Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaft [1 ed.] 9783428475186, 9783428075188


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German Pages 135 Year 1992

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Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaft [1 ed.]
 9783428475186, 9783428075188

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LUDGER HELLENTHAL

Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaft

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, München' Christian Kirchner, Hannover Dieter Rückle, Trier' Reinhard H. Schmidt, Trier

Band 15

Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaft Von Ludger HeIlenthai

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme HeIlenthai, Ludger: Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaften / von Ludger HeIlenthaI. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts ; Bd. 15) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07518-8 NE:GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-07518-8

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1991/92 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Angeregt und betreut hat die Arbeit Herr Professor Dr. Bernhard Großfeld, Direktor des Instituts für Internationales Wirtschaftsrecht. Dafür und ebenfalls für alles, was ich von ihm während meines Studiums fachlich und persönlich lernen konnte, möchte ich ihm herzlich danken. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Peter Troberg und den Mitarbeitern seiner Abteilung •Allgemeine Fragen· in der Direktion XV, Finanzinstitutionen und Gesellschaftsrecht, bei der EG-Kommission in Brüssel sowie den beteiligten Banken und Bankenverbänden für ihre Informationsbereitschaft. Rechtsprechung und Literatur sind bis Oktober 1991 berücksichtigt. Münster, im April 1992 Ludger Hellenthai

Inhalt A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit von Kreditinstituten in der EG ..... 15 I. Definition des Bsnkgeschäftcs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 11. Rechtsfonnen der Aktivitäten von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten . . . . . 1. Grenzüberschreitende Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Repräsentanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweigstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. BeteiligungenITochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 18 18 18 19

m. Die Struktur des Bsnkenmarktes in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . 20

c. Grundlagen der Bankenaufsicht

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

1. Erldärungsansitze und Definition der Bsnkenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

11. Träger der Bsnkenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

m. Rechtsgrundlagen der Bsnkenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 IV. Grenzüberschreitende Bsnkenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden Bsnkenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten der grenzüberschreitenden Bsnkenaufsicht in der EG . . . . . . . . . a) Wettbewerbsverzerrungen aufgrund ungleicher rechtlicher Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufeinanderstoßen verschiedener Rechtsordnungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . c) Risiken im Bsnkgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 28 28 29

30

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen zum heutigen Bankenaufsichtsrecht in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Der EWG-Vertrag als übergeordnete Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Niederlassungsrecht gem. Art 52. Cf. EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freier Dienstleistungsverkehr gem. Art. 59 Cf. EWG-Vertrag . . . . . . . . . . . . . 3. Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 67 Cf. EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 34 34 36

11. Mögliche Rechtsnonnen zur Erfüllung des EWG-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

m.

Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bsnkenaufsichtsrecht in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Entwurf einer Richtlinie zur Koordinierung des Bsnkrechts in der EG von 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. EG-Bsnkrechtsrichtlinienvon 1973 bis 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

10

Inhalt 3. Das Weißbuch der EG als Orientierung fiir die weitere Rechtsetzung . . . . . . • . . 43 4. Im Anschluß an das Weißbuch ab 1986 ergangene Richtlinien und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • • . . . • • • • . . . • . . . . .• 44 5. Die Empfehlungen des "Basler Ausschusses" als wichtige Einflußgröße fiir das EG-Ban1censufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • 48

E. Die AusgestaituDg des EG-Baokeaaufsichtsrechts und seine Umsetzung in das deutsche Recht ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . • . . . . . 50 I. Die 2. Ban1crechtskoordinierungsrichtlinieund ihre Umsetzung in das Kreditwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich: "Kreditinstitute" . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . • a) Der Ansatz der 2. Ban1crechtskoordinierungsrichtlinie . . . . . . . . . • . . . . . . . b) Umsetzung in das Kreditwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Träger der Ban1censufsicht und ihre Zuständigkeiten .. . • . . . • • . . . . . . • . . . a) EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung in das KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • 3. Anforderungen bei der Zulassung von Kreditinstituten nsch EG-Recht und ihre Umsetzung in das KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtlich verselbständigte Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfangskapital i.H.v. 5 Millionen ECU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anzahl und Qualifikation der Geschäftafiihrer . . . . • • . . . . . . . . • . . . • . . d) Vorlage eines Geschäftaplanes . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . e) Anforderungen an die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zulassungsverfahren fiir Tochtergesellschaften von Kreditinstituten aus der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zulassungsverfahren fiir Tochtergesellschaften von Kreditinstituten aus Drittländem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anforderungen an Kreditinstitute bei der Errichtung von Zweigstellen ......•. a) Errichtung einer Zweigstelle in einem fremden Mitgliedstaat . . . . . . . . . • . . b) Errichtung einer Zweigstelle im eigenen Mitgliedstaat des Kreditinstituts . . . . . c) Errichtung einer Zweigstelle in der EG durch ein Kreditinstitut aus einem Drinland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen bei der Ausübung der laufenden Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die möglichen Tätigkeiten eines Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindesteigenmittel während der laufenden Geschäftstätigkeit . . . . . • . . . . . . c) Ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung bei den Kreditinstihiten . . . . . . 6. Sonderregelungen zu den Beteiligungen von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligungen an Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungen von Kreditinstituten . . . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .

n.

Die Eigenmittelrichtlinie und ihre Umsetzung in das Kreditwesengesetz . . . . . . . . . 1. Das System zur Errechnung der Eigenmittel . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Basiseigenminel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . 3. Die ergänzenden Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neubewertungsrüclclagen . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . b) Wertberichtigungen i.S.v. Art. 37 Abs. 2 der Ban1cbilanzrichtlinie . . . . . . . . . c) Sonstige Bestandteile i.S.v. Art. 2 Abs. I Nr. 6 . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 52 55 57 57 58 59 60 61 64 64 64 65 67 69 69 74 75 76 76 80 81 81 82 82 85 88 92 94 95 97 98

Inhalt d) Die Haftaumme gem. Art. 2 Ab •. 1 Nr. 7 e) Kumulative VOlZUgsalttien mit fester Laufzeit und nachrangige Darlehen gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 • • . • • . • • . . . • • • . . . . . . . . . . . .• 4. Fond. für allgemeine Bankrisiken . . . . . . . . . . . • . . . • • • . . . . . . . . . . . . 5. Allgemeine Abzugsposten . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .

m.

Die Solvabilitätsrichtlinie und ihre Umsetzung in die "Grundaätze" gem. § 10 KWG . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick zum Aufbau der Solvabililätsrichtlinie . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 2. Der Zähler des SolvabilitätskoefflZienten . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 3. Der Nenner des SolvabililätskoefflZienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .• a) Risikogewichtete Aktiva . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außerbilanzielle Geschäfte gem. Art. 5 Ab •. 2 . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . c) Außerbilanzielle Geschäfte gem. Art. 5 Abs. 3 . . • . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Die Umsetzulli der Solvabililätsrichtlinie in den Grundsatz I gem. §§ 10, 10 a KWG . . . . . . . . • . . . . • • • . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . a) Die Risikopositionen nach Grundsatz I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Anrechnung der Risikoaktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der SolvabililätskoefflZient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

11

101 102 103 105 107 109 110 111 111 113 115 118 119 121 121

F. Zusammeof8SSUlll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 Literatur • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127

Abkürzungsverzeichnis BAKred BMF BRKR C.F.R CIMIB/S ECU endg. EuZW KOM RL RS

Bundesaufsichtsamt ror das Kreditwesen Bundesministerium ror Finanzen BankrechtskoordinierungsrichtJinie Code of Federal Regulations ConsbruchlMüller/BährelSchneider, s. Literaturverzeichnis European Currency Unit, bei einem Umrechnungskurs von 1 ECU = 2.0536 DM gemäß der Mitteilung der EG-Kommission v. 9. Juli 1991, ABI. Nr. C 179 v. 10. Juli 1991, S. 1 endgültig Europäische Zeitschrift ror Wirtschaftsrecht Kommission der EG Richtlinie Rechtssache

Weitere Abkürzungen: Kirchner: Abkürzungsverzeichnisder Rechtssprache, 3. Aufl., Berlin, New York 1983

A. Einleitung Die Verwirklichung des Binnenmarktes in der EG steht unmittelbar bevor. Bis zum 31. Dezember 1992 sollen die dazu erforderlichen Maßnahmen von der Gemeinschaft getroffen werden. Nach Art. 8 a EWGV umfaßt der Binnenmarkt "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital" gemäß den Bestimmungen des EWG-Vertrages gewährleistet ist. Für den Bankensektor bedeutet das, die Niederlassungsfreiheit sowie den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zu ermöglichen. 1 Hiervon sind viele Kreditinstitute in der EG betroffen. Neben diesen Freiheiten gilt es aber auch, einige Schutzpflichten zu beachten. In der EG sind Unternehmen und ca. 320 Millionen Verbraucher mögliche Gläubiger von Kreditinstituten. Zusätzlich muß das Bankwesen an sich funktionsfähig bleiben. In diesem Spannungsfeld steht das Bankenaufsichtsrecht der EG. Es soll die EWGVertragsfreiheiten ermöglichen und zugleich den Verbraucher- und Funktionenschutz gewährleisten. Hinzu kommt, daß sich in der Vergangenheit unterschiedliche nationale Aufsichtssysteme herausgebildet haben. Wirtschaftlich betrachtet nehmen jedoch die grenzüberschreitenden Banktätigkeiten stark zu. Vor diesem Hintergrund sind seit 1973 verschiedene Richtlinien zum Bankenaufsichtsrecht in der EG ergangen. Sie sollen die jeweils nationalen Bankenaufsichtsrechte harmonisieren und auf eine materiell einheitliche Basis stellen. Der Schwerpunkt der neueren Rechtsetzung liegt in 1989. Es ergingen die zweite Bankrechtskoordinierungs-, die Eigenmittel- und die Solvabilitätsrichtlinie. Hierauf konzentriert sich die vorliegende Arbeit. Die zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie erfaßt die Aufsicht über die Aufnahme und Ausübung der Banktätigkeit. Die Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie beziehen sich auf die Kapitalausstattung der Kreditinstitute. Sie legen fest, in welcher Art und Höhe Eigenmittel für die Geschäftstätigkeit nachgewiesen werden müssen.

1

Vgl. Art. 3 c EWGV.

14

A. Einleitung

Richtlinien sind nach Art. 189 EWGV in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Mitgliedstaaten sind derzeit dabei, ihr nationales Bankenaufsichtsrecht an den EG-Vorgaben zu orientieren. In der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet das Bundesministerium der Finanzen Diskussionsentwürfe, die in eine Gesetzesvorlage für ein 4. KWG-Änderungsgesetz münden sollen. Hierauf wird bei der Darstellung des EG-Rechts jeweils Bezug genommen.

B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit von Kreditinstituten in der EG Die EG-Bankenaufsicht zielt auf die nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit der Kreditinstitutel in der Europäischen Gemeinschaft ab. Dieses Bankgeschäft hat verschiedene Erscheinungsformen rechtlicher und tatsächlicher Art.

I. Definition des Bankgeschäftes Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften definieren das Bankgeschäft voneinander abweichend. 2 Hier steht die Einordnung unter rechtlichen Gesichtspunkten im Vordergrund. Dazu liegt eine Analyse der gesetzlichen Vorschriften aus den Mitgliedstaaten der EG vor. 3 Sie führt aus, daß die enumerative Umschreibung im deutschen Kreditwesengesetz4 eine sehr umfassende Definition darstellt. Diese Untersuchung wird zeigen, inwieweit das Bankenaufsichtsrecht der EG diesen Definitionsansatz aufgreift oder modifiziert. Gem. § 1 Abs. 1, S. 1 KWG zählen zum Bankgeschäft: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Einlagengeschäft Kreditgeschäft Diskontgeschäft Effektengeschäft Depotgeschäft Investmentgeschäft Darlehenserwerbsgeschäft Garantiegeschäft Girogeschäft

1 Zum Begriff der "Bank" bzw. gleichbedeutend "Kredilinslitut" vgI. Gabler, Sp. 532; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 9 ff.; FoUak, S. 2; zur konkreten Ausgestaltung im EG-Recht s.u. Kap. EIL a).

2

V,I. Schierenbeck, S. 125 m.w.N.

3

V,I. Römer, S. 126 f.

4

Letzte Fassung It. Bekanntmachung vom 11. Juli 1985, BGBI. I, S. 1472 ff.

16

B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit

Betreibt ein Kreditinstitut diese Geschäfte im Inland, so liegt eine nationale Banktätigkeit vor. Das grenzüberschreitende Bankgeschäft hingegen umschreibt die länderübergreifenden Aktivitäten eines Kreditinstituts; dabei sind verschiedene Definitionsansätze denkbar. Die grenzüberschreitende Banktätigkeit i.e.S. bedeutet die Errichtung von Bankstellen im Ausland und deren Geschäftstätigkeit. 5 Im Hinblick auf den EWG-Vertrag und das EG-Bankenaufsichtsrecht empfiehlt es sich jedoch, den Begriff der grenzüberschreitenden Banktätigkeit weiter zu fassen. Dabei sind drei Fallgestaltungen möglich: 6 1. Zunächst können Bankdienste grenzüberschreitend erbracht werden, ohne daß im Ausland eine Bankstelle eingerichtet ist. 7 Z.B. kann ein Kreditinstitut in einem fremden Mitgliedstaat einzelne Beratungstätigkeiten leisten. 2. Des weiteren könnte sich der Empfänger einer Dienstleistung in den Mitgliedstaat des Leistenden begeben. Dies betrifft u.a. Geldwechsel- oder Schließfachdienste gegenüber Angehörigen fremder Mitgliedstaaten. 8 3. Schließlich ist es möglich, daß zwischen Kreditinstitut und Kunde lediglich die Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht wird. 9 Dies betrifft vor allem den technisch abgewickelten Zahlungsverkehr. IO Demnach bedeutet die grenzüberschreitende Banktätigkeit i.w.S. die Errichtung von Bankstellen im Ausland und deren Geschäftstätigkeit sowie das grenzüberschreitende Erbringen von Bankdienstleistungen. 11 Dieser weitergehende Ansatz liegt hier zugrunde.

~ Vgl. Bauer, S. 23. 6

Vgl. Oppermann, Rdnr. 1497.

Vgl. Art. 60 Abs. 3, 66, 58 EWGV; Schweitzer/Hummer, S. 299; Groeben-Troberg, vor Art. 59 Anm. I 4. 7

8

Vgl. Oppermann, aaO.

9 Vgl. EuGH, R5 52/79, Rspr. 51g. 1980, S. 833 ff. (Debauve); Schweitzer/Hummer, S.3oo.

10

Vgl. Art. 67 Abs. 2, 106 EWGV.

11 Vgl. Bauer, S. 24, FN 3 m.w.N.; Möschel, ZBB 1989, 168. Diese Autoren sprechen von der "internationalen" Banktätigkeit. Es ist jedoch zu beachten, daß mit der Verwirklichung des Binnenmarktes das Begriffspaar national - international an Bedeutung verliert. Es dürfte deswegen sinnvoller sein, für den EG-Raum statt von der "internationalen" von der "grenzüberschreitenden" Banktätigkeit auszugehen.

D. Rechtsfonnen

17

ll. Rechtsfonnen der Aktivitäten von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten Für die grenzüberschreitende Banktätigkeit bieten sich den Kreditinstituten verschiedene rechtliche Organisationsmöglichkeiten. 12 Die Wahl der Rechtsform hängt dabei insbesondere von zwei Faktoren ab: 13 Zum einen sind es die Rechtsordnungen im Herkunfts- und im Gastland; zum anderen muß man die betrieblichen Voraussetzungen und Zwecke des beabsichtigten Auslandsgeschäftes beachten (u.a. Höhe der Investitionen, personelle Ausstattung, Umfang und Art der geplanten Geschäftstätigkeit). Der in dieser Arbeit verwendete Begriff "Herkunftsland " orientiert sich am EG-Recht. Für seine Defmition kann man an Art. 58 Abs. 1 EWGV anknüpfen. Dort sind zwar nicht das "Herkunftsland " oder die "Staatsangehörigkeit" von Gesellschaften bestimmt. Vielmehr fmdet man die Kriterien, unter denen juristische Personen das Niederlassungsrecht beanspruchen können. Es sind die Gründung nach dem Recht eines Mitgliedstaates und die Präsenz innerhalb der Gemeinschaft. Die Präsenz kann sich dabei über den Sitz, die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung ergeben. 14 Um über dieses Herkunftsland eine Niederlassung in der übrigen EG errichten zu können, ist schließlich nach Art. 52 Abs. 1 S. 2 EWGV die Ansässigkeit erforder-lich. 15 Ansässig bedeutet die tatsächliche und dauerhafte Verbindung mit der ,Wirtschaft eines Mitgliedstaates. In diesem Sinne erfolgt die Definition des "Herkunftslandes" in Art. 1 Nr. 7 der 2. BRKR i.V.m. Art. 3 der 1. BRKR. 16 Das Herkunftsland bestimmt sich somit nicht nach der im internationalen Unternehmensrecht verwendeten Kontrolltheorie. 17 Bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Kreditinstitute sind zwischen Herkunftsland und der übrigen EG nunmehr folgende Organisationsformen möglich:

12

Vgl. dazu allgemein Pecchioli, The Internationalisation of Banking, S. 57 ff.

13

Vgl. Bauer, S. 30; Möschel, aaO., S. 169; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 426 f.

14 Vgl. Grocben-Troberg, Art. 58 Rdnr. 5 ff.; Bleckmann, Rdnr. 1115; EuGH, Rechtssache 81/87 (Daily MaiI), Rspr. Slg. 1988, S. 5511 f. 15

Sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit.

16

Vgl. Ril;htlinie 771780/EWG, ABI. Nr. L 322 v. 17.12.1977, S. 33: "Tätigkeit".

Vgl. Großfeld, Internationales Untcmehmensrecht, S. 113 ff.; G.-ocben-Troberg, Art. 58 Rdnr. 14 ff. 17

2 HellenthaI

18

B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit

1. Grenzilberschreitende Dienstleistungen

Die geringste Auslandspräsenz beinhaltet eine Auslandsabteilung innerhalb der heimischen Bankorganisation. 18 Sie betreibt das Geschäft mit Finanzprodukten über die Grenze hinweg. Hauptstandort bleibt das Herkunftsland des Kreditinstitutes. Eine dauerhafte Eingliederung in den anderen Mitgliedstaat unterbleibt. 19,20 Wird die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit hingegen über eine Bankstelle in dem anderen Mitgliedstaat betrieben, so finden sich hierzu in der EG im wesentlichen drei Formen: Repräsentanzen, Zweigstellen und Beteiligungen bis hin zu Tochtergesellschaften. 21 2. Repriisentanzen

Mit Repräsentanzen beginnt oftmals die Erschließung ausländischer Bankmärkte. 22 Repräsentanzen betreiben keine eigenen Bankgeschäfte. Sie sind lediglich akquisitorisch und vermittelnd für ihr Mutterinstitut tätig. 23 Aufsichtsrechtlich spielt diese Form eher eine untergeordnete Rolle. 24 3. Zweigstellen

Zweigstellen sind rechtlich unselbständige Niederlassungen, die im anderen Mitgliedstaat Bankgeschäfte anbieten,2S soweit es im Gastland möglich ist. Die juristische Verflechtung mit dem Mutterinstitut zeigt sich in derselben Firmierung und in der direkten Verpflichtung des Mutterinstituts.26

18 Vgl. Möschel, aaO., S.

169.

19 Vgl. Groeben-Troberg, Vor Art.

kenaufsichtsrechts, S.

19.

S9 bis 66, Rdnr. 7; Troberg, Hannonisierung des Ban-

20 Dies entspricht der Ergänzung von der grenzüberschreitenden Banktätigkeit i.e.S. zum erweiterten DefinitionssnsalZ; s.o. Kap. B I ..

30; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 427; Weber, S. 93. 427; Möschel, ZBB 1989, 168, 169. 23 Vgl. Bauer, S. 30. 21

Vgl. Bauer, S.

22 Büschgen, aaO., S. 24 Möschel, aaO ..

2S Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 26 Vgl. Bauer, S. 31.

428.

ß. Rechtsfonnen

19

Diese Banktätigkeiten sind vom Herkunfts- und Gastland nicht leicht zu beaufsichtigen;27 es ergeben sich Probleme über das ob und. wie der Zuständigkeiten. Die Zulassung und die laufende Aufsicht muß so geregelt und abgestimmt sein, daß die jeweilige Behörde ihren Zweck hinreichend erfüllen kann. 4. Beteiligungen/Tochtergesellschaften Das Auslandsgeschäft einer Bank ist schließlich auch über Beteiligungen an einer ausländischen Bank möglich. Am bedeutsamsten sind dabei Beteiligungen über 50 %, die meist als Tochtergesellschaften bezeichnet werden können. 28 Rechtlich selbständig unterliegen Tochtergesellschaften den bankenaufsichtsrechtlichen und kreditpolitischen Bestimmungen des Gastgeberlandes. 29 Damit sind sie gleichzeitig von den Behörden aus dem Herkunftsland der Muttergesellschaft schwer zu beaufsichtigen. Vielfach fehlen grenzüberschreitende Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse.30 Die Tochtergesellschaften können vor hoheitlichen Eingriffen seitens ausländischer Aufsichtsämter geschützt sein. 31 Im internationalen Unternehmensrecht mehren sich jedoch die Stimmen, die die Unanwendbarkeit des sog. "ausländischen Eingriffsrechts" in Frage stellen. 32 Solange ein solches Recht jedoch nicht anerkannt ist, hat das grenzüberschreitende Bankenaufsichtsrecht diesen Sachverhalt zu regeln. Zu beachten ist dabei, daß der aufsichtsrechtlichen Trennung oft ein Haftungsverbund gegenübersteht. Aufgrund von Patronatserklärungen oder Bestimmungen im Statut der Tochtergesellschaft kann es zu einer solchen Haftung der Muttergesellschaft kommen. 33 Diese Verbindung zeigt, daß hier eine umfassende Aufsicht erforderlich ist.

27

Vgl. Bauer, S. 31; Wagner, S. 20 f.

Zum unterschiedlichen Sprachgebrauch vgl. Bauer, S. 32 f.; Möschel, S. 169; Weber, S. 93; im deutschen Abienrecht zu § 17 AbG, Henn, S. 43, 147. 28

29 Vgl. Büschgen, aaO., S. 430; Wagner, S. 21. 30 Vgl. demgegenüber § 44 a KWG. 31

Wagner, S. 21.

32

Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S. 124 f. m.w.N.

33

Vgl. Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S.

248 f.

20

B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit

Die grundsätzliche Unabhängigkeit von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen aus dem Herkunftsland der Mutterbank erklärt u.a. die besondere Struktur des Bankenmarktes in der EG. 34 So verdankt der Finanzplatz Luxemburg seine Attraktivität den dort vergleichsweise liberalen Aufsichtsbestimmungen. 35 Deshalb sind die Stützpunkte ausländischer Banken in Luxemburg fast ausnahmslos Tochtergesellschaften. 36 ,37 Hier wird der Einfluß des Bankenaufsichtsrechts auf die Rechtsformwahl bei Auslandsaktivitäten deutlich. Diese Untersuchung zeigt nachfolgend, in welche Richtung dabei die neuen EG-Vorschriften weisen können.

m. Die Struktur des Bankemnarktes in der Europäischen Gemeinschaft

Der Bankenmarkt in der EG hat folgende Größenordnungen: Die von Kreditinstituten (einschließlich Versicherungen) erzielte Wertschöpfung liegt bei ca. 6,5 - 7 % des Bruttoinlandsproduktes der EG.38 ,39 Die Tendenz ist dabei steigend. 40 In den Mitgliedstaaten variiert dieser Wert von 14 % (Luxemburg) bis 3 % (Dänemark).41 Obwohl der Finanzsektor nur ca. 3 % der EG-Arbeitnehmer beschäftigt,42 entsteht dort 6 % des Einkommensvolumens. 43 An Marktgröße erreichen die EG-Finanzmärkte ein Rentenmarktvolumen i.H. v. ca. fünf Billionen DM und eine Kapitalisierung auf den Aktienmärkten i.H.v. 2,5 Billionen DM. Dies entspricht ca. zwei Drittel der vergleichbaren amerikanischen Verhältnisse. 44 Insgesamt sind in der EG ungefähr 10.000 Kreditin34 s. auch Kap. B m. 35

Vgl. GroßfeldlKoch, S. 109.

36 Büschgen, Bankbetriebslehre, S.

430.

Dieser Vorteil hat sich allerdings durch die EG-Konsolidierungsvorschriften (s. Konsolidierungsrichtlinie 83/350/EWG AbI. Nr. L 193 v. 18.07. 1983, S. 18 ff.) relativiert; vgl. BährelSchneider, § 44 a Anm. I. 37

38 Vgl. Cecchini, S. 62; EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. 7; ders., Auf dem Weg zu einem großen Binnenmarkt der Finanzdienstleistungen, S. 3. 39 Dies entspricht ungefähr dem gesamten Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt, vgl. Bader, Die Bank 1988,242. 40

Vgl. Rerrhausen, Bankpolitik auf dem Weg nach Europa, S.

236.

Vgl. Kommission der EG, Auf dem Weg zu einem grossen Binnenmarkt der finanziellen Dienstleistungen, So. 3; Bader, Die Bank 1988,242. 41

14 %, Italien 2,5 %.

42

Luxemburg

43

Vgl. Bader aaO.

44

Vgl. Rosen, S. 133.

m. Die Struktur des Bankenmarktes

21

stitute tätig. 45 Von den 500 größten Kreditinstituten der Welt kommen ca. 36 % aus der EG. 46 In den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen noch unterschiedliche Bankensysteme. Sie haben sich aufgrund eigener Traditionen und Rechtstrukturen herausgebildet. 47 Stark vereinfacht gibt es zwei Grundtypen, die Universalund die Spezialbanken. 48 Universalbanken sind eher in Luxemburg, den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland, Spezialbanken dagegen z.B. in England, Belgien und Italien zu fmden. 49

Die EG hat auf der Basis dieser Marktverhältnisse den sog. CecchiniBericht erstellt. Er zeigt auch für den Finanzsektor auf, mit welchen Veränderungen durch den einheitlichen Binnenmarkt ab dem 1. Januar 1993 zu rechnen ist. 50 Zunächst beschreibt der Bericht aber die jetzige Ausgangslage. Danach ist gerade der Markt für Bankdienstleistungen von einer Vielzahl nationaler Besonderheiten geprägt. Das betrifft vor allem die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Preisstrukturen. 51 Die nachstehende Übersicht weist einige Preisvergleiche aus:

4S

Vgl. Bader aaO., Bentier, S. 9.

Dies sind 162 Kreditinstitute; vgl. ReveII, Revue de la Banque, Nr.3/1989, 185, 187, sowie die Einzelaufstellung auf S. 193 sowie Molyneux, Revue de la Banque, Nr. 6/1989, 359, 360 f. 46

47 Vgl. Schneider, Die Hannonisierung der Bankenaufsicht, S. 121; zur konkreten Ausgestaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten, s. Mura, S. 7 ff.

48 Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, S.30 f.; Kopper, S. 485; Troberg, Hannonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S. 22; Molyneux, Revue de la Banque, Nr. 6/1989,359,360. 49 Troberg, Hannonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S.22; Kuntze, Vortrag, S. 64; RehmlGeiger, Sparkasse 1990,342,344.

SO Cecchini, Paolo, Europa '92, Der Vorteil des Binnenmarktes. S1 Vgl. ReveII, Revue de la Banque, Nr. 3/1989, 185f.

22

B. Nationale und grenzüberschreitende Tätigkeit

Ein Binnenmarkt der finanziellen Dienstleistungen: Preisvergleiche zwischen einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (ECU)

Bankdienstleistungen 800

B D E F I

L NL UK

jährliche Kosten eines Kred~s in Höhe von 500 ECU

Verbraucherkred~:

B D E F I

L NL UK

Kreditkarte: jährliche Kosten einer Verschuldung in Höhe von 500 ECU

B D E F I

Dienstleistungen Im Wertpapierbereich 180

B D E F I

L NL UK

Private Transaklion m~ Wertpapieren: Provisionskosten für ein Kassageschäft über 1 440 ECU

B D E F I

L NL UK

Transaktionen IM privaten Anlagen: Provisionskosten für ein Kassageschäft über 14 000 ECU

Quelle: Cecchini, Europa '92, Der Vorteil des Binnenmarktes

L NL UK

Hypothakarkredit: jährliche Kosten eines Darlehens in Höhe von 25000 ECU

m. Die Struktur des Bankenmarktes

23

Angesichts dieser Ausgangslage kommt der Cecchini-Bericht zu dem Ergebnis, daß eine stärkere Liberalisierung und Wettbewerbsorientierung Kostenvorteile i.H. v. ca. 22 Millionen EeU verursachen könnten. 52 Insgesamt soll das Preisniveau auf dem Finanzsektor um ca. 1,4 % sinken. Demgegenüber ist zu erwarten, daß die Neustrukturierung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das Bruttoinlandsprodukt der EG insgesamt um ca. 1,5 % steigern kann. 53 Diese Zahlen machen deutlich, welche hohe Bedeutung auch der Harmonisierung des EG-Bankenaufsichtsrechts zukommt .

.52 VgI. Cecchini, S. 62; EG-Kommission, Auf dem Weg zu einem großen Binnenmarkt der finanziellen Dienstleistungen, S. 5; Durchschnittswert der Prognosewerte von 11 bis 33 MillionenECU . .53 Kopper, S.

481.

c. Grundlagen der Bankenaufsicht I. Erklärungsamätze und Definition der Bankenaufsicht Bankenaufsicht l bedeutet allgemein Staatsaufsicht über einen bestimmten Bereich der Wirtschaft. 2 Zur näheren Definition ist vor allem die Funktion der Bankenaufsicht wichtig. 3 Formale Erklärungsansätze sind dazu die Maßstabs- und die Pflichtentheorie. 4 Nach diesen Theorien ist es Aufgabe der Aufsicht, die Einhaltung von vorgegebenen Maßstäben und Pflichten zu übelWachen. Diese Definitionen stellen lediglich auf eine mehr formale Soll/Ist-Abweichung ab. Sie erfassen die Bankenaufsicht damit nur vordergründig. s Hier gehen die an materiellen Kriterien orientierten Theorien weiter6: Die Gefahrentheorie versteht die Bankenaufsicht als Polizeiaufsicht. Sie kann erst dann Maßnahmen ergreifen, wenn die konkrete Gefahr einer Schädigung Dritter besteht. 7 Nach der Schutztheorie müssen diese Gefahren nicht erst erkennbar bevorstehen. Die Bankenaufsicht soll durch entsprechende Maßnahmen bereits vor nur möglichen Gefahren schützen. 8 Dabei steht insbesondere der Anlegerschutz im Vordergrund. Die Strukturtheorie schließlich erklärt die Bankenaufsicht aus der besonderen Art des Wirtschaftszweiges. 9 Sie berücksichtigt zum einen wegen der Gläubigerstruktur die Anleger. Zum anderen beachtet sie die Funktionsfähig-

1 Zu den geschichtlichen Grundlagen der Bankenaufsicht in Deutschland s. GroßfeldlKoch, S. 106 ff.; Ruland, S. 1 ff.; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 13 ff.; Honold, S. 37 ff.; Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 200 ff.; und in Europa s. Weber, S. 6 ff.; Honold, S. 87 ff.

2

Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 68.

3 Bieg, aaO.; Möschcl, aaO., S. 233 ff. 4

VgI. Stein, S. 3 ff., 8 ff.

S VgI. Stein, S. 8; Bieg, aaO .. 6

VgI. Stein, S. 9 ff.; Bauer, S. 36.

7

VgI. Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 68.

8

VgI. Stein, S. 9 f.

9 VgI. Bieg, aaO., S. 69; Stein, S. 11; Stützei,

Rz. 42 ff.

ll. Träger der Bankenaufsicht

25

keit der Kreditwirtschaft insgesamt. 10 Die Bankenaufsicht soll demnach gewährleisten, daß über die Kreditinstitute der Zahlungsverkehr aufrechterhalten bleibt und eine Palette von Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Insoweit ist die Strukturtheorie am besten geeignet, die Funktionen der Bankenaufsicht aufzuzeigen. 11 ,12 Sie stellt einen umfassenden Ansatz dar. Somit kann man die Bankenaufsicht wie folgt definieren: Die Bankenaufsicht stellt die Überwachung der Banken bei ihrer Zulassung und ihrer Geschäftstätigkeit dar; sie orientiert sich an aufsichtsrechtlichen Normen, die zur Aufrechterhaltung des Bankensystems als Ganzem und zum Schutz des einzelnen Anlegers dienen. 13 Zur systematischen Einordnung der Bankenaufsicht in das Bankrecht bietet sich eine Dreiteilung an. 14 Das Bankrecht beinhaltet neben dem Bankenaufsichtsrecht das Bankenorganisations- und das Bankenvertragsrecht. Das Bankorganisationsrecht betrifft die Struktur der Kreditinstitute und schließt das Bankbilanzrecht ein. Das Bankenvertragsrecht zielt insbesondere auf die privatrechtliche Seite des Bankgeschäfts ab. 15 Bei dieser Darstellung steht das Bankenaufsichtsrecht im Vordergrund. Auf die anderen Bereiche wird eingegangen, soweit sie unmittelbaren Bezug zur Bankenaufsicht haben.

11. Träger der Bankenaufsicht Zur Wahrnehmung der bankenaufsichtsrechtlichen Aufgaben bedarf es bestimmter Organe. Sie üben die in den Bankenaufsichtsgesetzen enthaltenen Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse aus. Ihre organisatorische Gestaltung ist in den einzelnen Ländern der EG sehr verschieden. 16 Aufgrund der

10

Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S. 91.

H.M. vgl. GroßfeldlKoch, S. 105; Degenhart, S. 22 Cf.; Berger, S. 1017; Bauer, S. 36 f.; Bester, S. 27 FN 1 m.w.N.; Weber, S. 12; a.A. Bieg, aaO., S. 69f. 11

12 Dieser Ansatz hat auch entsprechenden Niederschlag in § 6 11 KWG gefunden; vgl. Bähre/Schneider, § 6 Anm. 2, 3; Szagunn/Wohlschieß, § 6 Anm. 1,5.

13 Vgl. Clarotti, Cahiers de droit europeen 1989, 504, 516; Honold, S. 5; Bauer, S. 36; Weber, s. 11; Hagedorn, S. 26. 14

Vgl. Schneider, äBA 5/91, 312, 314.

