folglich bezogen auf einen Markt. Somit besteht auch in diesen Fällen eine Gefahr für den Wettbewerb als Institution.

b) Selbstverschuldete Abhängigkeiten In anderen Fällen hat der BGH das Vorliegen einer unternehmensbedingten Abhängigkeit verneint.663 Begründet hat er dies damit, dass selbstverschuldete Abteile II“; BGH, Urt. v. 1. 7. 1976, KZR 34 / 75, WuW / E BGH 1455 (1455) „BMW-Direkthändler“. 661 Hinsichtlich der Besonderheiten des Marktes für Kraftfahrzeug-Ersatzteile: BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8 / 80, WuW / E BGH 1829 (1834) „Original-VW-Ersatzteile II“. 662 Vgl. VO (EWG) Nr. 123 / 85 der Kommission vom 12. 12. 1984 über die Anwendung von Art. 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl.EG 1985, Nr. L 15, S. 16 ff.; im Jahre 1995 abgelöst durch VO (EG) Nr. 1475 / 1995 der Kommission vom 28. 6. 1995 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl.EG 1995, Nr. L 145, S. 25 ff.; im Jahre 2002 abgelöst durch die VO (EG) Nr. 1400 / 2002 der Kommission vom 31. 7. 2002 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor, ABl.EG 2002, Nr. L 203, S. 30 ff.; die spezielle Gruppenfreistellungsverordnung wurde 2002 erlassen, obwohl seit 1999 eine allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen existiert, die branchenübergreifend gilt und daher grundsätzlich auch Vertikalvereinbarungen im Kfz-Sektor erfasst. Die Begründung hierfür war, dass die Bestimmungen der allgemeinen Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung wegen der Besonderheiten des Kfz-Sektors für diesen nicht ausreichend seien. Vgl. dazu Creutzig, EuZW 2002, S. 560 ff.; Grams, RIW 2003, S. 327 ff.; Pfeffer, NJW 2002, S. 2910 ff. Auch zuvor wurden Vertragshändlerverträge häufig durch Einzelfreistellungsentscheidungen der Kommission vom Verbot des Art. 81 EG freigestellt, vgl. etwa Komm., Entsch. v. 13. 12. 1974, ABl.EG 1975, Nr. L 25, S. 1 „BMW“ = WuW / E EV 559 (566 ff.). 663 BGH, Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 (2856 f.) „Flaschenkästen“. Im Fall „Schülertransporte“ (BGH, Urt. v. 24. 6. 2003, KZR 21 / 01, WuW / E DE-R 1144 13*

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hängigkeiten nicht in den Schutzbereich des § 20 Abs. 2 GWB fallen würden.664 § 20 Abs. 2 GWB dürfe nicht zu einem Sozialschutz für kleine und mittlere Unternehmen werden.665 Es solle kein Schutz vor geschäftlichen Fehlentscheidungen gewährt werden, sondern nur verhindert werden, dass marktmächtige Unternehmen ihre vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielräume zu Lasten Dritter ausnutzen und so das Marktgeschehen stören.666 Die Sichtweise des BGH wird überwiegend geteilt. Die Einbeziehung selbstverschuldeter Abhängigkeiten in den Schutzbereich des § 20 Abs. 2 GWB hätte eine „Zementierung der bestehenden Marktsituation“ zur Folge.667 Außerdem sei ein Unternehmen, das sich durch das Betreiben einer Monokultur und der damit verbundenen Spezialisierung „freiwillig“ in eine Abhängigkeit begeben habe, nicht schutzwürdig.668 Gleiches gelte, wenn der Abhängige es versäumt habe, zumutbare Kündigungsfristen vertraglich zu vereinbaren.669 Ansonsten würde das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen dem abhängigen Unternehmen das geschäftliche Risiko abnehmen.670 Etwas anderes könne höchstens angenommen werden, wenn der Hersteller einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, beispielsweise indem er den Abhängigen zu einer Spezialisierung veranlasst hat.671 Die Ausklammerung selbstverschuldeter Abhängigkeiten aus dem Schutzbereich des § 20 Abs. 2 GWB wird teilweise kritisiert. Es könne keine Differenzierung danach erfolgen, wie oder durch wessen Veranlassung die Abhängigkeit ent(1145)) ergab sich die Adressatenstellung der Beklagten schon aus deren marktbeherrschender Stellung. Der BGH hat dennoch ausgeführt, dass sich die Adressatenstellung bei Vertragshändlerverträgen regelmäßig aus der Abhängigkeit der Händler, die dem Kreis der Vertraghändler angehören und ihren Geschäftsbetrieb hierauf eingerichtet haben, ergebe. Allerdings hat er dabei auf eine Entscheidung aus dem Kfz-Sektor verwiesen. 664 BGH, Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 (2856 f.) „Flaschenkästen“; so auch OLG Celle, Urt. v. 24. 2. 1999, 13 U (Kart) 162 / 98, WuW / E DE-R 327 (331) „Unfall-Ersatzwagen“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. 5. 1990, 6 U 80 / 89, WuW / E OLG 4710 (4711) „Trainingszentrale für Rennpferde“. 665 BGH, Urt. v. 23. 2. 1988, KZR 20 / 86, WuW / E BGH 2491 (2495) „Opel-Blitz“; ähnlich v. Ungern-Sternberg in Festschrift für Walter Odersky, S. 987 (994): das abhängig Unternehmen dürfe aus § 26 Abs. 2 GWB keinen Anspruch auf Sozialschutz ableiten. 666 BGH, Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 (2857) „Flaschenkästen“. Dem Verbot unterliegen nur Unternehmen, die über besonders weite Verhaltensspielräume verfügen und die auf Grund dieser Spielräume Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit hinnehmen müssen, Schultz in Langen / Bunte § 20 Rn. 7. 667 Möhring, DB 1974, S. 223 (226). 668 Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279). 669 BGH, Urt. v. 19. 1. 1993, KZR 1 / 92, WuW / E BGH 2855 (2857) „Flaschenkästen“; Benisch WuW 1971, 887 (893); Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 83. 670 Benisch in Gemeinschaftskommentar § 26 Abs. 2 a. F. Rn. 19; Fischötter, WuW 1974, 379 (385); Möhring, DB 1974, S. 223 (226); v. Ungern-Sternberg in Festschrift für Walter Odersky, S. 987 (994). 671 Hefermehl, GRUR 1975, S. 275 (279); Fischötter, WuW 1974, 379 (385 f.).

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standen ist.672 Zweck des Gesetzes sei es, die Handlungsspielräume mächtiger Unternehmen einzuschränken. Daher komme es nur darauf an, ob gegenwärtig Handlungsspielräume bestehen und nicht auf deren Ursachen. Wenn man die Entstehung der Abhängigkeit einbeziehen wolle, müsse man zwischen vernünftigen, die Abhängigkeit vermeidenden, und unvernünftigen, die Abhängigkeit verursachenden Entscheidungen differenzieren,673 was sehr schwierig sei. Das eigene Verschulden des abhängigen Unternehmens bei der Begründung der Abhängigkeit sei daher besser erst im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.674 Systematisch überzeugend ist es, nicht nach der Ursache der Abhängigkeit zu differenzieren. § 20 Abs. 2 GWB wurde eingeführt, um das Verhalten von Unternehmen kontrollieren zu können, deren Maßnahmen dieselben Auswirkungen haben, als wären sie marktbeherrschend.675 Bedenkt man die Identität dieses Ziels bei den Regeln über die Marktbeherrschung und dem Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen ergibt sich, dass auch bei § 20 Abs. 2 GWB keine Differenzierung zwischen „guter“ und „schlechter“ Macht erfolgen sollte. Bei der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen wird ebenfalls nicht das Ent- und Bestehen der Machtposition missbilligt, sondern nur deren missbräuchliche Ausnutzung.676 Auch der Einwand, die Abgrenzung zwischen selbstverschuldeter Abhängigkeit und anderer Abhängigkeit sei schwierig, ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich entsteht jede unternehmensbedingte Abhängigkeit durch eine Reihe ursprünglich freiwilliger unternehmerischer Entscheidungen und ist insofern „selbstverschuldet“. Trotz der Überzeugungskraft dieser Argumente ist im Ergebnis nicht jede individuelle selbst verursachte Abhängigkeit unter § 20 Abs. 2 GWB zu fassen. Wenn derartige Abhängigkeiten zur Anwendung des § 20 Abs. 2 GWB führen würden, wäre es möglich, dass ein Unternehmen von einem anderen Unternehmen durch dessen Verhalten in die Normadressatenstellung hineingedrängt wird und sich infolgedessen Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen muss. Dies wäre ein immenser Eingriff in die Privatautonomie. Die Vorschriften über den Machtmissbrauch sollen die Wettbewerbsteilnehmer und den Wettbewerb insgesamt aber nur vor den Auswirkungen von Handlungen besonders mächtiger Unternehmen schützen und keinen Schutz vor geschäftlichen Fehlentscheidungen gewähren. Eine derartige Überwälzung des Geschäftsrisikos von einem Unternehmen auf ein anderes wäre mit dem Prinzip des freien Wettbewerbs, nach dem grundsätz672 Ebenroth / Obermann DB 1981, S. 829 (832); Köhler, Nachfragemacht, S. 66; Sack GRUR 1975, S. 511 (512). 673 Köhler, Nachfragemacht, S. 67. 674 Köhler, Nachfragemacht, S. 67; auch Benisch, MA 1973, 543 (550), möchte im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigen, inwieweit der Diskriminierte seine Abhängigkeitslage selbst verantwortet hat. 675 BGH, Urt. v. 20. 11. 1975, KZR 1 / 75, WuW / E BGH 1391 (1392) „Rossignol“. 676 Möschel in Immenga / Mestmäcker EG-WbR Art. 86 Rn. 1.

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lich jeder selbst das Risiko für seine unternehmerischen Entscheidungen trägt, nicht vereinbar. Faktisch würde die Umverteilung des wirtschaftlichen Risikos die Entstehung eines „Arbeitsschutzrechts“ für Selbständige bedeuten.677 Dennoch ist das Kriterium der „Selbstverschuldetheit“ der bestehenden Abhängigkeit aus den genannten Gründen nicht geeignet, um den Kreis der Normadressaten einzugrenzen. Erstens passt es systematisch nicht in den Kontext der Missbrauchsaufsicht im GWB nach §§ 19 ff. Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung erfolgt unabhängig von der Ursache ihrer Entstehung. Ihr Missbrauch ist unabhängig davon verboten, ob sie durch internes Wachstum oder durch wettbewerbswidrige Praktiken entstanden ist. § 20 Abs. 2 GWB dehnt die Verhaltenskontrolle auf Unternehmen aus, die zwar nicht marktbeherrschend sind, von deren Handlungen aber die gleichen Wirkungen ausgehen wie von marktbeherrschenden Unternehmen. Bei sortiments- und mangelbedingter Abhängigkeit wird daher richtigerweise ebenfalls nicht danach gefragt, wie die Macht der betreffenden Unternehmen entstanden ist. Bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit soll plötzlich die Ursache der Macht für ihre Feststellung eine Rolle spielen. Dort soll nicht auf die tatsächliche Wettbewerbssituation im Zeitpunkt der missbräuchlichen Handlung abgestellt werden, sondern es sollen Verhaltensweisen aus dem Vorfeld einbezogen werden. Im Übrigen ist jede Abhängigkeit eines Vertragshändlers von einem Hersteller in gewissem Sinne „selbstverschuldet“. Am Anfang jeder geschäftlichen Beziehung steht die Entscheidung, diese Beziehung einzugehen. Es müsste also eine Unterscheidung von vernünftigen und unvernünftigen unternehmerischen Entscheidungen erfolgen. Die Bewertung der Vernünftigkeit unternehmerischer Entscheidungen ist aber nicht Sinn der Missbrauchsaufsicht des GWB. Insofern trifft die Differenzierung zwischen selbstverschuldeter und unverschuldeter Abhängigkeit nicht den Kern des Problems. Die Abhängigkeiten, die als nicht selbstverschuldet angesehen werden, sind solche, die auf Grund der Marktstruktur unvermeidbar sind.678 Deutlich wird dies an der oben dargestellten Abhängigkeit der Kfz-Vertragshändler von den Herstellern. Ein Kfz-Händler für Neuwagen muss sich in die bestehenden Vertriebsstrukturen einordnen. Notwendige Folge davon ist dann die Abhängigkeit des betreffenden Händlers von dem Hersteller. Jede Abhängigkeit, die nicht notwendige Folge solcher Strukturen ist, sondern allein auf Grund geschäftlicher Entscheidungen des Abhängigen entstanden ist, wird als selbstverschuldet dem Schutzbereich des § 20 Abs. 2 GWB entzogen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nur solche Abhängigkeiten, die nicht allein durch die individuelle Beziehung zwischen zwei Unternehmen bedingt sind, sondern deren Ursache in der Marktstruktur liegt und die daher einer generalisierenden Feststellung offen stehen, in den Schutzbereich des § 20 Abs. 2 Baur, BB 1974, S. 1589 (1590 f.). Fischötter, WuW 1974, S. 374 (385): Ist die Abhängigkeit Folge der Marktentwicklung, so kann sie dem Abhängigen nicht [als selbstverschuldet] angelastet werden. 677 678

