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German Pages [356] Year 1989
DAS BUCH DER PSALMEN UND DIE DEUTSCHSPRACHIGE LYRIK DES 20. JAHRHUNDERTS - ZU DEN PSALMEN IM WERK BERTOLT BRECHTS UND PAUL CELANS -
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Universität Köln
vorgelegt von Arnold Stadler aus Meßkirch 1986
Erstgutachter: Prof. Dr. Volker Neuhaus Zweitgutachter: Prof. Dr. Johannes Rathofer
Tag der mündlichen Prüfung: 8. November 1986
KÖLNER GERMANISTISCHE STUDIEN BEGRÜNDET VON PAUL BÖCKMANN HERAUSGEGEBEN VON WALTER HINCK, HANS DIETRICH IRMSCHER, WERNER KELLER, HANSJÜRGEN LINKE, JOHANNES RATHOFER UND ROLF CHRISTIAN ZIMMERMANN
Band 26
DAS BUCH DER PSALMEN UND DIE DEUTSCHSPRACHIGE LYRIK DES 20. JAHRHUNDERTS Zu den Psalmen im Werk Bertolt Brechts und Paul Celans von
ARNOLD STADLER
® 1989
BÖHLAU VERLAG KÖLN WIEN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Stadler, Arnold: Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik: zu den Psalmen im Werk Bertolt Brechts und Paul Celans / von Arnold Stadler. - Köln; Wien: Böhlau, 1989 (Kölner germanistische Studien; Bd. 26) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1986 ISBN 3-412-12688-8 NE: GT
Copyright © 1989 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalten Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte der Vervielfältigung auch von Teilen des Werkes - auf photomechanischem oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vormgs, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, der Ubersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung. Gesamtherstellung: Hieronymus Mühlberger GmbH, Augsburg Printed in Germany ISBN 3-412-12688-8
Besonders danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Volker Neuhaus, der mir diese Arbeit ermöglichte und sie durch zahlreiche Anregungen förderte. Außerordentlichen Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Johannes Rathofer, dessen kritische Lektüre und kenntnisreiche Hilfe
dem Manu-
skript zugute kam. Dank gilt auch Prof. Dr. Hans Bender, Hans Georg Schwark, Gotthard de Beauclair, Jörg Brode, Prof. Dr. Heinrich Petzet und Sonja Ktlbler, die mir alle auf ihre Weise sehr geholfen haben, die einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten und fortzusetzen.
Herrn Senator Ludwig Helmken zum Dank
INHALTSVERZEICHNIS
I.
EINLEITUNG
1
1. Berechtigung der» Fragestellung und Begründung der Auswahl
1
2. Das Buch der Psalmen innerhalb der Bücher des Alten Testaments
3
3. Das Buch der Psalmen in der christlichabendländischen Uberlieferung
6
4. Die Psalmen in der Lyrik des 20. Jahrhunderts II.
10
"ICH MUß NOCH EINMAL PSALMEN SCHREIBEN." DIE PSALMEN IM WERK BERTOLT BRECHTS 1. Einleitung
18
2. Die in den "Gesammelten Werken" enthaltenen Psalmen Brechts
22
a)
"Vision in Weiß"
22
b)
"Von He"
33 39
c)
"Lied von meiner Mutter"
d)
"Gesang von der Frau"
e)
"Gesang von einer Geliebten"
50 55
f)
"Psalm im Frühjahr"
g)
"Vom Schiffschaukeln"
59
h)
"Fracht"
60
i)
"10. Psalm"
61
j)
"Gottes Abendlied"
62
3. Die Psalmen des "Supplementbandes 2" der "Gesammelten Werke"
66
a)
"Hybris"
66
b)
"Gesang aus dem Aquarium"
70
c)
"6. Psalm"
75
d)
"12. Psalm"
76
e)
"Gesang von den Katakomben"
78
f)
"Gesang vom Sommer"
79
g)
"Gesang von mir"
82
VII
h)
"Eisenbahnfahrt"
84
i)
"...zum Zerreißen verlockten"
86
4. Die Psalmen der "Vierten Lektion" der "Hauspostille". Die Psalmen der "Hauspostille" ( letzte Passung) als Belege des historischen Interesses Brechts an seinen "Psalmen"
88
a)
"Erster Psalm"
89
b)
"Zweiter Psalm"
96
c)
"Dritter Psalm"
98
5. Verstreute Psalmen a)
"Von einem Maler"
99 99
b)
"Psalm"
100
c)
"Psalm für einen höflichen Mann"
101
d)
"Psalm"
102
III. "ASCHREJ, EIN WORT OHNE SINN" DIE PSALMEN IM WERK PAUL CELANS 1. "Sprich auch du" - Die Berufung Einleitung
103
2. "...stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt." Die Voraussetzung
111
a)
"Todesfuge"
111
b)
"Schwarze Krone"
121
3. "Chöre, damals, die Psalmen" Die Überlieferung
124
a)
"Tenebrae"
124
b)
"Engführung"
132
4. "Gelobt seist du, Niemand" Die Psalmen in den Gedichten des Bandes "Die Niemandsrose" als Auseinandersetzung mit dem Uberlieferungsgut
VIII
Einleitung
141
a)
"Es war Erde in ihnen"
142
b)
"Zürich, Zum Storchen"
152
c)
"Psalm"
155
d)
"Mandorla"
161
e)
"Bei Wein und Verlorenheit"
167
f)
"Die Schleuse"
169
g)
"Zu beiden Händen"
170
h)
"Einem, der vor der Tür stand"
175
i)
"Benedicta"
176
j)
"Anabasis"
178
k)
"Hinausgekrönt"
180
1)
"In der Luft"
182
"Spasmen, ich liebe dich, Psalmen" Der Gesang
185
a)
"Spasmen"
185
b)
"Wenn ich nicht weiß, nicht weiß"
191
c)
"Gewieherte Tumbagebete"
197
d)
"Ausgerollt"
201
e)
"Müllschluckerchöre" - Zum Thema Singen im Band "Fadensonnen"
"Sag, daß Jerusalem
i s t " -
205 Die Wallfahrt
Zu den Gedichten des Bandes "Zeitgehöft"
211
a)
"Wanderstaude"
214
b)
"Das seidenverhangene Nirgend"
218 221
c)
"In der fernsten"
d)
"Eingeschossen"
223
e)
"Alle die Schlafgestalten"
225
f)
"Kleine Nacht"
227
g)
"Es stand"
231
h)
"Die Glut"
233
i)
"Wir, die wie der Strandhafer Wahren"
235
j)
"Das Leuchten"
240
k)
"Die Posaunenstelle"
244
1)
"Die Pole"
249
m)
"Der Königsweg"
258
n)
"Es wird"
259
o)
"Rebleute"
261
IV.
X
SCHLUßBEMERKUNG
271
ANMERKUNGEN Abkürzungen Zitierte Quellen Anmerkungen zu 1 Anmerkungen zu II Anmerkungen zu III
273 273 274 276 278 291
LITERATURVERZEICHNIS
330
I.
EINLEITUNG
1.
Berechtigung der Fragestellung und Begründung der Auswahl
Eine
Arbeit,
sprachige wählt
die
Lyrik
hat,
"Das des
wird
Untersuchung
Buch
20.
sich
der
der
Psalmen
Jahrhunderts"
auf
sinnvolle
und
zum
Weise
einer
von
den
zeigen
sein
deutsch-
nur
durch
eine
Psalmen
her
bestimmten
Untersuchung
wird,
in
folgt die Aufgabe
jener
besonderem
und
auf
Gedichte, Maße
diese
die,
die
weitergegebenen
und
hin
wie
Präsenz
zu
eines
vor Jahrtausenden entstandenen und durch Jahrtausende durch
ge-
in Frage kommenden Texte durchführen las-
sen. Nach deren Sichtung und Abgrenzung ausgerichteten
die
Gegenstand
vermittelten Buches, des
hin-
Buches
der Psalmen, dokumentieren. Es
ist
Gang
die
Arbeit
dieser
an
Texten,
Untersuchung
die
bestimmt.
Gedichte Da
sind, die
deren
den
Berechtigung
allein schon durch die Uberfülle des vorliegenden Materials offenkundig
scheint,
eingegrenzt
werden. Die Reduktion und die Kriterien
muß
zunächst
diese
Basis
der
Arbeit einer
Beschränkung unseres Themas auf zwei Beispiele leiten sich aus zwei Faktoren ab: 1. aus der Bedeutung von
Psalmbeziehungen
und
Celan
und
im
Werk
der
beiden
des Vorkommens Autoren
2. aus der besonderen Struktur
Brecht
der
Wirkung
der Psalmen bei Brecht und Celan, welche die ganze Spannweite
möglicher
Wirkweisen
mehr nämlich als andere und
Celan
in
der
Dichter
ihrem Werk
Psalmen
realisiert.
Weit
ihrer Epoche lassen Brecht
einen genuinen Rückgriff auf
die
Psalmen erkennen. Daher ist es nicht nur angeraten, sondern es ergibt keit,
sich die von der Sache her bestimmte
sich
auf
jene
zwei
Autoren
zu
Notwendig-
beschränken,
deren
Werk die Präsenz der Psalmen am eindrucksvollsten dokumentiert . Nachdem einmal die Möglichkeit unterschiedlicher Wirkweisen festgestellt dafür,
wie
ist, sehr
wird das
Brecht
Buch
zum hervorragenden
Beispiel
der Psalmen Modellcharakter
für
die eigene literarische Produktion gewinnen konnte, während
Celan eigentlich an keiner Stelle seines Werkes einen vom literarischen Interesse bestimmten Rückgriff auf das Buch der Psalmen erkennen läßt. Während Brechts Rückgriff auf die Psalmen sich 1. als Beschäftigung mit dem überlieferungsgut seiner Welt, d.h. als Konfrontation mit den Psalmen Luthers, 2. als vorwiegend von formalen Gesichtpunkten geleitete Beschäftigung gestaltet und 3· als werkgeschichtliches Phänomen Niederschlag einer Experimentierphase ist, bedeutet Celans Rückgriff ausdrückliche und kontinuierliche A u s e i n a n d e r s e t z u n g . Sie gestaltet sich 1. als Auseinandersetzung mit dem Uberlieferungsgut der "Väter", d.h. mit dem hebräisch "Sefer Tehillim" genannten Buch der Psalmen und seiner maßgeblichen Bedeutung in der Geschichte des "auserwählten Volkes" im Gang durch die Zeit. 2. Celan experimentiert an keiner Stelle mit formalen Möglichkeiten, welche die Psalmen bereitstellen, sondern begreift seine "Beschäftigung" mit ihnen als Konfrontation mit den in den Psalmen zusammengefaßten und besungenen Verheißungen Jahwes, des einen Gottes des heiligen Volkes. Die Auseinandersetzung vollzieht sich auf der Folie des sogenannten Holocaust. Die Psalmen besitzen also für Celan existentiellen Rang, ein Umstand, der im Werk reich dokumentiert ist. Die S p a n n w e i t e der Wirkweisen des einen Buches wurde also von zwei Lyrikern von Rang, die sich ausdrücklich mit den Psalmen befaßt haben und dabei ganz unterschiedliche Positionen bezogen, besonders plastisch in deren eigenes dichterisches Werk umgesetzt. Die Exempla Brecht und Celan belegen gleichzeitig den R e i c h t u m der Wirkweisen des einen Buches, das als Ausstrahlungsphänomen gar nicht zu überschätzen ist und im einzelnen kaum mehr erfaßt werden kann. Wenn die Psalmen auch noch im zwanzigsten Jahrhundert Gestaltungsfaktor und Gegenstand einer Auseinandersetzung sein können, so bedeutet dies, daß die Psalmen zumindest als Traditionspotential wahrgenommen sein wollen. Die Beschränkung auf Beispiele, die sich diese Arbeit auferlegen mußte, ist das deutlichste Anzeichen dafür, wie intensiv sich die Auseinandersetzung 2
mit
einem
hervorragenden
religiösen wie
sprachlich
Uberlieferungsgutes
zahlreich
literarisch des
Teil
die
vermittelten
zwanzigsten
zu
Nahtstellen
vermittelten
gestalten
zwischen
Traditionsbestand
Jahrhunderts, trotz
vermag
diesem
und
religiös-
und
der
Lyrik
fortgeschrittener
und
fortschreitender Säkularisierung, immer noch sind.
2.
Das Buch der Psalmen innerhalb der Bücher des Alten Testaments
Das Buch der Psalmen nimmt als Liederbuch der Jahwegemeinde Israel Platz
innerhalb ein,
Wort ist 1 . "Tora"
der
weil
es
Gemäß
der
biblischen Israels
Dreiteilung
(Bücher Moses),
(Schriftwerke)
wird der
Bücher
lebendige
"Nebiim"
der
einen
besonderen
Antwort
auf
Heiligen
(Propheten) und
"Sefer Tehillim"
Jahwes
Schrift
zu den
in
"Ketubim" "Ketubim"
gerechnet. Die
hebräische
Fassung des Buches der Psalmen
150 Psalmen, die
überliefert
in fünf Bücher eingeteilt sind (Ps 1-41;
42-72; 73-89; 90-106; 107-150). Die Bezeichnung eine exklusive Bildung, welche dung
findet, die
Psalmen
nur auf die Psalmen Anwen-
kann mit "Loblied, Hymnus" wiedergegeben wer-
den. Damit da
"Tehillim",
ist
jedoch
Psalmen usw.,
nur
ein
mehrheitlich
also
gerade
Teil
des
Buches
Klagelieder,
keine
erfaßt,
weisheitliche
Hymnen sind. Dennoch
ist
dem Buch die Überschrift "Sefer Tehillim" vorangestellt. Das
Buch der
Psalmen in seiner heutigen Gestalt komplizierte
sehr
lange, mehr
stens
im 1. Jh. v. Chr. ist der Prozeß der Genese und Zu-
überblickende
in
seinen
eine
nicht
zu
und
hat
einzelnen
Phasen
Entstehungsgeschichte.
Späte-
sammenstellung des Buches abgeschlossen. Die Psalmen Saloo monis (zwischen 60 und 30 v. Chr. entstanden) setzen die Psalmen kaum
zu
Davids
voraus.
bestimmen,
doch
Der
Terminus
reicht
die
a
quo
hingegen
Entstehung
ist
einzelner
Psalmen bis in die Zeit Davids hinauf (um 1000 v. Chr.). Die
Psalmen
sind
Gedichte.
Sie sind zwar
für den
gottes3
dienstlichen
und
liturgischen
doch sollte deren poetische Faszination
der
Psalmen
lichen Verwendung
Gebrauch
bestimmte
Form, der wohl die
auch
nach
dem Ende
im Umkreis des Tempels
Texte,
anhaltende
ihrer
eigent-
zu Jerusalem
(70
n. Chr. wurde mit der Zerstörung des 2. Tempels der Tempelgottesdienst beendet) mit zu verdanken ist, in ihrer Bedeutung nicht
zu gering angesetzt werden. Die Grundfigur
hebräischen
Poesie
allerdings in
der
ist. aus
der
nicht auf die
Umwelt
Ein
ist
Parallelismus
Bibel
Israels
das
besteht
dabei
Vers
beschrankt,
Merkmal
je
nach
thetischer,
Art
des
sondern
ebenso Poesie
aus
zwei,
(Stichoi),
Parallelismus,
synthetischer
der der
orientalischer
zumeist
drei parallel gesetzten Teilen
der,
Membrorum,
manchmal
die
einan-
als synomymer,
oder klimaktischer
anti-
Parallelismus
zugeordnet sind. Die von Hermann Gunkel (+1932) begründete Gattungsforschung, ein
Hauptereignis
dieses also
nach
Hymnus die
formal
und
Ansatz,
der
vor
die
Psalmen
wurden
und
Psalters
des
Psalmenexegese nach
Merkmalen Klage-
die
Gattungen,
ein. Sie hat
und
Danklieder
bestimmt.
einzelner
Psalmen
beigetragen,
als
literarische Form
des
und
die
korrigiert
daß
Gebilde
Psalms
der
wieder
als
wurde,
Gattungs-
wurden,
innerhalb
den
Gunkels
im folgenden noch modifiziert Gattungseinteilung
dazu die
der
Psalmen
individuellen
freilich
zugehörigkeit
vorab
die
Gattungen
allem
wesentlich
Exegese, teilt
bestimmbaren
die
wichtigsten
wobei
der
Jahrhunderts,
hat
Exegese
wahrgenommen
wesentlicher
Faktor
der
Bestimmung der Bedeutung der Psalmen werden konnte. Die
Psalmen
sind
verbunden. Hier
unlösbar
mit
Jerusalem
und
dem
Tempel
sind die meisten Psalmen entstanden, mögen
auch einige von ihnen fern vom Heiligtum Jerusalem tet
worden
sein.