15 Vgl. Emmerich, WM 1990, I Cf. 16 Vgl. Honold, S. 15; Weber, S. 16; Zusammenstellung bei Römer, S. 55 Cf. u. 124; Schneider, Uwe H., S. 133 Cf.; Möschel, ZBB 1989, 168, 176; Lusser, ZBB 1989, 101, 102; Mura, S. 7 Cf.

C. Grundlagen der Bankenaufsicht

26

Ordnungsfunktion der Bankenaufsicht sind diese Träger öffentlich-rechtlicher Natur. Grundsätzlich lassen sich dabei drei Möglichkeiten unterscheidenP 1. Der Staat übt die Bankenaufsicht unmittelbar selbst aus. Dem zuständigen Ministerium ist eine Bankenaufsichtsabteilung angegliedert (direkte Staatsaufsicht). Diese Form fand sich z.B. in Deutschland nach der ·Verordnung zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen • vom 18.09.1944. 18 Zur Zeit besteht eine solche direkte Staatsaufsicht nur in Dänemark durch den Wirtschafts- und Handelsminister. 19 2. Besondere Aufsichtsbehörden üben die Bankenaufsicht aus (indirekte Staatsaufsicht). Dieses System findet sich u.a. in Belgien, Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland. 3. Die Zentralbank nimmt die Bankenaufsicht wahr (indirekte Staatsaufsicht), wie z.B. in Irland und in den Niederlanden. In den Mitgliedstaaten der EG werden auch obige Formen kombiniert. Die aufgeführten Institutionen unterstützen sich gegenseitig.20 ill. Rechtsgrundlagen der Bankenaursicht

Die Bankenaufsicht benötigt zur Erfüllung ihrer Funktionen21 entsprechende Rechtsgrundlagen. Diese legen die Rechte und Pflichten von Aufsichtsbehörden und Kreditinstituten fest. Vereinfacht fallen darunter zunächst Bestimmungen für die Zulassung von Kreditinstituten.22 Sie legen die innere Struktur der Kreditinstitute und die Gestaltung einzelner Bankgeschäfte fest. Hinzu treten Normen für die Überwachung der laufenden Geschäftstätigkeit. Wichtige Aufsichtsregeln sind dabei die Vorschriften bezüglich des Eigenkapitals und der Liquidität der Kreditinstitute. Ein solches System von

17 Honold, S. 15; s. auch Weber, S. 17. 18

Vgl. Ruland, S. 189.

19

Vgl. Römer, S. 124.

20

Vgl. Römer, S. 124 f; Honold S. 16; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 139.

21

s.o. Kap C I.

22 Vgl. Honold, S. 22.

IV. Grenzüberschreitende Bankenaufsicht

27

Aufsichtsnormen muß schließlich Anzeige- und Informationspflichten der Kreditinsititute beinhalten. Dem stehen Informationsrechte und Eingriffsmöglichkeiten für die Träger der Aufsicht gegenüber. 23 ,24

IV. Grenzüberschreitende Bankenaufsicht 1. Notwendigkeit einer grenzUberschreitenden Bankenaufticht

Die bisherige Darstellung der allgemeinen bankenaufsichtsrechtlichen Grundlagen ist von einer nationalen Sichtweise geprägt. Für die Bankenaufsicht in der EG muß man jedoch den ländecübergreifenden Rahmen beachten. 25 Die Zahlen zur Struktur des EG-Bankenmarktes26 machen dabei das Ausmaß und die Tendenz der Internationalisierung deutlich. Sie wird sich mit der Entstehung des europäischen Binnenmarktes ab dem 1. Januar 1993 noch verstärken. Zusätzlich haben sich in der EG auch Märkte eigener Art herausgebildet. Die sog. Euromärkte27 mit neuen Spielregeln und Finanzprodukten sind aufsichtsrechtlich zu bedenken. 28 Auch innerhalb der Kreditinstitute bestehen veränderte Strukturen. 29 In den letzten Jahren sind Banken verstärkt dazu übergegangen, ihre geschäftlichen Aktivitäten auf rechtlich selbständige Tochtergesellschaften in das Ausland zu verlagern,30 wo oft vergleichsweise liberalere Aufsichtsbestimmungen vorliegen. Aufgrund der rechtlichen Haftungsbeziehung 23 Vgl. Bieg, S. 81, 101. 24 Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Bankenaufsicht in den einzelnen EG-Mitgliedsstaaten, vgl. Römer, S. 124 ff.; Schneider, Uwe H., Bankensysteme in den Mitgliedsstaaten der EG, S. 130 ff.; Mura, S. 7 ff.

2S Vgl. Cardon de Lichtbuer, Cahiers de droit europeen 1989, 522, 523 ff.; Lusser, ZBB 1989, 101, 102. 26 s.o. Kap. B W; Schneider, Uwe H., S. 121. Das grundlegend Neue an den Euromärkten ist nicht die Entgegennahme von Einlagen und die Gewährung von Krediten. Prägend sind vielmehr folgende Merkmale: Beschränkung auf wenige Bankplätze und auf eine überschaubare Zahl von auf Eurogeschäfte spezialisierten Kreditinstituten, Herausbildung spezifischer Marktstrukturen und Usancen sowie nicht zuletzt die Größe des Marktes selbst; vgl. Bauer, S. 28. 1:1

28 Vgl. Cooke, Revue de la Banque Nr.2/1986, 5, 8; Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 119 ff., 343 ff.; Möschel, ZBB 1989, 168, 182; Lusser, ZBB 1989, 101 f. 29

Vgl. Bester, S. I ff.

30

Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 154:-

C. Grundlagen der Bankenaufsicht

28

können aber erhebliche Risiken für die Muttergesellschaft entstehen,31 die eine rein national orientierte Aufsicht nur schwer einschätzen kann. Das grenzüberschreitende Bankgeschäft führt zu einer Lockerung bankaufsichtlicher Kontrollmöglichkeiten. 32 All diese Gesichtspunkte machen deutlich, daß die Bankenaufsicht in der EG einer ländecübergreifenden Gestaltung bedarf. 33 Bei diesem Ansatz muß man einige Sonderaspekte beachten:

2. Besonderheiten der grenzüberschreitenden Bankenaufsicht in der EG a) Wettbewerbsverzerrungen aufgrund ungleicher rechtlicher Rahmenbedingungen34 Bisher liegt der Bankenaufsicht in den Mitgliedstaaten noch eine mehr nationale Sichtweise zugrunde; die Intensität der Bankenregulierung ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. 35 Die grenzüberschreitende Tätigkeit der Kreditinstitute wirft die Frage auf, ob einheimische Institute in ihrem Auslandsgeschäft den allgemeinen Aufsichtsregeln des Heimatlandes unterworfen bleiben. Besteht eine solche Rechtsanwendung, so können sich seitens der Kreditinstitute erhebliche Wettbewerbsverzerrungen im Auslandsgeschäft ergeben. 36 Das Ausmaß der möglichen Benachteiligung hängt dabei vom rechtlichen Gefälle der Aufsichtsnormen ab.

s.o. Kap. B n 3.; s.u. Kap. C IV 2. c). Vgl. Möschel, ZBB 1989, 168. 33 Vgl. Clarotti, Le Droit des Affaires Nr. 5/1988, S. 3; ders. Cahiers de droit europeen 1989, 504, 515; Stouffiet, Cahiers de droit europeen 1989, S. 517, Schneider, Uwe H., Bankensysteme in den Mitgliedstaaten der EG, S. 121f.; Gaddum, Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, S. 47; Möschel, aaO.; Lusser, ZBB 1989, 101, 102. 34 s. dazu Möschel, aaO., S. 172. 35 Vgl. einführend Römer, S. 123 f.; zu den einzelnen Ländern Price Waterhouse, S. 1 ff.; Welch, S. 1 ff. 36 In den USA hat dieses Phänomen zu den sog. "International Banking Facilities" geführt. Dies sind Bankstellen, die nur mit im Ausland Ansässigen Geschäfte tätigen dürfen. Dabei entfallen nach 12 C.F.R § 204.8 die Reserveerfordemisse und Zinsbeschränkungen. Beim Finanzplatz New York sind mehr als die Hälfte dieser International Banking Facilities angesiedelt. Er kann damit erheblich besser international konkurrieren; vgl. dazu Pecchioli, The Internationalisation of Banking, S. 62; Möschel, ZBB 1989, 168, 169 FN 5. 31

32

IV. Grenzüberschreitende Bankenaufsicht

29

Untersteht die Auslandstätigkeit von Kreditinstituten hingegen nicht den heimischen Aufsichtsregeln, so sind wiederum unerwünschte Rückwirkungen auf die inländische Bankenordnung möglich. 37 Ein Teil der Kreditinstitute könnte dann im grenzüberschreitenden Geschäft abgeschwächten Anforderungen unterliegen. Dies wäre nachteilig für solche Institute, die nur national präsent sind. Oder aber inländische Kreditinstitute beteiligen sich an Unternehmen im Ausland, die wiederum im Inland mit Filialen und Tochtergesellschaften im Bankgeschäft vertreten sind. Erfaßt das nationale Aufsichtsrecht nicht solche Umgehungstatbestände, so sind auch hier Wettbewerbsverzerrungen denkbar. Diese beiden Beispiele zeigen, wie das Wettbewerbsgefüge in der EG von der Struktur der Bankenaufsicht abhängt. Auswirkungen ergeben sich auf der nationalen und ländecübergreifenden Ebene. Ziel der EG ist ein einheitlicher Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Dort soll Wettbewerbsneutralität herrschen. 38 Dies ist im EWG-Vertrag u.a. in den Art. 2 u. 8 a·· niedergelegt. Im Hinblick auf die nationalen Rechtsvorschriften führt Art. 3 h EWGV näher aus: Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfaßt "die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Marktes erforderlich ist" .39 Art. 3 f EWGV fordert daneben "die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt .40 11

Dieser Ansatzpunkt ist eine Richtschnur für das EG-Bankenaufsichtsrecht. Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Ungleichheit nationaler Aufsichtsgesetze sind abzubauen. b) Aufeinanderstoßen verschiedener Rechtsordnungen Solange die EG-Bankenaufsicht nicht durch ein supranationales Rechtssystem und eine EG-Behörde geregelt ist, verbleibt sie bei den einzelnen nationalen Staaten. 41 Dabei ist es möglich, daß ein aufsichtsrechtlicher Sach-

37

Vgl. Möschel, aaO., S. 171.

Vgl. Herrhausen, Wettbewerbsposition der deutschen Universalbanken" , S. 83; Kuntze, Vortrag, S. 63 ff. 38

39 s. Art. 3 h sowie ergänzend Art. 101, 102 EWGV. 40 Hieran knüpfen auch Art. 101, 102 EWGV an. Art. 101 bezieht sich auf Unterschiede in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Wettbewerbsbedingungen auf dem gemeinsamen Markt verfälschen .. 41

Vgl. Bähre, Bankenüberwachung, Bankenaufsicht, S. 491.

C. Grundlagen der Bankenaufsicht

30

verhalt unter verschiedene Gesetze fällt. 42 Die Kollision von länderbezogenen Aufsichtsnormen ist in drei Richtungen denkbar. Zunächst kann ein Gegenstand vom in- und ausländischen Recht erfaßt werden. Es kommt zu einer Doppelregulierung. Widersprechen sich diese Normen nicht, so ist diese Konstellation juristisch unproblematisch. Es entstehen lediglich höhere Kosten der Beaufsichtigung. Des weiteren ist denkbar, daß das länderübergreifende Bankgeschäft in der EG in Bereichen agiert, wo Regelungslücken bestehen. Solche Lücken treten einerseits auf, wenn weder die in- noch die ausländische Bankenaufsicht zuständig ist. Andererseits sind Lücken denkbar, wenn die Art der Banktätigkeit aufsichtsrechtlich nicht erfaßt wird. 43 Als dritte Konstellation kommt in Betracht, daß zwei Aufsichtssysteme einen Sachverhalt widersprüchlich erfassen. 44 Eine Bank unterliegt zwei sich entgegenstehenden Aufsichtsnormen. Dies ist zum Beispiel im Bereich der Auskunftsrechte und -pflichten möglich. 45 Es kann ein inländisches Mitwirkungsgebot mit einem ausländischen Mitwirkungsverbot kollidieren. 46 Ein System nationaler Aufsichtsnormen hat dieses Problem zu beachten. Zur Frage der Rechtsanwendung müssen eindeutige kollisionsrechtliche Bestimmungen vorliegen. 47 Sie legen fest, welches Rechtsanwendungsinteresse vorrangig sein soll. 48

c) Risiken im Bankgeschäft Neben den juristischen Rahmenbedingungen hat die grenzüberschreitende Bankenaufsicht auch wirtschaftliche Aspekte zu beachten. Dabei sind insbesondere die Risiken des nationalen und länderübergreifenden Bankgeschäftes von Bedeutung. 49 Hierzu gehören das Ausfall-, Liquiditäts-, Wertände-

42

Vgl. Möschel, ZBB 1989, 168, 171

er.,

175; Bauer, S. 58

er.; Wagner, S.

134 ff.

Die Folgen solcher Ungleichgewichte für den nationalen und internationalen Wettbewerb sind bereits in Kap. C IV 2. a) aufgeführt worden. 43

44

Vgl. Wagner, S. 202.

4.5

Vgl. Großfeld, Internationales Untemehmensrecht, S. 91.

46

Vgl. Großfeld, Multinationale Kooperationen, S. 140.

47

Vgl. Möschel, ZBB 1989, 168, 172; Wagner, S. 203; Bauer, S. 59.

4S

Großfeld, aaO., S. 141.

49

Vgl. Möschel, aaO, S. 168; Pecchioli, Prudential Supervision in Banking, S. 71.

IV. Grenzüberschreitende Bankenaufsicht

31

rungs- und Währungsrisiko als wichtigste Arten. 50 Nachfolgend seien lediglich die Risiken des grenzüberschreitenden und des internationalen Bankgeschäftes hervorgehoben. Dazu zählt zunächst das Länderrisiko. Es ist von seinem Typ her ein Ausfallrisiko. 51 Erfaßt wird die Gefahr, daß ein zur Leistung im Ausland Verpflichteter seinen Obliegenheiten nicht nachkommt. Die Ursache ist dabei nicht im Schuldner begründet. Sie liegt vielmehr in den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des betroffenen Landes. 52 In der EG kann dieses Ausfallrisiko vernachlässigt werden. Wichtig wird es jedoch bei den vertraglichen Beziehungen zu Schuldnern aus Nicht-EG-Staaten (nachfolgend auch Drittländer genannt). Ebenfalls von Bedeutung ist das Wechselkursrisiko. Es stellt ein besonderes Preisänderungsrisiko dar. 53 Sinken aus der Sicht einer Bank die Wechselkurse, so führt dies zu einer Abwertung der Fremdwährungsaktiva. Bei einer Steigerung der Wechselkurse ergibt sich eine Abwertung der Fremdwährungspassiva. Das Ausmaß des Wechselkursrisikos hängt somit von der Bilanzstruktur im Fremdwährungsbereich ab. Es kommt auf die Art, Höhe und Fälligkeit der Fremdwährungspositionen an. Für das grenzüberschreitende Bankgeschäft innerhalb der EG ist das Wechselkursrisiko überschaubar. Es bestehen die Bandbreiten im Rahmen des europäischen Währungssystems. Insofern sind auch hier die Geschäftsbeziehungen zu Drittländern von größerer Bedeutung. Eng verwandt mit der Wechselkursproblematik ist das Zinsänderungsrisiko. 54 Es beschreibt die Veränderung der Bruttozinsspanne eines Kreditinstituts. Aufgrund unterschiedlicher Zinsentwicklungen bei den Aktiva und Passiva kann sich hier ein Risikopotential aufbauen. Gerade im Bereich der Euromärkte wird versucht, die Risiken im Währungs- und Zinsbereich durch

50 Grundsätzlich zu den Risiken im Bankgeschäft, vgl. Müller, S. 148 ff.; Basler Ausschuß, Internationale Konvergenz, Kap. n, Ziff. 31. SI Vgl. dazu Linss, S.351 sowie für die Bundesrepublik Deutschland, "Verordnung über Angaben zu den Krediten an ausländische Kreditnehmer nach dem Gesetz über das Kreditwesen" (Länderrisikoverordnung v. 19.12.1985, BGBI. I, S. 1255; abgedruckt bei CfM/B/S, Nr.2.08).

52 Vgl. Bester, S. 76 ff.; Möschel, ZBB 1989, 168, 169 f.; Büschgen, Bankbetriebslehre,

S. 717.

53 Linss, S. 357.

54 Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehrc, S. 728.

32

c. Grundlagen der Bankenaufsicht

sog. SwapgeschäfteSS auszugleichen. Kann dabei einer der Partner seinen Verbindlichkeiten nicht nachkommen, so entstehen möglicherweise erhöhte Kosten für die Ersatzbeschaffung von Mitteln. Es baut sich somit über die Swapgeschäfte ein Risikopotential auf. Das Bankenaufsichtsrecht in der EG muß diese Risiken beachten. Es wird sich zeigen, inwieweit dies durch Schaffung von Risikotransparenz, Bildung von Limits oder Vorschriften zur Risikostreuung berücksichtigt worden ist. S6 Insgesamt wird deutlich, daß die Bankenaufsicht in der EG nicht nur auf die nationalen, sondern auch auf die grenzüberschreitenden und internationalen Belange auszurichten ist. Es liegen bisher in den einzelnen EGStaaten mehr national orientierte Aufsichtsnormen vor; die Aufsichtssysteme sind noch nicht aufeinander abgestimmt. Das stellt die Ausgangslage für die aktuelle Neugestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts dar. Die neue Ausrichtung sollte dabei mehreren Zielen dienen: S7 1. Der Anlegerschutz ist zu verstärken.

2. Die Funktionsfähigkeit der nationalen und internationalen Bankensysteme und Finanzmärkte muß gewährleistet sein. 3. Die Kreditinstitute sollen in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt sein. 4. Finanzdienstleistungen müssen grenzüberschreitend angeboten werden können. 5. Anbieter von Finanzdienstleistungen müssen sich in allen Mitgliedstaaten zu den gleichen Bedingungen niederlassen dürfen. 6. Die Bankenaufsicht muß die vorstehend aufgeführten Ziele beachten; sie muß dabei lückenlos und widerspruchsfrei die Zulassung der Kreditinstitute regeln und ihre Tätigkeit überwachen.

55 Zur Definition und Erläuterung von Swapgeschäften vgl. Basler Ausschuß, Behandlung nicht bilanzwirksamer Risiken, Anhang, Kap. 111. 2: "Beim klassischen Zinsswap schließen zwei Partner einen Kontrakt über den Tausch von Zinsverpflichtungen für einen gleich hohen Betrag einer Schuld mit gleicher Fälligkeit und gleichen Zahlungsterminen ab; dabei übernimmt der eine Partner die Festzinsverpflichtung, während der andere Partner in die variable Zinsverpflichtung der ersten Partei eintritt.

56 Vgl. Linss, S. 363 ff.; Büschgen, aaO., S. 736; Möschel, ZBB 1989, 168, 173. 57 Vgl. Lusser, ZBB 1989, 101, 103; Herrhausen, Wettbewerbsposition der deutschen

Universalbanken, S. 81; Kopper, S. 482; Kommission der EG, Weißbuch, S. 26.

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen zum heutigen Bankenaufsichtsrecht in der EG I. Der EWG-Vertrag als übergeordnete Rechtsgrundlage Ausgangspunkt und Rechtsgrundlage für das EG-Bankenaufsichtsrecht ist der EWG-Vertrag vom 25. März 1957. 1 Nach Art. 2 EWGV ist es Aufgabe der Gemeinschaft, einen gemeinsamen Markt zu errichten und die Wirtschaftspolitik der Staaten einander anzunähern. Dies soll zu einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der EG führen. Für die Finanzdienstleistungen umreißt Art. 3 c EWGV diesen Ansatz näher. Danach sind die Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen. Ziel ist ein einheitlicher europäischer Finanzraum. 2 Das Bankenaufsichtsrecht soll dabei an der Verwirklichung dieses Ziels mitwirken. Betroffen sind davon die Regelungen über das Niederlassungsrecht, Art. 52 ff., über den freien Dienstleistungsverkehr, Art. 59 ff., und über den Kapitalverkehr, Art 67 ff. Sie stellen die übergeordnete Rechtsgrundlage für die Harmonisierung des EG-Bankenaufsichtsrechtes dar. Aus diesem Primärrecht3 ergeht die Harmonisierung des EG-Bankenaufsichtsrechtes über das sog. Sekundärrecht der EG. 4 Zu beachten ist, daß die angeführten Vorschriften des EWG-Vertrages aus zwei Perspektiven das Bankenaufsichtsrecht betreffen. Zum einen stellen sie die individuellen Rechte der Kreditinstitute in der EG dar. Zum anderen ergibt sich aus den Vertragsnormen, inwieweit die Aufnahme und Ausübung der Banktätigkeit in der EG ordnungsrechtlich reglementiert werden kann.

1

VgI. Tietmeyer, S. 14; Bleckmann, Rdnr. 13. ff.

2 VgI. EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. 1 f. 3 Die Vorschriften des EWGV stehen auf der höchsten Stufe des Gemeinschaftsrechts. Sie werden deshalb als Primärrecht bezeichnet; vg\. Bleckmann, Rdnr. 237 ff.; Schweitzer/Hummer, S. 40.

4 Unter dem Sekundärrecht versteht man die von den Organen der EG erlassenen Rechtsakte, so u.a. Richtlinien und Verordnungen; vg\. Bleckmann, Rdnr. 237, 843, 853. 3 HellenthaI

34

D. Rechtsgnmdlagen und Entwicklungsstufen

1. Niederlassungsrechl gern. Art 52. ff. EWGV

Unter das Niederlassungsrecht lallt nach h.M. jede unabhängige Etwerbstätigkeit in einem fremden Mitgliedstaat, die von einer dort eingerichteten Niederlassung ausgeht und nicht von den Vorschriften über den Kapitalverkehr erfaßt ist, Art. 52 11 i.V.m. Art. 67 ff. 5 Diese Definition macht es erforderlich, auf den Begriff der "Niederlassung" näher einzugehen. Der EWG-Vertrag enthält keine konkrete Umschreibung dazu. 6 Seine Definition hat sich im wesentlichen aus der Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit herausgebildet. Dabei bedeutet "Niederlassung" nicht nur die materielle Fixierung in einem anderen EG-Mitgliedstaat, also die bloße Errichtung einer Operationsbasis. Geschützt ist vielmehr die Möglichkeit, sich aktiv durch direkte eigene Etwerbstätigkeit in das Wirtschaftsleben des Gastlandes einzugliedern - und dies nicht nur durch Übersiedlung mit einer bereits ausgeübten, sondern auch durch Aufnahme einer neuen Tätigkeit.1 Träger dieser Freiheit sind sowohl Einzelpersonen wie auch Unternehmen, 8 also auch Kreditinstitute. Im Hinblick auf dieses Recht gebietet Art. 52 EWGV den Mitgliedstaaten, jede Beschränkung der freien Niederlassung für Angehörige aus anderen EGStaaten aufzuheben. Neue Beschränkungen dürfen auch nicht eingeführt werden, Art. 53 EWGV. Niederlassungsfreiheit bedeutet also nicht die Aufhebung aller Beschränkungen. Vielmehr zielt sie darauf ab, Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten den gleichen Zulassungsbestimmungen zu unterwerfen, wie sie auch für inländische Institute gelten. 9 Das EG-Bankenaufsichtsrecht, das auch die Zulassung regelt, wird dieses Postulat zu beachten haben.

2. Freier Dienstleistungsverkehr gem. Art. 59 ff. EW~ Vertrag

Die Art. 59 ff. EWGV normieren die Dienstleistungsfreiheit in der EG. Der Begriff der Dienstleistung ist in Art. 60 EWGV legal definiert. Dazu

S

Vgl. Bleckmann, Rdnr. 1095 ff. m.w.N.

6 Art. 52 ß stellt lediglich eine Einschränkung und eine Erweiterung des Art. 52 I EWGV dar; vgl. Groeben-Troberg, Art. 52 Rdnr. I f. 7

Vgl. Oppermann, Rdnr. 1495; Groeben-Troberg, Art. 52 Rdnr. 1.

8 Vgl. Art. 58 Aba. 1 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 S. 2 EWGV. 9 Römer, S. 42; Schwark, S. 16.

I. Der EWG-Vertrag als übergeordnete Rechtsgrundlage

35

zählen Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Beispiele sind insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten zu sehen. 10 Die Dienstleistung unterscheidet sich von einer Leistung über eine Niederlassung dadurch, daß sie keine Standortverlagerung erfordert. 11 Wie die Niederlassungsfreiheit ist auch die Dienstleistungsfreiheit vom Anwendungsbereich her eingeschränkt. Nach Art. 60 EWGV werden solche Dienstleistungen ausgegrenzt, die den Vorschriften über den freien Warenund Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Diese Verweisungstechnik ist gerade für Banktätigkeiten von erheblicher Bedeutung. 12 Nach dem EWG-Vertrag verbleiben bei den reinen Dienstleistungen gem. Art. 59, 60 EWGV nur solche Banktätigkeiten, die nicht direkt Kapitalbewegungen zum Inhalt haben, so z.B. die Vermietung von Schließfächern, die Erstellung von Marktstudien oder die Vermittlung von Beteiligungen an Gebietsfremde. 13 Neben diesen reinen Dienstleistungen gibt es noch sogenannte verbundene Dienstleistungen i.S.v. Art. 61 11 EWGV. Bei dieser Art von Tätigkeiten stehen Dienstleistungs- und Kapitalverkehrselemente in engem Zusammenhang. Ihre Verbindung darf nicht rein zufällig sein. Sie müssen sich gegenseitig bedingen oder zumindest ergänzen. 14 Hierunter fallen z.B. Beratungen im Zusammenhang mit der Plazierung einer Anleihe, die Wertpapierverwahrung, Betreuung von Fusionen und das Wechselinkasso. 15 Diese Geschäfte unterliegen noch dem Dienstleistungsbegriff; als Besonderheit bestimmt jedoch Art. 61 11 EWGV, daß die Liberalisierung dieser Dienstleistungen im Einklang mit der schrittweisen Liberalisierung des Kapitalverkehrs stehen muß. 16

10 Vgl. Art. 60 EWGV; umfassend zur Definition des Dienstleistungsbegriffs s. Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 30 ff.

11 Die Dienstleistung über die Grenze i.S.d. EWG-Vertrages kann grundsätzlich auf drei Arten erfolgen: der Leistungserbringer kommt zum Leistungsempfänger , der Leistungsempfänger begibt sich zum Leistungserbringer oder die Dientleistung wird ohne Ortsveränderung einer der Partner transferiert; vgl. Römer, S. 39. 12 Vgl. Bopp, S. 24; Römer, S. 40. 13 Vgl. Schöne, WM 1989,873,874; Römer, S. 40 f. 14 Vgl. Schöne, aaO., S. 874; ders., Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 61 f.; Bopp, S.24.

15

Vgl. Groeben-Troberg, Art. 61 Rdnr. 5 f.

Zur Wertung des Art. 61 ß EWGV in der Rechtsprechung und Literatur vgl. Schöne, WM 1989,873,875; Groeben-Troberg, Art. 61 Rdnr. 6 jeweils m.w.N. 16

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

36

Hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. EWGV gilt dasselbe wie für die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 ff. EWGV P Es besteht das Gebot, Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat den gleichen Bedingungen für in- und ausländische Leistungserbringer aus der EG zu unterwerfen. Insoweit sind die jeweils spezifischen Beschränkungen für Anbieter aus fremden Mitgliedstaaten aufzuheben. Das Bankenaufsichtsrecht regelt das "ob" und "wie" des Erbringens von Dienstleistungen über die Grenzen hinweg. Folglich hat die Gestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechtes auch die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. zu beachten.

3. Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 67ff. EWGV Neben der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit stellt die Freiheit des Kapitalverkehrs die dritte wesentliche Rechtsgrundlage für den EGFinanzraum und das EG-Bankenaufsichtsrecht dar. Während die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit vor allem Beschränkungen gegenüber Angehörigen aus anderen Mitgliedstaaten verbieten, garantiert die Kapitalverkehrsfreiheit auch Rechte der "Ansässigen" gegenüber dem eigenen Mitgliedstaat. 18 Das Bankwesen ist dabei von den Regelungen der Art. 67 - 73 EWGV am stärksten betroffen. 19 Das berührt jedoch eher die volkswirtschaftlichen als die bankenaufsichtsrechtlichen Grundlagen der Finanzmärkte. Der EWG-Vertrag definiert den Begriff "Kapitalverkehr" nicht näher. Dies hat erst der Rat in seinen zum Kapitalverkehr erlassenen Richtlinien herausgestellt. 20 Demnach ist Kapitalverkehr die einseitige Wertübertragung von einem Mitgliedstaat in einen anderen. 21 Es geschieht die Vermögensübertragung aus Gründen der Vermögensanlage. Damit unterscheidet sie sich gleichzeitig vom Geld- oder Zahlungsverkehr. Er stellt lediglich eine Über-

17

s.o. Kap. D I 1.

18

Vgl. Groeben-Troberg, Art. 67 Rdnr. 11.

19

Vgl. Bopp, S. 25.

20 Vgl. Groeben-Troberg, Art.61 Rdnr. 1; Bleckmann, Rdnr. 1172; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 60. 21 Diesen Ansatz bestätigt der EuGH in seinem Urteil vom 11.11.1981, Freier Kapitalverkehrl Innerstaatliche Kontrollvorschriften (Casati), RS 203/80, Sig. 1981, S. 2595, 2614; vgl. auch Gleske, S. 191; Bopp, S. 25; Schöne, WM 1989,873,875.

n. Mögliche Rechtsnonnen zur Erfüllung des EWG-Vertrages

37

tragung von Kapital ins Ausland dar, ohne daß dort Geld angelegt wird. 22 ,23 Insgesamt zählen somit hauptsächlich folgende Bankgeschäfte zum Kapitalverkehr nach Art. 67 Abs. 1 EWGV: Erwerb von Beteiligungen, Kauf oder Verkauf von Kapitalmarktpapieren, Kreditvergabe und Kreditaufnahme sowie Bürgschaften und Garantien. 24 Dieser Kapitalverkehr untersteht der Liberalisierung nach Art. 67 EWGV. Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Freiheiten der Niederlassung25 und der Dienstleistungen26 ist hier die Liberalisierung mit einem Vorbehalt versehen. Der Kapitalverkehr muß nur insoweit von Beschränkungen befreit werden, wie "es für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes notwendig ist". 27 Das Bankenaufsichtsrecht dient u.a. dem Sparerschutz und der Sicherheit des Finanzsystems in der EG. 28 Damit fördert es den gemeinsamen Markt. Auch die Kapitalverkehrsfreiheit ist bei der Neuregelung des EG-Bankenaufsichtsrechts zu beachten.

n. Mögliche Rechtsnonnen zur Erfüllung des EWG-Vertrages Das Bankenaufsichtsrecht in der EG bildet sich unter Beachtung der drei vorgestellten Freiheiten des EWG-Vertrages ab. Die Umsetzung der Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit als Primärrecht der EG29 erfolgt nach Art. 189, lOOa EWGV i.V.m. jeweils speziellen Normen wie z.B. Art. 57 und 70 EWG. Die Zuständigkeit liegt beim europäischen Rat. Er erläßt zur Erfüllung seiner Aufgaben und nach Maßgabe des EWG-Vertrages auf Vorschlag der Kommission die notwendigen Vorschriften. Im einzelnen fallen darunter Verordnungen, Richtlinien und Entschei-

22 Vgl. Bopp, S. 26. Dieser Zahlungsverkehr untenallt Art. 67 Abs. 2 bzw. Art. 106 EWGV. Sie stellen Spezialvorschriften für die Liberalisierung des Zahlungsverkehrs dar. 23

24

Vgl. Schöne, aaO., S. 875.

2S s.o. Kap. D I 1. 26 s.o. Kap. D I 2. 27

Vgl. Art. 67 EWGV; dazu Groeben-Kiemel, Art. 67 Rdnr. 5

28

s.o. Kap. C I.

29 s.o. Kap. D I. a.A.

38

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

dungen sowie Empfehlungen. 30 Dieses (Folge-)Recht gehört dann zum sog. sekundären Gemeinschaftsrecht. 31 Im Bereich des Bankenaufsichtsrechtes sind im wesentlichen Richtlinien und Empfehlungen ergangen. 32 Eine Richtlinie wendet sich an einen oder mehrere Mitgliedstaaten. Sie legt ein verbindliches Ziel fest. Für die Umsetzung überläßt sie jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. 33 Eine Empfehlung hat im Gegensatz zur Richtlinie keine verbindliche Wirkung für ihren Adressatenkreis. 34 Trotzdem hat die Kommission in den Beratungen zur Harmonisierung des EG-Bankenaufsichtsrechts stets klargestellt, daß sie den Empfehlungen faktische Verbindlichkeit beilege. Falls die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen zur Durchsetzung der Empfehlungen träfen, würde die Kommission entsprechende Richtlinienvorschläge vorbereiten. 35 Im Hinblick auf den Erlaß der Vorschriften zum EG-Bankenaufsichtsrecht ist schließlich die einheitliche europäische Akte von Bedeutung. 36 Sie hat den EWG-Vertrag in einigen wichtigen Bestimmungen ergänzt. 37 In Art. 100 a EWGV findet sich die Abkehr vom früheren Einstimmigkeitsprinzip. 38 Der Rat kann nunmehr mit qualifizierter Mehrheit die Regelungen zur Verwirklichung des gemeinsamen Marktes treffen. 39 Dies schließt auch den Erlaß der Richtlinien zum Bankenaufsichtsrecht ein. In Art. 57 11, 66, 69 EWGV ist zu den ausgeführten Freiheiten dieses Abstimmungserfordernis noch einmal gesondert festgestellt. Die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip erleichtert insoweit die Bankrechtskoordinierung. 4O

30

Art. 189 EWGV; vgl. Wagner-Wieduweit, S. 388 ff.

31

Vgl. Bleckmann, Rdnr. 237; Schweitzer/Hummer, S. 42 jeweils m.w.N.

32

s. Übersicht bei Baader, EuZW 1990, S. 117, 118.

33

Vgl. Art. 189 Abs. 3 EWGV.