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GWB fallen. Da der Abhängige seine Situation nicht selbst verschuldet hat, wenn die Abhängigkeit aus der Marktstruktur resultiert, sind dies im Ergebnis diejenigen Abhängigkeiten, die als nicht selbstverschuldet bezeichnet werden. Insofern steht die hier vertretene Ansicht inhaltlich mit der des BGH und der des überwiegenden Teils des Schrifttums im Einklang, rückt aber einen anderen Aspekt in den Vordergrund. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass der Individualschutz zu stark in den Vordergrund des § 20 Abs. 2 GWB tritt. c) Ergebnis zu 1. Die unternehmensbedingte Abhängigkeit wird zumeist in einer Art umschrieben, die vermuten lässt, dass der Individualschutz eine sehr große Rolle spielt. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass höchstrichterlich eine unternehmensbedingte Abhängigkeit nur angenommen wird, wenn die Abhängigkeit ihre Ursache nicht allein in individuellen einzelfallbezogenen Umständen, sondern auch in der Struktur des jeweiligen Marktes hat. Der Markt muss so beschaffen sein, dass typischerweise Abhängigkeiten entstehen und daher eine generalisierende Feststellung der Abhängigkeit möglich ist. Auf diese Weise wird der Wettbewerbsbezug hergestellt, der erforderlich ist, um die Kontrolle dieser Abhängigkeit im GWB zu rechtfertigen. Dass der BGH eine unternehmensbedingte Abhängigkeit bisher nur im Kfz-Sektor bejaht hat, hat seinen Grund darin, dass dort einerseits immer Abhängigkeiten bestehen, und dass andererseits die erforderliche Marktstruktur besonders deutlich zu Tage tritt. Denkbar ist eine unternehmensbedingte Abhängigkeit in diesem Sinne grundsätzlich auch in anderen Konstellationen; beispielsweise bei Vertragshändlern anderer Markenprodukte679 oder wenn das abhängige Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb aus anderen marktbezogenen Gründen besonders stark auf das „relativ marktstarke“ Unternehmen ausrichten muss. Obwohl also auch bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit der notwendige Wettbewerbsbezug erkennbar ist, bestehen erhebliche Unterschiede zwischen der unternehmensbedingten Abhängigkeit und der sortimentsbedingten bzw. der mangelbedingten Abhängigkeit.680 Von diesen oben detailliert aufgeführten Unterschieden sei hervorgehoben, dass die unternehmensbedingte Abhängigkeit durch vertragliche Vereinbarungen begründet wird. Die Abhängigkeit hat ihre Ursache in den einzelnen vertraglichen Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Marktstruktur, die durch die ständige Übung des Abschlusses gleichartiger Verträge auf einem Markt entsteht. Obwohl die Abhängigkeit dann generell, also für alle sich in einer dem Opfer vergleich679 Vgl. zum Beispiel BGH, Urt. v. 24. 6. 2003, KZR 21 / 01, WuW / E DE-R 1144 (1145) „Schülertransporte“. 680 Den großen Unterschieden zwischen der sortimentsbedingten und der unternehmensbedingten Abhängigkeit muss bei der Rechtsanwendung Rechnung getragen werden, Fischötter, WuW 1974, S. 379 (397).

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baren Position befindlichen Unternehmen besteht, liegt deren Ursache doch in der individuellen Beziehung zwischen dem abhängigen und dem beherrschenden Unternehmen. Das Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis tritt bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit stärker zu Tage als bei den anderen Arten der Abhängigkeit.681 Wettbewerblich bedenklich sind allerdings die strukturellen Verflechtungen auf dem Markt und die daraus resultierende Macht des „relativ marktstarken“ Unternehmens. Die Abhängigkeit der einzelnen Unternehmen ist nur Folge der besonderen Marktstruktur. Fraglich ist, ob es daher nicht besser wäre, ein Verbot direkt an den strukturellen Verknüpfungen festzumachen, anstatt auf die Abhängigkeit abzustellen, die nur Folge einer bestehenden Struktur ist. In diesem Sinne erfolgt die Kontrolle der Handlungen „relativ marktstarker“ Automobilhersteller im europäischen Wettbewerbsrecht nach Art. 81 EG in Anknüpfung an die zwischen den Vertragshändlern und dem jeweiligen Hersteller bestehenden Vertriebsverträge. Hierdurch lässt sich auch erklären, dass der BGH bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit pauschal annimmt, die Frage, ob ein Unternehmen ein kleines oder mittleres ist, sei für alle Vertragshändler eines bestimmten Herstellers gleich zu beantworten.682 Da die unternehmensbedingte Abhängigkeit von Kfz-Vertragshändlern ihren Grund in dem Vertriebssystem des Herstellers hat, hat kein Händler die Möglichkeit, Behinderungen durch den Hersteller bei seiner Geschäftstätigkeit auszugleichen, so dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten immer fehlen.683 Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch, dass Rechtsfolge der unternehmensbedingten Abhängigkeit nur die Gewährung einer angemessenen Kündigungsfrist ist und nicht die Pflicht zur dauerhaften Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung. Es wird wiederum deutlich, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der unternehmensbedingten Abhängigkeit und den Regelungen der Missbrauchsaufsicht über mächtige Unternehmen im Übrigen besteht. Abgesehen von dieser Fallgruppe der „relativen Marktmacht“ muss derjenige, der über eine Machtposition verfügt, dauerhaft gewisse Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit hinnehmen. Er kann sich dieser Verantwortung nicht durch die Gewährung einer Umstellungsfrist entziehen. Trotz dieser Unterschiede ist festzuhalten, dass § 20 Abs. 2 GWB auch in der Fallgruppe der unternehmensbedingten Abhängigkeit, so wie sie richtigerweise höchstrichterlich interpretiert wird, der notwendige Wettbewerbsbezug nicht fehlt. 681 Lehmann, Wettbewerbsrechtliche Verbote gegenüber relativ marktmächtigen Unternehmen, S. 61. 682 BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2879) „Herstellerleasing“, vgl. oben, Zweiter Teil, A.II., insbesondere Fn. 52. 683 BGH, Beschl. v. 19. 1. 1993, KVR 25 / 91, WuW / E BGH 2875 (2879) „Herstellerleasing“.

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

201

2. Abhängigkeit der Anbieter Im Automobilsektor ist nicht nur die oben erörterte Abhängigkeit eines Vertragshändlers von einem Hersteller typisch. Ebenso typisch ist die nachfragebedingte Abhängigkeit der industriellen Zulieferbetriebe von den Automobilherstellern. Auf Grund der besonderen Ausrichtung ihres Betriebes auf die vom Hersteller benötigten Teile, ist ihnen ein Ausweichen auf andere Abnehmer regelmäßig nicht oder zumindest erst nach Ablauf einer angemessenen Umstellungsfrist möglich. Häufig verbieten die Hersteller, den Zulieferern unter Berufung auf das zur Verfügung gestellte Know-how, die gefertigten Teile an andere zu verkaufen. Diese nachfragebedingte Abhängigkeit hat ihren Grund in den hohen Absatzanteilen oder in der besonderen Absatzfunktion der weiterverarbeitenden Automobilhersteller. Hier gilt – wie bei der unternehmensbedingten Abhängigkeit eines Nachfragers von einem Anbieter – dass die Abhängigkeit nicht allein aus der individuellen Beziehung resultiert, sondern ihre Ursache in den besonderen Marktstrukturen des Automobilsektors hat. Soweit § 20 Abs. 2 GWB in der Fallgruppe der umgekehrt unternehmensbedingten Abhängigkeit so interpretiert wird, dass die individuellen Abhängigkeiten ihre Ursache in marktbezogenen Faktoren haben, fehlt der notwendige Wettbewerbsbezug nicht.

3. Ergebnis zu IV. Die Schutzrichtung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist bei allen Fallgruppen der Abhängigkeit sowohl der Individualschutz als auch der Schutz des Wettbewerbs als Institution.

V. Gemeinsamkeiten der Abhängigkeitsarten: Fehlen von Ausweichmöglichkeiten als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressateneigenschaft? Zwischen den einzelnen Fallgruppen des § 20 Abs. 2 GWB bestehen erhebliche Unterschiede. Gemeinsam ist ihnen lediglich, dass die Abhängigkeit eines anderen Unternehmens das Kriterium zur Bestimmung der Normadressateneigenschaft ist. In allen Fällen ist von dem Normadressaten ein anderes Unternehmen in der Weise abhängig, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen nicht bestehen. Es wurde aufgezeigt, dass die individuelle Abhängigkeit eines einzelnen Unternehmens zur Begründung der Normadressatenstellung nicht ausreicht, sondern dass marktbezogene Faktoren hinzutreten müssen. Insofern ist fraglich, ob das Merkmal der Abhängigkeit als konstituierendes Kriterium zur Bestimmung der

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

„relativen Marktmacht“ geeignet ist. Die Abhängigkeit anderer Unternehmen ist keine Besonderheit, die die Sachverhalte des § 20 Abs. 2 GWB gegenüber anderen Missbrauchstatbeständen auszeichnet. Vielmehr hat jedwede Machtposition eines Unternehmens typischerweise die Abhängigkeit anderer Wirtschaftssubjekte zur Folge.684 Die Feststellung einer beherrschenden Stellung auf einem Markt durch die Marktabgrenzung und die anschließende Feststellung des Beherrschungsgrades ist im Grunde nichts anderes als die Beurteilung der Ausweichmöglichkeiten.685 Besonders deutlich wird dies bei Machtpositionen in Form der Marktbeherrschung. Ist ein Unternehmen Monopolist oder hat es zumindest einen sehr hohen Marktanteil auf einem Markt inne, so sind andere Wirtschaftssubjekte, die sich auf diesem Markt bewegen und die Produkte des Marktbeherrschers kaufen oder verkaufen möchten, von diesem abhängig. Die Beherrschung eines Marktes bedeutet demnach nichts anderes, als eine unbestimmte Vielzahl von Unternehmen auf einem Markt zu beherrschen. Hieran wird deutlich, dass die Abhängigkeit eines Unternehmens nicht ausschließliches Charakteristikum der „relativen Marktmacht“ im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB, sondern natürliche und notwendige Folge jeder Machtstellung eines Unternehmens ist. Unabhängig davon, ob es wettbewerbspolitisch sinnvoll ist, die Ausübung von Macht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung zu kontrollieren, ist die Abhängigkeit von Unternehmen der Marktgegenseite jedenfalls nicht alleiniger Indikator des Bestehens kontrollbedürftiger „relativer Marktmacht“. Ließe man die Abhängigkeit eines einzelnen Unternehmens zur Begründung der Normadressateneigenschaft ausreichen, so würde die Missbrauchsaufsicht auf eine Verhaltenskontrolle von Unternehmen im Rahmen vertikaler Beziehung reduziert. Der Schutz der abhängigen Unternehmen vor dem „relativ marktstarken“ Unternehmen würde in den Vordergrund gerückt und damit der Individualschutz entgegen der Zielsetzung des § 20 Abs. 2 GWB zu stark betont. Daher ist die Abhängigkeit einzelner Unternehmen als regelmäßige Folge bestehender Machtstellungen lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer entsprechenden Machtstellung. Ganz in diesem Sinne wird auf europäischer Ebene die Abhängigkeit von Handelspartnern als ein Faktor unter anderen behandelt, der auf das Bestehen einer Marktbeherrschung schließen lässt.686 Auch im GWB werden zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung in der Alternative der „überragenden Marktstellung“ gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB a. E. die Umstellungsflexibilität eines Unternehmens und die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite als Kriterien einbezogen.687 Dies erinnert an das Kriterium der fehlenden 684 In diesem Sinne auch Barfuß / Wollmann / Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, S. 95: Je weniger Ausweichmöglichkeiten es für ein Unternehmen gibt, d. h. je weniger Wettbewerb vorhanden ist, desto größer ist die Abhängigkeit der Marktgegenseite. 685 Zäch in Zäch, Kartellrecht auf neuer Grundlage, S. 5 (31). 686 s. o. Dritter Teil, S. 101, Fn. 385 und S. 102 ff.

C. Schutzzweck des § 20 Abs. 2 GWB

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Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass es bei § 19 GWB auf die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite insgesamt und nicht nur auf die eines Unternehmens ankommt. Die aus einer vertikalen Abhängigkeit resultierende Macht kann zu einer Marktbeherrschung führen, wenn für eine nicht unerhebliche Zahl von Unternehmen keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestehen.688 Wenn die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit eines einzelnen abhängigen Unternehmens dazu führen würde, dass das Verhalten des beherrschenden Unternehmens kontrollierbar würde, würde das Prinzip der Gleichheit über das Prinzip der Freiheit erhoben. Das ist aber mit dem System der Wettbewerbsfreiheit und der Privatautonomie nicht vereinbar. Das GWB soll den Wettbewerb und damit den Kampf um wirtschaftliche Macht fördern und dafür Gewähr leisten, dass dieser Prozess ungestört ablaufen kann. Eine Gefahr für den Prozess besteht aber nicht schon, weil sich ein Unternehmen gegenüber einem anderen in Vertragsverhandlungen auf Grund bestehender Abhängigkeiten durchsetzen kann. Erst wenn eine größere Zahl von Unternehmen abhängig ist und diese Abhängigkeit generalisierend festgestellt werden kann, spricht das für die Existenz von kontrollbedürftiger Macht. Gegen die Verwendung der individuellen Abhängigkeit als konstituierendes Kriterium spricht auch, dass die überwiegende Ansicht davon ausgeht, das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbiete seinen Normadressaten diskriminierende Verhaltensweisen gegenüber allen Handelspartnern und Konkurrenten. Es wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten, dass wie im französischen Recht nur die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber dem Abhängigen verboten ist. Würde man im Rahmen des § 20 Abs. 2 GWB tatsächlich die Abhängigkeit für das wettbewerblich Gefährliche halten, so müsste konsequenterweise angenommen werde, dass Behinderungen gegenüber Wettbewerbern nicht verboten sind. Dass aber im Gegenteil davon ausgegangen wird, das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen wirke absolut, also gegenüber jedermann, bekräftigt die These, dass Normadressat nach § 20 Abs. 2 GWB nur sein sollte, wer über eine abstrakte, generelle Machtposition verfügt. Nur diese Sichtweise steht im Einklang mit den übrigen Vorschriften der Missbrauchkontrolle besonders mächtiger Unternehmen im GWB. Auch der Umstand, dass zur Bestimmung der Abhängigkeit immer eine Marktabgrenzung vorgenommen wird, zeigt, dass es nicht nur auf die individuelle 687 BKartA, Auslegungsgrundsätze zum Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle, Oktober 2000, www.bundeskartellamt.de; Diese Kriterien wurden durch die 5. GWB-Novelle hinzugefügt, um die Nachfragemacht besser erfassen zu können. 688 BKartA, Auslegungsgrundsätze zum Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle, Oktober 2000, S. 6, www.bundeskartellamt.de.