Doch
erst
die Einbringung,
der
gedichGebrauch
und die Sammlung der Lieder am Tempel in Jerusalem bewirkte deren Verbreitung und Anerkennung. Die Geschichte
Israels,
die
in den Psalmen als Geschichte
der Erwählung, der Befreiung und der Offenbarung, als Heilsgeschichte
also,
aufgefaßt wird, wurde in Jerusalem gefei-
ert.
David
die
b
Seit
Bundeslade,
das Heiligtum
des
Zwölf-
stämmeverbandes,
nach Jerusalem verbrachte,
sind Jerusalem
und sein heiliger Berg Zion, der zum Synonym für Jerusalem wurde, "Dir
Stätte der Verehrung Jahwes. Psalm 65,2
gebührt
Lobgesang,
Gott,
auf
dem
Zion,
äffirmiert: dir
erfüllt
man Gelübde - 'in Ierusalem'", wie die Vulgataversion hinzufügt (Ps 64,2). David
selbst,
Geschichte
der
als
idealer
eingegangen
ist,
König
gilt
und
als
Dichter
der
große
in
die
Psalmen-
dichter und Verfasser vieler Psalmen der Heiligen Schrift. Allerdings als
sind die Überschriften jener Psalmen, die David
Verfasser
nennen,
in
ihrer
Bedeutung
nicht
geklärt.
Möglicherweise ist "L'David" gar nicht auktoritativ gemeint, sondern
attributiv
oder
als
Kürzel
oder
Zugehörigkeits-
zeichen zu einem Zyklus. Daß David eine Reihe von Psalmen gedichtet
hat,
ist
wohl
anzunehmen,
er
kann
aber
nicht,
wie nicht zuletzt durch die Kriterien der Gattungsforschung nachgewiesen wurde, der Verfasser sämtlicher Psalmen sein, die seinen Namen in der Überschrift anführen. Wer die Psalmen
im
sind im
einzelnen
Umkreis
Gläubigen Psalmen
hat,
wissen
des
Tempels
tätigen
wir
nicht.
Gewiß
von Priestern,
Individuen,
vom
wurden
im
wobei
Psalmen
Tempelarchiv
freilich
gesammelt,
Diese
gesichtet
und
weit mehr als die heute im
zusammengefaßten
150
Psalmen,
die
von
einzelnen
und Wallfahrer, der sein Lied mitbrachte.
geordnet, der
gedichtet
sie von Jahwegläubigen gedichtet,
Buch
wohl
eine
kritische Auswahl darstellen, zur Verfügung standen. Einzig die
im
dieses
Buch Buches
streuten und
der
über
Psalmen
den Maßstab
nicht Stufen
nur
das
nur
eigentlicher
Psalmen die
Bücher
werden
im
abgeben Ergebnis
noch
versammelten sowie die des
können. eines
erahnbaren
Ausgangspunkt
Alten
folgenden Der
außerhalb
Testaments
den
"Sefer Tehillim"
langwierigen
und
in
Entstehungsprozesses, jeder
ver-
Ausgangspunkt
Beschäftigung
mit
ist
seinen sondern jenem
so wirkungsmächtigen Phänomen, das die Psalmen darstellen.
5
3.
Das Buch der Psalmen in der christlichabendländischen Überlieferung
Daß die Psalmen überhaupt über Jerusalem hinaus wahrgenommen wurden und werden und in gewisser Weise universale Bedeutung erlangt haben, ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, daß die Psalmen als Gebet- und Liederbuch Jesu von Christen und Kirche übernommen wurden und, aus ihrem doch regionalen, auf Jerusalem beschränkten Kontext gelöst, Eingang in eine Bewegung gefunden haben, die sich mit ihrer Botschaft an alle wandte. Mit den Büchern der nun als "Altes Testament" geltenden Heiligen Schrift wurden auch die Psalmen übernommen. Mehr als anderen Büchern des Alten Testaments galt ihnen eine besondere Hochschätzung, da sie einerseits die Botschaft des Alten Bundes gewissermaßen verdichteten und andererseits die Hinweise auf den zukünftigen Erlöser besonders plastisch erfaßten. Für Augustinus ist der Psalter darum das "Herz der Bibel", weil er das Wesentliche aller übrigen Bücher in sich schließe . Auch Thomas von Aquin deutet den Psalter in dieser Sicht, wenn er feststellt: "Der Grund, weshalb das Psalterium häufiger (als die anderen Teile der Heiligen Schrift) in der Kirche gebraucht wird, liegt darin, daß es die ganze 4 heilige Schrift enthält." Luther wiederholt schließlich in seiner Vorrede auf den Psalter von 15^5 den Grundgedanken und gibt dazu eine christologische Deutung: "VND solt der Psalter allein des halben thewr vnd lieb sein/ das er von Christus sterben vnd aufferstehung/ so klerlich verheisset/ vnd sein Reich vnd der gantzen Christenheit stand vnd wesen furbildet. Das es wol möcht ein kleine Biblia heissen/ darin alles auffs schönest vnd kürtzest/ so in der gantzen Biblia stehet/ gefasset vnd zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht vnd bereitet ist. Das mich dünckt/ Der heilige Geist habe selbs wöllen die mühe auff sich nemen/ vnd eine kurtze Bibel vnd Exempelbuch von der gantzen Christenheit oder allen Heiligen zusair^n bringen. Auff das/ wer die gantzen Biblia nicht lesen kündte/ hette hierin doch fast die gantze Summa verfasset in
6
ein klein Büchlin."5 Die Psalmen sind nicht nur Bestandteil des je nach Zählung verschiedenen Kanons der heiligen Bücher und somit Teil eines regional wirksamen Textes, sondern vielmehr durch ihre Ubersetzungen Bestandteil der Weltliteratur geworden. Es gibt kaum ein Buch, das den Psalmen an Strahlkraft im Abendland überlegen wäre. Dabei wird nicht die hebräische Fassung, sondern die griechische und vor allem die lateinische Fassung bestimmend. Schon in vorchristlicher Zeit war eine Ubersetzung der Heiligen Schrift in die griechische Sprache geschaffen worden, die für jene Juden gedacht war, die im griechischen Sprachraum lebten und kein Hebräisch mehr verstanden. Im Westen wurde auf Jahrhunderte die in der Vulgata enthaltene lateinische Ubersetzung zum maßgeblichen Psalmtext'', dem die katholische Kirche auf dem Konzil von Trient dann sogar den Rang dogmatischer Verbindlichkeit einräumte. Die Väter rühmen neben dem theologischen Wert der Psalmen deren sprachliche Schönheit, so auch der bedeutendste Übersetzer ins Lateinische, Hieronymus, der gegen die am klassischen Ideal orientierten Verächter des sprachlichen Gewandes der Heiligen Schrift deren Vorzüge apologetisch ins Feld führt. In zahlreichen Kommentaren wird der (lateinische) Psalter, freilich mit den Methoden allegorischer Schriftdeutung, von den Vätern erläutert; genannt sei nur Augustinus, der mit seinen 'Enarrationes in Psalmos' einen Grundlagenkommentar geschaffen hat, auf den sich die späteren Kommentatoren immer wieder beriefen. Früh waren die Psalmen Bestandteil der liturgischen Praxis der Kirche. Nicht der private Raum, sondern wie in Israel der Gottesdienst war den Psalmen als "Sitz im Leben" zugewiesen. Augustinus empfahl der Gemeinde die Psalmen, Ambrosius wollte sogar ein Auswendiglernen der Psalmen durch die Gemeinde durchsetzen. Dieses Bemühen wurde dann in den monastischen Gemeinschaften Wirklichkeit. Benedikt von Nursia macht die Psalmen zum Stundengebet und bindet sie in eine feste liturgische Ordnung ein. Damit ist die Kenntnis und Verbreitung der Psalmen (die immer, wie gar 7
nicht als
genug
zu
integraler
betonen
ist,
Bestandteil
"lateinische" des
Psalmen
Gotteslobes
der
sind)
Gemeinde
des Neuen Bundes gesichert. Das Bemühen, die Psalmen in die deutsche Sprache zu übertragen,
setzt
sehr
früh
ein und
fällt
ersten Versuchen, Grundkenntnisse
praktisch
mit
über die Heilige
den
Schrift
in der Volkssprache zu vermitteln, zusammen. So sind Psalmglossen
und
dokumentiert stende
Interlinearversionen
7
. Während
Versuche
mit
der
und
Sprachkunst
der
es
sich
Aneignung
Übersetzung
aus
bei
die
in Erscheinung.
frühesten
Zeit
diesen Belegen um
der
Notkers
der
Psalmen Höhe
handelt,
von
Notker
ta-
tritt
übersetzungs-
Labeo
(+1022)
hat
fünfhundert Jahre vor Luther die Psalmen ins Deutsche übertragen und kommentiert
(wobei sich sein heilsgeschichtlich-
christologisch abgefaßter Kommentar an vorliegenden Kommentarwerken,
vor
allem
an
Augustinus
und
Cassiodor,
orien-
g tiert)
. Während aber Luthers Ubersetzung bis auf den heu-
tigen
Tag,
und wirkt,
allerdings
nach
mannigfacher
Revision,
lebt
konnte sich Notkers Übersetzung aufgrund histo-
rischer Bedingungen und Voraussetzungen nicht durchsetzen. Erst
Luther
konnte
die
klassische
Übertragung
der
Psalmen zustande bringen. Sie stellt, wie schon Hieronymus' Übertragung, aufgrund der Übersetzung aus dem Urtext einerseits
eine
texttreue
Übersetzung
und
andererseits
durch
das Hören auf die Sprache, in welche die Psalmen übertragen wurden, die
eine
sprachschöpferische
Ubersetzertätigkeit
der
Leistung
Mönche
dar. Hatte
schon
immer
sich
auch
an
den Psalmen geübt, so war erst Luther mit seiner integralen Arbeit große - aus
einer
theologischen
aufgrund Die
Ubersetzung
Erfolg beschieden, der
Gunst
Übersetzung der
Basis
späteren
der
setzertätigkeit
der
Psalmen an
ganzen
Gründen
-
Zeit
Luthers,
setzungen
der nicht
diesen
Fassung
Psalmen
von
einen
suchte
finden
die auch im Blick
(die
Schrift
Erfolg
(Buchdruck)
Bibelausgaben) den
Heiligen
zuletzt deswegen, weil
auf die bietet
Gipfel
der
bekam
er und
konnte.
15^5
darstellt,
der
Uberdie Uber-
in
der
evangelischen Kirche eine quasi kanonische Geltung, während die bis dahin als allgemeine Textgrundlage geltende Vulgata, 8
die spätestens im Hochmittelalter die verbindliche lateinische Bibelübersetzung war, immer mehr als katholische Bibel angesehen
wurde. Doch ist die Geschichte der
setzungen
nur
Beleg
und
Ausdruck
dafür,
man diesem Buch beimaß. Samtliche lichst
genaue
Wiedergabe
sind
Psalmenüber-
welche
Bedeutung
Bemühungen um eine mög-
kein
Selbstzweck,
sondern
stehen im Dienst einer Sache, der Sache des Glaubens. Luther den
gibt
in
seiner Vorrede von 15^5 eine Ubersicht
vielfältigen
jetzt
auch
mehr,
wie
betet
und
ein
Nutzen, Leser
ehedem
der
Beter
der
Psalmen
ist, also ein Individuum,
die
singt,
den
Mönche,
sondern
die Psalmen im
für
sich
liest,
über
das
(der nicht
Gottesdienst
nicht
zuletzt
deswegen, um zu verstehen, was die Psalmen sagen) aus diesem
"Enchiridion"
zu
ziehen
vermag.
Luthers
Übersetzung,
die aus einem Bemühen um das Wort Gottes zustande war,
blieb in den folgenden Jahrhunderten die
Übersetzung.
gekommen
maßgebliche
Sie wurde zur deutschen Bibel, neben der sich
keine weitere behaupten konnte. Das gilt auch für die Psalmen, die gelegentlich,
jeweils dem literarischen Geschmack
der Zeit entsprechend,
übertragen wurden,
so im 18. Jahr-
hundert von S.G. Lange und J.A. Cramer. Während ständlich von Luther
bis
ins
18. Jahrhundert
selbstver-
hinein Bibel
und Psalmen in ihrem sakralen Charakter wahrgenommen wurden ο , wird nun die Bibel als schöne Literatur entdeckt. Diese Entdeckung vollzog sich vor allem an den poetischen Büchern des
Alten Testaments,
vorab
an
den Psalmen. Arbeiten
wie
"De sacra Poesi Hebraeorum" von Robert Lowth, dessen deutsche
Übersetzung
1758
in Göttingen
erschien,
öffnen
den
Weg für ein neues, nicht an theologischen, sondern an ästhetischen
Kategorien
Die
Psalmen
des
jüdischen
Beliebtheit,
sind
orientiertes nun
ein
Volkes.
Sie
Verständnis
Ausschnitt erfreuen
aus
der
den
Psalmen. Dichtungen
sich weiterhin
großer
ja ihre Wertschätzung ist geradezu eine Mode-
erscheinung, doch ist der hermeneutische Graben, der dieses neue
Psalmenverständnis
von
dem angestammten primär
giösen trennt,
beträchtlich. In den Bahnen des
Verständnisses
übersetzt
Moses
Mendelsohn
reli-
gewandelten
direkt
aus
dem
Hebräischen und beginnt damit die Reihe der jüdischen Übersetzungen, die in der Arbeit von Buber und Rosenzweig ihren 9
vorläufigen "Vom
Abschluß
Geist
der
gefunden
Hebräischen
hat.
Poesie"
Herder,
der
in
seinem
ein gutes Drittel
der
Psalmen aus dem hebräischen Original übersetzt hat, betrieb den Ansatz der Ästhetisierung der Heiligen Schrift am konsequentesten. sieht und
Er lehnt die Inspiration der Schrift ab und
im Alten Testament
Poesie.
Während
ein Zeugnis der ältesten Sprache
im
19.
Jahrhundert
das
literarische
Interesse an den Psalmen merklich nachläßt, gewinnt gleichzeitig mit
die
ihnen
philologische ständig
an
und
theologische
Bedeutung.
Beschäftigung
Im 20. Jahrhundert
setzt
sich diese Bewegung fort. Neben einer extensiven exegetischtheologischen mentlichen men,
Auseinandersetzung
Wissenschaft
in deren Verlauf
innerhalb
der
alttesta-
Uber Sinn und Bedeutung der konträre
Positionen
bezogen
Psalworden
sind, die kaum zu überbrücken sein dürften, sind vielfältige
Bemühungen um eine angemessene Ubersetzung
zu
bemerken,
unter
denen
die
Gruppe
jener
der
Psalmen
Versuche,
vom Verlangen nach einer sogenannten "zeitgemäßen" gabe
der
Psalmen
bewegt
Daß hierbei neuerdings wirklichen
oder
werden,
wenn
zu
übersehen
ist.
ästhetische Gesichtspunkte um einer
vermeintlichen
zurückgedrängt,
nicht
die
Wieder-
nicht
Texttreue
willen
ausgeschaltet
wiederum
werden,
dürfte
manche grundsätzliche Überlegung aufwerfen. Doch
besteht
Übersetzungen,
die
Wirkung
obschon,
der wie
Psalmen Trunz
wohl
nicht
nur
feststellt,
keinem
Werk
in
ihren
"sich so
die
deutsche
Ubersetzungskunst
vielfach
zugewandt
hat wie den Psalmen. Die Zahl der Übertragungen
vom 16. bis zum 20. Jahrhundert ist so groß, daß man jeden Wandel des literarischen Stils daran ablesen kann."'"® Buch der Psalmen ist geblieben,
Das
was es immer auch und vor
allem gewesen ist: ein Lieder- und Gebetbuch der Gemeinde der Gläubigen.