34 Vgl. Art. 189 Abs. 5 EWGV. 35 Vgl. Bader, Rahmenbedingungender Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 78, Fn. 11; Kommission der EG, Abs. 6 der ErwägungsgfÜndezum Vorschlag der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtiinie,ABI. Nr. C 84 v. 23.02.1988, S. 1 . 36 ABI. Nr. L 169 v. 29.06.1987; in der BundesrepublikDeutschland trat sie am 01.07.1987 in Kraft, s. BGBI. 1986 ß, S. 1102 ff. bzw. 1987 ß, S. 451; vgl. Bleckmann, Rdnr. 6.

37 Vgl. z.B. Art. 8 a - c EWGV zur zeitlichen Verwirklichung des Binnenmarktes. 38 Zur Stimmenverteilung beim Erfordernis der qualifIZierten Mehrheit, s. Art. 148 Abs. 2 EWGV; zum Rechtsetzungsverfahrenvgl. Wagner-Wieduweit, Die Bank 1988,388 ff.

39 Vgl. Bleckmann, Rdnr. 1526 ff. 40 Vgl. Bader, Die Bank 1988,242,246; Lanzke, WM 1988,397,398; Tietmeyer, S. 16 f.

ßI. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der EG

39

Bis dato hat der Rat allerdings die Richtlinien zum Bankenaufsichtsrecht einstimmig verabschiedet.

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der Europäischen Gemeinschaft 1. Entwuif einer Richtlinie zur Koordinierung des Bankrechts in der EG von 1972

Der Beginn der Koordinierung des Bankrechts in der EG geht auf das Jahr 1967 zurück. 41 Damals trat eine Gruppe unter dem Vorsitz von Professor Ulrich Klu~ zusammen. Sie erstellte eine vergleichende Studie über die nationalen Bankrechtssysteme in der EG. 42 Auf dieser Grundlage konnte die Kommission von 1969 bis 1972 einen ersten "Entwurf einer Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeiten der Kreditinstitute -43 erarbeiten. Dieser Entwurf erfaßt in seinen 41 Artikeln ein breites Spektrum bankaufsichtsrechtlicher Bestimmungen: I. 11. III. IV.

Anwendungsbereich Zulassungsverfahren und Voraussetzungen der Zulassung Errichtung von Zweigstellen Räumlicher und sachlicher Tätigkeitsbereich; Verschmelzungen und Zusammenlegungen V. Eigenmittel; Sicherung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft VI. Kreditanzeigen; Meldewesen; Geheimhaltung VII. Bezeichnungsschutz VIII. Entzug der Zulassung IX. Vorschriften für Zweigstellen von Kreditinstituten, die ihren Hauptsitz außerhalb der Gemeinschaft haben. X. Übergangsbestimmungen XI. Allgemeine und Schlußbestimmungen Der Entwurf wird oft als Grundlage für ein "europäisches Kreditwesengesetz" bezeichnet. 44 Man kann retrospektiv feststellen, daß dort alle wichti-

41

Vgl. Troberg, Bankrechtskoordinierungund allgemeine Grundlagen, S. 38.

42

Damals bestand die EG nur aus sechs Mitgliedstaaten.•

EG Kommission, DOK XIV/S08/72-D, vorgelegt Juli 1972; abgedruckt bei Römer, Anhang b), s. 142 ff. 43

44 Vgl. Römer, S. 80; GroßfeldlKoch, S. 116; Bester, S. 187; Troberg, Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S. 38.

40

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

gen Bereiche eines EG-Bankenaufsichtsrechts abgehandelt worden sind. Es lag damit ein geschlossenes System für die EG-Bankenaufsicht vor. 45 Darin bestand aber auch gleichzeitig ein Durchsetzungshindernis. Wegen der umfassenden Regelungen entstanden Einwände, man solle die gesamte Harmonisierung nicht in einem einzigen Schritt verwirklichen. 46 Weiterhin ist zu bedenken, daß damals in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Rechnungslegungsvorschriften bestanden. Ein Großteil der Eigenmittel- und Solvabilitätsbestimmungen47 knüpfen jedoch an Bilanzkennzahlen an. Insofern war dieser Harmonisierungsansatz ohne die Angleichung der Rechnungslegungsvorschriften für eine einheitliche Aufsicht ungeeignet. Schließlich traten 1973 Großbritannien, Irland und Dänemark der EG bei. Angesichts des vorliegenden Entwurfes sorgte man sich gerade in Großbritannien um den Finanzplatz London. 48 Dieser stand damals gegenüber den anderem EG-Staaten unter einer wesentlich freieren Bankenaufsicht. 49 Vor diesem Hintergrund war der Entwurf politisch nicht durchsetzbar. Eine formelle Vorlage gab es nicht mehr. 50 Trotz der Ablehnung blieb dieser Ansatz jedoch wichtige Diskussionsgrundlage und Wegbereiter für spätere Richtlinien. Diese sind dann in mehreren Schritten von 1973 und 1977 an ergangen. 51,52

45 Vgl. Bester, S. 188. 46

Vgl. Römer S. 81 m.w.N.; Follak, S. 3.

·Solvabilitätsbestimmungen" sind auf die Sicherung der Zahlungsfahigkeit der Kreditinstitute gerichtet; vgl. Römer, S. 68. 47

48

Vgl. GroßfeldlKoch, S. 116 .

49

Bester, S. 188 f.

SO Römer, S. 188 f. 51 Vgl. Troberg, Bankrechtskoordinierung und allgemeine Grundlagen, S. 38; Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 77. 52 Vgl. dazu die Begründung zur ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, ABI. EG Nr. L 322 v. 17.12.1977, S. 30: "Um die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute zu erleichtern, müssen die störendsten Unterschiede unter den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beseitigt werden, welche die aufsichtsrechtliehe Stellung dieser Institute bestimmen. Da diese Unterschiede erheblich sind, können jedoch die für einen gemeinsamen Markt der Kreditinstitute erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen nicht durch eine einzige Richtlinie, sondern nur stufenweise geschaffen werden. "

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum ·Bankenaufsichtsrcchtin der EG

41

2. EcrBankrechtsrichtlinien von 1973 bis 1983 Das EG-Bankenrecht hat sich seit 1973 in Richtlinien und Empfehlungen herausgebildet. Diese betreffen ganz oder nur teilweise die Bankenaufsicht. In einer ersten Phase von 1973 bis 1983 sind dazu ausschließlich Richtlinien ergangen. Zunächst entstand 1973 die "Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Kreditinstitute und anderer finanzieller Einrichtungen". 53 Sie trug zur Realisierung der im EWG-Vertrag geforderten Niederlassungsfreiheit bei. 54 Wesentliche Bestimmungen regeln die Beseitigung von Beschränkungen für Kreditinstitute aus jeweils anderen Mitgliedstaaten. Die Richtlinie hebt z.B. Vorschriften zur Erbringung eines höheren Eigenkapitals auf. Die Koppelung von Geschäftstätigkeit und Staatsangehörigkeit kann nicht mehr gefordert werden. Auch sollen zeitliche Beschränkungen für die Tätigkeit von ausländischen Kreditinstituten entfallen. 55

1977 hat dann der Rat die "Erste Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute" (= 1. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, nachfolgend "1. BRKR" genannt) erlassen. 56 ,57 In einem ersten Ansatz sind hier die Zulassungsbedingungen für Kreditinstitute und ihre Zweigniederlassungen in der EG festgelegt, Art. 3 f. der 1. BRKR. Es finden sich weiterhin erste Kriterien für die Überwachung der Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute.58 Sie orientiert sich an bilanziellen Beobachtungskoeffizienten. Schließlich sieht Art. 11 der 1. BRKR die Einrichtung eines beratenden Ausschusses bei der Kommission vor. Er setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Der Ausschuß hat die Aufgabe, die Kommission bei der Anwendung der ersten beiden hier vorgestellten Richtlinien zu unterstützen. Auch die nachfolgenden Richtlinien weisen dem Ausschuß diese Aufgaben zu.

S3 54

Richtlinie 73/183/EWG ABI. Nr. L 194 v. 16.07. 1973, S. 1 Cf. s.o. Kap. D I 1.

ss Vgl. EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S.27; Schneider, Manfred, Perspektiven für den europäischen Bankenmarkt, S. 247. 56

Richtlinie 771780/EWG ABI. Nr. 322 v. 17.12.1977, S. 30 Cf.

Vgl. zusammenfassend Bester, S. 190 Cf.; EG-Kommission, aaO., S. 27; Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S.77; Follak, S. 2, 5. 57

58

Vgl. Art. 6 der 1. BRKR.

42

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

Als nächstes erging 1983 die "Richtlinie des Rates über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis" (nachfolgend: "Konsolidierungsrichtlinie").59 Sie trägt der wachsenden Internationalisierung des Bankgeschäftes Rechnung. Die Beaufsichtigung von Kreditrisiken einer Bank soll zusammenfassend über die Ländergrenzen möglich sein. Die Überwachung ausländischer Tochtergesellschaften erfolgt über eine Konsolidierung der "finanziellen Situation" bei der Muttergesellschaft.60 Ein bestimmtes Konsolidierungsverfahren ist allerdings nicht vorgeschrieben. 61 Zuständig für die Aufsicht ist die jeweilige Behörde aus dem Herkunftsland der Muttergesellschaft.62 Damit gelangt zum ersten Mal das Prinzip der sogenannten "Herkunftslandkontrolle" zur Anwendung. 63 "Herkunftslandkontrolle " bedeutet dabei die umfassende Aufsicht über ein in mehreren Mitgliedstaaten aktives Kreditinstitut durch die Behörden des Staates, in dem die Muttergesellschaft zugelassen ist. Eine Bankenaufsicht auf konsolidierter Basis setzt einen Informationsaustausch über die Ländergrenzen voraus. 64 Insoweit sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle entgegenstehenden gesetzlichen Hindernisse zu beseitigen. 65 Die Konsolidierungsrichtlinie beschränkt sich im übrigen auf wesentliche Grundsätze und überläßt die weitere Ausgestaltung den nationalen Gesetzgebern. 66 Inzwischen hat die Kommission einen Vorschlag über eine neue Konsolidierungsrichtlinie vorgelegt.67 Sie soll die alte Richtlinie ablösen. Nach dem Vorschlag ist der Anwendungsbereich auch auf solche Kreditinstitute vorgesehen, deren Mutterunternehmen keine solchen Institute sind. Ferner wird auf die Konsolidierungsmethoden näher eingegangen.

59 Richtlinie 83/350/EWG ABI. Nr. L 193 v. 18.07. 1983, S. 18 ff.; zu den entsprechenden KWG-Vorschriften vgl. Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S. 91. 60

Vgl. Art. 4 der Konsolidierungsrichtlinie .

61

Vgl. Rixen, Die Bank

62

Vgl. Art. 3 Abs. 3 der Konsolidierungsrichtlinie.

1981, S. 515.

63 Bis dahin wurde dieses Prinzip lediglich als Ziel in der Einführung zur 1. BRKR festgesetzt, vgl. Richtlinie 7717801780 EWG ABI. Nr. L 322 v. 17.12.1977, S. 30. M

s.o. Kap. C IV.; vgl. Bester, S.

197.

6S Vgl. Art. 5 der Konsolidierungsrichtlinie. 66 Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 78; zur Umsetzung in das KWG, vgl. Bester, S. 1 ff.; BährelSchneider, Einleitung, S. 67 sowie die Kommentierungenzu §§ 10 a, 12 a, 13 a, 44 a KWG.

67 KOM

(90) 451 endg. SYN 306, ABI. Nr. L 315 v. 14.12.1990, S. 15 ff.

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der EG

43

1984 erfolgte kein Erlaß von Rechtsvorschriften zum EG-Bankenaufsichtsrecht.

3. Das Weißbuch der EG als Orientierung jar die weitere Rechtsetzung 1985 hat die Kommission der EG das Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes verfaßt. Es ist zum Verständnis der weiteren Rechtsetzung zur Bankenaufsicht von Bedeutung. 68 ,69 In dieser Schrift hat die Kommission das Programm und den Zeitplan zur Vollendung des Binnenmarktes festgelegt. Sie orientiert sich dabei an einem der Ziele des EWG-Vertrages, wonach die Hindernisse rur den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zu beseitigen sind. Insgesamt sind hierzu über 300 EinzeImaßnahmen in dem Weißbuch enthalten. Für den Bereich der Bankenaufsicht hat die Kommission dabei eine neue Politik verfolgt. Sie stützt sich analog auf das erfolgreich praktizierte Vorgehen im Bereich des Warenverkehrs. Die Grundlage hat dort der Europäische Gerichtshof mit der richtungsweisenden Rechtsache Cassis de Dijon70 geschaffen. Danach darf der freie Verkehr mit Produkten nicht mehr behindert werden, wenn es in seinem Ursprungsland nach dessen Regeln rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist; Ausnahmefälle ergeben sich lediglich über Art. 36 EWGV. Was demnach rur Produkte gilt, sollte nunmehr auf Dienstleistungen übertragen werden. 71 Dieser Ansatz stellt eine Richtungsänderung auf dem Weg der Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts in der EG dar. Die nationalen Vorschriften sollen nicht mehr weitgehend angeglichen werden. Vielmehr rückt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nationaler Regelungen in den Vordergrund. Eine nur noch minimale Koordinierung der nationalen Vorschriften

68 Kommission der EG, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., Brüssel, 14.06 .1985. (I} VgI. zusammenfassend zum Weißbuch: Fels, S. 455 ff.; Tietmeyer, S. 17 ff.; EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. 18 f.; Molyneux, Revue de la Banque, Nr. 6/1989, 359.

70 VgI. EuGH, RS 120178 (Cassis de Dijon), Rspr. Sig. 1979,649 ff.; Schweitzer/Hummer, S. 270 f.; Bleckrnann, Rdnr. 1043 f. 71 VgI. Hordies, Le Droit des Affaires, Nr.5/1988, Ziff. Rdnr. 1166 ff.

13, 30; Opperrnann,

44

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

soll die gegenseitige Anerkennung flankierend unterstützen. 72 Hinzu tritt im Bereich der Bankenaufsicht das Prinzip der "Herkunftslandkontrolle" .13 Somit stehen die tragenden Prinzipien für die weitere Rechtsetzung im Bankenaufsichtsrecht fest. Es sind die Grundsätze der gegenseitige Anerkennung, der Herkunftslandkontrolle und der Mindestharmonisierung der einzelstaatlichen Vorschriften. 74 Auf dieser Grundlage hat die Kommission vier Stoßrichtungen festgelegt. Sie umschreiben im Weißbuch die weiteren Aufgaben der Rechtsetzung im Bankenaufsichtsrecht der EG aus der Perspektive von 1985: 75 - Die Normen der finanziellen Stabilität, denen Kreditinstitute zu genügen haben, sind umfassend zu koordinieren (z.B. hinsichtlich der Eigenmittel, Solvenz- und Liquiditätskoeffizienten sowie der Überwachung von Großkrediten). - Gleiches gilt für die Zulassungsbedingungen, Maßnahmen für Krisensituationen und die Liquidation von Kreditinstituten. - Die Regeln der vierten und siebten Gesellschaftsrechtsrichtlinie über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß sind an den Sektor Kreditinstitute anzupassen. - Auf dem Gebiet der Hypothekenbanken sind die Finanzierungsverfahren in das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung einzubinden. Vorschriften für die Überwachung dieser Institute sollen aufgestellt werden. 4. Im Anschluß an das Weißbuch ab 1986 ergangene Richtlinien und Empfehlungen

Unter Beachtung der Grundsätze aus dem Weißbuch hat der Rat seit 1986 weitere Richtlinien und Empfehlungen erlassen. 1986 erging die "Richtlinie des Rates über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten ". 76 Mit ihr finden sich parallel zur

72 VgI. Kommission der EG, Weißbuch, S. 26; Clarotti, Le Droit des Affaires, Nr. 5/1988, S. I; Louis, Cahiers de droit europen, 1989, 608, 609; Hordies, Le Droit des Affaires, Nr. 5/1988, Ziff. 34.

73

s.o. Kap. D 11 2.

VgI. Clarotti, Le Droit des Affaires, Nr. 5/1988, S. 2; EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. 18. 74

75 In Anlehnung an: Kommission der EG, Weißbuch, S. 26; vgI. Clarotti, Cahiers de droit europcen 1989, 504, 505 ff. 76

Richtlinie 86/635/EWG AbI. Nr. L 372 v. 31.12. 1986, S. 1 ff.

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der EG

45

vierten und siebten Gesellschaftsrechtsrichtlinie die entsprechenden Regelungen für den Bankensektor. 77 Die Harmonisierung umfaßt die Gliederung der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung (Abschnitt 2 - 6), Bewertungsregeln (Abschnitt 7), den Anhang (Abschnitt 8), Konsolidierungsvorschriften (Abschnitt 9), Offenlegung (Abschnitt 10) und Prüfung (Abschnitt 11).78 Ziel ist es, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse über die Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen,79 da die Bankbilanzen eine wichtige Grundlage für die Bankenaufsicht sind. 80 Sie kann daraus die Daten z.B. für die Berechnung der Eigenmittel und der Solvabilität gewinnen. 81 Somit ist die Vereinheitlichung der Bankbilanzen unabdingbare Voraussetzung für eine länderübergreifend konzipierte Bankenaufsicht. Ende 1986 hat die EG-Kommission noch zwei Empfehlungen ausgesprochen. 82 Die erste bezieht sich auf die "Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten ". 83 Die zweite Empfehlung beinhaltet die Einführung von Einlagesicherungssystemen in der Gemeinschaft. 84 Die Empfehlung zur Überwachung und Kontrolle von Großkrediten85 beschränkt die Kreditinstitute, ihre Kredite zu stark auf einen einzigen oder eine Gruppe von Kunden zu konzentrieren. Dazu bestehen entsprechende Obergrenzen für die Großkreditvergabe, 86 deren Überwachung durch die

77 s. dazu Großfeld, Bilanzrecht, Rdnr. Revue de la Banque Nr. 16/1982,3 ff.

78

13; Biener,

S.

281 ff.; Glade,

S.

1 ff.; Clarotti,

Zur Umsetzung in das deutsche Recht s. §§ 340 ff. HGB n.F.

79 Vg!. die Ausführung zu den Gründen der vorbezeichneten Richtlinie auf S. 1; EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. 28; Bester, S. 201 ff. 80 Vg!. Clarotti, Cahiers de droit europeen aufsicht, S. 38 ff.; 122 ff. 81 S.u. Kap. E ß 1. und E

1989, 504, 505; Bieg, Bankbilanzen und Banken-

m 1.

82 Zum Rechtscharakter von Empfehlungen s.o. Kap. D ß. sowie Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 78 FN 11; zum Inhalt der Empfehlungen Clarotti, Cahiers de droit europeen 1989, 504, 508 f.

33 v. 04.02.1987 S. 10 ff. 84 Empfehlung 87/63/EWG AB!. Nr. L 33 v. 04.02.1987, S. 16 ff. 8S Ein Groß kredit macht mindestens 15 % der Eigenmittel einer Bank aus, vg!. Empfehlung; vg!. Duplat, Revue de la Banque, Nr. 111990,9, 13. 83 Empfehlung 87/62/EWG AB!. Nr. L

Art. 3 der

86 1. nicht mehr als 40 % der Eigenmittel pro Großkredit und Gruppe von Begünstigten; 2. nicht mehr als 800 % der Eigenmittel als Großkredite; vg!. Art. 4 der Empfehlung.

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen

46

Aufsichtsbehörden stattfinden soll.87 Sie korrespondiert nach Art. 3 I der Empfehlung mit entsprechenden Meldepflichten seitens der Kreditinstitute. Die Empfehlung zur Einführung von Einlagesicherungssystemen zielt auf den Anlegerschutz ab. Die Mitgliedstaaten sollen in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden Sicherungen einrichten und auf einen Standard bringen, um gewissen Mindestanforderungen zu genügen. 88 1989 stellt ein sehr bedeutendes Jahr für das Bankenaufsichtsrecht in der EG dar. Zunächst erging am 13. Februar die "Richtlinie über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlußunterlagen " .89 Diese Richtlinie zielt nicht direkt auf die Informationsrechte und -pflichten der Bankenaufsicht ab. Dort steht vielmehr das Gebot der In- und Ausländergleichbehandlung im Vordergrund. Zweigniederlassungen von Kreditinstituten aus einem fremden Mitgliedstaat sollen danach inländischen gleichzustellen sein. 90 Demnach können die Mitgliedstaaten die Zweigniederlassung eines Kreditinstituts aus der übrigen EG nicht verpflichten, einen auf ihre eigene Tätigkeit bezogenen Jahresabschluß offenzulegen. 91 Die nächsten drei Richtlinien aus 1989 haben die Bankenaufsicht in der EG als Schwerpunkt. Sie stehen im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen dieser Arbeit. Hervorgehoben sei zunächst die "Zweite Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute ... "92 (zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, nachfolgend 2. BRKR genannt). Sie stützt sich auf den EWG-Vertrag, insbesondere auf Art. 57 11. S. 1 u. 3 EWGV. 93 Die 2. BRKR trägt im wesentlichen Maße zur Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit bei. Hier erscheinen die im

87

Vgl. Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 der Empfehlung zu den Groß krediten.

88

s. Ziff. 1 der Empfehlung zu den Einlagesicherungssystemen.

Richtlinie 89/117/EWG AbI. Nr. L 44 v. 16.02.1989, S. 40 ff.; vgl. dazu Bader, Die Bank 1989, 166 ff. 89

90

s. auch die ErwägungsgtÜnde der vorstehend bezeichneten Richtlinie, S. 40.

91

s. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 89/117/EWG.

Richtlinie 89/646/EWG ABI. Nr. L 386 v. 30.12. 1989, S. 1 ff. (2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie) . 92 93

s. dazu oben Kap. D I 1. sowie die Einführung zur 2. BRKR, aaO., S. 1.

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der EG

47

Weißbuch von 1985 aufgeführten Prinzipien der EG-Bankenaufsicht wieder: 94 Gegenseitige Anerkennung, Herkunftslandkontrolle und Mindestharmonisierung. Die Grundprinzipien gehen dabei in die Einzelvorschriften für die Zulassung und Überwachung der Kreditinstitute ein. 95 Einen bedeutenden Aspekt jeder Bankenaufsicht stellen die Eigenmittel dar. Die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen hierzu sollen als Grundanliegen der Bankenaufsicht den Sparerschutz gewährleisten und das gesamte Bankensystem funktionsfähig halten. 96 Im Hinblick darauf hat der Rat die "Richtlinie über die Eigenmittel von Kreditinstituten " erlassen. 97 In ihr fmden sich die Bestimmungen für die Berechnung der Eigenmittel eines Kreditinstituts. 98 Diese Eigenmittel sind dann wichtige Kenngrößen verschiedener Maßstäbe der Bankenaufsicht. Einer davon ist die Solvabilität, d.h. die Fähigkeit eines Kreditinstituts, seinen laufenden· Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. 99 Dazu ist die "Richtlinie des Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute" ergangen. lOO Dort werden die Aktiva und außerbilanzielle Geschäfte eines Kreditinstituts risikogewichtet und mit den Eigenmitteln zu einer Kenngröße zusammengeführt. IOI Es zeigt sich die enge Verbindung der 1989 erlassenen Richtlinien. Sie stellen die wichtigsten Rechtsgrundlagen des derzeitigen EG-Bankenaufsichtsrechts dar. Aus den weiteren Aktivitäten der EG zur Bankenaufsicht sind aus 1990 und 1991 noch folgende Empfehlungen und Richtlinienvorschläge ganz oder teilweise von Bedeutung: Empfehlung der Kommission zur Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen, 102

94

Clarotti, Cahiers de droit europeen 1989, 504, 509 f.; s.o. Kap. D

9S

Zur weiteren Darstellung der 2. BRKR s. Kap. E I.

m 3.

96 s.o. Kap. C I. 97

Richtlinie 89/299/EWG ABI. Nr. L 124 v. 05.05. 1989, S. 16 ff.

98

Zur weiteren Darstellung der Eigenmittelrichtlinie s.u. Kap. Eil.

99

Römer, S. 68.

100

Richtlinie 89/647/EWG ABI.Nr. L 386 v. 18.12.1989, S. 14 ff.

Vgl. Clarotti, Cahiers de droit europeen 1989, 504, 512; zur weiteren Darstellung der Solvabilitätsrichtlinie s.u. Kap. E m. 101

102 Empfehlung 901l09/EWG ABI. Nr. L 67 v. 14.02.1990, S. 39 ff. mit Anhang S. 41 ff.; diese Empfehlung erging aufgrund von Art. ISS EWGV, um danach "das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten".

48

D. Rechtsgrundlagen und Entwicklungsstufen Geänderter Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen I 03, Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten lO4 sowie Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche. 105

5. Die Empfehlungen des "Basler Ausschusses" als wichtige Einflußgr6ße für das EG-Bankenaufsichtsrecht Der Basler Ausschuß für Bankenbestimmun.ren und Bankenüberwachung ist erstmals 1975 zusammengetreten. 106,10 Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Erfahrungs- und Informationsaustausch zur nationalen und internationalen Bankenaufsicht. Aus dieser Tätigkeit heraus hat der Ausschuß mehrere Empfehlungen zur Bankenaufsicht erlassen,108 die trotz ihres rechtlich unverbindlichen Charakters in den angeschlossenen Ländern beachtet werden. 109 Zusätzlich stellen die Empfehlungen des Basler Ausschusses eine wichtige Einflußgröße auf die hier vorgestellten EG-Rechtsakte

dar. 110

103

104

KOM (89) 629 endg. - SYN 176, BrüsseI23.01.1990. KOM (90) 141 endg. - SYN 257, Brüssel 23.05.1990.

Richtlinie 911308/EWG, ABI. Nr. L 17 v. 23.01. 1991, S. 20 ff. Der Basler Ausschuß für Bankenbestimmungen und -überwachung setzt sich aus Vertretern der Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden der Zehnergruppenländer (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Schweden, Schweiz, USA) und Luxemburg zusammen. Nach seinem Vorsitzenden wird er auch "Cooke-Committee" genannt. 105

106

107 Zum Basler Ausschuß vgl. Überblick bei Großfeldl Koch, S. 115 ff.; Großfeld, internationales Unternehmensrecht, S. 91; Bester, S. 171 ff.; Carton de Tornai, Revue de la Banque Nr. 8/1988, 11 ff.; Mast, S. 410 ff.; Lusser, S. 103. 108 s. Basler Ausschuß, Grundsätze für die Beaufsichtigung der ausländischen Niederlassungen von Banken, Mai 1983; Die Behandlung nicht bilanzwirksamer Risiken der Banken aus der Sicht der Bankenaufsicht, Män 1986; Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, Juli 1988; jeweils abgedruckt in der Textsammlung CIMIB/S Nr. 23.01102/03.

109 Für die Bundesrepublik Deutschland s. Einleitung zur Veröffentlichung der "Grundsätze über Eigenkapital und Liquidität" im BAnz Nr. 109 v. 15.06.1983, S. 5606 sowie die Mustervereinbarung zwischen Bundesaufsichtsamt und Banken über die Einhaltung der Basler Empfehlungen bei CIMIB/S, Nr. 23.03, S. 72/13. 110 Vgl. Clarolli, Cahiers de droit europeen 1989, 504; EG-Kommission, Bulletin 3/1989, S. 16; Lusser, S. 103; Horn, ZBB 1989, 107, 108; Rehml Geiger, Sparkasse 1990,342.

m. Die Entwicklung der Rechtsetzung zum Bankenaufsichtsrecht in der EG

49

1975 erscheinen die "Grundsätze für die Beaufsichtigung der ausländischen Niederlassungen von Banken". 111 Sie zielen auf die internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden ab. Ausgangspunkt sind die Maximen, daß keine ausländische Bankniederlassung der Beaufsichtigung entgehen und die Aufsicht insgesamt ausreichend sein soll. Hierzu enthält die Empfehlung Vorgaben zum "ob" und "wie" der Durchsetzung dieser Leitlinien. Dies betrifft u. a. die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis. 112 Im Juli 1988 legte der Ausschuß seinen Ergebnisbericht "Internationale Konvergenz der Eigenkapitalnormen und Eigenkapitalanforderungen " vor. 113 Die Mitglieder der Zehnergruppe haben diesen Bericht als Empfehlung zur Beachtung in den nationalen Aufsichtsrechten verabschiedet. 114 Die Empfehlung enthält einen Ansatz zur Ermittlung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals. 115 Es trennt zwischen Kernkapital und ergänzendem Eigenkapital, eine Systematisierung, die auch im EG-Bankenaufsichtsrecht verwandt wird. 116 Daneben finden sich Vorschriften, wonach die Aktiva je nach Art in bestimmte Risikoklassen eingeteilt und gewichtet werden. Den hieraus errechneten Betrag müssen die Banken mit mindestens 8 % Eigenkapital unterlegen. ll7 Insgesamt besteht bei den Empfehlungen des Basler Ausschusses weitgehende Übereinstimmung mit den Richtlinien der EG. 118

111

Auch "Basler Konkordat" genannt; s. CIM/B/S Nr. 23.01.; s.o. Kap. D III 5. a.A.

Vgl. Gaddum, Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen, S. 60; Büschgen, BankbetriebsIehre, S. 163. 112

113

s. CIM/B/S Nr. 23.03.

114

Vgl. Horn, ZBB 1989, 107, 108; Gaddum, aaO., S. 61; Überblick bei Mast, S. 410 ff.

l1S In

der Terminologie des EG-Aufsichtsrechts "Eigenmittel" .

n 1.

116

S.u. Kap. E

117

Vgl. dazu Mast, S. 410 ff.

118 Vgl. Lusser, ZBB 1989, 101, 104; s. dazu im einzelnen die Hinweise im folgenden Kapitel E. 4 Henenthal

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts und seine Umsetzung in das deutsche Recht Das aktuelle EG-Bankenaufsichtsrecht prägen drei Richtlinien aus 1989, die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, die Eigenmittel- und die Solvabilitätsrichtlinie. Sie bilden den Schwerpunkt bei dieser Darstellung. Die Richtlinien haben die Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht umzusetzen, Art. 189 III EWGV. I Die Wahl der Form und Mittel bleibt ihnen dabei überlassen. Für die Umsetzung der hier einschlägigen Richtlinien des Bankenaufsichtsrechts bestehen folgende Fristen: Richtlinie

Artikel

Datum

2.BRKR

24 Abs. 1 12 Abs. 1 9 Abs. 1

01.01.1993 01.01.1991 01.01.1993

Solvabilitätsrichtl. Eigenmittelrichtl.

Bei der Solvabilitätsrichtlinie könnte die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen sein. Zu beachten ist jedoch, daß der Solvabilitätskoeffizient als wichtigster Bestandteil dieser Richtlinie erst ab dem 1. Januar 1993 mit mindestens 8 % gehalten werden muß. Darüber hinaus endet die Umsetzungsfrist der Eigenmittelrichtlinie spätestens dann, wenn die Maßnahmen zur Durchführung der Solvabilitätsrichtlinie in Kraft treten. "I. Diese Bestimmung wird erst dann bedeutsam, wenn die Umsetzungsfrist der Solvabilitätsrichtlinie auch mit dem 1. Januar 1993 endet. Auf EG-Ebene, insbesondere im beratenden Bankenausschuß, ist man der Auffassung, daß alle drei Richtlinien einheitlich umzusetzen sind. Es ergibt sich somit als gemeinsames letztes Umsetzungsdatum der 1. Januar 1993. Das Datum in der Solvabilitätsrichtlinie dürfte ein Redaktionsversehen sein. In der Bundesrepublik Deutschland betrifft die Umsetzung die Vorschriften des Kreditwesengesetzes. Das geltende KWG beruht auf der Bekanntma-

1

s.o. Kap. D 11.

2 Vgl. Art. 10 Abs. 1 der SolvabililäiSrichtlinie.

I. Die 2. Bankrechtsk:oordinienmgsrichtlinie

51

chung vom 11. Juli 1985. 3 Inzwischen hat das Bundesfmanzministerium4 im Hinblick auf die notwendigen Änderungen zwei Disskussionsentwürfe zur Anhörung bei den Verbänden vorgelegt. Sie beinhalten geplante Änderungen für die vierte KWG-Novelle, die u.a. die 2. BRKR und die Eigenmittelrichtlinie umsetzen sollen.5 Des weiteren geht das EG-Recht in die "Grundsätze" gemäß §§ 10, 10 a, 11 KWG, die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank und nach Anhörung der Spitzenverbände der Kreditinstitute erläßt. Vor der endgültigen Umsetzung der Solvabilitätsrichtlinie hat das Bundesaufsichtsamt eine Neufassung der Grundsätze vom 17. Mai 1990 bekanntgemacht, in die bereits Teile der EG-Vorgabe eingegangen sind. 6 Diese drei EG-Richtlinien von 1989 sowie die entsprechenden Umsetzungsaktivitäten auf deutscher Seite bilden die Grundlage für die Darstellung der EG-Rechtsetzung und ihrer Übernahme in das deutsche Recht.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie und ihre Umsetzung in das Kreditwesengesetz Die 2. BRKR7 enthält den tragenden Ansatz des EG-Bankenaufsichtsrechts. Sie verwirklicht die "wesentliche Harmonisierung, die notwendig und ausreichend ist, um zur gegenseitigen Anerkennung der Zulassung und der Bankenaufsichtssysteme zu gelangen, die die Gewährung einer einzigen Zulassung für die gesamte Gemeinschaft und die Anwendung des Grundsatzes der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat erlauben". 8 Insoweit finden

3 BGBI. 1985 I S. 1472 ff. 4

Referat VII BI.

S s. Bundesministerium der Finsnzen, "Disk:ussionsentwurf zur Umsetzung der Eigenmittelrichtlinie" nebst vorläufiger Begründung, Schreiben vom Mai 1990, VII BI - W 5270 - 22/90, zitiert BMF, Disk:ussionsentwurf Eigenmittelrichtlinie, Seite; Bundesministerium der Finsnzen, "Disk:ussionsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen (4. KWG-ÄndG)" nebst Begründung, Schreiben vom 5. April 1991, VII BI -5270 - 27/91, zitiert BMF, Disk:ussionsentwurf 4. KWG-ÄndG, Seite; dieser Entwurf bezieht sich vor allem auf die Umsetzung der 2. BRKR. 6 Bek:anntmschung des Bundesaufsichtsamtes fiir das Kreditwesen über die Änderung und Ergänzung der Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute nebst Erläuterungen, Bundesanzeiger vom 17. Mai 1990, Nr. 92, S. 2598 ff. 7 Richtlinie 89/646/EWG ABI.Nr. L 386 v. 15.12.1989, S. I ff.

S s. Erwägungsgründezur 2. BRKR, S. l.