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6. Teil: Rechtssystematische Einordnung des § 20 Abs. 2 GWB

Abhängigkeitsbeziehung ankommt, sondern auf die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite insgesamt.

D. Ergebnis des Sechsten Teils § 20 Abs. 2 GWB schützt – so wie er angewendet wird – sowohl die Wettbewerbsfreiheit der einzelnen Marktteilnehmer als auch den Wettbewerb als Institution und ist insofern im GWB richtig verortet. Dennoch bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen der sortiments- und mangelbedingten Abhängigkeit einerseits und der unternehmensbedingten Abhängigkeit andererseits. Diese lassen es fragwürdig erscheinen, beide Konstellationen in einer Vorschrift unter dem Merkmal der „Abhängigkeit“ gemeinsam zu regeln.

Siebter Teil

Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach der 7. GWB-Novelle In Reaktion auf die VO (EG) 1 / 2003 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit am 17. 12. 2003 einen Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgelegt.689 Diesem Entwurf war am 24. 2. 2003 ein Entwurf von Eckwerten vorausgegangen.690 Am 7. 7. 2005 wurde das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgefertigt.691 Die 7. GWB-Novelle sollte ursprünglich am 1. 5. 2004 zeitgleich mit der VO (EG) Nr. 1 / 2003 in Kraft treten. Nach Art. 4 des Siebten Gesetzes zur Änderung des GWB tritt sie nun erst am 1. 7. 2005 in Kraft.

A. Inhalt und Ziel der 7. GWB-Novelle Vorrangiges Ziel der 7. GWB-Novelle ist die Angleichung des nationalen Kartellrechts an die europäischen Wettbewerbsregeln.692 Im Sinne dieses Ziels wird in weiten Bereichen des deutschen Kartellrechts eine inhaltliche Anpassung an das EG-Kartellrecht vorgenommen.693 Die Anpassung hat einschneidende Veränderungen des deutschen Wettbewerbsrechts zur Folge. Besonders signifikant ist die Erweiterung des Kartellverbotes

689 Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 17. 12. 2003, BR-Drucks. 441 / 04, S. 1. 690 Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle vom 24. 2. 2003, abgedruckt etwa in WuW 2003, S. 379 ff. 691 BGBl. 2005 I, S. 1954. 692 Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 17. 12. 2003, BR-Drucks. 441 / 04, S. 1 (1). 693 Allgemein zur bevorstehenden 7. GWB-Novelle: Bahr, WuW 2004, S. 259 ff.; Bechtold, DB 2004, S. 235 ff.; Kahlenberg / Haellmigk, BB 2004, S. 389 ff.; Kretschmer, GRUR 2004, S. 127 f.; Möschel, WuW 2003, S. 571; Rittner, WuW 2003, S. 451; Pohlmann, WuW 2003, S. 1007.

206

7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

nach dem Vorbild des Art. 81 Abs. 1 EG. Die bisherige deutsche Systematik, nach der horizontale Vereinbarungen per se verboten sind und vertikale Vereinbarungen nur einer Missbrauchsaufsicht unterliegen, wird zu Gunsten des europäischen Modells abgeschafft. Wie Art. 81 Abs. 1 EG erfasst § 1 GWB-neu nicht mehr nur horizontale Vereinbarungen, sondern auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen. Entsprechend Art. 81 Abs. 3 EG beinhaltet § 2 GWB-neu eine Generalklausel für Freistellungen vom Verbot des § 1 GWB-neu. Infolge der Übernahme des europäischen Regelungsregimes werden konsequenterweise sowohl die speziellen Freistellungstatbestände für Kartelle als auch die speziellen Regelungen über Vertikalvereinbarungen weitgehend gestrichen. Die Regeln über die Missbrauchsaufsicht bei wirtschaftlichen Machtstellungen im Dritten Abschnitt des GWB, die §§ 19 ff. GWB, werden im Wesentlichen unverändert beibehalten. Wegen des durch die VO (EG) Nr. 1 / 2003 eingeführten erweiterten Vorrangs des europäischen Wettbewerbsrechts ist es zukünftig nicht mehr möglich, auf Vereinbarungen vom Gemeinschaftsrecht abweichende nationale Regelungen anzuwenden. Dennoch sieht das neue GWB nicht die ausschließliche Anwendung des europäischen Rechts auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte vor. Nach § 22 GWB-neu bleiben das deutsche und das europäische Kartellrecht nebeneinander anwendbar.694 Als Grund dafür werden die Unschärfe der Zwischenstaatlichkeitsklausel und das Gleichbehandlungsgebot angeführt.695 Unternehmen sollen unabhängig davon, ob ihr Verhalten sich auf den zwischenstaatlichen Handel auswirkt, den gleichen Wettbewerbsregeln unterliegen. Neben der Angleichung des materiellen Kartellrechts werden unter anderem auch die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Vorschriften des GWB und gegen Art. 81, 82 EG verschärft. Beispiele sind der Verzicht auf das Schutzgesetzerfordernis in § 33 Abs. 1 GWB-neu, die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung in §§ 34 f. GWB-neu und Erhöhung des Bußgeldrahmens in § 81 Abs. 4 GWB-neu. Die Änderung des GWB wird insbesondere hinsichtlich der Übernahme des europäischen Regelungsregimes für Vertikalvereinbarungen teilweise scharf kritisiert. Sie werfe das deutsche Kartellrecht um Jahre zurück und sei im Zuge der Rechtsangleichung nicht notwendig gewesen.696 Diese Kritik ist insofern berech694 § 22 GWB-neu ist eine bloße Wiederholung der Regelung in Art. 3 VO (EG) Nr. 1 / 2003. Fraglich ist, ob eine Wiederholung einer europäischen Regelung im nationalen Recht europarechtlich überhaupt zulässig ist. Jedenfalls bleibt § 22 GWB-neu wegen des Vorrangs des Europarechts ohne praktische Bedeutung. 695 Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 3; Monopolkommission, Das allgemeine Wettbewerbsrecht in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 41, S. 6; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 10, S. 42. 696 Rittner, WuW 2003, S. 451. Möschel, WuW 2003, S. 571, spricht von einem „wettbewerbspolitischen Rückschritt ins 19. Jahrhundert“. K. Schmidt, BB 2003, S. 1237 (1243), hat vor bekannt werden des Entwurfs gefordert, die „bewährte Verschiedenbehandlung vertikaler und horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen sollte nicht unbedacht dem Bestreben

A. Inhalt und Ziel der 7. GWB-Novelle

207

tigt, als die deutsche Systematik überwiegend als befriedigend angesehen wird.697 Es ist wettbewerbstheoretisch erwiesen und praktisch belegt, dass Vertikalvereinbarungen häufig positiv ins Gewicht fallen. Insofern ist nicht einsichtig, weshalb § 1 GWB-neu ein generelles Verbot vertikaler Vereinbarungen einführt.698 Dies gilt umso mehr als auch auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts die Tendenz dahin geht, Vertikalvereinbarungen nicht mehr per se als wettbewerbsschädlich anzusehen. Die Entwicklung einer positiveren Einstellung gegenüber Vertikalvereinbarungen zeigt sich beispielsweise an dem Erlass der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen im Jahre 1999,699 den Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen aus dem Jahre 2000700 und der „de minimis“-Bekanntmachung der Kommission von 2001701.702 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat sich in Kenntnis dieser Entwicklung und obwohl es die deutsche Regelung als sachgerecht erachtet, für die Übernahme des europäischen Modells entschieden.703 Die Begründung lautet, dass die Anpassung der nationalen Regeln an das europäische Recht angesichts des erweiterten Vorrangs des Gemeinschaftsrechts notwendig sei, um die Einheit des Wettbewerbsrechts zu wahren.704 Die Novellierung des GWB bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die in § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB geregelte Problematik. Im Folgenden wird untersucht, nach formaler Harmonisierung geopfert werden“. Im Gegensatz zu der anstehenden Neuerung des deutschen Kartellrechts wurde insbesondere von deutschen Juristen die Beschränkung des Art. 81 EG auf Kartelle gefordert, vgl. etwa Rittner in Schwarze, Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 43 (45). 697 Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 2; Monopolkommission, Das allgemeine Wettbewerbsrecht in der 7. GWB-Novelle, Sondergutachten 41, S. 8. 698 Rittner, WuW 2003, S. 451; vgl. auch Blaurock in Schwarze, Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 71 (74). 699 VO (EG) Nr. 2790 / 1999. 700 ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 ff. 701 In Nr. 7 lit. a) der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl.EG 2001 Nr. C 368, S. 13 ff., äußert die Kommission ihre Auffassung, dass vertikale Vereinbarungen nicht unter Art. 81 Abs. 1 EG fielen, wenn keine der beteiligten Parteien einen Marktanteil von 15% überschreitet. 702 Grams, RIW 2003, S. 327 (329). 703 Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 2. 704 Begründung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 2. Durch die Anpassung werden Abgrenzungs- und Umgehungsprobleme vermieden, Bahr, WuW 2004, S. 259 (265 f.); Monopolkommission, Das allgemeine Wettbewerbsrecht in der 7. GWB-Novelle, Sondergutachten 41, S. 9; für eine noch weitergehende Harmonisierung des nationalen Wettbewerbsrechts mit dem der EG wohl Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäische Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 15 ff, S. 43 f.

208

7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

worin diese Auswirkungen genau bestehen. Besondere Beachtung wird dabei der Frage geschenkt, inwieweit sich die Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen durch die Übernahme des EG-rechtlichen Regelungsmodells zur Behandlung vertikaler Vereinbarungen verändert hat.

B. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund individuellunternehmensbezogener Umstände Der Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umständen liegen regelmäßig vertikale Vereinbarungen zwischen dem „relativ marktstarken“ Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen zu Grunde. Daher werden Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere auf Grund individuellunternehmensbezogener Umstände abhängig sind, auf europäischer Ebene überwiegend nach Art. 81 EG beurteilt.705

I. Neue Erfassungsmöglichkeit für Diskriminierungen durch Unternehmen mit „relativer Marktmacht“ auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände Durch die Anpassung des § 1 GWB-neu an Art. 81 EG ergibt sich nun auch im deutschen Recht die Möglichkeit, die Kontrolle von Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände abhängig sind, an der Vertikalvereinbarung festzumachen, die der Abhängigkeit zu Grunde liegt. Da § 2 GWB-neu eine dynamische Verweisung auf die Gruppenfreistellungsverordnungen des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften enthält sind auch die Freistellungstatbestände mit denen des europäischen Rechts identisch. Die Kontrolle kann infolgedessen insgesamt entsprechend dem europäischen Modell erfolgen.

II. Auslegung des § 1 GWB nach der 7. GWB-Novelle Im Rahmen des Art. 81 EG ist nicht unumstritten, wie der Begriff der Vereinbarungen im Detail auszulegen ist und inwieweit Diskriminierungen durch „relativ marktstarke“ Unternehmen unter Art. 81 Abs. 1 EG subsumiert werden können.706 705

s. o. Dritter Teil, B.

B. Veränderung bei individuell-unternehmensbezogener Abhängigkeit

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Man könnte daher befürchten, dass sich im Rahmen des § 1 GWB-neu eine ähnliche Diskussion, unter Umständen aber mit einem anderen Ergebnis, entwickelt. Diese Vermutung erweist sich aber wegen des Gebotes der europafreundlichen Auslegung bei der Anwendung von §§ 1 bis 4 und 19 GWB-neu als unbegründet.707 Das Gebot der europafreundlichen Auslegung soll gewährleisten, dass die nationalen Behörden und Gerichte bei der Anwendung der Vorschriften des GWB die Entscheidungen des EuGH, des EuG und der Kommission einschließlich deren Mitteilungen und Bekanntmachungen in ihre Erwägungen einbeziehen, ohne eine formale Bindung festzuschreiben.708 Der Grundsatz der europafreundlichen Auslegung ist nicht nur im Falle der Anwendung des deutschen Rechts auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte zu beachten, sondern auch bei rein nationalen Sachverhalten. Insofern wird sich die Auslegung des § 1 GWB-neu einschließlich der Frage, wie der Vereinbarungsbegriff auszulegen ist, auch bei rein nationalen Sachverhalten stark an der Entscheidungspraxis der europäischen Institutionen orientieren.