4.
Die Psalmen in der Lyrik des 20. Jahrhunderts
Im Stadium fortschreitender Säkularisierung** läßt zwar die einst 10
so
überragende
Wirkung
der
Psalmen,
die
immer
als
primär religiöse Texte gegolten haben, nach, ist aber keineswegs
ausgeschaltet,
welches
thematische
präsent.
Gerade
sondern
im Sinne eines
und gestalterische
in
der
die
Möglichkeit
die
Psalmen als Traditionspotential
rade
die
eines
Emanzipation
Lyrik
des
neuen
20.
Zugangs
Potentials,
Rückgriffe der
und
erlaubt,
Dichtung
liegt
Zugriffs,
welche
bieten. So vermag
Jahrhunderts
eine
ge-
differenzierte
Skala der Wirkweisen und Anregungen, die sie aus den Psalmen empfangen hat, zu dokumentieren.
12
"Die Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts" chen Verweis auf die Psalmen zu. So ist der Verzicht vielen ein
auf
den
Gedichten
Endreim dieser
oberflächliches
einer
Der
auf
Epoche
gegen
ein
eigen
Merkmal,
Entscheidung
zu werten.
und
"expressive"
festes ist,
sondern
überkommene Duktus
läßt
man-
grundsätzliche Metrum,
der
keineswegs
nur
durchaus
im
Sinne
literarische
vieler
Muster
Psalmen
könnte
dazu eine der Anregungen gewesen sein. Mehrere der expressionistischen als
Form
zurück.
poligkeit
des
übernommen. Gott,
Dichter
die
greifen
Eine
Einsicht
Psalmensingens
Die "De
explizit
Psalmen Profundis"
Klage
die
Psalmen
in die prinzipielle
wird
werden
auf
in
das
erkannt zu
eigene als
Zwei-
Gedicht
Gesänge
artikulieren
vor
imstande
sind und andererseits den hymnischen Duktus, den Atem der Daseinsfreude vor Gott, zu entfalten vermögen. Doch scheint des sehr
weiteren weit
"Psalm"
einzelnen
gefaßte
scheint
expressionistischen
Definition
von
"Psalm"
ihnen nicht viel mehr
Sängern
eigen
zu
eine sein.
zu bedeuten als ein
religiös gestimmtes Lied, wobei noch die Kenntnis ursprünglicher Verwiesenheit eventuell
der Bezeichnung auf einen
biblischen,
vermittelten Kontext vorauszusetzen 1λ J ist. Die Psalmen Trakls sind individuelle Klagelieder,
die
kirchlich
ins Leere gehen. Sie werden vorgetragen auf der Folie
von "Gottes Schweigen"
(De Profundis) und der Grundstimmung
"Wie eitel ist alles" (Psalm I, 1. Fassung), die ganz gewiß biblisch
belegt
ist
(Kohelet),
keineswegs
aber
mit
Rückblick
auf die Psalmen besser verstanden werden
oder
diese
für
gar
repräsentativ
wäre.
Der
einem könnte
Weltschmerz
dieser Verse trifft sich nur scheinbar mit den Vergänglich11
keitseiner dern
und
Hinfälligkeitsklagen
metaphysischen dem
erhört ihrer
Bodenlosigkeit
göttlichen
zu werden. selbst
der Psalmisten, die
Du
Die
willen
ausgesetzt
vorgetragen Psalmen
der
artikuliert
werden Bibel
sind,
allein
sind
worden.
nicht son-
darum,
niemals
Trakls
um
"Psalmen"
sind denkbar gute Beispiele dafür, wie sehr sich die Gattungsbezeichnung
durch die Übernahme
in einen fremden
Da-
seinsentwurf von der ursprünglichen, d.h. biblischen Bedeutung von "Psalm" entfernen konnte. Die Verwendung der Gattungsbezeichnung Beliebigkeit
"Psalm"
des
durch
Gebrauchs
Trakl
dieser 14
zeigt einst
den
Grad
der
biblischen
und
von daher definierten Größe an In dieser Arbeit soll ein enggefaßter Psalmbegriff
voraus-
gesetzt werden. Als Psalm soll nur gelten, was Bestandteil des
Buches
Psalmen
der
soll
aufweist.
Psalmen
nur
gebracht
Psalmen
zusammengefaßten
ist,
sind
und
in Beziehung
werden,
hier
die
Gedichte,
was
150
nicht
diese
im
aber
zu
Beziehungen
Buch der die
diesen Psalmen
"Psalmen"
im
übertragenen Sinn, wobei unter dem Begriff nicht viel mehr als
eine
standen
Umschreibung wird.
Als
für
religiös
Psalmen
sollen
gestimmte
hier
Lyrik
ver-
gleichermaßen
die
"Tehillim" der hebräischen Bibel, die "Psalmoi" der Septuaginta, die gelten. als
"Psalmen"
höchstens Psalmen dem
scheiden
viele
deklarierten
unter
von
Beispiele aus
"Psalmi" der Vulgata und die deutschen Psalmen
Folglich
dem
durch die
Gedichte
Gesichtspunkt
Interesse.
Die
aus. der
Festlegung
Autoren Sie
selbst
sind hier zu
den
der Arbeit auf
Differenz
die
Brecht und Celan ergibt sich auch als Konsequenz hier
zugrunde
gelegten
Psalmenverständnis:
Celan
greift wie Brecht auf die Psalmen der Bibel und nicht auf religiöse Lyrik zurück. "Die Psalmen in der deutschsprachigen Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts"
haben sich jedoch auch im Werk anderer Lyri-
ker außer Brecht und Celan, wenn auch nicht so konzentriert und so plastisch, niedergeschlagen. Die Wirkweisen im einzelnen
aufzufächern
wenigstens geschadet 12
ins und
Auge wäre
und
nachzuweisen,
gefaßten außerdem
hätte
Einheitlichkeit bei
der
Vielfalt
jedoch der
der
Arbeit
einzelner,
manchmal nicht
auch
zu
vereinzelter
realisieren
Psalmen
ist
Hinweise
gar
gewesen. Das Traditionspotential
der
umfassender,
und
peripherer
intensiver
und
auch
komplexer
realisiert, als man gemeinhin annimmt und anzunehmen bereit ist.
Wenn
sich
Berechtigung nicht
gelegentlich
der
noch
Fragestellung
ein
Erstaunen
einstellt,
so
über
die
bezeugt
das
so sehr den mangelnden Grund für eine solche Unter-
suchung
in der
Lyrik
des
Jahrhunderts,
sondern eher
eine
bedauerliche Ausblendung gewisser Fragestellungen innerhalb der Disziplin. Von
den
Autoren,
die
Verweise
bieten, wäre Ernst Stadler
auf
das
Buch
der
Psalmen
zu nennen, der nicht nur durch
seine Ubersetzung der "Quatorze priores" von Francis Jammes, die
durch
Schickele
aus dem Nachlaß des Dichters
Schickeies "Weissen Blättern" veröffentlicht
1916
in
wurden,sondern
auch in seinen eigenen Dichtungen die Resonanz des Buches der
Psalmen
belegt.
ein
Hinhören
auf
"Zwiegespräch", aufgenommen
Einige
die
biblischen
ist.
Weitere
Else
Karl Otten
Gott",
"Aus
Tiefe")
Du
hin
Expressivität Kennzeichen, mus. den
Die
teilt, und
als der
eine
dieser
Anthologie,
so
("An
Gott",
"Und
dokumentieren zu
möglicherweise
verstehen
"Gottsuche"
suche
("Warum mein Rückgriff sind.
ist Klage,
Die
welche
belegt vielleicht
Abhängigkeit
Psalmen,
eines
des
ihrer
eher
einen
Phänomens.
Die
herausragendsten
ist nicht die Expressivität des Expressionis-
funktionale
Psalmen
Gedicht
Verwiesenheit der Psalmen auf das göttli-
nicht
"Strukturzwang"
das
und Franz Werfel
Vorbilder
zu vernehmende
die dialektische che
so
"Menschheitsdämmerung"
und Parallelität, die auch ohne
alttestamentliche
allenthalben
dokumentieren
("Klage und Frage"), Kurt Heynicke
("Gott")
meiner
Gleichklang
auf
Psalmen,
Autoren
Lasker-Schüler
Gott"), nur
Gedichte
welches auch in die
z.B. Johannes R. Becher ("Psalm"),
seiner
ist
Einbindung
den
Lyrikern
der
des
Gefühlsausbrüche
Expressionismus
in
nicht
bekannt. Die Klage der Expressionisten steht möglicherweise um
ihrer selbst willen. Dennoch weist die
sche der
Lyrik Psalmen
zahlreiche auf.
Sie
und
expressionisti-
vielschichtige
erfordern
eine
eigene
Nachwirkungen Untersuchung. 13
Eine Typologie der Wirkweisen des Buches der Psalmen auf die Lyrik dieses Jahrhunderts hätte die Vielschichtigkeit
der
Psalmenrezeption
zu
dokumentieren.
Sie
müßte
sich dabei weniger an den Abfolgen der Epochen - die dieses Jahrhundert,
in
schlossene" nicht
dem
der
Expressionismus
literarische
mehr
kennt
-
und
die
Epoche
darstellt,
an
Chronologie
der
sondern vor allem an der Gemeinsamkeit
letzte
"ge-
überdies
gar
orientieren,
von Merkmalen,
für
deren Einteilung sich folgende Ordnung anbieten würde: -
"Sela
von
Psalmenende"
Gottfried
Benn).
(Nach
pielle Unabhängigkeit ren,
das
über
gelegentlich
das
Gedicht
Abschnitt
"Teils
hätte
-
eine
teils" prinzi-
des modernen Gedichts zu dokumentieTraditionspotential
auch auf die
mentcharakter
dem
Dieser
frei
verfügt
Psalmen zurückgreift.
Der
und Frag-
dieser Psalmbeziehung wäre an der Fülle ein-
zelner Verweise zu zeigen, die zwar innerhalb der Gedichte zu
situieren
bestimmen,
sind,
jedoch
sondern
Freiheit ι des
Zugriffs,
ist,
erlaubt,
auch
die
Hier
wären
deren
höchstens die
und
in
das
nicht
mitbestimmen.
der Gedicht
Gedichtpartikel
Die
Spätzeitlichkeit
Traditionsvorgaben,
gehören,
Gedichte
Rande
Merkmal
gelegentlich
Psalmen
Ablauf und Aussage
am
zu
denen
einzubeziehen. von
zahlreichen
Lyrikern anzuführen, die sich mit den Psalmen als Bestandteil der religiös-literarischen Überlieferung in ihrem Werk auseinandersetzen oder wenigstens gelegentlich beschäftigen. Auch hier können nur wenige Beispiele genannt werden: Gottfried Benn Christine
("Teils - teils"), Ingeborg Bachmann Lavant
("Hören,
hören"),
"Winterpsalm"), Ernst Meister nis dieses Abschnitts würde die
("Psalm"),
Peter Hüchel
("Psalm",
("Psalmodierend"). Das Ergebin der Einsicht
bestehen, daß
Psalmen in der Lyrik des 20. Jahrhunderts weithin nur
noch als Fragmente zu erkennen sind. "Aschrej, ich
nicht
Abschnitt
ein Wort
weiß,
nicht
sollte
die
welche die Gedichte sieren, Die 14
wenn
Psalmen
sie
ohne
Sinn"
weiß"
von
(Aus dem Gedicht Paul
Gebrochenheit
Celan).
In
dargestellt
"Wenn diesem
werden,
heutiger jüdischer Autoren charakteri-
sich
mit
dokumentieren
den die
Psalmen genuin
auseinandersetzen. Jüdische
Dichtungs-
tradition am authentischsten, sie sind Inbegriff hebräischer Lyrik. Daher sich zu
ist bei den Jüdischen Lyrikern,
als solche verstehen,
den
Psalmen
zu
Selbstverständnis auch
achten.
durch
Der
den
Bruch,
Holocaust
in einer gebrochenen Beziehung
dichterischen
insofern sie
besonders auf deren
Uberlieferungsgut
den
erfahren
jüdischer
ihrer
Verhältnis
das
Väter
jüdische hat,
ist
Lyriker
zum
zu
bemerken.
"Aschrej" war ein Glückwunsch, ein Begrüßungs- und Jubelruf ("Selig!",
"Heil!",
das
Wort
erste
allem
"Glücklich!")
des
Buches
der
und als solcher Psalmen.
zugleich
Aschrej
ist
deshalb zu einem vieldeutigen und gelegentlich
vor auch
sinnlosen und unsinnigen Wort geworden, weil die ursprüngliche Gott
Einheit her
der
ihre
Jüdischen
Berechtigung
Hoffnung, hatte,
die
durch
von dem die
einen
Ereignisse,
welche das "auserwählte Volk" in diesem Jahrhundert trafen, verloren gegangen ist. Dennoch hat die Erschütterung einmal
in den
Ablösung
späten Gedichten
oder
Gottes,
Verleugnung
Else
des
nicht
Lasker-Schülers
ihres
bewirken können (vgl. "Mein blaues Klavier",
Jeru-
19^3, darin das Gedicht:
hielt
an
"ihrem
Storchen"
Gott"
bestätigt,
der
eine
Psalmen,
salem
Gottes
"Gebet"). Auch Nelly Sachs
fest, wie das Gedicht
"Zürich,
das Paul Celan ihr gewidmet
Zum
hat. Das
Werk der Nelly Sachs ist durchtränkt von biblischen Motiven und Wendungen, die Gegenstand einer gesonderten Untersuchung sein sollten. Ähnlich gestaltet sich der Versuch Rose Ausländers,
der
abzuringen, auf
die
aus
schon
Sprache der
noch Möglichkeiten
sich
Herkunft
in
der
einem
Autorin
der
Artikulation
kontinuierlichen
niederschlägt.
genannten
Gründen Paradigma der 15 zung mit den Psalmen .
Verweis
Celan
wurde
Auseinanderset-
Ein weiterer Abschnitt wäre jenen Dichtern zu widmen, die Gedichte im Rückgriff auf die Psalmen als Vorlage
verfaßt
"Psalmen" Hülsenbeck dende tielle
haben. Aus dieser
gewählt.
Hier
wären
"Phantastische
Vorlage"
meint
Abdeckung
durch
auch
Gebete")
hier
den
den
stilbildende
"Gruppe" wurden Psalmparodien einzuordnen.
Verzicht auf eine
Autor
und
die
Brechts (Dada,
"Stilbilexisten-
Konzentration
auf die Formanleihe. 15
Eine Psalmen
strenge
und
Ausrichtung
zugleich
eine
an
der Form der
Orientierung
an
biblischen
deren
Inhalten
ist im Versuch einer Aktualisierung der Psalmen zu erkennen. Diese werden hier als Botschaft verstanden. Ihr Appellcharakter und die Einsicht
in die Funktion der Psalmen als
brauchslyrik"
bestimmten die Versuche des
Dichters
Priesters
und
im deutschsprachigen men"
den
Psalmen
Cardenals
der Bibel
Psalmen
eindrucksvoll
Ernesto
Bereich
Beweis
der
die zu
seine
einflußreichen
(Vulgata-Zählung)
vermögen
unter
Cardenal,
höchst
auch
"Psal-
nachdichtet.
Lebendigkeit
stellen.
"Ge-
nicaraguanischen
der
Auch
im
Psalmen deutschen
Sprachbereich löste Cardenal eine Welle von Psalmdichtungen aus.