E. Die Ausgestaltung des EG-BankenauCsichtsrechts

52

sich hier die Vorgaben aus dem Weißbuch von 1985 wieder: 9 Gegenseitige Anerkennung von Zulassungen, Herkunftslandkontrolle, minimale Koordinierung der nationalen Aufsichtsvorschriften. Die einzelnen Vorschriften in der 2. BRKR sind dazu in sechs Titeln und 25 Artikeln ausgestaltet: IO Titel I: Titel 11: Titel III: Titel IV:

Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich (Art. 1 - 3) Harmonisierung der Zulassungsbedingungen (Art. 4 - 7) Beziehungen zu Drittländern (Art. 8 - 9) Harmonsierung der Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit (Art. 10 - 17) Titel V: Bestimmungen über die freie Niederlassung und den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 18 - 21) Titel VI: Schlußbestimmungen Die Bestimmungen der 2. BRKR stehen in engem Zusammenhang zur

1. BRKR. Insofern sind die weitergeltenden Vorschriften der 1. BRKR in die Darstellung der 2. BRKR mit eingebunden. Im einzelnen soll das Ban-

kenaufsichtsrecht in der EG nach der 2. BRKR folgende Gestalt annehmen: 1. Anwendungsbereich: "Kreditinstitute " a) Der Ansatz der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

Nach Art. 2 Abs. 1 der 2. BRKR gilt diese Richtlinie für sämtliche Kreditinstitute. Zur Ausfüllung des Begriffs "Kreditinstitut" verweist Art. 1 Nr. 1 der 2. BRKR auf die Definition der 1. BRKR von 1977. ll Nach Art. 1 dieser Richtlinie ist ein Kreditinstitut "ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren". 12

9 Vgl. Claroni, Le Droit des AtTaires, Nr. 5/1988, S. 2 C.; Stouffiet, Cahiers de droit europeen, 1989, S. 517,518; s.o. Kap. D m 3. 10

Vgl. Bader, EuZW 1990, 117, 119.

11

Richtlinie 771780/EWG ABI. Nr. L 322 v. 30.12. 1977, S. 30 tT. (1. BRKR).

12 s.

1. BRKR, aaO., S. 31.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

53

Mit diesem Ansatz hat sich der enge Anwendungsbereich der 1. BRKR erhalten. 13 Als Kreditinstitute gelten nur solche Unternehmen, die mindestens das Einlagengeschäft betreiben und Kredite gewähren. Zu beachten ist, daß diese beiden Kriterien nicht alternativ, sondern kumulativ vorliegen müssen. Ferner muß man diesen Ansatz im Zusammenhang sehen mit dem Regelungskomplex der 2. BRKR sowie der Eigenmittel- und der Solvabilitätsrichtlinie. Sie alle verwenden diesen Begriff. 14 Nach diesen Richtlinien erstreckt sich die Bankenaufsicht aber nicht nur auf das Kredit- und Einlagengeschäft, sondern auf die gesamte Geschäftstätigkeit eines Kreditinstituts. Folglich stellt das Einlagen- und Kreditgeschäft eines Unternehmens den automatischen Eintritt in das Bankenaufsichtsrecht für all seine Aktivitäten dar. Es wird demnach insgesamt als "Kreditinstitut" qualifiziert. Vorteilhaft ist dieser Aspekt im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen nach Art. 18 Abs. 1 der 2. BRKR. 15 Erhält ein Kreditinstitut in einem EG-Mitgliedstaat eine Zulassung, so kann es ohne weitere Zulassungserfordernisse in den anderen Mitgliedstaaten eine breite Palette von Bankgeschäften direkt oder über Zweigstellen betreiben. 16 Insoweit kommen nur die "Kreditinstitute" in den Genuß der "EG-weiten" Zulassung. Nachteilige Auswirkungen der Definition können sich aus dem engen Anwendungsbereich ergeben. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund des Bankensystems in der EG zu sehen. Stark vereinfacht bestehen zwei Grundtypen, die Universal- und die Spezialbanken. 17 Mit der engen Definition "Kreditinstitute" gem. Art. 1 der 1. BRKR erfassen die EG-Bankrechtsrichtlinien einige Spezialbanken nicht, die andere Tätigkeiten als das Einlagenund Kreditgeschäft betreiben. Darunter fallen z.B. Depositenkassen, Wertpapierhäuser und Kreditverleiher, die sich nur am Kapitalmarkt refinanzieren. 18 Sie sind keine Kreditinstitute.

13 Horn, ZBB 1989, 107, 111; Gaddum, Auf dem Weg zu einem Europäischen Bankenaufsichtsrecht, S. 11. 14 s. Eigenrnittelrichtlinie (Art. 1 Abs. 2) und Solvabilitätsrichtlinie (Art. 1 Abs. 1). 15

s.u. Kap. E I.

16

s. dazu den Anhang der 2. BRKR; Horn, ZBB 1989, 107, 112.

Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 30 f.; Kopper, S.485; Troberg, Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S. 22; Molyneux, Revue de la Banque, Nr. 6/1989, 359, 360; s.o. Kap. Bm. 17

18 Bader, EuZW 1990, 117, 119; ders., Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 109.

54

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

All diese Spezialbanken bleiben deshalb auch außerhalb der Restriktionen des harmonisierten Bankaufsichtsrechts. Sie sind grundsätzlich nicht in die Bankenaufsicht einbezogen. Insbesondere die reinen Wertpapierhäuser unterliegen nicht den im hohen Maße wettbewerbsrelevanten Eigenmittelrelationen; die Wertpapieraufsicht ist vielfach weniger streng. Insofern befürchtet man wegen dieses engen Defmitionsansatzes, daß sich das Universalbankensystem zu einem Spezialbankensystem umwandeln könnte. Oder aber Universalbanken wären aus Konkurrenzgründen indirekt gezwungen, das Wertpapiergeschäft über neu zu gründende Wertpapier-Tochtergesellschaften zu betreiben. 19,20 Die Regelungslücken im Bereich der Spezialbanken möchte die EG-Kommission über neue Richtlinien für Wertpapierdienste oder z.B. für Finanzleasing oder Factoring lösen. 21 Gerade hinsichtlich der Wertpapierdienstleistungen hat sie dazu zwei Vorschläge erarbeitet. 22 Darin finden sich wichtige Grundzüge der Regelungen zur Bankenaufsicht wieder. 23 Dort sind ähnliche Eigenkapitalerfordernisse für Wertpapierhäuser niedergelegt, wie sie auch für Kreditinstitute gelten. 24,25 Insoweit könnte die Regelungslücke im Definitionsansatz "Kreditinstitute" zumindest hinsichtlich solcher Unternehmen, die nur das Wertpapiergeschäft betreiben, geschlossen werden. Eine weiter gefaßte Definition hätte diesen Umweg über eine eigene Richtlinie erübrigen können. 26

19

Kluge, ZKW 1990, 182, 183 m.w.N.

20 Die Richtlinie zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis bezieht nur solche Tochtergesellschaften in die Aufsicht ein, die wiederum Kreditinstitute oder Finanzinstitute sind. Da Wertpapierhäuser nicht unter den Begriff der Finanzinstitute fallen, unterliegen solche Tochtergesellschaften auch nicht der Aufsicht auf konsolidierter Basis; vgl. Art. 3, 4 der Konsolidierungsrichtlinie 83/350/EWG ABI. Nr. L 193 v. 18.07.1983, S. 18, 19; vgl. BUF-Bank, S. 3. 21 Bader, EuZW 1990,117, 119. 22 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen, KOM (89) 629 endg. - SYN 176, Brüssel 23.01.1990; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstauung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, KOM (90) 141 endg. - SYN 257, Brüssel 23.05.1990. 23 Vgl. insoweit auch die Erwägungsgründe des vorbezeichneten Vorschlags für die angemessene EigenkapitalausstaUungvon Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, S. 1 f. 24 Allerdings finden sich auch einige Erleichterungen. Z.B. liegt das Anfangskapital für Wertpapierhäuser bei 500.000 ECU und nicht bei 5 Millionen ECU wie für Kreditinstitute. 2.5 Zur Zeit ist jedoch fraglich, ob die Richtlinie in ihrer vorgeschlagenen Form erlassen

wird.

26 Bader, EuZW 1990, 117, 119.

I. Die 2. Bankrechtskoordinienmgsrichtlinie

ss

Zusätzlich verbleibt immer noch eine Regelungslücke hinsichtlich anderer Spezialinstitute, die nicht Wertpapierhäuser sind. Ihre Aufsicht richtet sich nach den jeweils nationalen Normen. Sie sind von den EG-Vorgaben nicht betroffen und unterliegen noch keiner Harmonisierung. Für sie gelten im übrigen die allgemeinen Bestimmungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach dem EWG-Vertrag. Zusammenfassend kann man feststellen, daß nach Art. 1 Abs. 1 der 2. BRKR nur solche Banken dem Harmonisierungsansatz der EG zur Bankenaufsicht unterliegen, die das Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben. b) Umsetzung in das Kreditwesengesetz Die Mitgliedstaaten der EG haben die seit 1977 vorliegende Definition des Begriffs "Kreditinstitut" in unterschiedlicher Weise umgesetzt. So gibt es Länder, die die Gemeinschaftsdefinition übernommen haben und die kumulative Funktion unterstreichen (Belgien, Italien, Niederlande). Andere betonen in der Definition die Entgegennahme von Einlagen (Griechenland, Irland) oder andere die Kreditvergabe. In Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland wird die Abgrenzung funktional vorgenommen. Dazu bestehen Aufzählungen mit einer Vielzahl von Bankaktiviläten. 27 Bislang sieht der Diskussionsentwurf zum 4. KWG-ÄndG keine Änderung der bestehenden Definition des § 1 Abs. 1 KWG vor. 28 Es bleibt bei der enumerativen Auflistung von Tätigkeiten, bei deren Vorliegen ein Unternehmen als Kreditinstitut qualifiziert wird. 29 Anders als bei dem EG-Ansatz, der das kumulative Vorliegen von Einlagen- und Kreditgeschäft vorsieht, führen die Bankgeschäfte hier alternativ verknüpft zum "Kreditinstituts"-Begriff. Insofern ist es möglich, daß in der Bundesrepublik Deutschland "Kreditinstitute" nach deutschem Recht existieren, die weder das Einlagen- noch das Kreditgeschäft oder nur eines von beiden betreiben. Diese würden den Rang eines "EG-Kreditinstituts" nicht erreichen. Fraglich ist, ob sich der deutsche Definitionsansatz so aufrechterhalten läßt.

1:1 Vgl. Bader, Rahmenbedingungender Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 109.

28 Anders für den neuen Begriff der FinallZinstitute, s. BMF, § 1 Abs. 3 des Diskussionsentwurfes zum 4. KWG-ÄndG. 29 Zur Frage des "in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes" s. Szaguiml Wohischieß, § 1 Rdnr. 2.

56

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Neu an der 2. BRKR ist insbesondere, daß gem. Art. 18 Abs. 1 ein Kreditinstitut i.S.d. EG-Vorschriften mit einer nationalen Zulassung EG-weit tätig sein kann. JO Es erhält einen "Europa-Pass". Dabei könnte nun aber einem "Kreditinstitut" i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG bei der Betätigung in der übrigen EG entgegengehalten werden, daß die deutsche Definition nicht dem EG-Standard entspricht. Die deutschen Kreditinstitute wären bei ihrer Niederlassung oder beim Erbringen von grenzüberschreitenden Dienstleistungen benachteiligt. Sie kämen nicht in den Vorzug des "Europa-Passes" i.S.v. Art. 18 Abs. 1 der 2. BRKR. Für diese Problematik bieten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an. Entweder wird die Definition in § 1 Abs. 1 KWG dahingehend modifiziert, daß "mindestens das Einlagen- und Kreditgeschäft" zu betreiben ist. Oder aber man führt eine zusätzliche Bestimmung ein, wonach für Kreditinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG, die das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreiben, dies in ihrer Zulassung gesondert vermerkt wird. Gleichzeitig wäre dieses "EGPrädikat" beim Gebrauch der Firma zu verwenden. Angesichts der Vielzahl von Kreditinstituten i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG, die Bankgeschäfte nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 - 9 KWG und nicht das Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben wollen, erscheint die zweite Variante realistischer. Sie würde jedoch zu einem "Zwei-Klassen"-System führen, "Kreditinstitute" und "Kreditinstitute mit EG-Rang". Außerdem sei darauf hingewiesen, daß eine solche Zersplitterung sicherlich nicht zur Rechtsvereinfachung und Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten beiträgt. Art. 18 Abs. 1 der 2. BRKR ist schließlich auch dahingehend zu beachten, daß er "Kreditinstituten " aus anderen Mitgliedstaaten Niederlassungsmöglichkeiten und den Dienstleistungsverkehr ungehindert ermöglicht. Dieser Fall ist in § 53 b des Diskussionsentwurfes zum 4. KWG-ÄndG hinreichend beachtet. Nach dieser Norm sollen derartige Aktivitäten nur solchen Unternehmen möglich sein, die "Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben". Insofern geht hier die EG-DefInition zum "Kreditinstitut" korrekt ein.

30 s.o. Kap. D UI J. und s.u. Kap. EI 4. a), 5. a).

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

57

2. Triiger der Bankenaufsicht und ihre Zustiindigkeiten a) EcrRecht Die Harmonisierung des EG-Bankenaufsichtsrechts erfolgt über Richtlinien, die auf die Angleichung der nationalen Vorschriften gerichtet sind.31 Parallel zu diesem "nationalen Harmonisierungsprozeß" ergibt sich auch, wer als Träger der Bankenaufsicht in der EG bestimmt ist. Die Aufsicht soll grundsätzlich bei den nationalen Stellen verankert bleiben. Dazu heißt es bereits in den Erwägungsgründen zur 1. BRKR von 1977: "Das Endergebnis dieser Entwicklung sollte insbesondere die umfassende Aufsicht über ein in mehreren Mitgliedstaaten tätiges Kreditinstitut durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Kreditinstitut seinen Sitz hat, im Benehmen mit den zuständigen Behörden der übrigen beteiligten Mitgliedstaaten erleichtern" .32 Auf dieses Ziel sind die Vorschriften der 2. BRKR ausgerichtet. Sie weisen die Aufsicht bei der Zulassung und laufenden Überwachung den "zuständigen Behörden" zu. 33 Die "zuständigen Behörden" sind dabei gem. Art. 1 Nr.5 der 2. BRKR i.V.m. Art. 1 der Richtlinie über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis34 wie folgt definiert: "Es sind diejenigen einzelstaatlichen Behörden, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Aufsichtsbefugnis über Kreditinstitute innehaben" .35 Folglich soll es keine EG-eigene Aufsichtsbehörde geben. Vielmehr nehmen auch in Zukunft die nationalen Behörden die Bankenaufsicht wahr. Für einzelne Regelungskomplexe ist zusätzlich eine Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden vorgesehen. Dieser Grundsatz ist in Art. 13 Abs. 1 der 2. BRKR verankert. Er begründet als entscheidende Neuerung die einheitliche, EG-weite Kontrolle eines Kreditinstituts durch sein Herkunftsland (Herkunftslandkontrolle). Bisher wurde dieses Prinzip nur auf die Tochtergesellschaften von Kreditinstituten teilweise angewandt, die in die konsolidierte Aufsicht fielen, vgl. Art. 3

31

s.o. Kap. D U.

32

Richtlinie 771780/EWG ABI. Nr. L 322 v. 17.12. 1977, S. 30, Absatz 3, Satz 2.

33

VgI. u.a. Art. 4 Abs. 1; 5; 7; 12 Abs. 5, 8; 13; 14 Abs. 2; 15 - 21 der 2. BRKR.

34 Richtlinie 83/350/EWG ABI. Nr. L 193 v. 18.06. 1983, S. 18 ff. 35 Ebenda, S. 19.

58

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Abs. 3 dieser Richtlinie.36 Durch die Einführung der Herkunftslandkontrolle ist ein Kreditinstitut nunmehr grundsätzlich mit seinen ausländischen Tochtergesellschaften, Zweigstellen und Dienstleistungsaktivitäten in der EG seiner heimischen Aufsichtsbehörde unterstellt. Die nationalen Behörden erhalten folglich hinsichtlich der Fragen von Zulassung und laufender Überwachung der Kreditinstitute aus ihrem eigenen Land eine EG-weite Kompetenz. Umgekehrt fällt die Aufsicht über Zweigstellen gebietsfremder Kreditinstitute aus der EG nicht mehr in den Staat, in dem diese Zweigstellen errichtet sind. Sie obliegt dem Herkunftsmitgliedstaat Somit ist die Bankenaufsicht in der EG noch national organisiert. Es besteht keine EG-eigene Aufsichtsbehörde. Zu beachten ist jedoch, daß die Herkunftslandkontrolle aufgrund der harmonisierten Aufsichtsregeln erfolgt. Die harmonisierten Normen orientieren sich an den eindeutigen EG-Vorgaben. Diese Konstellation erinnert an ein föderatives System. In der Bundesrepublik Deutschland liegt eine vergleichbare Struktur vor. Die Länder führen die Bundesgesetze aus, vgl. Art. 30, 70, 83, 92 GG. Sinngemäß kann man davon ausgehen, daß mit Umsetzung der EG-Richtlinien ein föderativ geprägtes System nationaler Aufsichtsbehörden entstehen wird. Eine solche Konstruktion könnte eine Zwischenstufe zu einer EG-weiten Aufsichtsbehörde darstellen. Teilweise sieht man dies als notwendige Folge des angstrebten gemeinsamen Marktes an. 37 Ob ein zentralistischer Aufbau erforderlich und sinnvoll ist, hängt noch von grundsätzlichen Überlegungen ab. Dabei dürfte insbesondere die Grundentscheidung eine Rolle spielen, eine EG-Zentralbank zu schaffen. 38

b) Umsetzung in das KWG Im geltenden KWG findet sich die Festlegung der Behördenzuständigkeit in § 5. Die Bankenaufsicht nimmt in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen wahr. Es ist selbständige Bundesoberbehörde. Seine Aufgabenzuweisung legt § 6 KWG fest. Danach übt das Bundesaufsichtsamt die Aufsicht nach den Vorschriften des KWG aus.

36 Richtlinie 83/850/EWG ABI. Nr. L 193 v. 18.07. 1983, S. 18, 19: "Die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis wird von den zuständigen Behörden des Landes ausgeübt, in dem das Kreditinstitut, das die Beteiligung hält, seinen Sitz hat. " . 37

Vgl. Stouffiet, Cahiers de droit europep.n, 1989, 517, 520 f ..

38

Vgl. Louis, Cahiers de droit europeen, 1989, 608, 611.

59

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichdinie

Aufgrund dieser Verweisungstechnik des § 6 KWG ergibt sich der neue Aufgabenbereich aus den neu einzuführenden Einzelvorschriften. Diese Bestimmung stellt auch den Bezug zu den neuen Paragraphen nach Umsetzung der 2. BRKR her. Folglich entsteht hier kein Anpassungsbedarf an das EG-Bankenaufsichtsrecht. Aufzunehmen ist vielmehr die Zuständigkeitsverweisung an die Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten. Diese ergibt sich z.B. aus dem Prinzip der Herkunftslandkontrolle. 39

3. ATiforderungen bei der Zulassung von Kreditinstituten nach EG-Recht und ihre Umsetzung in das KWG Unternehmen, die "Kreditinstitute" i.S.v. Art. 2 der 2. BRKR sind, benötigen für die Aufnahme des Bankgeschäftes eine Zulassung. 40 Dazu müssen die Kreditinstitute bestimmte Anforderungen erfüllen, die in der 1. und 2. BRKR normiert sind. Insofern wirken einige Bestimmungen der 1. BRKR weiter. Die Mindestzulassungsbedingungen bestehen für alle Kreditinstitute in der EG, unabhängig davon, ob sie nur in einem oder mehreren Mitgliedstaaten tätig werden wollen. Damit wurde der Ansatz eines Zwei-Klassen-Systems nicht gewählt, Kreditinstitute mit "EG-Lizenz" und solche mit ausschließlich "nationaler Lizenz" zu bilden. 41 Trotzdem ist damit zu rechnen, daß wegen der engen Kreditinstitutsdefinition ein Zweiklassensystem entsteht. 42 Bei den Bestimmungen der 1. und 2. BRKR handelt es sich um Mindestvoraussetzungen. Es bleibt deshalb den Mitgliedstaaten freigestellt, zusätzliche nationale Bedingungen für die im eigenen Land zuzulassenden Kreditinstitute festzulegen, soweit sie nicht gegen den EWG-Vertrag verstoßen. 43 Hiervon ist eine Bedürfnisprüfung ausgenommen. Bei einer solchen Prüfung wäre darauf abzustellen, ob die Zulassung des jeweiligen Kreditinstituts mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Marktes vereinbar ist. Aufgrund von Art. 3 der 1. BRKR besteht ein Verbot für die Mitgliedstaaten, im Rah-

39 Vgl. hierzu z.B. §§

4. KWG-ÄndG.

8 Abs. 4, 24 Abs. 3, 53 b bei BMF,

Diskussionsentwurf zum

40 Wenige Ausnahmen ergeben sich aus Art. 2 Abs. 2 der 2. BRKR LV.m. Art. 2 Abs. 2 der 1. BRKR: Zentralbanken, Postscheckämter u.a. 41 Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 85 .

42 S.o. Kap. 43

E I I. b).

s. BcgfÜndungzur 2. BRKR, ABI. Nr. L 386 v. 30.12.1989, S. 2, Abs. 2.

60

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

men weiterer Zulassungsvoraussetzungen eine solche Bedürfnisprüfung zu verlangen. Nach der 1. und 2. BRKR bestehen nunmehr folgende Mindestzulassungsbedingungen: a) Rechtlich verselbständigte Eigenmittel

Zunächst hat ein Kreditinstitut rechtlich verselbständigte Eigenmittet44 nachzuweisen, Art. 3 Abs. 2, S. 1, 1. Spiegel strich der 1. BRKR. Demnach muß das Institut die alleinige und unbeschränkte Verfügungsmacht über die Mindesteigenmittel haben. Die Neuzulassung von Einzelbankiers, die mit ihrem jeweiligen Privatvermögen persönlich und unbeschränkt haften, ist damit nicht möglich. 45 Die Mindesthöhe der rechtlich verselbständigten Eigenmittel ergibt sich aus dem geforderten Anfangskapital von 5 Millionen ECU. 46 Dieses muß auch im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit aufrechterhalten werden. 47 Mit dieser Voraussetzung korrespondiert § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG. Hiernach müssen für eine Zulassung die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel, insbesondere haftendes Eigenkapital, zur Verfügung stehen. Für Kreditinstitute mit "EG-Rang"48 soll in einem neuen Halbsatz die EG-Vorgabe in § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG eingehen. 49 Fraglich ist nun, ob es sich hierbei um rechtlich verselbständigte Eigenmittel i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der 1. BRKR handelt. Zum einen könnte man dies aus der Wendung "zur Verfügung stehen" herleiten. Zum anderen ist § 33 KWG im Zusammenhang mit § 10 KWG zu sehen, der die Eigenkapitalausstattung definiert. Danach sind sämtliche dort aufgeführte Eigenkapital-nachweise rechtlich verselbständigt. Einzige Ausnahme ist das nachgewiesene freie Vermögen des Inhabers oder des persönlich haftenden Gesellschafters. Dieses kann nur auf Antrag haftendes Eigenkapital darstellen, vgl. § 10 Abs. 6 KWG. Das Bundesauf44 Zum Eigenmittelbegriff s. Art. 2 der Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG AbI. Nr. L 124 v.05.05.1989,S.16/17.

4S Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 85.

47

Dieses Anfangskapital ist Teil der Eigenmittel; s. im folgenden Abschnitt b). Vgl. Art. 10 der 2. BRKR.

48

Kreditinstitute mit Einlagen- und Kreditgeschäft; s.o. Kap. EIl. a).

49

Vgl. BMF, Diskussionsentwurf4. KWG-ÄndG, S. 14.

46

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

61

sichtsamt hat den Umfang zu bestimmen. Diese Anerkennung könnte im Widerspruch zum EG-Ansatz stehen, rechtlich verselbständigte Eigenmittel zu fordern. Das Bundesaufsichtsamt hat in der Mitteilung Nr. 1/63 bekanntgegeben, 50 daß sich die Anerkennung freien Vermögens nicht auf die Fälle erstreckt, "in denen das Eigenkapital als Finanzierungsmittel dient. Das anerkannte freie Vermögen rechnet daher nicht zum haftenden Eigenkapital im Sinne des § 12 KWG und zum Eigenkapital im Sinne der Liquiditätsgrundsätze " .51 Somit ist klargestellt, daß auch nach deutschem Bankenaufsichtsrecht keine Möglichkeit besteht, ohne rechtlich verselbständigte Eigenmittel eine Zulassung zu erhalten. Darüber hinaus dürfte die Vorschrift in Art. 3 Abs. 2, S. 1 der 1. BRKR nicht dahin zu verstehen sein, daß "ausschließlich" verselbständigte Eigenmittel vorliegen müssen. Folglich stehen §§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 6 als KWG-Normen im Einklang mit dem EG- Recht, soweit es "rechtlich verselbständigte Eigenmittel" fordert. 52 b) Anfangskapital i.H. v. 5 Millionen ECU Als weitere Zulassungsbedingung sehen Art. 3 Abs. 2, S. 1, 2. Spiegelstrich der 1. BRKR und Art. 4 Abs. 1 der 2. BRKR vor, daß ein Kreditinstitut grundsätzlich mindestens 5 Millionen ECU Anfangskapital ausweisen muß. Ausnahmsweise ist es den Mitgliedstaaten gem. Art. 4 Abs. 2 der 2. BRKR freigestellt, für bestimmte Kreditinstitute das 'geforderte Mindestanfangskapital auf eine Million ECU herabzusetzen. Hierzu wäre eine besondere Begründung erforderlich. 53 Das Anfangskapital ist von den unter a) aufgeführten Eigenmitteln zu unterscheiden. Es stellt nur einen Teil von ihnen dar. Hierzu verweist Art. 1 Nr. 11 der 2. BRKR auf die Eigenmittelbestandteile i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 der Eigenmittelrichtlinie.54 Dort kann man das "Anfangskapital" anband einiger Bestandteile aus den sog. Basiseigenmitteln55 errechnen. Es bestimmt sich wie folgt:

50

CIM/B/S Nr. 4.26.

51 Vgl. Nr. 3 der Mitteilung. 52

Vgl. Follak, S. 5.

53

Vgl. C1arotti, Le Droit des Affaires, Nr. 5/1988, S. 5.

54 Richtlinie 89/299/EWG, AbI. Nr. L 124 v.05.05. 1989, S. 16, 17. 55 Zu den Basiseigenmitte1n s.u. Kap. Eil 2.

62

+ + +

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

eingezahltes Kapital auf die gezeichneten Eigenkapitalbeträge der Gesellschafter oder anderer Eigentüme~6 Emissionsagio kumulative Vorzugsaktien Rücklagen i.S.v. Art. 23 der Bankbilanzrichtlinie'i 7 , d.h. gesetzliche Rücklagen, Rücklagen für eigene Aktien, satzungsmäßige oder sonstige Rücklagen Zwischengewinne nach Abzug von Abgaben und Dividenden Anfangskapital

Bei der NeugrüDdung eines Kreditinstituts dürften als Anfangskapital nur das eingezahlte Eigenkapital sowie das Emissionsagio und die Kapitalcücklage58 von Relevanz sein. Die anderen Positionen sind für solche Unternehmen von Bedeutung, die bereits tätig sind und aus dem laufenden Geschäft heraus die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen möchten. Unverständlich erscheint die Ausklammerung der kumulativen Vorzugsaktien. Man hätte sie zumindest in Höhe ihres Nennbetrages ohne den nachzuzahlenden Vorzug einbeziehen können. Die Festlegung von 5 Millionen ECU als Mindestanfangskapital bedeutet für die Bundesrepublik Deutschland einen Betrag i.H.v. ca. 10,27 Millionen DM. 59 Aus der Sicht einiger Mitgliedstaaten ist die Mindestgrenze zu hoch. Sie erschwert den Marktzugang für kleinere Institute. 60 Andere EGStaaten sehen diese Schwelle als zu gering an. Sie schätzen ihr Kreditgewerbe weniger leistungsstark ein. Über ein hohes Anfangskapital möchten sie den Marktzugang für fremde Kreditinstitute erschweren. Der Betrag von 5 Millionen ECU gern. Art. 4 Abs. 1 der 2. BRKR ist als Untergrenze zu ver-

56 Diese Position entspricht dem Passivposten 9 -gezeichnetes Kapital - LS.v. Art. 22 der Richtlinie des Rates über den Iahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten ("Bankbilanzrichtlinie"), RL 86/635/EWG, ABI. Nr. L 372 v. 31.12.1986, S. 1, 8. S7 Diese verweist wiederum auf Art. 9, "Passiva, A IV, Rücklagen", der vierten Richtlinie des Rates über den Iahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, RL 78/660/EWG ABI. Nr. L 222 v. 14.08.1978, S. 11, 15. 58 In § 272 Abs. 2 HGB ist das Emissionsagio als "Kapitalrücldage" umgesetzt worden; vgl. Glade, § 272 Anm. 2 und Moxter, S. 68.

59 Bei einem Umrechnungskurs von 1 ECU = 2,0536 DM gemäß der Mitteilung der EGKommission v. 9. Juli 1991, ABI. EG Nr. C 179 v. 10.7.1991, S. 1. 00 Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Markt, S.103.

I. Die 2. Bankrechtskoordinienmgsrichtlinie

63

stehen. Demnach steht es den letzteren Mitgliedstaaten frei, eine noch höhere Grenze festzulegen. 61 Bei der Umsetzung in das deutsche Recht muß sich § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG ändern. Dort wird bislang für die Zulassung eines Kreditinstituts kein fixer Betrag verlangt. Vielmehr müssen "die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel, insbesondere ein ausreichendes haftendes Eigenkapital" zur Verfügung stehen. 62 Dabei entspricht die Definition des haftenden Eigenkapitals in § 10 Abs. 2 KWG im wesentlichen dem "Anfangskapital" nach EG-Recht. Nur ist bislang im KWG noch keine Untergrenze starr festgelegt worden. Das Anfangskapital orientiert sich vielmehr an dem Betrag, der nach bankgeschäftlicher Erfahrung voraussichtlich den im Zulassungsantrag genannten Bankgeschäftsarten entspricht. 63 Nach der bisherigen Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes besteht hier eine Bandbreite von 0,3 bis hin zu 50 Millionen DM. 64 ,65 Bei der Anpassung des KWG kann man zum einen eine starre Untergrenze als Zulassungsvoraussetzung verankern. Zum anderen könnte man das bisherige Verfahren dahingehend aufrechterhalten, daß die Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes bestehen bleibt; nur ihr Handlungsspielraum müßte für Kreditinstitute mit "EG-Rang" auf Beträge von 5 Millionen ECU und mehr gesetzlich festgelegt werden. Der letztere Weg wäre sicherlich am besten geeignet, die bestehenden Zulassungsbedingungen soweit wie möglich zu erhalten. Die Wertung des Gesetzgebers geht dahin, das Bundesaufsichtsamt über das erforderliche Anfangskapital entscheiden zu lassen. Es ist nicht ersichtlich, warum sich diese Regelung unter der Vorgabe der 2. BRKR ändern sollte. Zum anderen ermöglicht es eine solche Handhabe am besten, ausgewogene Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EG zu schaffen. 61

VgI. Kuntze, Bankenaufsicht von Cooke, zur EG bis zum KWG, S. 17.

62

s. § 33 Abs. I Nr. I KWG.

63

VgI. BährelSchneider, § 33 Anrn. 3.

64 Dies entspricht bei einem Umrechnungskurs von I DM von 0,15 bis 24,34 Millionen ECU.

=

0,4869 ECU einer Bandbreite

6S Zur VelWaltungspraxis liegen folgende Richtsätze vor (vgI. BährelSchneider, § 33 Anrn. 3; Szaguml Wohischieß, § 33 Anm. 5): - Betreiben des Garantiegeschäftes ausschließlich mit Rückbürgschaften der öffentlichen Hand, 0,3 Millionen DM, - Erlaubnis für Kapitalanlagegesellschaften mit einer Fondsart, 2 Millionen DM, - Vollerlaubnis einschließlich Einlagengeschäft, 6 Millionen DM und - Erlaubnis für Hypothekenbanken, 50 Millionen DM.

64

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Der Diskussionsentwurf zum KWG-ÄndG verfolgt diesen Weg. Dort wird das Anfangskapital für Kreditinstitute mit EG-Rang66 auf mindestens 5 Millionen ECU gesetzt. c) Anzahl und Qualifikation der Geschäftsführer Die Anzahl und Qualifikation der Geschäftsführer legt Art. 3 Abs. 2, S. 1, 3. Spiegelstrich und S. 2 der 1. BRKR fest. Danach müssen mindestens zwei Personen tatsächlich die Geschäftstätigkeit des zuzulassenden Kreditinstituts bestimmen (sog. "Vier-Augen-Prinzip)" .67 Zusätzlich fordert Art. 3 S. 2 der 1. BRKR, daß die beiden Geschäftsführer die notwendige Zuverlässigkeit und angemessene Erfahrung besitzen müssen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die hierzu im KWG korrespondierenden Vorschriften sind in § 33 I Nr. 2,3 und 4 KWG niedergelegt. 68 Danach bedarf ein Kreditinstitut für die Erlaubnis mindestens zweier Geschäftsleiter. Diese müssen zuverlässig sein und die zur Leitung eines Kreditinstituts erforderliche fachliche Eignung haben. Mit diesen Anforderungen entspricht das KWG bereits den aufsichtsrechtlichen Vorgaben der EG. Weiterer Anpassungsbedarf besteht nicht. d) Vorlage eines Geschäftsplanes Nach Art. 3 Abs. 4 der 1. BRKR muß einem Zulassungsantrag ein Geschäftsplan beigefügt sein, aus dem insbesondere die Art der geplanten Geschäfte und der organisatiorische Aufbau des Kreditinstituts hervorgehen soll. Diese Vorschrift ist bereits durch das 3. KWG-Änderungsgesetz69 inhaltsgleich in § 33 Abs. 1 Nr. 5 KWG eingegangen. e) Anforderungen an die Gesellschafter Weitere Voraussetzung für die Zulassung eines Kreditinstituts ist nach EGRecht eine Mitteilung über die Anteilsinhaber nach Art. 5 S. 1 der

66 s.o. Kap. EIl. b). 67 Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Bankenmarkt, S. 85 . 68 Vgl. 3. KWG-Änderungsgesetz vom 20.12.1985, BGBI I S. 1693; dazu BährelSchneider, Einleitung, S. 69. 69

Vgl. 3. KWG-ÄndG aaO ..