III. Doppelkontrolle vertikaler Vereinbarungen Infolge der Erweiterung des § 1 GWB-neu werden die §§ 14 ff. GWB abgeschafft. Die Streichung der speziellen Regelungen für Vertikalvereinbarungen ist die logische Konsequenz der Anpassung des GWB an das europäische Recht. Da die wettbewerbliche Beurteilung von vertikalen Vereinbarungen in Zukunft umfassend nach §§ 1 und 2 GWB-neu erfolgen kann, sind spezielle Vorschriften für Vertikalvereinbarungen nicht mehr notwendig. Die Streichung der §§ 14 ff. GWB ist vor dem Hintergrund der Angleichung des deutschen Rechts an das europäische Kartellrecht nicht nur formal, sondern auch wertungsmäßig zu rechtfertigen. Die Kritik an der Übernahme des europäischen Regelungsregimes für vertikale Vereinbarungen wird relativiert, wenn man bedenkt, dass die deutsche Differenzierung praktisch ohnehin nur noch in wenigen Fällen von Bedeutung war.709 Das europäische Modell zur Kontrolle vertikaler Vereinbarungen und die bislang in Deutschland praktizierte Missbrauchsaufsicht über Vertikalvereinbarungen haben sich in den letzen Jahren im Ergebnis stark angenähert.710 Seit dem Erlass der VO (EG) Nr. 2790 / 1999 im Jahre 1999 sind Vertikalvereinbarungen weitgehend vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt s. o. Dritter Teil, B.II.1. Der Referentenentwurf sah in § 23 GWB-RefE eine ausdrückliche Regelung des Gebots der europafreunlichen Auslegung vor. 708 Kahlenberg / Haellmigk, DB 2004, S. 389 (391). 709 Bechtold, DB 2004, S. 235 (235). 710 s. o. Dritter Teil, B.V. 706 707

14 Taube

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7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

und damit im Ergebnis wie in Deutschland erlaubt.711 Falls eine Freistellung im Einzelfall im Widerspruch zu Art. 81 Abs. 3 EG steht, kann der Vorteil der Freistellung durch die Kommission gemäß Art. 6 VO (EG) Nr. 2790 / 1999 entzogen werden.712 Bei territorial begrenzten Auswirkungen der freigestellten Vereinbarungen steht diese Kompetenz gemäß Art. 7 VO (EG) Nr. 2790 / 1999 auch den Behörden der Mitgliedstaaten zu.713 Die antizipierte abstrakte Abwägung der Vorund Nachteile einer Freistellung im Rahmen des Erlasses von Gruppenfreistellungsverordnungen einerseits und die Möglichkeit zur nachträglichen Entziehung der Freistellung im Einzelfall andererseits bilden gemeinsam einen Kontrollmechanismus, welcher der deutschen Missbrauchsaufsicht ähnelt.714 Durch die abstrakte Abwägung der Vor- und Nachteile einer Freistellung im Voraus wird gewährleistet, dass Vertikalvereinbarungen mit diskriminierendem Inhalt grundsätzlich nicht freigestellt werden. Sollte die Freistellung einer bestimmten Vereinbarung im Einzelfall dennoch wettbewerbsschädigende Wirkungen zeitigen, kann sie nachträglich entzogen werden. Dieses System gilt zukünftig nicht nur für gemeinschaftsrelevante Sachverhalte, sondern nach §§ 1 und 2 GWB-neu auch für rein nationale Sachverhalte. Die abstrakte antizipierte Abwägung erfolgt weiter durch die Kommission bzw. den Rat. Die Gruppenfreistellungsverordnungen gelten auf Grund der dynamischen Verweisung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GWB-neu für rein innerdeutsche Fälle entsprechend. Nach § 32 d) GWB-neu kann die Kartellbehörde den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellungen entziehen, wenn die freigestellte Vereinbarung im Einzelfall Wirkungen hat, die im Widerspruch zu § 2 Abs. 1 GWB-neu oder zu Art. 81 Abs. 3 EG stehen. Die Kontrolle vertikaler Vereinbarungen erfolgte im deutschen Recht bislang nicht allein anhand der §§ 14 ff. GWB, sondern ganz maßgeblich nach § 20 GWB.715 Es überrascht daher, dass zwar die §§ 14 ff. GWB abgeschafft werden, die Anwendung des § 20 GWB auf Vertikalvereinbarungen neben §§ 1, 2 GWBneu aber ausweislich der Begründung zum Referentenentwurf nicht problematisiert wurde. Infolge der Übernahme des europäischen Systems bedarf es § 20 GWB zur 711 Zuvor war nur einzelne Arten von Vertikalvereinbarungen durch spezielle Gruppenfreistellungsverordnungen freigestellt, vgl. etwa VO (EWG) Nr. 1983 / 83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen, ABl.EG 1983, Nr. L 173, S. 1 ff. oder VO (EWG) Nr. 1984 / 83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen, ABl.EG 1983, Nr. L 173, S. 5 ff. 712 Nach Art. 29 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 gilt dies allgemein für alle Gruppenfreistellungsverordnungen. 713 Auch dies gilt nach Art. 29 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1 / 2003 für alle Gruppenfreistellungsverordnungen. 714 Harte-Bavendamm / Kreutzmann, WRP 2003, S. 682 (689). 715 Bergmann, ZWeR 2004, S. 28 (42); Schuhmacher, Zulässigkeit und Durchsetzung selektiver Vertriebssysteme, S. 132. Ähnlich Pfeffer, NJW 2002, S. 2910 (2910).

B. Veränderung bei individuell-unternehmensbezogener Abhängigkeit

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effektiven Kontrolle freigestellter wettbewerbsschädigender Vereinbarungen im Grunde nicht mehr.716 Die unveränderte Beibehaltung des § 20 GWB führt zu einer Doppelkontrolle vertikaler Vereinbarungen, an denen „relativ marktstarke“ Unternehmen beteiligt sind.

IV. Einschränkung des bisherigen Anwendungsbereichs des § 20 GWB Die doppelte Kontrolle vertikaler Vereinbarungen erfolgt nur bei rein nationalen Sachverhalten. Bei Vertikalvereinbarungen mit Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt ist die inhaltliche Kontrolle anhand des § 20 GWB auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen. Nur bei der vereinzelten missbräuchlichen Handhabung vertikaler Vereinbarungen kommt eine Anwendung des § 20 GWB neben Art. 81 EG in Betracht.717 Der Zweck des § 20 GWB ist in diesen Fällen nicht die zusätzliche Überprüfung der Zulässigkeit vertikaler Vereinbarungen, sondern beschränkt sich auf die Kontrolle einseitiger missbräuchlicher Handlungen des an der Vereinbarung beteiligten „relativ marktstarken“ Unternehmens. Nur insoweit ist § 20 GWB von der Vorrangwirkung ausgenommen. Fraglich ist, ob diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 20 GWB auf die Kontrolle einseitiger missbräuchlicher Handhabungen vertikaler Vereinbarungen auf innerstaatliche Sachverhalte übertragen werden kann. Die Einschränkung beruht nicht auf systematischen Erwägungen, sondern ist Folge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist aber keine geeignete Rechtfertigung für eine entsprechende Einschränkung bei rein nationalen Sachverhalten. Gegen eine Einschränkung spricht zudem, dass die §§ 1 und 14 ff. GWB bislang neben § 20 GWB anwendbar waren.718

V. Ergebnis zu B. Nach der geplanten Novellierung des GWB bleibt es bei einer höheren Kontrollintensität für Vertikalvereinbarungen mit rein nationalen Auswirkungen gegenüber solchen mit Gemeinschaftsrelevanz. Vertikalvereinbarungen mit nur innerdeutschen Auswirkungen werden häufig von kleinen und mittelständischen Unternehmen geschlossen, so dass deren Benachteiligung gegenüber großen Unternehmen zu befürchten ist. Dies sollte durch die Anpassung des materiellen Kartellrechts an Rehbinder in Festschrift für Ulrich Immenga, S. 303 (307 f.). s. o. Vierter Teil, E.II. 718 Markert in Immenga / Mestmäcker GWB § 20 Rn. 235 für § 1 und § 14 GWB, Rn. 137 für § 16 GWB, Rn. 238 für §§ 17, 18 GWB; Rixen in Frankfurter Kommentar § 20 Rn. 278 ff. 716 717

14*

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7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

das EG-Kartellrecht gerade vermieden werden.719 Außerdem gefährdet es die Einheit der Wettbewerbsordnung, wenn die Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung davon abhängt, ob sie sich zufällig auf dem Europäischen Markt auswirkt oder nicht.720 In der Praxis wird es allerdings nur selten zur Benachteiligung kleiner Unternehmen kommen. Nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB werden nur die Handlungen „relativ marktstarker“ Unternehmen kontrolliert. Beruht die „relative Marktmacht“ auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen, so sind dies nach der bisherigen Praxis des BGH keine kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen, sondern europa- oder weltweit tätige Automobilkonzerne, wodurch regelmäßig nicht nur das GWB, sondern auch das EG-Kartellrecht anzuwenden sind. Dennoch entsteht durch die 7. GWB-Novelle die Möglichkeit einer Doppelkontrolle von Vertikalvereinbarungen, die zur Ungleichbehandlung von Sachverhalten mit und ohne Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel führen kann und so insbesondere wegen der Unschärfen der Zwischenstaatlichkeitsklausel Rechtsunsicherheit zur Folge haben kann. Die Rechtslage nach der 7. GWB-Novelle ist insofern nicht befriedigend.

C. Veränderung der Bedeutung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen bei Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände Der Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Kriterien liegen regelmäßig keine Vertikalvereinbarungen zu Grunde, so dass die obigen Ausführungen zur Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände nicht übertragen werden können.

I. Neue Erfassungsmöglichkeiten für Diskriminierungen durch Unternehmen mit „relativer Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Umstände Die 7. GWB-Novelle bringt hinsichtlich der Abhängigkeit auf Grund generellmarktbezogener Kriterien keine einschneidenden Neuerungen mit sich. Die „relative Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Faktoren weist eine gewisse Ähnlichkeit zur Marktbeherrschung auf. Daher ist im europäischen 719 720

Bechtold, DB 2004, S. 235 (237). K. Schmidt, BB 2003, S. 1237 (1243).

C. Veränderung bei generell-marktbezogener Abhängigkeit

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Recht Art. 82 EG das geeignete Kontrollinstrument zur Erfassung von Diskriminierungen bei dieser Abhängigkeitsart. Im Bereich des Art. 82 EG erfolgt aber keine einschneidende Änderung des GWB. Da Art. 81 EG auf europäischer Ebene zur Kontrolle dieser Sachverhalte mangels Vorliegen von Vereinbarungen nicht geeignet ist, ergeben sich aus der Angleichung der §§ 1, 2 GWB-neu an die Art. 81 EG ebenfalls keine neuen Kontrollmöglichkeiten. Nur für den Fall, dass die Ware, für welche die Abhängigkeit besteht, über ein selektives Vertriebssystem vertrieben wird, und dass dieses Vertriebssystem systematisch diskriminierend gehandhabt wird, ist eine Erfassung durch § 1 GWB-neu unter Umständen möglich. Es gilt dann das zur Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände Ausgeführte: Die dem selektiven Vertriebssystem zu Grunde liegenden Vertriebsverträge können nach der Änderung des GWB Anknüpfungspunkt für die Kontrolle des Verhaltens „relativ marktstarker“ Unternehmen am Maßstab des § 1 GWB-neu sein. Fraglich ist, ob es nicht dennoch Möglichkeiten gibt, Diskriminierungen in dieser Fallgruppe anders als durch § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zu erfassen.

II. „Relative Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Umstände als Unterfall der marktbeherrschenden Stellung Die „relative Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Faktoren und die Macht eines Marktbeherrschers haben viele Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen besteht eine wirtschaftliche Macht bezogen auf einen Markt. Die Abhängigkeit der Marktgegenseite besteht jeweils in erster Linie von einem Produkt und nur mittelbar von dem Unternehmen, welches das betreffende Produkt herstellt. Fraglich ist daher, inwieweit diese Fälle über die Marktbeherrschungsregeln der §§ 19 und 20 Abs. 1 GWB gelöst werden können.

1. Spitzenstellungsabhängigkeit Bei der Spitzenstellungsabhängigkeit liegt es nahe, den Markt so eng anzugrenzen, dass er nur das Spitzenstellungsprodukt umfasst. Der Hersteller dieses Produktes wäre dann als einziger Hersteller Monopolist auf dem relevanten Markt und damit Marktbeherrscher nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB. Diese Vorgehensweise entspräche der auf europäischer Ebene vorgeschlagenen Lösung zur Erfassung der Spitzenstellungsabhängigkeit. Daher taucht auch hier das Problem auf, dass ein Produkt tatsächlich selten eine so überragende Bedeutung hat, dass eine entsprechend enge Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept möglich ist.721 Falls ausnahmsweise eine solche Stellung auf dem Markt bestehen sollte, ist

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7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

entsprechend dem Vorschlag auf europäischer Ebene eine Abgrenzung des relevanten Marktes allein auf dieses Produkt möglich. Der Hersteller des Spitzengruppenproduktes ist dann als marktbeherrschendes Unternehmen nach § 20 Abs. 1 GWB Adressat des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes. Einer Heranziehung des § 20 Abs. 2 GWB zur Begründung der Normadressateneigenschaft bedarf es nicht.