Während
Absicht
die
steckenbleiben, (die schon gabe
dieser
der
gelingt
es
Versuche
an
ihrer
in der Nachfolge
den
"Psalmen"
guten
Cardenals
Ernst
Eggimanns
1967, also ein Jahr vor der deutschen Erstaus-
"Psalmen"
Gedichten Juhre
meisten
scheitern und überdies
Cardenals,
Dorothee
("Wir
Sölles
stehen
auf
erschienen),
und
dem
dünner
den
religiösen
Psalmenband
Erdenhaut",
von
Hamburg
Armin 1979),
die Gattung glaubhaft zu realisieren. Auch die letzte hier zu nennende Gruppe innerhalb der typologischen
Auffächerung
der
Wirkweisen
des
Buches
der
Psalmen auf die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts kann
nur
lichen
erwähnt
werden. Es handelt
Dichter",
zu
denen
in
der
sich um die Debatte
der
"christfünfziger
Jahre Autoren wie E. Langgässer, G. von Le Fort, R.A. Schröder,
W.
Bergengruen
und
R.
Schneider
gezählt
zu
werden
pflegten, um nur einige Namen zu nennen. Doch stehen diese heute
zu
Unrecht
deren pauschale "christlich" Psalmen, der
in
den
erlaubt,
auch
wenn
klassischen
nicht sie
sie
gebändigten
eruptiven
ist,
sondern eine
an
sich der
so
sehr
erster
Glättung
Dichter,
in der Tradition schreiben,
des geistlichen
Gewalt,
dichterische
in den Tempelbezirk 16
in
gedrängten
eigentlich nur das Etikett
"Psalmen"
Ahnenreihe
orientieren
durch
Hintergrund
Zusammenfassung
Linie die
von
Tradition,
nicht
vielen deren die
sondern
Liedes. an
Form
und
schließlich
in
Formal
der
Psalmen
der
kaum eigen
Inhalt nicht
nach Jerusalem und auch nicht auf die
Wartburg bei Eisenach führt, sondern nach Weimar. Die
Psalmen
des
20.
sind
und
unbewußt
worden.
Die
licher
Grad
in
und
Reichtum
zuletzt
als
Ausgangspunkt allen
Dabei
Zeiten
als
der
des
Wirkweisen den
der
in der
Gedichts und
ihr
unterschied-
die
Jahrtausende
Psalmen,
die
sich
der
von Möglichkeiten,
für
eigene
auf
bewußt
einbezogen
Uber
Reichtum die
ist
Dichtung
Traditionspotential
Gestaltung
kennzeichnen
präsentiert. zu
und
die
Vielfalt
entfaltenden nicht
also auch eine Realität
Jahrhunderts
die
vielfältige
als
dichterische
Wirkung
des
Art
Ansatz
Produktion
Buches,
und
sich
Dichtung
die
Weise
sich
entfaltet
hat, keineswegs erschöpft oder auf eng definierte Bereiche, etwa
den der
Dichtung
Religion oder, wie hier untersucht, den der
beschränkt. Wenn der griechische Dichter Odysseas
Elytis die Komposition seines priesen oder
sei"
Jorge
auch Luis
an der Borges
Zyklus
"To Axion Esti - Ge-
Sammlung der Psalmen
im Vorwort
zu
seinem
ausrichtet Gedichtband
"Lob des Schattens" angibt: "Manches Mal habe ich den weiten so die
Atem sind
der dies
Dichter
Psalmen
oder
Zeugnisse auszuüben
des
Walt
anhaltender das
Buch
der
Whitman
angestrebt",
Faszination, Psalmen
die
auf
imstande
war
und ist.
17
II.
1
"ICH MUß NOCH EINMAL PSALMEN SCHREIBEN." DIE PSALMEN IM WERK BERTOLT BRECHTS
"Nachts Im Orchideengarten Eis gegessen, dann einen Psalm gemacht('Ich weiß, ihr Herz ist schlecht') auf dem Weg, dann bei Gabler Heidelbeeraein getrunken und Psalmen gelesen, dann mit Orge heim." Bertolt Brecht Eintrag im Tagebuch 18.Juli 1920
1.
Einleitung
Der auffallige
Befund eines reichen und beinahe
Vorkommens
"Psalmen"
die
von
im Werk
Brechts
um
Frage nach dem Grund oder den Gründen
exklusiven
1920
erlaubt
für Brechts Be-
schäftigung mit einer vorgegebenen, hier biblischen Form. Wie sich zeigte, in
ihrem
die
sind
Brechts
Experimentcharakter
Produkte
einer
zu
"Psalmen"
erfassen.
kontinuierlichen
Sie
vor
allem
sind
nicht
Auseinandersetzung
mit der Form der Psalmen, sondern ein Experiment, das zeitlich begrenzt ist. Sie sind nicht Ausdruck einer weltanschaulichen
Auseinandersetzung,
die
sich
vor
der
Entstehung,
während der Zeit der "Psalmen" und vor allem nachher grundsätzlicher eine
vollzöge,
wenn
religionskritische
auch
Lesart
einige
seiner
erlauben.
Vor
"Psalmen" allem
wird
die werkgeschichtliche Einordnung der "Psalmen" im Zusammenhang
mit
gewicht
Brechts
Formensuche
bestimmen
dürfen.
um
1920 das
1920
darf
Brechts bezeichnet werden, denn,
als
Interpretationsdas
Psalmenjahr
soweit zu sehen ist, sind
sämtliche "Psalmen" (mit wenigen Ausnahmen) 1920 entstanden. Daß
die
Bibel
Psalmen
ihren
nur
auf
die
etwas
bestätigt 18
als
"Elnfluß"
seine
eines
"Psalmen"
ironisch zu werden,
der
bedeutendsten
Bücher
auf Brecht gehabt haben - und -, braucht
scheinende als
er
gar
Auskunft
auf
nicht
erst
Brechts
eine Anfrage
von
einer
der nicht durch 1928 Illu-
strierten, welches Buch auf ihn den größten Einfluß gehabt 2 habe, erwiderte: "Sie werden lachen: die Bibel!" Neben dem Konvolut der 'Psalmen', vor allem den handschriftlich in ein Notizbuch, das sich heute im Bertolt-BrechtArchiv befindet , eingetragenen 'Psalmen', gibt es bei Brecht Zeugnisse genug, welche die Bibel als Ausstrahlungsphänomen in seinem Werk dokumentieren könnten. Hier kann es nur um einen Ausschnitt davon, um die Psalmen, gehen. "Ich muß noch einmal Psalmen schreiben. Das Reimen hält zu sehr auf. Man muß nicht alles zur Gitarre singen können!" u hält sein Tagebuch am 31. August 1920 fest. Dieser Hinweis gibt Aufschluß Uber Brechts eigenes Psalmenverständnis. Wenn er selbst Psalmen schreibt, so greift er eine Form auf, die er als bekannt voraussetzt und die ihm, im Gegensatz zu anderen Formen, neue lyrische Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet. Die Formsuche und der Rückgriff auf die Form der Psalmen ist im Zusammenhangς mit einer Abgrenzung von zeitgenössischen Formen zu sehen . Brecht hatte wohl die Eintragung vom 31. August 1920 nicht mehr in Erinnerung ("Man muß nicht alles zur Gitarre singen können"), wenn er aus der Distanz unter dem 3.8.1938 in sein Arbeitsjournal einträgt: "..ich schrieb dann reimlose verse mit unregelmäßigen rhythmen. Ich glaube, ich wandte sie zuerst im drama an. jedoch gibt es ein paar gedichte aus der hauspostillen-zeit, die elemente dazu zeigen, die psalmen, die ich zur gitarre sang, sonett und epigramm übernahm ich als formen, wie sie waren, eigentlich benutzte ich nur die mir zu gekünstelt erscheinenden formen der antiken lyrik nicht."6 Die Stelle sollte nicht als Aufhebung oder als Widerspruch aufgefaßt werden, sondern im Sinne einer von Brecht selbst eingeräumten Mehrfachfunktion seiner 'Psalmen', die sich primär gegen die literarischen Moden seiner Zeit richten. (Im selben Eintrag bemerkt Brecht hinsichtlich seiner Balladen: "die bailade war eine uralte form, und zu meiner zeit7 schrieb niemand mehr bailaden, der etwas auf sich hielt.") Für das Entstehungsjähr der Psalmen, genauer für die Sommer19
monate
Juni
bis
September 1920, sind glücklicherweise
buchartige Aufzeichnungen vorhanden, die mit einem
tageEintrag
"Uber diesen Sommer"
abgeschlossen werden:
"Ich habe nicht
viel
geschwommen,
gelesen,
gemacht,
etwas
einiges
nichts
geliebt"; und weiter: "Schlimmer als daß nichts getan wurde, ist, daß viel angefangen wurde. Immerhin sind einige BallaQ
den fertig." genommen
Diese
werden
Eintragung
("nichts
sollte
getan"),
nicht
sondern
zu
Ausdruck der Selbststilisierung des "wilden" und tionellen"
Brecht,
der,
wörtlich
einerseits
als
"unkonven-
z.B.
"aus Mangel an Schundromanen q die Bekenntnisse des Augustinus" liest , dann aber vor allem als Zeichen der produktiven Unruhe um 1920 aufgefaßt werden. Schon zu Beginn
der Aufzeichnungen macht sich diese Unruhe
bemerkbar:
"Mitunter überfällt
vielleicht
zu
primitiv
oder zu wenig
(sie!,
es mich, daß meine Arbeiten
altmodisch
meinem
Gefühl
Einfachheit, G r ö ß e
wie
die
plump
Jüngsten.
und Empfindung
Wesen ihrer Form Kühle. Das ist ich weiß es."
Das
ist
Brechts zur Zeit der
Aber
an
den
Abfassung
der der
Psalmen.
gung
Lesung
von
Else
von
Wohl Lyrik
Brecht
das
ausgedrückt,
theoretische
Erscheinungsformen
Position veranlaßt
eine
ist und
mangelhaft
also
geklärte eigene über
oder
ich doch wieder drauf, daß das Wesen der Kunst
Vf.)
Unbehagen
seien,
kühn. Ich suche herum nach neuen Formen und
experimentiere mit dann komme
und
Horizont eher als
zu einer
Lasker-Schüler:
ein eine
Eintra-
"Ende
der
Woche höre ich Else Lasker-Schüler lesen, gute und schlechte Gedichte,
übersteigert
wunderschön.
Die
Frau
und ist
ungesund, alt
und
aber
im
abgelebt,
einzelnen
schlaff
und
Biographie
ist
unsympathisch."* * Der so von
Zusammenhang stark,
daß
Brechts
der seine
"Erlebnis"
Hinsicht
sind
daß
inhaltlich
sie
Eintragungen der
die im
Der
mit
"Psalmen" zu
Psalmen
sein ein
Brechts
oft
genug
scheinen. Teil
von
autobiographisieren,
Tagebuch
Psalmensprache
werden.
Psalmen
"psalmodieren",
nachempfundenen
biographische
Umschreibungen Auch
1920. so
d.h. der
dieser
Nicht
wie
Parlando
Anhaltspunkt
in
nur,
auch in
die
einem
festgehalten Faszination
Brechts durch die Psalmen schlägt sich in eigener Produktion 20
von
Psalmen
und
im
Tagebuch
nieder.
die Bibel auf Brecht
1920 ausübt,
Brechts
der
Einbeziehung
Psalmen
Die
Faszination,
ist die
die
"Grundlage"
für
in seine Experimente
mit
literarischen Formen: "..gewisse Bibelworte nicht totzukriegen. Sie gehen durch und durch. Man sitzt unter
Schauern,
die einem, unter der Haut, den Rücken lang herunterstrei12 chen, wie bei der Liebe." Die Psalmform ermöglicht Brecht sodann ist.
die Die
Aussprache Ineinssetzung
Ebenen wird einem
eines
an
grauen
Brechts
Ich,
welches
literarischer Psalmen
Sonnenschirm,
dann
Brecht
und
sichtbar: laufen
selbst
biographischer "Cas
wir
malt
unter
Tee
heim,
zum
den Bi mit uns nimmt. Nachts im Orchideengarten Eis gegessen, dann einen Psalm J
gemacht
Psalmen
dem
("Ich weiß,
Brechts
der Augsburger (München
Berlin
und
dann
gehören
bei
ist
schlecht")
nach
Gabler
Augsburg,
an
das
Ende
Zeit. Sie fallen in eine Zeit des Übergangs
und der Ablösung, burg
Weg,
ihr Herz
Heidelbeerwein 14 getrunken und Psalmen gelesen, dann mit Orge heim." Die
auf
nach dem Ersten Weltkrieg, noch in Augs-
als
vor
Nebenschauplatz
der
Sie
tragen
im
das
mittels
der
eingeschlossen) ,
weltanschaulichen
Parlando
Fixierung
autobiographisches
Psalmform
poetisiert
Material
wird. Das
vor
Brechts. vor,
Experiment
mit den Psalmen ist zeitlich begrenzt und wird, ohne sichtbare Folgen im Werk selbst daß
einmal
es
(wenn man von den entstandenen
absieht)
gescheitert
aufgegeben.
wäre.
Die
bestätigt
die
katalysierende
wichtigen
werkgeschichtlichen
Das
Fülle Kraft
heißt
der
der
Psalmen
aber
nicht,
Psalmproduktion
Psalmen
Phase Brechts. Die
in
einer
Übernahme
von drei Psalmen in die letzte Umarbeitung der "Hauspostille" an
dokumentiert seiner
mit
dem
historischen
Psalmenproduktion
zugleich
Interesse dessen
Brechts
Einschätzung
seiner Psalmen als Produkte einer Experimentierphase.
21
2.
Die in den "Gesammelten Werken" enthaltenen Psalmen Brechts
a)
"Vision in Weiß"
Dieser
Psalm,
erscheint
der die Überschrift
"Vision in Weiß"
trägt,
der Ausgabe d e r " G e is sammelten Werke", Band IV, als dritter Psalm In der erst-
mals
in der Gruppe der
1982
Liebe"
erschienenen
wurde
gestellt, In der
Ausgabe
"Brechts Gedichte über
die
ist die "Vision in Weiß", im Anschluß an das Notiz-
buch, der 1. P s a l m ^ . Werke"
"Psalmen"
eine
die
Für
die
Auswahl
der
nicht
letzten von
besorgten
Ausgabe
der
Vorlage
Brecht der
Ausgabe Psalmen
und
der von
des
"Gesammelten 1920
zusammen-
Notizbuches
folgt.
seinen Mitarbeitern
selbst
"Hauspostille"
erscheinen 17erstmals als "Vierte Lektion" "Psalmen und Mahagonnyges&nge" Die dort aufgenommenen drei Psalmen tragen "Erster
Psalm",
"Zweiter
Psalm",
die
"Dritter
Uberschrift Psalm". Diese
Numerierung entspricht freilich den Bedürfnissen der letzten Fassung des sind
der
"Hauspostille",
Notizbuches der
ab.
weicht
"Zweiter
neu numerierte
aber
Psalm"
von
und
der
Zahlung
"Dritter
und umgearbeitete
Psalm"
"14. Psalm"
und
"16. Psalm" der Psalmen des Notizbuches, wie aus dem 18 Supplementband 2 zu den "Gesammelten Werken" hervorgeht . Wichti19 ger als die Numerierung der Psalmen dürfte die werkgeschichtliche
Einordnung
sein:
Wie
fast alle als
"Psalmen"
gekennzeichneten Gedichte Brechts ist auch der von Brecht mit der Überschrift "Vision in Weiß" versehene Psalm 1920 20 entstanden Schon der
Titel
evoziert
einen
sakralen
Rahmen.