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

65

2. BRKR. Die Kreditinstitute müssen a1l diejenigen Aktionäre mit Identität und Beteiligungsbetrag den Aufsichtsbehörden melden, die eine qualifizierte Beteiligung an dem Kreditinstitut halten. Eine solche "qualifizierte Beteiligung" ist nach Art. 1 Nr. 10 i.V.m. Art. 5 der 2. BRKR erreicht, wenn eine natürliche oder juristische Person direkt oder indirekt mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte hält. Ein anderweitiger maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftsleitung steht dieser Beteiligung gleich. Der Ausdruck der "qualifizierten Beteiligung" findet sich inhaltsgleich im Diskussionsentwurf unter § 1 Abs. 9 wieder. Dort wird lediglich der Begriff der "bedeutenden Beteiligung" verwandt. Die sich daraus ergebende Anzeigepflicht i.S.v. Art. 5 der 2. BRKR ist neu für das KWG. Sie soll in § 32 Abs. 1 KWG verankert werden. Zu dieser Meldepflicht tritt das Recht der Bankenaufsichtsbehörden, die Zulassung zu verweigern. Diese Möglichkeit besteht gem. Art. 5 der 2. BRKR, falls "sie nicht davon überzeugt sind, daß die betreffenden Aktionäre den im Interesse der Gewährleistung einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts zu stellenden Ansprüchen genügen". Bedenkt man die Einflußmöglichkeiten der Gesellschafter auf die Geschäftsführung, so erscheint diese Regelung konsequent. Die Anforderungen an die "Geschäftsleiter" sollten auch für die Gesellschafter mit qualifizierten Beteiligungen gelten. Im Diskussionsentwurf ist dieser Ansatz im neuen § 33 Abs. 1 Nr. 2a enthalten. j) Zulassungsve1jahren für Tochtergesellschaften von Kreditinstituten aus der EG

Die Zulassungsvoraussetzungen unter 3 a) - e) dieses Abschnitts70 gelten für solche Kreditinstitute, die keine gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zu Kreditinstituten in anderen Mitgliedstaaten haben. Insbesondere für Kreditinstitute, die Tochterunternehmen eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kreditinstituts sind,71 ist nach Art. 7 der 2. BRKR ein zusätzliches Konsultationsverfahren vorgesehen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Zulassungserfordernis, sondern um ein Verfahren nach dem Innenrecht der EG. Das Verfahren findet statt zwischen den zuständigen Behörden des Landes, in dem sich das Kreditinstitut um die Zulassung bemüht, und den Behörden 70

Kapitel E I 3.

71 Zu den anderen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen vgl. Art. 7 der 2. BRKR. 5 HellenthaI

E. Die Ausgestaltung des EG-Ban1cenaufsichtsrechts

66

des Mitgliedstaats, wo die Muttergesellschaft zugelassen ist. Konsultation bedeutet dabei nicht, daß die Zulassung einvernehmlich zu erfolgen hat. Vielmehr ist als Zusammenarbeit zwischen den Behörden lediglich eine Anhörung vorgesehen. Man möchte damit vermeiden, daß sich ein bestehendes Kreditinstitut der strengen Bankenaufsicht seines Mitgliedstaats entzieht, indem es Tochtergesellschaften in anderen EG-Staaten grundet. 72 Eine Umgehung läge nach den Erwägungsgrunden zur 2. BRKR vor, wenn das Mutterkreditinstitut trotzdem über ihre Tochtergesellschaft ihre Tätigkeit im eigenen Mitgliedstaat weiterzuführen beabsichtigt. 73 In diesen Fällen soll die Zulassung zu versagen oder zurückzuziehen sein. 74 Von der wirtschaftlichen Seite her könnte dieses Bestreben gerechtfertigt sein. Juristisch betrachtet findet sich jedoch im Text der 2. BRKR selbst kein derartiger Versagungs- oder Entziehungstatbestand.Solche Umgehungsaktivitäten sind dort nicht erfaßt. Fraglich ist deshalb, ob es den einzelnen Staaten bei der Neufassung ihres nationalen Bankenaufsichtsrechts möglich wäre, eine solche Bestimmung einzuführen. Generell lassen es die 1. und 2. BRKR zu, zusätzlich strengere Bedingungen für die Zulassung festzulegen. 75 Eine derartige Versagungs- oder Entziehungsbefugnis hätte sich aber am übergeordneten EG-Recht zu messen. Hier könnte Art. 52 EWGV, die Niederlassungsfreiheit, zu beachten sein. 76 Niederlassungsfreiheit bedeutet danach, daß es Angehörigen jedes Mitgliedstaats freistehen muß, in das Wirtschaftsleben der anderen Mitgliedstaaten einzutreten. Es dürfen keine besonderen Zulassungsvoraussetzungen bestehen, die sich nur an diejenigen richten, die aus anderen Mitgliedstaaten kommen. 77 Demnach ist es grundsätzlich nicht möglich, das Ausweichen unter Gründung von Tochterfesellschaften im (EG-)Ausland durch eigene Restriktionen zu unterbinden. 7

72 Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Ban1cenmarkt, S. 86; ders., EuZW 1990, 117, 119 . 73

Vgl. dazu die Erwägungsgrundezur 2. BRKR ABI. Nr. L 386 v. 30.12.1990, S. 1 f.

74 Ebenda. 7S

Vgl. Art. 8 Abs. 1 e) der 1. BRKR .

76 Zu Art. 52 EWGV s. bereits Kap. D I 2. 77

Groeben-Troberg, Art. 52 Rdnr. 16 f.

78 Vgl. Bader, EuZW 1990,117, 119.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

67

Die Grenze scheint allerdings dort zu liegen, wo eine Tochtergesellschaft nur als Adresse dient, um die Geschäftstätigkeit aus dem EG-Staat der Muttergesellschaft abzuwickeln. In diesem Fall wäre die Tochtergesellschaft de facto dem Herkunftsland der Muttergesellschaft zuzurechnen. Art. 52 EWGV schützt aber nur den Zugang, der den Erwerb in dem Land bezweckt, wo die Tochtergesellschaft errichtet werden soll.79 Die Tätigkeit hat dabei schwerpunktmäßig im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft zu liegen, wenn diese in den Schutzbereich von Art. 52 EWGV fallen soll.80 Folglich sind diejenigen Kreditinstitute nicht mehr von Art. 52 EWGV geschützt, die als reine Brietkastenadresse das Geschäft aus dem EG-Staat der Muttergesellschaft unter erleichterter Bankenaufsicht abwickeln sollen. 81 Somit können die Mitgliedstaaten solche Umgehungen mit gesonderten Zulassungs- und Überwachungsbestimmungen unterbinden. Sie verstoßen dabei nicht gegen die 2. BRKR oder Art. 52 EWGV. In der Praxis dürften diese Umgehungsaktivitäten aber nur selten vorkommen. Außerdem sind sie schwer nachzuweisen. Schließlich ist zu bedenken, daß über den Deregulierungsdruck der 2. BRKR sich die nationalen Bankenaufsichtsrechte stark annähern werden. Diese Tatsache dürfte ein mögliches Niveaugefiille zwischen einzelnen Mitgliedstaaten verringern. Damit verringert sich der Vorteil von Umgehungsaktivitäten.

In der Bundesrepublik Deutschland knüpft die Erlaubnispflicht gem. § 32 KWG an das Betreiben von Bankgeschäften im Geltungsbereich des KWG an. Werden nun bei einem Kreditinstitut nur Geschäfte im Ausland getätigt und abgewickelt, so entfiele diese Voraussetzung. Es bestünde damit die Widerrufsmöglichkeit nach §§ 32 Abs. 1, 35 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 KWG. g) Zulassungsverjahren jar Tochtergesellschaften von Kreditinstituten aus Drittllindern Die 2. BRKR enthält in Art. 8 und 9 Bestimmungen, die die Zulassung von Kreditinstituten betreffen, die Tochtergesellschaften von Unternehmen aus Drittländern82 sind.

79 Ebenda. 80 Groeben-Troberg, Art.

52 Rdnr. 3. 58 Abs. 1 und 52 Abs. 1 S. 2 EWGV; Groeben-Troberg,

Vgl. dazu die Regelung in Art. Art. 58 Rdnr. 8. 81

82 Drittländer sind alle Staaten außerhalb der EG.

68

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Grundsätzlich gelten hier dieselben Zulassungsbedingungen wie für alle anderen Kreditinstitute. 83 In diesem Zusammenhang ist es ein Anliegen der EG, daß die Kreditinstitute aus der EG bei der Gründung von Tochtergesellschaften in Drittländern dort gleichwertige Zulassunfsbedingungen vorfinden. 84 Man möchte eine sog. "Reziprozität" erreichen. 5 Zur Verwirklichung dieses Ziels befand sich ursprünglich in Art. 7 des Vorschlags zur 2. BRKR ein eigenständiges Verfahren. 86 Demnach sollten die nationalen Aufsichtsbehörden die Kommission und die Behörden der anderen Mitgliedstaaten unterrichten, wenn eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens aus einem Drittland einen Zulassungsantrag stellt. Dieser Antrag wäre dann bis zu drei Monaten auszusetzen, bis die Kommission geprüft hätte, ob Gegenseitigkeit mit dem betreffenden Drittland vorliegt. 87 Eine solche Prüfung stellt dabei eine zusätzliche Hürde dar. Wegen dieser Niederlassungspolitik entstand seitens der Drittländer der Vorwurf protektionistischen Verhaltens ("Festung Europa").88 In der nunmehr erlassenen 2. BRKR ist dieses besondere Zulassungsverfahren abgeschwächt worden. Es besteht nur noch eine Meldepflicht für derartige Zulassungen an die Kommission. 89 Die Aussetzung der Anträge während der Prüfung der Reziprozität geschieht nur noch ausnahmsweise, falls Kreditinstituten aus der EG in dem betroffenen Drittland weder ein effektiver Marktzugang, noch eine Gleichbehandlung in dem dortigen Markt möglich sind. 90 Nur dann kann die Zulassung für Kreditinstitute aus Drittländern erschwert sein. Grundsätzlich handelt es sich bei den Art. 8 und 9 der 2. BRKR um Innenrecht der EG, das auf dem Gedanken der Gemeinschaftstreue gern. Art. 5 EWGV beruht. Für Kreditinstitute aus Drittländern bestehen damit keine zusätzlichen, in ihrer Person liegenden Zulassungsvoraussetzungen; sie

83 Z.B. Tochtergesellschaften von EG-Unternehmen oder Neugründungen ohne gesellschaftsrechtliche Beziehungen. 84

S.2.

s. die ElWägungsgründe zum Vorschlag der

2. BRKR, ABI. Nr. C 84 v. 31.03.1988,

85 Zum Begriff der "Reziprozität" bzw. "Gegenseitigkeit" vgl. Troberg, Bankrechtskoordinierung und allgemeine Grundlagen, S. 55; Bader, Rahmenbedingungender Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 86; ders. EuZW 1990, 117, 119; Horn, ZBB 1989,

107, 113. 86

Vorschlag zur 2. BRKR, ABI. Nr. C

84 vom 31.03. 1988, Art. 7.

87 Vgl. Art. 7 Abs. 4 u. 5 des Vorschlags zur 2. BRKR, aaO. 88 Vgl. Clarolli, Cahiers de droit europcen Horn, ZBB 1989, 107, 113 m.w.N.

1989,504,511; Bader, EuZW 1990, 117, 119;

89 Vgl. Art. 8 der 2. BRKR. 90 Vgl. weiterfiihrend Bader, EuZW

1990, 117, 120.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

69

haben lediglich einen erschwerten Marktzugang, bis die Reziprozität hergestellt ist. Im neuen KWG sollen die EG-Vorschriften, soweit sie umzusetzen sind, in den §§ 33 a, 53 c verankert werden. 91

4. Anforderungen an Kreditinstitute bei der Errichtung von Zweigstellen Neben der Zulassung von Kreditinstituten ist die Errichtung von Zweigstellen für das Bankwesen und die Bankenaufsicht bedeutsam. 92 Den Begriff "Zweigstelle" definiert das EG-Recht in Art. 1 Nr. 3, S. 1 der 2. BRKR definiert. Danach ist eine Zweigstelle "eine Betriebsstelle, die einen rechtlich unselbständigen Teil eines Kreditinstituts bildet und unmittelbar sämtliche Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte betreibt, die mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts verbunden sind". Bei der Errichtung einer Zweigstelle sind nach der 2. BRKR drei Fallkonstellationen zu unterscheiden: - Ein Kreditinstitut mit Sitz in der EG möchte in einem fremden Mitgliedstaat eine Zweigstelle errichten (nachfolgend unter a). - Ein Kreditinstitut mit Sitz in der EG möchte in seinem Mitgliedstaat eine Zweigstelle errichten (nachfolgend unter b). - Ein Kreditinstitut mit Sitz außerhalb der EG möchte in der EG eine Zweigstelle errichten (nachfolgend unter c).

a) Errichtung einer Zweigstelle in einem fremden Mitgliedstaat Die erste Fallgruppe regelte früher Art. 4 der 1. BRKR. Danach konnte ein Mitgliedstaat die Errichtung von Zweigstellen von besonderen Voraussetzungen abhängig machen. Diese Anforderungen richteten sich sowohl an gebietsfremde als auch an gebietseigene Kreditinstitute. 93 Nunmehr verbietet es Art. 6 der 2. BRKR den einzelnen Mitgliedstaaten, für Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen EG-Staaten eine besondere Zulassung zu verlangen. Diese Regelung ist ein tragendes Prinzip der

91

Vgl. §§ 33 a, 53 c KWG bei BMF, Diskussionsentwurfzum 4. KWG-ÄndG.

92 s.o.

Kap. B n 3.

93 Vgl. Art.

4 Abs. 1 der I. BRKR.

70

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

2.BRKR und enthält die "gegenseitige Anerkennung" von Zulassungen:94 Hat ein Kreditinstitut in einem EG-Staat eine Zulassung erhalten, so kann es in allen anderen Mitgliedstaaten Zweigstellen errichten. Eine gesonderte Zulassung ist dafür nicht mehr erforderlich. Hiermit bekommt die länderübergreifende Systematik der 2. BRKR ihre entscheidende Bedeutung. Die Zulassung als Kreditinstitut in einem Mitgliedstaat wirkt in Zukunft gleichzeitig als Genehmigung für ein EG-weites Zweigstellennetz. Die gegenseitige Anerkennung erklärt, warum in der 2. BRKR die allgemeinen Zulassungsbedingungen für Kreditinstitute harmonisiert werden mußten; andernfalls hätte es zu Ungleichgewichten kommen können: Erhielte ein Kreditinstitut in einem EG-Staat wesentlich leichter die Zulassung, so könnte der Wettbewerb über das mögliche EG-Zweigstellennetz verzerrt werden. Deshalb mußte die EG die Zulassungsanforderungen auf ein vergleichbares Niveau bringen. 9S Über dieses System der gegenseitigen Anerkennung sind damit zwei Leitlinien des EG-Bankenaufsichtsrechts verwirklicht. Zunächst ist es die Niederlassungsfreiheit aus dem EWG-Vertrag gern. Art. 52. Mit Umsetzung der 2. BRKR werden für die Kreditinstitute sämtliche Beschränkungen der freien Niederlassung entfallen. 96 Darüber hinaus ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung umgesetzt. 97 Die vom EuGH für den Warenverkehr aufgestellten Leitlinien sind in das Bankenaufsichtsrecht eingegangen. 98 Klarzustellen ist, daß von der gegenseitigen Anerkennung nicht in anderen Mitgliedstaaten zu gründende Tochtergesellschaften betroffen sind. Sie benötigen im jeweiligen Aufnahmeland eine eigene Zulassung als Kreditinstitut. Grundlage dafür sind die harmonisierten Zulassungsbedingungen. Des weiteren bezieht sich die gegenseitige Anerkennung nicht auf die automatische Anerkennung von Zweigstellen im eigenen Mitgliedstaat des Kreditinstituts. 99

94 Vgl. Horn, ZBB 1989, 107, 109; Kluge, ZKW 1990, 182; Troberg, Bankrechtskoordinierung und allgemeine Grundlagen, S. 49; ders., Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S.13.

95

Vgl. Troberg, aaO., S. 13.

Dabei sind die zusätzlichen Beschränkungen von Unternehmen aus den jeweils anderen Mitgliedstaaten gemeint. 96

97

s.o. Kap. D 111 3.

s.o. Kap. D 111 3.; Rechtsache Cassis de Dijon 120178; Rspr. 1979, S. 649 tT.; Oppermann, Rdnr. 1164. 98

99 s. nächster Abschnitt b).

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichdinie

71

Somit bestehen in der Fallkonstellation zu a) keine materiellen Zulassungsvoraussetzungen mehr bei der Errichtung von Zweigstellen. In Art. 6 Abs. 1 der 2. BRKR ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich niedergelegt, daß diese Regelung auch für ein mögliches Dotationskapital gilt. IOO ,101 Als einzige formelle Voraussetzung bei der Errichtung einer Zweigstelle verbleibt gem. Art. 19 Abs. 1 u. 2 der 2. BRKR eine Anzeigepflicht. Dieses Prinzip der gegenseitigen Anerkennung soll nach dem Diskussionsentwurf zum 4. KWG-ÄndG inhaltsgleich im neuen § 53 b KWG verankert werden. Die Anzeigepflicht der Kreditinstitute wird voraussichtlich in einen neuen § 24 a KWG aufgenommen. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß dieses Prinzip vordergründig einen einseitigen Anwendungsbereich hat. Es ist ein Recht gegenüber dem Mitgliedstaat, wo eine Zweigstelle errichtet werden soll. Fraglich ist, ob das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch gegenüber dem eigenen Mitgliedstaat gilt; dies könnte die notwendige Folge der gegenseitigen Anerkennung sein. Hierzu enthalten die EG-Bankrechtsrichtlinien keine ausdrückliche Bestimmung. Demnach könnte es denkbar sein, daß Mitgliedstaaten ihren Kreditinstituten die Errichtung von Zweigstellen in fremden EG-Staaten erschweren, indem sie dafür eigene Voraussetzungen oder Hindernisse festlegen. I02 Dabei könnten die Mitgliedstaaten jedoch gegen den EWG-Vertrag verstoßen. Hierzu sind Art. 7 bzw 52 EWGV zu beachten. Sie stellen den Grundsatz auf, Beschränkungen in einzelnen Mitgliedstaaten zu Lasten von Angehörigen aus anderen Mitgliedstaaten zu unterbinden. 103 Dabei verwirklicht Art. 52 EWGV als lex specialis im Rahmen der Niederlassungsfreiheit das allgemeine Prinzip des Art. 7 EWGV. Art. 52 EWGV geht insofern dem Art. 7 EWGV vor. I04 Nach Art. 52 EWGV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Angehörige aus anderen EG-Staaten gegenüber den Inländern

100 Dotationskapital ist ein abgetrenntes Zweigstellenkapital. Dieses konnte bisher in einer bestimmten Höhe als gesonderter Betrag (Eigenmiuel) verlangt werden. 101 Bereits jetzt gilt über Art. 6 Abs. 2 der 2. BRKR als Übergangsvorschrift eine Einschränkung zum Dotationskapital. Demnach dürfen die Mitgliedstaaten nicht mehr verlangen, daß die Zweigstellen mehr als 50 % des Anfangskapitals von Kreditinstituten halten müssen.

102 Die Errichtung von Zweigstellen in fremden Mitgliedstaaten ist zu unterscheiden vom sog. Marktaustritt, d.h. der Sitzverlegung eines Unternehmens; vgl. EuGH Rechtssache 81/87 (Daily Mail), Rspr. Slg. 1988, S. 5483 tT. 103 Vgl. insbesondere zur Terminologie Diskriminierungen - Beschränkungen, GroebenTroberg Art. 52 Anm. 18; Grabnitz-Randelshofer Art. 52 Anm. 36 tT.; Schweitzer, S. 257.

104 Vgl. Groeben-Troberg Art. 52, Anm. 17.

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

72

gleichzubehandeln. Beschränkungen sind nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit zulässig. Hier interessiert jedoch die Frage, ob Art. 52 EWGV gleichzeitig Inländern das Recht gibt, gegenüber Angehörigen aus anderen Mitgliedstaaten gleichgestellt zu werden (sog. umgekehrte Diskriminierung).105 Gilt das Recht, Zweigstellen in fremden EG-Staaten zu errichten, nur dem dortigen oder auch dem eigenen Mitgliedstaat gegenüber. Man würde demnach den inländischen Kreditinstituten für die Errichtung von Zweigstellen in der übrigen EG maximal eine Anzeigepflicht i.S.v. Art. 19 Abs. 1 der 2. BRKR auferlegen können. Eine solche Gleichbehandlung der Inländer läßt sich jedoch aus dem Wortlaut des Art. 52 EWGV nicht herleiten. In anderen Artikeln des EWG-Vertrages sind Liberalisierungen deutlich zweiseitig ausgestaltet. Dies gilt z.B. für Auswanderer und Einwanderer nach Art. 51 Abs. 1 sowie Export und Import nach Art. 16,34,72 EWGV. Dagegen sind die Art. 53 und 56 EWGV einseitig angelegt. Sie verpflichten die Mitgliedstaaten zu einer Gleichbehandlung zugunsten von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten WI06 oder von Ausländern. 107 Dort sind die entsprechenden Rechte der Inländer nicht niedergelegt oder garantiert. Angesichts der einseitigen Ausrichtung kann man davon ausgehen, daß eine umgekehrte Diskriminierung grundsätzlich zulässig ist. 108 W

Fraglich bleibt jedoch, wie weit diese gehen kann. Art. 5 Abs. 2 EWGV verbietet den Mitgliedstaaten Maßnahmen, die die Verwirklichung des EWGVertrages gefährden könnten. Hierzu zählt z.B. gern. Art. 2 EWGV die harmonische Entwicklung und eine ausgewogene Wirtschaftsausweitung. Demnach darf die umgekehrte Diskriminierung nicht Auswirkungen über den nationalen Bereich hinaus haben. Es wäre den Mitgliedstaaten insofern verwehrt, den eigenen Kreditinstituten den Zugang in andere EG-Staaten besonders zu erschweren oder generell zu verbieten. f09

lOS V,I. Groeben-Troberg, Art. 52 Rdnr.20; Groeben-Bleckmann, Art. 7 Rdnr. 2 ff.; Schweitzer, S. 258; Oppermann, Rdnr. 1429. 106

V,I. Art. 53 EWGV.

107

V,I. Art. 56 EWGV.

108 Groeben-Troberg Art. 52, Rdnr.20; Hoffmann, Bank-und Börsenrecht, S.60; BMF, Dislwssionsentwurfzum 4. KWG-ÄndG, Kap. ß. Bes. Teil, S. 27. 109

Groeben-Troberg Art. 52 Rdnr. 20.

I. Die 2. BankrechtskoordinienmgsrichtJinie

73

Zulässig blieben somit allein Regelungen, die auf innerstaatliche Verhältnisse beschränkt sind. 110 In der Rechtssache "Knoors "11 1 hat der EuGH hierauf noch einmal besonders hingewiesen. 112 Insofern könnte es dem EWG-Vertrag nicht widersprechen, wenn nationale Gesetzgeber bei der Errichtung von Zweigstellen heimischer Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten über eine reine Anzeigepflicht hinauszugehen; dieses Vorgehen könnte dabei von einem besonderen nationalen Interesse geleitet sein. Fraglich ist allerdings, ob es sich hier nicht nur um eine theoretische Möglichkeit handelt. Es dürfte von den Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute aus der EG ein Deregulierungsdruck entstehen. Sie hätten weiterhin nur die Anzeigepflicht zu beachten. Zusätzlich ist zu bedenken, daß Art. 52 EWGV neu ausgelegt werden könnte. Das folgt aus der Vollendung des Binnenmarktes. Dieser Umstand höblt den Begriff der "innerstaatlichen Nachteile" aus. Es gibt aus wirtschaftlicher Sicht nur noch den einheitlichen Markt. Darüber hinaus bekommt Art. 18 Abs. 1 der 2. BRKR erst dann volle Bedeutung, wenn das Recht sowohl dem Herkunfts- als auch dem Gastland gegenüber gilt. Eine einseitige Beschränkung erscheint nicht sachgemäß. Die Mitgliedstaaten dürften kaum über die Anzeigepflicht bei der Errichtung von Zweigstellen hinausgehen. Erschwerungen oder Verbote sollten nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein. Eine solche Ausnahme ist in der Bundesrepublik Deutschland das Regionalprinzip der Sparkassen. Sparkassen sind in ihrer Tätigkeit auf das Gebiet ihrer Gewährträger beschränkt. Ihnen steht es nicht zu, Zweigstellen außerhalb dieser Region zu errichten. 113 Dabei möchte der Gesetzgeber als Gewährträger zum einen nur auf seinem Gebiet eine Grundversorgung an Finanzdienstleistungen sichern; 114 dieses Bedürfnis endet an der jeweiligen Landesgrenze. Zum anderen könnte es nicht geboten sein, die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit und die damit verbundenen Risiken über die Landesgrenzen oder in andere Mitgliedstaaten auszudehnen. Hier wäre es u.U.

110

Vgl. Art. 102 Abs. 2, S. 2 EWGV; BentJer, S. 308.

m Rechtssache 115/18, Rspr. Sig. 1979, S. 399. 112 Zur Rspr. des EuGH s. Grsbitz-Randelshofer Art. 52, Rdnr. 49 ff.; Weis, NIW 1983, 2721,2722. 113 Dieses Prinzip gehört nicht dem Bundesrecht an. Es ist jeweils landesrechtlich versnkert. Insofern betriftt dies nicht das KWG; vgl. im übrigen Schlierbach, S. 114 f; OVG Münster DVBI. 1982,504 ff. 114 Vgl. Stober, S. 889; Schlierbach, S. 104; Meyer-Horn, S. 114.

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

74

möglich, die Errichtung von Zweigstellen zu unterbinden. 115 Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, daß auch die Unternehmen und Verbraucher, für die die Sparkassen im Zuge der Grundversorgung zur Verfügung stehen sollen, ihre Waren- und Kapitalbewegungen nicht nur auf das Gebiet des jeweiligen Gewährträgers beschränken. Sofern man der "Grundversorgung" überhaupt noch Bedeutung beilegt, könnte man sogar umgekehrt fordern, daß die Sparkassen auch mit einem EG-weiten Zweigstellennetz ihren Kunden zur Verfügung stehen müßten. Schließlich muß man berücksichtigen, daß die öffentliche Hand zugleich Gesetzgeber sowie "Eigentümer" und "Gewährträger" ist. Demnach ist die personelle Interessenkollision gering. Es ist nachvollziehbar, daß der Gewährträger seine Stellung regional beschränken möchte. 116 Ob dies angesichts der teilweise freieren Regelungen in anderen Mitgliedstaaten wirtschaftlich geboten ist, ist eine andere Frage. 117 Angesichts möglicher Rechtsunsicherheiten ist in der Diskussion, das Regionalprinzip der Sparkassen auch in der EG-Richtlinie als Wahlrecht der Mitgliedstaaten zu verankern. 118 Art. 16 der 2. BRKR würde dahingehend ergänzt, "daß - die Mitgliedstaaten die Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, denen Verbindlichkeiten von einer Gebietskörperschaft garantiert werden, regional begrenzen dürfen, - die betreffenden Mitgliedsinstitute aber von der Anwendung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie nicht ausgenommen würden. "119 b) Errichtung einer Zweigstelle im eigenen Mitgliedstaat des Kreditinstituts

Kreditinstitute können Zweigstellen auch im eigenen Mitgliedstaat errichten. Die 2. BRKR enthält dazu keine Regelung. In der 1. BRKR findet sich sogar in Art. 4 Abs. 4 ein Hinweis auf diese Lücke. 120 Die Mitgliedstaa-

l1S Vgl. Hoffmann, S.60; BMF, Diskussionsentwurf 4. KWG-ÄndG, S.27; Geiger, S. 304; Meyer-Hom, S. 114 ff. 116

Vgl. Bader, B.BI. 10/1988, S. 474, 475.

Zur Diskussion anband von Art. 3 vgl. Weis, NJW 1983,2721,2725 ff.; BVerfUE 43, 58,70 sowie 48,227,239 f. 118 Vgl. Meyer-Hom, S. 116. 117

119

Meyer-Hom, aaO.

Art. 4 Abs. 4: "Dieser Artikel berührt nicht die Regelung von Mitgliedstaaten rur Zweigstellen, die in ihrem Gebiet von Kreditinstituten mit Sitz in diesem Gebiet errichtet werden .... ". 120

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

75

ten könnten deshalb frei sein, eigene Zulassungsvoraussetzungen aufzustellen, die über eine reine Anzeigepflicht hinausgehen würden. Der Spielraum des Gesetzgebers ist wiederum an der Frage der "umgekehrten Diskriminierung" zu messen. Insofern kann auf die Ausführungen zu a) verwiesen werden. Bei rein innerstaatlichen Verhältnissen können die Gesetzgeber eigene Zulassungsvoraussetzungen aufzustellen. Diese dürften jedoch nicht gegen Art. 5 Abs. 2 EWGV verstoßen. Die "harmonische Entwicklung und die ausgewogene Wirtschaftsausweitung der EG sind nicht zu beeinträchtigen" . 121 Darüber hinaus erscheint es jedoch nicht sachgerecht, den Kreditinstituten bei der Errichtung von Zweigstellen im eigenen Mitgliedstaat Zulassungsbedingungen aufzuerlegen. Insofern zeigt sich die deregulierende Wirkung der EG-Bankrechtsharmonisierung. Für die Bundesrepublik Deutschland sind keine zusätzlichen Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen. Es verbleibt die Anzeigepflicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 7 KWG.

c) Errichtung einer Zweigstelle in der EG durch ein Kreditinstitut aus einem Drittland Diese Fallkonstellation betrifft Kreditinstitute mit Sitz in Drittländern, d.h. Staaten außerhalb der EG. 122 Diese Kreditinstitute fallen nicht unter die Zulassungsanerkennung gem. Art. 6 u. 18 der 2. BRKR (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung). In den Erwägungsgründen zur 2. BRKR ist das noch einmal klargestellt. l23 Mangels einer besonderen Regelung in der 2. BRKR gilt hierfür die 1. BRKR weiter. 124 Danach steht es den Mitgliedstaaten frei, für Zweigstellen von Kreditinstituten aus Drittländern eigene Zulassungsvoraussetzungen aufzustellen, vgl. Art. 9 Abs. 1 der 1. BRKR. Es bestehen lediglich zwei Einschränkungen: 125 Zum einen dürfen sie Kreditinstitute aus Drittländern nicht günstiger stellen als Institute aus der EG. Zum anderen behält die EG sich vor,

121

s.o. Kap. EI 4. a).

Hat ein solches Kreditinstitut eine Tochtergesellschaft in der EG, so gilt wiederum das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Die Errichtung von Zweigstellen über eine solche Tochtergesellschaft würde sich nach den Fallkonstellationen zu a) und b) bestimmen. 122

123

s. Richtlinie 89/646/EWG ABI. Nr. L 386 v. 30.12. 1989, S. 2.

Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 87. 124

125 s. dazu Art. 9 Abs. I, 3 der I. BRKR sowie Horn, ZBB 1989, 107, 113; Molyneux, Revue de la Banque, Nr. 6/1989,359.

76

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit mit Drittländern Vereinbarungen zu treffen. Art. 9 Abs. 3 der 1. BRKR steht im engen Zusammenhang mit Art. 9 der 2. BRKR, der allgemein auf die Niederlassung und den Dienstleistungsverkehr mit Drittländern abstellt. Es finden sich die Grundsätze für die Zulassung von Kreditinstituten aus Drittländern wieder. 126 Die EG möchte die aufsichtsrechtlichen Beziehungen nicht nur innerhalb ihrer Mitgliedstaaten gleichwertig gestalten (lassen); gleiches soll auch im Außenverhältnis zu Drittländern gelten. Hinsichtlich der Zulassung von Zweigstellen von Kreditinstituten aus Drittländern verbleibt es in der Bundesrepublik Deutschland bei § 53 KWG. Insofern gelten für solche Zweigstellen Voraussetzungen wie bei der Errichtung eines Kreditinstituts.

5. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen bei der Ausabung der laufenden Geschäftstätigkeit Die vorhergehenden Abschnitte 3 und 4 bezogen sich auf die Zulassungsvoraussetzungen von Kreditinstituten und ihren Zweigstellen. Nunmehr steht die laufende Geschäftstätigkeit im Vordergrund. Hierzu sind folgende EGbankenaufsichtsrechtliche Aspekte zu beachten.

a) Die miJglichen Tätigkeiten eines Kreditinstituts Zu den möglichen Bankgeschäften der Kreditinstitute in der EG liegt eine vergleichende Untersuchung vor. 127 Sie zeigt die unterschiedlichen Beschränkungen in der Geschäftstätigkeit auf. Zu diesem Regelungskomplex gibt es in der 2. BRKR einen differenzierten Ansatz. Man findet dort keinen Katalog von Banktätigkeiten, die ein Kreditinstitut in seinem eigenen Mitgliedstaat mit oder ohne Zweigstellen ausführen kann; insoweit steht es den EG-Staaten frei, einen eigenen Katalog festzulegen. Hingegen ist in der 2. BRKR über Art. 18 eine Liste von Tätigkeiten im Anhang eingeführt, für die die gegenseitige Anerkennung gilt. 128 All die-

126

s.o. Kap. EI 3. g).

127

Vgl. Römer, S. 126.