2. Spitzengruppenabhängigkeit Die Spitzengruppenabhängigkeit lässt sich nicht so einfach durch andere Vorschriften des GWB erfassen. Die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung ist schwierig, weil die zur Spitzengruppe gehörenden Produkte per definitionem gegeneinander austauschbar sind.722 Der relevante Markt ist daher nicht auf eines der Spitzengruppenprodukte begrenzbar, sondern umfasst zumindest alle Spitzengruppenprodukte und meist daneben noch weitere Produkte mit ähnlichen Eigenschaften. Obwohl vergleichbare Produkte existieren sind die Fachhändler darauf angewiesen, zumindest einige der Spitzengruppenprodukte wegen deren besonderen Rufs in ihrem Sortiment zu führen. Diese besondere Bedeutung der Spitzengruppenprodukte kann unter Umständen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB neben anderen Faktoren eine überragende Marktstellung723 und damit eine marktbeherrschende Stellung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte begründen. Eine überragende Marktstellung kann nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB a. E. durch das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite begründet werden. Bei der überragenden Marktstellung geht es genau wie bei der marktbeherrschenden Stellung um die Kontrolle von Verhaltensspielräumen. 724 Daher wird jeweils der Bereich abgegrenzt, in dem ein Unternehmen keinem erheblichen Wettbewerbsdruck durch andere Unternehmen ausgesetzt ist.725 Das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten des Fachhändlers wegen des besonderen Rufs des Spitzengruppenproduktes führt zu einem durch den Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum des Herstellers. Daher ist es möglich, die fehlenden Ausweichmöglichkeiten der Fachhändler, die konstituierendes Element der „relativen Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Umstände sind, zur Begründung einer beherrschenden Stellung in Form der überragenden Marktmacht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB heranzuziehen. s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(2)(a), insbesondere Fn. 456. s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(2)(b)(aa). 723 Die Erweiterung des Marktbeherrschungsbegriffs auf Unternehmen mit überragender Marktstellung erfolgte durch die 2. GWB-Novelle, BGBl. 1973 I, S. 917 ff. 724 Säcker, ZWeR 2004, S. 1 (13). 725 Säcker, ZWeR 2004, S. 1 (13). 721 722

C. Veränderung bei generell-marktbezogener Abhängigkeit

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Der Lösung dieser Fälle über die Marktbeherrschung steht auch nicht die diesbezügliche Zielsetzung des § 20 Abs. 2 GWB entgegen. § 20 Abs. 2 GWB „soll den Spielraum relativ marktstarker Hersteller von Markenartikeln verringern, denen es anderenfalls möglich wäre, gegenüber ihren Abnehmern rechtlich unzulässige oder bedenkliche Bindungen durch eine Drohung mit der Einstellung der Belieferung durchzusetzen“726 und damit wie §§ 19 und 20 Abs. 1 GWB die Ausnutzung unkontrollierter Verhaltensspielräume verhindern. Fraglich ist, warum es auf europäischer Ebene nicht möglich ist, den Ruf der Ware zur Begründung einer beherrschenden Stellung heranzuziehen.727 Theoretisch ist eine dahingehende Interpretation des Begriffs der beherrschenden Stellung durchaus möglich. Praktisch steht ihr aber zum einen die „Metro“-Rechtsprechung des EuGH entgegen, in der es ausdrücklich abgelehnt wurde, das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt allein auf den Ruf eines Produktes zu stützen.728 Zum anderen existiert auf europäischer Ebene keine Vorschrift, nach der das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite und die daraus resultierenden Abhängigkeiten ein Kriterium zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung in Form der „überragenden Marktstellung“ ist. Neben dieser Möglichkeit der Begründung einer Einzelmarktbeherrschung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte existiert im deutschen Recht – wie auch im EG-Kartellrecht – die Möglichkeit der Begründung einer gemeinsamen marktbeherrschenden Stellung der Hersteller der Spitzengruppenprodukte. § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB enthält eine Legaldefinition der Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen. Nach diese Legaldefinition ist Voraussetzung für eine gemeinsame Marktbeherrschung, – wie im europäischen Recht729 – dass zwischen den gemeinsam marktbeherrschenden Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb besteht, und dass sie in ihrer Gesamtheit marktbeherrschend im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GWB sind.730 Diesbezüglich gelten die Ausführungen zum europäischen Recht entsprechend:731 Erstens besteht häufig wirksamer Außenwettbewerb, weil neben den Spitzengruppenprodukten andere vergleichbare Produkte auf dem Markt 726 BGH, Urt. v. 9. 5. 2000, KZR 28 / 98, WuW / E DE-R 481 (483) „Designer-Polstermöbel“. 727 s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(2)(b)(aa). 728 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 (1903 f. Rn. 17) „Metro / Kommission“. 729 Obwohl das deutsche Recht mit § 19 Abs. 2 S. 2 GWB im Gegensatz zu Art. 82 EG eine Legaldefinition der kollektiven Marktbeherrschung enthält, entsprechen die Kriterien zur Bestimmung einer solchen im europäischen Recht denen im deutschen Recht (Grabitz / Hilf-Jung Art. 82 Rn. 64). 730 Vgl. zur oligopolistischen Marktbeherrschung die Auslegungsgrundsätze des Bundeskartellamtes zur Fusionskontrolle vom Oktober 2000, BKartA, Auslegungsgrundsätze zum Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle, Oktober 2000, www.bundeskartellamt.de. 731 s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(2)(b), Exkurs.

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7. Teil: Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach 7. GWB-Novelle

sind. Zweitens ist auch der Innenwettbewerb zwischen Herstellern von Spitzengruppenprodukten nicht zwingend ausgeschaltet.

3. Mangelbedingte Abhängigkeit Die mangelbedingte Abhängigkeit entsteht auf Grund einer wirtschaftlichen Notlage und ist daher ein absoluter Sonderfall. Praktisch relevant wurde diese Fallgruppe nur für die Abhängigkeit der freien Tankstellen von den Mineralölkonzernen während der ersten großen Ölkrise der 1970er Jahre. Auch hier kann auf die Ausführungen zum europäischen Recht verwiesen werden.732 Wenn ein Unternehmen in einer Mangelsituation allein über das knappe Gut verfügt, so ist es Marktbeherrscher im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 1. Alt. GWB.733 Wenn nicht nur ein Unternehmen über das knappe Gut verfügt, sondern einige wenige, so können die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB erfüllt sein. Denn in die Prüfung der überragenden Marktstellung sind der Zugang des betreffenden Unternehmens zu den Beschaffungsmärkten, Marktzutrittsschranken für andere Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb und die Möglichkeiten der Marktgegenseite auf andere Unternehmen auszuweichen, einzubeziehen. Alle diese Faktoren werden im Falle einer mangelbedingten Abhängigkeit für eine überragende Marktstellung sprechen. Daneben besteht unter Umständen auch eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung aller Unternehmen, die über das knappe Gut verfügen. Bei dieser Konstruktion treten allerdings die im Rahmen des europäischen Rechts dargestellten Probleme auf.734

III. Ergebnis zu C. Durch die 7. GWB-Novelle ergeben sich kaum neue Möglichkeiten zur Erfassung von Diskriminierungen durch Unternehmen, deren „relative Marktmacht“ auf generell-marktbezogenen Faktoren beruht. Nur wenn die Ware, für welche die Abhängigkeit besteht, über ein selektives Vertriebssystem vertrieben wird, kann eine Kontrolle der Vertriebsverträge am Maßstab der §§ 1, 2 GWB-neu erfolgen. Es ist wegen der Gemeinsamkeiten der Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände mit der Situation der marktbeherrschenden Stellung aber überwiegend möglich, diese Fälle unter den Begriff der marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB zu subsumieren. s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(3). Die mangelbedingte Abhängigkeit unter den Begriff der Marktbeherrschung subsumieren möchte Fischötter, WuW 1974, S. 379 (389). 734 s. o. Dritter Teil, C.I.2.b)cc)(3). 732 733

D. Ergebnis des Siebten Teils

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D. Ergebnis des Siebten Teils Insgesamt bringt die Erweiterung des § 1 GWB durch die 7. GWB-Novelle hinsichtlich der in § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB geregelten Probleme einige Neuerungen mit sich. Durch die Angleichung des § 1 GWB-neu an Art. 81 EG können Vertikalvereinbarungen mit rein nationalen Auswirkungen nun wie im EG-Kartellrecht im Rahmen der §§ 1, 2 GWB-neu auf ihre Wettbewerbsschädlichkeit hin überprüft werden. Infolgedessen können Diskriminierungen durch Unternehmen, deren „relative Marktmacht“ ihre Ursache in individuell-unternehmensbezogenen Faktoren hat und ein kleiner Teil der Diskriminierungen durch Unternehmen, deren Macht auf generell-marktbezogenen Umständen basiert, in Anknüpfung an die der Abhängigkeit zu Grunde liegende Vertikalvereinbarung nach §§ 1, 2 GWB-neu kontrolliert werden. Für den übrigen Teil der Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen andere auf Grund generell-marktbezogener Umstände abhängig sind, ergeben sich durch die 7. GWB-Novelle keine Neuerungen. Es ist aber – auch nach geltendem Recht – möglich, § 19 Abs. 2 GWB so auszulegen, dass die Abhängigkeit anderer Unternehmen auf Grund generell-marktbezogener Faktoren eine marktbeherrschende Stellung des „relativ marktstarken“ Unternehmens begründet.

Schlussbetrachtung In der Einleitung zu dieser Untersuchung sind drei Ziele formuliert worden: Erstens sollte der Regelungsinhalt des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB insbesondere hinsichtlich der Normadressaten und der Einfluss des EG-Kartellrechts auf den Regelungsinhalt festgestellt werden. Zweites Ziel war die rechtssystematische Verortung des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen im Kartellrecht oder im allgemeinen Zivilrecht. Drittens sollten die Auswirkungen der neuen Kartellverfahrensverordnung VO (EG) Nr. 1 / 2003 und der bevorstehenden 7. GWB-Novelle auf das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen bestimmt werden. Hinsichtlich des ersten Ziels hat sich folgendes ergeben: Normadressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes für „relativ marktstarke“ Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB sind Unternehmen, von denen andere in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Zu unterscheiden sind die Normadressaten zunächst danach, ob ein Nachfrager von einem Anbieter abhängig ist oder ob umgekehrt ein Anbieter von einem Nachfrager abhängig ist. Innerhalb dieser Gruppen ist jeweils zwischen der Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände und der Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände zu differenzieren. Verboten ist den Normadressaten die unbillige Behinderung anderer Unternehmen und die Ungleichbehandlung gleichartiger Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Im EG-Kartellrecht existiert keine § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB vergleichbare Regelung. Diskriminierungen durch Unternehmen, deren „relative Marktmacht“ auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen basiert, werden überwiegend am Maßstab des Art. 81 EG kontrolliert. Dies hat seinen Grund darin, dass die individuell-unternehmensbezogene Abhängigkeit aus der Geschäftsbeziehung zwischen dem abhängigen und dem „relativ marktstarken“ Unternehmen resultiert. Der Geschäftsbeziehung liegen üblicherweise Verträge zu Grunde, die Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG sind. In Anknüpfung an dieser Vereinbarungen erfolgt die wettbewerbliche Kontrolle eventuell diskriminierender Bestandteile der Geschäftsbeziehung nach Art. 81 EG. Ob ein nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbotenes Verhalten gemäß Art. 81 EG ebenfalls verboten oder erlaubt ist, hängt dann davon ab, ob es die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG oder einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt. Da die der Abhängigkeit zu Grunde liegenden Vereinbarungen zwischen dem „relativ marktstarken“ und dem abhängigen Unternehmen getroffen werden, also Vertikalvereinbarungen sind, fal-

Schlussbetrachtung

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len sie in den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999 oder VO (EG) Nr. 1400 / 2002. Nach diesen Gruppenfreistellungsverordnungen sind sie vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen, wenn keines der beteiligten Unternehmen über eine besondere Marktmacht verfügt und wenn keine so genannten Kernbeschränkungen vereinbart werden. Vertikalvereinbarungen werden demnach im EG-Kartellrecht wie im deutschen Recht nicht per se als wettbewerbsgefährdend eingestuft, sondern erst beim Hinzutreten einer gewissen Marktmacht oder wenn sie Kernbeschränkungen beinhalten. Daher führt die Anwendung des GWB und des EG-Kartellrechts trotz ihrer Verschiedenartigkeit überwiegend zu übereinstimmenden Ergebnissen hinsichtlich der wettbewerblichen Beurteilung von Vertikalvereinbarungen und somit auch von Handlungen „relativ marktstarker“ Unternehmen in der Fallgruppe der individuell-unternehmensbezogenen Abhängigkeit. Diskriminierungen durch Unternehmen, deren Macht auf generell-marktbezogenen Umständen basiert, werden im EG-Kartellrecht nur selten erfasst. Die Abhängigkeit resultiert in diesen Fällen aus marktbezogenen Faktoren, wie beispielsweise dem Ansehen eines Produktes, und besteht unabhängig von vertraglichen Beziehungen zwischen dem abhängigen und dem „relativ marktstarken“ Unternehmen. Diskriminierungen erfolgen daher zumeist nicht im Rahmen bestehender Geschäftsbeziehungen, weshalb keine Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG bestehen. Auch Art. 82 EG ist regelmäßig nicht anwendbar, da dieser wirtschaftliche Macht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung nicht erfasst. Ein großer Teil der kartellrechtlich relevanten Verhaltensweisen wirkt sich zugleich auf dem deutschen und auf dem Gemeinsamen Markt aus. In diesen Fällen sind das GWB und das Gemeinschaftskartellrecht grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Soweit die parallele Anwendung zu Konflikten führt genießt das EGKartellrecht jedoch Vorrang vor nationalen Regelungen. Im Anwendungsbereich des Art. 81 EG gilt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1 / 2003 uneingeschränkt, im Anwendungsbereich des Art. 82 EG hingegen nur eingeschränkt. Strengere nationale Vorschriften zur Ahndung einseitiger Handlungen dürfen nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1 / 2003 neben dem EG-Kartellrecht erlassen und angewendet werden. Infolgedessen ist die Anwendung des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB auf gemeinschaftsrelevante Verhaltensweisen ausgeschlossen, wenn der Kontrollmaßstab auf europäischer Ebene Art. 81 EG ist. Dies ist bei Verhaltensweisen von Unternehmen, deren „relative Marktmacht“ auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen basiert der Fall, so dass § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB in dieser Fallgruppe überwiegend vom EG-Kartellrecht verdrängt wird. Insbesondere die inhaltliche Überprüfung der Vereinbarungen am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB ist ausgeschlossen. Lediglich die missbräuchliche Handhabung der Vereinbarungen darf am Maßstab des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB kontrolliert werden. Soweit es sich um einseitige Verhaltensweisen handelt und der Kontrollmaßstab auf europäischer Ebene daher nicht Art. 81 EG, sondern Art. 82 EG ist, kann § 20