"Vision"
führt als Wortschatzanleihe auf einen vorsäkularen Ursprung. Die
Verbindung
der
"Vision" mit der Farbe
"Weiß"
verdeut-
licht das Umfeld der Formulierung als kirchlich-liturgisches "Vision in Weiß" könnte die
Kurzformulierung
einer "Er-
scheinung", einer Marienerscheinung etwa, sein. Außerdem innert die übliche 22
Überschrift
liturgische
an
eine
Farbangabe.
in der katholischen So
ist
"weiß"
er-
Kirche
reserviert
für b e s t i m m t e T a g e u n d A n l ä s s e , d e n W e i ß e n S o n n t a g , ca
in
albis",
eröffnet bleibt zu
ein
wie
genannten
"Psalm"
der
"Ich
soll
in e i n e
ausgerottet
Weihrauch
Ich,
ist.
wird
das
Gedichts
die
Situation
werden"/
ich
als
von
lebensgefährliche
erwache
Vorerst
des
durch
Aktivitäten
ausräuchern
nung p r ä s e n t i e r t . . . " /
genannt
Inhaltsebene
"Nachts
"Domini-
Assoziationsspektrum
Gattungsbezeichnung
bedrängten
Gestalten
vorgeführt: mit
Dieses
bezeichnende
ist, mich
Auf
und
zu
das
die
ist.
bedrohten
stellungen"
Beispiel.
Gedicht,
offen,
verstehen
eines
zum
"Nach-
"Erzengel" Lage
geraten
schweißgebadet..."/
"Ich
argwöhne:
wollen"/
man
wird
"Es w i r d die
Rech-
"Ich k a n n n i c h t b e z a h l e n " / "Die E r z e n -
gel
klatschen". 21 Der erste V e r s des vielfältiger Psalmen.
nur
ein
der
könnte
sich
Sie
die
auf
stellen
sprachliches
Bereich
bietet
Verwiesenheit
der
So
Psalms als
Gerüst
dichterischen
von
einem
das
Anhaltspunkte
literarische
stilbildende bereit,
Aussage
Nachdichten
sondern
sind
übernommen: gesprochen
den
integriert.
werden,
ließe
mit d e n K o n s t i t u t i v e der im Liber P s a l m o r u m
zusammengefaßten
des
erweisen. vorerst
weiteren
Diese
offen
Werks
Frage
Brechts
auszuschließen.
ist
die
bestimmende
den
biblischen
muß
der
oder
wenigstens
wenigstens
im
die
Sinne
Blick
dieses
dieser
Psalmstrophe
wird.
ebenfalls
die
Psalmen
offen
Kontrafaktur, nach
einer
Die
angebotenen
als
Parodien
Kontrafakturen i m m e r h i n als
m i s c h u n d in ihrer A b s i c h t a l s d e s t r u k t i v e s P o t e n t i a l s i n d , w e n n ü b e r h a u p t , erst
genaueren
zu
diese
bleiben.
zumeist
als
hier
W e l c h e r Art
Brechts gelegentlich
diese
Ge-
Ubereinstimmung
festzuhalten,
parodistisch, einer
auf
Interpretationshorizont
e i n e solche
unterhalten
vorerst
als
im
im
Hinsichtlich
"Psalmen"
Verständnishilfen,
ist
Beziehung
Psalmen
ist,
hinsichtlich
muß
bleiben;
freilich
Beziehung
Textes
nicht in
übereinstimmend
Psalmen
des
Vorbild
Vorlage
als
dicht
Intentionalität
schon
oder poledeuten,
Kenntnis-
n a h m e d i e s e s P s a l m s sowie a l l e r P s a l m e n B r e c h t s zu bemühen. Sieht
man
di e
Psalmen
im
Zusammenhang
einer
Zweistufig-
keit d e r W e r k g e s c h i c h t e B r e c h t s , so sind sie als
Produktion
u m 1920
dessen
Ausdruck
"Baalschen
Lebensgefühls",
zu
Be23
standteilen
metaphysische 22 H a l t l o s i g k e i t bzw. " t r a n s z e n d e n t a l e O b d a c h l o s i g k e i t " gehören.
Die
Brechts
Verhöhnung
Psalmen
werden
unsicherer
Wendung
in
überkommenen,
hier
Ausdruck
"vorwissenschaftlich". als
des
die
eindimensional
der
Deren
Parodie
Kritik
am
gelesen
"Bodenlosigkeit" aufgefaßt.
als
"System",
noch
wird
Angemessen
dann
wäre
es
a l l e r d i n g s , die P s a l m e n B r e c h t s zuerst als P s a l m e n zu l e s e n u n d nicht v o n A n f a n g a n als d e r e n G e g e n t e i l . Inwiefern einem
ist
dieser
biblischen
sehen?
Welche
Psalm
Psalm
oder
Brechts
im
mit
Buch
Anhaltspunkte
dem
stellt
Zusammenhang der
dieses
mit
Psalmen
zu
Brechtgedicht
bereit? S c h o n die e r s t e nur
Zeile
Zeitangabe,
biblisch
stellt d e n Bezug her. "Nachts",
sondern
gesehen,
die
metaphorisierender
gottferne
Zeit,
d e s Lichts u n d so des T a g e s ist
. Er
der
Finsternis
Nacht
der
Ruhe
vom
den
Psalmen
das
nicht
Tag.
Die
bekannt:
zur
ausgesetzt. Hals,
geschieden.
Ruhe
Die
Situation ein
Ich,
kommt,
Schlaflosigkeit,
enge
Kammer
Jahwe das
ist
des
das
den
da
hat
aber in
von
auch
Zeit
daß hier
ist
aus
wälzt,
eines
schweißgebadet,
- k e i n Zweifel,
Gott
Licht
Sorgen
Anfechtungen
ist,
ein
Brechtpsalms
sich
nicht
Hinweis,
"außen"
eingeschnürter im "Stil
von.."
g e s p r o c h e n w i r d . A u f g e g r i f f e n ist das M o d e l l des " v e r f o l g t e n 24 Ich", d a s die P s a l m e n b e r e i t s t e l l e n . Dessen Situation ist auf
die
wird
Situation
prinzipiell
Überschrift, ist
diese
Szenarium
des im
die
als
Verfolgung
entsprechenden
im
Psalm
Psalmen
des
richt
bekannte anderem:
Ich
und der
Kontext
dieses
Psalms
vorzustellen,
der
Psalmen.
s c h o n aus dem
Karfreitagspsalm "Viele
übertragen Im
ist,
als
Wie
Stiere
22
dienen.
umgeben
das
in
es um L e b e n u n d T o d . Zur
stration mag der Brecht gewiß unter
Titel
dramatisch
geht
Brechts
durchgehalten.
gleichzeitig
Situation der
Ich
Gedicht
den
Illu-
ReligionsunterDort
mich,/
heißt
Büffel
es von
B a s c h a n u m r i n g e n m i c h . / Sie s p e r r r e n g e g e n m i c h i h r e n R a c h e n auf, wie Herz
reißende, Wasser,/ ist
brüllende
gelöst
haben
Löwen./ sich
all
Ich
bin
meine
hingeschüttet Glieder./
i n m e i n e m L e i b wie W a c h s z e r f l o s s e n . /
Meine
Mein Kehle
ist t r o c k e n wie eine S c h e r b e , die Zunge klebt mir am G a u m e n , 24
du legst mich in den Staub des Todes./ Viele Hunde umlagern mich..." J Freilich sind es im Brechtpsalm keine Hunde, sowenig Psalm 22, 17a wörtlich zu nehmen ist, sondern bei Brecht sind es als "Erzengel" bezeichnete Wesen, die die Funktion von Racheengeln einnehmen. Was das für "Erzengel" sind, wird noch zu fragen sein. Das gleich zu Beginn des Gedichts eingeführte "Ich" ist, von den Psalmen her gesehen - und diese Perspektive sollte schon wegen der durch Brecht gewählten Gattungsbezeichnung, die dem Gedicht vorangestellt ist, erlaubt sein -, das verfolgte Ich, der einer feindlichen Übermacht ausgesetzte Einzelne der Psalmen. Der bedrängte Gerechte der Psalmen wird hier in Konfiguration zum verfolgten Ich des Brechtgedichts. Wie in den Psalmen sagt
sich das
Ich bei Brecht mittels der Außenwelt aus. 26
Die "Konkreta" bilden in den Psalmen ein Instrumentarium zur Beschreibung innerer Vorgänge und seelischer Zustände. Die Aufzählung der das Ich umgebenden Elemente der Außenwelt ist Illustration seines Innenlebens.27 Die Modi, die den Zustand des "Herzens", hebräisch 'leb' , skizzieren, stellt die Außenwelt bereit. Eine möglichst große Versammlung von Dingen der Außenwelt ergibt einen möglichst genauen Einblick in den inneren Zustand des Ich. Dieses "Verfahren" scheint auch in der "Vision in Weiß" gewählt zu sein. "Schweißgebadet", "Schlaflosigkeit", "Husten", "eingeschnürter Hals", "zu enge Kammer" beschreiben die innere Situation des Ich "konkret". Der dem gesprochenen Wort folgende Satzbau des Brechtpsalms entspricht der Vorgabe des Psalmtyps und, hier wie dort, der Situation des in Gefahr befindlichen und sich im Augenblick der Gefahr, die zumeist Lebensgefahr ist, artikulie28 renden Ich . Dieses Ich wird, wie das verfolgte Ich der Psalmen, keine Zeit zu verlieren haben. Daher wird es schnell und abgebrochen, gewiß hektisch zu sagen versuchen, was es bedrängt. Entsprechend wird auch bei Brecht kurzatmig und in knappen Sätzen oder Satzpartikeln gesprochen: "Ich weiß es", "Ich soll ausgerottet werden", "Ich ersticke", "Ich kann nicht bezahlen", "Lieber sterbe ich". Wie in der hebräischen Vorgabe scheint das Gedicht von Brecht 25
keine
eigentlich
oder
einhalten
sich
aus
des
logische
zu wollen.
immer
neuen
vielfältigen
die
Abfolge
Kontinuität
Die
der
Abfolge
Anläufen
zur
Nachstellungen eines
Gedanken der
Strophen
ergibt
Situationsbeschreibung
ausgesetzten
gefährdeten
einzuhalten
Ich
Ich.
stellt d e n
Einzig
Zusammen-
hang der e i n z e l n e n S t r o p h e n sicher. Das G e d i c h t , e i n folgt hier sehr
genau
des P s a l m i s t e n
dem
Vorbild
der
Psalmen.
folgt n i c h t d e n G e s e t z e n der
'Psalm',
Das
Denken
abendländischen
L o g i k . N i c h t die D e d u k t i o n , die l i n e a r e A b f o l g e der G e d a n k e n , sondern
das
Umkreisen
des
Gegenstandes
und
das
N ä h e r n v o n v e r s c h i e d e n e n S e i t e n her e r s c h l i e ß t se
den
des
Kern
sechs
Strophen
'Psalms' n i c h t im Sinne des K a u s a l z u s a m m e n h a n g s
nachein-
ander,
einer
sondern
Sache.
So
eigentlich
versuchen
die
gleichzeitig
- doch diese
n i s c h e n M ö g l i c h k e i t e n b i e t e t das m e n s c h l i c h e - die w i c h t i g s t e n E l e m e n t e d e r Ich
Sich-ihm-
möglicherwei-
zu
nennen.
welches
der
Parallel
Sprechen
des
Vorgangs
weit
mehr
als
ein
Grundzug,
die
Not
mittelbar
gegenwärtig,
bloßes
des
Stilmittel
bedrängten als
spricht der p r ä s e n t i s c h e
Verfahren,
"jetzt"
Distanz
ist,
der
zu
Psalmen
schildern.
schaffenden
wird
Modus.
nicht
Das
ver-
Psalmen,
nämlich als Dem
D u k t u s d i e s e r G a t t u n g der
den auch Brecht übernimmt. Hier einem
Ich
dieses
entspricht,
w e n d e t " V i s i o n in W e i ß " e i n e n w e i t e r e n G r u n d z u g der der
nicht
besonderen Gefährdung
zu d i e s e m p r i n z i p i e l l e n
Unmittelbarkeit
tech-
den unent-
Psalmen,
"erzählt"
Vergangene,
in
insofern
es B e s t a n d t e i l des L e i d e n s des Ich ist, w i r d als nur
schein-
bar
in
Vergangenes
Erfahrung
des
durchschaut
leidenden
und
bzw.
Die e r f a h r e n e G l e i c h z e i t i g k e i t gen und modus hier
Leiden
wird
überführt. und
in
aufgreift, Sprechen,
Brecht
weiteren mit
der
Ich
Summe aller
von seiner
Nachstellun-
ihm
Verfahren
so
bezeichneten
Vorliebe
für d a s
Lyriker
von
AussagePsalmen "Psalmen"
"natürliche"
der
26
Schreiben
der
der
dem
ein
dieses
der
festgehalten.
dem
kommen
für
verfolgten
Gewesenes
das 29 R h y t h m u s n a t ü r l i c h e n S p r e c h e n s folgt, z u s a m m e n h ä n g e n . Tat
also
als
in e i n e n s t r e n g p r ä s e n t i s c h e n
Daß
dürfte
ist
Brecht,
Gedichten,
der
um
1920
auf
In
Suche
nach
neuen 10
sehr e n t g e g e n nach
einem
Ausdrucksformen
. Verwandt
"gestischen
damit
ist,
ist
Sprechen",
biblischen Beispiel illustriert
hierin
auch
das
die
Brechts
er
Psalmen Forderung
selbst
mit
einem
.
Die bei o b e r f l ä c h l i c h e r B e t r a c h t u n g s c h e i n b a r nur32 als S t i l m i t t e l der P s a l m e n - a l s o im Sinne v o n " M a t e r i a l " J verwandten
"Besonderheiten"
funktional
von
den
Brecht und seinen sen
bereit.
Brechtpsalms
Psalmen
'Psalmen'
Präsens,
Potentials.
her
zu
einer
Die
Situation
grundlegende
v o r a u s l i e g e n d e Rtlckbeziehung d i e s e s lichen
Duktus
der
Psalmen
in ihrer Intensität
kirchlicher,
stellen
Aussagewei-
Gleichzeitigkeit, sind
und
durch
Realisierungen
diesen
Aspekten
das
Brechtgedicht
und
Begrifflichkeiten,
den
Vorbildcharakter
biblische,
und
Dokumente
belegen.
Dieser
und
die der
gegebenenfalls
genannten
b e l e g e n im w e i t e r e n e i n e n
theologischer
zeitig
oben
Diese
neuer
dokumentiert.
lungen
dem
vielmehr
'Psalms' auf d e n s p r a c h -
wird
A l l e s i e b e n S t r o p h e n des G e d i c h t s Gebrauch
sind
sehen:
ein Potential
Unmittelbarkeit,
die k o n k r e t e E r f a s s u n g dieses
des
biblischer
zusätzlich Psalmen
bzw.
als
liturgische
nachgeordnet.
und Er
gleich-
sprachliche, kirchliche
Beziehungsbereich
durchaus
Vorstel-
ist
jedoch
ist
faßbarer
als d e r B e r e i c h s p r a c h l i c h e r R e a l i s i e r u n g und somit
bestimm-
b a r e r . H i e r , im B e r e i c h i s o l i e r t e r A u f n a h m e v o n T h e o l o g u m e n a , Material
und
Gerätschaft
aus
dem
kirchlichen
Arsenal,
ist
die Frage n a c h e i n e r P a r o d i e d u r c h a u s am P l a t z . In A n l e h n u n g a n R o t e r m u n d s U n t e r s c h e i d u n g wäre g e g e b e n e n f a l l s v o n p a r t i a ler P a r o d i e zu sprechen"^ "Erzengel", "Leiber",
"Ich
"Himmel",
argwöhne", befragen,
der
"Vision
Alten
also in
sind
Testament
"ich
"Kalk",
zu
Hofstaates,
. In d i e s e r H i n s i c h t sind es",
"Weihrauch",
Geliebten",
Kontext
weiß
wird
Im
zu
die
werden",
Rechnung Teil
des
Repräsentanten
Testament
obwohl
der
gewährleistet
präsentiert" Wortmaterials biblischen
des
göttlichen
erst im N e u e n
Sachzusammenhang
ist.
Engel
"ich "meine
d.h.
die u n t e r d i e s e m N a m e n a l l e r d i n g s auftreten,
"Vision", geliebt",
"tödlich",
ursprünglichen,
hohe
viel
ausgerottet
wesentlicher
Weiß".
Erzengel
soll
habe
"Weihwasser",
"Es
ein
"ich
sind
mit als
dem Boten 27
Gottes ( hebr.'malak', schen strenger
griech.'angelos*)
monotheistischer
überbrücker
Transzendenz
zwi-
und den Men-
schen. Sie werden zu Beschützern von Völkern und Individuen. Die Engellehre (Angelologie)
weist
Aufgaben
die
zu.