128

Vgl. den Anhang zur 2. BRKR.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

77

se Bankgeschäfte kann ein Kreditinstitut außerhalb des Herkunftslandes betreiben. Dabei bietet sich der Weg des freien Dienstleistungsverkehrs oder das Angebot über eine Zweigstelle an. Die betreffenden Tätigkeiten müssen lediglich durch die Zulassung im Herkunftsland abgedeckt sein. 129 Daneben läßt die 2. BRKR offen, ob die Mitgliedstaaten für ihre eigenen Kreditinstitute enger oder weiter gezogene Tätigkeitskataloge festlegen. Vor diesem Hintergrund sind wiederum Wettbewerbsverzerrungen möglich. 130 Beispielsweise kann ein in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenes Kreditinstitut auch in Frankreich über Zweigstellen oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs Wertpapierhandel betreiben. In Frankreich selbst zugelassene Kreditinstitute können dort Wertpapiergeschäfte bisher nur über eigens zugelassene Mitglieder an den Börsen tätigen. Bleibt diese Regelung beibehalten, so entsteht ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den ausländischen Kreditinstituten. Diese können solche Geschäfte ungehindert betreiben. Damit ergibt sich ein Nachteil für die französischen Kreditinstitute im Sinne der umgekehrten Diskriminierung. 131 Es entsteht ein entsprechender Deregulierungsdruck auf den französischen Gesetzgeber, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen. Er kann den französischen Kreditinstituten den Zugang zur Börsenmitgliedschaft öffnen oder den ausseroorslichen Wertpapierhandel zulassen. Frankreich will den ersteren Weg gehen. 132 Dieses Beispiel zeigt den deregulierenden Effekt der 2. BRKR. Sie stellt den nationalen Gesezgebem anheim, die Arten der möglichen Bankgeschäfte festzulegen, die im Inland zugelassene Kreditinstitute betreiben dürfen. Aufgrund der Liste mit Tätigkeiten, die ausländische Kreditinstitute jeweils anbieten können, wird sich indirekt das Bankenaufsichtsrecht in der EG harmonisieren. Im übrigen gelten für die Ausübung der nicht in der Liste enthaltenen Tätigkeiten die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach dem EWG-Vertrag. 133 Die Anerkennung der gesamten Tätigkeiten nach dem Anhang zur 2. BRKR ist aber auch begrenzt. Hierzu ist in den ErwägungsgCÜDden zur 2. BRKR bemerkt:

129

Vgl. Art. 18 Abs. I •. E. der 2. BRKR.

130 Vgl. Troberg, Hannonisierung des Bankenaufsichtsrechts, S. 22 f.; Beispiel nach Horn, ZBB 1989, 107, 112. 131

Zur umgekehrten Diskriminierung s.o. Kap. E I 4 a).

132

Vgl. Horn, ZBB 1989, 107, 112.

133

Vgl. 2. BRKR, ElWägungsgriindeS. 2.

78

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

"Die Mitgliedstaaten haben darauf zu achten, daß die Tätigkeiten, die unter die gegenseitige Anerkennung fallen, ohne Behinderung auf die gleiche Weise wie im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt werden können, soweit sie nicht im Gegensatz zu den im Aufnahmemitgliedstaat geltenden gesetzlichen Bestimmungen des Allgemeininteresses stehen. "134 Mit dieser Einschränkung sollen die Mitgliedstaaten auch zukünftig ihre nationalen Besonderheiten bankenaufsichtsrechtlich verankern. Wenden sie die Ausnahme an, so hätten die EG-Kreditinstitute nach wie vor die nationalen Vorschriften des Aufnahmelandes zu beachten. 135 Nach Art. 19 Abs. 4 der 2. BRKR können die Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats zwei Monate nach Anzeige des Kreditinstituts diesem mitteilen, ob bestimmte Tätigkeiten aus Gründen des Allgemeininteresses besonderen Bedingungen unterliegen. 136 Der Begriff des Allgemeininteresses ist unbestimmt gefaßt. Je nach seiner Auslegung kann die Harmonisierung und Liberalisierung des EG-Bankenaufsichtsrechts mehr oder weniger durchzusetzen sein. Für das Bankwesen ist das Allgemeininteresse bisher noch nicht ausgestaltet worden. Der Begriff stammt vielmehr ursprünglich aus einem Grundprinzip, das der EuGH für die Freiheit des Warenverkehrs entwickelt hat;137 auf Dienstleistungen im Versicherungssektor ist dieser Ansatz inzwischen durch den EuGH übertragen worden. 138 Der Grundsatz ist verwandt mit den Prinzipien aus Art. 36, 66, 56 Abs. 1, 90 EWGV. 139 Nach dieser Rechtsprechung dürfen nationale Behinderungen nur einem wichtigen und objektiven Interesse des Allgemeinwohls dienen. Hierbei kommt es nicht auf das Allgemeininteresse der gesamten EG, sondern auf den einzelnen Mitgliedstaat an. l40 Dort sollen die nationalen Ausnahmeregeln folgende Voraussetzungen erfüllen: 141

2. BRKR, ABI. Nr. L 386 v. 30.12.1989, S. 2. Vgl. Bader, Rahmenbedingungen der Kreditinstitute im einheitlichen europäischen Binnenmarkt, S. 84; Clarolli, Le Droit des AtTaires, Nr. 5/1988, S. 6 . 136 Vgl. auch Art. 21 Abs. 5 der 2. BRKR. 137 Vgl. Troberg, Bankrechtskoordinierung und allgemeine Grundlagen, S. 43; EuGH, RS 120178 (Cassis de Dijon), Rspr. Slg. 1979,649 tT. 138 Vgl. EuGH, RS 205/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Rspr. Slg. 1984,3755 tT.; s.o. Kap. D m 3. 139 Vgl. Schmidt, VersR 1987, 1,2. 140 Vgl. Hübner, JZ 1987,330,332. 141 Vgl. dazu Hübner, aaO.; Grsbitz-Randelshofer Art. 60, Rdnr.26; EuGH, Rechtssache 206/84, Urt. v. 04.12.1986,S. 3817,3849. 134 135

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

19

1. Geltung der Vorschriften für in- und ausländische Kreditinstitute 2. Zwingende Gründe des nationalen Allgemeinwohls 3. Keine Wahrung dieses Interesses durch Vorschriften aus dem Herkunftsland des Dienstleistungserbringers 4. Wahrung des Prinzips der geringstmöglichen Beschränkung Danach ist das Allgemeininteresse eher als nationales öffentliches Interesse zu verstehen. Für den Versicherungssektor sind als mögliche Schutzgüter der einzelne Verbraucher und das Versicherungssystem als Massenphänomen anerkannt. 142 Genauso, wie ein Versicherungsnehmer mit dem Versicherungsfall auf die vereinbarte Leistung angewiesen ist, vertraut der Sparer auf den Bestand seiner Einlage. Des weiteren hat das Bankwesen eine dem Versicherungssystem mindestens vergleichbare Bedeutung. Folglich sind die ursprünglich auf den Versicherungssektor übertragenen Grundsätze des "Allgemeininteresses" auch für den Bankensektor anzuwenden. Offen bleibt die Auslegung des Allgemeininteresses im Bankenaufsichtsrecht. Es könnten nur solche Interessen heranzuziehen sein, die in direktem Zusammenhang mit dem Finanzsektor stehen; dies würde eine enge Auslegung dieses Begriffs bedeuten. Andererseits könnte man zur Begründung des Allgemeininteresses auch volkswirtschaftliche Aspekte heranzuziehen. Hierunter fiele z.B. der Inflationsgedanke. Zieht man die Parallele zum Versicherungssektor , so erwägt der EuGH dort nur unmittelbar aus dem Versicherungsbereich stammende Interessen. 143 Des weiteren ist zu bedenken, daß eine weite Auslegung den angestrebten Harmonisierungsprozeß und die Schaffung des gemeinsamen Marktes behindern könnte. Insofern sollte man das Ausnahmekriterium "Allgemeininteresse " eng ausgelegen. Regelungen im nationalen Allgemeininteresse könnten sich z.B. im Geschäft der Hypothekenbanken ergeben. Die Angebote der britischen Building Societes, der niederländischen Hypothekenbanken und der deutschen Bausparkassen sind voneinander grundverschieden. l44 Der Aspekt des Verbraucherschutzes könnte hier spezielle, das EG-Recht einschränkende Bestimmungen ermöglichen, weil sie vom nationalen Allgemeininteresse gedeckt sind.

142 Vgl. Schmidt, VersR 1981, I, 3; EuGH, RS 205/84 (Freier Dienstleistungsverkehr Versicherung), Rspr. Slg. S. 3155,3803 (ZifT. 30) . 143

Vgl. EuGH, aaO.

144

Vgl. Trober, Bankrechtskoordinierungund allgemeine Grundlagen, S. 22.

80

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Zusammenfassend ist hinsichtlich der möglichen Tätigkeiten eines Kreditinstituts festzuhalten: Nach der 2. BRKR können die Mitgliedstaaten für die in ihrem eigenen Land zugelassenen Kreditinstitute besondere Tätigkeitsbestimmungen festlegen. Lediglich die Kreditinstitute aus der übrigen EG und ihre Zweigstellen müssen die Palette von Tätigkeiten aus dem Anhang der 2. BRKR anbieten können. Einschränkungen sind nur aufgrund eines besonderen nationalen Allgemeininteresses möglich. Im Diskussionsentwurf zum 4. KWG-ÄndG ist Art. 18 Abs. 1 der 2. BRKR in § 53 b übernommen worden. § 53 b Abs. 1 S. 1 verweist dabei auf § 1 KWG in der neuen Fassung. Dieser soll dazu dergestalt ergänzt werden, daß mit der Verweisung alle Tätigkeiten aus dem Anhang der 2. BRKR erfaßt sind. Nach § 53 b Abs. 3 KWG haben EG-Kreditinstitute aus anderen Mitgliedstaaten auch die §§ 3, 37, 54 KWG zu beachten sind. Darin ist das Verbot bestimmter Sonderformen von Bankgeschäften niedergelegt. Diese Einschränkungen erfolgen zum Schutz des Allgemeininteresses. 145 Das EG-Recht läßt das zu. 146 b) Mindesteigenmittel wllhrend der laufenden Geschäftstlltigkeit

Nach Art. 4 Abs. 1 der 2. BRKR benötigen Kreditinstitute für eine Zulassung mindestens 5 Millionen ECU. 147 Gem. Art. 10 Abs. 1 der 2. BRKR dürfen Kreditinstitute diese Eigenmittel während der laufenden Geschäftstätigkeit nicht unterschreiten. Diese Regelung gilt nur für Kreditinstitute, die nach neuem angepaßtem Bankenaufsichtsrecht zugelassen sind. 148 Hinsichtlich der bereits bestehenden Kreditinstitute haben die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ein Wahlrecht: Entweder setzen sie die geforderten Eigenmittel auf das (Anfangs-)Kapital i.H. v. 5 Millionen ECU oder aber sie legen ein Mindestniveau fest. Das orientiert sich an dem jeweiligen Höchstbetrag der Eigenmittel, die ein Kreditinstitut seit Bekanntgabe der 2. BRKR vom 31. Dezember 1989 erreicht hat. 149 Die Ausnahme- und Überleitungsvorschriften sind für die bestehende Bankenstruktur in der EG bedeutsam. Gerade kleine Kreditinstitute haben viel-

145

Vgl. BMF, Diskussionsentwurfzum 4. KWG-ÄndG, S. 29 .

146

s. Begründung zur 2. BRKR, S. 2.

147 S.O.

Kap. E I 3. a, b).

148

Vgl. Art. 10 Abs. I der 2. BRKR.

149

Vgl. Art. 10 Abs. 2 der 2. BRKR als Wahlrecht für die Mitgliedstaaten bei der Umset-

zung.

I. Die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie

81

fach die Grenze von 5 Millionen ECU kritisiert. 150 Dieses Limit schränkt ihren Marktzugang deutlich ein. Des weiteren gibt es viele Kreditinstitute mit regionaler Bedeutung oder spezialisierter Geschäftstätigkeit. Ohne derartige Überleitungs- und Ausnahmevorschriften wäre ein Konzentrationsprozeß unvermeidlich. Insoweit ist es für die Struktur des Bankenmarktes in der EG von besonderer Bedeutung, wie die Mitgliedstaaten die Spielräume nach unten ausnutzen. In der Bundesrepublik Deutschland sehen die §§ 35 Abs. 2 Nr. 3 b, 33 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbsatz des Diskussionsentwurfes zum KWG-ÄndG das nicht zu unterschreitende Mindestkapital von 5 Millionen ECU vor. Erfüllen die Kreditinstitute dieses Limit nicht, so kann das Bundesaufsichtsamt die Erlaubnis wieder aufheben. Aufgrund der EG-Vorgabe reduziert sich dabei der Ermessensspielraum auf Null.

Die in Art. 10 Abs. 2 bis 5 der 2. BRKR niedergelegten Übergangsvorschriften sollen in den neuen § 64 b KWG eingehen. Demnach wären die Erleichterungen für kleine Kreditinstitute soweit möglich übernommen. c) Ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung bei den Kreditinstituten

Nach Art. 13 Abs. 2 der 2. BRKR haben die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Aufsichtsnormen zu verankern, daß jedes Kreditinstitut über eine ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung verfügt. Des weiteren sind angemessene interne Kontrollverfahren zu unterhalten. Diese Forderungen sollen in die §§ 33 Abs. 1 Nr. 5, 35 Abs. 2 Nr. 3 a KWG eingehen. Teilweise sind sie bereits durch § 53 Abs. 1 Nr. 2, 3 KWG und die entsprechenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB berücksichtigt. 6. Sonderregelungen zu den Beteiligungen von Kreditinstituten

Hinsichtlich der Beteiligungen bei Kreditinstituten regelt die 2. BRKR zwei Varianten: die Beteiligung an Kreditinstituten (s. unter a) und die Beteiligung von Kreditinstituten an anderen Unternehmen (s. unter b).

1.50 Vgl. dazu Herrhausen, S. 83, Kopper, S.486; Kuntze, Vortrag S. 62 f.; Horn, ZBB 1989, 107 114. 6 HeIlenthaI

82

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

a) Beteiligungen an Kreditinstituten Zu den Beteiligungen an Kreditinstituten gibt es in Art. 11 der 2. BRKR einige Sondervorschriften. Jede natürliche oder juristische Person, die beabsichtigt, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung l51 zu halten, hat dies den Bankenaufsichtsbehörden mitzuteilen. Gleiches gilt für die Erhöhung (Herabsetzung) von Beteiligungen an Kreditinstituten über 20, 33 oder 50 %.152 Die Durchführung dieser Absichten können die Aufsichtsbehörden nach Art. 11 Abs. 1 der 2. BRKR untersagen, falls sie nicht davon überzeugt sind, daß die potentiellen Anteilseigner "den im Interesse der Gewährleistung einer soliden und umsichtit.en Führung des Kreditinstituts zu stell~.nden Ansprüchen genügen". 153,1 4 Die entsprechende Norm für die Uberwachung der bestehenden Beteiligungsverhältnisse folgt aus Art. 11 Abs. 5 der 2. BRKR. Damit erhalten die Bankenaufsichtsbehörden eine starke Stellung bei der Überwachung der Anteilseigner. Diese Regelung ist jedoch auch sachgerecht. Wenn man an die Geschäftsführer eines Kreditinstituts erhöhte Anforderungen stellt, ISS so sollte das auch für die Gesellschafter gelten, die je nach Gesetz oder Satzung Einfluß auf die Geschäftsführung ausüben zu können. Die Bestimmungen des Art. 11 der 2. BRKR lassen keinen Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaaten. Sie sollen inhaltsgleich in die neuen §§ 2 b Abs. 1 - 4, 24 Abs. 1 Nr. 11, 12 u. § 56 Nr. 4 KWG eingehen. 156 b) Beteiligungen von Kreditinstituten Art. 12 der 2. BRKR regelt um die Aufsicht über die Beteiligungen der Institute. Keine Besonderheiten treten bei den Beteiligungen an Kreditin-

1S1 Zur Definition der qualifIZierten Beteiligungen s. Art. I Nr. 10 der 2. BRKR: das direkte oder indirekte Halten von wenigstens zehn Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte oder die Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung eines Unternehmens, an dem eine Beteiligung gehalten wird. 1S2 VgI. Art. 11 Abs. 3 der 2. BRKR. 1S3 VgI. Art. 11 Abs. I, S. 2 der 2. BRKR.

Gleiches gilt nach Art. S der 2. BRKR bereits bei der Zulassung. Die Aufsichtsbehörden können diese aus denselben Griinden verweigern. 154

1SS s.o. Kap. EI 3. cl. 1.56

VgI. BMF, Diskussionsentwurf4. KWG-ÄndG.

I. Die 2. Bankrcchtskoordinienmgsrichtlinie

83

stituten lS7 auf. Hier gilt weiterhin die "Richtlinie des Rates über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis" .158 Neu sind hingegen die Vorschriften zu den Beteiligungen an Unternehmen, die nicht zum Finanzsektor zählen. Bei solchen Beteiligungen können Interessenskonflikte z.B. bei Kreditentscheidungen auftreten. Ferner führen diese Engagements zu einer starken Kapitalbindung. Wird dabei ein Beteiligungsunternehmen notleidend, so kann es das Kreditinstitut u. U. in die Krise hineinziehen. 159 Wegen dieser Aspekte war ursprünglich im Vorschlag der Kommission zur 2. BRKR160 eine qualifizierte Beteiligung 161 an diesen Unternehmen nicht erlaubt, wenn sie 10 % der Eigenmittel übersteigt. Die Summe der qualifizierten Beteiligungen sollte nicht mehr als 50 % der Eigenmittel ausmachen. In der endgültigen Fassung sind diese Sätze nunmehr auf 15 % und 60 % gesetzt worden, Art. 12 Abs. 1, 2 der 2. BRKR. Im Bankwesen sind in der letzten Zeit verstärkt (wechselseitige) Beteiligungen an Versicherungen entstanden. Dies berücksichtigt Art. 12 Abs. 3, 1. Alt. der 2. BRKR. Der Passus war im Vorschlag der Kommission noch nicht enthalten. Er stellt klar, daß die aufgeführten Beschränkungen nicht für Beteiligungen an Versicherungen gelten. Schließlich kann man die Bestimmungen der 2. BRKR zudem noch unter dem Aspekt des sog. "Depotstimmrechts"162 betrachten. Es geht um diejenigen Stimmrechte, die Kreditinstitute für ihre Kunden ausüben. Fraglich ist dabei, ob sie in die Beteiligungshöchstgrenzen einzubeziehen sind. Art. 12 Abs. 1 der 2. BRKR verwendet den Begriff der qualifizierten Beteiligung, die nach Art. 1 Nr. 10 der 2.BRKR definiert ist als "das direkte oder indirekte Halten von wenigstens zehn Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte oder die Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung eines Unternehmens, an dem eine Beteiligung gehalten wird." Aufgrund der 2. Alternative dieser Definition könnte man

157 Gleiches gilt tur Finanzinstitute und Unternehmen, die in Art. 43 Abs. 2 f der Richtlinie 86/63S/EWG aufgetuhrt sind; zum Begriff der Finanzinstitute s. Art. I Nr. 6 der 2. BRKR u. Art. 1, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 83/3S0/EWG. Die in Art. 43 Abs. 2 f genannten Unternehmen sind solche, deren Tätigkeit in direkter Verlängerung zur Banktätigkeit steht bzw. eine Hilfstätigkeit dazu darstellt.

IS8 Richtlinie 83/3S0/EWG ABI. Nr. L 193 v.18.07.l983, S. 18 ff. IS9 Vgl. Horn ZBB 1989, 107, 113.

160 ABI. Nr. C 84 v. 23.02.1988, S. I, S. 161 s. nachfolgende Definition der "qualifIZierte Beteiligung". 162 Vgl. dazu Henn, S.

261 m.w.N.

84

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

vielleicht faktische Einflußmöglichkeiten in die qualifizierte Beteiligung einbeziehen. Hier greift jedoch Art. 12 Abs. 4, S. 1, 3. Alt der 2. BRKR ein. Danach fallen solche Aktien l63 nicht in die Berechnung der qualifizierten Beteiligung, die sich im eigenen Namen und für fremde Rechnung im Besitz der Kreditinstitute befmden. Dies wären z.B. treuhänderisch gehaltene Anteile. 164 Somit dürften Aktien oder Anteile, die für fremde Rechnung und im fremden Namen gehalten werden,165 erst recht unter diese Ausnahme fallen. Folglich bleiben von den Kreditinstituten gehaltene Wertpapiere ihrer Kunden in Art. 12 Abs. 1, 2 wegen Abs. 4 außer Betracht. Insgesamt sind die Grenzen für die Beteiligungen in vielen Mitgliedstaaten der EG neu. Die Auswirkungen dieser Bestimmungen hängen jedoch davon ab, wie die Mitgliedstaaten die Eigenmittelrichtlinie umsetzen. 166 Je nach Ausnutzung der Wahlrechte ergeben sich für die Kreditinstitute höhere oder niedrigere Eigenmittel. Das hat entsprechende Konsequenzen für die Beteiligungsgrenzen. Sollten die Kreditinstitute danach die Höchstgrenzen bei ihren Beteiligungen überschreiten, so haben sie diese innerhalb von 10 Jahren nach der nationalen Umsetzung der 2. BRKR wieder einzuhalten. 167 Dabei bieten sich zwei Wege an: 1. Der Abbau der Beteiligungen 2. Die Erhöhung der Eigenmittel über Kapitalzuführung oder über die Umschichtung von Bilanzpositionen 168 Auch Art. 12 der 2. BRKR läßt wenig Umsetzungsspielraum. Seine Vorgaben sollen im wesentlichen in den neuen § 12 Abs. 5 KWG einfließen. Darüber hinaus soll Art. 12 Abs. 7 der 2. BRKR in § 64 a KWG eingehen. Danach haben Kreditinstitute zehn Jahre Anpassungsfrist, falls sie die Vorschriften über die Begrenzung der Beteiligungen überschreiten. Insofern könnten in der Bundesrepublik Deutschland die beiden Wahlrechte gem. Art. 12 Abs. 3 und 7 der 2. BRKR gänzlich ausgenutzt werden.

Oder sonstige Anteile. Vgl. Ennan Vor § 164 Rdnr. 5, 15 Cf. 165 Dazu gehören auch die im Namen dessen, den es angeht, verwaltete Anteile; vgl. z.B. 135 Abs. 4, S. 1,2 AktG. 166 s. dazu Kap. E ß. 167 Vgl. Art. 12 Abs. 7 der 2. BRKR.. 168 Tausch von eigenmittelirrelevanten in eigenmittelwirlc:same Positionen. 163 164

§

11. Die Eigerunittelrichtlinie

85

Für die Begrenzungen bei den Beteiligungen sind die Eigenmittel eine wichtige Bezugsgröße. Das nachfolgende Kapitel zeigt, wie sich die Eigenmittel zusammensetzen und errechnen.

n. Die Eigenmittelrichtlinie und ihre Umsetzung in das Kreditwesengesetz Die "Richtlinie des Rates über die Eigenmittel von Kreditinstituten vom

17. April 1989"169 ist mit der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie eng

verbunden. Sie stellt den Ansatz zur Errechnung der Eigenmittel im gesamten EG-Bankenaufsichtsrecht dar. Die Eigenmittel sind in den anderen Richtlinien zur Bankenaufsicht vielfach Richtgröße. 170 Dazu sind aus der 2. BRKR zu nennen: - Die Eigenmittel dürfen nicht das Anfangskapital i.H.v. (meistens) 5 Millionen ECU unterschreiten, Art. 4 u. 10 Abs. 1 der 2. BRKR. - Eine qualifizierte Beteiligung an anderen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors darf 15 % der Eigenmittel eines Kreditinstituts nicht überschreiten, Art. 12 Abs. 1 der 2. BRKR. - Die Summe von qualifizierten Beteiligungen darf 60 % nicht überschreiten, Art. 12 Abs. 2 der 2. BRKR. Daneben bestimmt Art. 10 Abs. 1 der Solvabilitätsrichtlinie, daß Kreditinstitute ihr Geschäftsvolumenl71 ständig mit Eigenmitteln i.H.v. 8 % zu unterlegen haben. Diese Ansatzpunkte spiegeln die zentrale Bedeutung der Eigenmittel für die EG-Bankenaufsicht wieder" 72 Als Ziele der Bankenaufsicht wurden bereits der Sparerschutz und die Funktionsfähigkeit des Bankwesens hervorgehoben" 73 Ausreichende Eigenmittel können das Erreichen dieser Ziele gewährleisten. Sie erhalten im Konkursfall wichtige Garantie- und Haftungsfunktion. 174

169

Richtlinie 89/299/EWG ABI.Nr. L 124 v. 05.05.1989, S. 16 ff.

1'70 Vgl. dazu den Verweis in Art.

linie.

I Nr. 4 der 2. BRKR und Art. 4 der Solvabililätsricht-

171 Das Geschäftsvolumen bildet sich aus risikogewichteten Aktiva und außerbilanziellen Geschäften.

172 Vgl. Follak, S.

3, 7.

173 s.o. Kap. C I. 174

Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, S. 9.

86

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankensufsichtsrechts

Aber auch vor der Insolvenz sollen ausreichende Eigenmittel eintretende Krisensituationen auffangen können. Denkbare Periodenverluste vermindern zunächst die Eigenmittel. Mögliche Situationen der Überschuldung können sich nicht so schnell einstellen. Damit ist gleichzeitig der Funktionenschutz des Bankwesens gewährleistet. 175 Schließlich haben Einlagensicherungssysteme eher Bestand, wenn bei den einzelnen Mitgliedern Risikopuffer bestehen. Diese allgemeinen Gedanken zur Bedeutung von Eigenmitteln l76 greift die Eigenmittelrichtlinie in ihren ErwägungsgrüDden auf: "Gemeinsame Grundregeln für die Eigenmittel der Kreditinstitute sind für die Errichtung des Binnenmarktes im Bankensektor von großer Bedeutung, da die Eigenmittel die Sicherung der kontinuierlichen Tätigkeit der Kreditinstitute und den Sparerschutz ermöglichen. Mit dieser Harmonisierung wird die Bankenaufsicht verstärkt und die derzeitige Koordinierung in anderen Bereichen des Bankensektors, insbesondere hinsichtlich der Kontrolle der Großkredite und des Solvabilitätskoeffizienten, gefördert. Die genannten Regeln müssen für alle in der Gemeinschaft zugelassenen Kreditinstitute gelten. Die Eigenmittel eines Kreditinstituts können dazu dienen, Verluste aufzufangen, die nicht durch ausreichend hohe Gewinne ausgeglichen werden. Sie dienen darüber hinaus den zuständigen Behörden als wichtiger Maßstab, insbesondere für die Beurteilung der Solvabilität eines Kreditinstituts und für andere Aufsichtszwecke. "177 Gleichzeitig findet man hier die Forderung nach einheitlicher Bestimmung der Eigenmittel. Eine solche Harmonisierung ist notwendige Voraussetzung für vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in der EG. Zur Erreichung dieses Ziels sind die Mitgliedstaaten gern. Art. 9 der Eigenmittelrichtlinie l78 gehalten, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis spätestens zum 1. Januar 1993 zu erlassen oder anzupassen. 179 Für die Bundesrepublik Deutschland betrifft die Eigenmittelrichtlinie Vorschriften des KWG, insbesondere die § 10 und § 10 a KWG über die Eigenkapitalausstattung. Dazu liegt ein Diskussionsentwurf des Bundesministers der Finan-

17S

Bieg, aaO.

Vgl. dazu weitergehend Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 15; ders., Auswirkung der Bankrichtlinien, S. 8 ff; Follak, S. 8; Akmann, ZKW 1990, 186; Schneider, Manfred, S. 250; Hölscher, ZKW 1990, S. 173; Krumnow, Die Bank 1989,472. 176

177

s. Eigenmittelrichtlinie, ABI. Nr. L 124 v. 05.05. 1989, S. 16.

Artikel dieses Kapitels (E U.) sind, soweit nicht anders bezeichnet, solche der Eigenmillelrichtlinie. 178

179 Ein früherer Zeitpunkt ergibt sich, falls die Mitgliedstaaten die Maßnshmen zur Durchführung der Solvabililätsrichtlinie eher inkrafttreten lassen, vgl. Art. 9 der EMRL.

11. Die Eigenmittelrichtlinie

87

zen vom Mai 1990 vor. 180 Er ist auf die Umsetzung der Eigenmitteirichtlinie gerichtet. Seine Änderungen sollen in die 4. KWG-Novelle einfließen; diese Neuerungen werden jeweils bei der Darstellung des EG-Ansatzes einbezogen. Für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten ist die besondere Struktur der Eigenmittelrichtlinie bedeutsam. Die Richtlinie definiert keinen einheitlichen Rechtsbegriff der Eigenmittel. 181 ,182 Vielmehr gelangt das Enumerationsprinzip zur Anwendung. Es sind alle berücksichtigungsfähigen Komponenten der Eigenmittel aufgeführt. 183 Zusätzlich finden sich notwendig abzuziehende Bestandteile. 184 Hierbei handelt es sich, wie Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich festlegt, um eine Höchstzahl von Bestandteilen und Beträgen. Insofern läßt die EigenmitteIrichtlinie noch größere Möglichkeiten bei der Anpassung der nationalen Rechtsgrundlagen. Sie läßt offen, ob die nationalen Gesetzgeber alle oder nur einige dieser Bestandteile verwenden und als Eigenmittel anerkennen wollen. Daneben können die Mitgliedstaaten niedrigere Obergrenzen für die als zulässig angesehenen Beträge festlegen. 185 Es zeigt sich, daß hier noch erhebliche Unterschiede innerhalb der EG entstehen können. Es sind starke oder schwache Eigenmittelanforderungen möglich; damit sind auch Wettbewerbsverzerrungen denkbar. Diese zeigen sich u.a. besonders deutlich bei dem Multiplikatoreffekt in der Solvabilitätsrichtlinie, wonach die Eigenmittel ein 12,Sfaches Geschäftsvolumen ermöglichen. 186 Das kann dazu führen, daß zwei gleich strukturierte Kreditinstitute aus verschiedenen Mitgliedstaaten stark voneinander abweichende Geschäftsvolumina haben dürfen. Ein zweiter Aspekt, der den Wettbewerb bei den Finanzdienstleistungen beeinflussen könnte, ist der Anwendungsbereich der Eigenmittelrichtlinie.

180

BMF, Diskussionsentwurfzur Umsetzung der Eigenmittelrichtlinie.

181

Ähnlich ist die Konzeption in § 10 KWG.

182

Vgl. Follak, S. 9.

183 Einzige Ausnahme sind die "sonstigen Bestandteile" nach Art. 2 Abs. I, ZitT. 6. Diese sind jedoch in Art. 3 eng definiert.

184 Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, S. 13. 185

Vgl. Art. 2 Abs. 2 .

Art. 10 Abs. I der Solvabilitätsrichtlinie legt dieses Verhältnis auf 8 % fest (= 12,5fach); s.u. Kap. E III I. 186

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

88

Dieser ist, wie schon die 2. BRKR auf Kreditinstitute beschränkt. I87 Somit stellt sich auch hier wieder die dort ausgeführte Problematik. 188 1. Das System zur Errechnung der Eigenmittel

Die Eigenmittelrichlinie verwendet keinen einheitlichen Eigenmittelbegriff. Sie zählt verschiedene Bestandteile enumerativ auf, die in ihrer Gesamtheit die Eigenmittel eines Kreditinstituts ergeben. Die einzelnen Positionen stehen dabei jedoch nicht gleichwertig nebeneinander. Es gibt voneinander abweichende Kategorien von Eigenmittelbestandteilen. Die so gewählte Systematik weist den einzelnen Eigenmittelkomponenten unterschiedliche Qualität zu. I89 Es gibt sogenannte "Basiseigenmittel" und "ergänzende Eigenmittel". Eine Sonderstellung nimmt daneben der "Fonds für allgemeine Bankrisiken" ein. Schließlich sind noch einige Abzugsposten speziellerI90 und aligemeiner I9I Art zu berücksichtigen. Die folgende Darstellung erläutert die Konzeption zur Berechnung der Eigenmittel.192 Sie stellt neben den Artikeln der Eigenmittelrichtlinie die Paragraphen aus dem KWG dar. Grundlage ist dabei der Diskussionsentwurf des Bundesministers der Finanzen.

181 s. Art. 1 der Eigenmittelrichtlinie. 188 s.O. Kap. EIl.; gerade im Hinblick auf die Regelungslücke bei den Wertpapiemäusem sei auf den Vorschlag der Kommission verwiesen: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, KOM(90) 141 endg. - SYN 257, Brossel, den 23. Mai 1990. 189

Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, S. 13.

190

Diese Abzugsposten kommen nur im Rahmen der Basiseigenmittel zum Ansatz.

191

Di~se Abzugsposten kommen bei der Summe der Eigenmittel zum Anaatz.

192

In Anlehnung an Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, Anlage 1.

Art. 2 AbI. 1 Nr. 1

Art. 2 Abs. 1 Nr.2

Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, S. 1,2. All.

Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, S. 2

Gewinnriicklagen

Gewinnvortrag

Zwischengewinne

Art. 2 Abs. 2 Nr. 10

Art. 2 Abs. 1 Nr. 11

immaterielle Anlagewerte

negative Ergebnisse im laufenden Geschäftsjahr

• Die mit· gekennzeichneten Normen sind im KWG neu geplant.

Ieweils ohne kumulative Vorzugsaktien.

Summe der Basiseigenmittel

Art. 2 AbI. 1 Nr. 9

Betrag der eigenen Aktien

Abzugsposten:

Art. 2 Abs. 1 Nr. 1

eingezahltes Kapitall

EG-Recht: EigenmiUelrichtlinie

Kapitalriicklage 1 (Emmissionsagio) LS.v. § 272 Abs. 2 HGB

1. Basiseigenminel

Position der EigenmiUel

+ ....... . + ....... . + ....... .

§ 10 AbI. 2 § 10 Abs. 3, S. 1, 1. Halbs.· § 10 Abs. 7, S. 3-S·

s. 1, Nr. 2·

§ 10 Abs. 6, S. 1, Nr. 1·

§ 10 AbI. 6,

§ 10 AbI. 2, S. 1, Nr. 2

+ ....... .

§ 10 AbI. 2

§ 10 Abs. 2 u. 3

Nationales Recht: KWG-Diskussionsentwurf

Berechnung der Eigenmittel eines Kreditinstituts Darstellung nach der Eigenmittelrichtlinie und dem Diskussionsentwurf zum KWG

00 '0

.

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I

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!= o n·

2 Aba. 1 Nr. 2 Aba. 1 Nr. 2 Aba. 1 Nr. 2 Aba. 1 Nr.

Nationales Recht:

§ 10 Aba. 4 a, Nr. 2*

Art. 2 Abs. 1 Nr. 4

III. FondsjUr allgemeine Bankrisiken i.S. v. § 340HGB

* Die mit • gekennzeichneten Normen sind im KWO neu geplant.

Summe nach m.