220

Schlussbetrachtung

Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB uneingeschränkt angewendet werden. Diskriminierungen durch „relativ marktstarke“ Unternehmen in Fällen der Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände können nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verboten werden. Hinsichtlich des zweiten Untersuchungsziels hat sich ergeben, dass das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen funktional dem Kartellrecht zugeordnet werden kann. Sofern die Abhängigkeit auf generell-marktbezogenen Umständen beruht, ist die Stellung des „relativ marktstarken“ Unternehmens der eines marktbeherrschenden Unternehmens sehr ähnlich. Beide verfügen auf Grund generell-marktbezogener Umstände über eine wirtschaftliche Macht, die Abhängigkeiten der Marktgegenseite zur Folge hat. Beruht die Abhängigkeit auf individuell-unternehmensbezogenen Faktoren, steht die individuelle Beziehung zwischen dem „relativ marktstarken“ und dem abhängigen Unternehmen im Vordergrund der Vorschrift. Daher wurde zunächst vermutet, dass das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot in dieser Fallgruppe nur den individuellen Schutz der abhängigen Unternehmen bezwecke und daher dogmatisch dem allgemeinen Zivilrecht zuzuordnen sei. Diese Vermutung konnte durch die Analyse der BGH-Rechtsprechung zu dieser Fallgruppe aber widerlegt werden. Der BGH lässt nicht jede individuelle Abhängigkeit zur Begründung der Normadressateneigenschaft nach § 20 Abs. 2 GWB ausreichen. Vielmehr muss der Markt eine Struktur aufweisen, die das Ent- und Bestehen der individuellen Abhängigkeiten begünstigt. Eine entsprechende Struktur hat der BGH bislang nur in den verfestigten Strukturen des Automobilmarktes gesehen. Durch diese restriktive Handhabung der Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände wird gewährleistet, dass § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB nur angewendet wird, um das Verhalten von Unternehmen zu kontrollieren, die nicht nur gegenüber einem einzelnen Unternehmen, sondern bezogen auf einen Markt über eine besondere Macht verfügen. Obwohl § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB in dieser restriktiven Auslegung rechtssystematisch dem Kartellrecht zugeordnet werden kann, hat die Untersuchung deutlich gemacht, dass zwischen der Abhängigkeit auf Grund individuellunternehmensbezogener Umstände und der Abhängigkeit auf Grund generellmarktbezogener Umstände erhebliche strukturelle Unterschiede bestehen und dass ihnen völlig verschiedene Sachverhaltskonstellationen zu Grunde liegen. Gemeinsam ist ihnen lediglich, dass Unternehmen der Marktgegenseite von dem „relativ marktstarken“ Unternehmen abhängig sind. Die Abhängigkeit von Unternehmen der Marktgegenseite ist aber kein spezifisches Charakteristikum der „relativen Marktmacht“, sondern natürliche Folge jeder wirtschaftlichen Machtstellung. Insofern ist die Abhängigkeit wenig geeignet, um das Bestehen kontrollbedürftiger Macht zu indizieren. Hinsichtlich des dritten Ziels hat sich ergeben, dass der Erlass der VO (EG) Nr. 1 / 2003 keine großen Auswirkungen auf das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot für „relativ marktstarke“ Unternehmen hat.

Schlussbetrachtung

221

Die 7. GWB-Novelle führt hingegen zu einschneidenden Veränderungen. Da das europäische Modell zur Kontrolle vertikaler Vereinbarungen in das deutsche Wettbewerbsrecht übernommen wird, ist es zukünftig möglich, vertikale Vereinbarungen „relativ marktstarker“ Unternehmen wie im EG-Kartellrecht in Anknüpfung an die Vereinbarung zu kontrollieren. Daher werden die speziellen Vorschriften über Vertikalvereinbarungen – die §§ 14 ff. GWB – abgeschafft. § 20 GWB, der bislang neben §§ 14 ff. GWB ein wichtiges Instrument zur Kontrolle vertikaler Vereinbarungen war, wird unverändert beibehalten. Hierdurch ergibt sich eine Doppelkontrolle vertikaler Vereinbarungen mit rein nationalen Auswirkungen, sofern an ihnen „relativ marktstarke“ Unternehmen beteiligt sind. Diskriminierungen „relativ marktstarker“ Unternehmen im Zusammenhang mit Vertikalvereinbarungen, also in erster Linie bei der Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände, können zukünftig sowohl am Maßstab der §§ 1, 2 GWB-neu als auch an dem des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB kontrolliert werden. Durch die Übernahme des europäischen Regelungsregimes für Vertikalvereinbarungen in das GWB wird das Verbot des § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB zumindest bei der Abhängigkeit auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände überflüssig und systemwidrig. § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GWB verbietet aber auch Diskriminierungen durch Unternehmen, von denen eine generell-marktbezogene Abhängigkeit besteht. Wegen der erheblichen strukturellen Unterschiede, die sich insbesondere an den verschiedenen Erfassungsmöglichkeiten durch das EG-Kartellrecht zeigen, kann § 20 Abs. 2 GWB hinsichtlich dieser Fallgruppe nicht mit den gleichen Argumenten als überflüssig und systemwidrig bezeichnet werden. Überflüssig ist § 20 Abs. 2 GWB in dieser Fallgruppe aber dennoch. Da die „relative Marktmacht“ auf Grund generell-marktbezogener Faktoren unter den Begriff der überragenden Marktmacht im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB subsumiert werden kann, können Handlungen von „relativ marktstarken“ Unternehmen in dieser Fallgruppe anhand der §§ 19, 20 Abs. 1 GWB kontrolliert werden. § 20 Abs. 2 GWB könnte daher gestrichen werden, ohne dass erhebliche Schutzlücken entstünden. Die „relative Marktmacht“ auf Grund individuell-unternehmensbezogener Umstände kann nach der 7. GWB-Novelle gemäß §§ 1, 2 GWBneu überwacht werden und solche auf Grund generell-marktbezogener Umstände nach §§ 19, 20 Abs. 1 GWB. Nur hinsichtlich der einseitigen nicht systematischen diskriminierenden Handhabung von Vertikalvereinbarungen durch „relativ marktstarke“ Unternehmen entstünde eine kleine Schutzlücke, da diese nicht nach Art. 81 oder 82 EG bzw. §§ 1, 2 oder 19, 20 Abs. 1 GWB-neu erfasst werden können. Diese Lücke ist aber eher theoretischer Natur. Die Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat gezeigt, dass vereinzelte einseitige Diskriminierungen, wie beispielweise Lieferverweigerungen gegenüber Unternehmen, zu denen keine vertraglichen Beziehungen bestehen, hauptsächlich in der Fallgruppe der Abhängigkeit auf Grund generell-marktbezogener Umstände auftreten. In dieser Fallgruppe können sie nach der hier vorgeschlagenen Lösung – im Ergebnis wie

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Schlussbetrachtung

bislang auch – nach § 20 Abs. 1 GWB verboten werden. Folglich ist die entstehende Lücke nicht bedeutend genug, um die Erhaltung des § 20 Abs. 2 GWB zu rechtfertigen. Da der Anwendungsbereich des § 20 GWB bei Vertikalvereinbarungen mit Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel, die den größten Teil der kartellrechtlich relevanten Verhaltensweisen darstellen, wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts ohnehin auf einseitige Handlungen beschränkt ist, würde die Streichung des § 20 Abs. 2 GWB dazu beitragen, Unklarheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 20 GWB auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte zu beseitigen. Außerdem würde die Einheitlichkeit des Wettbewerbsrechts für Unternehmen in Deutschland gefördert und Ungleichbehandlungen von rein inländischen Sachverhalten, die überproportional kleine und mittlere Unternehmen betreffen, vermieden.735 Auch systematische Erwägungen sprechen für die Abschaffung des § 20 Abs. 2 GWB. Basiert die Abhängigkeit auf individuell-unternehmensbezogenen Umständen, ist die Abhängigkeit der falsche Verbotsansatzpunkt. Die „gefährliche“ wirtschaftliche Macht des „relativ marktstarken“ Unternehmens hat ihre Ursache in den verfestigten Marktstrukturen. Die individuellen Abhängigkeiten sind nur Folge dieser Strukturen. Daher wäre es konsequent, die Ausübung dieser Macht in Anknüpfung an die der Abhängigkeit zu Grunde liegenden Vertikalvereinbarungen – wie es heute im EG-Kartellrecht bereits geschieht und zukünftig auch im GWB möglich sein wird – zu kontrollieren. Der Machtaspekt kann im Rahmen § 2 GWB-neu in Verbindung mit den Gruppenfreistellungsverordnungen ausreichend berücksichtigt werden. Beruht die Abhängigkeit auf generell-marktbezogenen Umständen, ist es wegen der Nähe der „relativen Marktmacht“ zu der Marktbeherrschung möglich, diese Art der „relativen Marktmacht“ als eine Untergruppe der Marktbeherrschung zu behandeln. Einfach realisieren lässt sich dies, indem § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB a. E. derart ausgelegt wird, dass eine überragende Marktstellung immer vorliegt, wenn der Marktgegenseite Ausweichmöglichkeiten auf Grund des besonderen Ansehens des Produktes fehlen. Eine andere Lösungsmöglichkeit wäre, de lege ferenda, § 19 Abs. 2 Satz 1 eine Nr. 3 einzufügen, nach der das Prestige eines Produktes zu einer überragenden Marktstellung von dessen Hersteller führen kann. Die Stellung der Regelung in § 19 GWB würde unterstreichen, dass sie die Kontrolle einseitiger Handlungen besonders marktmächtiger zum Gegenstand hat. Aus diesen Gründen sollte § 20 Abs. 2 GWB aufgehoben werden.

735 Bahr, WuW 2004, S. 259 (265 f.); für die Harmonisierung des nationalen Wettbewerbsrechts mit dem EG-Wettbewerbsrecht sprechen sich ebefalls aus Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rn. 15, S. 44.

Entscheidungsverzeichnis Entscheidungen des EuGH Datum

Rechtssache

Stichwort

Slg.

7. 1. 2004

C-204 / 00P, C-205 / 00P, C-211 / 00P, C-213 / 00P, C-217 / 00P und C-219 / 00P C-2 / 01P und C-3 / 01P C-338 / 00P C-481 / 01 P(R)

„Aalborg Portland / Kommission“

abrufbar unter http: / / curia.eu.int

6. 1. 2004 18. 9. 2003 11. 4. 2002

24. 10. 1995 17. 10. 1995 5. 10. 1995 27. 4. 1994 3. 7. 1991 23. 4. 1991 8. 2. 1990

„Bayer / Kommission“ „Volkswagen AG / Kommission“ „NDC Health / IMS Health und Kommission“ C-453 / 99 „Courage und Crehan“ C-395 und 396 / 96 P „Compagnie maritime belge transports u. a. / Kommission“ C-38 / 97 „Librandi“ C-68 / 94 und C-30 / 95 „Frankreich u. a. / Kommission“ (Kali&Salz) C-70 / 95 „Sodemare u. a.“ C-244 / 94 „Fédération française des sociétés d’assurance u. a.“ C-70 / 93 „Bayrische Motorenwerke“ C-140 bis 142 / 94 „DIP u. a.“ C-96 / 94 „Centro Servizi Spediporto“ C-393 / 92 „Almelo“ C-62 / 86 „AKZO / Kommission“ C-41 / 90 „Höfner und Elsner“ C-279 / 87 „Tipp-Ex“

11. 1. 1990 11. 4. 1989

C-277 / 87 66 / 86

5. 10. 1988 5. 10. 1988

238 / 87 53 / 87

20. 9. 2001 16. 3. 2000 1. 10. 1998 31. 3. 1998 17. 6. 1997 16. 11. 1995

„Sandoz P.F. / Kommission“ „Ahmed Saeed Flugreisen u. a. / Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ „Volvo / Veng“ „Cicra u. a. / Renault“

WuW / E EU-R 769 WuW / E EU-R 701 2002, I-3401 2001, I-6297 2000, I-1365 1998, I-5955 1998, I-1453 1997, I-3395 1995, I-4013 1995, I-3459 1995, I-3257 1995, I-2883 1994, I-1477 1991, I-3439 1991, I-1979 1990, I-261 (Leitsätze) EuZW 1990, S. 93 (Entscheidungsgründe) 1990, I-45 1989, 803

1988, 6211 1988, 6039

(Fortsetzung nächste Seite)

224

Entscheidungsverzeichnis

(Fortsetzung) Datum

Rechtssache

Stichwort

Slg.