Die
Erzengel,
den
in
Engeln
der
vielfältige
"Vision
in
Weiß"
erscheinen, sind nicht in ihrer Funktion als "Schutzengel", sondern eher als apokalyptisch vorzustellen. aber
Engel
präfigurierte
"Racheengel"
In einem säkularisierten Sprachgebrauch
längst
zu
Gestalten
der
Verführung
im
sind
Bereich
erotisch-sexueller Libertinage geworden. Gerade diese erotische Dimension stimmt.
Die
ist es, die den Horizont
Erzengel
in
diesem
dieses
Psalms
Brechtgedicht
sind
be-
keine
Erzengel mehr, sondern Bestandteile eines Szenariums, dessen Protagonist dem
das
"lyrische
Zusammenhang
tragenen
mit
Psalmen
Ich"
den
ist,
welches
anderen als
Brechts
als
man
hier
"Ich-Psalmen"
aus
vorge-
autobiographisierendes
Ich
lesen darf. Der an "Erzengel" anschließende Satz fügt sich konsequent es:
in
die
Sprechweise
dieses
ich habe zuviel geliebt." Hier
Ich
ein:
"Ich
ist freilich der
punkt der neutestamentlichen Botschaft zu einer
weiß Höhe-
gegenläufi-
gen Aussage umformuliert und, wie sich zeigt, auch umfunkioniert.
Hier
spricht
Selbsterkenntnis,
das
der
Ich wie
zugleich
in
einem
Augenblick
Schuldbekenntnis
ist.
der "Ich
habe zuviel geliebt" wird hier, in dieser, wie schon gesagt, als
höchst
Hauptsünde
bedrohlich einer
vorzustellenden
umfassenden
habe zuviel geliebt" ist stamentlich
als
Sünde
Situation
Beichte
zunächst
quasi
bekannt.
Das
die Umkehrung des
deklarierten
"zu
wenig
als "Ich
neute-
geliebt".
Außerdem ist auf das Wort Jesu angespielt, der der Sünderin viele Sünden vergibt, weil sie viel geliebt hat denbekenntnis" der Bereich
dessen,
"lieben" meint, doch
ist
"Liebe" einer habe
in
das
Neue
hat
dieses
Weiß"
befremdet,
Testament
Bekenntnis
mit
hin
formuliert.
Magdalenensituation zuviel
geliebt" Horizonts
und
Daß
hier
erkannt
keinen
gesagt und
dieses
Verhalten
Sinn.
Und von
wird,
wie
im bzw.
Begriff
bekannt
unter Beibehaltung
denn
"Liebe"
es gerade auf den neutestamentlichen
mentlichen 28
"Vision
was
. Das "Sün-
besser: wird:
des
eine
in "Ich
neutestaSünde,
ja
wie
eine
Todsünde
vorgetragen
wird,
denn
ja gerade aufgrund dieses "Verbrechens"
das
"Ich"
"ausgerottet"
ist ü b e r h a u p t erst m ö g l i c h , w e i l "geliebt" i n e i n e m nicht wie
neutestamentlichen, durch
deutigen füllt", wird
den
Sinn
anschließenden verwandt
wie
das
nunmehr wie
des
Confiteor
wird.
wiederum
das
im
der
Satz des
expliziert habe
"Ich"
Uberhaupt
nimis
römischen
ein-
Leiber
fortgeführt
als
"zuviel",
verbo
et
in d r e i f a c h e r
ge-
wird,
Kontext
ist d i e s e s
cogitatione, Messe
und,
wird,
zuviele
neutestamentlichen
akzeptabel.
"peccavi
werden,
anderen,
umgangssprachlichen
"Ich
Bekenntnis
Sündenbekenntnis das
sondern
soll
opere"
Beteuerung
e r s c h e i n t , im A n s c h l u ß a n die k a t h o l i s c h e P r a x i s des S ü n d e n bekenntnisses
gebildet.
ments
indes
von
bietet
Brecht
Lesens.
so
gern
"Liebe"
ist
auch
hier
mit
den
sche
des Neuen
Ausgangspunkt
aufgenommene
Möglichkeit Wiedergabe
deutsche
'agape'.
'philia'
Testaments
den
die
mentlich-griechisches Wort
Die S p r a c h r e g e l u n g
selbst
und
'eros'
Möglichkeiten,
bereitstellt.
Vorgehensweise.
Doch die
das
einer
Vokabular
indes
nicht
auszumachen
gleichen des
kirchliche lierte
Was
übrig
Lehrsätze
Wahrheiten
Sie d ü r f t e n
bleibt, an den
voraussetzt,
zuviel
an
die im
über-
gerückt? Testament
Erinnerungen
Katechismus
katholischen
an
formu-
Beichtspiegel.
die Folie a b g e b e n , vor der das "Ich" des P s a l m s
sein "Sündenbekenntnis" Nachdem
sind
("Dogmen"),
sowie
ginge
ist. A b e r was w i r d , w e n n
Die P s a l m e n a n d i e s e r S t e l l e gewiß n i c h t , d a s Neue nicht.
Neuen
parodisti-
h a u p t , p a r o d i s t i s c h im "Psalm" Brechts in d e n Blick auch
spielt
sprechen,
a l l e r d i n g s zu w e i t , d a e i n e solche eine V o r l a g e die
neutesta-
dem Brecht
zu
hier
mehrdeutigen
ist das eine
Parodie
Testa-
die
für
mit
übersetzt.
Vielleicht
Von
wird
für
anhand
von
geliebt")
ausspricht.
zwei
die
Beispielen
Möglichkeit
("Erzengel"; isolierten,
"Ich d.h.
habe hier:
die G l o b a l i n t e n t i o n d i e s e s "Psalms" nicht
beeinträchtigenden
parodistischen
bleiben
genannten auf Gewiß
Vorgehens
weiteren
biblische handelt
oder es
erwogen
Beispiele. kirchliche
sich
wurde,
Deren
die
oben
Reduktionsmöglichkeit
Quellen
i n a l l e n F ä l l e n um
sei
kurz
bedacht.
"Wortschatzanlei-
h e n " , die aber d u r c h g ä n g i g einer U m f u n k t i o n i e r u n g
unterzogen 29
wurden. Die Tendenz zur Umfunktionierung wäre als isoliert parodisierender Zugriff zu kennzeichnen. Der Herkunftsbereich von "Vision" wurde schon skizziert. Diese Art von Vision, wie sie im "Psalm" (und als Psalm) vorgeführt wird, ermöglicht keine Begegnung mit der Transzendenz, sondern nur mit den Grenzen der irdischen Liebe. "Leiber" ist denkbar als Abwendung von der neutestamentlich-paulinischen IC "Leib"-Konzeption . Im Kontext mit dem vorangehenden "Ich habe zuviel geliebt" wird diese Vermutung zur Wahrscheinlichkeit. "Himmel", ein Leitwort der Lyrik des jungen Brecht η ZT , ist ein anderer Himmel als jener Himmel, von dem Jesus 37 im Matthäusevangelium spricht . Und doch ist auch noch der "orangene Himmel" Brechts auf der Folie des biblischen und kirchlichen Himmels zu lesen. "Ich soll ausgerottet werden" ist als eine auf das "Ich" bezogene Aussage hyperbolisch formuliert. Das mit einer Ausnahme biblisch exklusiv auf alttestamentliches Vorkommen beschränkte Verbum "ausrotten"Psalmen ist meist kollektive Größe hingegen bezogen, finden so in η O. Inauf den den eine mosaischen Gesetzen sich extensiv Formulierungen, die mit jener Brechts verwandt 39 sind . So hat das mosaische "Dessen Seele (bzw.: Der...) ...soll ausgerottet werden" schon formelhaften Charakter. Brechts "Ich soll ausgerottet werden" wird sich aber nicht so sehr auf die Vorgabe des Alten Testaments beziehen, sondern auf eine inquisitorische Verfahrensweise, auf einen Rechtsakt, der an jenen Sündern vollzogen wird, die durch ihr Tun ihr Leben verwirkt haben. Freilich wird dieses "Ausrotten" unter Berufung 40 auf göttliches Recht und auf göttliche Verfügung vollzogen ."Weihrauch" und "Weihwasser" sind jeweils Bestandteile kultischer Handlungen. Obschon für den Weihrauch kultischer Gebrauch im Alten Testament belegt ist 41 , hat Brecht hier wohl das katholische Vorbild im Blick. Wie wir wissen, war Brecht gerade von 42 gewissen Aspekten der katholischen Liturgie fasziniert 43 "Meine Geliebten ist als paulinische Anrede geläufig , die oder der Geliebte, jeweils im Singular, sind die Protagonisten im Hohenlied der Liebe. Hier bei Brecht treten diese irdischen Geliebten als Gruppe auf und "bringen ein 30
bißchen der
Kalk
mit".
Ausrottung
werden der
zu
ist b i b l i s c h e i n e r s e i t s
belegt,
Kalk
so
bei
verbrannt"),
Ubertünchung
Bei Brecht
Kalk
(33,12:
andererseits
(der G r ö b e r )
steht der Kalk
Jesaja im
im "Die
im
Sinne einer
Kontext Völker
Zusammenhang Beschönigung.
im T o d e s k o n t e x t : hier im G e d i c h t ,
aber a u c h in der d r i t t e n S t r o p h e der "Ballade v o n der ellen Hörigkeit",
die
schon unterm Galgen/ kalken...".
Auch
weißgescheuert
so beginnt: der Kalk
in
und
den
die
sexu-
"Da steht n u n e i n e r
fast
ist s c h o n g e k a u f t , ihn e i n z u -
Tagebüchern:
Betten
"
Wenn
reinlich
die
sind,
Kammer
so .sind
in
den Betten Seuchenkranke gestorben...Wir riechen nach Kalk.." 14 steht 1920. auf
der
"Es
die
einer
Kalk
wird
im
die
Vorstellung,
aufzählenden
schieden
wird.
Todeskontext
Rechnung wonach
dinglicht-materiellen Brecht
durch
beim
Abrechnung
Allerdings "Ich
jungen
Jüngsten
Uber
ist
Ebene kann
des
präsentiert."
um
Gericht
ist
in
Form
d a s H e i l der S e e l e
ent-
dieses
stark
auf
angesiedelte
nicht
Brecht
Angespielt
einer
ver-
das
bei
Bild,
bezahlen"
vervollständigt
w i r d , k e i n e s w e g s g e e i g n e t , w e n i g s t e n s in der V e r s i o n B r e c h t s , ernstgenommen "Ich" um
in
der
diesen
habe
zu werden.
zuviel
nicht
Pose
Zustand
des
soll
armen
aufzuheben.
geliebt",
bedauern.
Das
kann
Bedauert
es
Sünders Das
nicht.
Wenn
erscheint,
das
so
nur,
"Ich", das bekennt:
"Ich
diese
wird
auch
"Sünde"
nicht
nur
in der
Wirklichkeit Umstand,
daß
"es aus sein soll d a m i t " . Die
"Vision
i n Weiß"
stern
vor,
sion"
beginnt
:
"Nachts
die
das
führt das E r s c h e i n e n v o n
"Ich"
mit
dem
erwache
ich
dieses
Psalms
Aufwachen
-
aus
schweißgebadet
am
Nachtgespen-
bedrohen. einem
Die
"Vi-
Alptraum?
Husten"
und
mit d e m A l s - o b - V o l l z u g e i n e s T o d e s u r t e i l s , d a s wohl
-
endet
zusammen-
fällt mit d e m e r n e u t e n E i n s c h l a f e n , n a c h d e m die
Nachtgespen-
ster
-
verschwunden
sind:
"Lieber
sterbe
ich.
m i c h zurück. I c h schließe die A u g e n . Die E r z e n g e l Nachdem sind, sein nur
deren scheint, im
Blick
eine
Reihe
von
parodierende wobei auf
Elementen
Wirkung
festzuhalten
die
Psalmen
Ich
lehne
klatschen."
des Psalms
genannt
durchaus
plausibel
ist,
im
daß
Nachgeordnetes
m ö g l i c h e r P a r o d i e r u n g w i r d , bleibt die Ü b e r l e g u n g ,
zu
einzelnen Gegenstand inwiefern 31
die
Psalmen
haben. tur
zur
Entstehung
Es
"1.
Psalms":
wird
griffen.
der
Dieses
wesentlichen Ich,
Gedichts
beigetragen
Im w e s e n t l i c h e n sind es z w e i M o m e n t e , die die S t r u k -
des
"Vision
auf die P s a l m e n im Sinne 1.
dieses
das
Psalmtyp Modell
des
mit
Weiß"
bestimmen
verfolgten
wird
übernommen,
durchaus
in
und
einer V o r l a g e z u r ü c k z u f ü h r e n nicht
um
dem
die Ich
Gerechten
parodiert,
Situation
des
Autors
die
sind: aufge-
sondern
des
im
lyrischen
Brecht
in R e l a t i o n z u b r i n g e n ist, h ö c h s t a n g e m e s s e n zu
um
1920
illustrie-
ren. 2. D a r a u s ergibt s i c h e i n e n g e r A n s c h l u ß a n die
sprach-
liche S t r u k t u r s p e z i e l l e d i e s e s P s a l m t y p o s sowie eine O r i e n tierung die
an
Brecht ment ist
der
Psalmen aus
Sprache
werden gesehen
in
"Psalm"
der
Psalmform geht
im
Doch
die
deren
mit
unter
Formen
Umgehung
und
Perspektive
Da
es
Brecht
klassischer
Muster den
zu
Suchens
im
Anschluß
Psalmen
-
nach
andere
Form
-,
- e i n e M ö g l i c h k e i t der A r t i k u l a t i o n beliebige
Handhaben
als
auch
Strukuren
der
zeitlichkeit, Weise.
Durch
bewältigt
findet
die
Übernahme
in
der
Kommentar,
sondern
auch
Einbeziehung zeitweise
s o w o h l der Zeichen
seinem
Form
hier
Elemente
der
P s a l m auf
der
Psalmen
E x p e r i m e n t n i c h t zu e i n e m m ü d e n , i r o n i s c h e n , zynischen
er und
Traditionen
deren
Tradition,
Brecht
Ent-
bereitstellt.
des Materials, der
der
Experimentie-
Formen
in die d i c h t e r i s c h e P r o d u k t i o n Brecht - w e n i g s t e n s Das
bei
dichterischer
(expressionistischer) an
als
Instru-
s i c h zu der Zeit der
zeitgenössischer
den
Weg
des
Autor
als
s t e h u n g d e r m e i s t e n P s a l m e n in e i n e r Phase d e s rens
Nicht
vom
Verwendung
Erweiterung
- er befindet
-
auch diese
nachgeordnet. um
allgemeinen.
sondern
Instanzen.
diesem
Möglichkeiten
Psalmen
- mißbräuchliche
hierarchischer
Aufnahme
der
entlarvt,
Spätgenuine
gerät
das
parodistischen,
verwirklicht
sich
Neu-
b e l e b u n g , p r o d u k t i v e A n v e r w a n d l u n g der P s a l m f o r m und d a r ü b e r h i n a u s eines b e s t i m m t e n P s a l m m o d e l l s . Da B r e c h t das che
Sprechen"
liebte,
nachahmenswertes Umsetzung chen sind 32
in die
nicht im
fand
Beispiel lyrische
entgegen,
allgemeinen
er
in
natürlichen
den
"natürli-
Psalmen
Sprechens.
ein
Dessen
Form steht d e m m e n s c h l i c h e n S p r e -
sondern der
gerade
folgt
ihm.