§ 10 Aba. 6 a, S. 1*

§ 10 Abi. 6 a, S. 2*

nicht umgesetzt § 10 Aba. 4 ., Nr. 1* § 10 Aba. 4 ., 5* § 10 Abs. 2, S. 1, Nr. 3* unter sonst. Bestandteile § 10 Abi. 5 a*

KWG-Diskussioosentwurf

Art. 6 Abs. 1 •

7 8 8

6

2 Abs. 1 Nr. 3

2 Abs. 1 Nr. 5

Art. 6 Abs. 1 b

Art. Art. Art. Art. Art. Art.

EG-Recht: Eigerunittelrichtlinie

Obergrenze rur ergänzende Eigenmittel: 100 % der Summe der Basiseigenmittel

Summe der ergänzenden Eigenmittel

Obergrenze rur Zwischensumme aus Haftsumme, kum. VOlZUgsaktien u. nachrangige Darlehen: SO % der Basiseigenmittel

Neubewertungsriicklagen Wertberichtigungen (§ 340 f HOB) sonstige Bestandteile i.S. v. Art. 3 Haftsummenzuschlag (§ 105 OenO) kumulative VOlZUgsaktien nachrangige Darlehen Zwischensumme

11. E;rgilnzende Eigenminei

Position der Eigeomittel

+ ....... . + ....... .

+ ....... .

+ ....... . + ....... .

+ ....... . ---

+ ....... .

I

;p

I

i ~

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..~

~ o'S

~

!II

~

§ 10 Aba. 6, S. I, Nr. 3 b-d·

Art. 2 Abs. 1 Nr. 12

nachrangige Darlehen und Kapitalbestandteile i.S.v. Art. 3 an diesen Instituten

§ 10 Aba. 6, S. I, Nr. 4 a.E." § 10 Aba. 6, S. I, Nr. 4 a.E.·

Art. 2 Aba. 1 Nr. 13 Art. 2 Aba. 1 Nr. 13

10 % der Summe nach m.

Abzugsbelrag, soweit die Abzugsposten 10 % der Summe nach m. übersteigen

Summe der Eigenminel

§ 10 Abi. 6, S. I, Nr. 4 b-d"

Art. 2 Aba. 1 Nr. 13

nachrangige Darlehen und Kapitalbestandteile i.S.v. Art. 3 an diesen Instituten

" Die mit " gekennzeichneten Normen sind im KWG neu geplant.

1 Diese Abzugsposten kommen nur zum Ansatz, soweit die Beteiligungen nicht unter die konsolidierte Aufsicht faUen, Art. 2 Abs. 1 a.E., § 10 Abs. 6, S. 2"·

v.

§ 10 Abs. 6, S. I, Nr. 4 a·

Art. 2 Abs. 1 Nr. 13

Beteiligungen an Kreditinstituten bis zur Höhe von 10 % des Kapitals dieser Institute

2. Groppe

§ 10 Aba. 6, S. I, Nr. 3 a"

Nationales Recht:

KWG-Diskussioosentwurf

Art. 2 Aba. 1 Nr. 12

EG-Recbt: EigeomiUelricbtlinie

Beteiligungen an Kreditinstituten in Höhe von mehr als 10 % des Kapitals dieser Institute

1. Groppe

IV. AUgemeine AbZllg.spo.sten1

Position der EigemniUel

+ ....... .

+ ....... .

~

~:

~

I

f

~

!=

92

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Aus dieser Übersicht kann man auch die wichtige Relation von Basiseigenmitteln und ergänzenden Eigenmitteln entnehmen. Letztere dürfen höchstens 100 % der Basiseigenmittel betragen. Daneben gibt es noch einzelne Restriktionen innerhalb der Additionen unter 11. und IV. Auf sie wird nachfolgend bei der Erläuterung der einzelnen Posten jeweils eingegangen. 2. Die Basiseigenmittel

Die Basiseigenmittel gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9, 10 und 11 bilden den Ausgangspunkt zur Eigenmittelberechnung. Sie werden vielfach auch als Kernkapital bezeichnet. 193 Ihre Einbeziehung ist bankaufsichtsrechtlich allgemein anerkannt. Zu den Basiseigenmitteln gehören zunächst das eingezahlte Kapital zuzüglich des Emissionsagiokontos sowie sämtliche Gewinnrücklagen und der Gewinnvortrag. Diese Bestandteile stehen dauerhaft zur Verfügung; ferner sind sie frei von Risiken und nehmen in vollem Umfang an Verlusten aus der laufenden Geschäftstätigkeit teiI. 194 Insofern zählt hierzu nicht dasjenige Kapital, das noch nicht voll eingezahlt ist. Es korrespondiert zwar mit einer entsprechenden Forderung gegen Gesellschafter; solange sie noch nicht durchgesetzt ist, bleibt dieser Posten hinsichtlich seiner Verfügbarkeit mit einem zu hohen Unsicherheitsmoment belastet. 195 Ähnlich verhält es sich mit dem Betrag für eigene Aktien eines Kreditinstituts zum Buchwert. Über den Erwerb solcher Anteile kommt es letztlich zu einer Kapitalrückzahlung an den veräussernden Aktionär. 196 Das eingezahlte Kapital verringert sich entsprechend. Folglich sieht Art. 2 Abs. 2 Nr. 9 den Abzug dieses Betrages vor. Die vorhergehend aufgeführten Positionen sind in der geltenden Konzeption des KWG bereits enthalten.l 97 Neu ist hingegen in § 10 Abs. 6 S. 1, Nr. 2 KWG I98 der Abzug von immateriellen Anlagewerten i.S.v. Art. 2

193

1019.

Vgl. Hölscher, ZKW 1990, 173; Horn, ZBB 1989, 107, 115; Berger, BB 1989, 1917,

194

Vgl. Schneider, M., S. 250.

195

Hölscher, ZKW 1990, 173.

196

Würdinger, S. 60.

197 s.~. Übersicht auf S. 89 ff. 198

BMF, Diskussionsentwurfzur Umsetzung der Eigenmittelrichtlinie, S. 4.

n. Die Eigenmittelrichtlinie

93

Abs. 2 Nr. 10 der Eigenmittelrichtiinie.199 Sofern diese Werte überhaupt nach den nationalen Bilanzierungsvorschriften aktivierungsfähig sind, handelt es sich dabei z.B. um Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung eines Kreditinstituts. Hinzu treten entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwerte. 2OO Hierbei handelt es sich um Vermögensgegenstände, die nur schwer wieder veräußerbar sind; im Konkursfall sind sie oft wertlos. Folglich sind sie nicht geeignet, am laufenden Verlust teilzunehmen oder im Konkurs als haftende Masse zur Verfügung zu stehen; sie sind bei der Berechnung der Basiseigenmittel in Abzug zu bringen. Hierauf verwandte Mittel können bankenaufsichtsrechtlich als Eigenmittel nicht anerkannt werden. Ebenfalls neu für das KWG ist die Berücksichtigung von Zwischengewinnen oder -verlusten eines laufenden Geschäftsjahres gem. Art. 2 Abs. 1, Nr. 2, S. 2 und Nr. 11. Über den Solvabilitätskoeffizienten bestimmen die Eigenmittel eines Kreditinstituts nachhaltig die Grenze seines Geschäftsvolumens. Insoweit führen die laufenden Gewinne und Verluste in der Eigenmittelberechnung zu einer automatischen Anpassung; die zulässige Geschäftstätigkeit orientiert sich prozyklisch am Erfolg eines Kreditinstituts. Aus dem Aspekt des Anlegerschutzes ist diese "Dynamisierung" gerechtfertigt. Zu beachten ist dabei, daß nach Art. 2 Abs. 1, Nr. 2, S. 2 laufende Gewinne nur dann die Eigenmittel erhöhen können, wenn gewisse formelle Kriterien erfüllt sind. Das erfordert die Prüfung des Zwischengewinns und den Nachweis gegenüber den Aufsichtsbehörden. Für die Bundesrepublik Deutschland beinhalten diese formellen Kriterien den Gewinnausweis in einem geprüften Zwischenabschluß, der beim Bundesaufsichtsamt und der deutschen Bundesbank einzureichen ist. 201 Bei Verlusten hingegen reicht der materielle Tatbestand aus. Treten solche auf, so sind die Eigenmittel entsprechend zu vermindern, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 11. 202 Weitere formelle Kriterien sind nicht erforderlich. Diese unterschiedliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten ist bankenaufsichts-

199 Dabei verweist Art. 2 Abs. I, Nr. \0 auf die immateriellen Anlagewerte LS.v. Art. 4 (Aktiva) Ziff. 9 der Richtlinie 86/635/EWG AB\. Nr.372 v. 3\.12.1986, S. 4 (Bankbilanzrichtlinie), die wiederum auf Art. 9 der Richtlinie 78/660/EWG AB\. Nr. L 222 v. 14.08.1978, S. 14 Bezug nimmt (vierte Richtlinie des Rates über den lahrcsabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen); vg\. dazu Großfeld, Bilanzrccht, Rdnr. 123,240 ff. 200

Vgl. Großfeld, Bilanzrccht, S. 123,240 ff.

201

Vg\. BMF, Dislrussionscntwurf zur Umsetzung der Eigenmillelrichtlinie, § 10 Abs. 7,

S.6.

202 s. dazu § \0 Abs. 6, Ziff. I bei BMF, Dislrussionsentwurfzur Umsetzung der Eigenmitteirichtlinie .

94

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtarechts

rechtlich verständlich. Laufende Verluste müssen wegen des Gläubigerschutzes sofort in die Eigenmittelberechnung einbezogen werden. Zusätzliche formelle Kriterien würden die Sicherungsfunktion ihres Abzugs bei der Eigenmittelberechnung unnötig verzögern. Nach Verrechnung der laufenden Gewinne und Verluste erhält man die sogenannten Basiseigenmittel eines Kreditinstituts. Im Vorfeld der Beratungen zur Eigenmittelrichtlinie bestand über diese Konzeption Einigkeit.203 Anders sah es hingegen bei den ergänzenden Kapitalbestandteilen aus:

3. Die erglinzenden Eigenmittel In die Eigenmittelberechnung fließen zusätzlich die ergänzenden Eigenmittel ein. 204 Sie sind im Gegensatz zu den Basiseigenmitteln bislang in den Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Umfang zulässig. 20S Insoweit dürfte auf die Mitgliedstaaten von der Eigenmittelrichtlinie ein gewisser Deregulierungsdruck ausgehen, diese Bestandteile weitgehend zuzulassen. Andernfalls könnten sich zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten starke Wettbewerbsverzerrungen ergeben.

Grundsätzlich findet auch bei den ergänzenden Eigenmitteln das Enumerationsprinzip Anwendung. So sind explizit Neubewertungsrücklagen, Wertberichtigungen, der Haftsummenzuschlag, kumulative Vorzugsaktien und nachrangige Darlehen aufgeführt, Art. 2 Abs. 1, Nr. 3, 5, 7 und 8. Hinzu tritt der dem Enumerationsprinzip fremde Tatbestand der "sonstigen Bestandteile" gem. Art. 2 Abs. 1, Nr. 6 i.V.m. Art. 3. Diese Generalklausel ist jedoch in Art. 3 sehr eingegrenzt definiert. Die unterschiedliche Qualität dieser ergänzenden Eigenmittel gegenüber den Basiseigenmitteln berücksichtigt Art. 6 Abs. 1 a und b. Zunächst bestimmt Art. 6 Abs. 1 b, daß die Obergrenze für die Haftsumme, kumulative Vorzugsaktien und nachrangige Darlehen nur 50 % der Basiseigenmittel betragen darf; diese Vorschrift findet sich in § 10 Abs. 6 a, S. 2 des Diskussionsentwurfes wieder. Darüber hinaus ist in Art. 6 Abs. 1 a festgelegt, daß die Summe der ergänzenden Eigenmittel nicht die Summe der Basiseigenmittel überschreiten darf; diese Beschränkung ist im Diskussionsentwurf in § 10 Abs. 6 a, S. 1 umgesetzt.

203 Beteiligt waren daran u.a. die nationalen Spitzcnverbände des Kreditgewerbes und der beratende Bankausschuß bei der EG. 204

s.~. Übersicht zum Aufbau der Eigerunittelrichtlinie in Kap. Eilt.

20S Vgl. Berger, BB 1989, 1017, 1019.

n. Die Eigenmittelrichtlinie

95

Über diese beiden Restriktionen ist die relativ 17 Berger, BB 1989, 1017, 1020; Horn, ZBB 1989, 107, 115; s. auch Hölscher, ZKW 1990, 173, 174. 268 Vgl. dazu Voss, EG-Eigenmittelrichtlinie für deutsche Banken, S. 103; Braunberger, FAZ v. 10.04.1991.

m. Die Solvabilititsrichtlinie

107

die deutschen Kreditinstitute269 eine Eigenmittelquote von 8 %. Ohne Neubewertungsrücklagen verbleibt eine Quote von nur 6,6 %. Falls diese Rücklagen bei der Eigenmittelberechnung nicht anerkannt werden, soll sich ein zusätzlicher Eigenmittelbedarf i.H.v. 2S bis 60 Milliarden DM ergeben. 270 Ein Ziel der EG-Bankrechtsharmonisierung sind ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen. Um die Kosten der Eigenmittelbeschaffung gegenüber anderen Mitgliedstaaten vergleichbar zu halten, sollte man trotz der aufsichtsrechtlichen Bedenken271 die Neubertungsrücklagen zumindest teilweise anerkennen. Es bietet sich eine Begrenzung auf über das Sachanlagevermögen gebildete Rücklagen an. 272

ID. Die Solvabilitätsrichtlinie und ihre Umsetzung in die "Grundsätze" gern. § 10 KWG In engem Zusammenhang mit der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie und der Eigenmittelrichtlinie steht die "Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute " .273 Sie stellt die dritte wesentliche Rechtsgrundlage für das EG-Bankenaufsichtsrecht dar.

Danach haben die Kreditinstitute eine relative Größe aus dem Verhältnis der Eigenmittel zum Geschäftsvolumen zu errechnen; man erhält daraus den Solvabilitätskoeffizienten. 274 Dieser Faktor liefert den Aufsichtsbehörden einen Maßstab, ob und inwieweit die Eigenmittel im Verhältnis zur Geschäftstätigkeit als ausreichend anzusehen sind. 275 Das erfolgt anband einer Gegenüberstellung der Verlustmöglichkeiten bei den Vermögenspositionen gegen das als Risikodeckungssumme vorhandene Haftkapital. 276 Das aufsichtsrechtliche Interesse besteht hierbei darin, die

269 Probercchnung anhand von 144 (1988) und 145 (1989) Instiuten. 270

Vgl. V088, aaO.

271 S.o. Kap. E n 3. a). 272

Vgl. Braunberger, aaO.

273

Richtlinie 89/647/EWG ABI.Nr. L 386 v. 30.12.1989, S. 14 ff.

274 s. Begründung zur Solvabilititsrichtlinie, aaO., S. 14. 275 Vgl. Claroni, Lc Droit des AtTaircs, Nr.5/1988, 7; Duplat, Revue de la Banque, Nr. 111990,9. 276 Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, S. 14.

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

108

Risikolage eines Kreditinstituts abzubilden und über die Festlegung von Standards zu begrenzen. Die Bankenaufsicht hat hierzu vielfältige Risikoarten zu beachten. Die wichtigsten sind das Adressenausfall-, das Zins- und das Währungsrisiko. 277 Das Adressenausfallrisiko zielt dabei auf die Nichterfüllung der Vertragspflichten eines Schuldners; dafür können u.a. das Unvermögen des Schuldners oder eingeschränkte Übertragungsmöglichkeiten278 ursächlich sein. Das Zinsänderungs- und das Währungsrisiko beziehen sich auf entsprechende Änderungen im" Zins- und Währungsbereich bestehender Verträge. Oft treten diese drei Hauptrisikoarten kumuliert auf. Die Feststellung der Solvabilität ist besonders wichtig für die Bankenaufsicht. Sie kann darüber eine ihrer Hauptaufgaben erfüllen: die Sicherung des Banksystems zum Schutz der Anleger und sonstigen Gläubiger vor einer nicht ausreichend abgesicherten Geschäftstätigkeit.279 Allgemein bestehen zwei Methoden, die angemessene Versorgung eines Kreditinstituts mit Eigenmitteln festzustellen. 280 Bei der sogenannten "gearing ratio" wird ein Beobachtungskoeffizient gebildet. Er bezieht sich auf die Relation von Eigenmitteln und Bilanzsumme. Unberücksichtigt bleiben alle Geschäfte, die keinen Niederschlag in der Bilanz finden, und zwar auch dann, wenn aus ihnen erhebliche Risiken erwachsen können. 281 Ferner wird dem unterschiedlichen Risikogehalt der Aktiva nicht genügend Rechnung getragen. Daher setzt sich zur Bemessung der Eigenmittel immer mehr eine Methode durch, die von einer Gewichtung der Aktiva nach ihrem Risikogehalt ausgeht. Ähnlich verfährt man dabei gleichzeitig mit den ausserbilanziellen Geschäften. Anschließend sind dann die so gewichteten Positionen gegen die Risikodeckungssumme ins Verhältnis zu setzen. 282

2n Vgl. Basler Ausschuß, Internationale Konvergenz, Kap. 11., Ziff. 31; ders., Die Behandlung nicht bilanzwirksamer Risiken, Kap. 11. Ziff. 8 ff.; BAKred, Grundsätze I und I a, Erläuterungen, S. 3. 278

Das Transferrisiko als Unterfall des Adressenausfallrisikos.

279

s.o. Kap. C I.

280 Vgl. M. Schneider, S. 252. 281 Sog. außerbilanzielle oder bilanzunwirksame Geschäfte, so z.B. bei Zins- und Währungssowie Termingeschäften oder Bürgschaften, vgl. Solvabilitätsrichtlinie, Anhang 111, S. 22 sowie die Erwägungsgründe, S. 14; Krumnow, WM 1990, 1615; zur Frage der Bilanzierung dieser Geschäftsarten s. Windmöller, Zinstermingeschäfte der Kreditinstitute, S. 217.

m

Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, S. 14.

III. Die Solvabilitätsrichtlinie

109

Auf diesem Prinzip beruhen z.B. der Grundsatz I im deutschen Recht und die Em~fehlungen des Basler Ausschusses zur Eigenkapitalausstattung. 283 , 84 Diese beiden Grundlagen bestimmten auch den Erlaß der Solvabilitätsrichtlinie. Sie legen das zweite Verfahren bei der Bestimmung des Solvabilitätskoeffizienten zugrunde. Nach dem Erlaß der Solvabilitätsrichtlinie hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Grundsätze I und I a durch die Bekanntmachung vom 15. Mai 1990 geändert. 285 Dabei sind im Vorgriff auf die endgültige Umsetzung der Richtlinie bereits einige Aspekte der EG-Norm eingegangen. 286 Die endgültige Orientierung an den EG-Vorgaben dürfte nach der Neufassung des KWG erfolgen. Dann ist dort der Ansatz der Eigenmittelberechnung festgelegt. Je nachdem, ob sich dabei eher eine harte oder weiche Eigenmitteldefinition durchsetzt,287 ist es dem Bundesaufsichtsamt möglich, das bei der Neufassung entsprechend zu berücksichtigen. Insoweit bestehen auch bei der Solvabilitätsrichtlinie Umsetzungsspielräume. In dieser Vorgabe sind jeweils Grenzen festgelegt, die die Behörden enger ziehen können. 288

1. Oberblick zum Aufbau der Solvabilitätsrichtlinie Die Solvabilitätsrichtlinie enthält folgende Regelungsbereiche: Art. 1, 2 Art. 3 Art. 4 Art. 5 Art. 6-8

Anwendungsbereich und Definitionen allgemeine Grundsätze zur Bildung des Koeffizienten und zu den Fragen der Konsolidierung die Eigenmittel als Zähler des Solvabilitätskoeffizienten risikogewichtete Aktiva und außerbilanzielle Geschäfte als Nenner des Solvabilitätskoeffizienten Risikogewichte

283 Vgl. Duplat, Revue de la Banque, Nr. 111990,9, 10 f.; M. Schneider, aaO.; Berger, BB 1989, 1017, 1019; Gaddum; Aufsichtsrechtliehe Rahmenbedingungen, S. 61; zum Vergleich des EG-Ansatzes, der Basler Empfehlungen und dem deutschen Grundsatz I vgl. die synoptische Übersicht bei Traber, Sparkasse 1988, 352, 358 f .. 284

Vgl. Basler Ausschuß, Internationale Konvergenz, Anlagen 1 ff..

285 Bundesanzeiger Nr. 92 v. 17. Mai 1990, S. 2598; abgedruckt bei Deutsche Bundesbank, Sonderdruck 2a v. Juni 1990. 286 Vgl. Begleitschreiben des BAKred zur Neufassung der Grundsätze, I 3 - 4216 - 4/86 v. 15. Mai 1990, S. 1 f. 287

Man denke z.B. nur an die Neubewertungsrucklagen; s.o. Kap. EIl 3. a).

288

Vgl. u.a. Art. 6 Abs. 1; 7; 10 der Solvabilitätsrichtlinie.

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsicbtsrecbts

110

Art. 9 Verfahren zur technischen Anpassung der Richtlinie Art. 10 Untergrenze des Koeffizienten Art. 11, 12 Übergangs- und Schlußbestimmungen Die Solvabilitätsrichtlinie betrifft die wKreditinstitute die auch schon in den Normbereich der 2. BRKR und der Eigenmittelrichtlinie fallen,289 vgl. Art. 1.290 Es sind hier sämtliche Bestimmungen niedergelegt, anband derer der Solvabilitätskoeffizient zu errechnen ist,291 der Zähler gem. Art. 4 und der Nenner gem. Art. 5 ff. Nach Art. 10 soll dieser Koeffizient mindestens 8 % betragen, d:h. die Summe der Eigenmittel ein 12,Sfaches risikogewichtetes Geschäftsvolumen ermöglichen. W

,

2. Der Zähler des Solvabilitätskoeffiz;enten Der Zähler des Solvabilitätskoeffizienten folgt aus der Summe der Eigenmittel, wie sie nach der Eigenmittelrichtlinie zu errechnen sind. 292 Insoweit gehen hier ein die Basiseigenmittel, ergänzende Eigenmittel und der Fonds für allgemeine Bankrisiken unter Abzug der Werte aus den Beteiligungen. Diese Verbindung zeigt die Bedeutung der Eigenmitteldefmition und berechnung durch die Kreditinstitute. Nutzen sie dort die Bewerlungsspielräume vor allem hinsichtlich der Wertberichtigungen und des Fonds für allgemeine Bankrisiken voll aus, so können sie hier entsprechend ihren Zähler erhöhen. Anband dieser Positionen ist dann wiederum ein 12,5faches, mit Risiken behaftetes Geschäftsvolumen möglich. Risiko wird mit Risiko unterlegt. Dieser Weg unterstreicht noch einmal die Kritik an der Einbeziehung dieser Risikowerte in die Eigenmittelberechnung.293 Notwendige Sperrfunktion übt hier nur die aufgeführte Begrenzung der ergänzenden Eigenmittel aus. 294 Danach sollen die Basiseigenmittel mindestens 50 % der gesamten Eigenmittel eines Kreditinstituts ausmachen. 295

289

s.o. Kap. E I I.

Artikel dieses Abscbnitts E 111. sind, soweit nicbt anders bestimmt, solcbe der Solvabilitätsricbtlinie. 290

291

m m

Vgl. Art. 3 Abs. I;

10.

s.o. Kap. E 11 1. s.o. Kap. E 11 I.

294

s.o. Kap. E 11 3.



295

Vgl. Art. 6 Abs. I der Eigenmittelricbtlinie.

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

III

Über diese Verbindung gelangen die Basiseigenmittel mit mindestens 50 % in den Zähler des Solvabilitätskoeffizienten. Somit haben sie bei der Solvabilitätsberechnung einen Anteil von mindestens 4 %.296 Demnach ist umgekehrt ein risikogewichtetes Geschäftsvolumen vom höchstens 25fachen der Basiseigenmittel möglich.297 Das relativiert gleichzeitig die Bedenken an der Einbeziehung von risikobehafteten Eigenmitteln in den Zähler des Solvabilitätskoeffizienten. 3. Der Nenner des SolvabilitatskoejJizienten Der Nenner des Solvabilitätskoeffizienten soll gern. Art. 5 das Geschäftsvolumen der Kreditinstitute erfassen. Dabei unterscheidet die Richtlinie nach Art. 5 Abs. 4 drei Arten von Positionen: Zunächst sind dies gern. Art. 5 Abs. 1 Aktivposten aus der Bilanz der Kreditinstitute. Darüber hinaus zählen dazu die außerbilanziellen Geschäfte. Diese unterfallen nach Art. 5 Abs. 2 u. 3 in zwei Gruppen. Dort unterliegen sie jeweils einem anderen Anrechnungsverfahren. Anhang III enthält dazu diejenigen außerbilanziellen Geschäfte, die im Zusammenhang mit Zins- und Wechselkursrisiken stehen. 298 In Anhang I ein breiter Katalog der übrigen außerbilanziellen Geschäfte niedergelegt. 299 a) Risikogewichtete Aktiva Für die Erfassung des Anteils der Aktiva am Nenner des Solvabilitätskoeffizienten gelangt das Verfahren gern. Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 6, 7, 8 u. 11 zur Anwendung. Hierbei gibt es Risikoklassen von 0, 10, 20, 50 und 100 %, in die die Aktiva einzustufen und dann mit den Prozentzahlen zu gewichten sind. 3oo Die Einordnung der Positionen in diese Klassen erfolgt nach mehreren Kriterien: Das betrifft zunächst die Art der Aktiva. Es kommt auf ihre bankenaufsichtsrechtliche Qualität an, z.B. Kassenbestände, Forderungen, Rechnungs296 Zu beachten ist, daß der Fonds für allgemeine Bankrisiken noch nicht den ergänzenden bzw. Basiseigenmitteln zugeordnet ist. Er stellt bislang einen eigenständigen Faktor in der Eigenmittelberechnung dar. Folglich könnte sich hierüber die Untergrenze von 4 % der Basiseigenmittel noch leicht vermindern .. 'NT

Vgl. Horn ZBB 1989, 107, ll8.

298 s. dazu Art. 5 Abs. 3. 299 s. dazu Art. 5 Abs. 2. 300 Vgl. Bieg, Auswirkungen der Bankrichtlinien, Anlage m.

112

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankensufsichtsrechts

abgrenzungsposten, Sachanlagen und sonstige Aktiva, soweit sie nicht bei der Eigenmittelberechnung in Abzug zu bringen sind. Hinzu tritt die Art der Absicherung der Aktiva, z.B. über Garantien oder Hypotheken. Des weiteren ist für die Einstufung der Aktiva die Qualität und Herkunft der Vertragspartner oder Sicherungsgeber von Belang, soweit es sich weder um Sachanlagen noch um nicht zurechenbare Rechnungsabgrenzungsposten handelt. Mögliche Klassen von Vertragspartnern sind Zentralregierungen und Zentralbanken, Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften, die Europäische Gemeinschaft, .die Europäische Investitionsbank (EIB) und multilaterale Entwicklungsbanken, 301 Kreditinstitute und alle übrigen Vertragspartner, insbesondere der Nichtbankensektor. Neben dieser Klassifizierung ist die gebietsmäßige Zuordnung der Vertragspartner zu beachten. Soweit es sich nicht um internationale Institutionen handelt, müssen die Kreditinstitute ihre Vertragspartner in Länder aus der Zone "A" oder "B" einstufen. Hierbei sollen die differenzierte Bonität und das Transferrisiko der Ländergruppen einfliessen. Aufgrund der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 bezeichnet die Zone "A" alle Mitgliedstaaten und alle anderen Vollmitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie die Länder, die mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) besondere Kreditabkommen im Zusammenhan~ mit dessen Allgemeinen Kreditvereinbarungen (AKV) getroffen haben. 3 Soweit hier zunächst die Mitgliedstaaten der EG und die Vollmitgliedstaaten der OECD genannt sind, ist dieser Ansatz teilweise redundant. Alle Mitgliedstaaten der EG gehören auch zur OECD. 303 Neben insgesamt 25 Staaten304 ist die Frage der Mitgliedschaft verschiedener Kleinstaaten und Gebiete mit besonderem Status jedoch selbst innerhalb der OECD noch nicht vollständig geklärt. 30S Diese Frage hat aber aus bankenaufsichtsrechtlicher Sicht durchaus Bedeutung. Einige Kreditinsti-

301 Zur Definition der "multilaterslen Entwicklungsbanken" s. Art. 2 Abs. I, 7. Spiegelstrich sowie die "Richtlinie der Kommission vom 19. Dezember 1990 zur technischen Anpassung der Definition der 'multilaterslen Entwicklungsbanken' in der Richtlinie des Rates über einen Solval?i1itätskoefflZienten für Kreditinstitute" , RL 911311EWG, ABI. Nr. L 17 v. 23.01.1991, S. 20 ff.

302 s. Art. 2 Abs. I. 303 Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 26 f. 304 Vollmitglieder der OECD sind neben der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit folgende Staaten: Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Japan, Kansda, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei und USA. 305

Vgl. Bundesaufsichtsamt, aaO., S. 26.

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

113

tute mit beachtlichen Geschäftsvolumina haben in den fraglichen Staaten ihren Sitz. 306 Die Klärung dieser Einordnung fällt bei der Solvabilitätsrichtlinie unter das Kapitel "technische Anpassungen". 307 Danach obliegt es dem beratenden Bankausschuß auf Vorschlag und in Übereinstimmung mit der Kommission,308 die Definiton "Zone A" näher zu klären und neu festzulegen. Die zweite Gruppe von Ländern der Zone "A" sind diejenigen, die aufgrund von § 23 der allgemeinen Kreditvereinbarungen des IWF ein Kreditabkommen vereinbart haben. Einziges Land mit einer solchen Kreditvereinbarung ist bisher Saudi-Arabien. 309 Die zur Zone "B" gehörenden Länder sind negativ definiert, d.h. hierunter fallen alle diejenigen Länder, die nicht der Zone "A" zuzuordnen sind. Als letztes Kriterium der Einstufung von Aktiva in die Risikoklassen gibt es schließlich noch Besonderheiten bei den Forderungen. Ihre Einstufung kann von der Laufzeit abhängen; nach Art. 6 Abs. 1, b, Nr. 8 u. 10, d, Nr. 3 bekommt die Laufzeit von über oder unter einem Jahr Relevanz. Fraglich ist dabei, welche Laufzeit gemeint ist, die ursprünglich vereinbarte oder die Restlaufzeit. Sinn und Zweck der abgestuften Risikoklassen ist eine angemessene Berücksichtigung möglicher Verluste. Insoweit dürfte hier nicht die ursprüngliche, sondern die Restlaufzeit der Forderungen gemeint sein. Unter Anwendung all dieser aufgeführten Kriterien ist es den Kreditinstituten möglich, ihre Aktiva in die entsprechenden Risikoklassen von 0, 10, 20, 50 und 100 % einzuordnen. Anschließend ist die Multiplikation mit diesen Risikomeßzahlen durchzuführen. Nach Addition der so gewichteten Positionen ergibt sich ein Wert für alle Aktiva, der als erster Bestandteil in den Nenner des Solvabilitätskoeffizienten eingeht. 310

b) Außerbilanzielle Geschäfte gern. Art. 5 Abs. 2 Die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Entwicklung im Bereich der Finanzinnovationen311 hat neue Finanzgeschäfte hervorgebracht. Einige

306 So z.B. Britische Kanalinseln, Insel Man, Monaco, Guam, Puerto Rico, Andorra, Liechtenstein, San Marino und Vatikanstadt; vgl. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 27. 307

Vgl. Art. 9 Abs. I, zweiter und sechster Spiegelstrich .

308 Bzw. bei fehlender Übereinstimmung zusammen mit dem Rat. 309

Vgl. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 27.

310 Vgl. Art. 5 Abs. I u. 4, I. Alt. 311

Zu den Finanzinnovationenvgl. RehmlDeckert, S. 395 ff.

8 Henenthal

114

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankensufsichtsrechts

führen nicht zu herkömmlichen, in der Bilanz ausgewiesenen Aktiva.312 Gleichwohl bringen diese Geschäfte Risiken mit sich. Neben das Adressenausfallrisiko treten hier noch u.a. Zins- und Währungsrisiken. 313 Versteht man den Solvabilitätskoeffizienten als Risikomeßzahl,314 so ist die Einheziehung aller Geschäfte zwingend; die Entscheidung darf nicht von der Zugehörigkeit zur Bilanz abhängig sein. Allein der Risikocharakter ist von Bedeutung. Das rechtfertigt, die außerbilanziellen Geschäfte in der Solvabilitätsrichtlinie zu berücksichtigen. Die Richtlinie sieht zwei Verfahren vor, nach denen die Kreditinstitute diese Risikopositionen zusätzlich in den Nenner des Solvabilitätskoeffizienten einbringen müssen. 315 Sie sind anzuwenden, falls ausserbilanziellen Geschäfte in Anhang I oder III einzuordnen sind. Dort sind jeweils enumerativ außerbilanziellen Geschäftsarten aufgeführt. Grundsätzlich unterscheiden sich diese heiden Gruppen dahingehend, daß zunächst im Anhang 111 Vertragsarten aufgeführt sind, die im Zusammenhang mit Zins_316 und Wechselkursrisiken317 stehen. Bei diesen Geschäftstypen ist eine gesonderte Berechnung erforderlich, weil die Kreditinstitute hier das Ausfallrisiko nicht für den vollen Nennwert ihrer Kontrakte tragen. Dort können nur die Kosten für die Beschaffung von Ersatzmitteln anfallen, wenn die Gegenseite ihren Verpflichtungen nicht nacbkommt. 318 Diese Berechnungsweise nach Art. 6 Abs. 3 ist hier unter Abschnitt c) dargestellt. Die anderen außerbilanziellen Geschäfte sind im Anhang I der Solvabilitätsrichtlinie verzeichnet. 319 Für sie gelangt ein zweistufiges Anrechnungsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 zur Anwendung. Es ähnelt dem Ansatz für die Aktiva aus der Bilanz. 320 In der ersten Stufe müssen die Kreditinstitute die außerbilanziellen Geschäfte in die vier 312 Beispiele: Bürgschaften und Gewährleistungen, Geschäfte mit Rückgriff, Akkreditive, Indossamente, Zusagen, Pensionsgeschäfte, fremdwährungs- und zinsabhängige Vereinbarungen (Swapgeschäfte), Börsenindexlcontrakte; vgl. Basler Ausschuß, Behandlung nicht bilanzwirksamer Risiken, S. 10 ff. 313

s.o. Kap. C IV 2. c).