5. 10. 1988

247 / 86

„Alsatel / Novasam“

1988, 5987

4. 5. 1988

30 / 87

„Bodson / Pompes Funèbres des régions libérées“

1988, 2479

11. 11. 1986

226 / 84

„British Leyland / Kommission“

1986, 3263

17. 9. 1985

25 und 26 / 84

„Ford / Kommission“

1985, 2725

20. 3. 1985

41 / 83

„Italien / Kommission“

1985, 873

9. 11. 1983

322 / 81

„Michelin / Kommission“

1983, 3461

25. 10. 1983

107 / 82

„AEG / Kommission“

1983, 3151

16. 6. 1981

126 / 80

„Salonia / Poidomani und Giglio“

1981, 1563

11. 12. 1980

31 / 80

„L’Oreal / de Nieuwe AMCK“

1980, 3775

10. 7. 1980

99 / 79

„Lancôme / Etos“

1980, 2511

10. 7. 1980

253 / 78 und 1 bis 3 / 75 „Procureur de la république / Giry 1980, 2327 und Guerlain“

12. 7. 1979

32 / 78 und 36 bis 82 / 78

„BMW / Kommission“

31. 5. 1979

22 / 78

„Hugin / Kommission“

1979, 1869

13. 2. 1979

85 / 76

„Hoffmann-La Roche / Kommission“

1979, 461

29. 6. 1978

77 / 77

„B.P. / Kommission“

1978, 1513

14. 2. 1978

27 / 76

„United Brands / Kommission“

1978, 207

25. 10. 1977

26 / 76

„Metro / Kommission“

1977, 1875

13. 11. 1975

26 / 75

„General Motors / Kommission“

1975, 1367

30. 1. 1974

127 / 73

„Brt / Sabam“

1974, 51

11. 12. 1973

41 / 73, 43 – 48 / 73, 50 / 73, 111 / 73, 113 / 73 und 114 / 73

„Générale sucrière / Kommission“ 1973, 1465

21. 2. 1073

6 / 72

„Europemballage und Continental 1973, 215 Can / Kommission“

25. 11. 1971

22 / 71

„Béguelin Import / G. L. Import Export“

13. 6. 1969

14 / 68

„Wilhelm / Bundeskartellamt“

1969, 1

29. 2. 1968

24 / 67

„Parke, Davis and Co. / Probel u. a.“

1968, 86

13. 7. 1966

56 und 58 / 64

„Consten-Grundig / Kommission“

1966, 322

5. 2. 1963

26 / 62

„Van Gent&Loos“

1963, 1

1979, 2435

1971, 949

Entscheidungsverzeichnis

225

Entscheidungen des EuG Datum

Rechtssache

Stichwort

3. 12. 2003

T-208 / 01

„Volkswagen AG / Kommission“

Slg. WuW / E EU-R 761

21. 10. 2003

T-368 / 00

„General Motors Nederland BV / Kommission“

http://curia.eu.int

6. 6. 2002

T-342 / 99

„Airtours / Kommission“

2002, II-2585

26. 10. 2000

T-41 / 96

„Bayer / Kommission“

2000, II-3383

6. 7. 2000

T-62 / 98

„Volkswagen / Kommission“

2000, II-2707

7. 10. 1999

T-228 / 97

„Irish Sugar / Kommission“

1999, II-2969

25. 3. 1999

T-102 / 96

„Gencor / Kommission“

1999, II-753

12. 12. 1996

T-19 / 92

„Leclerc / Kommission“

1996, II-1851

8. 10. 1996

T-24 bis 26 / 93 und T-28 / 93

„Compagnie maritime belge transports u. a. / Kommission“

1996, II-1201

6. 10. 1994

T-83 / 91

„Tetra Pak / Kommission“

1994, II-755

18. 9. 1992

T-24 / 90

„Automec / Kommission“

1992, II-2223

10. 3. 1992

T-68 / 89, T-77 / 89 und T-78 / 89

„SIV u. a. / Kommission“ (Flachglas II)

1992, II-1403

27. 2. 1992

T-19 / 91

„Vichy / Kommission“

1992, II-415

10. 7. 1991

T-76 / 89

„ITP / Kommission“

1991, II-575

10. 7. 1991

T-70 / 89

„BBC / Kommission“

1991, II-535

10. 7. 1991

T-69 / 89

„RTE / Kommission“

1991, II-485

10. 7. 1990

T-51 / 89

„Tetra Pak / Kommission“

1990, II-309

Entscheidungen der EG-Kommission Datum

Stichwort

ABl.EG

21. 5. 2003

„Deutsche Telekom“

2003, Nr. L 263, S. 9

29. 6. 2001

„Volkswagen II“

2001, Nr. L 262, S. 14

22. 9. 1999

„Airtours / First Choice“

2000, Nr. L 93, S. 1

4. 5. 1999

„Bertelsmann / Wissenschaftsverlag Springer“ 1999, Nr. C 122, S. 19 Volltext abrufbar über die CELEX-Datenbank unter Dok.Nr. 399M1377

28. 1. 1998

„Volkswagen“

1998, Nr. L 124, S. 60

14. 5. 1997

„Irish Sugar“

1997, Nr. L 258, S. 1

1. 10. 1996

„Adalat“

1996, Nr. L 201, S. 45

24. 4. 1996

„Gencor / Lonrho“

1997, Nr. L 11, S. 30

14. 12. 1993

„Kali&Salz / MdK / Treuhand“

1994, Nr. L 186, S 38 (Fortsetzung nächste Seite)

15 Taube

226

Entscheidungsverzeichnis

(Fortstzung) Datum

Stichwort

ABl.EG

22. 7. 1992 23. 12. 1992 16. 12. 1991 21. 12. 1988 7. 12. 1988 18. 12. 1987 18. 12. 1987 29. 7. 1987 13. 7. 1987 10. 7. 1987 14. 12. 1985 18. 8. 1982 12. 6. 1982 6. 1. 1982 8. 12. 1977 19. 4. 1977

„Nestlé / Perrier“ „CEWAL“ „Yves-St.-Laurent-Parfums“ „Decca Navigator“ „Flachglas“ „Konica“ „Fisher Price / Quaker Oats Ltd“ „BBI / Boosey & Hawkes“ „Sandoz“ „Tipp-Ex“ „ECS / AKZO“ „Vertriebssystem der Ford Werke AG“ „Hasselblad“ „AEG-Telefunken“ „Hugin / Liptons“ „A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölkonzerne“ „SABA“ „BMW“

1992, Nr. L 356, S. 1 1993, Nr. L 34 S. 20 1992 Nr. L 12, S. 24 1989, Nr. L 43, S. 27 1989, Nr. L 33, S. 44 1988, Nr. L 78, S. 34 1988, Nr. L 49, S. 19 1987, Nr. L 286, S. 40 1987, Nr. L 222, S. 28 1987, Nr. L 222, S. 1 1985, Nr. L 374, S. 1 1982, Nr. L 256, S. 20 1982, Nr. L 161, S. 19 1982, Nr. L 117, S. 15 1978, Nr. L 22, S. 23 1977, Nr. L 117, S. 1

15. 12. 1975 13. 12. 1974

1975, Nr. L 28, S. 19 1975, Nr. L 25, S. 1

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Datum

Aktenzeichen

Stichwort

Fundstelle

9. 10. 2000 8. 4. 1987

1BvR 1627 / 95 2BvR 687 / 85

„Importarzneimittel-Boykott“ –

WuW / E DE-R 557 BVerfGE 75, 223

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

4. 11. 2003 24. 6. 2003 24. 9. 2002 9. 5. 2000 27. 4. 1999 9. 3. 1999 12. 5. 1998 12. 5. 1998 17. 3. 1998

KZR 2 / 02 KZR 32 / 01 KVR 8 / 01 KZR 28 / 98 KZR 35 / 97 KVR 20 / 97 KZR 25 / 96 KZR 24 / 96 KZR 30 / 96

„Depotkosmetik im Internet“ „Schülertransporte“ „Konditionenanpassung“ „Designer-Polstermöbel“ „Feuerwehrgeräte“ „Lottospielgemeinschaft“ „Graumarktparfümerie“ – „Bahnhofsbuchhandel“

DE-R 1203 DE-R 1144 DE-R 984 DE-R 481 DE-R 357 DE-R 289 WRP 1999, S. 203 Nicht veröffentlicht DE-R 134

Entscheidungsverzeichnis

227

14. 1. 1997

KZR 30 / 95

21. 2. 1995

KVR 10 / 94

„Zuckerrübenanlieferungsrecht II“ BGH 3104 „Importarzneimittel“

BGH 2990

21. 2. 1995

KZR 33 / 93

„Kfz-Vertragshändler“

BGH 2983

22. 3. 1994

KZR 3 / 93

„Orthopädisches Schuhwerk“

BGH 2919

18. 5. 1993

KVZ 10 / 92

„Pauschalreise-Vermittlung II“

BGH 2869

19. 1. 1993

KVR 25 / 91

„Herstellerleasing“

BGH 2875

19. 1. 1993

KZR 20 / 91

„Fremdleasingboykott“

BGH 2858

19. 1. 1993

KZR 1 / 92

„Flaschenkästen“

BGH 2855

6. 10. 1992

KZR 10 / 91

„Stromeinspeisung“

BGH 2805

12. 3. 1991

KZR 26 / 89

„Krankentransportunternehmen“

BGH 2707

13. 11. 1990

KZR 15 / 89

„Zuckerrübenanlieferungsrecht“

BGH 2683

8. 5. 1990

KZR 21 / 89

„Physikalisch-Therapeutische Behandlung“

BGH 2665

21. 2. 1989

KZR 3 / 88

„Frankiermaschinen“

BGH 2589

25. 10. 1988

KVR 1 / 87

„Lüsterbehangsteine“

BGH 2535

23. 2. 1988

KVR 2 / 87

„Reparaturbetrieb“

BGH 2479

23. 2. 1988

KZR 20 / 86

„Opel-Blitz“

BGH 2491

10. 11. 1987

KZR 15 / 86

„Cartier-Uhren“

BGH 2451

24. 3. 1987

KZR 39 / 85

„Saba-Primus“

BGH 2419

10. 2. 1987

KZR 6 / 86

„Freundschaftswerbung“

BGH 2360

16. 12. 1986

KZR 25 / 85

„Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II“

BGH 2351

16. 12. 1986

KZR 36 / 85

„Taxizentrale Essen“

BGH 2341

22. 1. 1985

KZR 35 / 83

„Technics“

BGH 2125

22. 9. 1981

KVR 8 / 80

„Original-VW-Ersatzteile II“

BGH 1829

30. 6. 1981

KZR 19 / 80

„adidas“

BGH 1885

30. 6. 1981

KZR 11 / 80

„Allkauf-Saba“

BGH 1815

26. 5. 1981

KRB 1 / 81

„Ölbrenner II“

BGH 1891

24. 3. 1981

KZR 2 / 80

„SB-Verbrauchermarkt“

BGH 1793

23. 10. 1979

KZR 21 / 78

„BMW-Importe“

BGH 1643

23. 10. 1979

KZR 19 / 78

„Plaza SB-Warenhaus“

BGH 1635

24. 9. 1979

KZR 20 / 78

„Modellbauartikel II“

BGH 1629

26. 6. 1979

KZR 7 / 78

„Revell Plastics“

BGH 1620

17. 1. 1979

KZR 1 / 78

„Normende“

BGH 1567

1. 6. 1977

KZR 3 / 76

„Medizinischer Badebetrieb“

GRUR 1977, S. 744

1. 7. 1976

KZR 34 / 75

„BMW-Direkthändler“

BGH 1455

12. 5. 1976

KZR 14 / 75

„Sehhilfen“

BGH 1423

24. 2. 1976

KVR 3 / 75

„Asbach-Fachgroßhändlervertrag“ BGH 1429

20. 11. 1975

KZR 1 / 75

„Rossignol“

BGH 1391

19. 9. 1974

KZR 14 / 73

„Schreibvollautomat“

BGH 1325 (Fortsetzung nächste Seite)

15*

228

Entscheidungsverzeichnis

(Fortsetzung) Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

26. 10. 1972 9. 11. 1967 20. 11. 1964 27. 9. 1962 26. 10. 1961 25. 2. 1959

KZR 54 / 71 KZR 7 / 66 KZR 3 / 64 KZR 6 / 61 KZR 1 / 61 KZR 2 / 58

„Registrierkassen“ „Jägermeister“ „Rinderbesamung“ „Treuhandbüro“ „Gummistrümpfe“ „Großhändlervertrag II“

BGH 1238 BGH 886 BGH 647 BGH 502 BGH 442 BGH 288

Entscheidungen des Kammergerichts Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

15. 3. 1991 11. 4. 1990 25. 10. 1989 24. 4. 1985 7. 2. 1975

Kart. 15 / 90 Kart. U 213 / 90 Kart. U 1824 / 89 Kart. 34 / 81 Kart. 36 / 74

OLG 4753 OLG 4566 OLG 4524 OLG 3577 OLG 1581

4. 7. 1974

Kart. 27 / 74

„VW-Leasing“ „Messevertragsspediteure“ „Rock- und Popkonzerte“ „Hussel-Mara“ „Provision für den Bedienungsfachgroßhandel“ „AGIP II“

OLG 1499

Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

24. 2. 1999

13 U (Kart) 162 / 98

„Unfall-Ersatzwagen“

DE-R 327

Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

27. 7. 1995

U (Kart) 6 / 88

OLG 5525

20. 12. 1988 14. 6. 1980

U (Kart.) 6 / 88 U (Kart) 18 / 79

„Herstellergarantie für CartierUhren“ „Metro-Cartier“ –

OLG 4407 OLG 2325

Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt / M Datum

Aktenzeichen

Stichwort

WuW / E

2. 10. 2001 9. 9. 1997

11 U (Kart) 70 / 00 11 U (Kart) 58 / 96

„Brüsseler Buchhandlung“ „Guerlain“

DE-R 801 DE-R 73

Entscheidungsverzeichnis

229

Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Datum 18. 4. 2003

Aktenzeichen 3 U 141 / 00

Stichwort „Gestaffelter Summenrabatt“

Fundstelle GRUR-RR 2003, S. 23

Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe Datum 23. 5. 1990 12. 3. 1980 8. 11. 1978

Aktenzeichen 6 U 80 / 89 6 U 223 / 77 6 U 192 / 77

Stichwort „Trainingszentrale für Rennpferde“ „Allkauf-Saba“ „Multiplex“

WuW / E OLG 4710 OLG 2217 OLG 2085

Entscheidungen des Oberlandesgerichts München Datum 6. 12. 2001 23. 5. 1996 23. 5. 1996

Aktenzeichen U (K) 3338 / 01 U (K) 1951 / 95 U (K) 1850 / 95

Stichwort „Internetvertrieb“ „Versandparfümerie“ „Graumarktparfümerie“

WuW / E MMR 2002, S. 162 OLG 5659 OLG 5760

Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart Datum 30. 4. 1981 13. 10. 1978

Aktenzeichen 2 U 205 / 80 2 U (Kart) 77 / 78

Stichwort „Modelleisenbahnen“ –

WuW / E OLG 2700 OLG 2018

Entscheidung des Landgerichts Mannheim Datum 11. 7. 2003

Aktenzeichen 7 O 326 / 02

Stichwort „Vitaminkartell“

Fundstelle GRUR 2004, S. 182

Entscheidungen des Bundeskartellamtes Datum 26. 2. 1999 14. 8. 1992 25. 7. 1990 21. 3. 1979 5. 5. 1975 23. 7. 1974

Aktenzeichen B9 – 51100-TV-133 / 98 B3 – 711047-V-102 / 91 B5 – 766000-V-155 / 87 B7 – 333000-RTV-84 / 76 B7 – 366100-TV-129 / 74 B7 – 687530-V-60 / 73