Parallelismus
Seine
Kennzeichen
Membrorum
und
ein
plastisch-realistischer Fall
des
weiteren
Sprachmodus,
parataktischer
in unserem Stil
und
speziellen
präsentischer
Modus. Das Experiment mit den Psalmen steht in Zusammenhang mit dem Versuch Brechts um 1920, dichterische Ausdrucksweise 45 und Mensch wieder zusammenzubringen . Die "Vision in Weiß" ist ein monologisches Gedicht. Insofern nimmt
es
das
Vorbild
des
Klagepsalms
nur
partiell
auf:
jenen Teil, der auf die Invocatio Gottes folgt. Die wichtigen
Elemente
Invocatio,
Anamnese
sowie
vorab
erstattete
bzw. nach Erhörung der Klage erfolgte Danksagung sind freilich nicht
übernommen,
Situationsschilderung nicht
aber
eine
da der Psalm Brechts eine mit
Hilfe
integrale
des
Vorbilds
isolierte
der
Psalmen,
Übernahme des Psalmmodells
sucht, die doch nur wenig mehr oder anderes
bieten
ver-
könnte
als eine Parodierung des Vorbildes. Gerade diese Möglichkeit scheidet aber für die "Vision in Weiß" aus. An keiner Stelle des Gedichts wird der Übergang zum Dialog, der in den Klagepsalmen Brechts
Klage
vor
Gott
wäre,
vernehmlich.
ist autonom, d.h. er steht
Dieser
für sich und
Psalm
vollzieht
sich als Monolog eines halb reflektierenden, halb panischen Ich
in
und
beängstigender
der
extremen
Situation
Konfusion.
totaler Aber
geistiger
gerade
der
Präsenz
Augenblick
der Erkenntnis ist es, der hier wie dort, also beim verfolgten
Ich
des
Psalms
der Bibel und beim verfolgten Ich des
Brechtpsalms die Artikulation der Not freisetzt. Zunächst los,
bleibt
sondern
festzuhalten,
gezielt
auf
daß dieser
die
Psalmen
Psalm nicht wahlzurückgreift.
Das
zeigt die Kenntnis Brechts, die ihm einen souveränen Zugriff auf die
das
Traditionspotential
globale,
sondern
die
der
Psalmen
präzise Vorgabe
erlaubt. bestimmt
Nicht Brechts
Aneignung der Psalmen.
b)
"Von He"
Dieser
Psalm, der im "Bestandsverzeichnis" als "9· Psalm" 46 angegeben ist , greift ein anderes Psalmmodell auf, welches
der
Verfasser
auch
selbst
sogleich
in
der
ersten
Zeile 33
nennt: "Von He" ist ein Lied. Der Terminus technicus "Lied" ist
eine
Wiedergabe
für
hebräisch
'schir'
bzw.
'mizmor'.
Ein sachlicher Unterschied ist zwischen den beiden Bezeich47 nungen nicht zu erkennen . 'Schir' kommt als Gattungsbezeichnung auch über seine Verwendung innehalb des Psalters 48 hinaus vor Das
Ich
des
folgenden
Gedichts
das
"Lied
führt
Lied, dessen Partitur, mitgegeben "Von als
He"
ist.
Aber
gesungen.
Typos
gesprochene
der
Damit
gesungen vorzustellen
als
erste
ein,
möchte. Es
Vers
unterscheidet
von
der
"Vision
ist. Brecht
für seine Psalmen: Psalmen
Sänger
vortragen
der
im
ist
ein
so wie in den Psalmen, leider nicht wie
prinzipiell
Möglichkeiten
sich
von He"
sein.
Im
bestätigt,
sich
wird
dieser
Psalm
in Weiß", die
selbst erwägt wohl Sie
kaum beide
können gesungene
Tagebuch
notiert
oder
er:
"Ich
muß noch einmal Psalmen schreiben. Das Reimen hält so sehr auf.
Man
muß
nicht
alles
zur
Gitarre
singen
können".
Im
Arbeitsjournal
sprichtiiq er hingegen von den "Psalmen, die ich zur Gitarre sang." Der Psalm "Von He" ist ausdrücklich
als
Lied
auch
gekennzeichnet,
dieses
Lied
mit
das
gesungen
Datumsangabe
werden
im
soll.
Aber
abschließenden
Vers
(Mai 1920) ist nicht gereimt, wohl aber singbar. Als Sänger tritt
Brecht
selbst
in
Erscheinung,
wie
aus
dem
Inhalt
des Psalms deutlich wird. Er ist hier, wie David, der Psalmsänger und trägt in beinahe balladenhaftem Ton die Geschichte von He vor. "He" ist niemand anders als Brechts im Frühjahr
1920
favorisierte
Freundin
Hedda
Kuhn,
die
in
der
Reihe der "großen" Freundinnen einen Platz einnimmt zwischen 50 Paula Banholzer, genannt "Bi", und Marianne Zoff .Der Psalm "Von im
He"
ist
fünften
angibt.
ein
Monat
Nachruf des
Allerdings
im Monat
des
Todes
auf
Jahres
nicht von
diese 20",
sie
als
Brechts
Freundin.
wie
die
Person;
Mutter
"Sie
letzte
starb
Strophe
vielmehr
(1. Mai
starb
1920)
die
Liebe zwischen dem Sänger des Psalms und der darin besungenen
"He".
Ende.
Das
Aber
die
Tagebuch
Geschichte vermerkt
mit
unter
"He" war noch nicht 18.
August
1920:
Brief von He. Ich habe sie das letzte Mal nicht gut
zu
"Ein
behan-
delt, als ich das frische Hemd anhatte..." und geht ausführ34
lieh auf He e i n 5 1 .
Noch
im Mai
1921
hält er fest:
"Nachts
träume ich von H e . . . " 5 2 . Im 12. Psalm, der am 22. Mai 1920, abends am Lech geschrieben wird
, erscheint He noch einmal,
als "Heh". Wieder ist sie wie im 9. Psalm "Die DunkelhäutiCil ge" , wieder "stirbt" sie, wie am Ende des 9· Psalms ("eines
schnellen
der
es
vor
diesen
heißt:
Todes,...und
beiden
später
war
Psalmen
umbenannt
wo das Motiv der Wolke dung
mit
"Doch
nie
hin
wie
eine
Wolke,
von
auch im 12. Psalm 55 "wie eine Wolke, die fast nie gewesen ist." Gut zwei Monate 1004",
sie
ging
Wolke
entstand das
in
"Erinnerung
"Sentimentale
Lied
an
Α.",
die
Marie
schon in charakteristischer
der Auflösung
jene
gewesen.")
und Erinnerung an Liebe
Verbin-
erscheint:
blühte
nur 56 Minuten/ und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind." Brecht, der nicht nur von der Schule und vom Gottesdienst vertraut
war,
"Psalmen
gelesen"
dem 18. Juli 1920 den
Titulus
her mit Bibel und
sondern sie auch aus eigener 57
bemerkt
das
- gibt (wie
"Lied"
den
Psalms an. Der Sänger
Tagebuch
die
Psalmen
besonderen Charakter
Psalmen
Lektüre
kannte
flüchtig
unter
selbst)
durch
des
folgenden
trägt es seinen Freunden vor,
deren
Aufmerksamkeit er gleich zu Beginn durch das biblisch-formelhafte
"Hört,
Freunde"
erbittet.
Dieses
"Hört"
galt
wohl
den Augsburger Freunden, die er als seine Zuhörer bestimmte. Damit
ist
Psalmen
der
Öffentlichkeitscharakter,
konstitutiv
ist,
Lied erst entfalten, lied
zugleich
hergestellt.
der
Jetzt
auch
für
die
kann sich das
das, wie sich zeigt, als Erinnerungs-
Preis-
und
Klagelied
ist.
Außerdem
enthält
der "Psalm" ein gutes Stück von "Rechtfertigung" des vortragenden
"Ich",
wie
dies
auch
für
bestimmte
Psalmen
üblich
ist. Das
Lied
an das
"Von
He"
enthält
auch
eine
starke
Reminiszenz
"Lied vom Weinberg", das im fünften 58 Kapitel Jesaja enthalten ist . Diese Parallele führt nicht von
den
eindrucksvolle Psalmen
weg.
Die
Gattungsforschung
hat
gezeigt,
daß auch außerhalb des Buches der Psalmen psalmartige Passagen und
Psalmen zu finden sind. Das Vorkommen von
Psalmen
außerhalb des Liber Psalmorum bleibt jedoch COimmer auf das Buch der Psalmen als Terminus a quo verwiesen^ .Freilich ist 35
Jes 5,1-7 nicht als Psalm zu deklarieren. Es ist aber offensichtlich, und
daß
Jes
5
daß
hier,
strukturiert.
anders
wie
in
die Zugehörigkeit denn
als
den
Psalmen,
gesungen
wird
zur poetischen Gattung den Text
Brechts
Rückgriff
Einsatz auf
den
des
Psalms
Einsatz
ist
nicht
Jes
5
von
zu
lesen. Bei Brecht heißt es: "Hört, Freunde, ich singe euch das
Lied
von He."
Bei
Jesaja:
von meinem geliebten Freund,/ Liebsten.Das
Lied
singen
ein Lied vom Weinberg
"Ich will
ein
meines
von Brecht vorgetragene Lied ist nun wieder
gekennzeichnet durch Rückgriffe auf die Vorgabe der Psalmen. Es
werden
verschiedene
belehrender
Aspekte
herangezogen.
Zug, der auch in den didaktisch
So
ist
ein
ausgerichteten
Weisheits-Psalmen anzutreffen ist, durchgehender Bestandteil des
Brechtpsalms.
"Weise-sein" von He
ist
gesagt
gegenüber
Der auch
wird,
als
Terminus im
daß
exemplum
Als Konsequenz
einer
technicus
Gedicht
sie
von
dieser
Gattung
aufgegriffen.
Während
"nicht weise" war, wird
"Weise-sein"
"Bie"
dem-
eingeführt.
falschen Praxis ergibt sich dann auch
der "Tod", der bei He durch den belehrenden Sänger in einem begründenden
"darum"
zurückgeführt
wird. Das durchaus
auf
das
"unweise"
Verhalten
von
auch als lehrhafte
He
Erzäh-
lung gedachte Lied "Von He" wird aber, trotz des summarischkonkludierenden
"Darum"
des
Gedichtschlusses,
nicht
in
der logisch-konsekutiven Abfolge des Abendländers
vorgetra-
gen.
hier
Wie
in der
prinzipiell schiedener
vom
"Vision
Vorgang
Verknüpfung
in Weiß"
bestimmt
auch
westlichen Denken - und Erzählen
der
den
Erzählmodus.
einzelnen
Nicht
Elemente
der
die
ein
- unter-
konsekutive
Beschreibung
von
"He" ergibt ihr "Bild", sondern die unmittelbare und jeweils neu
einsetzende
dieses
Beschreibung.
Verfahrens
ergibt
Die
den
wie er für Brechts Psalm als
sprachliche
parataktischen Rückgriff
auf
Umsetzung
Sprachduktus, die
Vorgabe
des Verfahrens der Psalmen charakteristisch ist. Das
Lied
nicht in nur
"Von
He"
ist,
als
Epitaph,
ein
Preislied.
Doch
nur dies. Es ist auch ein Klagelied, das unversehens
ein im
Schmählied
übergehen
orientalischen
kann. Diese ungewöhnliche
Bereich
denkbare
Verbindung
ist
und in
Brechts Psalm als Anleihe aus Brechts Psalmenlektüre jedoch 36
nicht
ungewöhnlich.
wechsels"
Dort
hat
das Phänomen des
"Stimmungs-
den westlichen Interpreten schon manches
Problem
bereitet*'*. So ist eine sich auf ein entweder-oder beschränkende
Fragestellung
diesem
Psalm
nicht
angemessen,
denn
als Ergebnis einer solchermaßen eingeengten Verfahrensweise könnte dann die Feststellung stehen, hier werde parodistisch verfahren,
hier
sei
das
Psalmlied
parodiert.
Doch
davon
kann keine Rede sein. Der Psalm "Von He" ist ein Klagelied über
den
"Tod"
der
geliebten
auf
ihre
Größe
und
eine
zum
Tode
führte.
Der
das
"alle"
zugleich
öffentlich
wie der öffentlich kundgetane taphs,
He,
Schmähung
zur
ihres
kundgetane
Preis
Kenntnis
ein
Preislied
Verhaltens, Schmerz
das ist
Bestandteil eines Epi-
nehmen
sollen.
Wir
sind
die
nach
mitten in den Psalmen. Das
Lied
wird
in
gleichlaufenden
Aussagesätzen,
dem Prinzip des Parallelismus Membrorum einander sind,
vorgetragen.
Die
Verse
des
zugeordnet
Brecht-Psalms
sind
wie
die Psalmverse numeriert und setzen mit einem anaphorischen, dem "Sie
Prinzip
des
wurde
nicht
was
eine
Der
Aufbau
Frau
Parallelismus alt/
ist
des
sie
entsprechenden
reichte
Auftakt
sich
dar/
war
nicht
im
Hirn.../
Sie
Psalms
"Von He"
orientiert
sie
ein:
wußte,
weise...".
sich am
Muster
der biblischen Psalmen. Die Einleitung enthält eine Invocatio und das Anliegen. Das Corpus des Psalms "Von He" besteht aus
fünf
Sätzen,
gleichlaufenden,
wobei
sie elend")
lediglich
berichtenden
der
und
beschreibenden
vierte Abschnitt
("Nachts
eine gewisse Ausnahme bildet. Er variiert
nur das vorgegebene
war aber
Schema. Der Schluß bietet mit dem ein-
leitenden "darum" (hebräisch:'hal-ken') eine rechtfertigende Zusammenfassung. Dieser Psalm Brechts haltshaltspunkte,
enthält
in
sich
selbst
keinerlei
die Rückschlüsse auf polemische
An-
Absichten
oder Parodierung der Vorgabe zuließen. Wieder ist ein Psalmentypos gewählt, der Brecht als Gefährt dient, Autobiographie
als
Dichtung
ist
Brecht,
die
Freunde
die
zu
zum
Brechts;
vermitteln. Zuhören
Der
Sänger
aufgeforderten
die Geliebte,
die
des
Psalms
Freunde
besungen wird,
sind ist
Brechts Freundin, die von ihm so genannte "He", Hedda Kuhn. 37
Ihr wird stellt,
im Psalm die "weise, liebliche" die
von
Zeitangabe:
"im
Brecht
so
genannte
"Bi" gegenüberge-
Paula
fünften Monat des Jahres
Banholzer.
20"
zu nehmen. Der Psalm enthält aber doch eine
ist
implizite
lehnung christlicher Moralvorstellung, die in der bung
der
"Geliebten
He"
enthalten
ist.
Die
wörtlich Ab-
Beschrei-
Einzelne
Elemente
dieser Beschreibung sind prophetischer Vorgabe nachgebildet. So
ist
das
wie
die
der
Hurerei
"Dirnenverhalten"
Untreue
Israels,
und
Unzucht
schamlose
Verhalten
schrieben
und
der
die
He
die
ähnlich
Propheten
beschreiben.
der
geschildert
Schwestern
In
mit
Ez
Israel
Bildern
23
wird
das
und
Juda
be-
anschließend mit einem begründenden "darum" 62 das Urteil verkündet. Bei Hosea wird die Untreue Israels durchgängig in Bildern unzüchtigen Verhaltens illustriert . Brechts Parallelismus: "sie hatte wahllose Hände, sie verkaufte die Haut für eine Tasse Thee und sich selbst für eine Peitsche", ist eine Reminiszenz an Arnos' Drohrede gegen die Ausbeutung: "Hört dieses Wort...Ihr sagt: Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen,/ für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir 64 zu Geld..."
Schließlich
unmittelbares
Vorbild
ist
das
des Lieds
"Lied
vom
"Von He"
Weinberg"
als
zu erkennen.
Das
Verhalten der untreuen "He" hat dieselben Folgen, die auch den "Weinberg" treffen. Hier wie dort wird der Untergang 65 als Strafe gesehen . Wie dem Lied "Von He" zu entnehmen ist,
wird
das
Verhalten
der
Geliebten
verurteilt,
aber
es wird auch bewundert, und es war nur deswegen zu kritisieren, weil der Sänger selbst der Leidtragende des Verhaltens war.
Moralische
Gesichtspunke
kommen
nicht
in
Betracht.