314

Vgl. Berger, BB

315

Vgl. Art. 5 Abs. 2 u. 3.

316

Anhang m, 1. Hälfte.

1989, 1017, 1019; Traber, Sparkasse 1988,352,353.

317

Anhang m, 2. Hälfte.

318

Vgl. Horn ZBB

319

Einteilung in hohes, mittleres, mittleres/niedriges, niedriges Kreditrisiko.

320 s.o. Kap. E

1989, 107, 119.

m 3. a).

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

115

Klassen von Anhang I einordnen;. die Gruppierung orientiert sich an dem Risikograd (hohes bis niedriges Kreditrisiko). Danach haben die Kreditinstitute diese Vertragswerte mit den Risikogewichten von 0, 20, 50 oder 100 % zu multiplizieren. Diese erste Stufe soll das Risiko berücksichtigen, wie es sich aus der Art des Geschäftes ergibt. In der zweiten Stufe müssen die Kreditinstitute dann das Ausfallrisiko der Vertragspartner einbeziehen. Die Einschätzung erfolgt genauso wie für die Vertragspartner bei den Aktiva, vgl. Art. 6 Abs. 2, S. 3, 4 i.V.m. Abs. 1. Bestehen bei den Verträgen zusätzlich Garantien, so können die Kreditinstitute die Einstufung der Garantiegeber zum Ansatz bringen. Entgegen dem Wortlaut der Richtlinie in Art. 6 Abs. 4 dürfte es sich hier um eine Bestimmung handeln, die nur dann zur Anwendung gelangt, wenn dem Garantiegeber ein geringeres Ausfallrisiko beizulegen ist. Ansonsten ergäbe sich keine Verbesserung gegenüber dem eigentlichen Vertragspartner. Somit erhält man nach Anhang I schließlich einen Wert für jedes außerbilanzielle Geschäft. Dieses Vorgehen berücksichtigt mit zwei Gewichtungen die Art des Vertrages und die Bonität des Vertragspartners. Die Summe all dieser Werte geht als zweiter Bestandteil in den Nenner des Solvabilitätskoeffizienten ein.

c) Außerbilanzielle Geschäfte gern. Art. 5 Abs. 3 Letzter Bestandteil des Nenners sind schließlich Eventualverbindlichkeiten, die aufgrund von Verträgen mit Zins- und Wechselkursrisiken entstehen können. Verschiedene Arten dieser Geschäfte sind in Anhang III der Solvabilitätsrichtlinie aufgeführt;321 hierunter fallen z.B. Swapgeschäfte. 322 Das Risiko bei solchen Verträgen ist darin zu sehen, daß die Gegenpartei ausfallen kann. Dadurch wird eine durch den Kontrakt üblicherweise geschlossene Zins- oder Fremdwährungsposition wieder geöffnet. Einem betroffenen Kreditinstitut können u. U. aus zwischenzeitlich eingetretenen Marktpreisveränderungen Verluste drohen. 323 Solche plötzlich geöffneten Risikopositionen lassen sich erst durch ein neues Gegengeschäft mit einem anderen Partner abdecken. 324 Diese Fiktion ist geeignet, das aktuell mögliche Kreditrisiko abzuschätzen. Es orientiert sich an den jeweils aktuellen

321

s. Solvabilitätsrichtlinie, S.

322

s.o. Kap. C IV 2. c).

323 Vgl. Traber, Sparkasse 324

22.

1988,352,356.

Vgl. Basler Ausschuß, Behandlung der nicht bilanzwirksamenRisiken, S. 17.

116

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Kosten für die Beschaffung von Ersatzmitteln. Den Preis dieser "Wiederbeschaffungskosten " liefert somit der Markt. 325 Die bankenaufsichtsrechtliche Schwierigkeit liegt in der ständigen Änderung dieser Kosten, unter anderem je nach Fälligkeit des ausstehenden Kontraktes sowie des Zins- und Wechselkursniveaus. Hieraus ergibt sich ein neuartiges Problem für die Bankenaufsicht. Bei den konventionellen bilanzwirksamen Positionen ist der maximale Verlust relativ einfach zu bestimmen. Hinsichtlich der bilanzunwirksamen Geschäfte muß jedoch der potentielle, ständig schwankende Verlust im voraus geschätzt werden. Dazu findet sich bereits in den Empfehlungen des Basler Ausschusses ein Ansatz. 326 Der Anrechnungsmodus in der Solvabilitätsrichtlinie ist hieran orientiert. Für die Kreditinstitute soll es anband zweier Verfahren möglich sein, die Risiken aus diesen Geschäften zu bemessen. 327 Dafür dienen der Marktbewertungs- und der Ursprungsrisikoansatz. Bei dem Marktbewertungsansatz ("marking to market") sind in einem ersten Schritt die aktuellen Wiederbeschaffungskosten zu ermitteln (Schritt a).328 Zusätzlich müssen die Kreditinstitute einen Wert für das potentielle künftige Kreditrisiko errechnen. Dieser beruht auf der Art des Risikos und der Restlaufzeit (Schritt b). Anschließend wird die Summe aus diesen Werten mit der Bonität des Vertragspartners gewichtet, Art. 6 Abs. 1 (Schritt c). Man erhält den bankaufsichtsrechtlichen Wert für die außerbilanziellen Geschäfte, die im Zusammenhang mit Zins- oder Wechselkursrisiken stehen. Der Ursprungsrisikoansatz als zweites Verfahren ist unabhängig von aktuellen Wiederbeschaffungskosten. Er bezieht sich zunächst auf einen Betrag, der aus der Multiplikation von Nennwert und einem Koeffizienten folgt (Schritt a).329 Der Koeffizient ist dabei von der Ursprungslaufzeit und der Risikoart abhängig. Dieser Wert ist dann noch wie bei der Marktbewertungsmethode mit der Bonität der Vertragspartner gem. Art. 6 Abs. 1 zu multiplizieren. Insoweit gleichen sich diese beiden Verfahren. Unterschiede entstehen bei stark steigenden Wiederbeschaffungskosten. Ungeachtet einer solchen Marktveränderung bleibt der Risikowert nach dem Ursprungsrisikoansatz kurzfristig konstant, weil er auf den Nennwert bezogen ist. Der Wert nach dem Marktbewertungsansatz erhöht sich hingegen

325 Vgl. Basler Ausschuß, aaO. 326 Vgl. Basler Ausschuss, Internationale Konvergenz, Anlage 3. 327 Vgl. Solvabilitätsrichtlinie, Anhang 11, S. 21, Methode 1. 328 In ·diesem ersten Wert sind nur positive Wicderbeschaffungskostenzu berücksichtigen. 329 Vgl. Solvabilitätsrichtlinie, Anhang 11, S. 21, Methode 2.

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

117

mit gestiegenen Wiederbeschaffungskosten. Versteht man diese Wiederbeschaffungskosten als einen wichtigen Maßstab zur Darstellung des aktuellen Risikos, so ist diese Methode genauer. Allerdings ist sie in der Durchführung aufwendiger. Da der Solvabilitätskoeffizient eine aktuelle Risikomeßzahl darstellt, sollte man jedoch die Marktbewertungsmethode vorziehen. Nach Ermittlung dieses Risikowertes ist schließlich der dritte und letzte Bestandteil aus dem Nenner des Solvabilitätskoeffizienten errechnet. Der Solvabilitätskoeffizient setzt sich somit wie folgt zusammen: Solvabilitätskoeffizient = Basiseigenmittel

+

ergänzende Eigenmittel

risikogewichtete Aktiva

+ Fonds für allg. Bankrisiken

Abzugsposten aus Beteiligungen

+ risikogewichtete außerbilanzielle Geschäfte nach Anhang I u. III

Nach Art. 10 Abs. 1 müssen die Kreditinstitute in Zukunft einen Solvabilitätskoeffizienten von mindestens 8 % halten. Dieser Wert wurde aufgrund einer statistischen Erhebung über die Anfang 1988 geltenden Kapitalanforderungen festgelegt. 330 Er spiegelt insoweit die bankenaufsichtsrechtlichen Erfahrungen der Mitgliedstaaten wider. Der Basler Ausschuß hat dieselbe Höhe festgelegt. 33 } Insgesamt dürfte dieser Wert somit realistisch sein. Eigene Aussagekraft erhält die 8 % - Grenze jedoch erst, wenn die Mitgliedstaaten die Eigenmittelrichtlinie und die Solvabilitätsrichtlinie umgesetzt haben. Denn die EG-Richtlinien enthalten eine Reihe von Wahlrechten. Je nachdem, wie die Mitgliedstaaten sie ausgestalten, gelangen sie zu härteren oder weicheren Eigenkapitalanforderungen bei trotzdem formal gleichbleibendem Koeffizienten. Das EG-Recht die 8 % Grenze starr fest; sie ändert sich nicht in Abhängigkeit der von den Mitgliedstaaten wahrgenommenen Umsetzungswahlrechte. Somit können sich EG-weite Unterschiede in den Eigenkapitalanforderungen ergeben. Ihr Bestand hängt zum einen davon ab, inwieweit die Mitgliedstaaten in einen "nivellierenden" Wettbewerb der Rechtsnormen treten. Zum anderen könnte sich seitens der Kreditinstitute ein Anpassungsdruck auf die nationalen Gesetzgeber ergeben. Er entsteht, wenn die Kreditinstitute durch

330 Vgl. Begründung zur Solvabilitälsrichtlinie, S. 14. 331 Vgl. Basler Ausschuß, Internationale Konvergenz, Einleitung, Ziff. I, Kap. Kap. IV Ziff. 50; Clarolli, Cahiers de droit europeen 1989,504,512 f.

m, Ziff. 44,

118

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

ihre Niederlassungspolitik die für sie günstigsten Rahmenbedingungen wählen. 4. Die Umsetzung der Solvabilitätsrichtlinie in den Grundsatz I gern. §§ 10, 10 a KWG Im deutschen Recht ist die Solvabilität der Kreditinstitute in §§ 10, 10 a und 11 KWG verankert. Danach müssen Kreditinstitute und gruppenangehörige Kreditinstitute ein "angemessenes haftendes Eigenkapital" haben. Das haftende Eigenkapital ist im Kreditwesengesetz selbst definiert. Hingegen bestimmt sich die" Angemessenheit" nach Grundsätzen, die vom Bundesaufsichtsamt im Einvernehmen mit der deutschen Bundesbank zu erlassen sind. Die letzte "Bekanntmachung über die Änderung und Ergänzung der Grundsätze über das Eigenkapital der Kreditinstitute" stammt vom 15. Mai 1990. 332 Sie orientiert sich bereits weitgehend an der Solvabilitätsrichtiinie und den Basler Empfehlungen. Novelliert sind dabei die Grundsätze I und I a. 333 Ihre grundlegende Struktur hat sich dabei erhalten; insbesondere sind sie weiterhin zwei voneinander unabhängig stehende Eigenkapitalnormen. 334 Grundsatz I erfaßt die möglichen Adressenausfallrisiken eines Kreditinstituts. Grundsatz I a bezieht sich hingegen auf mögliche Markt- oder Preisrisiken. Er möchte gerade die inzwischen stärker verbreiteten Termin- und Optionsgeschäften mit Zins- und Preis- oder Kursrisiken einbeziehen. 335 Diese sind nicht mit einem bestimmten Prozentsatz an Eigenkapital336 zu unterlegen, wie in der Solvabilitätsrichtlinie oder im Grundsatz I. Vielmehr werden die Risikopositionen je nach Geschäftsart auf eine am Eigenkapital orientierte Größe begrenzt. 337 Im Ergebnis führt das zu einem dem Grundsatz I vergleichbaren Ansatz.

332

Bundesanzeigervom 17. Mai 1990.

VgI. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S.1 tT; Krumnow, WM 1990, 1615; Hillmann, Die Bank 19/18, 534 tT.; SzagunnIWohlschieß, §§ 10/11 Anhang, Rdnr. 1; zum neuen Grundsatz I s. AmoldlMattler, Die Bank 1990, 432tT; RehmlGeiger, Sparkasse 1990, 342 tT; zum neuen Grundsatz las. Dormanns, Die Bank 1990,372 tT.; MattIer, WM 1991,3 tT. 333

334

VgI. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 3.

335 VgI. Bundesaufsichtsamt, aaO., S. 34; Dormanns, aaO., 372; RehmlGeiger, aaO., S.346. 336 Da~ deutsche Recht bezieht sich noch auf die Eigenkapitaldefinition und nicht auf die Basis der EigenmitteI. 337

VgI. RehmlGeiger, aaO.

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

119

Die Anrechnungsbeiträge nach den Grundsatz I und I a werden getrennt ermittelt. Dabei könnte es zu einer Doppelbelegung des Eigenkapitals kommen, in Grundsatz I und I a. De facto bleibt bei den Kreditinstituten jedoch bisher noch Spielraum bei. der Eigenkapitalbelegung über den Grundsatz I. Insofern hat das Bundesaufsichtsamt darauf verzichtet, die Werte aus beiden Grundsätzen additiv mit Eigenkapital unterlegen zu lassen. Es handelt sich bei den Grundsätzen um eigenständige Normen. Dabei ist Grundsatz I a nicht aus den Vorgaben des EG-Rechts, insbesondere der Solvabilitätsrichtlinie, entstanden oder angepaßt worden. Somit ist dieser Grundsatz als rein nationales Bankenaufsichtsrecht zu verstehen. In direktem Zusammenhang mit dem EG-Recht steht hingegen der Grundsatz I. Sein Aufbau und seine Systematik haben sich gegenüber dem alten Grundsatz I erhalten. Inhaltlich ist er jedoch den EG-Vorgaben bereits weitgehend angeglichen. Darüber hinaus verbleibt aber noch ein restlicher Anpassungsbedarf. Das Bundesaufsichtsamt kann dabei die vom EG-Recht gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Das bezieht sich insbesondere auf den Kreis der anzurechnenden Risikopositionen, den Methoden und Gewichtungssätzen. Es steht dem Bundesaufsichtsamt jedoch frei, diese Vorgaben zu unterschreiten, d.h. strengere Eigenkapitalanforderungen aufzustellen. 338 Folgende Besonderheiten sind beim neuen Grundsatz I im Hinblick auf die Solvabilitätsrichtlinie hervorzuheben. 339

a) Die Risikopositionen nach Grundsatz I Grundsatz I nennt im ersten Absatz die "Risikoaktiva ". die in den Solvabilitätskoeffizienten eingehen müssen: 1. 2. 3. 4.

Beteiligungen, Kredite, Finanzswaps sowie Termingeschäfte und Geschäftsgegenstand.

Optionsrechte

über

eIDen

vertretbaren

Bereits der neu eingeführte Oberbegriff "Risikoaktiva • soll deutlich machen, daß die Positionen des Grundsatzes I erweitert wurden. 340 Neu sind

338

Vgl. Art 6 Abs. I; 10 Abs. 2.

Vgl. dazu die synoptische Übersicht zum EG-Ansatz, den Basler Empfehlungen und dem Vorentwurfzum Grundsatz I bei Traber 1988,352,358 f. 339 340

Vgl. zur Neufassung Szagunn/Wohlschieß, aaO., Rdnr. 8 ff.

120

E. Die Ausge8laltung dCI EG-BankenaufaichlBfechlB

elDlge sog. Finanzinnovationen in Abs. 1 S. 2 Nr. 3 u. 4.341 Ihre Einbeziehung erfolgt in Übereinstimmung mit der Solvabililätsrichtlinie und den Empfehlungen des Basler Ausschusses. 342 Dabei ist jedoch der Anwendungsbereich des neUen Grundsatzes I teils weiter und teils enger als die EG-Vorgabe gezogen. Die Solvabililätsrichtlinie erfaßt nur zins- und wechselkursabhängige Termingeschäfte und Optionsrechte. 343 Nach Auffassung des Bundesaufsichtsamtes ist es nicht vertretbar, andere bilanzunwirksame Transaktionen mit hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt nicht einzubeziehen. Aus diesen können auch Eindekkungsrisiken entstehen. 344 Insofern gehören ebenfalls die Aktienterminund Aktienoptionsgeschäfte zu der Kategorie von Abs. 1 Nr. 4 des Grundsatzes 1.345 Es gibt umgekehrt auch Positionen, die zwar in der Solvabililätsrichtlinie, aber noch nicht in den Grundsätzen erfaßt sind. Nach Art. 6 Abs. 1 d) Nr. 5 der Richtlinie zählt auch das Sachanlagevermögen346 ZU 100 % zu den risikogewichteten Aktiva. Daneben gibt es in Art. 6 Abs. 1 d) Nr. 7 der Richtlinie schließlich einen Auffangtatbestand, wonach alle nicht gesondert aufgeführten "Aktiva, sofern sie nicht von den Eigenmitteln abgezogen werden", ebenfalls zu 100 % in die Berechnung eingehen. Hierunter fallen z.B. Wertpapiere. Diese Auffangnorm ist noch nicht in den neuen Grundsatz I einbezogen. 347 Dadurch soll für die deutschen Kreditinstitute ein Wettbewerbsnachteil vermieden werden. 348 Somit sind mit den Wertpapieren und dem Sachanlagevermögen zwei wichtige Positionen im Grundsatz I noch nicht aufgenommen. 349 Bis zum 1. Januar 1993 muß die Übernahme mit Ablauf der Umsetzungsfrist erfolgen.

341

Vgl. BAKred, Erläuterungen, S. 4.

342

Vgl. Basler Ausschuß, lnternationale Konvergenz, Kap. ll, Ziff. 42 sowie Anlage 3.

343 Vgl. Anhang I, II der Solvabililätsrichtlinie. 344

Vgl. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 7/8.

345 Vgl. ArnoldlMattler, Die Bank 1990,432. 346 s. Art. 4 Nr. 10 der Richtlinie 86/635/EWG ABI.Nr. L 372 v. 31.12.1986 und Art. 9 C. ll. der Richtlinie 78/660/EWG ABI.Nr. L 222 v. 14.08.1978. 347

Vgl. SzagunnIWohlschieß, aaO., Rdnr. 11.

348

Vgl. Krumnow, WM 1990, 1615.

349

Vgi. Rudolph, ZKW 1990, 404, 408; Gadum, Implementierung der EG-Richtlinien,

S.8.

w.

Die Solvabilitätsrichtlinie

121

b) Anrechnung der RisikoakJiva

Hinsichtlich der Gewichtung der Risikoaktiva ähnelt der neue Grundsatz I bereits weitgehend der Solvabilitätsrichtlinie. 350 Insbesondere sind die Anrechnungserleichterungen für Vertragspartner aus den OECD-Staaten übernommen worden. 351 Vollkommen identisch hat das Bundesaufsichtsamt die Anrechnungsverfahren für die Finanzinnovationen gestaltet.352 Insoweit finden sich hier der Marktbewertungsansatz und der Ursprungsrisikoansatzl 53 wieder. 354 Schließlich ist noch für die Anrechnung der Risikoaktiva eine Ausnahmeregelung von Bedeutung. Art. 11 Abs. 4 der Solvabilitätsrichtlinie stellt eine Besonderheit für Dänemark, Griechenland und die Bundesrepublik Deutschland dar. Sie bestimmt, daß Aktiva mit 50 % zu gewichten sind, die bis zu 60 % hypothekarisch beliehene Objekte betreffen. Das gilt als Übergangsregelung bis zum 1. Januar 1996. Die Bestimmung ist gerade für Hypothekenbanken von besonderer Bedeutung. Sie erhalten somit übergangsweise eine Erleichterung bei der Anpassung ihrer Eigenmittelausstattung. Nach dem 1. Januar 1996 kommt es dann weitgehend zu einer Verdoppelung der Eigenkapitalunterlegung. Dies dürfte die Kapitalaufnahme verteuern. 355 In dem neuen Grundsatz I ist die auch früher schon bestehende Ausnahmeregelungl 56 in Abs. 8 Nr. 2 verankert. c) Der Solvabilitätskoeffizient

Der neue Grundsatz I bestimmt in Abs. 1, daß die Risikoaktiva eines Kreditinstituts das 18-fache des haftenden Eigenkapitals nicht übersteigen sollen. Dies bedeutet umgekehrt, daß die Risikoaktiva mit mindestens 5,5 % Eigenkapital unterlegt sein müssen.

350 Vgl. Szagunn, Wohischieß aaO., Rdnr. 15 sowie die Gegenüberstellung zu den Entwürfen der Solvabilititsrichtlinie bei Traber, Sparkasse 1988, 352, 358 f. und zu den Anrechnungskategoriendes Basler Ausschusses, Mast, ZKW 1989,410 Cf.

351 Vgl. ArnoldlMattler, Die Bank 1990, 432, 435; Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 24 f. 352 Vgl. Abs. 6 von Grundsatz I. 353

Entspricht der Laufzeitmethode.

Vgl. Bundesaufsichtsamt, Erläuterungen, S. 24 f.; AmoldlMattler, aaO., S. 433 Cf.; Traber, Sparkasse 1988,352,356. 354 355

Vgl. Gaddum, Implementierung der EG-Richtlinien, S. 7.

356

Vgl. Abs. 5 Nr. 2 des Grundsatzes I a.F.

9 HeUenthal

122

E. Die Ausgestaltung des EG-Bankenaufsichtsrechts

Die Bestimmung ist unverändert aus der alten Fassung der Grundsätze übernommen worden. Fraglich ist, wie dieser Prozentsatz angesichts der Änderungen und vor dem Hintergrund der EG-Normen einzuschätzen ist. Die Solvabilitätsrichtlinie legt einen Koeffizienten i.H. v. 8 % fest. Demnach dürfen die in die Solvabilitätsberechnung eingehenden Bestandteile das 12,5 fache der Eigenmittel nicht übersteigen. Dieser Anteil ist mit dem neuen deutschen Recht noch nicht vergleichbar. Das Eigenkapital nach dem geltenden KWG entspricht ungefähr den EGBasiseigenmitteln. 357 Die Basiseigenmittel müssen jedoch nach dem EGRecht mindestens 50 % der Gesamteigenmittep5 darstellen. Demnach stellt die EG- 8 % - Grenze vor dem Hintergrund des deutschen Eigenkapitalbegriffs eher einem 4 % - Limit dar. 359 Somit kann man zu dem Zwischenergebnis gelangen, daß die deutschen Eigenkapitalanforderungen mit 5,5 %iger Unterlegung nocht strenger sind, als die EG-Vorschriften. Der Abstand verringert sich jedoch noch, da der Nenner des EG-Solvabilitätskoeffizienten gegenüber den "Risikoaktiva" weiter gefaßt ist. Eine abschließende Aussage zum Vergleich des deutschen und des EG-Solvabilitätskoeffizienten ist danach nicht möglich. Es kommt entscheidend auf die Umsetzung der Eigenmittelrichtlinie in das deutsche Recht an. Es ist jedoch festzuhalten, daß die EG-Vorgabe sich an internationalen Erfahrungswerten orientiert. Sie steht im Einklang mit dem Richtwert des Basler Ausschusses aus neuerer Zeit. 360 Die Bestimmung im Grundsatz I hingegen geht auf die Originalfassung der Grundsätze von 1962 zurück. Dort heißt es bereits: " Die Kredite an Wirtschaftsunternehmen, Private und Kreditinstitute und die Heteiligungen eines Kreditinstituts abzüglich der Sammelwertberichtigung sollen das 18-fache des haftenden Eigenkapitals nicht übersteigen". 361 Dieser Maßstab wurde damals empirisch-statistisch ermittelt. 362 Obwohl sich der Grundsatz I und das KWG bis heute mehrfach geändert haben, ist der Unterlegungssatz vom 18-fachen des Eigenkapitals beibehalten worden.

357 s.o. KÄp. E 358

n 2.

Gesamteigenmittel

= Basiseigenmittel + ergänzende Eigenmittel.

359 Vgl. Kuntze, Bankenlag 1990, S.

61.

360 Vgl. Begründung zur Solvabilitätsrichtlinie, S. 14; Basler Ausschuß, Internationale Konvergenz, Einleitung Ziff. I, Iß, Ziff. 44, IV Ziff. 50 von 1988.

BU!ldesanzeiger Nr. 53, v. 16. März 1962, S. 2 bzw. mit Berichtigung Bundesanzeiger 57 v. 22. März 1962, S. 1. 362 Vgl. Szagunn, WohischieB, §§ 10, 11 Anhang, Rdnr. 3. 361

Nr.

m. Die Solvabilitätsrichtlinie

123

Daneben ist zu bedenken, daß sich auch die Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute stark gewandelt hat. So haben sich z.B. die außerbilanziellen Finanzinnovationen im Verhältnis zum bilanzwirksamen Geschäft sehr stark ausgeweitet. 363 Gerade nach der letzten Neufassung dürfte der Solvabilitätskoeffizient im deutschen Recht von seiner Höhe her überarbeitungsbedürftig sein. Denn nunmehr enthält der Grundsatz auch die Finanz-Swaps und Termingeschäfte. Es ist anzunehmen, daß das Bundesaufsichtsamt zunächst die 4. KWG-Novelle abwartet. Dort wird der Eigenmittelbegriff definiert. Danach kann man erst den Solvabilitätskoeffizienten anpassen. Schon jetzt läßt sich jedoch abschätzen, daß die neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben Auswirkungen auf die Eigenkapitalausstattung in der Bundesrepublik Deutschland haben werden. Nach Modellrechnungen haben die deutschen Kreditinstitute, gemessen am EG-Standard, einen Solvabilitätskoeffizienten i.H.v. 6,6 %.364 Dies dürfte die Kreditinstitute veranlassen, gerade im Bereich der ergänzenden Eigenmittel365 ihr Kapital aufzustocken. 366

363

Vgl. Krummow, WM 1990, 1615.

Vgl. Voss, EG-Eigenmittelrichtlinie für deutsche Banken, S. 103; Braunberger, FAZ v. 10.04.1991. 364

36S

Z.B. Genußscheinen, nachrangige Anleihen.

366

s.o. Kap. Eil. a.E.

F. Zusammenfassung Mit der Verwirklichung der Maßnahmen zur Vollendung des Binnenmarktes ändert sich auch das EG-Bankenaufsichtsrecht grundlegend. Die 1989 erlassenen Richtlinien (zweite Bankrechtskoordinierungs-, Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie) gehen auf eine längere Entwicklung zurück. Sie war zunächst durch eine eher nationale Sichtweise geprägt. Vorbild für eine ländecübergreifende Denkweise war dann 1979 das Urteil des EuGH im Fall "Cassis de Dijon". Demnach darf ein Mitgliedstaat den freien, grenzüberschreitenden Verkehr mit Produkten nicht behindern, wenn die Ware in ihrem Ursprungsland rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist. Diesen Gedanken hat die EG-Kommission u.a. 1985 im Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes aufgenommen. Für den Finanzsektor sollte dieser Grundsatz ebenfalls gelten. Demnach dürfen Kreditinstitute nicht gehindert sein, über eine Zweigstelle oder im Wege des Dienstleistungsverkehrs ihre Finanzprodukte in einem anderen Mitgliedstaat anzubieten. In der zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie ist dieser Grundsatz der "gegenseitigen Anerkennung" dann verankert worden. Das Prinzip steht jedoch nicht alleine. Notwendigerweise mußte man die Zulassungsbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten auf ein vergleichbares Niveau bringen. Deswegen erfolgte gleichzeitig die Harmonisierung der Mindestzulassungsbedingungen für Kreditinstitute. Schließlich war die Aufsichtszuständigkeit neu zu gestalten. Seit 1983 bestand die ländecübergreifende Bankenaufsicht für die Tochtergesellschaften von Kreditinstituten. Dieses Prinzip der "Herkunftslandkontrolle" hat man nunmehr nach Art. 13 der zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie auch auf Zweigstellen und den reinen Dienstleistungsverkehr in anderen Mitgliedstaaten ausgeweitet. Damit liegt ein neues System für die Bankenaufsicht in der EG vor. Es ist nicht zentralistisch auf Bcüssel zugeschnitten, sondern beruht vielmehr auf einer Angleichung der nationalen Aufsichtsrechte. Die nationalen Aufsichtsbehörden bleiben bestehen. Wegen der harmonisierten Aufsichtsregeln arbeiten sie in ähnlicher Art und Weise; die Bankenaufsicht in der EG erhält daher einen föderativen Charakter.

F. Zusammenfassung

125

Weitgehend beseitigt sind die Probleme, die sich für eine grenzüberschreitende Bankenaufsicht stellen können: Es gibt keine Regelungslücken, die Zuständigkeiten sind eindeutig geklärt. Es kann nicht zu einer Doppelbeaufsichtigung kommen. Aufgrund der Harmonisierung entstehen keine einander widersprechende Aufsichtsnormen. Ob und wieweit dieses System erfolgreich sein wird, hängt insbesondere von seiner Umsetzung in den Mitgliedstaaten ab. Einerseits verbleibt den nationalen Gesetzgebern noch Spielraum, da die Zulassungsbedingungen Mindesterfordernisse darstellen. Andererseits sind Einschränkungen bei der gegenseitigen Anerkennung möglich, falls ein Mitgliedstaat ein besonderes nationales Allgemeininteresse schützen möchte. Zusätzlich birgt die zweite BankrechtskoordinierungsrichtIinie deregulierende Effekte in sich. Das folgt aus der zwingenden Anerkennung von Zweigstellen und grenzüberschreitenden Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten, die auch nur von dort beaufsichtigt werden. Insgesamt nachteilig könnte sich der enge Anwendungsbereich der zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie darstellen. Nach der EG-Definition sind Kreditinstitute solche Unternehmen, die Einlagen entgegennehmen und Darlehn gewähren. Sie unterfallen dann mit ihrer gesamten Geschäftstätigkeit der Aufsicht. Spezialinstitute, die ähnliche Dienstleistungen anbieten, sind davon nicht betroffen. Sie kommen dann allerdings auch nicht in den Vorzug der gegenseitigen Anerkennung. Für sie gelten die allgemeinen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheiten nach dem EWG-Vertrag. Die EG möchte die Regelungslücke für Wertpapierhäuser mit vergleichbaren Richtlinien schließen. Bei den Umsetzungsaktivitäten im deutschen Aufsichtsrecht zeichnet sich ab, daß der enge Kreditinstitutsbegriff der EG zu einer Zweigleisigkeit führen wird. Zum einen sollen in das KWG die EG-Vorgaben eingehen; zum anderen bleiben die alten Vorschriften für all diejenigen "Kreditinstitute" i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG bestehen, die als Spezialinstitute nicht unter die EGDefinition fallen. Aus der Gesamtsicht der EG ist fraglich, ob eine solche Zersplitterung in Kreditinstitute mit EG- und mit nationalem Rang die Bankrechtsharmonisierung unterstützt und zur Vereinfachung beiträgt. Bei der Zulassung und der laufenden Überwachung der Kreditinstitute ist ihre Eigenmittelausstattung von Bedeutung. Die Eigenmittelrichtlinie zeigt auf, wie diese Größe zu errechnen ist. Sie unterscheidet zwischen Basis- und ergänzenden Eigenmitteln. Letztere sind auf 100 % der Basiseigenmittel begrenzt. Eine solche Konstruktion ist bankenaufsichtsrechtlich anerkannt. Der Basler Ausschuß verwendet einen ähnlichen Ansatz.

126

F. Zusammenfassung

Streitig sind lediglich die als ergänzende Eigenmittel anerkannten Neubewertungsrücklagen. Hierbei handelt es sich um Rücklagen, die durch eine Neubewertung bestimmter Aktiva entstehen. Aus Sicht einer restriktiven Bankenaufsicht wäre es verständlich, diese Position nicht als Eigenmittel zuzulassen. Denn vielfach bezieht sich die Neubewertung auf Inflationssteigerungen und verstößt im übrigen gegen das Anschaffungskostenprinzip. Aufgrund unterschiedlicher nationaler Umsetzungen kann es jedoch hier zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Möglicherweise gleicht der Markt diesen Effekt teilweise wieder aus, falls er denjenigen Kreditinstituten eine höhere Einstufung beilegt, die ohne Neubewertungsrücklagen ihre Eigenmittel bilden. Aus Wettbewerbsgesichtspunkten sollte man deshalb zumindest die Neubewertungsrücklagen auf das Sachanlagevermögen anerkennen. Die absolute Höhe der Eigenmittel gewinnt an Bedeutung bei der Solvabilitätsrichtlinie. Sie setzt die Eigenmittel in ein 8 %-iges Verhältnis zum Geschäftsvolumen eines Kreditinstituts. Von Bedeutung ist, daß hiervon auch die außerbilanziellen Aktivitäten erfaßt sind. Diese Transaktionen sind oft mit einem hohen Risiko behaftet und nehmen gegenüber dem bilanzwirksamen Geschäft stärker zu. Viele deutsche Kreditinstitute dürften die 8 %-ige Eigenmittelunterlegung nur schwer erreichen, falls die Neubewertungsrücklagen nicht einzurechnen sind. Sie müßten künftig ihre Eigenmittel aufstocken. Eine solche Maßnahme führt jedoch zu steigenden Eigenkapitalkosten. Hinzu kommt dann noch mit der Verwirklichung des Binnenmarktes ein zu erwartender Preisverfall; diese Effekte werden die Ergebnisse der deutschen Kreditinstitute belasten. Aus Verbrauchersicht ist eine solche Entwicklung vielleicht vorteilhaft, weil die Dienstleistungen günstiger werden und die Solidität des Bankwesens gewahrt bleibt. Sollten jedoch unter den Kreditinstituten aufgrund des Bankenaufsichtsrechts größere Wettbewerbsverzerrungen entstehen, so ergäbe sich ein Deregulierungsdruck auf den deutschen Gesetzgeber. Dieser Mechanismus ist ein gewünschter Effekt der Bankrechtsharmonisierung. Das EG-Bankenaufsichtsrecht soll nicht nur durch EG-Richtlinien und Verordnungen harmonisiert werden. Von Bedeutung ist auch die wettbewerbsbedingte Anpassung der nationalen Gesetzgeber. Funktioniert der Mechanismus der Deregulierung in den einzelnen Mitgliedstaaten, so entsteht das EG-Bankaufsichtsrecht durch die angeglichenen nationalen Aufsichtsnormen, ohne das es weiterer Vorgaben durch die EG bedarf. Die Umsetzungsfristen der wichtigsten EG-Bankrechtsrichtlinien enden am

1. Januar 1993. Somit kann mit der Vollendung des Binnenmarktes auch die

notwendige Vereinheitlichung des Bankenaufsichtsrechts erfolgt sein.

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