2. 5. 1974

B8 – 221430-V-17 / 74

Stichwort „Metro MGE Einkaufs GmbH“ „Importarzneimittel-Boykott“ „VW-Leasing“ „Identteile“ „SABA II“ „Provision für den Bedienungsfachhandel“ „AGIP“

WuW / E DE-V 94 BKartA 2543 BKartA 2459 BKartA 1781 BKartA 1591 BKartA 1505 BKartA 1494

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Stichwortverzeichnis Aalborg Portland 153 f. A.B.G. 84, 125, 142 Abhängigkeit – auf Grund besonderer Spezialisierung 47, 190 – auf Grund besonders hoher Absatzanteile 45, 188 – der Anbieter 44 ff., 192, 201 – der Nachfrager 186 ff. – Fallgruppen der ~ 37 ff. – generell-marktbezogene ~ 47, 85, 188 ff., 192, 212 ff. – good-will-bedingte ~ 47, 188, 190, 192 – individuell-unternehmensbezogene ~ 44, 47, 85, 130, 188 ff., 192 ff., 208 ff., 218 ff. – mangelbedingte ~ 38, 43, 84, 93, 112, 131, 141 ff., 186, 188 ff., 191 f., 194 f., 216 – nachfragebedingte ~ 32, 35, 38 ff., 44 ff., 85 f., 93 f., 142 f., 188 f., 192, 201 – selbstverschuldete ~ 195 ff. – sortimentsbedingte ~ 38, 40 ff., 83 f., 87, 92 f., 94, 133 ff., 148 f., 155, 160, 186 ff., 191 ff. – Spitzengruppenabhängigkeit 38, 41 f., 127, 135 ff., 148, 190, 214 ff. – Spitzenstellungsabhängigkeit 41, 126, 133 ff., 141, 143, 148, 213 f. – umgekehrt mangelbedingte ~ 45, 85, 189 – umgekehrt sortimentsbedingte ~ 39, 45 f., 85 ff., 107, 143, 189 – umgekehrt unternehmensbedingte ~ 39, 45 f., 85 f., 93 f., 108, 142, 189, 201 – unternehmensbedingte ~ 35, 38 ff., 57, 81 f., 87 ff., 107 f., 112, 126 f., 129 ff., 172, 186 ff., 192 ff. – wirtschaftliche ~ 60, 62, 111, 114 ff., 123 f., 126, 167 ff., 175 f. Absatzanteile 45, 85, 188, 190, 192, 201 Absatzstruktur 40, 130

Abschlussverweigerung 54 Adalat 65 f. adidas 40, 48, 51, 83 AEG 65, 67 f., 70 f., 76, 79 f., 92 Ahmed Saeed Flugreisen 146 Airtours 138 ff. AKZO 120, 122, 144 Allkauf 38, 40, 42, 57, 83 Almelo 139 Alsatel 120 Alternativverhältnis 52 Arzneimittelimporteur 44, 86 Asbach 38, 40 ff., 83, 135 Ausbeutungsmissbrauch 144 Ausschließlichkeitsbindung 55, 105 Ausschuss für Wirtschaftspolitik 30 Ausweichmöglichkeit 31, 33, 36 f., 191, 200 f., 214 Automec 99, 102 f. Automobilhersteller 40, 67, 82, 88, 90, 93 f., 106 f., 130 ff., 172, 201 Automobilvertragshändler 23, 35, 82, 129, 195 Bahnhofsbuchhandel 50 Bayer 61, 65, 67 ff., 71 ff., 79 f. Bayrische Motorenwerke 64 f., 67 BBC 124 BBI 124 f. Bedarfsmarktkonzept 118, 133, 213 Béguelin Import 96 beherrschende Stellung 120 ff. Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis 48, 183, 192, 200 Behinderungsmissbrauch 144 belieferungsunwürdige Verkaufsstätten 38, 40, 42, 54, 83 Bertelsmann 118 Beschaffungsmarkt 46, 171, 216 Bezugssperre 55

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Stichwortverzeichnis

BMW 38 ff., 65, 68, 82, 91, 100, 157, 161, 193 ff. Bodson 120, 137 B.P. 84, 126, 142 British Leyland 111, 124 Brt 100, 146 Cartier 98 f. Centro Servizi Spediporto 139 CEWAL 139 Compagnie maritime belge transports 137, 139 Consten-Grundig 64 Continental Can 60 Courage und Crehan 96, 100, 102 Decca Navigator 124 Depotkosmetik 40, 53, 57, 83, 97 f., 160 Designer-Polstermöbel 36, 38, 40 ff., 83, 215 Deutsche Telekom 144 DIP 139 Distributionsrate 41, 186 Doppelkontrolle 209 ff., 221 einseitige Handlungen 25, 61 ff., 104 f., 109, 131, 145, 152, 157, 161 ff., 211, 219 ff. Einzelfreistellung 77, 157 f., 195 Europemballage 60 Fallgruppen – der Abhängigkeit 37 ff.,47, 169, 189, 201 – der verbotenen Handlungen 54 Fédération française des sociétés d’assurance 63 Feuerwehrgeräte 51, 53, 116 Fisher Price 73 Flachglas 139 Flaschenkästen 38 f., 195 f. Ford 65 ff., 79 Frankiermaschine 116 Frankreich 60, 167 ff., 181 Freistellung 76 ff., 80, 87 ff., 157 ff., 210 Fremdleasingboykott 39, 82, 90, 193 f. Freundschaftswerbung 57 Gencor, 137, 139 General Motors, 67 f., 74, 111, 124 Générale sucrière, 100

generalisierend 36 f., 185, 187 f., 193 f., 198 f., 203 Graumarktparfümerie, 97, 99 Griechenland 176 f. Größenvergleich 34 – horizontaler ~ 34 f. – vertikaler ~ 35, 187 Großhändlervertrag 57, 68, 83, 135 Gruppenfreistellung – Gruppenfreistellungsverordnung für den KfZ-Sektor VO (EG) Nr. 1400 / 2002 78, 80, 82, 88 ff., 93 f., 106, 132 f. – Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen VO (EG) Nr. 2790 / 1999 77 f., 87 f., 92 ff., 105 f., 116, 157 ff., 209 f., 219 Gummistrümpfe 34, 57, 182 GWB-Novelle – 7. ~ 25 f., 147, 205 ff., 221 – Referentenentwurf zur 7. ~ 25, 205, 209 f. Handelspartner 62, 111 ff., 121, 123 ff., 140 f., 172, 188, 202 f. Hasselbad 73 Herstellerleasing 34 f., 38 f., 82, 90, 193 f., 200 Hoffmann-La Roche 61, 120, 144 Höfner und Elsner 63 Horizontalvergleich 34 Hugin 111 f., 116, 124 Importarzneimittel 36, 44, 46, 53, 86, 184 Individualschutz 35, 144, 176, 180, 182 ff., 193, 199, 202 Interessenabwägung 50, 53 ff., 194 Irish Sugar 119, 137, 139 Italien 60, 174 ff. ITP 124 Jägermeister 32, 57 Kali&Salz 113, 119, 139, 223 Kampfpreisunterbietung 146 Kartellverfahrensverordnung – VO (EG) Nr. 1 / 2003 25 f., 58, 76 f., 95, 145, 152, 154, 156,161 ff. – VO (EWG) Nr. 17 / 62 58, 150 f., 153 f., 155 f., 157 ff.

Stichwortverzeichnis Kaufzwang 46 Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung, siehe Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor Kfz-Vertragshändler 37, 39 f., 82, 88 f., 94, 107, 130, 172, 193 f., 198, 202 Kfz-Vertriebssystem 133 Konditionenanpassung 34 f., 38, 45 Konditionendifferenzierung 30, 55 Konica 65 f. Kontrahierungszwang 57, 97 ff., 160, 177 Krankentransportunternehmen 50 f. Lancôme 76, 155 Leclerc 76 Librandi 139 Lieferverweigerung 31, 43, 52, 55, 83 f., 92, 94 f., 124 f., 168 ff., 221 Lieferzwang 46 L’Oreal 75 f. Lottospielgemeinschaft 34 Lüsterbehangsteine 50 f. Markenartikel 31, 40, 43, 215 Markenartikelhersteller 31, 153, 155, 157 Marktabgrenzung 36, 112 ff., 117 ff., 128, 131, 134 f., 173, 202 f., 213 Marktanteil 41 f., 89, 94, 122 f., 125, 131, 139, 172, 202, 207 Marktanteilsschwelle 95, 106 Marktbedeutung 41 f., 133 f. Marktbeherrschung – Einzelmarktbeherrschung 135 f., 148, 215 – kollektive ~ 136 ff., 148 – kollektive ~ im Oligopol 138 ff. Marktstrukturmissbrauch 144 Marktzugang 54, 174 f. medizinischer Badebetrieb 51 Mehrmarkenvertrieb 132 Metro 35, 44 f., 53, 71, 76, 99, 125, 136, 215 Michelin 120, 122 f., 136 Missbrauch 98, 108 ff., 143 ff. missbräuchliche Handlung 115, 170, 200, 211 Missbrauchsaufsicht 160, 163, 171 f., 174, 197 f., 200, 202, 206, 209 f. Missbrauchskontrolle 105, 203

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Missbrauchsverbot 108 ff., 138, 174 ff. Mittelstandsschutz 35, 182 f. Modellbauartikel 50 Monopol 112, 128, 139 Monopolist 29, 124, 128, 133, 135, 142, 144, 202, 213 Monopolkommission 206 f. Monopolstellung 140 Nachfragerwettbewerb 44 Nestlé 139 Nichtzulassung 79, 92, 101, 103 f., 154 normative Bewertung 52 ff., 184 Normende 38, 40, 42, 83 Ölbrenner 116 Oligopol 127, 137 ff. Opel 36 ff., 82, 90, 193 f., 196 orthopädisches Schuhwerk 44, 86 Österreich 60, 171 ff. Parke, Davis and Co. 108 Parallelverhalten 138 ff. partenaire obligatoire 111 ff., 128 Pauschalreise-Vermittlung 151 Physikalisch-Therapeutische Behandlung 44, 86 Plaza SB-Warenhaus 38, 40, 42, 83 f. Preisdiskriminierung 30 Procureur de la république 58, 151, 155 Rechtsfolge 153 f., 162, 170, 177, 179, 200, 206 – eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 GWB 56 ff. – eines Verstoßes gegen Art. 81 EG 92, 95 ff. – eines Verstoßes gegen Art. 82 EG 145 ff. rechtssystematische Einordnung 178 ff. Registrierkasse 116 relative Marktmacht 24, 26, 117 ff., 127, 133, 200, 202, 208 ff., 218 ff. Renault 124 Reparaturbetrieb 53 Repartierungspflicht 43 Revell Plastics 40, 42, 83, 184 Rinderbesamung 51

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Stichwortverzeichnis

Rossignol 32, 37 f., 40 f., 47 f., 57, 83, 135, 182, 185, 197 RTE 124 Saba 38, 40, 42, 50, 57, 76, 83 Salonia 76 Sandoz 65 f. SB-Verbrauchermarkt 38, 40 ff., 83, 135 Schreibvollautomat 24, 34 Schülertransporte 53, 195, 199 Schutzrichtung 100, 185, 190, 192 ff. Schutzzweck 97, 99, 103, 146, 175,178, 181 ff., 185 ff. Sehhilfen 38, 44 SIV 139 Spezialitätsverhältnis 52 Spitzengruppenprodukt 135 ff., 141, 148, 153, 214 ff. Stromeinspeisung 51 Taxizentrale 182 Technics 38, 40, 42, 83 Tetra Pak 122, 144, 163 Tipp-Ex 65 f. Treuhandbüro 53 United Brands 119 ff., 136 Unternehmen – Begriff des kleinen und mittleren Unternehmens 34 ff., 49, 109, 187 f. – Unternehmensbegriff im deutschen Recht 33 f., 48 – Unternehmensbegriff im europäischen Recht 63, 110 van Gent&Loos 99 Vereinbarung im Sinne des Art. 81 EG 61, 64 ff. Verkauf unter Einstandspreis 55, 171 Verknappung 41, 45, 84, 141 f., 188 Vertragshändlersystem 55, 82 Vertragshändlervertrag 40, 73, 90, 193 ff.

Vertriebspolitik 67 f., 74 f., 79 Vertriebssystem – qualitatives ~ 54, 76, 78, 89 – quantitatives ~ 54 f., 82, 89, 130 ff. – selektives ~ 54 f., 65, 67 ff. 75 ff., 82 ff., 89, 92, 94 f., 97, 100 ff., 128 ff., 153 ff., 169, 172 ff., 213 Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung, siehe Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen Vertikalvereinbarung 77, 87 ff., 92 ff., 104 ff., 116, 206 ff., 214 ff. Vichy 76 Volkswagen AG 28, 65 ff., 74 f. Volvo 124 Walt Wilhelm 57, 151, 153 Wettbewerb als Institution 29, 181, 195, 201 wettbewerbliche Betätigungsfreiheit 54 Wettbewerbsfreiheit 24, 56, 100, 178 ff., 192, 203 Wettbewerbsnachteile 39, 129, 175, 186, 193 wettbewerbsschädigende Verhaltenskoordination 62 ff. Wettbewerbsschutz 181, 183 wirtschaftliche Macht 29, 109, 112, 120, 128 ff.,142, 164, 188 f., 191, 203, 213, 215 f., 222 Yves-St.-Laurent-Parfums 76 Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs 146 Zivilrecht 24, 56 ff., 95 ff., 145 ff., 170, 176, 178 ff., 218, 220 Zuckerrübenanlieferungsrecht 44 f., 50 f., 57 Zugang 216 Zulassungskriterien 92, 100, 102, 132, 164 Zulassungsverweigerung 67, 79, 92, 131 Zweischrankentheorie 151 zweistufige Struktur 52