Einzig die Tatsache, daß der Sänger eine Kränkung hinnehmen mußte, hat
wird
den
zum
Ausgangspunkt
Charakter
nicht
wirklich
sich.
Nicht
sondern
das
einer
den
die
einer
Verurteilung.
mit
Verurteilung
Käuflichkeit
Verhalten
einer
Abrechnung
dem
der
Liebe
betrogenen
Diese
der
Geliebten
der
"Vergehen"
wird Sänger
und an
verurteilt, gegenüber.
Damit wird aber doch der Unterschied sichtbar, der zwischen diesem und 38
"ethischen"
vor
allem
Entwurf
auch
der
und
dem der Propheten,
Vermittlungsinstanz
der
Psalmen Kirchen
liegt,
und
zwar
implizit,
ohne
daß
dieses
Sichtbarmachen
als Hauptgedanke des Psalms "Von He" zu bezeichnen wäre. Der
9.
Psalm
bietet
deutlicher
als
die
"Vision
in
Weiß"
eine Vorstellung von Brechts Auffassung von der "Geliebten". Sie
ist solange die "gute" Geliebte, wie sie sich dem Bild
gegenüber, der
Liebe
Sie
ist
Tasse
"sechzehn
Monaten"
von der Geliebten gemacht hat, konform
das
verhält.
sein
sich
der
Sänger
Geschöpf.
Thee",
so
in den
"Verkauft
fällt
sie
dem
sie
ihre
Verdikt
Haut
"nicht
Bi" anheim und schließlich wird das Todesurteil chen. Daß hier biographische wert
beanspruchen
dürfen,
eines Psalms bekommt sänger
auftretende
Abrechnung.
Darin
"He"
Gesichtspunkte
ist
deutlich
für
eine
weise
wie
ausgespro-
ihren
genug.
Stellen-
Im
Gewand
ihren Denkzettel. Der als Psalm-
Brecht
liefert
hier
eine
sich
mithin
der
erschöpft
persönliche Atem
dieses
Gedichts. Die
Mittel
Brecht
dazu
nicht
stellen
auf die
die
Psalmen
bereit.
Psalmen im allgemeinen,
Wiederum sondern
hat über
die globale Vorgabe hinaus auf Details der Psalmen zurückgegriffen. der
"Von
He"
prophetischen
ist
und
angereichert
weisheitlichen
durch
Elemente
Dichtung,
aus
hat
aber
die wesentlichen Anregungen aus dem Buch der Psalmen bezogen.
Der
Sänger
führt
diesen
Psalm
selbst
als
"Lied"
ein
('schir', 'mizmor'), womit eine bestimmte Gruppe von Psalmen erfaßt
ist.
verschiedene und
Er
"erzählt"
Gattungen
Totenlied
die
Geschichte
wie Klagelied,
partiell
die
Gestalt
von
"He",
Preislied, des
Liedes
wobei
Spottlied "Von
He"
bestimmen.
c) Im
"Lied von meiner Mutter" "Bestandsverzeichnis"
ist
dieser
Psalm
auch
unter
8.
Psalm v e r z e i c h n e t ^ . Gerade dieser Psalm vermag zu verdeutlichen,
wie
Brechts
Psalmenproduktion
sehr
eine
undifferenzierte und
deren
Betrachtung
Einordnung
und
von somit
Begrenzung auf das Feld und Umfeld der Parodie die Vielfalt von Brechts Psalmtypen und somit das Spektrum der Wirkweisen 39
des B u c h e s der P s a l m e n u m g e h t . D i e s e r Psalm ist e i n E p i t a p h . Das
"Lied
Tod
von
von
meiner
Brechts
geschrieben,
gewiß
nicht
genannt,
setzen
sind,
noch
Anlehnung
Detail
um
die
Der
"Das
Absicht
die
Trauer
Psalm
"Lied"
zur
Tod
Geschichte
eindringlicher
ihre
He"
Preis
festgehalten,
und
diese
zurück,
Frau.
Das
etwa
das
das
aufweist,
um
In m ö g l i c h s t Frau
polemi-
artikulieren.
Beiwerk,
zu m a c h e n . dieser
zu
auf
im
Kontrafaktur
Psalmen
Mutter
Wäre
auch
greift ohne
gelegentlich
Geschichte
Größe
einer
die,
vorauszu-
Psalmen.
Bereich
die
rhetorisches
"Lied die
auf
seiner
verhaltener
von
von
dem war,
Freunde,
Liedes
der
formalen
sich
den auf
des
meiner Mutter"
verwandte
wird
im
Uber ein
der
Karikierung
Nebenabsicht
ist
wird
Hörer
nach
1920 g e s t o r b e n
Belustigung
Psalmen
von
unmittelbar
1. M a i
oder
verzichtet
Worten
zur
ließe
Lied
wurde
am
doch als
auch
durchgeführt,
sprechen. sche
an
die
nicht
obwohl die
Mutter"
Mutter,
deren
einfachen
nacherzählt.
in d i e s e r
Darin
Nacherzählung
ist das Lob auf die M u t t e r e n t h a l t e n . Sie w i r d also w i r k l i c h gelobt, das
nicht
am
durch
"offenen
Zuhilfenahme
Grab"
zu
sein
von
Lobesformeln,
pflegt,
sondern
wie
durch
eine
N a c h z e i c h n u n g des B i l d e s , d a s d e r Psalmist Brecht v o n seiner M u t t e r b e h a l t e n hat. Zu sagen, wie sie war, ist das dieses über
Psalms,
den
Tod
der
der
aus
Mutter
der
unmittelbaren
geschrieben
Anliegen
Betroffenheit
ist. D i e s e r
verhaltene
P r e i s ist e i n w i r k l i c h e r Preis, d e r s i c h nicht in der lierung oder W i e d e r h o l u n g v o n L o b e s f o r m e l n So verfahren auch durch
die
jene
Psalmen,
Wiederholung
auszudrücken
von
versuchen,
die
die
Größe Gottes
Hoheitstiteln
sondern
durch
Formu-
erschöpft. und
nicht
Lobesformeln
"Beschreibung",
etwa
d u r c h S c h i l d e r u n g d e r G e s c h i c h t e seiner G r o ß t a t e n u n d s e i n e r Hilfe.
Westermann spricht ft 7
s c h r e i b e n d e m Lob
hier
von
. F r e i l i c h ist
berichtendem
"Lied
von meiner
Verhältnis Kapitel damals": 40
zu
Verfahren
Mutter"
seiner
ein.
intuitiv Brecht
Mutter.
Walter
"Mamas Tod" s e i n e s B u c h e s "Kein
Zweifel,
daß
er
be-
in d e m P s a l m B r e c h t s d i e s e
t h e o r e t i s c h e U n t e r s c h e i d u n g n i c h t als bekannt Er setzt aber d i e s e s
bzw.
hatte
ein
Brecht
"Unser immer
vorauszusetzen.
auch
in
seinem
sehr
gutes
schreibt
im
L e b e n in A u g s b u r g ,
gut
zu
ihr
gewesen
war.
Aber
hatte
sie
hatte
ihn
ihn geliebt, weil
unterwarf
sich
Gott
nicht
nur
deshalb
geliebt,
sie
er ihr Sorgenkind war...Die Mutter
und
dem
Schicksal
klaglos...Der
Sohn
hingegen verfuhr nach eigenem Gutdünken und in Selbstverant68 wortung." Der Bruder berichtet auch: "Am Abend des Tages, der dem Tod der Mutter folgte, lud die
Mansarde
ein.
Es
ging
so
er
seine
Freunde
in
lärmend
zu 69 wie sonst...Wer weiß, warum er dies in seiner Trauer tat." Hier ist nicht der Ort, Brecht Verhalten zu bewerten, aber auf der des
Berichts
auch
ein
sich
dieses
doch
nicht
von Walter
Nachklang Lied an
Brecht
auf
auch
eine
scheint
Brechts
Verhalten
prinzipiell
große
an
Folie
der 8. Psalm zu
Zuhörer
Öffentlichkeit.
Das
doch
sein.
Wenn
richtet, eher
so
stille
Lied ist als Gedenkbild auch ein Zeichen verhaltener Trauer und
ein
halbes
versäumter wir
das
Schuldgeständnis,
Gelegenheiten
Wichtige
enthalten
nicht,
das ist:
in
der
"Oh,
Erkenntnis warum
es wäre so leicht und wir
sagen werden
verdammt darum." Was aber ist "das Wichtige" dieser elegisch vorgetragenen Sohn
Klage?
gelegentlich
Man weiß, daß es zwischen Mutter
zu
Auseinandersetzungen
kam,
und
aufgrund
der Haltung, welche der junge Brecht um 1920 den religiösen Dingen,
insonderheit
gegenüber
einnahm
den
und
Repräsentanten
das
zwischen
des
Christentums
Gleichgültigkeit
und
aggressiver Ablehnung, die sich 70 jeweils in Form von Respektlosigkeit äußerte, schwankte' . Für die tiefgläubige Mutter, der gerade dieses Verhalten ihres Sohnes den tiefsten Kummer verursachte, dürfte aber das im "Psalm" des Sohnes zweimal, also
emphatisch
Form
der
vorgetragene
"Wichtige"
der Glaube
angestammten Religion sein. So wird dieser
in der Psalm
noch einmal zum postumen Gespräch zwischen Mutter und Sohn, für sich
den
"das Wichtige"
aber
noch
einmal,
zwar zum
nicht
positiv
bestimmt
letzten Mal von dem
wird,
ebenfalls
nicht genannten, aber erschließbaren "Wichtigen" der Mutter abhebt.
Die
"Gedichte
aus dem Nachlaß" enthalten auch
ein
Gedicht, welches die Überschrift "Die Bibel" trägt^ 1 . Dieses Gedicht,
nach
Auskunft 72 des "Bestandsverzeichnisses" ebenfalls 1920 entstanden , verdeutlicht, was für die Mutter "das Wichtige" war, was von der Mutter her dem Sohn "gesagt" 41
werden
konnte
("Warum
sagen
wir
das
Wichtige
nicht...")·
Sie hat es in Form der Bibel auf B r e c h t s N a c h t t i s c h "immer",
wie
Einfältigen
das G e d i c h t liebte
immer
auf
Augen
zugefallen
den
der
"Meine
Mutter
gelegt,
sagte:
H e r r , Kind/ U n d legte mir die
Tisch/
Ich
sind/
frisch.//...Jetzt
betont: habe
drin
Dann war
liegt
meine
gelesen,
bis
mir
die
i c h am a n d e r e n M o r g e n
Mutter
unter
der
Die
Bibel auch
Erde/
Ich
höre sie n o c h , wie sie m e i n e n K o n f i r m a t i o n s s p r u c h /
spricht:/ 7λ Es ist e i n k ö s t l i c h D i n g , daß d a s H e r z fest w e r d e . " J Nach Rohse
wurde
schon
zu v e r n e h m e n d e
der
Konfirmationsspruch
zielt
wie
im
Blick
auf
Brechts
"Unruhe" in G l a u b e n s d i n g e n v o n M u t t e r 74 u n d Pfarrer a u s g e w ä h l t . Der K o n f i r m a t i o n s s p r u c h , H e b r . 1 3 , 9 , das
dem
Einfältigen") empfundene
Psalmvers
sowie
Wort
116,6
vom
"Herrn,
der
auf eine A b w e n d u n g v o n p r i m ä r des
Glaubens,
("Der
neutestamentlicher
die
bei
Herr
die
Einfältigen
intellektueller
Brecht
wohl
behütet
Geisteshaltung
zu
die
nach-
liebte",
Durchdringung
befürchten
stand.
Das A n l i e g e n der M u t t e r war es, daß ihr S o h n "das W i c h t i g e " , w e l c h e s im G e d i c h t "Die Bibel" als ben
ist,
annimmt Fall.
nicht und
Auch
nur
als
Konsequenzen das
"die
"Sprüche"
postume
zieht.
Bibel"
gesagt Das
Preislied
war
auf
zu
umschrei-
bekommt, aber
die
sondern
nicht
Mutter
der
versagt
ihr gerade in d i e s e m Punkt die G e f o l g s c h a f t . W a s B r e c h t Wichtige" und "das
nennt,
umgekehrt. Wichtige
Gesagte,
ist Da
für die M u t t e r
Brecht
nicht
welches
werden
nachhinein
gesagt"
etwa
im
ist, als "das U n w i c h t i g e " "Wir
im
verdammt
gerade "das
haben,
Gedicht
beklagt,
wird
"Die
noch
Bibel"
"das
Unwichtige" daß
"wir"
einmal
das
festgehalten
herausgestellt.
darum",
weil
"das
Wichtige"
nicht
g e s a g t w o r d e n ist. H i e r m a c h t B r e c h t t a t s ä c h l i c h eine A n l e i he
bei
theologischer
wiederum
der
beachten.
Das
Terminologie.
neutestamentliche Wort
erscheint
Horizont schon
K o n t e x t , so in d e n P s a l m e n ^ , erfährt erst
auf
deswegen, denken 42
dem
Boden
weil
die
voraussetzt.
des
Allerdings
Neuen
in
des
ein
"Wir
werden
hier
Terminus
zu
alttestamentlichem
seine
Testaments,
damnatio
ist
Konturierung nicht
eschatologisches verdammt
zuletzt Gerichts-
darum",
klagt
der
Preis-
und
Klagepsalm.
Aber
von
wem?
Im
biblischen
Vorgabehorizont des Wortes wird durch das göttliche Gericht gerettet
oder
verdammt.
Aus
diesem
Zusammenhang
ist
das
Wort genommen, das als Wort stehen bleibt, dessen Referenz auf den Ursprung der Psalmen zurückweist. Das Wort "verdammt" ist Es
umgebogen,
einer
Umdeutung
unterzogen:
säkularisiert.
ist, des ursprünglichen Kontexte durchaus bewußt, gegen
diese seine ursprüngliche Bedeutung eingesetzt. "Wir werden verdammt darum", "weil wir das Wichtige nicht gesagt haben", ist
eine
in
sich
stimmige
theologische
Formulierung.
Weiß
man aber, daß "das Wichtige" und "das Unwichtige" in diesem Psalm
konträr
"unwichtig" die
von
zu
im
der
Begriffsbestimmung
biblischen
Brecht
Sinn
unternommene
eine Zurückweisung
von
gebildet
"wichtig"
wurde,
Unterscheidung
und
bedeutet
noch
einmal
der Position der Mutter, die sich frei-
lich nicht von der Position ihrer (protestantischen)
Kirche
unterscheidet, und drückt gleichzeitig das Bedauern darüber aus,
daß
dieses
im Psalm
als
das
implizit
als
unwichtig
Erfaßte überhaupt die Stelle des "Wichtigen" zwischen Mutter und Sohn einnehmen konnte und somit die Stelle des eigentlich
"Wichtigen"
einnahm
und
dieses
ausschloß.
"Verdammt"
ist hier, durchaus noch theologisch-eschatologisch das
schmerzliche
Bewußtwerden
gutzumachenden
Versäumnisses.
Verdammt-Werden
als
Was hier aufgezeigt übersetzt,
Schuld
eines So
nicht
wieder
vollzieht
sich
dieses
psychologisches Moment der und und
beklagt das
gedacht,
großen,
wird,
ist,
Eingeständnis
von
Erkenntnis. theologisch Schuld.
Im
Gegensatz zum Theologumenon "Verdammtwerden" wird der Terminus
technicus
"Schuld"
nicht
explizit
genannt,
ist
aber
. Während
aber
7 ft
der Sache nach, wie zu sehen ist, vorhanden im
biblischen
Bereich,
auch
im alttestamentlichen
- siehe
hierzu Psalm 51 -, das Eingeständnis von Schuld die Möglichkeit im
nochmaligen Psalm
"Jetzt
ist
Brechts meine
Beginnens bekannt Mutter
eröffnet, wird,
ist
die
endgültig,
gestorben...Man
kann
Schuld,
die
irreversibel: sie
mit
den
Fingernägeln nicht mehr auskratzen", formuliert der Brechtpsalm den Gedanken deutlich genug. Ein weiterer Aspekt, der in dem Psalmepitaph auf die Mutter